Montag, 9. Juni 2014

Kafkas Prag - Da geht Kafka!

Wo geht er? In Prag, seiner Heimatstadt.
Franz Kafka, dessen kühle, wortarme und doch „kleistische“ Prosa, dessen literarische Bilder – vom vortragenden Affen oder vom verwandelten Samsa, vom Landvermesser oder von der Strafkolonie – und dessen Expertisen der Macht seit der Mitte unseres Jahrhunderts fast alle Literaturen der Welt so nachhaltig beeinflusst haben, hat seine Heimatstadt Prag in der kurzen Zeit seines Lebens (1883 – 1924) kaum je verlassen: verschiedene Dienstreisen, einige Bildungsreisen, viele Sanatoriumsaufenthalte, ein halbes Jahr in Berlin und einige Monate auf dem böhmischen Land – das war alles.
„Prag“, schreib Kafka schon als Neunzehnjähriger, “ lässt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen. „ Und 1912, als Neunundzwanzigjähriger, bereits vier Jahre Beamter und im Begriff, den ersten Roman zu schreiben: „Wie lebe ich denn in Prag! Dieses Verlangen nach Menschen, das ich habe und das sich in Angst verwandelt, wenn es erfüllt wird, findet sich erst in den Ferien zurecht…“ Zwei Jahre später im Tagebuch: „Von Prag weggehn. Gegenüber diesem stärksten menschlichen Schaden, der mich je getroffen hat, mit dem stärksten Reaktionsmittel, über das ich verfüge, vorgehn.“ Und 1917, resigniert: “ Prag: Die Religionen verlieren sich wie die Menschen.“
Will man also wissen, in welchen Häusern Kafka wohnte (sie stehen noch fast alle) oder was es zu bedeuten hat, wenn er schreibt: „ich treibe mich am liebsten in Parks und auf Gassen herum“, kurz: was Kafka „vor Augen“ hatte, so muss man nach Prag fahren, in Wirklichkeit oder im Geist. Für beides ist dieses Lese- und Reisebuch als Begleiter gedacht, wobei sich ein Hauptbemühen auch darauf richtete, die Häuser und Orte in zeitgenössischen Aufnahmen vorzustellen. 

Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 als ältestes Kind des Kaufmanns Herrmann Kafka und seiner Frau Juli in Prag geboren, auf der Grenze zwischen Altstadt und Josefstadt, also am Rand des damals als architektonische Einheit noch bestehenden Ghettos; auch sein Geburtshaus Ecke Karpfen - / Maiselgasse, mit der alten Hausnummer (der sogenannten Konskriptionsnummer) 27/1, wurde später assaniert; nur das Tor ist noch erhalten.
Der Vater, Sohn eines Fleischers, war wenige Jahre vorher aus einer kleinen jüdischen Gemeinde in der südböhmischen Provinz als armer Wanderhändler nach Prag gekommen, hatte die vermögendere Brauerstochter Julie Löwy geheiratet und sich – mit zunehmendem Erfolg – als „Galanteriewarenhändler“ (Stöcke, Schirme, Zwirn, Modeartikel, Kurzwaren) etabliert. In den ersten Jahren zog die Familie öfters um, entsprechend dem gesellschaftlichen und ökonomischen Aufstieg.


Von 1889 bis 1896 wohnte man zum erstenmal für längere Zeit in einem Haus (Minuta), in dem auch Kafkas Schwestern geboren wurden. Das Kind wurde nach der „allgemeinen Söhnebehandlung des jüdischen Mittelstandes“ erzogen, von Gouvernante, Dienstmädchen, Köchin. Die Eltern waren den Tag über im“ Geschäft“, wo der Vater als polternder Chef wirkte; abends aß man spät, danach das übliche Kartenspiel.
Von 1893 bis 1901 besuchte Kafka das k. k. Staatsgymnasium mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-Altstadt, ein humanistisches Gymnasium, in dem weder Kunst und Musik noch moderne Sprachen unterrichtet wurden (Kafka lernte Französisch und später etwas Englisch und Italienisch ausserhalb der Schule). Er galt als bescheidener, zurückhaltender Schüler mit durchschnittlichen (nur in Mathematik gleichbleibend miserablen) Leistungen.  1896 zog die Familie in das Haus Zu den drei Königen, wenige Schritte entfernt vom Haus vom Haus Minuta und vom Gymnasium, in dem sich später auch die Galanteriewarenhandlung des Vaters befand.
Nach dem Abitur (1901) wollte Kafka zuerst Germanistik studieren, entschied sich dann aber für Jura, ein Studien fach, das neben Medizin Juden noch am ehesten spätere Berufschancen bot. Dass aus dem Sohn kein Kaufmann werde, damit schien sich der Vater abgefunden zu haben. Für den Sohn war es ohnehin nur die lästige Wahl eines Brotberufs, der das Schreiben (schon damals seine „Hauptsehnsucht“) möglichst unbehelligt lassen würde. Das Jurastudium an der k. k. deutschen Karl-Ferdinands-Universität zu Prag, in dem er sich, „unter reichlicher Mitnahme der Nerven geistig förmlich von Holzmehl ernährte, das überdies von tausend Mäulern vorgekaut war“, absolvierte er in der kürzestmöglichen Frist von acht Semestern.


In der Universitätszeit war Kafka Mitglied der „Lesse- und Redehalle deutscher Studenten“, in der er auch seinen lebenslangen Freund Max Brod kennenlernte. Es entstand die früheste erhaltene Prosa, Beschreibung eines Kampfes.
Nach der Promotion und dem vorgeschriebenen „Gerichtsjahr“ arbeitete Kafka, vermittelt durch einen Onkel, vorerst in der Prager Depandence der Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali, die er aber schon nach einem Jahr verliess, um in die Dienste der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag einzutreten, in deren grossen Bürogebäude er bis zu seiner Pensionierung seinen täglichen Pflichten nachging.
Die Arbeitszeit war wesentlich kürzer als in der Assicurazioni Generali. Waren es dort elf bis zwölf Stunden täglich, so waren es hier etwa sechseinhalb. Freilich auch samstags, so dass – bei nur vierzehn Tagen Ferien – Kafka jährlich sogar ein etwas höheres Stundenpensum hatte als ein heutiger Angestellter. Dennoch: Die Nachmittage oder Abende wurden genutzt lange Spaziergänge, „kreuz und quer durch die Stadt, über den Hradschin, rund um den Dom und über das Belvedere“. Oder zum Besuch von Parteiversammlungen der Sozialdemokraten, Realisten (der Partei des späteren Staatsgründers Masaryk) und Anarchisten.
Oder zur Teilnahme am Diskussionszirkel über die Philosophie Franz Brentanos im Cafe Louvre und an den Vortragsabenden im gastfreundlichen Salon der Apothekersgattin Berta Fanta über die neuesten Tagesthemen: Quantentheorie, Psychoanalyse, Relativitätstheorie.
Das von ihm am häufigsten besuchte Theater in dieser Zeit war eine „Schmiere“ im Cafe Savoy am Ziegenplatz: eine „Jargontruppe“ aus Polen, die jiddische Theaterstücke aufführte. Es war die erste Begegnung mit einem lebendigen (Ost-)Judentum, dessen Spuren bis ins Spätwerk reichen.
1911 machte der Vater den letzten Versuch, den einzigen Sohn, wenn er schon nicht Geschäftsmann werden wollte, mit dem Geschäftsleben zumindest vertraut zu machen. Er beteiligte ihn mit einer Einlage an einer Fabrik seines Schwiegersohnes, um die sich auch Kafka kümmern sollte, was zu heftigen Auseinandersetzungen führte, zweimal sogar zu Selbstmordgedanken: „Ich bin sehr lange am Fenster gestanden, und es hätte mir öfters gepasst, den Mauteinnehmer auf der Brücke durch meinen Sturz aufzuschrecken“ – die Familie wohnte damals (Oktober 1912) in einem der neu errichteten „Mietspaläste“ der Josefstadt, am Ende der Niklasstrasse, mit dem Blick auf die (ebenfalls neu errichte) Cechbrücke samt Mauteinnehmer.


Kurz zuvor war – in einer Nacht – die erste grosse „Geschichte“ entstanden, Das Urteil, und wiederum kurz vorher hatte Kafka bei Max Brod „die Berlinerin“ kennengelernt, seine spätere Braut Felice Bauer, der er Das Urteil widmete im selben Jahr entstand Die Verwandlung und grosse Teile des Verschollenen, am Ende dieses fruchtbaren Jahres erschien das erste Buch, Betrachtung.
Seine Tageseinteilung zu dieser Zeit beschrieb Kafka in einem Brief an seine Braut:
Von 8 bis 2 oder 21/3 Bureau, bis 3 oder ½ 4 Mittagessen, von da ab Schlafen im Bett (meist Versuche, eine Woche lang habe ich in diesem Schlaf nur Montenegriner gesehn mit einer äusserst widerlichen, Kopfschmerzen verursachenden Deutlichkeit jedes Details ihrer komplizierten Kleidung) bis ½ 8, dann 10 Minuten Turnen, nackt bei offenem Fenster, dann eine Stunde Spazierengehn allein oder mit Max oder mit noch einem andern Freund, dann Nachtmahl innerhalb der Familie, dann um ½ 11 (oft wird es aber auch sogar ½ 12) Niedersetzen zum Schreiben und dabeibleiben je nach Kraft, Lust und Glück bis 1, 2, 3 Uhr, einmal auch schon bis 6 Uhr früh.
Mit der wachsenden Briefflut an Felice (in den ersten elf Monaten der Korrespondenz über dreihundert Briefe) begann die literarische Produktivität zu versiegen, was sich Kafka als eine Alternative zwischen „Leben“ (also ein Leben mit Felice) oder „Schreiben“ darstellte, bis hin zu einer ersten Verlobung im Juni 1914, der bereits vier Wochen später die Entlobung folgte; Kafka entschied sich für das Schreiben.
In den ersten Kriegsmonaten begann er den Prozess und schrieb In der Strafkolonie (die erst 1919 erschien) – zum erstenmal in von den Schwestern überlassenen, später in eigenen Wohnungen ausserhalb des Hauses der Eltern, die seit November 1913 das luxuriöse Oppelthaus bezogen hatten.
In diesen Jahren erschienen drei weitere Bücher: Der Heizer (1913), Die Verwandlung (1915), Das Urteil (1916).
Aber die Verlockung durch das bewunderte und gefürchtete „Leben“ blieb, selbst in „Hilfskonstruktionen“ wie vegetarischer Ernährung, Arbeit in einer Gärtnerei des Pomologischen Instituts oder Aufenthalten in Naturheilsanatorien. Ein gemeinsamer Besuch mit Felice im Sommer 1916 in Marienbad brachte die Versöhnung, die (lange versiegte) Produktivität stellte sich wieder ein, gefördert besonders durch die Möglichkeit, ab November 1916 nachts in einem von der Schwester Ottla gemieteten Häuschen auf der Prager Burg schreiben zu können, ab März 1917 in einer neuen eigenen Wohnung im Schönborn-Palais unterhalb der Burg: In diesen beiden Wohnungen entstanden fast alle Erzählungen des 1920 veröffentlichten Landarzt. Im August 1917, wenige Wochen nach einer zweiten Verlobung mit Felice, bricht die „seit Jahren mit Kopf- und Schlaflosigkeit angelockte Krankheit aus“, jener „Bluthusten“, den Kafka „fast eine Erleichterung“ nennt.
Der Beginn der Lungentuberkulose befreit Kafka vorerst über ein halbes Jahr in einem böhmischen Dorf, muss dann aber, wie noch öfter, erneut seinen Dienst in der Unfall-Versicherungs-Anstalt antreten, immer wieder unterbrochen durch Sanatoriumsaufenthalte, bis zur endgültigen Pensionierung im Sommer 1922. Dazwischen wohnt er in Prag wieder bei den Eltern im Oppelthaus, wo auch Teile des Romans Das Schloss und einige der späten Erzählungen entstehen. Alle weiteren „Ausbruchsversuche“ – eine weitere Verlobung mit Julie Wohryzek, die Liebe zu Mielna Jesenska, ein Leben in Berlin mit Dora Diamant – scheitern.
Kafka stirbt am 3. Juni 1924 und wird auf dem jüdischen Friedhof in Straschnitz begraben, in Prag, der Stadt, die er hasste und doch nicht verlassen konnte, die ihn festhielt und deren Vielfalt und Fremdheit er in seinen Texten festhielt.
Wenige Wochen nach seinem Tod erschien sein siebtes und letztes Buch, der Erzählungsband Ein Hungerkünstler. 

Geburtshaus
Im Geburtshaus in der heutigen Rathausgasse (U radnice) 5, von dem sich nur das Portal erhalten hat, befindet sich seit kurzer Zeit eine kleine Kafka-Ausstellung und an der Fassade eine im "Prager Frühling" Mitte der sechziger Jahre angebrachte Gedenkbüste.
In den Jahren 1885 zog die Familie dreimal um, die Häuser haben sich nicht erhalten: Wenzelsplatz 56, Geistgasse V/187, Niklasstrasse 6 - die beiden letzteren im später assanierten Ghetto. Das Ghetto, so wie es Kafka in seiner Jugendzeit kannte, hat sich in einem schönen Holzmodell von Anton Langweil (1826-34, im Stradtmuseum) erhalten. 


 Erst das fünfte Haus der Familie, in dem sie von August 1888 bis Mai 1889 wohnte, kann man noch besichtigen: das (über der Tür 1796 datierte, im Kern aber ältere) Sixthaus, Zeltnergasse (Celetna), das erste Haus rechts, wenn man vom Grossen Ring kommt. 

Im Haus Minuta, ebenfalls ein altes Haus (17 Jahrhundert), das den Grossen vom Kleinen Altstädter Ring trennt, Kleiner Ring, wohnte die Familie von Juni 1889 bis September 1896; die Sgraffiti waren damals noch übertüncht. Hier wurden, nachdem zwei Brüder früh gestorben waren ("durch schuld der Ärzte"), die drei Schwestern Kafka geboren, Elli (1889), Valli (1890) und Ottla (1892, "die mir liebste", wie er schreibt).
Ich hatte einmal als ganz kleiner Junge ein Sechserl bekommen und hatte grosse Lust es einer alten Bettlerin zu geben, die zwischen dem grossen und dem kleinen Ring sass. Nun schien mir aber die Summe ungeheuer, eine Summe die wahrscheinlich noch niemals einem Bettler gegeben worden ist, ich schämte mich deshalb vor der Bettlerin etwas so Ungeheuerliches zu tun. Geben aber musste ich es ihr doch, ich wechselte deshalb das Sechserl, gab der Bettlerin einen Kreuzer, umlief den ganzen Komplex des Rathauses und des Laubengang am kleinen Ring, kam als ein ganz neuer Wohltäter links heraus, gab der Bettlerin wieder einen Kreuzer, fing wieder zu laufen an und machte das glücklich zehnmal (oder auch etwas weniger, denn, ich glaube die Bettlerin verlor dann später die Geduld und verschwand mir). Jedenfalls war ich zum Schluss, auch moralisch, so erschöpft, dass ich gleich nach Hause lief und so lange weinte, bis mir die Mutter das Sechserl wieder ersetzte.
Franz Kafka
Wer verlassen lebt und sich doch hie und da irgendwo anschliessen möchte, wer mit Rücksicht auf die Veränderungen der Tageszeit, der Witterung, der Berufsverhältnisse und dergleichen ohne weiteres irgendeinen beliebigen Arm sehen will, an dem er sich halten könnte, - der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben.
Und steht es mit ihm so, dass er gar nicht sucht und nur als müder Mann, die Augen auf und ab zwischen Publikum und Himmel, an seine Fen sterbrüstung tritt, und er will nicht und hat ein wenig den Kopf zurückgeneigt, so reissen ihn doch untern die Pferde mit in ihr Gefolge von Wage und Lärm und damit endlich der menschlichen Eintracht zu.
Die Civilschwimmschule
Die Umsiedlung der Familie Kafka im Juni 1907 aus dem mittelalterlichen Haus zu den drei Königen ind das Haus zum Schiff, einen der nach der Assanierung des Judenviertels neu errichteten Mietspaläste, bezeichnet endgültig den gesellschaftlichen Aufstieg: Ein Neubau mit Fahrstuhl, in dem dem Familie im obersten Stock wohnte, mit Blick auf die Moldau und die Kronprinz-Rudolf-Anlagen. 
Kafka: Der Anblick von Steigen ergreift mich heute so. Schon früh und mehrere Male seitdem freute ich mich an dem von meinem Fenster aus sichtbaren dreieckigen Ausschnitt des steinernen Geländers jener Treppe, die rechts von der Cechbrücke zum Quaiplateau hinunterführt. Sehr geneigt, als gebe sie nur eine rasche Andeutung. Und jetzt sehe ich drüben über dem Fluss eine Leitertreppe auf der Böschung, die zum Wasser führt. Sie war seit jeher dort, ist aber nur im Herbst und Winter durch Wegnahme der sonst vor ihr liegenden Schwimmschule enthüllt und liegt dort im dunklen Gras unter den braunen Bäumen im Spiel der Perspektive. 
Heirat 1913: Frl. Felice Bauer. Als ich am 13. VIII zu Brod kam, sass sie bei Tisch und kam mir doch wie ein Dienstmädchen vor. Ich war auch gar nicht neugierig darauf, wer sie war, sondern fand mich sofort mit ihr ab. Knochiges leeres Gesicht, das seine Leere offen trug. Freier Hals. Überworfene Bluse. Sah ganz häuslich angezogen aus, trotzdem sie es, wie sich später zeigte, gar nicht war... Fast zerbrochene Nase Blondes, etwas steifes reizloses Haar, starkes Kinn. Während ich mich setzte, sah ich sie zum erstenmal genauer an, als ich sass, hatte ich schon ein unerschütterliches Urteil.
Die Wohnung der Familie Hermann lag im Neubauviertel des Stadtteils Weinberge, in der Nerudagasse 48.
Kafka: Aus dieser Wohnung schreibt Kafka in einem Brief:
Soweit mich nicht einzelnes, insbesondere die Fabrik, stört, ist meine Zeiteinteilung diese: Bis 1/3 im Bureau, dann Mittagessen zuhause, dann 1 oder 2 Stunden Zeitunglesen, Briefeschreiben oder Bureauarbeiten dann hinauf in meine Wohnung und schlafen oder bloss schlaflos liegen, dann um 9 hinunter zu den Eltern zum Abendessen (guter Spaziergan), um 10 mit der Elektrischen wieder zurück und dann solange wach bleiben, als es die Kräfte oder die Angst vor dem nächsten Wormittag, die Angst vor den Kopfschmerzen im Bureau erlaubt...
Ich sitze oder liege während der Stunden des Tages, die allein ich als mir entsprechendes Leben anerkenne, allein in diesen stillen 3 Zimmern, komme mit niemandem zusammen, auch mit meinen Freunden nicht, nur mit Max für paar Minuten auf dem Nachhauseweg aus dem Bureau.
Die Asbestfabrik
Die erwähnte Fabrik des Schwagers befand sich ganz in der Nähe und störte Kafka in der Tat, weil der Vater ihn offenbar immer noch gern in der Rolle eines Fabrikanten gesehen hätte. Was Kafka schon im Oktober 1912 dem Selbstmord nahegebracht hatte, wiederholte sich jetzt, zwei Jahre später, als er (da der Schwager Soldat war) sich öfters um die Fabrik kümmern sollte, mitten in der Niederschrift des Prozess. 
Gedanken an "Selbstmorde", Verzweiflung über die "zugrundegehende Fabrik", das "Jammerbild einer Fabrik", die "Vorwürfe meines Vaters", seine eigene "wertlose Arbeit". 
Und schliesslich im Januar 1915: "Ich werde, solange ich in die Fabrik gehen muss, nichts schreiben können. "Es war das Ende des Prozess, der Fragment blieb.
Und anschliessend in dem von Kafka geschätzten Riegerpark (Riegrov sady) spazierengehen.

Klaus Wagenbach
Kafkas Prag
Verlag Klaus Wagenbach Berlin





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