360° Kamerafahrt
Bei einer 360° Kamerafahrt, auch Kreisfahrt, Umfahrt oder Ballhaus-Kreisel genannt, umkreist die
Kamera ein in der Mitte stehendes Objekt oder Schauspieler.
360° Fahrten werden grundsätzlich verwendet um Dinge oder Darsteller in den Mittelpunkt der
Wahrnehmung zu setzen, zudem enthüllen sie weitere Komponente des Bildbereiches und geben
dem Betrachter die Möglichkeit sich eine bessere Orientierung innerhalb des Raumes zu
verschaffen. Folglich kommt im informativen Film der Umfahrt ein erklärenden Charakter zu,
während sie im emotionalen eher dramatisierend wirkt. Letztendlich wird eine
intensivere Teilnahme am Geschehen suggeriert.
Bedenkt man die technische Umsetzung, besteht die Herausforderung einer Kreisfahrt darin, eine
konstante Bewegungsgeschwindigkeit sowie feste Distanzen im Bild zu erhalten. Kompliziert ist
es, Kreisfahrten mittels einer hand-hold Kamera zu lösen. Aus diesem Grunde kommen bei
derartigen Fahrten hauptsächlich Dollys oder Steadycams zum Einsatz. Diese Regelung ist
allerdings nicht auf alle 360°-Fahrten übertragbar. Kreisfahrten bewegen sich gelegentlich auch
auf oder weg von ihrem Objekt, werden in unterschiedlichen Höhen manövriert oder verändern
ihren Schärfenbereich. Typischerweise steht das zentrierte Objekt relativ still, während die
Kamera es mindestens in einem Viertel-, Halb- oder vollständigem Kreis umfährt.
Mehr als geprägt wurde diese stilisierte Kamerabewegung wie von keinem anderen, als dem
deutschen Kameramann Michael Ballhaus. Die Technik einer 360°-Fahrt wurde zwar 1966 von
dem französischen Regisseur Claude Lelouche erfunden, doch erst Ballhaus machte sie von 1974
an populär, als er sie erstmals in Fassbinders Film Martha anwendete. Fassbinder ließ innerhalb
des Films das Duo Margit Carstensen und Karl-Heinz Böhm während ihrer ersten Begegnung
zusätzlich noch einmal um sich selbst drehen, somit entstand der Eindruck eines Strudels.
Ballhaus arbeitete für einige weitere Filmprojekte eng mit dem Regisseur Rainer Werner
Fassbinder zusammen und die berüchtigte 360°- Fahrt sollte zu ihrem Markenzeichen werden.
Viele der Filme Fassbinders sind geradezu für die Kamera choreografiert. In einem Interview mit
der „Zeit“, sagte Ballhaus sogar einmal:
„Wir waren so begeistert davon, dass wir den Effekt in einem der nächsten Filme, in gemolken haben. Da wollten wir nur noch im Kreis rumfahren. Es hatte keinen Inhalt mehr. Es sah nur noch schick aus.“
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