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Konfliktlinien-Modelle des Parteiensystems der Bundesrepublik

Zweidimensionales Konfliktlinienmodell

 
 
 

Heutzutage lässt sich das bipolar strukturierte Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland mit einer linkeren und einer rechteren Parteiengruppe wohl am besten mit einem zweidimensionalen Modell beschreiben und analysieren. Und wer das Parteinsystem in der Bundesrepublik Deutschland verstehen will, muss sich mit den Konfliktlinien befassen, die verschiedene Wählergruppen  veranlassen, sich bei Wahlen für eine bestimmte Partei auszusprechen oder als Mitglieder in einer bestimmten Partei tätig zu werden. (vgl. Schmidt 2016, III, 2)
Dabei muss die klassische Unterscheidung nach links und rechts keineswegs auf der Strecke bleiben.(→Links-rechts-Schema)
Im Gegenteil: Auch wenn die Bedeutung traditioneller Konfliktlinien für die Parteibildung generell abnimmt, sind es offenbar vor allem westeuropäische Länder, darunter auch die Bundesrepublik, denen es gelingt, "der durch den sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Wandel komplexer gewordenen Cleavage-Struktur entsprechen." (Ladner 2004, S.40)

Dazu kommt noch, dass für die Parteibindung der Wähler die Medien immer wichtiger werden und damit auch das, was die Medien in die Haushalte der Bürgerinnen und Bürger transportieren: Positionen und Statements der Parteien zu Themen, die sie nicht selten selbst auf die Tagesordnung gesetzt haben (Framing- und Priming-Funktion der Medien). (vgl. Schmidt 2016, Kap III,2)
Was die Parteien zu sagen haben, um Wähler zu gewinnen, muss jedenfalls vor allem medienwirksam abgegeben und inszeniert werden. Zugleich soll es die ideologisch-politische Ausrichtung einer bestimmten Partei widerspiegeln, um sie von anderen unterscheidbar zu machen.
Trifft sich die alles mit den entsprechenden Einstellungen der Wähler, dann können Parteien hoffen, dass sich ein größerer Teil der Wähler wenigstens kurzfristig mit einer bestimmten Partei identifiziert.

Links und rechts an zwei Konfliktlinien

Das deutsche Parteiensystem ist trotz ihrer abnehmenden Bedeutung ohne seine  Konfliktlinien, die es prägen, kaum zu verstehen. (vgl. Schmidt 2016, III, 2) Die gesellschaftlichen Gruppen scheiden sich heute entlang zweier Konfliktlinien.

Die sozio-ökonomische Konfliktlinie

An der sozio-ökonomischen Konfliktlinie treffen wirtschaftliche und sozial bedingte Interessenlagen aufeinander, bei deren Auseinandersetzung es um die Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes geht. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auch von der verteilungsbezogenen Konfliktlinie oder auch vom Sozialstaatskonflikt. In seinem ursprünglichen Kern war dies der Konflikt von Kapital und Arbeit, der die Arbeiterklasse und die unteren lohnabhängigen Schichten vom Bürgertum und den kapitalistischen Unternehmern mit jeweils eigenen Wertvorstellungen und Interessen voneinander abgrenzte.
Schon seit langem, aber vor allem unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen sollte man die sozialökonomische Konfliktlinie aber nicht nur mit materiellen Interessen in Verbindung bringen, sondern auch diese stets eingebettet sehen in einem bestimmten sozialkulturellen Umfeld, das die Entstehung bestimmter Interessen fördert und ihnen eine z. B. milieubedingte Gestalt gibt. (vgl. Decker 2011, S.39, Rohe 1992, S.22)
Nur wenn dieses Umfeld mitgedacht wird, zerbröselt das Ganze nicht in unzählige Einzelkonflikte, sondern lässt sich zu einer überschaubaren Reihe von Grundkonflikten zusammenfassen. (Decker 2011, S.39)

 

 

 

Das "Konfliktlinienmodell des heutigen Parteiensystems" liefert eine weitere zweidimensionale Darstellung, die sich mit mit dem Links-rechts-Schema dadurch vereinbaren lässt, wenn  "die Werteachse nicht - wie in der Literatur normalerweise üblich - senkrecht anordnet, sondern in die Diagonale kippt." (Decker 2011, S.49f.)

  • In diesem Modell steht die sozioökonomische Konfliktachse für den andernorts auch "Sozialstaatskonflikt" genannte verteilungsbezogene Konfliktlinie, die auf der einen Seite Marktfreiheit im neoliberalen Sinne für das Mittel zur Herstellung des Gemeinwohls anstrebt, auf der anderen Seite Mittel und Wege einer wohlfahrtsstaatlichen Umverteilungspolitik mit dem Ziel der Herstellung sozialer Gerechtigkeit beschreibt.

  • Entlang der soziokulurellen Konfliktachse geht es um den soziostrukturellen Wertekonflikt. An dieser wertebezogenen Konfliktlinie stehen sich "auf der einen Seite libertäre Haltungen wie Toleranz, nonkonformistisches Denken, Kosmopolitismus und Multikulturalität, auf der anderen Seite autoritäre Handlungen wie Ordnungsdenken, Festhalten an konventionellen Lebensformen, übertriebener Nationalstolz (Chauvinismus) und Minderheitenfeindlichkeit."  (Decker 2011, S.49f.)

Werden die Parteien nun entlang der Linien eingeordnet, so kommt es vor, dass sie entlang der beiden Achsen jeweils eine verschiedene Position einnehmen. Dies zeigt auch eine →Umfrage unter mehr als 2.500 Wählerinnen und Wählern, die aufgefordert wurden, eine Einschätzung der Parteien entlang dieser Konfliktlinien vorzunehmen. (vgl. Rudzio 2011, S.129)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 01.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Was spricht für, was gegen die verschiedenen Modelle zur Darstellung des Parteienspektrum?

  2. Ordnen Sie die deutschen Parteien in das Hufeisenmodell und das zweidimensionale Modell ein.
     

 
     
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