Eine neue Methode zur Anforderungsermittlung

Von der U-Prozedur zum U-Prozess

Jaworski hält die U-Form alleine als das gemeinsame Hauptmerkmal von U-Prozedur und U-Prozess.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich ein anderes Bild. Scharmer selbst erwähnt Glasl/Lemson, die Entwickler der U-Prozedur, als wichtige Quelle für seine Arbeit. Weiters sind sowohl Scharmer als auch Glasl von Rudolf Steiner, im Speziellen von seinem Buch Die Philosophie der Freiheit, beeinflusst. Auf dessen Denken baue die U-Prozedur auf.

In beiden Modellen erfolgt die Bewegung im U von links oben (vom Ist bzw. von der Vergangenheit) über den Wendepunkt an der tiefsten Stelle im U nach rechts oben (zum Soll bzw. zur Zukunft). Beide bestehen aus sieben Phasen, Glasl nennt sie Fragen, Scharmer auch kognitive Räume.

Ausgehend von der Beobachtung des Verhaltens (Frage 1), über die Analyse der Beziehungen (Frage 2) werden die gelebten Denk- und Handlungsmuster aufgezeigt (Frage 3). Diese werden dann kritisch in Frage gestellt (Frage 4), um neue zukünftige Handlungsanleitungen zu schaffen (Frage 5). Daraus ergeben sich neue Beziehungen (Frage 6) und das entstandene Neue wird dann umgesetzt (Frage 7).

Eine Veränderung der Organisation kann nur dann erfolgen, wenn die Verhaltensmuster aus der Vergangenheit bewusst werden.

Der U-Prozess von Scharmer verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Ausgehend von den Erfahrungen und Denkmustern aus der Vergangenheit (Downloading), über die Betrachtungsweise von außen (Seeing) wird in der Innensicht reflektiert (Sensing). Es wird nach der Quelle und Energie für das eigene Handeln geforscht (Presencing), um sich seiner gewünschten zukünftigen Situation bewusst zu werden (Crystallizing). Dies ist experimentell zu erforschen (Prototyping), und die neuen Handlungsweisen werden operativ im Tun ausgeübt (Performing).

Der U-Prozess zeigt die Einordnung dieser kognitiven Räume in die U-Form sowie deren Übergänge. Auf die einzelnen Räume wird genauer im Bereich U-Methode eingegangen.

Je tiefer im U, desto mehr offenbart sich inneres Wissen, in diesem Zusammenhang auch selbsttranszendierendes Wissen genannt. Es zeigt sich in der Fähigkeit, sich entwickelndes Neues zu erspüren und in die Welt zu bringen. Am tiefsten Punkt im U (Presencing) verbindet sich Wahrnehmung und Willensbildung. Dieses Verbinden ist der Kernpunkt des U-Prozesses, es braucht dazu ein entsprechendes Bewusstwerden.

Um dahin zu kommen, müssen auf der linken Seite drei Übergänge überschritten werden: innehalten (das Beenden der Muster), umwenden (das Fokussieren der Aufmerksamkeit von außen nach innen) und loslassen (das Alte loslassen). Der umgekehrte Weg auf der rechten Seite geht ebenfalls über drei Übergänge: kommen lassen (das Neue zulassen), hervorbringen (das Neue durch Prototypen nach außen bringen) und verkörpern (dem Neuen seine Form geben).

Das bewusste Durchschreiten dieser sieben Räume im U-Prozess ist ein Lernprozess, er befreit von alten Denkmustern, verbindet mit dem Ursprung des Handelns und lässt Neues entstehen. Dieser Lernvorgang lässt sich in drei grundlegenden Bewegungen darstellen.

Verwendete Literatur:
Glasl (1994)
Glasl (2012)
Glasl/de la Houssaye (1975)
Jaworski (2012)
Karp (2005)
Kohlhofer/Jäckel (2010)
Reams (2010)
Scharmer (2001)
Scharmer (2011)