In der Polizeiwelt gilt: Bei Betteleien hin-, nicht wegschauen.

In Freiheit gefangen

Genf – eine der teuersten Städte der Welt. Inmitten der Stadt: Bettler. Nicht weil sie wollen, sondern weil sie müssen. Denn Menschenhandel in der Schweiz ist bittere Realität.

Mai 2021: Die Genfer Kantonspolizei kontaktiert fedpol als Fach- und Zentralstelle für die Bekämpfung von Menschenhandel. Die Kapo Genf hat eine wichtige Information: Ein bulgarisches Netzwerk zwingt rund 30 Personen zum Betteln. Die Tageseinnahmen? Werden direkt an den Kopf der Gruppe abgeben. Weigern sie sich, werden sie misshandelt. Das von den Bettlern gestohlene Geld fliesst unter anderem in den Hausbau in Bulgarien.

Die Kapo Genf befragt zwei Bettlerinnen. Die beiden wissen weder in welchem Land, noch in welcher Stadt sie sich befinden. Nach Austauschen mit der Genfer Staatsanwaltschaft kommt der Verdacht auf, dass hier ein Fall von Menschenhandel vorliegen könnte.

Mehr Informationen, das braucht die Kapo. Via fedpol und dem Europol-Kanal schickt sie Anfragen an mehrere europäische Länder. Das Ziel: Austausch von polizeilichen Informationen zu mutmasslichen Opfern und Tätern.

Der Informationsaustausch mit Bulgarien bringt Erkenntnisse. Opfer und Täter sind keine Unbekannten. Einige von ihnen sind nicht nur in Bulgarien polizeilich registriert. Wegen Bettelei oder Vermögensdelikten. Der Kopf der Gruppe? Bekannt; unter anderem wegen Gewaltdelikten.

Unter der Leitung der Genfer Staatsanwaltschaft wird dem Ganzen ein Ende gesetzt. Die Kollegen der Kantonspolizeien Genf und Waadt nehmen in Genf und Lausanne fünf bulgarische Staatsangehörige fest.

Bei den Verhaftungen werden 30 Bettler vorgefunden. Wenn sie nicht auf der Strasse bettelten, schliefen sie in Notunterkünften.

Der Fall verdeutlicht: Menschenhandel ist ein grenzüberschreitendes Verbrechen. Zusammenarbeit ist der Schlüssel im Kampf gegen die moderne Sklaverei. fedpol koordiniert als Zentralstelle die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern und stellt den Informationsaustausch bei Fällen von Menschenhandel sicher.

Das allein genügt nicht. Denn Menschenhandel spielt sich hinter verschlossenen Türen ab. Um Opfer von Menschenhandel zu erkennen und aus ihrer Lage zu befreien, braucht es mehr. Auch nicht-polizeiliche Akteure wie Notärztinnen und -ärzte, Arbeitsinspektorate und Migrationsbehörden müssen sensibilisiert werden. Dafür setzt sich fedpol ein. Indem der Austausch unter Fachleuten gefördert wird und Projekte und Organisationen unterstützt werden, welche den Opfern eine helfende Hand bieten.

Eine noch bessere Opferhilfe. Das soll auch mit dem neuen Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel (NAP) weiter vorangetrieben werden. Damit alle Opfer die Hilfe erhalten, die ihnen zusteht. In der ganzen Schweiz. Für ein Leben in Freiheit.

Vereint im Kampf gegen Menschenhandel

Das Ziel des Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Menschenhandel ist klar: Prävention, Sensibilisierung und Repression. Aufbauend auf diesen drei Pfeilern werden im NAP Strategien und Instrumente definiert, um koordiniert und gemeinsam Menschenhandel zu bekämpfen. Entsprechend wird mit dem NAP die Zusammenarbeit zwischen polizeilichen Akteuren wie den Kantonspolizeien, und nichtpolizeilichen Akteuren gefördert. Dazu zählen unter anderem Nichtregierungsorganisationen und Opferhilfeeinrichtungen. Mit dem NAP soll weiterhin die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Menschenhandel intensiviert werden. Aktuell erarbeitet fedpol den neuen und dritten NAP zusammen mit dem Schweizerischen Sicherheitsverbund (SVS).