Zahlungsunfähigkeit: Was versteht man darunter?

Lesezeit: 6 min.
Eine Zahlungsunfähigkeit ist für ein Unternehmen der Supergau.

Liquiditätsengpässe können in Zeiten eines enormen Kostendrucks viele Unternehmen treffen. Doch das Liquiditätsmanagement muss sicherstellen, dass das Unternehmen dennoch seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Wenn die liquiden Mittel ausgehen und die fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllt werden können, liegt eine sog. Zahlungsunfähigkeit vor. Die Zahlungsunfähigkeit ist ein Horrorszenario für ein Unternehmen, denn ohne liquide Mittel ist das Unternehmen in seiner Existenz bedroht. Was genau unter dem Begriff zu verstehen ist und welche Folgen eine Zahlungsunfähigkeit für das Unternehmen mit sich bringt, wird in diesem Beitrag erklärt.

Zahlungsunfähigkeit: Definition

Eine gesetzliche Definition für den Begriff "Zahlungsunfähigkeit" findet sich in § 17 Absatz 2 Insolvenzordnung (InsO). Demnach ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel laut Gesetz anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

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Zahlungsunfähigkeit als Fachbegriff in der Insolvenzordnung (InsO)

Zahlungsunfähigkeit ist also ein wichtiger Begriff im Insolvenzrecht. Wenn ein Schuldner zahlungsunfähig ist, ist das ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren. So sieht es § 17 Absatz 1 InsO vor. Dies verdeutlicht die Brisanz des Themas für Unternehmen.

Tipp: Mehr zum Thema Insolvenz und zum Ablauf des Verfahrens lesen Sie hier.

Das Liquiditätsmanagement muss dafür sorgen, dass das Unternehmen zahlungsfähig bleibt. Die Solvenz ist Grundvoraussetzung, damit die Existenz des Unternehmens sichergestellt ist.

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Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzrecht

Wann ist ein Unternehmen überhaupt insolvent? Im Insolvenzrecht führen bestimmte Gründe dazu, dass ein Insolvenzverfahren eingeführt werden muss. Diese Gründe sind:

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO),
  • drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder
  • Überschuldung (§ 19 InsO).

Nachfolgend sollen die einzelnen Insolvenzgründe kurz betrachtet und die Insolvenzantragspflicht erläutert werden:

Zahlungsunfähigkeit im Unternehmen

Wenn ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, dann liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Das Unternehmen muss dann einen Antrag auf Insolvenz stellen. Doch hier muss auch deutlich hervorgehoben werden: Die Zahlungsunfähigkeit passiert in der Regel nicht von einer Sekunde auf die andere. Häufig gibt es bereits Anzeichen für eine finanzielle Schieflage Monate zuvor. Wenn die Anzeichen jedoch nicht erkannt werden und keine Maßnahmen ergriffen werden, dann ist es häufig kaum noch möglich, das Ruder noch einmal herumzureißen und eine Insolvenz zu vermeiden.

Eine Möglichkeit wäre beispielsweise die Aufnahme von Fremdkapital. Doch eine Bank wird natürlich genaue Daten abfragen, um auch ein gewisses Kreditausfallrisiko kalkulieren zu können. Wenn die Datenlage bereits besorgniserregend ist, kann es dazu führen, dass ein Kreditantrag abgelehnt wird. Natürlich können Unternehmen auch versuchen durch neue Investoren, Gesellschaftereinlagen oder private Darlehen die Liquidität zu stärken. Doch wenn keine Maßnahme mehr greift und das Unternehmen nicht einmal mehr die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter bezahlen kann – dann sind insolvenzrechtliche Folgen unvermeidlich.

BGH-Rechtsprechung konkretisiert die Grundsätze zur Zahlungsunfähigkeit

Wann liegt die Zahlungsunfähigkeit genau vor? Konkrete Grundsätze hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Rechtsprechung entwickelt: So ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine am Stichtag fälligen Zahlungspflichten innerhalb von spätestens drei Wochen zu mindestens 90 % zu erfüllen.

Hinweis: Die 90%-Grenze sollte nicht zu Missverständnissen führen. Wenn ein Unternehmen bereits bei einer einzigen Zahlungsverpflichtung Schwierigkeiten feststellt, diese zu begleichen, ist dringend Handlungsbedarf geboten. Bei Liquiditätsschwierigkeiten spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Nachlässigkeiten können hier zu erheblichen existenziellen Risiken führen! Doch nicht jeder Liquiditätsengpass ist automatisch eine Zahlungsunfähigkeit.

Beispiel für eine Zahlungsunfähigkeit

Durch die gestiegenen Kosten ist ein Handelsunternehmen in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Ende Oktober 2022 kann es drei Lieferantenrechnungen in Höhe von 200.000 Euro nicht bezahlen. Für November zeichnet sich bereits ab, dass die liquiden Mittel nicht ausreichen werden, die Ladenmiete und Mitarbeitergehälter zu überweisen. Die Geschäftsführung stellt Anfang November 2022 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund von Zahlungsunfähigkeit.

Abwandlung: Das Handelsunternehmen erhält eine Rechnung vom Lieferanten A in Höhe von 200.000 Euro. Diese Rechnung bringt das Unternehmen zunächst in einen Liquiditätsengpass. Doch durch Kapitalerhöhungen in Form von Bareinlagen wird die Liquidität wieder gestärkt. Das Unternehmen hatte zwar einen kurzfristigen Liquiditätsengpass – ist jedoch nicht zahlungsunfähig.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit kann ein Insolvenzgrund sein. Aber anders als bei der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit ist hier keine zwingende Insolvenzantragspflicht gegeben. Das Unternehmen kann zwar einen Antrag stellen, muss jedoch nicht.

Was heißt drohende Zahlungsunfähigkeit? In diesem Fall ist das Unternehmen zwar noch nicht zahlungsunfähig, aber es ist bereits absehbar, dass das Unternehmen voraussichtlich die Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. So heißt es in § 18 Absatz 2 InsO: "Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen."

Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Ein weiterer Insolvenzgrund ist die Überschuldung. Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit sollten nicht verwechselt werden. Bei einer Überschuldung deckt das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr. Das Unternehmen kann also durchaus noch zahlungsfähig sein.

Bei der Überschuldung gibt es eine sog. Fortführungsprognose. Wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich ist, liegt keine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vor. Das Unternehmen muss hierfür entsprechende Daten ermitteln und in einer Bilanz aufstellen.

Achtung: Aktuell (Oktober 2022) ist durch das dritte Entlastungspaket eine Erleichterung für Unternehmen im Insolvenzrecht geplant. Da die hohen Energiekosten auch viele Unternehmen belasten, soll der Prognosezeitraum auf vier Monate verkürzt werden. Die Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzgrund Überschuldung soll mit dieser Maßnahme abgemildert werden. Wichtig ist: Die Erleichterung soll nach dem aktuellen Vorhaben nur bis 31. Dezember 2023 gelten.

Insolvenzantragspflicht fordert Unternehmen

Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit besteht Handlungsbedarf: Ein Insolvenzverfahren muss beantragt werden. Nun klingt es vielleicht auf den ersten Blick so, als ob die Beantragung eines Insolvenzverfahrens auf Freiwilligkeit beruht. Doch dem ist nicht so. Insbesondere juristische Personen, wie beispielsweise eine GmbH, müssen der Verpflichtung nachkommen.

§ 15a InsO legt es gesetzlich fest: Der Eröffnungsantrag muss ohne schuldhaftes Verzögern gestellt werden, wenn eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Dabei gelten folgende Antragsfristen:

  • Drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und
  • sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung.

Unternehmen müssen eine Insolvenz rechtzeitig beantragen. Eine sog. Insolvenzverschleppung ist strafbar und kann zudem dazu führen, dass Schadensersatz geleistet werden muss.

Rückblick: Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt. Lockdownmaßnahmen u.v.m. sorgten in vielen Unternehmen für massive Umsatzeinbrüche. Da die Regierung Pleitewellen verhindern wollte, wurde die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt. Doch dies gilt nun nicht mehr. Eine Erleichterung soll lediglich für den Insolvenzgrund der Überschuldung befristet eingeführt werden. Bei Zahlungsunfähigkeit gelten jedoch die strengen Anforderungen des Insolvenzrechts.

Zahlungsunfähigkeit einer GmbH

Die Insolvenzantragspflicht ist vor allem bei Unternehmen, die in der Rechtsform einer GmbH geführt werden, brisant: Diese Unternehmen müssen die Insolvenz rechtzeitig beantragen. Die Haftungsbeschränkung führt dazu, dass insolvenzrechtlich aus Gläubigerschutzgründen hier strenge Anforderungen gestellt werden. Dies trifft insbesondere GmbH-Geschäftsführer, denn hier drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, wenn insolvenzrechtliche Verpflichtungen versäumt wurden.

Fazit: Bei Zahlungsunfähigkeit führt an der Insolvenz kein Weg vorbei

Eine Zahlungsunfähigkeit ist für ein Unternehmen der Supergau. Dies muss unbedingt verhindert werden. Ohne liquide Mittel gehen die Lichter aus. Deshalb muss das Unternehmen dafür sorgen, dass immer ausreichend Liquidität vorhanden ist. Doch damit die Geschäftsführung einen Überblick hat, wie es um die eigene Liquidität steht, müssen eine Liquiditätskontrolle und ein Liquiditätsplan erstellt werden. Nur so kann überhaupt ermittelt werden, ob beispielsweise in naher Zukunft eine Zahlungsunfähigkeit droht.


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