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Blockhaus Huber_St. Nikolaus

Oktober 10, 2020

Nachtrag zum Einstieg (17. November 2023): Die alte Belegschaft des Blockhaus ist von St. Nikolaus nach Saarwellingen umgewogen, weil der Pachtvertrag nicht verlängert wurde. Das Lokal wurde Ende 2022 von der neuen Pächterfamilie Markandu komplett renoviert und neu eröffnet. Dieser Blog ist also ein Requiem geworden: Es wird dort jetzt anders aussehen. Ich hoffe, bald wieder vorbei kommen zu können.

Die Mittagspause unserer heutigen Dorfkneipen-Soli-Radtour verbrachten wir, von Karlsbrunn und seinem Wildgehege mit zwei Grillstationen kommend, am grünen Weiher des Dorfes Sankt Nikolaus mit seinem weltberühmten Weihnachtspostamt, der vom Nikolausbach gespeist wird. Das Restaurant Blockhaus – als einziges Lokal weit und breit, in dem man noch nicht-imbisslike essen kann – entpuppte sich als wahres Kleinod, ein solitärer Holzbau auf einer kleinen Anhöhe mit schönem Blick auf den Weiher. Im März habe ich schon einmal von der Hauptstrasse durch die Bäume rübergeblickt (Foto folgt).

Wir waren etwas skeptisch, ob die unterschiedlichen Bestellungen von 15 Leuten gegen 14 Uhr nicht zu ewigen Verzögerungen führen würden, aber dem war nicht so. Dennoch blieb Zeit, nach dem Espresso ein wenig den alten Schankraum zu erkunden. Das Glasfenster der Eingangstür haben Freunde gestaltet, erzählte der jovial freundliche Herr Huber, der hier mit seiner 24 Jahre jüngeren Frau und einem Hund verewigt wurde:

1933 entstand das Haus als Schutzhütte, erzählte er uns. Schon damals wurde es wohl „Blockhaus“ genannt, wobei die Franzosen nahebei das Wort als Begriff für einen Bunker kannten, während man auf deutscher Seite die Bauweise mit Baumstamm-Blöcken meinte. Ein Lokal entstand hier wohl erst 1956, wie uns Manfred Huber, der heutige Besitzer erzählte. Der Gründer führte es jahrzehntelang, ehe Huber vor zehn Jahren mit seiner Frau übernahm.

Für politisch interessierte bemerkenswert: Einer der Köche aus den 1980er-Jahren, der spätere Spitzenkoch Heinz-Peter Koop, wurde 1985 zu einer Art Leibkoch von Oskar Lafontaine und folgte dem Politiker nach Bonn, als dieser nach dem Ende seiner Zeit als Saarländischer Ministerpräsident in den Bundestag wechselte und ihn für die saarländische Landesvertretung in Bonn engagierte, „um bei Verhandlungen und langen Sitzungen kulinarisch für gute Laune zu sorgen“, so die Saarbrücker Zeitung im Rückblick. Koops nächste Station war das „Légère“, ein Gourmet-Restaurant in Saarbrücken

Oder war das doch etwas anders, als in unserem Kreis aus brüchiger Erinnerung kolportiert wurde, nachdem Herr Huber diesen Namen fallen liess? Zurück zu Hause prüfte ich die Daten (der spätere SPD-Vorsitzende war von 1985-1998 Ministerpräsident, aber nie Bundestagsabgeordneter) und fand ein Interview des SPIEGEL mit Lafontaine von 1987 zum Thema, das die Mär korrigierte.

Für seine Absicht, den 36jährigen Koop für monatlich 6100 Mark (das entspricht in der Beamtenhierarchie dem Rang eines Ministerialrats, wie der SPIEGEL ausrechnete) in der Bonner Landesvertretung kochen und die Küche des Saarlandes repräsentieren zu lassen, habe der Ministerpräsident heftige Kritik auch aus den eigenen Reihen geerntet. Aber er schlug heftig zurück und unterstellte den Nörglern einen „Mangel an Kultur“: „Ein Spitzenkoch leistet mehr als mancher Sesselfurzer.“ SPIEGEL-typisch wurde 1990 noch einmal gegen den „Gourmet-Koch“ des Sozialisten nachgeschossen, um letzteren bei der Kanzlerkandidatur zu beschädigen.

Ja, das sind so die Geschichten, die einem im tiefsten Wald plötzlich begegnen. Wenn man mal nachfragt. Aber wir waren ja zum Essen hier: Und da wurden wir trotz übervoller Speisekarte (meist eher ein schlechtes Zeichen) geschmacklich und preislich positiv überrascht. Hier ein wenig „Foodporn„:

Absichtlich umgedrehte Hamburger, Garnelenschalen, Dibbelabbes und zuletzt meine Hoorische mit Lachs, als Vorspeise Brot und Oliven und Tacos mit Dip – coronatechnisch schwierig gemeinsam zu essen. Sehr gut! Niemand bestellte von der breiten XXL-Schnitzelkarte und also musste auch nicht gefragt werden, woher das Fleisch kommt.

Danach habe ich mir mal die zwei grossen Nebenräume angeschaut, die für das Lokal in künftigen winterlichen Coronazeiten die Rettung sind und wohl auch noch ausgebaut werden sollen. Eine Terrasse ist inklusive einer alten Eiche in Plastik verpackt worden, der andere alte Innenraum war schon eingedeckt für eine Kommunion am morgigen Sonntag:

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Von der Terrasse blickt man in den eher förmlich gestalteten Innenraum:

Corona scheint halbwegs gut überstanden zu sein. Und doch hat man sich etwas ausgedacht, um Kund/innen anzuziehen und Umsatz zu machen: eine Tombola, bei der es neben Alkoholika und Blockhaus-Taschen auch die alte Sammlung an Karlsberg-Gläsern zu gewinnen gibt, Manfred Huber hat sich aus den ihn und andere knebelnden Fesseln dieser Brauerei befreit, schänkt jetzt Krombacher aus und braucht die Gläser der alten Brauerei nicht mehr.

Aber das sollte kein Grund sein, hierher zu kommen: Man kann in einer dieser letzten Ausflugsgaststätte rund um Sarbrücken nach einem Besuch des Wildgeheges oder einer Wanderung wunderbar einkehren – was die message ist, die ich mit der Soli-Radtour für diese und andere Dorfkneipen vermitteln wollte. Sonst ist irgendwann (bald) Schicht im Schacht.

Adresse: Mühlenweg 3, 66352 Großrosseln, Tel.: 06809-180728, info@blockhaus-restaurant.de, Homepage

Nicht verlinkte verwendete Quelle: Gettmann, Holger: Geheimtipps können Fluch und Segen sein, Saarbrücker Zeitung, 16.11.2023

Blockhaus Huber_St. Nikolaus © Ekkehart Schmidt

One Comment
  1. Tolles hundeporträt an der Glasscheibe!

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