Roter Teppich, brotlose Kunsttun & lassen

Parteinahe Gratisarbeit


«Vier PraktikantInnen gesucht, von denen zwei zu geringfügigen Beschäftigten werden.» Dieses Posting irritierte einige Nutzer_innen eines sozialen Netzwerks. Es kommt nämlich vom Geschäftsführer eines gemeindenahen Kunstvereins. Martin Birkner über rote Teppiche und brotlose Künste.

Illu: Much

«Gemeinsam groß werden, gemeinsam groß bleiben» lautet das Motto des «Red Carpet». Am 17. August postete Manuel Gras, Leiter des Projekts «Red Carpet Art Award» zur Förderung von junger Kunst eine Stellenanzeige auf Facebook. Unter dem Titel «Vier PraktikantInnen gesucht, von denen zwei zu geringfügigen Beschäftigten werden» – dieser wurde zwischenzeitlich gelöscht – werden «Personen, die sich mit Projektmanagement im Kunstbereich auskennen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen» gesucht. «Diverse Bereiche im In- und europäischen Umland warten auf Betreuung.» Der weitere Text verrät, dass es um die Betreuung eines internationalen Kunstprojekts in mehreren Städten, Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen, Ausstellungsplanung und vieles andere mehr geht, also um die Tätigkeit einer Kunstmanager_in – bloß sollen es vier unbezahlte Praktikant_innen sein.

Als «Dank» erhalten die zwei Fleißigsten dann je eine geringfügige Anstellung. Es steht zu befürchten, dass derlei arbeitsrechtlicher Wahnsinn im Kunstbereich heute gang und gäbe ist, besonders pikant sind jedoch die konkreten Umstände der ausgeschriebenen Stellen.

Hochqualifizierte Arbeit ohne Bezahlung.

Nicht nur, dass mit den Wiener Spitälern und dem Verteidigungsministerium öffentliche Institutionen zu den Kooperationspartner_innen zählen, auch der Veranstalter des «Red Carpet Art Award» ist eines näheren Blickes wert. Der Award wurde 2009 von Manuel Gras unter anderem gemeinsam mit dem SPÖ-Gemeinderat Marcus Schober ins Leben gerufen, damals noch unter dem wohl nicht zufällig gewählten Titel «Roter Teppich», unterstützt von der SPÖ. Mittlerweile ist er zwar sprachlich ins Englische gewechselt, die Parteipräferenz aber ist gleichgeblieben; ein Blick auf die online angeführten Partner_innen und Sponsor_innen lässt hier keinen Zweifel aufkommen: Wiener Städtische, Gewista, Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband, «Vor-Magazin» etc. Im «Mission Statement» verschreibt sich der Preis der «langfristigen Förderung junger KünstlerInnen», was die Teilnahme an Gruppenausstellungen, Ankäufe, aber auch Einzelausstellungen in den sogenannten «Red Carpet Showrooms» beinhaltet. So weit, so gut, aber warum muss die Administration dieses Projekts mit unbezahlter Arbeit bestritten werden?

Am Geld wird’s doch nicht scheitern, bei einer so breiten und vielfältigen Schar an Unterstützer_innen. Und weil der Verein, der den Preis auslobt, ja eben dazu da ist, junge Künstler_innen zu fördern, wird er auch selbst von zahllosen Parteigliederungen und parteinahen Organisationen gefördert. Wer sich an dieser Stelle an unseren Bericht über einen anderen Förderverein erinnert, über den in der Wiener Wirtschaft vor einiger Zeit berichtet wurde: Jede Ähnlichkeit mit Muff Soppers Verein der «Vereinigten Musikförderer» ist natürlich rein zufällig – auch wenn Landtagspräsident Genosse Harry Kopietz hie wie dort immer wieder gerne auftaucht …

Legal – illegal – wirklich ganz egal?

Und so stellt sich also die Frage, warum es immer wieder Stadt- bzw. SP-nahe Institutionen sind, die die Unterminierung der Rechte von abhängig Beschäftigten vorantreiben. Vom Fonds Soziales Wien über den Krankenanstaltenverbund bis hin zu Kulturvereinen: Die Nähe zum öffentlichen Bereich ist auch im ehemals Roten Wien keinerlei Garant für auch nur relativ sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze. Wenn aber die ehemalige «Arbeiterpartei» nicht einmal mehr in der Lage ist, gesetzeskonforme Beschäftigungsverhältnisse zu bieten, wofür brauchen wir sie dann überhaupt noch?

Clara Gallistl, Intendantin der Volksbühne Wien, verweist in ihrer Kritik an der Ausschreibung auf die Fair-Pay-Empfehlungen der IG Kultur Österreich, wonach für 35 Wochenstunden mindestens 2.568,67 Euro zu bezahlen sind. Sie schlussfolgert: «Der Rote Teppich bietet 0 Euro und stellt nach zwei Monaten Gratis-Arbeit eine geringfügige Stelle (!) in Aussicht (!). Wenn das Arbeitsverhältnis wie beschrieben stattfindet, stellt sich die Frage, ob es legal ist, da sich die Leistungsbeschreibung nicht nach einer Ausbildungsstelle anhört.» Hilfestellung für Betroffene bietet die Praktikums-Watchlist der – politisch ähnlich gefärbten – Gewerkschaft der Privatangestellten: «Wir suchen und stellen auch Beispiele besonders dreister Ausschreibungen von Praktika und Jobs für BerufseinsteigerInnen online. Die Erfahrung zeigt: Ausschreibungen lassen Rückschlüsse auf die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu und sind ein erster Indikator dafür, ob PraktikantInnen und BerufseinsteigerInnen angemessen und rechtskonform behandelt werden.» Ob sich die Genoss_innen darüber wohl freuen werden?

www.watchlist-praktikum.at