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Dritter Schritt: Risiken beherrschen

Risikomanagement in der Lieferkette, Teil III
Dritter Schritt: Risiken beherrschen

Ein ganzheitliches Risikomanagement entlang der Lieferkette schafft Transparenz über Gefährdungen sowie Schadenshöhe und trägt zur nachhaltigen Bewältigung von Risiken bei. Der nun dritte Teil des Leitfadens für Risikomanagement in der Lieferkette beschäftigt sich daher damit, Risiken zu beherrschen und durch geeignete Maßnahmen angemessen zu kontrollieren.

Risiken entlang der Lieferkette zu beherrschen, bedeutet zunächst, sie zu identifizieren und zu bewerten. So beschäftigte sich der erste Teil des Leitfadens in der Oktober-Ausgabe von Beschaffung aktuell mit der Identifizierung von Risiken mittels Überwachung von latenten Risiken und Frühwarnsystematik, der zweite Teil in der November-Ausgabe mit der Bewertung des relativen und monetären Schadensausmaßes/Kritikalität von Lieferketten. Die Kombination dieser Informationen legt den Grundstein dafür, mit geeigneten Maßnahmen Risiken proaktiv zu adressieren, um den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern.

Um adäquate und fokussierte Maßnahmen zur Risikoprävention oder Krisenreaktion zu initiieren, empfiehlt sich eine gute Vorbereitung und ein Vorgehen in drei Schritten:
  • 1. Sammlung von Maßnahmen. Zunächst muss das Maßnahmen-Inventar, also eine Sammlung aller Maßnahmen, zusammengestellt und beschrieben werden. Sinnvoll hierbei ist eine Zusammenfassung der einzelnen Maßnahmen in Themengebiete, welche der Risikoursache (Risikoindikatoren) entsprechen, z. B. einzelne Naturgewalten, politische Situation, Arbeitsbedingungen oder Streiks.
  • 2. Identifizieren der Schadenshöhe. Aus der Risikoidentifizierung (Teil 1) ist bekannt, welche Lieferketten (konkret: welche Lieferanten, Standorte, eigenen Werke und Kunden) von einem Risikofall oder einer Veränderung eines Risikoindikators betroffen sind. In Kombination mit der Höhe des Schadensausmaßes (Teil 2) kann im Ernstfall direkt entschieden werden, auf welche möglichen Maßnahmen aus dem Maßnahmen-Pool zurückgegriffen wird.
  • 3. Wirkung und Ableiten von Maßnahmen. Im letzten Schritt muss über den richtigen Umgang mit dem jeweiligen Risiko entschieden werden. Denn Risiko ist nicht gleich Risiko – es gibt leicht zu kontrollierende und schwer zu beherrschende Risiken. Je nachdem ob die Situation – im konkreten Fall die Höhe des Schadensausmaßes – kritisch/hoch oder unkritisch/gering ist, müssen Maßnahmen mit entsprechenden Wirkungen abgeleitet werden, also Maßnahmen zur Risikovermeidung, Risikotransfer, Risikoverringerung oder Risikoakzeptanz.
Am konkreten Beispiel „Produktion des Lieferanten liegt in einem stark erdbebengefährdeten Gebiet“ sieht das Szenario im Rahmen eines präventiven Risikomanagements folgendermaßen aus:
a) Das Schadensausmaß ist gering. Das Risiko eines Erdbebens, welches den Lieferanten bzw. Standort des Lieferanten trifft, kann eingegangen und akzeptiert werden. b) Das Schadensausmaß ist hoch. Folgende Maßnahmen können beispielsweise abgeleitet werden:
  • Risikovermeidende Maßnahmen, z. B. durch Aufbau einer alternativen Quelle
  • Risikotransferierende Maßnahmen, z.B. durch Abschließen einer CBI-Versicherung
  • Risikoverringernde Maßnahmen, z. B. durch bauliche Maßnahmen zum Erdbebenschutz
Erstellen des Maßnahmen-Inventars. Das Maßnahmen-Inventar ist eine Sammlung aller Maßnahmen zu Risikoprävention oder Krisenreaktion, die zu Themengebieten analog der Risikoindikatoren zusammengefasst werden. So ist jede Maßnahme mindestens einer Risikoursache zugeordnet. Bei der Erstellung des Maßnahmen-Inventars sind jedoch noch weitere Schritte zu beachten. Für jede Maßnahme muss ein Verantwortlicher definiert sowie alle beteiligten Stakeholder aufgeführt werden. Die Beteiligten können aus unterschiedlichen Abteilungen kommen: Logistik (z. B. für Notfall-Logistik), Qualität (z. B. für Qualitätsfreigaben bei Ersatzbeschaffung), Unternehmenskommunikation (z. B. bei Compliance-Verstößen), Versicherung (z. B. bei Abdeckung durch CBI-Versicherung) oder Rechtsabteilung (z. B. bei Sanktionstreffern).
Um eine schnelle Reaktionsfähigkeit im Risikofall sicherzustellen, ist es zudem anzuraten, den tatsächlichen Ablauf für jede Maßnahme zu beschreiben. Idealerweise werden dieser Beschreibung konkrete Vorschläge zur Umsetzung bzw. Unterstützung hinzugefügt. Dies können Dienstleister sein (z. B. Notfall-Logistiker, Broker im Halbleiter- oder Chemiebereich), welche in Krisensituationen wertvolle Unterstützung leisten können.
Um die Maßnahmenplanung nachhaltig umzusetzen und einen langfristigen Erfolg sicherzustellen, ist Top-Level-Management-Unterstützung unerlässlich. Sowohl Kapazitäten als auch Budgets müssen für die Umsetzung von Aktivitäten für präventives (planbar) und reaktives Risikomanagement (ad hoc) zur Verfügung gestellt werden. Dies wird im Rahmen des Risikomanagements in vielen Unternehmen noch vernachlässigt – während in der reinen Lieferantenentwicklung zur Verbesserung von Qualität, Verfügbarkeit oder Preisen beim Lieferanten Budgets und Zeit vorhanden sind. Daher liegt in einem ersten Schritt der Schulterschluss von Lieferantenentwicklung und Risikomanagement nahe. Denn viele der Maßnahmen aus der Lieferantenentwicklung wirken bereits risikomindernd.
Leica Camera zum Beispiel hat die Lieferantenentwicklung erweitert um die Überwachung, Bewertung und Maßnahmenplanung der gesamten Lieferkette. Marco Rücker, Teamleiter Einkauf bei Leica und Buchautor, bestätigt: „Die Etablierung von Supply Chain Risk Management und Einbindung der Maßnahmen in unsere Lieferantenentwicklungsaktivitäten helfen uns, Risiken in den globalen Lieferketten zu mindern und stellen einen wettbewerbsentscheidenden Baustein dar.“
Umdenken gefragt. Die steigende Wertschöpfung durch Lieferanten, die damit einhergehende steigende Abhängigkeit und die erhöhte Gefahr, weltweit Risiken ausgesetzt zu sein, machen ein schnelles Umdenken im Einkauf notwendig. Der Fokus und die Ziele des Einkaufs hinsichtlich Verfügbarkeit, Preis und Qualität müssen erweitert werden um den Faktor Risiko. Möglichkeiten, diesen Prozess umzusetzen, bestehen in einer Verankerung von Risikomanagement in den Zielvereinbarungen und der Einführung einer zentralen Rolle des Risikomanagers innerhalb der Einkaufsorganisation. Dies bedeutet sicherlich eine Herausforderung und Veränderungen für den Einkauf – birgt aber auch die Chance, eine Schlüsselrolle im Unternehmen darzustellen und sich als wichtiger strategischer Partner für den gesamten Unternehmenserfolg zu positionieren. Nicht zuletzt trägt der Einkauf so dazu bei, die Versorgung und somit den Umsatz zu sichern sowie das positive Firmenimage zu bewahren.

Nutzen der Risikobeherrschung
  • Verkürzung von Reaktionszeiten um 1,5 Tage
  • Reduzierung von Strafzahlungen (1 Stunde Produktionsstillstand = 200 000 Euro Pönale)
  • Abwehr von bis zu 16 % Preissteigerung bezogen auf kurzfristig zu überbrückenden Bedarf
  • Schutz vor Umsatzverlusten bis zu jährlich 3 % Prozent des Gesamtumsatzes
  • Vermeidung von Reputationsschaden und Schutz des Images
Quelle: Studie „Der ROI von Supply Chain Risk Management“, eckseler consult & riskmethods
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