Roche site in Welwyn Garden City

Doch nicht nur das stilvolle, preisgekrönte Gebäude und das schöne Gelände an der Broadwater Road machten, dass Roche in der Gemeinde Welwyn als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wurde. Das Unternehmen galt auch als grosszügig, fürsorglich und fortschrittlich. Ein Wochenlohn für einen Junior-Mitarbeiter begann bei anständigen 25 Schilling. Die Mitarbeitenden konnten ihr Mittagessen gemeinsam in der Campus-Kantine einnehmen oder sich den Tee von der Dame servieren lassen, die jeden Tag mit einem Servierwagen vorbeikam. Es gab sogar soziale Aktivitäten wie zum Beispiel ein Fitnessprogramm zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden, das den jungen Leuten praktischerweise gleichzeitig auch die Gelegenheit zum Flirten bot.

Doch dann kam der Zweite Weltkrieg.

Da Roche für die britische Wirtschaft mittlerweile zu einem relevanten Unternehmen geworden war, schützte die Home Guard die Anlagen von Roche vor deutschen Luftangriffen. Das 4. Hertfordshire-Bataillon richtete sein Hauptquartier am Standort Welwyn ein und ein Flugabwehrgeschütz kam auf dem Dach des Forschungsgebäudes zu stehen. Nachdem ein Luftangriff 216 Wohnhäuser in der Umgebung schwer beschädigt und eine nahe gelegene Fabrik völlig zerstört hatte, weigerte sich Roche, die Sicherheit seiner Mitarbeitenden und der Gemeinde dem Zufall zu überlassen. Fortan mussten die Mitarbeitenden auf dem Campus dreimal pro Woche an einer militärischen Ausbildung teilnehmen, die sie auf das Unbekannte vorbereiten sollte.

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In den frühen 1930er-Jahren betrachteten die Britinnen und Briten das Schweizer Pharmaunternehmen Roche mit einer gesunden Portion Skepsis. Die Wirtschaft hatte sich noch nicht von der Grossen Depression erholt und die drei wichtigsten Roche-Produkte auf dem Markt waren nicht sehr gefragt.

Doch 1936 begann sich das Blatt zu wenden. Nach jahrelangen Patentverhandlungen erhielt Roche endlich grünes Licht für die Anwendung des Reichstein-Verfahrens zur lokalen Herstellung von Vitaminen. Als Zeichen seines Engagements auf dem britischen Markt beauftragte Roche daraufhin den renommierten Architekten Otto Salvisberg mit der Planung einer modernen Fabrik in Welwyn Garden City für die Herstellung von Vitaminen und Medikamenten.

Im Vergleich zu anderen feierlichen Eröffnungen dieser Zeit und trotz Anwesenheit eines Mitglieds der königlichen Familie war die Einweihung des Produktionsgebäudes im Jahr 1938 aufgrund der sich abzeichnenden Kriegsgefahr eine leise, bescheidene Angelegenheit. Die Fabrik war eines der ersten Beispiele modernistischer Architektur im Vereinigten Königreich und wurde schon kurz darauf von der britischen Zeitschrift The Architect's Journal zum «Gebäude des Jahres» gekürt.

Es wurde ein Erste-Hilfe-Zentrum eingerichtet und die Belegschaft wurde ermutigt, sich freiwillig für den Luftschutz, die Brandwache und den Zivilschutz zu melden. Obwohl die meisten männlichen Mitarbeiter durch ihre Anstellung bei Roche vom Militärdienst befreit waren, kam es zu Personalengpässen, als die Produktion von Vitaminen und Medikamenten zur Deckung des kriegsbedingten Bedarfs hochgefahren wurde. Die neuen Mitarbeiterinnen aus allen sozialen Schichten, die eingestellt wurden, um diese Lücke zu schliessen, wurden nicht nur zur Arbeit am Fliessband, sondern auch zur Unterstützung der Home Guard Auxiliaries, der Hilfskräfte der Heimwehr, herangezogen. Natürlich wurde von ihnen nicht erwartet, dass sie zu den Waffen griffen und kämpften. Aber sie konnten ihren Beitrag leisten, indem sie Mahlzeiten für die Truppen zubereiteten.

Dank Regierungsaufträgen, die das Unternehmen während des Krieges erhielt, verzeichnete Roche in Grossbritannien ein beeindruckendes Umsatzwachstum, das seinen Ruf als erstklassiges Pharmaunternehmen bestätigte. Noch wichtiger war jedoch, dass die Kriegsdienste des Standorts Welwyn, d. h. die Entscheidung, das zu tun, was zum Schutz der Gemeinde und der Mitarbeitenden notwendig war, in den Augen des britischen Empire das Bild des Schweizer Unternehmens als patriotischer Betrieb festigten.

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