Kunst + Literatur

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Dichtung

Als nun viele Beschwerden sich über Reineken häuften, redete Grimbart, der Dachs: Es mögen in diesem Gerichte viele Herren auch sein, die Reineken Übels gedenken, doch wird niemand die Rechte des freien Mannes verletzen.

Grimbart sagte: Verredet zuerst das Rauben und Stehlen, allen bösen Verrat und andre gewöhnliche Tücken, sonst kann Euch die Beichte nicht helfen.

Seid nicht furchtsam Reineke, diesmal; gedenket: dem Blöden wird das Glück nicht zuteil, der Kühne sucht die Gefahr auf und erfreut sich mit ihr; sie hilft ihm wieder entkommen.
(J.W. Goethe „Reineke Fuchs)

Moritz Retzsch: Sankt-Rochus-Fest zu Bingen

Moritz Retzsch: Sankt-Rochus-Fest zu Bingen

Nun aber ward von diesem edlen, und vielfach würdigen Vorschreiten der Betrachter unschicklich abgezogen und weggestört durch einen Lärm im Rücken, durch ein wunderliches, gemein-heftiges Geschrei. Auch hier wiederholte sich die Erfahrung, dass ernste, traurige, ja schreckliche Schicksale, oft, durch ein unversehenes, abgeschmacktes Ereignis, als von einem lächerlichen Zwischenspiel, unterbrochen werden.
An dem Hügel rückwärts entsteht ein seltsames Rufen, es sind nicht Töne des Haders, des Schreckens, der Wut, aber doch wild genug. Zwischen Gestein und Busch und Gestripp irrt eine aufgeregte, hin und wider laufende Menge, rufend: »Halt! – hier! – da! – dort! – nun! – hier! nun heran!« – so schallt es mit allerlei Tönen; Hunderte beschäftigen sich laufend, springend, mit hastigem Ungetüm, als jagend und verfolgend. Doch gerade in dem Augenblick, als der Bischof mit dem hochehrwürdigen Zug die Höhe erreicht, wird das Rätsel gelöst.
Ein flinker, derber Bursche läuft hervor, einen blutenden Dachs behaglich vorzuweisen. Das arme, schuldlose Tier, durch die Bewegung der andringenden frommen Menge aufgeschreckt, abgeschnitten von seinem Bau, wird, am schonungsreichsten Feste, von den immer unbarmherzigen Menschen im segenvollsten Augenblicke getötet.

(J.W. Goethe „Sanct Rochus-Fest zu Bingen. Am 16. August 1814)

Der Hamster und der Dachs

Ein Hamster machte sich ein Loch.
Ei, sprach ein Dachs: was machst du doch?
Es ist ja viel zu klein!

Für dich, das könnte sein,
Antwortete der Hamster – Größer machen
Könnt‘ ich’s ja leicht, allein
Ihr Gäste würdet meiner lachen,
Der Fuchs, und du, ihr kämt mir dann hinein.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

swan

Cuthbert E. Swan „Badger“

Der Hase und der Dachs

Ein Hase wird vor Furcht und wachem Kummer grau,
Und, Eremiten gleich, durch strenges Fasten hager.
Nichts, als die höchste Not, treibt ihn aus seinem Lager.
Sein fetter Freund, der Dachs, geht öfters aus dem Bau,
Und suchet Luft und Fraß bei jedem Frühlingstau.
Kaum lässt sich ein Geräusch verspüren,
Kaum kann der hohe Storch zum Froschfang ausspazieren,
Kaum können Hasen selbst im Busche haseliren;
So wird auch jener gleich die Löffel ängstlich rühren.
Im Walde, Strauch und Rohr horcht niemand so genau.

Waldbruder, spricht der Dachs, du scheinest allen Thieren
Mit Recht beklagenswerth in deiner Furchtsamkeit.
Wer wollte doch den Muth verlieren?
Der Hase gibt ihm zum Bescheid:
Herr Nachbar, ohne Furcht ist keine Sicherheit,
Sieh nur umher; der Fuchs ist nicht mehr weit.
Friedrich von Hagedorn

Paul Bransom: Illustration zu „Der Wind in den Weiden“

Märchen und Fabeln

Der graue Wolf
Kaukasisches Märchen

Eines Morgens früh traf der graue Wolf den Dachs. »Möge dein Weg gerade sein, Dachs!« grüßte der Wolf. Der Dachs war nicht wenig erschrocken, als er so plötzlich mit dem Wolf zusammenstieß und brummelte: »Möge deine Sache gerade sein, grauer Wolf!« »Woher des Weges, Dachs? Wo warst du seit gestern Abend?« »Dich hab‘ ich gesucht«, antwortete der Dachs. »Ach, du Hund, du verlogener! Und doch freß‘ ich dich«, drohte der Wolf. »Ich tauge dazu nicht«, meinte der Dachs. »Macht nichts, so mach‘ ich: ham, ham und fresse dich.« »Ach, grauer Wolf, du weißt ja gar nicht einmal, wie deine Vorväter es anstellten, um einen Dachs zu fressen. Willst du’s wissen? So machten sie’s: bevor sie einen Dachs fraßen, packten sie ihn am Kragen und warfen ihn dreimal wegauf und dreimal wegab, dann erst ließen sie ihn sich schmecken.« »Ja, das kann ich auch«, sagte der Wolf, packte den Dachs und warf ihn zuerst wegauf und dann wegab und … weg war der Dachs; in seiner Höhle stak er. Der Wolf steckte den Kopf hinein und schalt: »Was, betrügen willst du mich?« »Jawohl, so haben auch meine Vorfahren die deinen angeführt.« »Weißt du was,« schlug der Wolf vor, »wir wollen es anders machen. Komm heraus, wir wollen Freunde sein. Eine weiche Matratze leg‘ ich dir unter, ein Kissen bekommst du unter den Kopf, und mit einer rotseidenen Decke deck‘ ich dich zu.« »Nein, nein, Wolf, mich kriegst du nicht mehr dran. Deine Matratze kenn‘ ich. Aus meinem Fleisch willst du sie machen. Und dein Kissen kenn‘ ich auch; den Kopf willst du mir abschneiden und unterlegen. Und meine blutige Haut soll die rotseidene Decke abgeben, gelt? Nein, du betrügst mich gewiss nicht mehr.«
Der Wolf aber verreckte vor Ärger.

Joannes Stradanus “Dachsjagd”

Carl Friedrich Deiker [Public domain], via Wikimedia Commons

Carl Friedrich Deiker , Serie „Jagdbare Tiere“


Die drei Dachslisten
Jugoslawisches Märchen
Einstmals begegneten sich Fuchs und Dachs auf der Landstraße. »Wohin des Weges, Gevatter Dachs?« fragte der Fuchs. »Ich will mir einen Gefährten suchen, der imstande ist, mir durch seine klugen Listen aus jeglicher Not zu helfen«, antwortete der Dachs. »Von deiner Klugheit, Onkelchen, machen die Leute doch so viel Rühmens, sie wird sogar in Liedern besungen!«
»Nun, dann sage mir einmal, Gevatter Dachs, wie viel Listen du dir ersonnen hast, um dir aus der Not zu helfen?«
»Drei, Gevatter Fuchs! Es sind vorzügliche Listen, das kann ich dir versichern. Und wie viele hast du dir ersonnen?«
»Neun!« antwortete der Fuchs. Der Dachs sprang vor Freude in die Luft. »Dann müssen wir uns zusammentun!« rief er. »Wenn du über neun Listen verfügst und ich über drei, kann uns keiner mehr etwas anhaben. Wir wollen uns verbrüdern!«
»Einverstanden!« sagte der Fuchs, und sie gingen zusammen weiter.
Aber der Fuchs hatte nichts als Narreteien im Sinn, er lief hin und her, kreuz und quer und geriet dabei in eine Falle. »Ach, lieber Bruder Dachs!« jammerte er. »Was soll ich jetzt machen? Hilf mir aus der Not!«
»Hör zu«, sagte der Dachs. »Wenn der Fallensteller kommt, dann umschmeichle ihn und schmiege dich an seine Füße. Er wird glauben, dass du zahm bist, und dich freilassen. Aber nimm nicht gleich Reißaus, denn dann würde er dich einholen und totschlagen. Laufe vielmehr ein Weilchen hinter ihm her, bis du einen geeigneten Augenblick zum Entwischen findest!«
Da kam der Fallensteller auch schon herbei. Der Dachs duckte sich ins Gesträuch, und der Fuchs stellte sich zahm. Er umschmeichelte den Menschen und schmiegte sich an seine Füße. Dieser nahm wirklich an, dass er zahm wäre, ließ ihn frei und machte sich auf den Heimweg, nachdem er die Falle wieder aufgestellt hatte. Der Fuchs trabte ein Weilchen hinter ihm her und verschwand dann bei der ersten Gelegenheit im Dickicht. »Ei, du Listfuchs, ich fange dich doch noch einmal!« rief ihm der Mensch nach.
Etliche Tage später strich der Fuchs durch den Wald und geriet. wieder in eine Falle. Plötzlich kam der Dachs des Wegs daher. »Warum zappelst du so. Onkelchen?« fragte er verwundert. »Ach, lieber Bruder, wieder bin ich in eine Falle geraten!« jammerte der Fuchs. »Bitte, hilf mir! Du hast doch noch zwei Listen, verrate mir eine!«
»Gut!« erwiderte der Dachs. »Stelle dich tot, dann wird der Fallensteller dich wegwerfen. Aber spring nicht gleich auf, sondern warte, bis er die Falle richtet, dann kannst du entwischen.« Über kurz oder lang kam auch der Fallensteller, sah den Fuchs, glaubte wirklich, er wäre verreckt, zog ihn aus der Falle und warf ihn beiseite. Dann beugte er sich über die Falle, um sie erneut aufzustellen. In diesem Augenblick sprang der Fuchs auf die Beine und nahm Reißaus.
Nach einiger Zeit geriet der Dachs in die unglückselige Falle. Der Fuchs kam herzu, und als er den Dachs zappeln sah, lachte er ihn aus. »Um Gottes willen, Brüderchen, hilf mir!« flehte der Dachs. »Verrate mir eine von deinen neun Listen!« Doch der Fuchs hatte für die Bitten des Dachses nur Hohn und Spott. »Das gefällt mir! Neulich, als ich in der Falle saß, bist du nicht auf den Gedanken gekommen, mir zu helfen, und jetzt jammerst du mir die Ohren voll. Nein, meine neun Listen hebe ich für mich selber auf!«
»Nun«, sagte der Dachs, »wenn es so ist, dann komm zu mir, Bruder, und lass uns vor meinem Tode voneinander Abschied nehmen.« Der Fuchs fiel auf die List herein und lief zum Dachs hin. Dieser sprang ihn an und hielt ihn fest. Im selben Augenblick kam auch der Fallensteller, dem der Fuchs zweimal entwischt war, und sah schon von weitem, was sich bei seiner Falle tat. »Halt den Fuchs fest, Dachs, bis ich heran bin!« rief er. »Dann lass ich dich frei! Hauptsache, ich erwische den Betrüger, der mich schon so oft hinters Licht geführt hat!« Der Dachs tat es, der Fallensteller ließ ihn frei und schlug dem Fuchs den Schädel ein.

Walter Heubach, Dachse vor dem Bau

Walter Heubach, Dachse vor dem Bau

Der Hase und der Dachs
Japanisches Märchen

Zwischen hohen Bergen lebte vor langen, langen Jahren ein betagtes Ehepaar, das sich durch fleißige Arbeit redlich, doch kümmerlich nährte. Der Mann ging täglich in den Wald, um Reisig zu sammeln, das er verkaufte, und aus dem Erlös bestritt er den Lebensunterhalt. Während der Mann im Walde war, kochte und wusch die Frau und machte das Haus sauber.
Im Laufe der vielen Jahre hatte der Mann die Bekanntschaft eines weißen Hasen gemacht. Die Bekanntschaft wurde immer fester und so kam es zu einer regelrechten Freundschaft. Immer, wenn sie sich trafen, unterhielten sie sich freundschaftlich über dieses und jenes, denn zu damaliger Zeit konnten die Tiere noch sprechen. An Feiertagen luden sie sich auch oft zum Essen ein und machten sich einander Geschenke. (weiterlesen)

Carl Friedrich Deiker, "Der verbellende Dachssucher" aus "Die Gartenlaube" 1879

Carl Friedrich Deiker, „Der verbellende Dachssucher“ aus „Die Gartenlaube“ 1879

Fachbücher und Lexika

brockhausDachs (der), ein in allen gemäßigten Ländern von Europa und Asien heimisches Raubsäugethier, das mit dem Bären zu einer Familie gehört, wird ungefähr 21/2 F. lang und halb so hoch. Sein fettiges, langes Borstenhaar sieht auf dem Rücken grau, schwarz, weiß und gelblich gemischt und an dem bald schweinsartig, wie bei dem hier abgebildeten, bald mehr hundeähnlich gestalteten Kopfe weiß; auf jeder Seite desselben zieht sich aber von der Nase zum Halse ein schwarzer Streif; Brust und Bauch sind meist dunkelfarbig. Nahe über dem After besitzt dieses Thier einen zolltiefen Drüsenbeutel, in dem sich eine weißliche, übelriechende Fettigkeit absondert. Den Tag über bleibt der ungesellige und boshafte Dachs aus Trägheit und Furcht gewöhnlich in seiner 4–5 F. tiefen, Dachsbau und Kessel genannten Höhle, welche er sich mittels der scharfen Klauen an seinen Vorderfüßen im Walde am liebsten so anlegt, daß er nicht weit ins Feld hat und die mit zwei, manchmal 30 F. weit voneinander entfernt liegenden Ausgängen versehen ist. Des Nachts geht er seiner Nahrung nach, welche in Mäusen, mehren Amphibien, Wurzeln und Feldfrüchten, Obst, Eicheln, Bucheckern, Schnecken und Regenwürmern besteht, den Winter aber verbringt er schlafend in seiner Höhle, wobei er die Schnauze bis an die Augen in seinem Drüsensacke stecken hat. Überhaupt verschläft er die meiste Zeit seines Lebens, und es ist daher sprüchwörtlich geworden, von Jemand, der lange und fest schläft, zu sogen: er schlafe wie ein Dachs. Erlegt wird er, indem man ihn ausgräbt oder durch in seinen Bau geschickte Dachshunde in die vor die Ausgänge gestellten Netze treiben läßt; auch fängt man ihn in Fallen. Seine Haut wird mit dem Haar gegerbt und zu Kofferbeschlägen, Jagdtaschen und Kummetdecken verwendet; das Fleisch wird trotz seines süßlichen Geschmacks in manchen Gegenden genossen, das Fett aber zu Wundsalben gebraucht. (Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Leipzig 1837)

Von dem Dachs und Igel.

Taxus, Dachs ist ein kleines / doch zimmlich dickes und sehr wehrhafftes Thier / er hat gar kurtze Füß und ein starckes Biß / mit welchem er den Hunden /so ihn angreiffen / vil zu schaffen gibt: er ist auch wider dero Biß mit einer harten / starck- und rauhen Haut oder Balg zimmlich wohl versehen. Es gibt aber zweyerley Arten der Dachsen / nemlich Hund-Dachsen und Schwein-Dachsen (die aber nie beysammen wohnen) jene haben kürtzere Mäuler und gespaltene Dappen wie die Hund: diese aber haben ein langes Maul oder Rüssel / schier wie die Schwein / und gespaltene Klauen: auf dem Kopff und Rucken seynd sie zimmlich schwartz / sonsten grauer Farb / mit einem kurtz- aber dicken Schweiff. (Willibald Kobolt „Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt“ Augsburg 1738 – weiterlesen)