Japan: Die ultralockere Geldpolitik geht zu Ende, aber nicht die Aktien-Rallye

Japan: Die ultralockere Geldpolitik geht zu Ende, aber nicht die Aktien-Rallye

Die Bank of Japan (BoJ) hat am 19. März den lange erwarteten Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik eingeleitet. Zum ersten Mal seit 17 Jahren erhöhte sie den Leitzins auf ein Band von nunmehr 0-0,1 Prozent. Damit endet zunächst nur die Zeit der Negativzinsen, die 2016 mit einer Leitzinssenkung auf -0,1 Prozent begonnen hatte. Auch wenn die Anhebung um mindestens zehn Basispunkte noch keine großen Auswirkungen auf die Wirtschaft hat und ein Zinssatz um null Prozent immer noch expansiv ist, sendet die Bank of Japan mit diesem Zinsschritt ein wichtiges Signal. Denn es geht um den Versuch, die japanische Wirtschaft auf einen Wachstumspfad zu bringen, der nicht mehr wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auf eine expansive Geld- und Fiskalpolitik angewiesen ist.

Die Bank of Japan spricht in diesem Zusammenhang von einem „positiven Kreislauf zwischen Löhnen und Preisen“. Deflationsphasen, wie sie seit Mitte der 1990er Jahre immer wieder auftraten, sollen sich nicht wiederholen. Stattdessen will man Verbraucher und Unternehmen an moderate Preis- und Lohnsteigerungen gewöhnen, die mit dem Zwei-Prozent-Ziel der BoJ vereinbar sind. Aus diesem Grund hat die Zentralbank kaum auf die seit 2022 steigenden Inflationsraten in Japan reagiert. Ziel war es, ein Lohnwachstum in Gang zu setzen, um die Deflationsspirale der Vergangenheit zu durchbrechen. Diese Strategie scheint aufgegangen zu sein. Die Lohnabschlüsse sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. In einigen Branchen wurden die höchsten Lohnsteigerungen seit den 1990er Jahren erzielt. Auch für dieses Jahr sind die Zahlen vielversprechend. Bei den alljährlich im Frühjahr stattfindenden großen Lohnverhandlungen der Gewerkschaften, die als Indikator für die gesamte Lohnentwicklung gelten, wurde in diesem Jahr mit einem Plus von 3,6 Prozent der bereits hohe Vorjahreswert von 2,1 Prozent noch einmal übertroffen. Das nominale Lohnwachstum, dessen Jahresrate im Februar bei 2,2 Prozent lag, dürfte sich damit erhöhen.

Auch die Unternehmen sind dazu übergegangen, Kostensteigerungen an die Verbraucher weiterzugeben, wie die höchsten Inflationsraten seit Anfang der 1980er Jahre zeigen. Um die Unternehmen zu einer bereitwilligeren Weitergabe von Kostensteigerungen zu bewegen, wurde teilweise staatlicher Druck ausgeübt. Es wurden Regelungen erlassen, die einen Missbrauch der Verhandlungsposition feststellen konnten, wenn trotz Kostensteigerungen keine Preiserhöhungen ausgehandelt oder diese nicht berücksichtigt wurden. Die Inflationsraten zeigen, dass die Unternehmen zu Preiserhöhungen übergegangen sind, wenn auch auf einem anderen Niveau als in Europa oder den USA.

Allerdings hat diese Entwicklung die Stimmung in den letzten Monaten etwas getrübt. Denn obwohl die Lohnerhöhungen nominal dynamisch gestiegen sind, war das Lohnwachstum real, also preisbereinigt, in den meisten Monaten negativ, was letztlich einen Kaufkraftentzug für die Konsumenten bedeutet. Dies ist einer der Gründe, warum die japanische Wirtschaft nach einem dynamischen Start in das vergangene Jahr in der zweiten Jahreshälfte deutlich an Fahrt verlor und nur knapp an einer technischen Rezession vorbeischrammte. Nachdem der Konsum im ersten Quartal noch einen deutlich positiven Beitrag zum BIP geleistet hatte, folgte im weiteren Jahresverlauf ein negativer Beitrag. Zwar ist der Konsum seit 2022 kontinuierlich gestiegen, in den letzten drei Quartalen war er preisbereinigt jedoch rückläufig. Der Balanceakt für die BoJ in den kommenden Monaten wird darin bestehen, die Inflationsraten zu senken und das Lohnwachstum nicht zu bremsen, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhöhen und damit den Konsum wieder stärker anzukurbeln.

Für die Kapitalmärkte hatte der Strategiewechsel der BoJ noch keine gravierenden Folgen. Die Performance der Aktienindizes war zwar zunächst vergleichsweise schwach und vor allem nicht mehr so dynamisch wie in den ersten Wochen des Jahres. Dies war aber auch bei vielen anderen globalen Indizes zu beobachten. Auch die Währung konnte bislang nicht von der Zinserhöhung profitieren. Der Yen hat seit der Entscheidung gegenüber dem Euro sogar leicht abgewertet, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die BoJ bislang kein Ende ihres Anleihekaufprogramms in Aussicht gestellt hat.

Insgesamt bleiben die Aussichten für den Aktienmarkt gut. Die Analysten von Goldman Sachs sehen vor allem zwei positive Impulse. Zum einen gehen sie davon aus, dass die anhaltend robuste US-Konjunktur und der schwächere Yen die Gewinne der japanischen Unternehmen stützen und damit die Gewinnerwartungen bereits kurzfristig erhöhen. Der zweite Effekt ist das Vorantreiben der Aktienmarktreform durch die Tokyo Stock Exchange (TSE). Im Januar veröffentlichte die Börse erstmals eine Liste von Unternehmen, die der Aufforderung der Börse zur Steigerung der Kapitaleffizienz nachkommen wollen. Zunächst ging es nur darum, dass die Unternehmen der Aufforderung der Börse nachkommen. Nun sollen die Anforderungen schrittweise erhöht werden und konkrete Maßnahmen zur Effizienzsteigerung von den Unternehmen vorgelegt werden. Wer diese nicht vorweisen kann, landet künftig nicht mehr im Prime-Segment der Börse, der als Empfehlung für institutionelle und internationale Investoren gilt.

Die Aufbruchstimmung in Japan hält also an. Notenbank und Regierung streben ein gesundes Zusammenspiel von Lohn- und Preissteigerungen an, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu generieren. Kurzfristig geht es vor allem darum, die Stimmung der Verbraucher zu verbessern, damit der private Konsum im Gegensatz zu den letzten Quartalen wieder einen positiveren Beitrag zum Wirtschaftswachstum leistet. Gleichzeitig erhöht die TSE den Druck auf die börsennotierten Unternehmen, ihre Kapitaleffizienz zu steigern. Diese Entwicklung sollte die Aktienmärkte weiter stützen und sich mittel- bis langfristig auch positiv auf die Profitabilität der japanischen Unternehmen auswirken.

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