Nach Eklat beim Politischen Aschermittwoch - warum sind die Grünen so verhasst?

Veranstaltung der Partei in Biberach musste abgesagt werden

Bayern, Lindau: Das Logo der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist auf einer Fahne vor der Inselhalle zu sehen. (Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Bayern, Lindau: Das Logo der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist auf einer Fahne vor der Inselhalle zu sehen. (Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Veranstaltungen der Partei werden blockiert, Protest kippt um in Gewalt. Die Grünen ziehen jedenfalls eine Menge Aversion auf sich. Das ist normal. Noch nie erging es in der Geschichte der Menschheit dem Überbringer schlechter Nachrichten gut.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Um zu sehen, was gerade out ist, schaut man am besten nach rechts. Denn rechte Parteien suchen stringenter den Erfolg als potenziell bis chronisch zerstrittene Parteien von links. Und so machen erstere mit gespitzten Ohren aus, was allgemeinen Grimm verursacht – und Rechte als Trittbrettfahrer versuchen dann auf einer Welle des „Widerstands“ zu reiten. Kennt man.

Auf wessen Rücken lässt sich in diesen Tagen besonders gut surfen? Die Grünen haben die dicksten Böcke im Stall. Und so kam es am gestrigen Aschermittwoch zu einem Eklat: Die zentrale und traditionelle Veranstaltung der Partei in Biberach wurde abgesagt: Die Polizei musste Pfefferspray einsetzen, Glasscheiben klirrten – nicht gegen die Grünen, sondern gegen die Proteste. Einen Dialog wollten die Demonstranten nicht. Nicht diskutieren. Sondern nur stören. Dampf ablassen. „Die Ampel muss weg“, wurde gerufen. Pardon, gibt es dafür nicht Wahlen?

Wer etwas wegwünscht, erweist sich als wenig respektvoll. Und beantwortet nicht die Frage, was nach dem weg der Ampel kommen soll. Freie Fahrt für totalitäre Bürger? Die AfD weiß natürlich, was dann kommen soll. Aber das verrät sie nur hier und da. Surfen geht nämlich anders, am besten in Camouflage.

So waren es nicht echte Bauernproteste in Biberach, und auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang, die gestern in Schorndorf mit ihren Bodyguards vor einem Mob fliehen musste, wurde nicht von Bauern an sich behelligt, sondern von einer unbestimmten Masse, die gern so tut, als wäre sie eine Ansammlung von Rächern der Enterbten.

Ricarda Lang. (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)
Ricarda Lang. (Bild: REUTERS/Annegret Hilse)

Man mag die Grünen gernhaben oder abgrundtief blöd finden. Man kann sie wählen, und man kann sie tatsächlich auch nicht wählen. Am Umgang aber mit dieser Partei entscheidet sich gerade die Zukunft Deutschlands. Die Grünen sind zur Leinwand für generelles Unwohlsein geworden. Sie kriegen das alles ab. Das ist ein Stück weit normal. Wir nähern uns aber einem Kipppunkt. Wird Gewalt akzeptiert, schwimmt uns die Freiheit weg wie ein Papierboot im Ozean.

Das Wunder von aufblasbaren Kamellen

Was ist eigentlich dran an all den Vorbehalten? Grüne sind zurecht ein Stück weit großstädtisch geprägt. Nicht wenige treten arrogant auf, verdienen gut Geld und sind mit mühseligeren Lebensrealitäten im Land kaum vertraut. Sie leben und lieben ihre Blase. In der Bundesregierung waren sie an einigem Bockmist beteiligt, wie das Heizungsgesetz. Zwar nicht allein. Aber: Sie sind eben die Leinwand. Und warum?

Weil sie die einzige Partei sind, welche die Welt ein wenig besser machen will – und zwar im Ökologischen.

Öko, Bio, im Ernst jetzt? Haben wir nicht drängendere Probleme? Haben wir kaum. Das haben die Grünen mehr erkannt als andere Parteien. Sie drängen auf ein leises Abklingen des Raubbaus an unserem Planeten, unserer Lebensgrundlage. Sie nehmen den Klimawandel in dem Sinne ernst, dass sie sich für Lehren daraus einsetzen. Sie sind die Überbringer schlechter Nachrichten, und daher mag man sie nicht.

Infografik: Wie bedrohlich ist der Klimawandel | Statista
Infografik: Wie bedrohlich ist der Klimawandel | Statista

Schon vor etlichen Jahren ließen sie Zornesröten in den Gesichtern deutscher Politiker entstehen, wenn einige von ihnen von fünf Mark pro Benzinliter oder von einem „Veggie-Day“ sprachen (das Wort ist dermaßen unwichtig, ich musste gerade erstmal nachschlagen, wie es korrekt geschrieben wird). Die Grünen kitzeln Emotionen heraus. Das sind billige Nummern des Aufblasens. Aber sie funktionieren in der Manege.

Es ist grundsätzlicher, als man denkt

Über zu wenig Fleisch hier und da kann man ja ruhig meckern. Und wer nicht mit den ersten scheuen Pferden durchgehen will, darf das nicht mögen. Was aber nicht geht: den Stall anzünden.

Das geschieht indes gerade. Die Grünen werden angegangen, als wären sie die AfD. Die AfD will tatsächlich etwas anderes in Deutschland hochziehen, sie will eine andere Verfassung, ein anderes System – weniger Demokratie. Und selbst die AfD hat es verdient, ungestört Parteitage und Veranstaltungen durchzuführen. Eine Auseinandersetzung mit ihr, die sich nicht auf Augenhöhe befindet und Ernsthaftigkeit sucht, das inhaltliche Stellen, ist wenig konstruktiv.

Die Grünen sind wie ein Sensor. Werden sie angegangen, wie in den letzten Tagen geschehen, verlieren im Land die Würde und die Freiheit an Wert. In welcher Gesellschaft wollen wir leben?