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Sprachtabu und Euphemismen Sprachwissenschaftliche

Stefan Schorch's "Euphemismen in der hebrischen Bibel"

Anmerkungen zu

Hartmut Schrder
1. Einleitung
Linguistische Arbeiten zu Sprachtabu und Euphemismus haben in den letzten dreiig Jahren im
deutschsprachigen Raum einen enormen Aufschwung erlebt,1 was u.a. in der Zahl
einschlgiger Dissertationen zum Ausdruck kommt: Luchtenberg (1985)2 zu "Euphemismen im
heutigen Deutsch", Balle (1990) zu "Tabus in der Sprache", Gnther (1992) zu "Sprachliche
Strategien bei Phone-in-Sendungen am Radio zu tabuisierten Themen" und Zllner (1997) zu
"Der Euphemismus im alltglichen und politischen Sprachgebrauch des Englischen". Stefan
Schorch (2000) hat nun eine bemerkenswerte theologische Dissertation (Leipzig 1998)
vorgelegt, die an sprachwissenschaftliche berlegungen und Methoden anknpft und diese fr
eine Untersuchung von Euphemismen in der hebrischen Bibel nutzt. Bevor ich auf diese
auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht herausragende Arbeit nher eingehen werde, sei
zunchst ein kurzer berblick ber die linguistische Beschftigung mit dem Phnomen des
Sprachtabus gegeben.3 Ich gehe dabei mit Balle (1990, 177) davon aus, da Sprachtabu und
Euphemismus nicht voneinander zu trennen sind: "Wo Euphemismen sind, mssen auch Tabus
sein und umgekehrt: Euphemismen sind die andere Seite der Medaille."
2. Sprachwissenschaftliche Arbeiten zum Euphemismus und Sprachtabu
2.1. Tabu Bezeichnung und Begriff
Es ist wohl nicht mehr eindeutig rekonstruierbar, welcher Sprachwissenschaftler sich zuerst mit
dem Phnomen des Sprachtabus beschftigt hat. Dies hngt nicht zuletzt damit zusammen, da
das Wort 'Tabu' erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in die europischen Sprachen
eingedrungen ist und (frhere bzw. parallele) eigensprachliche quivalente nicht nachweisbar
sind. Mit Blick auf das Deutsche stellt Pfister (1936/1937, 631-632) fest: "Wir haben im
Neuhochdeutschen kein Wort, das genau dem Wort t. entspricht, d.h. dem Begriff des
Krafterfllten, das je nach dem Wesen und der Wirkung dieser Kraft bald als heilig und rein,
bald als unheilig und unrein, bald als Verehrung heischend und Scheu einflend, bald als ein
Verbot aussprechend sich darstellt. [...] Aber die altgermanischen, vorchristlichen Wrter, die
uns im Gotischen als weihs und heilag entgegentreten und deren neuhochdeutschen Formen
'geweiht' und 'heilig' sind, besaen ungefhrt die Bedeutung von t."
Allgemein bekannt ist, da der britische Weltumsegler James Cook das Wort 1777 von seiner
Sdseereise nach England mitbrachte,4 von wo aus es sich schnell in andere Sprachen
verbreitete und Eingang in die Bildungssprache fand.5 Ein Grund fr die rasche Verbreitung des
Wortes war nach Betz (1978, 141) neben dem exotischen Klang das "frdernde Vakuum einer
wirklichen Wortschatzlcke" in den Sprachen der westlichen Zivilisationen. Fr die deutsche
Bildungssprache kann Tabu bereits in Meyer's Conversations-Lexicon aus dem Jahre 1851
belegt werden, wo es noch ausschlielich zur Beschreibung von Gemeinwesen der
'Naturvlker' Verwendung findet. Betz (1978, 141) weist aber darauf hin, da das deutsche
Bildungsbrgertum schon sehr viel frher Bekanntschaft mit diesem (neuen) Wort geschlossen
hatte. So erwhnte Adelbert von Chamisso (1829) in seinem Weltreisebericht (1815-1818) die
1 Dies zeigt sich u.a. auch in der Diskussion der Zeitschrift Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht im Jahre 1987. Das
sogenannte "Lexikon der Tabus" von Graupmann (1998) sei in dieser Hinsicht zwar erwhnt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, da
es sich hierbei um ein in wissenschaftlicher Hinsicht nur wenig reflektiertes Werk handelt; eine entsprechende Rezension steht freilich
noch aus.
2 Es handelt sich um die berarbeitete Fassung der Dissertation von Luchtenberg aus dem Jahre 1975 an der Universitt Bonn.
3 Eine ausfhrliche Dokumentation und eine umfangreiche Datenbank zur Tabuforschung befinden sich auf der Homepage des Autors
unter der URL-Adresse http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sw2/Tabu/Index.html
4 Zur Entdeckungsgeschichte des Wortes 'Tabu' durch Cook siehe Seibel (1990, 62-74).
5 Seibel (1990, 75-76) erklrt in Anlehnung an Franz Steiner die "wie selbstverstndliche bernahme eines so fremden Wortes wie
tabu in die englische Sprache" durch die protestantische Herkunft Cooks und den Zeitgeist der viktorianischen ra.

Tabusitten in Polynesien.6 Hinweise darauf, da dieser Begriff fr die Analyse von


'Kulturvlkern' fruchtbar gemacht werden kann, gibt es in Deutschland seit der
Jahrhundertwende; so z.B. in Meyers Groes Konversations-Lexikon von 1906, wo
ausdrcklich erwhnt wird, da auch 'Kulturvlker' Tabus haben knnen. Wundt (1926,
390f.) weist im gleichen Jahr darauf hin, da 'Tabu' "hinreichend in die allgemeine Sprache
eingedrungen ist, um gelegentlich auf unsere eigenen Anschauungen und Sitten angewandt zu
werden" nach Wundt "gibt es in der Tat kein Volk und keine Kulturstufe, die des Tabu und
seiner beschrnkenden oder gefhrdenden Wirkungen auf Leben und Freiheit entbehren."
Allerdings entstand durch die bertragung des Wortes eine gewisse Ambiguitt hinsichtlich
seiner Bedeutung, die bis heute im Sprachgebrauch fortbesteht. Waren bei den Polynesiern
Tabus in erster Linie Meidungsgebote hinsichtlich bestimmter Handlungen, so werden im
heutigen Sprachgebrauch Tabus viel strker auf Themen und auf Ausdrcke bezogen.
Erwhnenswert ist, da das Wort 'Sprachtabu' "insbesondere in der deutschsprachigen
wissenschaftlichen Literatur beheimatet" zu sein scheint, whrend "quivalente in anderen
Sprachen (engl. linguistic taboo, franz. tabou linguistique; ital. tabu linguistico) entweder durch
eigensprachliche Bezeichnungen verdrngt wurden (franz. interdiction linguistique; ital.
interdizione linguistica) oder aber weniger hufig als Generalberschrift des gesamten
Themenkomplexes verwendet werden, als das im Deutschen [...] der Fall ist" (Schorch, S. 6,
Funote 10).
2.2. Beitrge der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sich die ersten sprachwissenschaftlichen Arbeiten
anfhren, die explizit auf Sprachtabus im Kontext des Konzepts der Wortmagie eingehen und
dessen Bedeutung in Anknpfung an volkskundliche und religionswissenschaftliche
Forschungen aus dem 19. Jahrhundert fr die indogermanischen Sprachen nachweisen. Im
Fokus dieser eher sprachhistorischen und -vergleichenden Untersuchungen standen dabei
insbesondere Namenstabus in Bezug auf die Gottesbezeichnung, auf Tierbezeichnungen und
auf tabugeladene Sachverhalte (Tod und Sterben, Krankheiten etc.). Den Stand dieser
Untersuchungen hat Havers (1946) in seiner Arbeit zu "Neuere Arbeiten zum Sprachtabu"
vortrefflich zusammengefat und zu einem vorlufigen Abschlu gebracht. Warum Havers
seinen Beitrag mit "neuere" Arbeiten zum Sprachtabu betitelt, ist allerdings aus heutiger Sicht
nicht nachvollziehbar, da er den Beginn der neueren sprachwissenschaftlichen Beschftigung
mit Tabus mit Meillet's Aufsatz "Interdictions" (1906) verbindet,7 obwohl vorher, d.h. im 19.
Jahrhundert, noch keine (im engeren Sinne) sprachwissenschaftlichen Beitrge zum Sprachtabu
vorlagen; jedenfalls nicht solche, die sich explizit auf das Konzept des Sprachtabus unter dieser
Bezeichnung bezogen haben.
Freilich gab es bereits vor Meillet eine reichhaltige sprachwissenschaftliche Literatur zu
Euphemismen in den verschiedenen Sprachen, wozu als Beispiel nur die Arbeit von Bkemann
(1904) "Franzsischer Euphemismus" genannt sei, die den damaligen Forschungsstand
zusammenfat; in dieser Arbeit wird die Bezeichnung Sprachtabu allerdings noch nicht
verwendet, da eine sprachwissenschaftliche Rezeption der volkskundlichen und
religionswissenschaftlichen Arbeiten zum Sprachtabu noch ausstand. Neben dem Franzosen
Meillet war es wohl vor allem der Schwede Sahlgren (1915), der in seiner Untersuchung
"Blkulla och blkullafrderna"8 die Konzepte Sprachtabu und Euphemismus miteinander
verbunden und deren Bedeutung auch auerhalb der sogenannten 'Naturvlker' mit Beispielen
aus der Sprach- und Kulturgeschichte des Schwedischen belegt hat. Er hat dazu in
Anknpfung an die volkskundliche und religionswissenschaftliche Literatur den Begriff
'Noawort' eingefhrt9. Sahlgren (1915, 132) ging davon aus, da man in den modernen
'Kultursprachen' noch zahlreiche Reste eines Namenstabus findet; so durfte man im
6 Chamisso (1969) hat sich in seinem Bericht "ber die Hawaiische Sprache" vor der Kniglichen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin am 12. Januar 1837 auch als Sprachforscher verdient gemacht.
7 Die Arbeit von Meillet wurde allerdings erst 1921 mit dem Erscheinen seines Werkes "Linguistique historique et Linguistique gnrale"
allgemein zugnglich. Meillet beschftigt sich in dieser Arbeit mit dem Worttabu in indoeuropischen Sprachen.
8 Dt.: Blocksberg und Blocksbergfahrten. Von Interesse ist in dieser Arbeit besonders das Kapitel VI zu "Tabu och noa".
9 Noa ist im Polynesischen das Gegenwort zu Tabu, es bezeichnet das gewhnliche bzw. das normale, d.h. das, was nicht unter dem
Einflu des Mana steht.

Schwedischen nicht Wolf sagen, wohl aber Goldfu oder der Graue. Ein Noawort ist damit ein
Ersatzwort, das es ermglicht, die Dinge zu bezeichnen, die unter einem Tabu stehen:
"Tabuorden ro de frbjudna orden, noarorden de tilltna"10 (Sahlgren 1915, 133). Sahlgren
(1915, 136) beschreibt mit seinem Beispielmaterial bereits Flle des (spter so bezeichneten)
Tabu-Euphemismus-Zyklus, d.h. die Tatsache, da Noawrter selber zu Tabuwrtern werden
und durch neue Noawrter ersetzt werden mssen. Als frher deutschsprachiger Beitrag sei
Ode (1927) mit der Arbeit "Reflexe von 'Tabu' und 'Noa' in den indogermanischen Sprachen"
genannt, in der die Begriffe 'Mana', 'Noa', 'Tabu' im Hinblick auf indogermanische Sprachen
diskutiert und Beispiele fr durch Sprachtabus entstandene 'Frauensprachen' gegeben werden.
Eine weitere frhe linguistisch relevante Arbeit zum Sprachtabu stammt aus der
Entwicklungspsychologie von Heinz Werner (1919), der in seiner Monographie "Die
Ursprnge der Metapher" ausfhrlich auf das Konzept des Sprachtabus eingeht, und der die
Aufgabe der Metapher nicht in der des Hervorhebens sondern als Umgehungsstrategie fr
tabuisierte Bereiche identifiziert und dem Sprecher ein Verhllungsbedrfnis unterstellt. Karl
Bhler (1934) hat sich spter in seiner "Sprachtheorie" kritisch mit der Arbeit von Werner
beschftigt und diese Erklrung weitgehend zurckgewiesen. Nach Bhler (1934, 354) sind
nicht die Metaphern, sondern vor allem die Metonymien "das reine und vllig ausreichende
Ersatzmittel eines hochgradig tabu-gehemmten, um nicht zu sagen tabu-verseuchten
Sprechverkehrs."
Im Juni des Jahres 1922 schrieb die Philosophische Fakultt der Universitt Leipzig einen Preis
zur folgenden Thematik aus: "Tabu. Es soll eine zusammenfassende Studie der Verteilung, der
Benennung, der Forschungsgeschichte, der Erscheinungsformen und des Wesens des Tabu,
Tabubegriffs und seiner Analoga gegeben werden." Im Dezember 1925 wurde der Preis
Friedrich Rudolf Lehmann fr seine Habilitationsschrift "Die polynesischen Tabusitten. Eine
ethnosoziologische und religionswissenschaftliche Untersuchung" am Forschungsinstitut fr
Vlkerkunde in Leipzig zugesprochen. Diese spter von Lehmann (1930) publizierte Arbeit
beschrnkt sich zwar gnzlich auf Polynesien, ist aber fr die Tabuforschung von elementarer
Bedeutung. Sprachwissenschaftlich von Interesse ist insbesondere die Auseinandersetzung des
Autors mit frheren Studien zur Etymologie und Semasiologie des Wortes Tabu. Dabei werden
mehrere in der Forschungsliteratur bekannte Positionen zurckgewiesen und die Frage
diskutiert, ob und in welchem Sinne Tabu als Verbotsbegriff in Beziehung zur Religion steht. In
seiner abschlieenden Zusammenfassung weist Lehmann die psychologische Theorie Freuds
von der Motivlosigkeit der Tabus zurck und widerspricht ebenfalls der Auffassung, da Tabu
das Heilige und Unreine zugleich meint; er schliet sich Wilhelm Wundt an und geht von den
drei Begriffen Verbot, Meidung und Enthaltung als allgemeine Ordnungsprinzipien fr die
polynesischen Tabusitten aus.
Eine nur wenig rezipierte Arbeit zum Sprachtabu stammt von Zelenin (1929/1930), der sich in
seiner uerst materialreichen (russischsprachigen) Monographie "Worttabu bei den Vlkern
Osteuropas und Asiens" ausfhrlich mit Verboten auf der Jagd und anderen Erwerbszweigen
(Band I) sowie mit Verboten im huslichen Leben (Band II) beschftigt hat. Havers (1946) hat
sich Teile dieser Arbeit spter ins Deutsche bersetzen lassen.11
Eine vielbeachtete deutschsprachige Dissertation zur Thematik "Indogermanisches Worttabu"
wurde 1934 von Trost an der Universitt Prag vorgelegt, der sich ausfhrlich mit sprachlichen
Bewltigungsstrategien des Worttabus beschftigt hat. Ergebnisse dieser Studie wurden von
Trost (1936) in einem Aufsatz "Bemerkungen zum Sprachtabu" in der Reihe Travaux du Cercle
linguistique de Prague verffentlicht. Trost (1936, 289) behandelt u.a. die Funktion von
sogenannten 'Deckwrtern', die er darin sieht, "ber eine andere Bedeutung denselben
Gegenstand zu bezeichnen." Des weiteren beschftigt sich Trost mit dem Phnomen des
Tabuplurals und der Leistung von Metaphern und Metonymien als sprachliche Ersatzmittel in
verschiedenen Bereichen des Worttabus.
In deutscher Sprache erschien die Monographie des Esten Oskar Loorits (1939) zu "Gedanken-,
10 Dt.: Das Tabuwort ist das verbotene Wort, das Noawort ist das erlaubte.
11 Zelenin (1930, 165, Funote 1) weist in Band II seiner Arbeit darauf hin, da die gesamte Arbeit in deutscher Sprache 1930 in einem
Beiheft der Heidelberger Zeitschrift Wrter und Sachen erschienen ist.

Tat- und Worttabu bei den estnischen Fischern", der in Form eines Regelwerkes umfangreiches
Material zu verschiedenen Vermeidungsvorschriften bei den estnischen Fischern prsentiert.12
Loorits (1939, 64) unterteilt sein Material nach der Art des Tabus in 'Tat- und Gedankentabus',
'Worttabus' sowie nach den blichen Ersatzmitteln, wobei er das Worttabu folgendermaen
definiert: "Das Worttabu ist unter gewissen Bedingungen in der ganzen Welt bekannt und
dadurch bedingt, dass der Name fr seinen Trger eine magisch wirkende Kraft hat. Das
Anrufen kann fr den Anrufer schdlich sein, weil der Angerufene kommt und etwas verdirbt,
wie auch gerade umgekehrt, weil der Gerufene ein Zeichen bekommt und entflieht."
Mit Treimer (1954/55, 45) kann davon ausgegangen werden, da das Werk von Havers
Hhepunkt der linguistischen Beschftigung mit dem Sprachtabu ist, da er "jene Grundlagen
dargeboten hat, von welchen alle Kommenden auszugehen haben." Havers geht davon aus, da
auch die Indogermanen ein Sprachtabu gekannt haben und belegt dies mit zahlreichen
Beispielen, wozu er eine Typologie der Ersatzmittel aufstellt, die u.a. auch in den neueren
Untersuchungen zu Tabus in der Sprache benutzt wird und auch Ausgangs- und Bezugspunkt
fr die Analyse von Schorch bildete. Havers nennt als wichtigste Ersatzmittel:
- Tabuistische Lautvernderungen: "Verlngerung des Wortes durch Anhngung von Silben,
Einfgen von Vokalen, Wortverkrzungen, Vertauschung von Silben, Ersatz von
Lautbestandteilen durch andere" Havers (1946, 117)
- Entlehnungen: "Beim Sprachtabu lt sich immer wieder beobachten, da alles, was in
einheimischer Sprache der Zensur unterliegt, in fremder Sprache ohne Bedenken ausgesprochen
werden darf" Havers (1946, 128)
- Antiphrasis: "Zum Zwecke der Verschleierung oder boni ominis causa sagt man das Gegenteil
von dem, was gemeint ist" Havers (1946, 133); Wunschnamen
- Stellvertretende Pronomen: "Seiner Natur nach ist das Pronomen besonders geeignet, den
Ersatz fr ein tabuiertes Nomen zu bernehmen" Havers (1946, 137)
- Euphemistische Kontaminationen: Wortkreuzungen
- Sinnesstreckungen: Andeutungsstil
- Satzhafte Umschreibungen: Wunschsatz und umschreibender Relativsatz
- Captatio benevolentiae: "Nach weitverbreitetem Glauben wird einem Worte die ihm anhaftende
Gefhrlichkeit dadurch genommen, da man es mit einem Zusatz versieht, mit einem ehrenden
Substantiv oder einem geflligen, verbindlichen Adjektiv (Epitheton ornans)" Havers (1946,
145);
- Ellipse: "Sie ist das einfachste Mittel, um den Forderungen des Sprachtabu zu gengen. Man
denke z.B. an die elliptischen Flche, Verwnschungen und Beteuerungen: 'Bewahre!',
'Behte!', mit Auslassung des Gottesnamens" Havers (1946, 150)
- Subjekts-Instrumental: eigentliches Subjekt steht im Instrumental sowie die Flucht in die
Allgemeinheit (Generalisierung, Allgemeinbezeichnung wie 'wildes Tier etc.)
- Flucht in die Allgemeinheit: durch Generalisierung und Tabu-Plural: Havers geht davon aus,
da das "Streben nach unbestimmter allgemeiner Ausdrucksweise [...] auch fr die Wahl des
Plurals gelegentlich magebend gewesen" war; so sieht er als Spezialfall des Pluralis indefinitus
einen Tabu-Plural: "anfnglich auch nur bei Personen angewandt zum Zwecke der
Dmonentuschung" (Havers 1946, 18). "Dieser Tabu-Plural trgt aber schon in sich den Keim
zu einem Motivwandel, insofern er als eine Ehrung fr den Angeredeten aufgefat werden
konnte. So tritt ein neuer Respektsplural oder Pluralis honorificus ins Leben, bei dem das
ursprngliche Motiv der Dmonentuschung keine Rolle mehr spielt, [...], wo auch dem
sogenannten Pluralis majestatis als Urform ein Tabu-Plural zuerkannt wird" (Havers 1946, 18).
Nach diesem phnomenalen Werk von Havers (1946) ist fr die erste Phase der
sprachwissenschaftlichen Beschftigung mit dem Worttabu eigentlich nur noch die
(finnischsprachige) Dissertation von Nirvi an der Universitt Helsinki im Jahr 1944 zu nennen,
der in einem deutschsprachigen Aufsatz (1947) "Die Erscheinung des Tabu als
wortgeschichtlicher Faktor" die Verbreitung und die Wirkungsweise von Worttabus in den
Sprachen der ostfinnischen Vlker in den Bereichen Weidwerk und Hauswirtschaft behandelt
hat. Nirvi listet nicht nur eine Vielzahl von Beispielen fr Worttabus auf, sondern versucht diese
durch eine Rekonstruktion der aberglubischen Vorstellungswelten der sogenannten "primitiven
Phasen der Sprachgemeinschaft" zu erklren; er thematisiert die Folgen von Worttabus auf das
12 Diese wichtige Arbeit wird von Havers (1946) in seinem Werk "Neuere Literatur zum Sprechtabu" nicht rezipiert.

Eigenleben der Sprache, d.h. er versucht, Worttabus als Faktoren zu bestimmen, die die
Entwicklung der Sprache beeinflussen und Sprachwandel motivieren.
2.3. Beitrge der modernen Linguistik
Die Beitrge der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft zum Sprachtabu beschftigten
sich nicht mit Fragen des aktuellen Sprachgebrauchs, wenngleich sie durchaus zahlreiche
Beispiele fr das Fortbestehen des Sprachtabus enthielten, die als Relikte aufgefat wurden.
Eine neue Phase der sprachwissenschaftlichen Beschftigung mit Tabus in der Sprache, die auf
den konkreten Sprachgebrauch zielt, begann aber bereits in den 30er Jahren des 20.
Jahrhunderts und erreichte mit dem auch heute noch viel beachteten Beitrag von Ullmann
(1962) einen Hhepunkt. In der strukturalistisch orientierten Sprachwissenschaft war es wohl
Leonard Bloomfield (1933, 155, 396-401), der sich in seiner Einfhrung in die
Sprachwissenschaft ("Language") als erster mit dem Konzept des Sprachtabus beschftigt hat.
Bloomfield beschreibt in einem Kapitel ber die Bedeutung von Wrtern u.a. auch die
Verwendung von Euphemismen im Zusammenhang mit Namens- und Worttabus. So fhrt er
Beispiele aus dem Englischen und Franzsischen fr Homonyme an, die aufgrund phonetischer
hnlichkeit mit Tabuwrtern vermieden werden. Weiterhin vergleicht er Namenstabus, die oft
zum Verschwinden der tabuisierten Bezeichnungen fhren, mit Tabuwrtern, die das
Anstandsempfinden stren, die jedoch weiterhin existieren. In diesem Zusammenhang geht
Bloomfield auch auf den Tabu-Euphemismus-Zyklus ein.
Louis Hjelmslev (1968; Original 1963) weist in "Die Sprache. Eine Einfhrung" in einem
Kapitel ber Zeichenbildung unter dem Punkt "Tabuismus" darauf hin, da Tabus auch "in
unseren eigenen Sprachen eine recht bedeutende Rolle" spielen und nennt u.a. folgende
Ersatzmittel: "Nachdem man nun gezwungen ist, solche Dinge zu umschreiben, kann das
entweder durch Andeutungen und Umschreibungen geschehen, oder man mu einfach die
Wrter, die sie bezeichnen verndern. Bekanntlich geschieht es oft dadurch, da man ein
Fremdwort bentzt: es ist nicht die Sache selbst, sondern das Zeichen, das unter Tabu steht,
und wenn man ein fremdes Zeichen bentzt, fllt der garstige Beigeschmack weg. Oder man
whlt willkrlich ein anderes Zeichen, das eigentlich etwas ganz anderes bedeutet, aber in seiner
ueren Form hinlnglich an das unter Tabu stehende Wort erinnert, so da die Andeutung
verstanden wird" (Hjelmslev 1968, 81). Hjelmslev (1968, 82) nennt des weiteren als mgliche
Ersatzmittel die willkrliche Umformung des Wortes, etwa durch Bildung einer Abkrzung
oder eine Umstellung: "Man setzt einfach einige andere Elemente anstelle derjenigen, die
gewisse Pltze im Wort einnehmen."
Ullmann (1962) beschreibt in "Semantics. An Introduction to the Science of Meaning" in einem
Kapitel zu "Change of Meaning" verschiedene Ursachen semantischen Bedeutungswandels. Er
erweitert die von Meillet identifizierten (linguistischen, historischen und sozialen) Ursachen um
die Kategorie der psychologischen Ursachen, die er in gefhlsmige Faktoren (emotive
factors) und Tabus unterteilt. Bei den Tabus unterscheidet Ullmann zwischen Tabus aus Furcht
(taboo of fear), Tabus aus Feingefhl bzw. Takt (taboo of delicacy) und Tabus aus Anstand
(taboo of propriety). Innerhalb dieser Kategorien beschreibt er sowohl die Entstehung von
Euphemismen als auch Beispiele fr den Tabu-Euphemismus-Zyklus. Das Sprachtabu sieht
Ullmann (1962, 206) ausdrcklich als universale Erscheinung, die nicht nur die
Sprachgeschichte sondern auch den aktuellen Sprachgebrauch betrifft: "It is a general human
tendency to avoid direct reference to unpleasant subjects."
Die jngste Phase der Beschftigung mit dem Sprachtabu wird durch die Arbeit von
Luchtenberg (1985) "Euphemismen im heutigen Deutsch. Mit einem Beitrag zu Deutsch als
Fremdsprache" eingeleitet. Luchtenberg (1985, 35) entwickelt einen pragmatisch-semantischen
Ansatz und zeigt, "da Euphemismen unabhngig vom thematischen Bereich sowohl
verhllende wie verschleiernde Funktionen wahrnehmen knnen. Ihre Aufteilung in langueund parole-Euphemismen deutet bereits das Problem ihres Auffindens sowohl in
Umgangssprache, Wrterbchern, wie auch Texten an." Tabu und Euphemismus sind so
Luchtenberg (1985, 13) schwer zu definieren, "da sie gesellschaftlich bedingt sind in ihrer
Entstehung und Bedeutung." Unter Tabu versteht Luchtenberg (1985, 24) Gegenstnde,
Vorgnge oder Gedanken, die in einer bestimmten Gesellschaft "aus verschiedenen Grnden

mit Denk-, Anfa- oder Nennverbot" belegt sind. Euphemismen werden von Luchtenberg
(1985, 24) in verhllende und verschleiernde Euphemismen unterteilt, wobei erstere der
"Kommunikation ber tabuisierte Begriffe etc. bzw. der Rcksicht auf Gefhle und
Wertvorstellungen" dienen und letztere die Aufgabe haben, "bestimmte Sachverhalte dem Hrer
in einer vom Sprecher ausgewhlten Weise darzustellen, wodurch u.a. eine fr den Sprecher
gnstige Auswahl getroffen wird." Luchtenberg (1985, 18) sieht auch im Null-Euphemismus
noch ein sprachliches Mittel, "nmlich dann, wenn die Verschleierung im Auslassen (statt
Ersetzen) bestimmter Worte oder Ausdrcke besteht oder Pnktchen an der Stelle von Wrtern
treten."
Durch die umfangreichen Beitrge von Luchtenberg (1985) und Balle (1990) wurde die
Bedeutung des Sprachtabus im heutigen Sprachgebrauch eindrucksvoll demonstriert sowie die
Relevanz der Problematik fr interlinguale und interkulturelle Kontaktsituationen aufgezeigt.13
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die Arbeiten von Pieper (1988 und 1991), die
sich mit sprachlichen Formen sogenannter Umgehungsstrategien bei tabuisierten Themen
beschftigt hat und Euphemismen als 'Immunisierungsstrategien' versteht, die auf allen
sprachlichen Ebenen nachgewiesen werden knnen: der syntagmatischen, lexematischen,
morphematischen und phonematischen. Anhand von Beispielen aus verschiedenen Sprachen
zeigt Pieper auf, da sich bestimmte Ersatzstrategien innerhalb verwandter Sprachen
wiederfinden.
Zur weiteren begrifflichen Klrung des Sprachtabus und Nutzung dieses Konzepts fr die
Beschreibung des modernen Sprachgebrauchs hat die Diskussion in der Zeitschrift Sprache und
Literatur in Wissenschaft und Unterricht im Jahre 1987 beigetragen, an der u.a. Keller, Kuhn
und Musolff mit wichtigen Artikeln teilgenommen haben. Von Bedeutung in diesem
Zusammenhang ist auch der Beitrag von Hartmann (1990) "Sprache und Tabu heute", der
vorschlgt, grundstzlich zwischen Sach- und Sprachtabus zu unterscheiden und fr die
fortgesetzte Anwendung des Begriffs pldiert. In hnlicher Weise uert sich auch Balle (1990,
183), die verbale Tabus als "die sprachliche Kehrseite der (Tabu-)Medaille" sieht.14 Hartmann
(1990) meint, da sich moderne Gesellschaften nur scheinbar in einem zunehmend aufgeklrten
Klima befinden; vielmehr scheint die Gesellschaft im ffentlichen Diskurs Aufgeklrtheit fr
sich zu reklamieren, gleichzeitig aber durch rhetorische Strategien Ungenehmes und
Tabuisiertes zuzudecken: "Der Gebrauch von Euphemismen, Eigennamen, Metaphern und
anderen Umschreibungsweisen fr Krperteile und krperliche Funktionen sowie auch fr die
seelische Last, denen man sich beim Sterben und Begrbnis von Nahestehenden ausgesetzt
sieht, sprechen fr die andauernde Existenz von tabuisierten Bereichen" (Hartmann 1990, 148149).
Ein weiterer Strang der Beschftigung mit dem Sprachtabu im Rahmen der modernen Linguistik
kann in den 80er und 90er Jahren im Umfeld der Diskurs- und Gesprchsanalyse ausgemacht
werden, wobei eine Arbeit von Gerd Schank ber Gesprchsverhalten bei tabuisierten Themen
einen wichtigen Ansto gegeben hat. Schank (1981, 36f.) geht von dem Phnomen des
'verdeckten' Sprechens aus, das sich u.a. in der "hufigeren Verwendung von Metaphern,
Proformen, Euphemismen, Archaismen etc." darstellt und durch einen bestimmten Direktheitsund Explizitheitsgrad charakterisiert werden kann. Pelikan (1986/87, 77), die sich ebenfalls mit
der sprachlichen Bewltigung von Tabus auf der Ebene des Diskurses beschftigt, weist darauf
hin, da Tabudiskurse in politischen Fernsehdiskussionen durch Unsicherheit, Angst,
Aggression, Schuldgefhl und Verdrngung gekennzeichnet sind, die sich wiederum
linguistisch auf verschiedenen Ebenen manifestieren. Der Tabubruch wird so Pelikan
linguistisch sichtbar "in der Wahl der Termini clichehaft, euphemistisch, provokant, in paralinguistischen Anzeichen von Unsicherheit und Emotionalitt, im verwendeten Modus und in
bestimmten allgemeineren Sprecherstrategien auf textueller Ebene. [...] Die Tabuisierung des
Themas drckt sich auch unmittelbar am Text aus. Wird das Thema im Text konkret erwhnt,
so unterscheidet sich diese Stelle vom Rest des Textes: In der strkeren Betonung und
Lautstrke, oder in grerer Unsicherheit Pausen und Stottern. Bei der Benennung des
13 Siehe dazu Luchtenberg (1997).
14 Balle (1990, 15) folgert daraus: "Um Worttabus zu beschreiben und mgliche Grnde dafr aufzuzeigen, mu also meist auf das
ursprnglich dahinterstehende, nonverbale Tabu zurckgegriffen werden, wie auch auf die zugrundeliegenden sozialen, religisen,
kulturellen und psychologischen Gegebenheiten."

Themas handelt es sich entweder um Cliches und Euphemismen oder um provokant-direkte


Ausdrcke. Der Versuch, das Thema nicht direkt anzusprechen, fhrt auch zur Flucht in
besonders abstrakte, verallgemeinernde Begriffe, wobei die Referenz oft unklar wird (s. Opfer,
Leute)." (S. 77). Gnther (1992, 48-49) beschftigt sich in ihrer Arbeit "Sprachliche Strategien
bei Phone-in-Sendungen am Radio zu tabuisierten Themen" in kritischer Auseinandersetzung
mit den bei Schank genannten Kategorien mit Sprachmitteln, die "das 'Verschleiern' einer
Aussage ermglichen." Sie unterscheidet zwei Arten von Situationen, die fr die Wahl der
sprachlichen Mittel in Tabudiskursen eine wichtige Rolle spielen: Die erste Situation betrifft eine
Person, "die ber ein angeschnittenes Thema nicht sprechen mchte, aber muss." Hier dient die
Wahl der sprachlichen Mittel "dem Sprechenden dazu, sich selbst zu schtzen." Die andere
Situation betrifft einen Sprecher der "etwas ussern will, wobei ihr/ihm aber moralische,
konventionelle oder gesellschaftliche Grenzen auferlegt sind." Des weiteren unterscheidet
Gnther den 'Direktheitsgrad' und den 'Explizitheitsgrad' der Rede, wobei der Direktheitsgrad
sich auf die Sprechhandlung (Aspekt der Sprecherselbstdarstellung), der Explizitheitsgrad auf
den propositionalen Akt (Darstellung des propositionalen Aktes) bezieht. Der Direktheitsgrad
kann von der klaren Distanzierung bis zur vollen Identifizierung des Sprechers in Bezug auf den
Sachgehalt reichen, und der Explizitheitsgrad kann von der leichten Andeutung bis zur
ausschweifenden Ausfhrlichkeit gehen. Als wichtige (sprachliche) Ersatzmittel sieht Gnther
die Verwendung von Metaphern, von Euphemismen und Fachvokabular, die Agensbetonung
und -aussparung, die Redewiedergabe und Rollenspezifikation, die Wortvermeidung und
Vagheit, zustzliche Angaben zur Einschrnkung von Aussagen und die Verwendung von
Proformen (Gnther 1992, 52ff. und 218ff.).
Die jngste umfangreichere Arbeit zum Komplex Sprachtabu und Euphemismen wurde von
Zllner (1997) mit der Dissertation "Der Euphemismus im alltglichen und politischen
Sprachgebrauch des Englischen" vorgelegt. Zllner sieht Euphemismen als Beschnigungsund Hllwrter, die sich im Rahmen der Hflichkeitskonventionen bewegen und
Gesichtsverlusten vorbeugen. Zllner fgt als Erweiterung der Kategorisierung von Ullmann
(siehe oben) im Zusammenhang mit der US-amerikanischen "Politically Correct-Bewegung" die
sogenannten 'Tabus aus sozialem Takt' hinzu, die ideologisch motiviert sind und so Zllner
(1997, 52) in Gesellschaftsformen auftreten, "die Anspruch auf einen hohen Zivilisationsgrad
erheben, der Idee des Fortschritts verschrieben sind und [...] das Prinzip der Gleichheit aller
Menschen anerkennen." Ausdruck fr diese Erweiterung des Begriffs des Sprachtabus ist in
Deutschland die Aktion Unwort des Jahres, die sich seit Anfang der 90er Jahre in Anlehnung an
die US-amerikanische Aktion Doublespeak Award kritisch mit dem Sprachgebrauch in Politik,
Wirtschaft und ffentlichkeit beschftigt. Der Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser
(2000) hat dazu bereits ein "Lexikon der Unwrter" verffentlicht, das neben einer fundierten
Einleitung eine ausfhrliche Zusammenstellung von 'Unwrtern' aus unterschiedlichen
Bereichen enthlt.
3. Schorchs "Euphemismen in der hebrischen Bibel"
3.1.

Themenstellung, Aufbau und Ziel der Arbeit

Schorch knpft an einen Teil der sprachwissenschaftlichen Arbeiten zum Sprachtabu an und
entwickelt auf dieser Grundlage einen fr seine spezifischen Zwecke integrativen Ansatz. Er
beabsichtigt eine systematische Darstellung der Euphemismen im Text der Hebrischen Bibel,
wobei die Basis seiner Untersuchung der hebrische Text ist, und zwar "in der Gestalt, in der er
im Judentum zum textus receptus wurde" (S. 1). Fragen nach der berlieferung und Aspekte
der bersetzung der Texte werden bewut ausgeklammert, so da "aus hermeneutischen
Grnden die Untersuchung 'Persuasiver Euphemismen' weitestgehend unterbleiben mu und
die Arbeit auf 'Tabu-Euphemismen' beschrnkt bleibt" (S. 1f.).15 Als Ausgangspunkt seiner
Untersuchungen nennt der Autor den Wunsch nach einem besseren Verstndnis der Texte sowie
"weitere Einblicke in die Welt dieser Texte [...] unter sprach-, religions- und
sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten ebenso wie im Hinblick auf literatur- und textkritische
Fragen" (S. 1). Sein Ziel besteht darin, die Tabu-Euphemismen im hebrischen Bibeltext
15 Der Begriff 'Tabu-Euphemismus' wird unter Punkt 3.2. unserer Besprechung expliziert.

mglichst vollstndig zu erfassen und zu beschreiben. Dies erfolgt vor allem im V. Kapitel der
Arbeit, das aus einem umfangreichen "Lexikon der in der Hebrischen Bibel als Euphemismen
verwendeten Wrter" besteht. Im VI. Kapitel folgt die Beschreibung des alttestamentlichen
Euphemismengebrauchs in synchroner Perspektive, d.h. die Zuordnung des Materials zu
semantischen Bereichen des Gebrauchs von Euphemismen und zu linguistischen Strategien der
Bildung von Euphemismen. Diese beiden Kapitel bilden den eigentlichen Kern der Arbeit von
Schorch, werden aber ergnzt durch exemplarische und diachron ausgerichtete Untersuchungen
zum Ursprung euphemistischer Ausdrcke im hebrischen Bibeltext (Kapitel IV) und zur
Geschichte alttestamentlicher Euphemismen (Kapitel VII). Aus sprachwissenschaftlicher Sicht
ist das VI. Kapitel von besonderem Interesse, das im Zusammenhang mit dem II.
("Methodische Grundlegung") und III. Kapitel ("berblick ber Auslegungs- und
Forschungsgeschichte") einen wichtigen Beitrag zur Beschftigung mit dem Phnomen des
Sprachtabus leistet.
3.2.

Sprachtabu und Euphemismus

Im II. Kapitel ("Methodische Grundlegung") setzt sich Schorch mit der Literatur zum
Sprachtabu auseinander, wobei er die Begriffe Sprachtabu und Euphemismus voneinander
abgrenzt, Motive zur Bildung von Euphemismen diskutiert und sich ausfhrlich mit der
Problematik sprachlicher Ersatzstrategien fr das Vermiedene beschftigt. Schorch unterscheidet
in der vorliegenden Literatur drei Positionen zur Abgrenzung von Sprachtabu und
Euphemismus: a) Sprachtabu und Euphemismus als Synonyme, b) Euphemismus und
Sprachtabu nicht als Synonyme, aber auf einer Ebene bzw. als Parallelphnomene, "wobei das
Sprachtabu auf die magisch-religise Sphre bezogen und der Euphemismus dem profanen
Bereich zugeordnet wird, oder aber das Sprachtabu wird dem Euphemismus als auf die
magisch-religise Sphre beschrnkter Teilbereich desselben eingegliedert" (S. 5); und
schlielich c) Sprachtabu als die "Tabuisierung eines Wortes oder einer lexikalischen Einheit der
Sprache (langue), welche zu deren Vermeidung im Sprechen (parole) fhrt", wobei eine
Mglichkeit der Vermeidung eben der Euphemismus ist (S. 6).
Schorch sieht den Vorzug der letzteren Position darin, da sie die Mglichkeit gibt, "zwischen
der Funktion einer konkreten sprachlichen Realisierung als Euphemismus und der Motivation,
die zur Wahl eines euphemistischen Substituts fhrt, terminologisch klar zu unterscheiden." Im
Fortgang seiner Arbeit beschrnkt er daher die Bezeichnung Sprachtabu auf das Motiv zur
Verwendung von Euphemismen, rumt aber ein, da es "ein breiteres Spektrum mglicher
Motivationen zur Bildung von Euphemismen [gibt], als es der Begriff Tabu allein gewhrleisten
knnte" (S. 8). Zu unterscheiden ist so Schorch hinsichtlich des Motivs zwischen TabuEuphemismen (auf der Grundlage allgemeiner Konsensanschauungen bzw. Normen) und
persuasiven Euphemismen (auf der Grundlage konkreter Absichten einzelner Sprecher oder
Gruppen mit klarer Zweckbestimmung).
Mit dem Phnomen des Sprachtabus verbunden ist, da das Vermiedene durch einen
bestimmten Ersatz dennoch ausgedrckt werden kann (bzw. manchmal sogar mu), wobei das
Ersetzen "nicht unbedingt einem einzelnen Wort selbst oder einer lexikalisierten Verbindung,
sondern auch einer komplexeren sprachlichen Einheit (Phrase, Satz, Text) gelten kann" (S. 10).
Schorch behandelt den Euphemismus nicht wie in der antiken Rhetorik als Teil der Tropen,
sondern als "Figuren der Umschreibung, Verschleierung und Entschleierung" (S. 30). Darber
hinaus sieht er den Euphemismus a) als Phnomen der parole-Ebene zur Vermeidung
bestimmter sprachlicher Einheiten wie auch dazu, deren Sinn dennoch zum Ausdruck in der
Rede zu verhelfen" ( S. 19), b) als Ergebnis der "Furcht vor den Implikationen eines
Ausdruckes" (S. 20) und c) im Hinblick auf die semantische Funktion als
bedeutungsverbesserndes,
bedeutungsverschlechterndes
und
bedeutungswahrendes
Sprachmittel, so da zwischen meliorativen, pejorativen und neutralen Euphemismen
unterschieden wird. Zusammenfassend definiert er: "Insofern kann nun schlielich der
Euphemismus als solche Rede-Einheit bestimmt werden, die an die Stelle der Realisierung einer
Sprach-Einheit in der Rede tritt, indem sie diese selbst substituiert, ihren Sinn jedoch zum
Ausdruck bringt. Motive einer solchen Substitution, die meist mit einer semantischen
Modifikation einher geht, sind soziale Normen (Tabus) und eigene Kommunikationsziele" (S.
20).

Im letzten Punkt des II. Kapitels beschftigt sich Schorch noch mit einer "Hermeneutik des
Euphemismus". Da fr den Euphemismus hermeneutisch gesehen das Motiv fr seinen
Gebrauch distinktiv ist, versucht er nachvollziehbare Kriterien fr die Entscheidung zu
entwickeln, ob ein Beleg in seiner Untersuchung als Euphemismus zu bestimmen ist oder nicht.
Dabei nennt er u.a.: a) "Es ist unwahrscheinlich, da sich die Abneigung, ein bestimmtes Wort
unverhllt zu verwenden, nur an einem einzelnen Beleg zeigt. In den meisten Fllen kann sie
vielmehr aus dem Nachweis einer ganzen Reihe synonymer Wrter, die ein und dasselbe
bezeichnen, rekonstruiert werden"; b) "Hufig erstreckt sich eine solche Abneigung nicht nur
auf ein einziges Wort, sondern auf einen semantischen Bereich. Es ist daher sinnvoll, ein
mutmalich euphemistisch appliziertes Lexem nicht nur im Zusammenhang seines Wortfeldes,
sondern auch vor dem Hintergrund grerer semantischer Bereiche zu sehen"; c) "Erschwerend
wird nun aber, da verschiedenen Texten ein unterschiedlicher Sprachgebrauch zugrunde liegen
kann. Die avisierte Bercksichtigung von Wortfeld und semantischem Bereich mu sich daher
u.U. auf die Untersuchung einzelner Texte beschrnken"; d) "Daneben ist auch die
Bercksichtigung des Kontextes von groer Bedeutung: Es ist mglich, das bestimmte Verbote
nur in bestimmten Lebensbereichen in Kraft sind"; e) "Bisweilen wird ein mutmalicher
semantischer bergang unwahrscheinlich erscheinen. In diesen Fllen sind Verweise auf solche
Belege aus anderen Sprachen von Bedeutung, die eine analoge Entwicklung bezeugen.
hnliches gilt fr semantische Bereiche, die heutigen Lesern vielleicht nicht
'verhllungswrdig' genug erscheinen, und linguistische Strategien, die uns befremden. Es ist
deutlich, da Belege aus benachbarten Kulturen hier von besonderer Relevanz sind." (S. 20-21)
Auf der Grundlage seiner hermeneutischen berlegungen gelingt Schorch eine berzeugende
Begrndung fr die Beschrnkung auf Tabu-Euphemismen in seiner Untersuchung: Eine
Darstellung persuasiver Euphemismen, die "viel strker auf die einzelnen Texte und ihre
konkreten Kommunikationsziele verwiesen", wre nmlich nur mglich, "wenn bereits eine
weitestgehende Einsicht in die Tabubereiche der entsprechenden Gesellschaft vorliegt." (S. 21)
3.3.

Ergebnisse der Arbeit von Schorch

Hauptertrag der Untersuchung von Schorch ist das umfangreiche "Lexikon der in der
Hebrischen Bibel als Euphemismus verwendeten Wrter" im VI. Kapitel. Hier hat der Autor
auf der Grundlage seiner methodologischen berlegungen (siehe oben) "euphemistisch
applizierte Lexeme in alphabetischer Reihenfolge zusammengestellt", wobei auf jeden Eintrag in
fnf bzw. sechs Rubriken nher eingegangen wird: Unter 1) wird die Art und Weise der
Realisierung des jeweiligen Euphemismus dargestellt, unter 2) werden Belegstellen mit
Bedeutungsangaben genannt, unter 3) morphologische bzw. etymologische Ableitung und
quivalente in verwandten Sprachen besprochen, unter 4) wird auf evtl. semantische
quivalente im biblischen Hebrisch verwiesen und unter 5) werden Verweise in verwandten
oder kulturell benachbarten Sprachen gegeben. Schlielich erfolgt bei Verben noch unter 6) der
"Verweis auf Ableitungen derselben Wurzel mit eigenem Eintrag" (S. 85).
Hier nur einige Beispiele aus dem interessanten Glossar: Das hebrische Verb fr "essen" kann
metaphorisch fr 'Geschlechtsverkehr haben' stehen und gehrt so Schorch zum 'erotischen
Sonderwortschatz'. Entsprechungen zu dieser Metapher liegen des weiteren in den Wrtern
"Mund" fr 'Scheide' und "Zisterne" fr 'Frau' vor (S. 88-89). Das hebrische Nomen fr
"Knie" lt sich ebenfalls metaphorisch zur Bezeichnung der (ueren) Geschlechtsorgane
verwenden, wobei als euphemistische Substitute auch die Nomen "Ferse", "Fu", "Finger" und
"Nabel" die Geschlechtsorgane bezeichnen knnen. Das hebrische Verb "pflgen" kann "im
Rahmen der vegetabilischen Landwirtschaftsmetaphorik [...] den erstmaligen Beischlaf mit
einer Frau bezeichnen", wobei die Metapher "pflgen" in gleicher Bedeutung auch im
Sumerischen und im Griechischen belegt ist (S. 121-122). Das hebrische Nomen fr "Hand"
kann als Euphemismus fr das mnnliche Glied auftreten, "wobei die verhllende Wirkung von
der bertragung des Namens eines nicht von Tabus betroffenen Krperteils auf ein solches, das
von einem Tabu betroffen ist, ausgeht" (S. 127).16 Interessanterweise werden auch mehrere
16 "Da fr die Bezeichnung des mnnlichen Gliedes mit einem Sprachtabu zu rechnen ist, ergibt sich aus der vlligen Verdrngung des
ursprnglichen Lexems fr 'Penis' zugunsten verschiedener Substitute, und zwar v.a. solcher, welche [...] eigentlich andere Krperteile
bezeichnen" (S. 127).

Stellen im Text der Hebrischen Bibel belegt, an denen das hebrische Verb fr "wissen,
erkennen" den sexuellen Verkehr bezeichnet.
Doch ist es nicht nur der Bereich der Sexualitt, der in der Hebrischen Bibel von
euphemistischer Ausdrucksweise betroffen ist. Im VI. Kapitel erfat Schorch in synchroner
Perspektive 15 semantische Bereiche des Gebrauchs von Euphemismen in der Bibel: Tod
(Sterben, tot sein, Tod, Tten, Todestag, Grab, Totenreich, Leiche), Krankheit, krperliche
Defekte, von Gott ausgehende Bedrohungen, sexuelle Vergewaltigung, sexuelle Handlungen
(Menschen, Tiere), sexuelle Krperfunktionen (Menstruation, Samenergu, Sperma), in
Zusammenhang mit digestiven Krperfunktionen Stehendes (Defktieren, Abort, Urin, Kot,
Erbrochenes), Unreinheit, Schamteile des Krpers (Schamgegend, Schamhaar,
Geschlechtsteile), Gotteslsterung, Gottesname, Tempel und Tiernamen. Alle Bereiche werden
mit Beispielen aus dem Analysematerial ausfhrlich belegt.
Im zweiten Teil des VI. Kapitels beschftigt sich Schorch insbesondere in Anlehnung an
Havers (1946) und Lausbergs "Handbuch der literarischen Rhetorik" mit den linguistischen
Strategien der Euphemismenbildung in seinem Untersuchungsmaterial, wobei er folgende
Hauptgruppen unterscheidet: a) Strategien der Substituierung, b) Strategien der Eliminierung
und c) Strategien der Wortvernderung bzw. -bildung.
Zur Strategie der Substituierung gehren bei Schorch die Antiphrasis, Fremdwrter, Litotes,
Metapher, Metonymie, Periphrase, Pro-Formen und Synekdoche, die in weitere Untergruppen
aufgeteilt werden. Spielen Fremdwrter in modernen Sprachen eine besonders wichtige Rolle
zur Euphemismusbildung, so finden sich im Alten Israel nur wenige Belege. Von besonderer
Bedeutung ist allerdings die Antiphrasis, in deren Zusammenhang Schorch darauf hinweist, da
sie uns heute meist fremd ist, was "hufig zu Verstndnisschwierigkeiten bei der Lektre von
Texten anderer, v.a. antiker Kulturen" fhrt (S. 236). Die Litotes sieht Schorch in seinem
Korpus lediglich als ein Randphnomen, wenngleich einzelne Belege auch genannt werden
knnen ("nicht rein" fr "unrein" etc.). Von besonderer Bedeutung ist die Metapher, wozu
Schorch substantivische und verbale Metaphern abgrenzt. Allerdings sieht er in vielen Fllen
Abgrenzungsprobleme zur Metonymie und auch zur Snyekdoche: "Meist fehlen uns genaue
Anhaltspunkte dafr, wo die Grenze zwischen Fiktionalitts- und Realittsempfinden bei den
Verfassern der Texte und ihren zeitgenssischen Hrern verlief. Daher ist es oft nicht mglich,
aus den Texten selbst die Kriterien fr die Unterscheidung zwischen Bild- und Sachebene zu
erheben, was jedoch fr eine eindeutige Abgrenzung der genannten Figuren notwendig wre.
Das in solchen Grenzfllen angewandte Unterscheidungskriterium konnte darum nur das des
Betrachters von auen sein. Als metaphorisch wird demzufolge ein solcher Ausdruck erfat und
bezeichnet, der aus der heutigen Sicht des Verfassers in einer Beziehung des Vergleichs zu dem
substituierten Ausdruck steht (S. 239). Bei der Metonymie sieht Schorch das Problem zu
rekonstruieren, was berhaupt fr den antiken Sprecher die "Realitt" und was dessen "Bild"
war. "Unter den verschiedenen Arten der Metonymie sind die auf kausalen Zusammenhngen
beruhenden (s. unter e1. 'Ursache fr Folge' bzw. e2. 'Folge der Ursache') am hufigsten.
Daneben finden sich: das Eintreten einer Zeitraum-Angabe fr das Geschehen (e3) und eines
Ortes fr das am Ort Befindliche (e4), einer Funktion fr das Fungierende (e5), eine
symbolische Bezeichnung (e6) sowie eine Wunschformel (e7)" (S. 241).
Die Synekdoche gehrt zu den hufigsten Strategien der Euphemismenbildung: "Bisweilen kann
es, hnlich wie bei der Metonymie, berschneidungen mit der Metapher geben. Als hufigste
Formen der Synekdoche erscheinen die Beziehungen Teil-Ganzes sowie Spezies-Genus (je in
beide Richtungen)" (S. 244-245). Besonders hufig belegt Schorch in seinem Material "die
Substituierung eines Verbs durch ein anderes Verb, wobei das euphemistische Substitut seiner
eigentlichen Bedeutung nach eine Handlung bezeichnet, die als Partikularhandlung der
Handlung aufgefat werden kann, welche durch das vermiedene Verb bezeichnet wird. [...]
Bezeichnend fr diese Verhllungsstrategie ist insbesondere, da die semantische Aspezifik des
substituierenden Ausdrucks dazu fhren kann, da ein und derselbe Ausdruck verschiedene
okkasionelle euphemistische Bedeutungen erlangen kann" (S. 245).
Fr das Passiv belegt Schorch in einigen Fllen eine euphemistische Funktionalisierung, da die
Nennung des Subjektes vermieden werden kann, wodurch das Passiv (bzw. das sogenannte

passivum divinum) in die Nhe der Ellipse rckt: "Die Vermeidung des Subjekts wurde v.a. in
solchen Aussagen angestrebt, in denen Gott als Handlungstrger htte erscheinen mssen, doch
die Explikation gefrchtet wurde." (S. 249).
Im letzten Kapitel beschftigt sich Schorch noch in diachroner Perspektive mit dem
alttestamentlichen Euphemismengebrauch, worauf hier aber nicht eingegangen werden soll.
Zum Schlu fat Schorch seine Ergebnisse kurz zusammen: "Die Bereiche des
Euphemismengebrauchs lassen dabei Rckschlsse auf in der Gesellschaft des Alten Israel
bestehende Tabus zu; die Arten der Substitution erzhlen von der Art und Weise, in der die
hebrische Sprache von ihren Sprechern geformt werden konnte. Beide Perspektiven aber
zeigen nicht nur die Unterschiede, die zwischen damals und heute liegen: Sie weisen auch auf
das viele Gleiche und Vergleichbare hin." (S. 257)
4. Wrdigung der Arbeit von Schorch
Schorch hat in seiner umfangreichen Arbeit sowohl einen wichtigen Teil der lteren
sprachwissenschaftlichen als auch der modernen linguistischen Literatur zum Sprachtabu
reflektiert und in seinen integrativen Ansatz zur Beschreibung von Euphemismen in der
hebrischen Bibel eingearbeitet. Da dabei nicht die gesamte sprachwissenschaftliche Literatur
seit Meillet bercksichtigt werden konnte, ist nachvollziehbar. Es sei aber abschlieend doch auf
einige (oben bereits kurz vorgestellte) Arbeiten hingewiesen, die im Zusammenhang mit der
Aufgabenstellung des Autors hilfreich gewesen wren. Es handelt sich dabei um die
Monographie von Werner (1919) "Die Ursprnge der Metapher", die Arbeit von Singer (1928)
"Taboo in the Hebrew Scriptures" und den Aufsatz von Lublinski (1937) "Ursprung und
Entwicklung des Begriffes Tabu". Auerdem wre zur begrifflichen Klrung des Wortes Tabu
die Habilitationsschrift von Lehmann (1930) "Die polynesischen Tabusitten" nicht unwichtig
gewesen, wenngleich sich in dieser grundlegenden Arbeit das Konzept des Sprachtabus gar
nicht findet. Lehmann (1930, 68) war es, der in Anlehnung an Malinowsky darauf
hingewiesen hat, "da die Analyse eines Begriffs aus der bloen Linguistik in das Studium der
Kultur und Sozialpsychologie fhrt." Die Arbeit von Schorch kann in dieser Hinsicht als ein
gelungenes Beispiel fr eine multidisziplinre Analyse eines komplexen Phnomens gesehen
werden; sie hat eine wichtige Forschungslcke gefllt und tiefere Einblicke in die Welt der
untersuchten Texte gestattet. Die Ergebnisse zeigen, da sprachliche Umgehungsstrategien fr
tabuisierte Objekte, Sachverhalte und Themen auch in entfernten Kulturen belegt werden
knnen und sich bestimmte Ersatzstrategien innerhalb verwandter aber auch entfernterer
Sprachen wiederfinden.
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