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22.09.2023

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KGaA: Steuerfrei Vermögen übertragen aufgrund einer Gesetzeslücke bei der Schenkungsteuer?

Die sorgfältige Planung von Nachfolgen ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, da wir uns in einem Jahrzehnt der sog. „Erbengeneration“ befinden: Eine Generation wird zu Erblassern, die in den "Wirtschaftswunderjahren" ihr Vermögen aufbaute und somit erhebliche Vermögenswerte zur Übertragung anstehen. Bei der unentgeltlichen Weitergabe von Privatvermögen ist es unerlässlich, über die steuerlichen Konsequenzen nachzudenken, da das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) hier im Unterschied zu Betriebsvermögen nur sehr begrenzt Möglichkeiten für eine Befreiung vorsieht. Mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) lässt sich jedoch auf Basis der vom FG Hamburg skizzierten Gesetzeslücke dieses sonst nicht begünstigte Vermögen steuerfrei übertragen. Das FG Hamburg postulierte in seiner Entscheidung vom 11.07.2023 (3 K 188/21), dass eine disquotale Einlage eines Kommanditaktionärs in die ungebundene Kapitalrücklage einer KGaA für den nicht am Grundkapital beteiligten pHG schenkungsteuerlich unbeachtlich ist. Damit hat das FG einen schenkungsteuerlichen Gestaltungsspielraum bestätigt, der eine steuerfreie Wertverschiebung ermöglicht, ohne dass ein Tatbestand des § 7 ErbStG gegeben ist.

KGaA: Steuerfrei Vermögen übertragen aufgrund einer Gesetzeslücke bei der Schenkungsteuer?

RAin/StBin/FAinStR Dr. Catarina C. Herbst
ist Partnerin bei Mazars in Hamburg

StBin Christina Vosseler
ist Partnerin bei Mazars in Berlin

FG Hamburg vom 11.07.2023 – 3 K 188/21

I. Sachverhalt

Dem Urteil des FG Hamburg lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Vater und Sohn gründeten eine KGaA. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 50.000 €, eingeteilt in 50.000 auf den Namen lautende Stückaktien, welche der Vater vollständig übernahm, so dass er alleiniger Kommanditaktionär wurde. Der Sohn verpflichtete sich als phG der KGaA, eine nicht auf das Grundkapital zu leistende Vermögenseinlage in Höhe von 450.000 € in bar zu erbringen.

Später schloss der Vater mit der KGaA einen Einlagevertrag ab und verpflichtete sich als Kommanditaktionär, einen Betrag von 100 Mio. € in die Gesellschaft einzulegen. In der Handelsbilanz der Gesellschaft sollte der dem Wert der Einlage entsprechende Betrag in die ungebundene Kapitalrücklage der Gesellschaft eingestellt werden (sog. disquotale Einlage). Der Sohn profitiert als phG anteilig von der Einlage, da die Gesellschafter nach der Satzung der KGaA im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zum Gesamtkapital, das sich aus dem Grundkapital und der Vermögenseinlage zusammensetzt, am Gewinn und an den Rücklagen der KGaA beteiligt sind. Vorliegend betrug das Verhältnis 90% zu 10% zugunsten des Sohnes.

Das FA sah darin einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG und erließ einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid gegenüber dem Sohn. Anschließend wies es den gegen den Bescheid eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.

Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich. Das FG Hamburg sieht den Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG als nicht erfüllt an. Zudem stellte es fest, dass weder ein anderer Schenkungsteuertatbestand einschlägig sei, noch ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vorliege.

II. Argumentation des FG Hamburg

Die disquotale Einlage eines Kommanditaktionärs wird nicht von § 7 Abs. 8 ErbStG erfasst und stellt somit keine Schenkung an den nicht am Grundkapital beteiligten phG einer KGaA dar. Bei der KGaA handelt es sich zwar um eine juristische Person, jedoch hält der Komplementär keinen Anteil an einer Kapitalgesellschaft, dessen Wert i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG erhöht werden kann, denn der phG zeichnet weder Aktien, noch ist er am Grundkapital der KGaA beteiligt.

Dem ErbStG selbst lässt sich keine Definition des Begriffs des „Anteils an einer Kapitalgesellschaft“ entnehmen; Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wie der Anteil an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 8 ErbStG zu verstehen ist und ob hierunter auch die Beteiligung des phG einer KGaA zu fassen ist, ist bisher nicht ergangen.

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 13b ErbStG ergibt sich jedoch, dass der Komplementär keinen Anteil an einer Kapitalgesellschaft hält. Denn § 13b ErbStG differenziert ausdrücklich zwischen dem Anteil eines phG an einer KGaA (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und macht somit deutlich, dass das erbschaft- und schenkungsteuerliche Verschonungsregime in den Nummern 2 und 3 von unterschiedlichen Anforderungen ausgeht.

Das FG stützt seine Entscheidung auch auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz v. 18.08.2022 (4 K 2120/19, EFG 2023 S. 291, Revision beim BFH anhängig unter Az. II R 55/22), demzufolge eine Komplementärbeteiligung an einer KGaA keinen Anteil an einer Kapitalgesellschaft darstelle. Das FG Rheinland-Pfalz statuierte, dass der Begriff des „Anteils an einer Kapitalgesellschaft“ dahingehend auszulegen sei, dass die Vermittlung einer Beteiligung am Nennkapital, also am Grund- oder Stammkapital, Voraussetzung ist, so dass die Beteiligung des Komplementärs an der KGaA mangels Beteiligung am Grundkapital vom Wortlaut der Norm nicht erfasst wird.

Auch § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sieht das FG als nicht erfüllt an: Disquotale Einlagen in Personengesellschaften können Schenkungen zwischen den Gesellschaftern darstellen, wenn sich die Beteiligung eines Gesellschafters aufgrund der Einlage eines anderen Gesellschafters, für die dieser keine entsprechende Gegenleistung erhält, erhöht. Für die disquotale Einlage in eine Kapitalgesellschaft ist diese Rechtsfolge lt. der Rechtsprechung des BFH aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit des Vermögens der Kapitalgesellschaft nicht gegeben – diese Besteuerungslücke sollte gerade durch § 7 Abs. 8 ErbStG geschlossen werden, der hier die Wertverschiebung fiktiv einer Besteuerung mit Schenkungsteuer unterwirft.

Aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit der KGaA als juristische Person fehlt es bei der disquotalen Einlage des Kommanditaktionärs somit an einer Vermögensverschiebung zwischen dem Kommanditaktionär und dem phG i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn das Vermögen der KGaA unterliegt auch hinsichtlich des Komplementärs keiner gesamthänderischen Bindung, selbst wenn der phG im Einkommensteuerrecht wie ein Mitunternehmer behandelt wird (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Die Einlagen der Gesellschafter einer KGaA, sowohl der Kommanditaktionäre als auch der Komplementäre, gehen ins Vermögen der KGaA über. Zudem besteht keine dingliche Vermögensbeteiligung des phG am Vermögen der Gesellschaft, da diesem nur ein bedingt schuldrechtlicher Auseinandersetzungsanspruch zukommt, was aus dem Wesen der KGaA als Kapitalgesellschaft folgt. Diese ist als juristische Person grundsätzlich abgeschirmt gegen steuerrechtliche Durchgriffe auf ihre Gesellschafter.

Auch § 7 Abs. 6 ErbStG greift lt. FG Hamburg nicht ein, da hier übermäßige Gewinnausstattungen von Beteiligungen an Personengesellschaften der Schenkungsteuer unterworfen werden und bei der KGaA gerade keine Personengesellschaft vorliegt.

Ferner liegt keine Schenkung an die KGaA vor, da die Zuwendung gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und somit keine freigebige Zuwendung darstellen kann, wie es höchstrichterlicher Rechtsprechung entspricht.

Auch ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO liegt nicht vor. Vater und Sohn haben ihre wirtschaftlichen Erwägungen zu Verteilung von Haftung, Entscheidungsfindung und Kapitalaufbringung nachvollziehbar dargestellt. Weder die Entscheidung, eine Gesellschaft in der Rechtsform einer KGaA zu errichten, noch die Kapitalausstattung durch eine disquotale Einlage stellen unangemessene rechtliche Gestaltungen dar. Denn es ist dem Steuerpflichtigen unbenommen, seine Verhältnisse so zu gestalten, dass keine oder nur möglichst geringe Steuern anfallen. Dazu kann er sich seiner gesetzlich vorgesehenen Wahlfreiheit bedienen und solche Rechtsformen wählen, die vom Gesetz vorgesehen sind.

III. Kritik am KGaA-Modell

In der Vergangenheit gab es allerdings auch kritische Stimmen, die Bedenken gegen diesen Gestaltungsansatz äußerten (vgl. Wachter, DB 2019 S. 1167). Demnach sei die KGaA durchaus im ErbStG als Kapitalgesellschaft eingeordnet und werde somit von § 7 Abs. 8 ErbStG erfasst. Grund hierfür sei, dass sie im Steuerrecht generell als Kapitalgesellschaft angesehen wird. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, welcher den Begriff der Kapitalgesellschaft dahingehend definiert, dass dazu neben SE, AG und GmbH auch die KGaA gehört. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG qualifiziert die KGaA ebenfalls als Kapitalgesellschaft. Das könnte dafür sprechen, die KGaA im ErbStG als Kapitalgesellschaft anzusehen, denn auch im ErbStG wird in § 12 ErbStG auf das Bewertungsgesetz verwiesen. Auch wenn der Anteil des pHGim EStG dem Anteil eines Mitunternehmers gleichgestellt wird (z.B. in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG), wird die KGaA dadurch nicht zur Personengesellschaft. Sie ist und bleibt eine Kapitalgesellschaft, da die gesetzliche Fiktion nur den phG erfasst und nichts an der Rechtsnatur der Gesellschaft ändert. Darüber hinaus ist das ErbStG zivilrechtlich geprägt und im Gesellschaftsrecht ist aktuell völlig unstreitig, dass es sich bei der KGaA um eine Kapitalgesellschaft handelt, was sich u.a. aus der amtlichen Überschrift vor §§ 264 ff. HGB ergibt, da dort von „Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften“ gesprochen und die KGaA mit aufgezählt wird.

IV. Bedeutung für die Praxis

Das FG Hamburg macht in seiner Entscheidung überaus deutlich, dass die dargestellte Vermögensübertragung mittels KGaA aufgrund einer Gesetzeslücke möglich sei. Das FG führt in seiner Entscheidung aus, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG zwar die Intention verfolgte, die Besteuerungslücke in Fällen disquotaler Einlagen in Kapitalgesellschaften zu schließen, da diese vor Einführung der Norm mangels substanzieller Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem keinen Schenkungsteuertatbestand realisierten. Die Vermögensverschiebung von Kommanditaktionär und phG einer KGaA sei jedoch von der Vorschrift nicht erfasst, so dass nach wie vor eine Gesetzeslücke verbleibe. Das Gericht stellt klar, dass es nicht die Aufgabe der Finanzverwaltung oder der Finanzgerichte sei, diese verbliebene Gesetzeslücke zu schließen. Hier müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Ob die Auslegung des FG Hamburg zutreffend ist, hat nun der BFH zu entscheiden, da gegen das Urteil Revision eingelegt wurde (Az. des BFH: II R 23/23). Es bleibt also abzuwarten, wie – und vor allem wie schnell – Gesetzgeber und BFH reagieren. Davon hängt ab, wie lange eine Chance besteht, Vermögen mittels KGaA steuerfrei zu übertragen.

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