Österreichs Metaller streiken. Sie fordern ein Gehaltsplus von 11,6 Prozent. So viel wollen ihnen die Arbeitgeber auch nach sechs Runden KV-Verhandlungen nicht zusagen. Tatsächlich befindet sich die Industrie nämlich gleichzeitig in einer Wirtschaftskrise. Warum massive Lohnerhöhungen für Österreichs Wirtschaft zurzeit nur schwer zu stemmen sind, zeigt die Wiener Denkfabrik Agenda Austria auf.

Präsident der AK Kärnten Günter Goach, im Rahmen eines Streiks am Dienstag, 14. November 2023, nach Abbruch der 6. Verhandlungsrunde der Metalltechnischen Industrie (FMTI) in Arnoldstein.APA/GERT EGGENBERGER

Kein größerer Kuchen: Produktivität in Österreich stagniert

Das liegt zum einen an der Produktivität. Sie zeigt: So viel Wertschöpfung erreicht Österreich mit den bisher eingesetzten Mitteln. Die Arbeitnehmer wollen – was sehr verständlich ist – die hohe Inflation abgegolten bekommen. Sie sollen daher einen Teil des Kuchens der gestiegenen Produktivität für sich abgegolten bekommen. Das Problem: Die Stundenproduktivität ist in den vergangenen zehn Jahren nur um mickrige sechs Prozent gestiegen, wie eine Grafik der Agenda aufzeigt.

Mehr noch: Seit einigen Quartalen sinkt die Produktivität sogar wieder. In den vergangenen zehn Jahren ist die Produktivität je Beschäftigten in Summe überhaupt nicht gestiegen. Ein Grund dafür ist die boomende Teilzeit. Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz unterstreicht: Anstatt Verteilungskämpfe vom Zaun zu brechen, sollte unser Fokus stärker darauf liegen, wie die Produktivität zu steigern wäre, damit es mehr Wohlstand für alle gibt.

Steigen Lohnstückkosten – und die Inflation macht alles schlimmer

Ein weiteres Problem: Steigen die Löhne schneller als die Produktivität, dann erhöhen sich die Lohnstückkosten, also die Lohnkosten je produzierter Einheit. Das ist in Österreich der Fall, stärker als in anderen EU-Ländern, wie ein Vergleich der nominalen Lohnstück-Kosten zeigt: Seit 2015 liegt Österreich deutlich über dem Schnitt im Euro-Raum.

Hier macht der heimischen Wirtschaft zurzeit vor allem die hohe Inflation zu schaffen, die ebenso unsere Wettbewerbsfähigkeit schwächt. Wenn in zwei Ländern die Produktivität gleich hoch ist, das eine Land aber unter einer stärkeren Inflation leidet, verliert es auch an Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der anhaltend hohen Teuerungsrate rechnet auch die EU-Kommission damit, dass Österreich in den Jahren 2023 und 2024 starke Zuwächse bei den Lohstückkosten verzeichnen wird, noch höher als etwa in Italien.

Real verfügbare Haushaltseinkommen bleiben stabil

Die Regierung hat mit ihrer Gießkannenpolitik die Inflation zusätzlich angeheizt. Gleichzeitig sind aber die real verfügbaren Haushaltseinkommen 2022 stabil geblieben, wie das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) aufzeigt. Sie dürften es auch 2023 bleiben. Für 2024 wird sogar ein deutliches Plus erwartet.

Unter diesen Umständen können Arbeitgeber nur bedingt massiven Lohnerhöhungen nachkommen: Erstens sind die Haushaltseinkommen wie gesagt stabil, andererseits droht Österreich ein noch stärkerer Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, und das inmitten einer Wirtschaftskrise.

Die Chefverhandler auf Gewerkschaftsseite Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA)APA/HELMUT FOHRINGER

Sorge um Wettbewerbsfähigkeit wächst

Besorgt über die Streiks zeigte sich am Mittwoch auch Georg Kapsch, von 2012 bis 2020 Präsident der Industriellenvereinigung (IV): „Wir brauchen jetzt einen Schulterschluss und keinen Arbeitskampf“. Er habe wenig Verständnis für die Höhe der Lohnforderung der Gewerkschaft. Schließlich befinde sich die Industrie in einer echten Rezession und nicht nur in einem leichten Abschwung. „Wenn wir so weitermachen, bekommen wir ein Problem mit der Konkurrenzfähigkeit.“

Bisher wurde in 250 Betrieben gestreikt, auch morgen soll in rund 100 Firmen die Arbeit niedergelegt werden. Die Gewerkschaften PRO-GE und GPA verlangen ein Plus von 11,6 Prozent. Die Arbeitgeber haben zuletzt sozial gestaffelte Gehaltserhöhungen von durchschnittlich sechs Prozent sowie eine steuerbefreite Einmalzahlung von netto 1200 Euro vorgeschlagen.