Fachbuch «Die kindliche Entwicklung verstehen»

Kinder gleichen Alters sind sehr verschieden und jedes Kind trägt vielfältige Facetten in sich: Auf dieser These baut das neue Buch «Die kindliche Entwicklung verstehen» von Prof. Dr. Oskar Jenni auf. Es bietet einen Überblick über die kindliche Entwicklung von der Geburt bis in das Erwachsenenalter und vermittelt mit zahlreichen Fallbeispielen, der Einbindung von massgeblichen Studien sowie Illustrationen und Tabellen fundiertes Entwicklungswissen an Bezugs- und Fachpersonen.

Die Besonderheit dieses Buches liegt in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Kindheit; es möchte interessierte Fachpersonen aus Gesundheitsberufen, Pädagogik und Psychologie für die Variabilität der kindlichen Entwicklung sensibilisieren. Handlungsrelevante Bezüge zum beruflichen Alltag dieser Disziplinen stellen dabei insbesondere die Fallbeispiele aus der entwicklungspädiatrischen Praxis dar.

Die folgenden sieben Kapitel beschreiben den Verlauf der kindlichen Entwicklung und thematisieren die wichtigsten Entwicklungsstörungen auf empirischer Grundlage:

Kapitel 1: Gesetzmässigkeiten der kindlichen Entwicklung – Variabilität als zentraler Faktor

Bei den Gesetzmässigkeiten der kindlichen Entwicklung stehen drei Aspekte im Fokus: die Variabilität zwischen Kindern, die Stabilität der Entwicklung über die Zeit sowie das Zusammenspiel zwischen Anlage und Umwelt. Mit wissenschaftlichen Darstellungen und praktischen Erklärungen wird die enorm grosse Variabilität zwischen Kindern gleichen Alters beschrieben und begründet. Die Unterschiede in verschiedenen Entwicklungsbereichen innerhalb eines einzelnen Kindes werden anhand des Entwicklungsprofiles illustriert. In diesem ersten Kapitel finden sich darüber hinaus Definitionen zu Begriffen wie Entwicklungsphasen und -stufen, Entwicklungsalter, biologisches Alter, relatives Alter, Reifung, Entwicklungstempo und Lernen. Zudem werden die Grundlagen zur genetischen Anlage und den Umweltbedingungen vermittelt und dabei deren Wechselwirkungen erklärt.

Kapitel 2: Bereiche der Entwicklung – die Facetten des Kindes

Motorik, Wahrnehmung, Sprache, Intelligenz und sozioemotionale Verhaltensweisen – in all diesen unterschiedlichen Entwicklungsbereichen zeigen sich die individuellen Facetten und Eigenheiten eines Kindes. Die einzelnen Bereiche befinden sich dabei in einer dauernden Wechselwirkung zueinander, denn Kinder und Jugendliche entwickeln sich ganzheitlich. Im Mittelpunkt dieses zweiten Kapitels stehen – neben der detaillierten Beschreibung der oben genannten Entwicklungsbereiche – die grundlegenden Aspekte der Entwicklung sowie die Mechanismen des Wachstums, des Schlafverhaltens und der Hirnentwicklung. Ausserdem werden die wichtigsten Entwicklungstheorien erklärt, Geschlechtsunterschiede in den Entwicklungsdomänen dargestellt sowie die kritischen und sensiblen Phasen der Entwicklung beschrieben.

Kapitel 3: Das Säuglingsalter – Kontaktaufnahme mit der Welt

Das erste Lebensjahr gehört zu den wohl dynamischsten Entwicklungsphasen: Nach der Geburt muss sich das Kind rasch an die neuen Lebensbedingungen anpassen. Dieses Kapitel über das Säuglingsalter beschreibt unter anderem, wie Atmung und Kreislauf die Umstellung bewältigen und Verdauung, Stoffwechsel sowie Ausscheidung langsam in Gang kommen. Thematisiert wird auch, wie der Säugling in den ersten Lebenswochen seinen Schlaf-Wach-Rhythmus dem Tag-Nacht-Wechsel angleicht und sich darüber hinaus an die Schwerkraft und an den Raum anpasst. Für diese komplexen Entwicklungsaufgaben im Bereich des körperlichen Wachstums, der Motorik, der Wahrnehmung sowie des Schlaf- und Ernährungsverhaltens benötigen Neugeborene bzw. Säuglinge die Unterstützung der engsten Bezugspersonen, die ihnen den Einstieg in die Welt ermöglichen.

Kapitel 4: Frühe Kindheit – Kind sein dürfen

In keiner anderen Entwicklungsphase erweitert das Kind seine Fähigkeiten mehr als im Alter zwischen ein und vier Jahren: Es entwickelt ein Verständnis für räumliche, zeitliche und kausale Zusammenhänge, lernt die Sprache und wie es mit anderen Menschen wirksam kommunizieren kann. Ausserdem entwickelt es die Fähigkeit, die Wünsche und Vorstellungen von anderen Menschen zu verstehen («Theory of Mind») und erweitert seinen Bewegungsradius. Dieses Kapitel über die frühe Kindheit beschreibt einerseits die zunehmende Selbstständigkeit und andererseits die nach wie vor grosse emotionale Bindung zwischen Kindern und ihren jeweiligen Bezugspersonen.
Im Mittelpunkt des Kapitels steht zudem die grosse Variabilität zwischen Kindern, die vor allem bei Eltern oft zu Verunsicherungen führt: Denn besonders in der frühen Kindheit zeigt sich, wie unterschiedlich rasch die Entwicklung verlaufen kann. Jedes Kind hat sein eigenes Entwicklungstempo!

Kapitel 5: Mittleres Kindesalter – ein bedeutsamer Übergang

Die mittlere Kindheit beginnt mit Eintritt in das Bildungssystem ab dem Alter von etwa vier Jahren und endet mit Beginn der Pubertät mit durchschnittlich zwölf Jahren. Im Vergleich zu den eindrücklichen Veränderungen der frühen Kindheit und der Adoleszenz scheint diese dazwischenliegende Entwicklungsphase des Kindes wenig aufregend zu sein. In Wirklichkeit, so zeigt dieses fünfte Kapitel eindrücklich, ist sie jedoch alles andere als statisch: Sie gilt vielmehr als bedeutsamer Übergang, der von markanten Veränderungsprozessen geprägt ist – insbesondere in den kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Dieses Kapitel über das mittlere Kindesalter thematisiert zudem die Entwicklung der motorischen und schulischen Fertigkeiten wie Schreiben, Lesen sowie Rechnen und stellt schliesslich das Fit-Konzept mit einer Reihe von praktischen Fallbeispielen vor.

Kapitel 6: Adoleszenz – Schritt für Schritt ins Erwachsenenleben

Die Adoleszenz ist durch umfangreiche biologische, psychologische und soziale Veränderungen charakterisiert, die in diesem Kapitel ausführlich beschrieben werden. Kennzeichnend für dieses Entwicklungsalter ist vor allem die Umgestaltung des Gehirns: Diese geht einher mit einem fundamentalen Wandel im Denken, Fühlen und Verhalten der Jugendlichen und ermöglicht ihnen letztlich, sich von ihren Eltern abzulösen und ein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben zu führen. Auch beschäftigen sich Adoleszente zunehmend mit ihrem zukünftigen Leben, vor allem mit ihren schulischen und beruflichen Perspektiven. Sie suchen dabei ihre eigene Identität und entwickeln moralische Werte sowie ein Normensystem. Die in diesem sechsten Kapitel vermittelte Wissensgrundlage über die verschiedenen Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen kann dabei helfen, das Verhalten von Adoleszenten besser einzuordnen und zu verstehen.

Kapitel 7: Störungen der Entwicklung – mit Unsicherheiten leben

Das abschliessende Kapitel thematisiert und definiert zum einen wichtige Begriffe wie Entwicklungsauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und Entwicklungsstörungen. Zum anderen beleuchtet es Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten rund um das Thema «Entwicklungsauffälligkeiten» und bietet vertiefte Einblicke in das Spektrum von Entwicklungsstörungen sowie auch in die Bereiche Entwicklungsscreening, Entwicklungsdiagnostik, Ursachensuche und Konzepte zur Entwicklungsförderung.
Ein weiterer Themenfokus liegt auf den Schutz- und Risikofaktoren der kindlichen Entwicklung. Darüber hinaus werden die allgemeine (kognitive) Entwicklungsstörung, die Entwicklungsstörung der Motorik, die Sprachentwicklungsstörung, die ADHS sowie die Autismus-Spektrum-Störung im Detail beschrieben.

Eine detaillierte Übersicht über die Inhalte der einzelnen Kapitel sowie ausgewählte Rezensionen über das Buch finden Sie in diesem Flyer.

Flyer Die kindliche Entwicklung verstehen

Dr. phil. Dominik Gyseler  von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik hat Oskar Jenni zu seinem Fachbuch befragt. Sehen Sie hier das Interview aus der Reportage «Kindliche Entwicklung unter der Lupe»!

Sie haben Fragen oder benötigen als JournalistIn für eine Rezension ein kostenloses Exemplar? Dann schreiben Sie eine Mail an Stefanie Wolff-Heinze unter: akademie@fuerdaskind.ch

 

 

«Ich bin überzeugt, dass sich Kinder und Jugendliche nur durch eine Passung mit dem Umfeld bestmöglich entfalten können. Wie kann diese Passung gelingen? Wie können wir Kinder und Jugendliche auch in schwierigen Phasen der Entwicklung verstehen und ihnen angemessen begegnen? Die Motivation für dieses Buch entstand aus meiner Beobachtung und Überzeugung heraus, dass Bezugs- und Fachpersonen auf ein fundiertes Entwicklungswissen zurückgreifen sollten, um Kinder und Jugendliche ‹lesen› zu können.»

 

Prof. Dr. med. Oskar Jenni

 

Ausserordentlicher Professor für Entwicklungspädiatrie an der Universität Zürich

Co-Leiter der Abteilung Entwicklungspädiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich

Leiter der Akademie. Für das Kind. Giedion Risch