Szondi Lehrbuch der experimentellen Triebdiagnostik

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DAS ZWEITE BUCH

DER

SCHICKSALSANALYSE

L. SZONDI

LEHRBUCH DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK TIE FEN PSYCHOLOGISCHE DIAGNOSTIK IM

DIENSTE DER

PSYCHOPATHOLOGIE, PSYCHOSOMATIK,

FORENSISCHEN

PSYCHIATRIE, KRIMINOLOGIE,

PSYCHO PHARMAKOLOGIE, ERZIEHUNG S-, BERUFS- UND EHEBERATUNG, CHARAKTEROLOGIE UND ETHNOLOGIE

BAND I: TEXT-BAND

INSGESAMT DREI IN SICH ABGESCHLOSSENE BÄNDE

BAND I: TEXT-BAND BAND II: TEST-BAND BAND III: LINNÄUS-BAND



L. SZONDI

LEHRBUCH DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK TEXT-BAND

DRITTE, ERWEITERTE

AUFLAGE

VERLAG HANS HUBER BERN STUTTGART WIEN


I S B N 3-456-30513-3

1972 © ' Alle Rechte vorbehalten COPYRIGHT BY VERLAG In der Schweiz gedruckt

IIANS HUBER, BERN, 1900

Printed in Switzerland

Druck : AG Berner Tagblatt

Imprimé en Suisse


Meiner Frau in Dankbarkeit gewidmet



^ ^ 3. Triebtendenzen, Triebstrebungen 4. Triebbedürfnisse, Triebfaktoren 5. Triebe, Triebvektoren

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Kapitel II. Die Trieblebre tier Schicksahanalyse 1. Ursprung der Triebe: die Gentheorie 2. Die Triebkriterien der Schicksalsanalyse 3. Das Triebsystem der Schicksalsanalyse Tab. 1 Das Triebsystem der experimentellen Triebdiagnostik 4. Tab. 2a, b, c. d. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren

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ABSCHNITT II: ALLGEMEINE METHODIK DES TESTENS

Kapitel III. Das Wesen der Methode I. Der Testapparat II. Der Grundversuch der experimentellen Triebdiagnostik Instruktionen Nr. I Instruktionen Nr. II III. Herstellung des Triebprofiis IV. Aufteilung der faktoriellen Wahlreaktionen nach Quantität und Tendenz A. Die quantitative Aufteilung der Wahlreaktionen 1. Die iV«//reaktioncn 2. Die Durchscbnittsrezktionen 3. Die TW/reaktionen a) Die positive Reaktion mit Quantumspannung b) Die negative Reaktion mit Quantumspannung c) Die ambivalente Vollreaktion B. Die qualitative Aufteilung der Wahlreaktionen nach i hrer Tendency 1. Positive Reaktionen 2. Negative Reaktionen 3. Ambivalente Reaktionen Tab. 3. Aufteilung der Wahlreaktionen nach Quantität und Tendenzrichtung

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Zweiter Teil PSYCHOLOGIE DER TRIEBFAKTOREN UND TRIEBVEKTOREN DIE BAUSTEINE DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK ABSCHNITT III: EROS UND THANATOS

Der Sexualtrieb, der Vektor S Kapitel IV. Wesen und Psychologie des Erosfaktors h I. Analyse der iV«//reaktionen h II. Analyse der positiven Reaktionen h

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a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche positive Reaktionen h III. Analyse der negativen R eaktionen h a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche negative Reaktionen h IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen h a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen h

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Kapitel V. Das Wesen und die Psychologie des Thanatosfaktors s I. Analyse der AW/reaktionen / II. Analyse der positiven Reaktionen s a) Mit Überdruck b) Durchschnittliche positive Reaktionen s III. Analyse der negativen R eaktionen j* a) Mit Überdruck b) Durchschnittliche negative Reaktionen s IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen s a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen s

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Kapitel VI. Analyse des Sexualtriebes, des Vektors S I. Funktionelle Einteilung der Vektorbilder Vordergrund-, theoretische Komplement- und Ganztriebprofilc II. Teilungsarten der Gauftriebe 1. Utii/mdenz: Eine Strebung drangt allein in den Vordergrund Variation I. + 0: Dominanz der Personenliebc mit infantiler Befriedigung der Aggres­ sion. Mit Überdruck: Abnorme, prägenitale Sexualtendenzen Variation II. 3\ 0 + : Dominanz der Aggression, des Sadismus, der Aktivität mit infantiler Befriedigung der Liebe. Mit Überdruck: Sadismus sexueller oder anderer Art Variation III. — 0 : Dominanz der kollektiven Menschheitsliebe mit ständiger (humaner) Befriedigung der Aktivität. Mit Überdruck: Unterdrückung der Sexualität (Homosexualität ?) Variation IV. 3\ 0 —: Dominanz der Hingabe, Aufopferung, Passivität. Mit Überdruck: Masochismus sexueller oder anderer Art 2. Bitendenz: Zwei Strebungen drängen gleichzeitig in den Vordergrund a) Horizontale Teilung, Legierung und Selbststeuerung der Triebgegensätzlichkeiten Variation I. S5 + + : Normale Sexualität des Alltagsmenschen beider Geschlechter. Die Personenliebe (-J- b) hat sich mit der Bemächtigung des Liebesobjektes (+ f) legiert, er­ gänzt und steht nun stets marschbereit. Liebe und Aggression steuern sich wechselseitig Mit Überdruck: Krankhaft gesteigerte Sexualität, oft ohne Abflußmöglichkeit Variation!I. 3*e : Normale, sublimicrtc Sexualität. Kultur- (—h) und Zivilisicrungsbereitschaft (—j). Legierung von Menschheitsliebe (—h) und Hingabe (— s). Mit Über­ druck: Krankhaft unterdrückte Sexualität (latente Homosexualität oder Sadismus?) ... b) Vertikale Teilung, Isolierung, anankastische Zwangsteilung Variation I. S^ ± 0: Es dominiert das Erosbedürfnis mit Zweifel darüber: soll man eine Person oder die ganze Menschheit lieben? Die Aggression fehlt zumeist, weil sie ver­ drängt wurde Variation II. Ss 0 dr : Es dominiert der Sadomasochismus, der Eros fehlt; entweder weil er verdrängt oder weil er in infantiler Form vergeudet wird. Ambitendenz und Ambi­ valenz in puncto Sadismus c) Diagonale Spaltung der Gegensätzlichkeiten Variation I. SQ + —: Personenliebe mit passiver Hingabe. Beim Mann: Triebziel­ inversion. Bei der Frau: übertriebene Passivität in der Liebe. Es fehlt das aktive Anteil­ haben am Partner. Mit Überdruck: Im -f- h dominiert die unbefriedigte Personenliebc (Homosexualität?); im — / dominiert der Masochismus Variation II. S10 h : Sadismus mit Unterdrückung des Eros. Seltener Kultursadismus oder Sadohumanismus (Typ: Savonarola). Mit Überdruck: Im + / extremer Sadismus; im — h extreme Unterdrückung der Liebe (Homosexualität?)

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ABSCHNITT V: DAS HABEN UND DAS SEIN

Der Ich-Trieb. Der Vektor Sch. Die Triebgrundlage des Ich-Lebens Kapitel X. Wesen und Psychologie des Paktors k, der Egosystole: Introjekfion und Negation I. Analyse der AW/rcaktioncn k II. Analyse der positiven Reaktionen k a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche positive Reaktionen k Die Einverleibung, die Introjektion III. Analyse der negativen Reaktionen k a) Mit Überdruck b) Durchschnittliche negative Reaktionen k, die Negation IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen k a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen k

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Kapitel XI. Wesen un d Psychologie des Paktors p, der Egodiastole: Partizipation, Projektion und Inflation I. Analyse der 7Vw//reaktionen p II. Analyse der positiven Reaktionen p, Ambitendenz, Besessenheit, Inflation a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche positive Reaktionen p III. Analyse der negativen R eaktionen p. Partizipation, Projektion a) Mit Uberdruck b) Durchschnittliche negative Reaktionen p IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen p a) Mit Überdruck b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen p

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Kapitel XII. Analyse des Ich-Triebes, des Vektors Seh 1. Unitendenzen im Vektor Seh Variation I. Scht + 0: Totale Introjektion, Egoismus, Egozentrismus, Narzißmus, Habmacht­ sucht Variation II. Sch2 0 + : Totale Inflation, Verdoppelung des Ichs, Ambitendenz, Besessenheit, Seinsmachtsucht Variation III. Sch% — 0 : Verdrängung. Das neurotische Ich VariationIV. SchK 0 —: Totale Projektion, Partizipation, das paranoide Ich 2. Bitendenzen im Vektor Sch a) Horizontale Teilung, Legierung Variation I. Sch5 -f- + : Introinflation, Alles-Sein und Allcs-Haben, totaler Narzißmus, totales Macht-Ich Variation II. SchQ : Projektive Negation, Anpassung, das Drill-Ich. Mit Überdruck: Das destruktive Ich b) Vertikale, zwangsartige Teilung Variation I. Sch7 d= 0: Intronegation, Zwangsmechanismus, das männliche Dur-Ich, das Zwangs-Ich Variation II. Schs 0 d= : Inflative Projektion, das verlassene Ich, das «kastrierte» Ich, das weibliche Moll-Ich c) Diagonale Teilung, Spaltung Variation I. Sch9 -| : Introprojektion, Autismus, das Trotz-Ich Variation II. Sch1Q j- : Negierte Inflation, Hemmung, Inhibition 3. Tritendenzen im Vektor Sch Variation I. Schn — ± • Gehemmte Projektion, Entfremdung, Alienation, Verneinung der Ver­ lassenheit und der Weiblichkeit, Depersonalisation Variation II. Schl2 ± —: Mit Zwang zurückgehaltene Projektion, Fugues, Flucht, das AusreißerIch, das paroxysmale Ich

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VII. Die Anwendung des Testes zur Kontrolle der Schocktherapien und der pharmako-psychodynamischen Wirkungen 404 1. Die Wirkungen der Elektroschocktherapic 404 Fall 67. Die Wirkung der Elektroschocktherapie bei Schizophrenie 404 2. Die pharmako-psychodynamischcn Wirkungen im Test 406 Fall 68. Die Wirkungen einer Schlafkur 406 VIII. Die Anwendung des Testes in der Berufsberatung 407 IX. Die Rolle des Testes in der Eheberatung 408 Fall 69. Beispiel zur Eheanalyse mit Hilfe des Testes 409 Tab. 21. Tendenzspannungstabellen zum Fall 69 410 X. Der Test im Dienste der Genetik 412 1. Experimentelle Familien-, Konduktor- und Schicksalsforschungen 412 Fall 70. Schicksalsanalyse eines Priesters 412 2. Die Anwendung des Testes in den Zwillingsforschungen 413 XI. Die Anwendung des Testes in der Ethnologie und Ethnopsychologie 415 Tab. 22. Rangreihe der faktoriellcn Quantumspannungen bei 100 Buschnegern aus Französisch-Äquatorialafrika 416 Tab. 23. Dur-Moll-Proportionen bei Buschnegern 417

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1. Abb. 2. Abb. 3. Abb. 4. Abb. 5. Abb. 6. Abb. 7. Abb. 8. Abb. 9. Abb. 10. Abb. 11. Abb. 12. Abb. 13. Abb. 14. Abb. 15. Abb. 16. Abb. 17. Abb. 18. Abb. 19. Abb. 20. Abb. 21. Abb. 22. Abb. 23. Abb. 24. Abb. 25. Abb. 26.

Eine Achtergruppe von Bildern 46 Die Situation des Versuches 47 Kartothek mit zwei Triebprofilen 49 Kartothek mit zehn Triebprofilen 51 Deutungsmöglichkeiten der Nullreaktion bei dem Faktor e 54 Zwölf Triebprofile eines Epileptikers 56 Ambivalente Vollreaktion im Vektor Scb 58 Triebprofil eines Zwangsneurotikers 60 Die vier Wahlreaktioncn 62 Variationen des Sexualbildes, des Vektors T (Farbdruck) 99—100 Variationen des Affektbildes, des Vektors P (Farbdruck) 123—124 Variationen des Ich-Bildes, des Vektors Scb (Farbdruck) 170-171 Variationen des Kontaktbildes, des Vektors C (Farbdruck) 199—200 Triebprofil eines Alltagsmenschen 219 Triebprofil eines humanisierten Menschen 220 Triebprofil eines Masochisten vor der Elektroschockbehandlung 221 Triebprofil eines Masochisten nach der Elektroschockbehandlung 222 Triebprofil einer Epileptikerin 222 Triebprofile einer inflativen und projektiven paranoiden Ich-Störung mit Erotomanie bei einem 30jährigen Mädchen (Fall 9) 248 Jahreskurve der Triebklassen und Tendenzspannungsquotienten bei einem 23jährigen Mädchen (Fall 13) 291 Psychoscxuelle Proportionen. Sexualindex 336 Sexualindex in Einzelfällen 341 Sexualindex bei Gruppen 342 Sozial index (nach R. WALTISBÜHL) 347 Graphische Darstellung der Durchschnittssozialindices 350 Graphische Darstellung der Verteilung der sozialpositiven und sozialnegativen Reaktio­ nen im Verhältnis zur kritischen Zahl: 40% 351 Zeichnung einer periodischen Trinkerin 363—364 Ein Kriegsverbrecher, 53jähriger Gendarmerieoberst 375

Abb. 27. Abb. 28. Abb. 29.] Abb. 30.(Vergleichende Untersuchungen der Häufigkeiten der 16 Vektorenreaktionen (S, P, Scb, Abb. 31. C) von SOTO YARRITU, N avarra 384—386 Abb. 32. 2

Szondi, Triebdiagnostik

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VORWORT UND EINLEITUNG ZUR ZWEITEN AUFLAGE Das vorliegende Lehrbuch fußt einerseits auf der ursprünglichen Wahl­ psychologie der « Schicksalsanalyse» (1944), anderseits aber schon auf den neueren Ergebnissen der «Triebpathologie» (1952) und der «Ich-Analysev> (1956). Diese drei Bücher versuchen nun die Grundlagenforschung einer exakten medizinisch­ psychologischen Schicksalspsychologie darzustellen. Die experimentelle Trieb­ diagnostik ist eine der Forschungsmethoden der Schicksalspsychologie, die ja früher da war als der Test. Diese Tatsache sollte man nicht vergessen. Die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre haben bewiesen, daß ohne die Anwendung der speziellen schicksalspsychologischen Denkungsart und ihrer Er­ kenntnisse die Richtigkeit der Testdeutungen fraglich wird. Nur diejenigen For­ scher kamen bisher mit dem Test zu positiven und aufbauenden Resultaten, die die besondere Sicht der menschlichen Trieb- und Ich-Schicksale sich anzueignen vermochten. Die technischen «Psychokanoniere» hingegen, die den Test ohne diese adäquate Psychologie einfach als «ein Geschütz in ihrer Testbatterie» ge­ braucht haben, konnten zumeist nur über «Blindgänger» berichten. Im besonde­ ren sollten drei Leitprinzipien der Schicksalspsychologie bei den Testdeutungen berücksichtigt werden. I. Der Mensch wird ab ovo mit einem Bündel von erbbedingten Gegensätz­ lichkeiten seines Trieb- und Ich-Lebens in die Welt gestellt. Seine persönliche Auf­ gabe besteht nun darin, dieses Bündel zu erschließen und aus den in diesem Bün­ del mitgebrachten Existenzmöglichkeiten sein eigenes persönliches Schicksal all­ mählich zu erkennen und aufzubauen. II. Sowohl das Trieb- wie auch das Ich-Schicksal des Einzelnen - wie er es er­ lebt, mit ihm kämpft, von ihm besiegt wird oder es überwältigt - ist aber das Re­ sultat eines Zusammenwirkens von mehreren endogenen und exogenen schick­ salsformenden Faktoren, welche den individuellen Plan und die jeweilige Struktur­ form seines Schicksals bedingen. Diese sind: 1. Das Erbe von « Mustern und Figuren» (R. M. RILKE) solcher Ahnenansprüche, die im familiären Unbewußten der Person dynamisch-funktionell weiter-leben und -wirken. 2. Die besondere Triebnatur, deren Kern zwar ebenfalls erbgemäß mit­ gebracht, aber durch die unbewußte Abwehrtätigkeit des Ichs (S. FREUD) dennoch im Laufe des individuellen Lebens umgewandelt und zu einer persönlichen Note des Trieblebens geprägt wird. 3. Die soziale Umwelt, welche ja bestimmte Exi­ stenzmöglichkeiten in ihrer Manifestation zu fördern, andere hingegen in ihrer Entfaltung zu hemmen vermag. 4. Die Mentalität, d. h. die Weltanschauung der Zeit, in der die Person lebt, wie auch die intellektuellen Fähigkeiten und Bega­ bungen, die ihr Schicksal weiter formen und lenken. 5. Das bewußte Ich, das mit seiner Durchschlagskraft, mit seiner Macht, seinen Idealbildungen und mit seinem Uber-Ich - unter günstigen Umständen - durch die Freiheit der Wahl die Schran­ ken des mitgebrachten Zwangsschicksals des Erbes, der Triebnatur, der sozialen und mentalen Umwelt zu durchbrechen vermag und 6. mit Hilfe des Geistes für sich ein freies Ich-Schicksal erringen kann. Unter ungünstigen Umständen hin­ gegen verfällt das Ich in seiner Ohnmacht völlig dem mitgebrachten Zwangs-

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Schicksal und wiederholt somit das Schicksal eines seiner Ahnen. Aus diesen zwei Leitprinzipien folgt das dritte: III. Der Mensch hat nicht ein einziges Schicksal - wie das auch die gegenwär­ tigen Nachfolger der alten Anankologie (Schicksalslehre) annehmen -, sondern mehrere Schicksalsmöglichkeiten, die oft in gegensätzliche Richtungen verlaufen. Ein Triebprofil deckt uns aber nur eine d er vielen Existenzmöglichkeiten auf. Darum müssen wir ja acht bis zehn Triebprofile von der Person verfertigen. Jedes Profil in dieser Serie macht somit eine in sich abgeschlossene Schicksalsmöglich­ keit sichtbar, und darum muß man jedes Triebprofil einzeln in seiner Ganzheit als eine der möglichen Existenzen auslegen. Daraus folgt die Unmöglichkeit, die Faktoren- und Vektorenreaktionen einer Gruppe zu addieren, wie dies von vielen Autoren gemacht wurde. Eine weitere Konklusion, die aus den hier nur kurz skizzierten Leitprinzipien folgt, ist: Man soll den Test an erster Stelle zur Aufdeckung der Existenzmöglich­ keiten der Versuchsperson und nicht zur Stellung psychiatrischer Diagnosen ver­ wenden. Diese ändern sich ja s owieso bei demselben Kranken im Laufe der Zeit und auch zu oft von Arzt zu Arzt, von einer Anstalt zur anderen. Die aktuelle Form des seelischen Krankseins ist ja u nseres Erachtens nur eine der möglichen Schicksalsformen der Person. Wir dürfen aber die anderen Existenzformen schon deshalb nie vernachlässigen, weil eben diese uns den Weg der Sozialisierung der Trieb- und Ich-Störungen vorzeichnen. Der Mensch ist stets mehr denn ein Trä­ ger irgendeiner psychiatrischen Diagnose, die man auf seine soziale Existenz auf­ klebt - wie etwa eine Hoteletikette auf seinen Koffer - nur darum, weil er einmal Insasse einer Heilanstalt oder eines Gefängnisses war. Die testologische Aufgabe des Psychiaters, Psychotherapeuten oder Psycho­ logen besteht also unseres Erachtens nicht darin, eine klinische Diagnose aufzu­ stellen, von der sich der Patient niemals zu befreien vermag, vielmehr darin, aus den testologisch aufgedeckten Existenzmöglichkeiten diejenige zu fördern, welche sowohl dem Einzelnen wie auch der Gemeinschaft die größte Chance bietet. Eben diese Bedenken bewegten uns - nach dem ersten, technischen Teil - im zweiten Teil dieses Lehrbuches noch vor der Erörterung der Deutungsmethoden die allgemeine Psychologie der acht Triebfaktoren und der 64 Vektorenbilder als Bausteine der Schicksalspsychologie derart darzustellen, daß der Anwender des Testes in die Lage gesetzt wird, aus den Triebprofilen sowohl die sozialen wie die asozialen, die gesunden wie die krankhaften Möglichkeiten abzulesen. Damit - so hoffen wir - wurde eine der wichtigsten Fehlerquellen der ersten Auflage elimi­ niert. Eine zweite Fehlerquelle, die viele Autoren zu einer statistischen Validie­ rung des Testes verlockt hat, wurde auf radikale Art ausgeschaltet, indem wir einerseits fast alle statistischen Häufigkeitstabeüen der ersten Auflage weggelas­ sen, anderseits ein Kapitel über das Funktionieren des Testes eingeschaltet haben. In diesem Kapitel stellten wir alle diejenigen Bedingungen zusammen, unter wel­ chen der Test richtig zu funktionieren vermag, unter diesen im besonderen auch diejenigen statistischen Bedingungen, welche in der Vergangenheit fast völlig ver­ nachlässigt wurden, die wir aber bei Gruppenuntersuchungen für ausschlag­ gebend erachten. Im dritten Teil des Buches haben wir die wichtigsten Deutungsmethoden so

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eingehend behandelt, daß der Anwender des Testes seine Feststellungen durch fünf verschiedene Methoden auf ihre Richtigkeit prüfen kann. Somit stellen wir dem Leser ein Lehrbuch der Experimentellen Trieb­ diagnostik mit der Untersuchungstechnik, den Deutungskriterien und -methoden, mit zahlreichen Deutungsbeispielen, mit archivarisch aufgestellten Linnäustabellen1, mit einem reichen Atlas von Triebprofilen zur Verfügung in der Hoff­ nung, daß diese zweite Auflage für ihn weniger Gefahren und Schwierigkeiten in sich birgt als die erste. Dem Verlag HANS HUBER, Bern und Stuttgart, bin ich zu herzlichem Dank verpflichtet. Zürich, im Frühjahr 1959

L. SZONDI

VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE In der vorliegenden dritten Auflage des Lehrbuches sind folgende Ergänzun­ gen von Wichtigkeit: Allgemeines über die Methode zur Bestimmung der experimentellen Existenz­ skala (EES). Anhang I: Methodik der Indikationsstellung zur Psychotherapie auf Grund der Existenzskala nach SZONDI. Anhang II: Die Psychotherapie-Prognose mit Hilfe der «Experimentellen Triebdiagnostik» nach A. BEELT. Anhang III: Stufen der Ich-Entwicklung. Anhang IV : Zur Frage der Parallel-Bilderserien zum Szonditest. Ferner die Anmerkungen I-IX. Rückblickend stellen wir fest, daß das Lehrbuch inzwischen in mehrere Spra­ chen - so in die englische, französische, japanische, spanische vollständig, in die italienische und portugiesische teilweise übersetzt wurde. Die experimentelle Triebdiagnostik wird heute an mehreren Universitäten regelmäßig unterrichtet. Dem Verlag HANS HUBER und dessen Leiter, Flerrn W.JÄGER, bin ich zu herz­ lichem Dank verpflichtet. Zürich, im Herbst 1971

L. SZONDI

1 Die Linnäustabcllen erscheinen separat im Verlag Hans Huber und können auch separat bestellt werden. (III. Linnäusband.)

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ERSTER TEIL

TRIEBLEHRE UND METHODIK



Abschnitt 1

TRIEBLEHRE Kapitel I

DAS MENSCHLICHE TRIEBSYSTEM Triebe sind Radikale der menschlichen Handlungen und Verhakungen. Sie sind die bedingenden und erhaltenden Wurzeln des menschlichen Daseins über­ haupt. Von Grund aus bestimmen die Triebe alles Tun und Verhalten, alle Strebun­ gen und Bedürfnisse im allgemeinen und alle persönlichen Sehnsüchte und Süchte des Einzelnen im besonderen. Triebe reichen hinunter bis in die tiefsten Schichten unseres Seins. Sie wirken aber auch bis hinauf in die Höhen der Menschwerdung. Man spricht dann von Sublimierung und Humanisierung der Triebe. Triebe sind Radikale. Ein Radikal ist bekanntlich ein Wurzelfaktor, der folgen­ den Kriterien entsprechen sollte1: (fT3)Ein Radikal muß unhistorisch sein. Tahrtausende hindurch biologisch im Wesen gleich_bleiben._ Radikale werden.durch Vererbung, unhistorisch. (f2TEs_mußeine_durchgehende Kraft entfalten, welche in.allcmErlebenund, Verr halten_des Menschen gegenwärtig ist, jedes Radikal verfügt demnach über eine .besondere.unerschöpf liehe Energiequelle, aus der es sich immerfort neu aufbaut. (uLEsmuß, inhaltlich unspezifisch sein; seine Manifestation kann von Person zu Person,_yon Zeit zu Zeit sich zwar ändern, die Wurzel selbst aber, die sich in allen diesen,mannigfaltigen Erscheinungen kundtut, bleibt im Leben des Einzelnen wie auch,in,dem der Menschheit immerfortdie nämliche. Die menschlichen Triebe entsprechen diesen allgemeinen Bedingungen der Radikale vollständig. Darum sprechen wir von Triebradikalen oder Triebfaktoren des menschlichen Daseins. Die Triebfaktoren des Menschen sind in der Tat un­ historisch. Sie schlagen mit der nämlichen Kraft in allem menschlichen Tun, Er­ leben und Verhalten durch. Sie sind stets gegenwärtig und entfalten sich inhaltlich in einer Mannigfaltigkeit, die nur die schöpferische Lust der Natur hervorzaubern vermag. *

Das Triebsystem der experimentellen Triebdiagnostik wurde auf acht Trieb­ faktoren, als Triebradikalen, aufgebaut. Bevor wir sie der Reihe nach darstellen und uns ihren besonderen Existenzformen zuwenden, müssen wir uns mit der be­ grifflichen

Bedeutung

solcher

Worte

wie

«Instinkthandlung»,

« Triebhandlung»,

« Triebstrebung», « Triebbedürfnis» und « Trieb» im allgemeinen auseinandersetzen. Wir versuchen hier jegliche theoretische und kritische Auseinandersetzung zu ver­ meiden und weisen überall auf die entsprechenden Kapitel der «Triebanalyse»2

1 JASPERS, K.: Allgemeine Psychopathologie. Springer, Berlin u. Heidelberg. V. Aufl. 1948, S. 490FF., 522. FRIEDEMANN, A. : Utitz, E., Jahrbuch der Charakterologie, 1929, S. 139. 2 SZONDI, L . : Triebanalyse. Triebpathologie Bd. I. H. Huber, Bern u. Stuttgart, 1952.

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und «Ich-Analyse»1 hin, die das vorliegende rein praktisch gehaltene Lehrbuch theoretisch ergänzen.

1. Instinkthandlungen werden kraft der Vollkommenheit einer Erbmarschroute ausgeführt. Die Handlungsschritte sind durch eine strenge Diktatur tyrannisch vorgeschrieben. Verfehlt das Tier niederer Gattung nur einen einzigen Schritt dieser Erbmarschroute, wird sowohl das Dasein des Einzelwesens wie auch das des Stammes ernstlich bedroht. Die individuelle Übung, das Dazulernen wie auch der Verstand spielt bei den vollkommenen Instinkten keine Rolle. Es fehlt auch das Ziel- und Zweckbewußtsein. Die Objektwahl der Nahrung, Aufenthaltsorte usw. ist erbgemäß streng vorgeschrieben. Auch die Neuanpassung fehlt. Diese vollkommenen Instinkte sind schon bei der Geburt völlig fertig, nur ihre Erschei­ nung ist zeitgebunden, tempiert. Der jeweilige körperliche Zustand beeinflußt nicht den strengen Ablauf der Handlungskette. Das Leben der Insekten und der niedrigstehenden Lebewesen wird durch die Vollkommenheit der Instinkte ge­ regelt. Dieses Leben ist im Rahmen der gleichen Gattung farblos, monoton, ohne jegliche individuelle Note. 2. Triebhandlimgen sind unvollkommene I nstinkthandlungen. Hier gibt es keine strenge Marschroute mehr für das Dasein und Sosein. Das Lebewesen ist schon zu individuellen Abwandlungen der mitgebrachten Handlungskette imstande. Die persönlich erworbene Übung, das Dazulernen, der Verstand spielt bei den Trieb­ handlungen schon eine Rolle, und zwar auf dem Wege des Wahrnehmungsvermö­ gens. Das Ziel und der Zweck dieser triebhaften Handlungen sind auch bei Tieren höherer Ordnung immer noch unbewußt. Tiere haben ja kein Wunsch- oder Bedürfnisbewußtsein wie die Menschen. Die Objektwahl scheint bei den Trieb­ handlungen relativ frei zu sein. Die Neuanpassung ist vorhanden, sie ist aber ich­ los und nicht ich-haft wie beim Menschen2. Die Triebe sind bei der Geburt noch nicht völlig fertig. Der jeweilige Körperzustand beeinflußt den Ablauf der Trieb­ handlungen. Sind die vollkommenen Instinkthandlungen im Rahmen der Gat­ tung monoton, farblos, so sind die unvollkommenen Triebhandlungen kraft der Neuanpassung, des Dazulernens, des Kausalgedächtnisses schon individualisiert und somit durch eine persönliche Note geprägt. Instinkthandlungen sind demnach keine zweckgerichteten Verhaltensweisen. Triebhandlungen sind nur teils arteigene, ererbte Formen des Verhaltens, ander­ seits sind sie durch individuelles Erlernen, durch persönliche Übung und Dressur veränderbar und zweckgerichtet3. *

Unter allen Lebewesen ist der Mensch mit den unvollkommensten Instinkten ausgestattet. Das Trieb leben des Menschen wird erstens durch die latenten Trieb­ energien, also durch Bedürfnisse, und zweitens durch das Ich (bzw. das Uber-Ich) gc1 SZONDI,L.: Ich-Analysc. Die Grundlage zur Vereinigung der Tiefenpsychologie. Triebpathologic, Bd. II. Huber, Bern u. Stuttgart, 1956. 2 Triebanalyse (Triebpathologie Bd. ]), S. 46. 8 LORENZ, K. : Über die Bildung des Instinktbcgriffcs. Die Naturwissenschaften. Jg. 25. 1937. S. 289, 307, 324.

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lenkt. Beim Menschen erscheinen zum erstenmal in der Geschichte der Lebewesen die «Ich-Triebe», durch die dann die Tyrannei der vollkommenen Instinkte ge­ brochen wurde. Eine durchgehende These unserer Trieblehre lautet: Das Trieb­ leben des Menschen ist stets ein Produkt des Zusammenwirkens von tierischen Triebbedürfnissen und menschlichen Ich-Trieben. Diese These ist sogar für die Traumvorgänge gültig. Wer diese These in der experimentellen Triebdiagnostik vernachlässigt, wird immerfort Fehldeutungen machen. Eine besondere Deutungsmethode der experimentellen Triebdiagnostik, die sogenannte «Rand-Mitte-Methode-», hat die Aufgabe übernommen, das mensch­ liche Tun und Verhalten in seine zwei grundlegenden Komponenten, in die tieri­ schen Triebbedürfnisse (= Rand) und die menschlichen Ich- und Über-IchFunktionen (= Mitte) zu zerlegen. Diese Methode wird später ausführlich dar­ gestellt werden. Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen behandeln wir schon im Sinne der Trieblehre der Schicksalsanalyse (Scha.). 3. Triebtenden% — Triebstrebimg (tendere = streben) ist ein Begriff, den wir aus dem philosophischen Begriffskreis (LEIBNIZ, P. HÄBERLIN usw.) in den bio­ psychologischen Bereich übernommen haben. Bei P. HÄBERLIN wird Tendenz als Richtung einer Handlung gebraucht. Er sagt: Tendenz ist das, was das Sein zum Werden macht1. In der Trieblehre der Scha heißt es2: Eine Triebstrebung, Trieb­ tendenz, bedeutet diejenige aufbauende Komponente eines Bedürfnisses, die nur von einem einzelnen Gen, nur von einer Erbanlage bestimmt wird. Also entweder nur von der väterlichen oder nur von der mütterlichen Anlage. Triebstrebung, Triebtenden% ist demnach die genetisch kleinste Triebeinheit. Aus erbbiologischen Ursachen kann eine Triebtendenz allein, ohne ihren ent­ sprechenden (allelen) elterlichen Gegenspieler, nie vererbt werden. Die Ursache ist die, daß ja d er Mensch für jedes Triebbedürfnis zwei Erbanlagen der Tenden­ zen mit sich bringt; eine mütterliche und eine väterliche und die sind als ein alleles Genpaar aneinandergebunden. Tritt die eine Tendenz allein in den Vorder­ grund, so bleibt die andere Strebung latent, auf ihr Erscheinen wartend, im Hin­ tergrund. Triebtendenzen sind also unseres Erachtens als Trieb tendenzpaare stets doppelt angelegt. Die zwei erbgemäß aneinandergebundenen Triebtendenzen bil­ den zusammen ein «Triebbedürfnis». 4. Das Triebbedürfnis = der Triebfaktor besteht somit aus zwei zusammen­ gehörigen (allelen) Triebtendenzen. Das will sagen: Ein Triebbedürfnis ist stets das Produkt einer väterlichen und einer mütterlichen Triebtendenz. In einem Triebbedürfnis wirken demnach zwei Strebungen immerfort mit, die in ihrer Handlnngsrichtung des öfteren polar entgegengesetzt sind. Das Triebbedürfnis der Männlichkeit zum Beispiel besteht aus der Tendenz zur Aktivität, Aggression, zum Sadismus und gleichzeitig aus der Tendenz zur Passivität, Hingabe und zum Masochismus. Aktivität, Aggression und Sadismus sind unseres Erachtens Mani­ festationen einer Tendenz, die als eine Erbanlage nur von einem Elternteil her­ stammt. Passivität, Hingabefähigkeit, Masochismus sind die Erscheinungsformen einer anderen Triebtendenz, die von dem anderen E lternteil herstammt, welche aber 1 HÄBERLIN, P.: Der Geist und die Triebe. Kober-Verlag, Basel, 1924. S. 312ff. 2 Triebanalyse, S. 56.

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mit der entgegengesetzten Strebung erbgemäß unzertrennlich gepaart ist. Beide Triebtendenzen verbinden sich und bilden zusammen die diskret variable, per­ sönliche Erscheinung der Männlichkeit, also des Bedürfnisses der Person, ein Mann zu werden. Entsprechend sind auch die anderen Bedürfnisse aufgebaut (vgl. hiezu Tabelle 1). In der Definition des Bedürfnisses nach Mannwerdung ist die Frage offen­ gehalten, ob das Individuum, welches das Bedürfnis nach Männlichkeit trägt, die Aktivität bzw. die Passivität vom Vater oder von der Mutter ererbt hat. Wichtig ist, daß das Erscheinen eines Bedürfnisses an zwei, des öfteren polar entgegen­ gesetzte Tendenzen gebunden ist. Das quantitative und qualitative Erscheinungs­ bild eines Bedürfnisses ist somit stets die Folge einer Polarität, die zwischen den zwei das Bedürfnis aufbauenden Einzeltendenzen erbgemäß gegeben ist. Eben diese quantitativen und qualitativen Differenzen der zwei elterlichen Triebtenden­ zen, welche auf die Nachkommenschaft bei der Befruchtung übertragen werden, verursachen die Mannigfaltigkeit eines jeden Bedürfnisses in seiner Erscheinung. In unserer Trieblehre nennen wir die Triebbedürfnisse auch « Triebfaktoren». Faktor heißt so viel wie der «Macher», der «Bewirker». Mit dem Wort «Trieb­ faktor» wollten wir andeuten, daß eben die Bedürfnisse die «triebmachenden» Faktoren des Trieblebens sind. Bedürfnisse sind noch keine Triebe. Sie sind aber die Quellen der latenten Energien, die die Triebe immerfort nähren. 5. Triebe = Triebvektoren nennen wir die Verschränkung zweier solcher Be­ dürfnisse (Triebfaktoren), die demselben Triebziel und derselben Triebrichtung folgen. Wir sagen: Im schicksalspsychologischen Triebsystem bedeutet ein Trieb - als Triebvektor - stets eine auf zwei bestimmte kooperative Triebfaktoren be­ grenzte Verschränkung von Bedürfnissen, welche einem einheitlichen biologisch­ psychologischen Ziel folgen. Nach dieser Auffassung ist der Sexualtrieb die Verschränkung von weiblichen und männlichen Triebbedürfnissen. Beide Triebfaktoren folgen dem Ziel und der Handlungsrichtung der Begattung. Der Kontakttrieb ist die Verschränkung des Bedürfnisses «Auf-die-Suche-Gehen nach einem Objekt» und des anderen, sich an das gefundene Objekt anzuklam­ mern (I. HERMANN). Erst beide zusammen ergeben den Kontakttrieb. Der Ich-Trieb ist die Verschränkung des Bedürfnisses, das Ich auszudehnen (Ich-Erweiterung = Egodiastole) und seines koordinierten Partnerbedürfnisses, das Ich einzuengen (Ich-Einengung — Egosystole). Beide Bedürfnisse folgen dem­ selben Ziel, die Einheit und Gesundheit des unbewußten Ich-Lebens zu sichern. Der Paroxysmaltrieb besteht aus zwei Bedürfnissen, welche zusammen das ethisch-moralische bzw. das unethische und unmoralische Verhalten der Person bedingen. Es muß hier betont werden, daß nicht die Ethik oder die Moral an sich triebhaft ist, sondern nur das ethische oder moralische Verhalten. Das eine Bedürf­ nis des paroxysmalen Triebes zwingt die Person, das ewige innere Gesetz «Töte nicht!» in ihrem Verhalten durch Gutmachung aller jeweiligen Todesansprüche zur Geltung zu bringen. Das andere Bedürfnis bedingt die Anpassung an die äuße­ ren, zeitgebundenen Sittengesetze und zwingt das Individuum zur Aufstellung von Scham- und Ekelschranken für sein moralisches Verhalten. Dies letztere Be­ dürfnis bestimmt somit all das, was ein Mensch in einem zivilisierten Gemein­ schaftsraum verbergen muß und setzt die Grenzen, die vorschreiben, wie weit die

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Person sich zur Schau stellen darf. Das gemeinsame Ziel beider Bedürfnisse ist somit die Regelung des ethisch-moralischen Verhaltens. Alle Triebe tragen zwei durchgehende Züge. Erstens: daß sie Handlungen und Verhaltensweisen und nicht Affekte oder intellektuelle Tätigkeiten bedingen. Affekte begleiten zwar alle Triebhandlungen, aber sie sind nie Triebe und nähren sich aus anderen Quellen, genau so wie der Verstand. Zweitens hat ein jeder Trieb nur ein Ziel: sich durch «Ablaufenlassen» seiner D ynamik befriedigen, unabhängig davon, ob der Trieb unbewußt bleibt oder in das Bewußtsein dringt.

Kapitel II

DIE TRIEBLEHRE DER

SCHICKS ALS ANALYSE

1. Ursprung der Triebe: die Gentheorie Das Gemeinsame aller Triebe erblickt die Schicksalsanalyse in ihrem genischen Ursprung. Nach der Arbeitshypothese der Schicksalsanalyse sind die Quellen der Triebe: die Gene. D ie gemeinsame Natur der Triebe wird durch die gemeinsame Natur der Gene bestimmt, also durch die Natur jener sehr kleinen, wahrscheinlich nur Mole­ keln enthaltenden Substanzteilchen von bestimmter Qualität, die die Vererbung der einzelnen Merkmale und Reaktionen bestimmen. In der Gentheorie der Triebe wird angenommen, daß die Triebhandlungen durch spezifische Gene determiniert sind. Wir nennen sie « Triebgeney>. Es folgt aus der Gentheorie, daß unsterbliche, materielle Urpartikeln im Menschen vorhanden sind, die von Generation zu Generation, von den Eltern auf die Nachkommen ver­ erbt werden. Das sind eben die Gene, deren Manifestation - neben den seelisch­ körperlichen Reaktionen - die triebhaften Reaktionen sind. Es gibt naturgemäß auch andere Gene, die teils körperliche, teils nichttriebhafte psychische Reaktio­ nen, z. B. intellektuelle, mentale Reaktionen, Auffassungs- und Vorstellungs­ möglichkeiten (Archetypen) bestimmen. Wenn die Triebe genischen Ursprungs sind - wie dies von der Schicksals­ analyse angenommen wird -, so bestimmt offenbar das, was der Natur der Gene gemeinsam ist, zugleich die gemeinsame Natur aller Triebe. Das Gemeinsame in der Natur aller Gene besteht darin, daß jedes Gen stets eine Strebung der familiä­ ren, Stammes- bzw. Artvergangenheit auf die nächste Generation überträgt. Jedes Gen - so wird von der Genetik von jeher gelehrt - strebt danach, einen früheren Zustand in der neuen Generation wiederherzustellen. Wenn wir uns also auf den Standpunkt der Gentheorie stellen und behaupten, die Triebstrebungen seien ohne Ausnahme genischen Ursprungs, so behaupten wir eo ipso, daß das Gemeinsame in den Trieben nichts anderes sein kann, als daß sie das Streben enthalten, irgendeinen früheren Zustand wiederherzustellen. Hier treffen sich die Gentheorie der Schicksalsanalyse und die Trieblehre der Psychoanalyse. FREUD sagt ja: «Ein Trieb wäre also ein dem belebten Organischen

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innewohnender Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes1. » Jedoch blieb FREUD auf die Frage die Antwort schuldig : warum drängen eigentlich die Trie be nach Wiederherstellung eine s früheren Zustandes ? Die Antwort geht erst aus der Gen­ theorie hervor: Offenbar drängen die Triebe zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes eben darum, weil sie genischen Ursprungs sind. Erst aus dem Gen­ ursprungfolgt es, daß die Triebe frühere Zustände wiederherzustellen streben, die im Laufe der Phylogenese bereits einmal bestanden haben. Eine strenge Folgerung aus diesen Erörterungen ergibt: Erstens: wenn jeder Trieb genischen Ursprungs ist, so müssen wir von so vielen Triebstrebungen sprechen, als es Triebgene gibt. Zweitens: jener Dualismus der Triebe, der heute der Psychoanalyse zugrunde liegt - Sexual- und Ich-Triebe, bzw. Lebens- und Todestriebe - muß ergänzt und umgebaut werden. An die Stelle dieses Triebduabsmus setzt die Schicksalsanalyse den Dualismus der Triebgegensatzpaare, dessen biologische Grundlage in den Erb­ anlagepaaren, in den Allelen der Triebbedürfnisse zu suchen ist. *

Fassen wir nun die Konsequenzen der Gentheorie der Triebe zusammen: I. Die Quelle der Triebe sind: die Triebgene. Das Triebsystem der Schicksals­ analyse ist auf Grund dieser Gentheorie aufgebaut. In diesem Triebsystem unter­ scheiden wir: Triebstrebungen = Triebtendenzen, Triebbedürfnisse = Trieb­ faktoren und Triebe = Triebvektoren. II. Eine Triebstrebung = Triebtendenz wird nur von einem e inzelnen Gen des Anlagepaares bestimmt, also entweder vom väterlichen oder vom mütterlichen. Der Ausdruck: Triebstrebung oder Triebtendenz bedeutet also nur die eine K ompo­ nente, nur die eine Teilkraft eines Bedürfnisses. Ihre Genformel ist also: A oder a, B oder b, C oder 9 usw. Aus genbiologischen Ursachen ist es bei gemischterbigen, heterozygoten Individuen völbg ausgeschlossen, daß sich eine Triebtendenz allein ohne ihren elterlichen Gegenspieler, im Erscheinungsbild manifestiert. Sie kann zwar ihren Partner unterdrücken, der unterdrückte Partner wird sich jedoch auf Umwegen manifestieren. Triebstrebung, Triebtendenz ist demnach die genetisch kleinste Triebeinheit. Sie ist unabtrennbar an ihren Gegenpartner gebunden, mit dem sie genbiologisch ein schicksalhaftes Triebanlagepaar, ein zusammengehöriges Be­ dürfnisgenpaar bildet. Ein Triebbedürfnis = Triebfaktor besteht bereits aus zwei schon zusammen­ gehörigen Triebstrebungen, wird also von einem Triebgenpaar, d. b. von zwei homologen - den väterlichen und den mütterlichen - Triebgenen zusaf!lmen be­ stimmt. Die Genformel eines Triebbedürfnisses bei gemischterbigen Individuen lautet demnach : A.a oder Bb oder Cc usw. Ein Trieb = Triebvektor kommt durch Vermischung, Verschränkung zweier solcher Bedürfnisse, Triebfaktoren zustande, die dieselbe Triebrichtung, dasselbe Triebziel verfolgen. Im schicksalsanalytischen Triebsystem bedeutet demna ch ein Trieb als Triebvektor eine auf zwei bestimmte Faktoren begrenzte Verschränkung von Bedürfnissen, die einer ei nheit­ lichen physiologischen Tri ebrichtungfolgen. 1 FREUD, S .: Jenseits des Lustprinzips. Ges. Sehr., Bd. VI, S. 226.

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Die Genformel eines Triebes (Triebvektors) ist also bei gemischterbigeri Per­ sonen Aa Bb oder Cc Ddusw. Die Erscheinung, die wir kurz «Trieb» nennen, ist somit kein einheitlicher Prozeß, dessen auslösende und erhaltende Energie nur aus einer Triebquelle strömt, sondern bereits eine Vermischung, eine Verschränkung von mindestens vier Triebteilkräften, vierer Einzeltriebgene, bzw. zweier Trieb­ genpaare. III. Aus der Genstruktur der Triebe leiten wir die Polarität innerhalb der Stre­ bungen und Bedürfnisse ab. Wir sprechen von zwei Formen der Polarität: 1. faktorielle oder Strebungspolarität, 2. vektorielle oder Bedürfnispolarität. 1. Die faktorielle oder Strebungspolarität stammt aus der Gegensätzlichkeit der väterlichen und mütterlichen Triebtendenzen, also aus der Gegensätzlichkeit der zwei homologen, zusammengehörigen Einzelgene desselben Triebgenpaares (A kontra a, oder B kontra b). Paradigma: der Gegensatz zwischen der weiblichen Zärtlichkeit der Mutter und der des Vaters. 2. Die vektorielle oder Bediirfnispolarität stammt aus der Gegensätzlichkeit der­ jenigen zwei Bedürfnisse (Triebfaktoren), die sich in der gleichen Triebrichtung zu einem Trieb verbinden. Die Polarität innerhalb eines Triebes entspricht dem­ nach derjenigen Gegensätzlichkeit, die zwischen den miteinander verschränkten Triebgenpaaren (Aa <]-> Bb; oder Cc <-> Dd) genbiologisch gegeben ist. Para­ digma : der Gegensatz zwischen der weiblichen Zärtlichkeit (Aa) und der männ­ lichen Aggression (Bb). IV. Die schicksalsanalytische Trieblehre wurde also au f den Dualismus der Gegensatsy paare von Strebungen, b^iv. Bedürfnissen aufgebaut. Der Begriff: «Triebgegensatz­ paar» ist nur der psychologische Ausdruck des genbiologischen Begriffes: Trieb­ genpaar. Nach dem Begriff des genbiologischen Dualismus «dualisieren» sich nur Strebungen (Tendenzen) und Bedürfnisse, nicht aber Triebe. Die Erscheinung, die wir alltäglich «Trieb» nennen, kommt durch Dualisierung, durch Verbindung von zwei Bedürfnissen mit gleichem Triebziel zustande. Ein Trieb ist also das Pro­ dukt von Bedürfnisverbindungen. Dem Tiere sind sie auf Grund seiner ungebro­ chenen Instinkte schon bei der Geburt vollständig mitgegeben. Der Mensch aber muß sich die physiologischen Verbindungen erst selbst schaffen. Die Psychoanalyse spricht von Triebverschränkungen, wenn z. B. der Sexualtrieb mit dem Selbst­ erhaltungstrieb gekoppelt erscheint. Die «Triebkoppelung» bestehe darin, daß der Sexualtrieb als Be­ nutzer der gleichen Befriedigungszone erscheint, in der sich sonst der Selbsterhaltungstrieb (Hunger, Durst) zu befriedigen pflegt. Der Ausdruck «Triebverschränkung» ist im Lichte der genetischen Trieb­ lehre zu korrigieren. Das «Lutschen» oder «Wonnesaugen» des Kleinkindes z. B. ist keine Verschrän­ kung von Sexualtrieb und Selbsterhaltungstrieb - wie es die Psychoanalyse auffaßt -, sondern eine früh­ infantile Verschränkung von zwei Bedürfnissen, und zwar von dem Bedürfnis des Sadismus mit dem oralen Bedürfnis. Durch diese Bedürfnisverschränkung kann das Kleinkind sich Lust verschaffen, aber Lustgewinn ist kein spezifisches, sondern das allgemeine Ziel aller Triebbedürfnisse. Die Verschrän­ kung der zwei Bedürfnisse, des oralen mit dem sadistischen, folgt nicht der genetisch bedingten physiolo­ gischen Richtung der Sexualität und wird in der schicksalsanalytischen Trieblehre noch nicht als « Sexual­ trieb», sondern nur als eine «Probemischung» aufgefaßt.

V. Auf Grund der Gentheorie der Triebe müssen wir also annehmen, daß im Triebleben des Menschen nur die Bedürfnisse eine einheitliche untrennbare, gen­ biologische Grundlage besitzen. Die sogenannten « Triebe » selbst sind schon V erschrän­ kungen, Vermischungen von ver schiedenen Bedürfnissen. Triebe sind also genbiologisch nicht «einheitliche» Erscheinungen. Aus dieser Auffassung über die Entstehung der Triebe folgen weitere ausschlaggebende Konklusionen.

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VI. Genbiologisch ist es richtiger, von einer «Bedürfnispsychologie?) als von «Triebpsychologie» zu sprechen1. VII. Man konnte bisher die Zahl und Qualität der möglichen Triebe eben des­ wegen nicht einheitlich und einstimmig feststellen, weil «Triebe» immer nur Ver­ mischungen von verschiedenen Bedürfnissen darstellen und keine ursprungs­ mäßigen biologischen «Einheiten» sind. Eine Strebung und ein Bedürfnis ist eine Triebeinheit. Ein Trieb ist stets schon eine Synthese. Aber Synthesen, Vermi­ schungen von Bedürfnissen kann man stets mehr aufstellen, als es einheitliche, physiologische Triebquellen gibt. VIII. Die Vermischung der Bedürfnisse zu Trieben folgt zwar ebenfalls gene­ tisch vorgeschriebenen strengen Gesetzen, aber der Vermischungsvorgang selbst und der Zeitpunkt der Verschränkung hängen von mannigfachen anderen, inneren und äußeren Faktoren ab, unter anderem auch vom Ich.

2. Die Triebkriterien der Schicksalsanalyse Die Kriterien, auf Grund deren die Schicksalspsychologie eine menschliche Handlung zu den triebhaften zählt, fußen alle auf der Gentheorie der Triebe. Aus der Gentheorie müssen wir folgende fünf miteinander in enger Beziehung ste­ hende Kriterien ableiten: Erstes Kriterium: die spezifische Genbedingtheit der Triebe. Es gibt keine Trieblehre, die die Erbbedingtheit der Triebe leugnet. Die Regel­ mäßigkeit in der Wiederkehr, die Gleichmäßigkeit in der Erscheinungsform trieb­ hafter Handlungen, besonders aber das Streben nach Wiederherstellung eines frü­ heren Zustandes in allen Triebtätigkeiten sprechen deutlich für den erblichen Ur­ sprung der Triebe. Unsere Trieblehre begnügt sich aber nicht mit der Feststellung, daß jede Trieberscheinung von der ganzen Erbgarnitur der Person abhängt. Sie geht weiter und nimmt an, daß spezifische Triebgene existieren, die als spezifische Energiequellen triebhafter Strebungen in der Erbgarnitur fungieren. Das Spezi­ fische der einzelnen Triebgene bedingt die spezielle Qualität der verschiedenen Triebbedürfnisse. Innerhalb eines spezifischen Triebbedürfnisses wird die Man­ nigfaltigkeit der Erscheinungsformen durch die mannigfaltige Variation desselben Triebgens im Sinne der multiplen A.llelie2 aufgefaßt. Jedes spezielle Trieb gen hat also im Triebleben des Menschen sein ganz spezifisches Manifestationsgebiet. Die erfaßbaren Differenzen in der Manifestation ein und desselben Triebgens kommen eben durch die Differenzen der einzelnen Allelvariationen in bezug auf den spezi­ fischen Trieberbstoff zustande. Da also ein und dasselbe Triebgen mehrere (mul­ tiple) Allelvariationen aufweist, welche in beliebigen Kombinationen mit dem Genpartner auftreten können, kann sich ein und dasselbe spezifische Triebgen in verschiedenen Formen von der niedrigsten, inhumanen Tat bis zu der höchsten humanen Tätigkeit manifestieren. Die Schicksalspsychologie nimmt an, daß so1 K_ATZ, D . : Animals and Men, 1937. 2 Unter «multiplen Allelen» versteht die Genetik Variationen ein und desselben Gens, Allels. Sie können in beliebigen Kombinationen mit dem Genpartner auftreten, stehen aber stets an ein und der­ selben Stelle im Chromosom.

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wohl die sogenannte native, urförmige inhumane, wie auch die im Charakter, im Beruf «sozialisierte», ja s ogar die geistig «sublimierte», humane E rscheinungsform, genau so wie die neurotische «krankhafte» Erscheinungsform ein und desselben Triebbedürfnisses auf die individuellen Kombinationen der inhumanen und hu­ manen Allelvariationen zurückzuführen sind. Diese Annahme schließt aber keines­ falls die Rolle des persönlichen, stellung nehmenden Ichs, der persönlichen Verantwortung, also des «freien Willens» aus. Wir behaupten, daß uns schon bei der Befruchtungfür jedes Triebbedürfnis sowohl die inhumane wie auch die humane Schicksalsmöglichkeit mitgegeben wird. Die Person muß dann selbst von den erbgemäß mitgebrachten Schicksals­ möglichkeiten die eine protegieren, bejahen, die andere verneinen. Dieses Anneh­ men, bzw. Ablehnen einer Strebung hängt von der individuellen Idealbildung, von den persönlich erworbenen Identifizierungen ab und steht schon mit dem zweiten Triebkriterium in engem Zusammenhang1. Zweites Kriterium: die Polarität der Triebstrebungen und Triebbedürfnisse. Triebe werden auf Grund der Gentheorie auf Gegensatzpaare von Bedürf­ nissen, Bedürfnisse auf Gegensatzpaare von erblich gegebenen Strebungen auf­ gebaut. Ein Teil dieser Strebungen ist inhumaner, ein anderer humaner Natur. Die meisten Menschen sind aber in be^ugauf die inhumane, b%w. hutnane Na tur ihrer Trieb­ strebungen gemischterbig, also heterozygot. P sychische Erscheinungen, bei denen diese strukturelle Polarität, diese genbiologische Gegensätzlichkeit von Strebungen fehlt, sind keine wirklichen, dynamischen Trieberscheinungen. Drittes Kriterium: die Spannung der Triebe. Der Drang der Triebe. Sie kommt eben durch die Polarität der Strebungen und Bedürfnisse zustande. Sie erscheint als Tnebdrang, dessen Größe von der Größe der Gegensätzlichkeit derjenigen Triebgene abhängt, die ein Bedürfnis, bzw. einen Trieb erbgemäß ge­ meinsam bedingen. Die Spannung der Triebe sichert das Dynamische in allen triebhaften Handlungen. Viertes Kriterium: das physiologische und pathopsycho logische Kriterium der Triebe. Nach diesem Kriterium dürfen wir einen psychischen Vorgang nur dann als «triebhaft» bezeichnen, wenn er in jedem Individuum ohne Ausnahme aufzufin­ den ist. Darin besteht der physiologische Te il dieses Kriteriums. Andererseits aber muß der Vorgang in einer kleinen Gruppe von Menschen in einem so extremen Grade vorhanden sein, daß die Registrierung einer selbständigen Triebkrankheit, bzw. «Geisteskrankheit» notwendig erscheint. Das ist der pathologische Teil dieses Kriteriums. Er beruht auf der folgenden hypothetischen Annahme: Erbbiologisch ist der Unterschied zwischen « Geistes » -Kranken und « Geistes »Gesunden nicht qualitativer, sondern quantitativer Natur. Diejenigen Gene, die eine «idiopathische» Geisteskrankheit determinieren, sind in erster Linie Trieb­ gene, im besonderen 7c8-Triebgene, die in jedem Menschen ohne Ausnahme eben­ falls vorhanden sind; nur die Menge, die Dosierung dieser Triebgene ist bei nor­ malen Individuen kleiner. Wir haben in der Ich-Analyse (1956) nachgewiesen, daß 1 Vgl. hiezu: Ich-Analyse, Kap. XIV, 3 a. S. 231 ff. «Allgemeines über Zwangsschicksal und Wahl­ schicksal». 3 Szondi, Triebdiagnostik

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bei den Geisteskranken die Partizipationstendenz, diese Urform des Ich-Triebs, krankhaft gesteigert ist1. Nach dieser Arbeitshypothese bestimmt also die Stärke der Triebgene mit dem Ich zusammen, ob jemand triebgesund oder triebkrank, bzw. «geistes»gesund oder «geistes»-krank wird. Die These, die aus diesem Kriterium folgt, lautet : Geisteskranke sind vor allem icb-triebkranke Individuen. Der Abbau und Umbau des Ichs und der Gesamtpersönlichkeit sowie die damit verbundenen IntelligenzStörungen sind besondere Formen von Abwehrmechanismen, mit denen der Mensch gefahrbringende Triebbedürfnisse abwehrt. Eine Halluzination oder Wahnidee ist demnach genau so als Abwehrmechanismus aufzufassen, wie etwa der Zwangsmechanismus, das Sich-tot-Stellen, der Bewegungssturm, die Wen­ dung des Sadismus gegen die eigene Person oder irgendein anderer Ich-Mechanis­ mus, mit dessen Hilfe die neurotische Person aus irgendeinem Triebwirbel her­ auszuschwimmen versucht. Nach dieser Arbeitshypothese ist also eine Geistes­ krankheit genau so eine «funktionelle» Störung, wie etwa eine Neurose. Beide besitzen eine erbbedingte Anlage, die darin besteht, daß die Person erbgemäß nur in den Wirbel eines ganz spezifischen Triebbedürfnisses u nd nicht in den eines anderen geraten kann, und daß sie sich zur Abwehr dieser Triebgefahr mit ganz spezi­ fischen Notausgängen, mit einem ganz spezifischen Abwehrmechanismus behelfen muß und nicht mit einem anderen. Funktionell sind aber sowohl die Neurosen wie auch die idiopathischen, endogenen Psychosen reversible, psychische Erschei­ nungen. Diese These habe ich im Triebexperiment beweisen können. Schizo­ phrene zeigen z. B. schon 30 Minuten nach einem Elektroschock ihre prämorbide, «gesunde» Triebstruktur, die also während des schizophrenen Schubs latent, un­ versehrt vorhanden sein mußte. Nach einem künstlichen Hervorrufen der alten «gesunden» Triebstruktur verschwinden vorübergehend die «organischen» schizophrenen Symptome. Es wurde aber bisher der Weg noch nicht gefunden, um die « gesunde » Triebstruktur auf die Dauer auf der Bühne festzuhalten, zu bewahren. Auch die Frage, welche inneren und äußeren Faktoren es bestimmen, daß eine erbgemäße größere Dosierung gewisser Triebgene sich zeitweise in Form einer Psychose manifestieren kann, ist derzeit unbeantwortet. Unsere Experimente haben es aber bewiesen, daß die Anwesenheit, bzw. Abwesenheit psychotischer Erscheinungen in erster Linie von der sich aktuell manifestierenden Trieb- und Ich-Struktur der Person abhängt, ferner, daß die «gesunde» Trieb­ struktur auch in der psychotischen Phase in der Person unversehrt latent vor­ handen ist. Was bedeutet dieses Kriterium für den Aufbau eines Triebsystems ? Offenbar folgendes : Ein Triebsystem muß aus Triebgegensatzpaaren konstituiert werden, die einer­ seits in jedem Individuum vorhanden sind, andererseits mit den pathopsychologischen, d . h. psychiatrischen Erbkreisen genau übereinstimmen. Bei der Anwendung des pathopsychologischen Kriteriums dürften diejenigen Erbverhältnisse maßgebend sein, die bei zwei Menschengruppen anzutreffen sind : 1. bei den Geisteskranken und 2. bei den Neurod kern. Gesunde Individuen s ind ja aamvr 2264 2,2- #mMA,r,2, 2». 4. 44/260^goA2, dw 3&W4<,2 7n,4g;2, 32 Einzeldosis in sich tragen, welche in doppelter Dosierung als Triebkrankheiten erscheinen. 1 Ich-Analyse, S. 417-463.

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Die psychiatrische Vererbungslehre hat bisher drei selbständige Erbkreise der Geisteskrankheiten festgestellt. Diese sind: I. Der schi^oforme oder kurz Sch-Erbkreis, in welchen die katatonen und para­ noiden Geisteskrankheiten gehören (RÜDIN, HOFFMANN, LUXENBURGER USW.). II. Der zirkuläre oder manisch-depressive, k urz C-Erbkreis (HOFFMANN, RÜDIN, LUXENBURGER, LENZ). III. Der epileptiforme (BRATZ) oder paroxysmale (SZONDI), kurz P-Erbkreis.

Zu diesem fügen wir nun als vierten den IV. S-Erbkreis, also den der sexuellen Triebkrankheiten: hieher gehören die Hermaphroditen, Homosexuellen, Sadisten und Masochisten. Von diesem Kreis haben PILTZ, MAGNUS HIRSCHFELD, VON RÖ MER, THEO LANG und andere nach­ gewiesen, daß die hieher gehörigen pathologischen Erscheinungen einen selb­ ständigen Erbgang haben. Diese vier Erbkreise von Triebkrankheiten lassen sich zusammenfassend folgen­ dermaßen charakterisieren : Die Abgrenzung dieser Krankheitskreise von der Norm ist nicht scharf. Die Manifestation der Gengruppe, die die schizoformen Reaktionen determi­ niert, bildet eine sehr breite Variationsreihe, deren einer Pol - und zwar derjenige in der Normaiitätszone - die schizothyme Triebkonstitution, deren anderer Pol auf dem Gebiete der Psychopathologie - die Schizophrenie (dementia praecox) ist (KRETSCHMER, S ALLER usw.). Zwischen den zwei Polen befindet sich eine ganze Reihe von neurotischen Erscheinungen. Ähnlich verhält es sich beim Erb­ kreis der zirkulären, epileptiformen und sexuellen Erkrankungen. Die Trieb­ bedürfnisse, deren extreme Repräsentanten die schizophrenen, maniaco-depressiven, epileptischen und sexuell abnormen Individuen sind, lassen sich also auch bei den geistig Gesunden ohne Ausnahme auffinden, teils auf einer früheren Stufe der natürlichen Triebentwicklung, teils im Charakter, bzw. in einer sozialisierten, sublimierten Form. Zum Teil manifestieren sie sich in den einzelnen Berufen, wo sie als spezifisch «operotropisierte» Interessenkreise des betreffenden Berufs (z. B. Damenfriseur, Metzger, Mönch, Psychiater) erscheinen, oder in bevorzugten Unterhaltungsformen (Hobby, Sport usw.), vielfach aber auch in genotropistischer Wahl in Liebe und Freundschaft. In der «Schicksalsanalyse»1 haben wir diese Erscheinungen mit zahlreichen Beispielen belegt. Die Grundhypothese der Schicksalsanalyse besteht eben in der Annahme, daß dieselben Gene, die in doppelter, in «Volldosis», Krankheit und Tod führen können, in einfacher D osis, also bei den «w dû I/Wü# W

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dernde Wirkung ausüben. Diese Annahme der Schicksalsanalyse wurde von den Schulgenetikern zurückgewiesen. Es häufen sich aber jährlich experimentalgenetische Ergebnisse, besonders bei Pflanzen, aber auch im Tierreich, die die obige These der Schicksalsanalyse bestätigen. Eine vortreffliche Zusammenfas­ sung der entsprechenden Ergebnisse verdanken wir AKE GUSTAFSSON2 aus dem erbwissenschaftlichen Institut Svalöf in Schweden. GUSTAFSSON m acht eine Reihe von Angaben, welche eindeutig zeigen, daß letale Gene, falls sie in Ein^eldosis, in 1 SzoNDi, L. : Schicksalsanalyse. Benno Schwabe, Basel 1944. Als Band VI der Bücherreihe: Psycho­ hygiene, Wissenschaft und Praxis. Herausgegeben von Heinrich Meng. II. Aufl. 1948, III. Aufl. 1965. 2 GUSTAFSSON, Ake: The Effect of Heterozygosity on Variability and Vigour. Hereditas. XXXII. 1946.

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Heterozygote (Heterose) vorhanden sind, die Lebensfähigkeit %u steigern vermögen. Die Lebenskraft wird auch im allgemeinen Sinne günstig beeinflußt: die Fort­ pflanzungsfähigkeit zusammen mit Merkmalen, wie z. B. Halmlänge, Ährenlänge und Bestockungsfähigkeit wird bei einigen Pflanzen bei Anwesenheit der letalen Gene in Ein^eldosis gesteigert1. Auch bei Tieren ist die gesteigerte Lebenskraft der heterozygoten letalen Muta­ tionen nachgewiesen worden, aber nur für einen Teil des Lebenszyklus -. Für die Theorie der Schicksalsanalyse ist die Feststellung wichtig, daß der heterozygote Zustand eine Vorbedingung für hohe Modifikationsfähigkeit dar­ stellt; die reine homozygote Linie ist im Grunde eine Beeinträchtigung der Ent­ wicklung. Die Annahme also, daß die gleichen Gene, die in «Doppeldosis» eine Krank­ heit - z. B. die paranoide Schizophrenie - bedingen, in Einzeldosis eine hochwer­ tige Fähigkeit - z. B. die zur Psychiatrie - verursachen können, scheint im Lichte der erwähnten experimental-genetischen Untersuchungen doch nicht so gewagt zu sein, wie man es zur Zeit meiner ersten Publikationen angenommen hat. Fünftes Kriterium: der selbständige Erbgang. Nach dem fünften Kriterium müssen wir nachweisen, daß das in Frage stehende Triebbedürfnis selbständig vererbt wird. In der Genetik spricht man von selbständiger Vererbung, wenn sich ein Merkmal (bzw. eine Krankheit) an spezifische Gene gebunden vererbt. Naturgemäß können wir den selbständigen Erbgang am leich­ testen gerade bei den extremsten Formen, bei den Geistes-, bzw. Triebkrank­ heiten, also bei den «Homozygoten» nachweisen. Die Vererbungslehre ist heute noch weit davon entfernt, den Erbgang der angeführten vier Krankheitskreise mit erbmathematischer Genauigkeit endgültig festzustellen. Die Ergebnisse der großangelegten Erbforschungen haben jedoc h bewi esen, daß die erwähnten triebpsychologischen Erscheinungen selbständig vererbt werden3> 4. i. Das Triebsystem der Schicksalsanalyse Entsprechend den vier selbständig vererbbaren Erkrankungskreisen der Triebe dürfen wir nicht weniger und nicht mehr Triebe annehmen als vier. Die vier Triebe werden « Triebvektoren» genannt. Wie in der Mathematik der Aus­ druck «Vektor» eine begrenzte Strecke mit Richtungssinn bedeutet, so will die Benennung «Triebvektor» in der experimentellen Triebdiagnostik ein begrenztes Triebquantum mit spezieller Triebrichtung angeben, in welcher sich die ver­ schränkten Triebbedürfnisse und Triebstrebungen manifestieren. Die vier Triebe, b%tv. Triebvektoren s i n d : I. T-Vektor: Sexualtrieb. II. 8-Vektor: Paroxysmal-, Überraschungstntb. III. .VAVektor: /rATrieb. IV. C-Vektor: Kontakt{rieh. 1 RASMUSSON 1927. MANGELSDORF 1928, GUSTAFSSON 1938, STUBBE u nd PIRSCHLE 1941. * NABOURS und KINGSLEY 1934, MASING (1938, 1939), TIMOFÉEFF-RESSOVSKY 1940 (zitiert nach A. GUSTAFSSON). ' SALUER, K.: Erblichkeitslehrc und Eugenik. Springer, Berlin, 1932. J v. VERSCHUER: E rbpathologie. Steinkopff, Dresden, 1934.


Da jeder der vier psychopathologischen Erbkreise zwei klinisch und genetisch abtrennbare Erscheinungsformen aufweist, kommen wir also insgesamt acht spezi­ fischen Triebbedürfnissen, die wir «Triebfaktoren» nennen. Diese acht Triebfaktoren sind die Radikale des Trieblebens.) Die acht seelischen Erbkrankheiten, von denen je zwei einen gemeinsamen Erb kreis umfassen, sind: Erbkreis der I. sexuellen Erkrankungen II. paroxysmalen Erkrankungen III. schizpformen E rkrankungen IV. zirkulären Erkrankungen

1. Hermaphroditismus und Homosex ualität ( h ) 2. Sadismus ( s ) 3. Epilepsie (e) 4. Hysterie (by) 5. katatone (k) Schizophrenie 6. paranoide ( p ) 7. depressive ( d ) Zustände 8. manische (tu)

Wir nehmen an, daß die pathologischen und die physiologischen Triebgene auf dem Wege der Mutation zustande gekommene Formen derselben U rtriebgene sind. Darum unterscheiden wir acht spezifische Triebbedürfnisse, die bereits oben genannten « Triebfaktoren», von denen je z wei einem gemeinsamen Triebvektor angehören. Das schicksalsanalytische Triebsystem kennt demnach sechzehn Trieb­ tendenzen, acht Triebbedürfnisse und vier Triebe. Schema 1 gibt das Schema des Aufbaus der Triebe, Tabelle 1 eine Übersicht über das Triebsystem der experimentellen Triebdiagnostik.

4. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren Triebfaktoren sind die Radikale des Trieblebens. Sie tragen somit die Eigen­ schaften aller Radikale. Eine dieser «radikalen» Eigenschaften der Triebfaktoren ist die Wandlungsfähigkeit des Erscheinungsbildes. W ir nennen diese möglichen Varia­ tionen einfach die «.Schicksalsmöglichkeiteny> der einzelnen Triebfaktoren. Dieser Fähigkeit zur Metamorphose ist es zu verdanken, daß der Mensch ein Lebewesen mit mehreren Schicksalsmöglichkeiten ist und kein Wesen mit nur einem, im voraus be­ stimmten Schicksal. Zum Verständnis dieser mehrfachen (multiplen) Schicksals­ möglichkeiten der acht Triebfaktoren des Menschen müssen wir hier folgendes hervorheben : ) 1. Jedem Triebfaktor, als Schichalsradikale, entspricht eine phylogenetische, stammesgeschichtliche Urfo rm in der Erscheinung, die wir schon im Tierreich, insbesondere in der Ordnung der Primaten vorfinden. Nur die sogenannte n Ich-Faktoren, also das Bedürfnis der Egosystole, Faktor k, und der Egodiastole, Faktorp, haben keine Urform im Tierreich. Diese zwei Triebfaktoren sind dem Menschen eigentümlich und treten zuerst beim homo sapiens in Form einer /V-Bildung auf. 2. Jeder Triebfaktor hat eine beson dere frühkindliche Erscheinungsform, die sich mit den «prägenitalen Partialtrieben» FREUDS völlig deckt.


Schema 1. Aufbau des schicksalsanalytischen Triebsystems Tendenz 1

Tendenz 7

QTj-

—b

I

+' h

I

•b y

+ * t-

-by

Sinnliche, geschlechtlich nicht IJ diflcrenzierte, persönliche Zärt­ lichkeit. Tendenz

Idealistische, kol­ lektive Liebe der Menschheit. Ten­ denz zur

Aktivität, Aggres­ sion. Tendenz zum

Passivität, Hingabe. Tendenz zum

Tendenz zum Gu­ ten, zu kollektiver Gerechtigkeit, zum Aufbau einer Gewissens­ schranke:

Tendenz zum Bö­ sen, zur Aufstau­ ung grober Affekte (Wut, Haß, Neid, Zorn, Eifersucht und Rache):

Geltungsdrang, Tendenz zum Sich-zur-SchauTragen:

Drang, sich zu ver­ bergen; Tendenz zum Aufbau einer Scham- und Ekel­ schranke:

1. Personenlitbe

2. Menschheitsliebe

3. Sadismus

4. Masochismu

5. Abellendenz

6. Kaintendenz

7. Exhibitionismus

8. Sich- Verbergen

1. J

^

IF

aktor

4.

Bedürfnis nach persönlicher und kollektiver Zärtlichkeit

Trieb I Vektor

Tendenz 10

I +k \-

Bedürfnis nach Aktivität — Passivität (Sadomasochismus)

S

Bedürfnis nach ethischem Verhalten

Sexualtrieb

I

Tendenz 13

6

"by

ktor

Uberraschungstrieb

Tendenz 14

nm_

I Fa

Bedürfnis nach moralischem Verhalten

Trieb II Vektor

Tendenz 11

j

Tendenz 16

i

à

4- m

Tendenz zur Ein­ verleibung, zur Bildung von Be­ sitz-, Objektidealen:

Tendenz zur Ver­ neinung, zum Verzichten, zur Hemmung, Ver­ drängung und Entwertung :

Tendenz zur Be­ wußtmach ung, zur Bildung von Ich-Idealen, zur Besessenheit von Ambitendenzen:

Tendenz zur Hin­ ausverlegung un­ bewußter Regungen in die Außen-

Tendenz zum Su­ chen nach neuen Wertobjekten, Tendenz zur

Tendenz zum Kle­ ben, zum NichtNeues-Suchen, Tendenz zur

Tendenz zur An­ klammerung am alten Objekt. Ten­ denz, das Erwor­ bene zu sichern. Tendenz zur

Tendenz zur Ab­ trennung, Ten­ denz zur

9. Introjektion

10. Negation

11. Inflation

12. Projektion

13. Erwerbung und Veränderung

14. Beharrung

15. Anklammtrung und Sicherung

16. Ablösung

6i Bedürfnis nach Ich-Einengung (Egosystole)

Trieb III Vektor

I Fa

ktor

Bedürfnis nach Ich-Ausdehnung (Egodiastole)

Seh Ich-Trieb

7.r

d

I

I Fa

ktor

Bedürfnis nach Suchen, Erwerben und Kleben

Trieb IV Vektor

Bedürfnis nach AnkJammcrung, Sicherung und Abtrennung

C

Kontakttrieb


Tabelle 1. Das Triebsystem der experimentellen Triebdiagnostik Zeichen

+

b

~h

Die 16 Arten der Triebstrebungen — Triebtendenzen 1. Tendenz zu persönlicher Zärtlich­ I keit und Liebe; 1 ( 2. Tendenz zu kollektiver, humanisier­ ter Zärtlichkeit, zur Menschheitsliebe.

4- s

3. Tendenz zu Sadismus, Aggression, Aktivität;

—s

4. Tendenz zur Zivilisation, zu kol­ lektiver Ritterlichkeit, Aufopfe­ rung, Demut bzw. zu Passivitätund Masochismus.

+ e

5. Tendenz zum Guten, zu kollektiver Gerechtigkeit, Toleranz, Gütig­ keit, Hilfsbereitschaft, Frömmig­ keit, zum MWanspruch; 6. Tendenz zum Bosen, d.h. zur Auf­ stauung von Wut, Hass, Zorn, Rache, Ungerechtigkeit, Intole­ ranz, zum iuwtfanspruch.

+ hy

7. Tendenz zum schamlosen Sich-^jirSchati-Steilen, Geltungsdrang;

-by

8. Tendenz zur kollektiven Schamhaftigkeit, zum Aufbau einer Phantasie­ welt.

4" k

9. Tendenz zum Autismus, Egoismus, Egozentrismus, Narzißmus, zur Introjektion, %ur Ma cht durch Haben;

— k

10. Tendenz zur Anpassung an das Kollektivum, zur Verdrängung, zum Verzichten und zur ichhaften De­ struktion.

+ P

11. Tendenz zur Ausdehnung des Ichs (Inflation), zur Macht durch Sein,

—P

12. Tendenz•zutPartiypalion: Einsseinund Gleichsein mit dem anderen. Tendenz zur Projektion.

+

d

13. Tendenz zur Werterwerbung zu Un­ gunsten anderer, zum Suchen neuer Objekte, zur Untreue;

—d

14. Tendenz zur Entsagung zugunsten aller Menschen, zur Treue, zur Analität, zum Kleben.

+ nt

15. Tendenz zur Anklammerung an das alte Objekt (Ding, Person); zur Oralität, zum Hedonismus.

m

16. Tendenz zum Sich-Abtrennen, zur Einsamkeit.

Die 8 Triebfaktoren — Triebbedt'irfnisse

Die 4 Trieb­ vektoren = Triebe

I. Weiblichkeit, Mütterlichkeit h-Faktor = /iraffaktor II. Männlichkeit, Väterlichkeit r-Faktor — Destruktions-, Thanatosfaktor

III. Abel- und Kainbedürfnis. Der Wunsch zu tö­ ten und das innere Ge­ setz gegen d as Töten g-Faktor = Ethosfaktor

IV. Geltungsbedürfnis, Ex­ hibitionismus und der Drang, sichzu verbergen hy-Faktor = Moraliaktor V. Ich-Einengung, Ego­ systole, das stellungneh­ mende, materielle Ich, das Haben: ^-Faktor = Systolefaktor gegenüber der Ich-Ausdehnung VI. Ich-Ausdehnung, Egodiastole, das geistige Ich, das Sein: p-Faktor = Diastolefaktor

VII. Erwerbungsbedürfnis; Bedürfnis nach Suchen und Kleben ^-Faktor = Faktor der TreueUntreue VIII. Anklammerungs- und Ablösungsbedürfnis »-Faktor = Faktor der Anklammerung und Ablösung (I. HERMANN)

I. • ^-Vektor Sexualtrieb

II. P-Vektor Paroxysmaltrieb Überraschungstrieb Trieb des ethischmoralischen Verhaltens

III. 3V/;-Vektor • Ich-Trieb Das Haben und das Sein

IV. C-Vektor Kontaktttieb Sozj^ltntb


Tabelle 2a. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren TRIEBFAKTOREN —• h

s

e

1. Phylogenetische, tierische

Plermaphroditische Liebe

Raub- und Angriffsbedürfnis

Sich-tot-Stellen

Bewegungssturm

II. Frühkindliche (nach FREUD prägenitale) Partialtriehe

Bisexuelle Erotik

Sadistische Erotik

Urethrale Erotik (Bettnässen)

Zeigelust, Exhibieren und Schaulust

III. Reifet Erwachsene

a) Personenliebe + h

a) Aktivität y Selbsterhaltung + j" mit + à

b) Menschheits­ liebe — b

b) Passivität Hingabe —s

ERSCHEINUNGSEBENE ^

IV a) Sozialisierung im Charakter

a) Warme y weiche Charakterfüge: «Herzwesen», Zärtlichkeit, Mütterlichkeit, Wunsch, be­ schenkt zu wer­ den, Drang nach Aufputz, Schminke; Sen­ timentalität, Ei­ telkeit, Instinkti­ vität, «Fühlen» der Dinge, Sub­ jektivität, Beein­ flußbarkeit, kindliches Ver­ trauen, lyrische Interessen. b) Kulturdrang, Natur- und Menschheits­ liebe

a) Kühle y harte Charakterzüge: Gewaltsamkeit, Angriffslust, Tatendrang, Le­ bensdrang, Un­ ternehmungsdrang, Zerstö­ rungslust, Kri­ tiklust, Hart­ näckigkeit, Selbstsicherheit, Objektivität, Wesensschau, Realitätssinn, Orientierungs­ vermögen; b) Hingabe, De­ mut, Aufopfe­ rung, Wunsch, zu geben,andere zu schützen; andere zu schmücken, Zivilisierungsdrang

by

Sehnt%triebe:

Überrasch mgstrieb: a) Gavissensa) Geltungsdrang Zensur + hy «Abel»Anspruch + e b) Aufstauung grober Affekte (Wut, Haß, Zorn, Rache, Neid, Eifersucht) Kain-Anspruch —e a) Barmherzig­ keit, Güte, Milde, Arglosigkeit, Mitleid, Wohl­ wollen, Teil­ nahmefähigkeit, Toleranz, Gewis­ senhaftigkeit, Frömmigkeit, Wahrheits­ pathos. Ethischer Drang. b) Böswilligkeit, Anlage zu: Wut, Haß, Neid, Eifer­ sucht, Zorn, Rachsüchtigkeit, Schadenfreude, Mitleidlosigkeit, Gefühllosigkeit. Explosionsdrang

b) Moralische Zensur — hy c) Aufbau einer Phantasiewelt -hy

a) Geltungsbe­ dürftigkeit, Bei­ fallsbedürftigkeit, Ruhmsucht, Eitelkeit, Zeige­ lust, Gefallsucht, Koketterie, Wille zur Beliebtheit. Schauspieldrang. b) Schalkhaftig­ keit, Scheu, Wunsch, sich zu verbergen, irreale Phantasiewelt, Lamentieren (± by)y Lügen­ haftigkeit, Ängstlichkeit

3. Die bipolare Natur eines jeden Triebfaktors, als Radikale des Schicksals, kann sich schon in der ersten Pubertät (drei bis sechs Jahre) manifestieren. Das Zweipolige der Triebfaktoren - wie Personenliebe-Menschenliebe (h), Aktivität-Passivität (.r),


Tabelle 2 b. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren Triebfaktoren —>• Erscheinungsebene ^ Phylogenetische, tierische

A ttf-Suche-Gehen nach N ahrungs-, Piebesobjekten

Sich-A nklammern an die Mutter, an den Baum usw.

IL Frühkindliche (nach FREUD prägenitale) Partialtriehe

Urnar^ißmus Hrste Phase der Introjektion Aufbau der Wahrneh­ mungswelt

Urprojektion Dualunion mit der Mutter Partizipation

Analität Analerotik

Oralität Oralerotik

III. Reife, Erwachsene

Egosystole Autismus a) Aufbau der BesitObjektideale + k b) Negation Verzichten Verneinung Verdrängung —k

Egodiastole a) Aufbau der leb-Ideale Geistige Tendenzen +P b) Projektion Partizipation —P

a) Erwerbimgs­ drang Veränderungs­ drang T d b) Drang Kleben Bebarrungstendenz Sammelbedürfnis —d

a) Sicberungsdrang der erworbenen O b­ jekte. Oralität Drang, so ange­ nommen und be­ stätigt zu werden, wie man ist Frustration, Kastration + w

a) Introversion Egoismus, Ego­ zentrismus, Narzißmus, Autismus, Macht­ sucht, Nüchtern­ heit, Trocken­ heit, Verstandes­ herrschaft, Kenntnisdrang, Formliebe, Liebe zur Logik, Realis­ mus, Rationalis­ mus, Monotonie, Ordnungszwang, Pedanterie, Starrsinn.

a) Extraversion, Leidenschaftlich­ keit, Anbetungs­ drang, Schwär­ merei, Enthu­ siasmus, Beses­ senheit, Partei­ lichkeit, Pathos-, Rang- u. Standes­ gefühl, Herrsch­ sucht, Selbst­ überschätzung, Größenwahn, Hochmut, Auf­ geblasenheit, Rivalisierungsdrang.

a) Erwerbssinn, ewiges Suchen, Neugierde, Neuerungssiicht, Un­ treue, Ver­ schwendungs­ lust, Freigebig­ keit, Maßlosig­ keit, Haltlosig­ keit.

a) Anklammerungsdrang, Slcherungs^wangy Ge­ nußdrang, Ver­ gnügungsdrang, Heiterkeit, Ge­ mütlichkeit, Launenhaftigkeit, Angst, das Objekt zu verlieren.

b) Treue, Treu­ herzigkeit, Spar­ lust, Sammellust, Habgier, Geiz, Entsagungs­ freude, Konser­ vativismus, Kri­ tiklust, Schwer­ mut, Beharrungs­ drang

b) Einsamkeit, Abgetrenntheit, Verwaistheit, Verwahrlosung, Haschen, Hasten, irreale Bindung an die Welt (Anlage zu Süchtigkeit, Haltlosigkeit)

IV a) So^jalisierung im Charakter

b) Verneinnngsdrang, Absonde­ rungsdrang, Anlage zur Hem­ mung und Ver­ drängung, Destruktionsdram

b) Selbst/mterschät'gimg, Klein­ heitswahn, Selbstquälerei, Vorsicht, Miß­ trauen, Sündcnbocksucherci, Nachtragerci, Zanksucht, Überempfind­ lichkeit, Ressenti­ ment, Beschuldi­ gungsdrang, Qucrulanzdrang Minderwertigkeit

b) Abtrennungs­ drang

41


Tabelle 2c. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren Triebfaktoren —>• Erscheinungsebene y IV b) So^ialisienmg im Beruf (Hier werden nur einige Beispiele mitgeteilt. Nähe­ res siehe «Schick­ salsanalyse», Tab. 17, S.338-342)

by

b a) Coiffeur-Coif­ feuse, Badeangcstellte, Bedie­ nungsberufe, Hotelier, Kellner, Zuckerbäcker, Koch, Wäscheerzeuger, Mode­ zeichner, Tänzer, Artisten, Spionage b) Musik, lyrische Dichter, Gynäkologie. Arzt für Haut- und Geschlechtskranke, Sexualpathologe, Irrenpfleger (-in)

a) Metzger, Mes­ serschmied, Mani­ küre, Operations­ schwester, Chirurg, PathologAnatom, Richter Scharfrichter; b) Forstarbeiter, Holzhauer; c) Steinhauer; d) Bildhauer, Zahnarzt; e) Fuhrmann, Tierbändiger, Tiergartenangestellter, Tierarzt; f) Ringkämpfer, Turnlehrer, Masseur; g) Chauffeur, Jäger, Soldat; b) Landwirt

V. Siiblimierung

Kultur Literarische Humanisten

VI. Symptombildung und Krankheits­ formen

a) HermaphroditismuSy Transvestis­ mus, Homosexua­ lität; b) Defraudant, Prostitution, Kuppler, Zuhälter

Technik Zivilisation « Staatliches) Humanisten

a) Sadismus, Päderastie, Sodo­ mie, Sadomasochismus (Metatropismus), Masochismus, Fetischismus; b) Lustmörder, Raubmörder, Ausschläge

a) Verkehrsberufe: Laufbursche, Seemann, Chauf­ feur, Flieger, Eisenbahnangcstcllter; b) Bergmann, Schmied, Heizer, Schornsteinfeger, Feuerwehr, Pyrotechniker, Bäcker;

a) Schauspieler; b) Politiker; c) Artistenberufe; d) Straßenaus­ rufer, Marktver­ käufer; e) Modelle, Mannequins; f) Künstler usw.

c) Explosions­ berufe: Flammen­ werfer, Gruben­ arbeiter, Pulver­ fabrikant usw. ; d) Heilige Berufe: Nonne, Mönch, Pastor, Gesund­ heitsschutz, Krankenpfleger Ethik Religion Kirchliche religiöse und ethische Humanisten a) Genuine Epi­ lepsie und ihre Äquivalente : Migräne, Stottern, Vasoneurose, Asthma, Rhinitis vasomotorica, Ekzem, allergische Erkrankungen, Bettnässen usw. ; Paranoid auf epileptischer Basis b) Klepto-, Pyro­ manie, Poriomanie, Affekt­ mörder

Schauspielkunst und Kunst im allgemeinen

a) Hysterie y Pho­ bie, Pavor noct., Pseudologia phantastica, Konversionen; b) Hochstapelei

Abelanspruch-Kainanspruch (g), Geltungsdrang-Schamhaftigkeit (hy), AutismusNegation (/è), Inflation-Projektion (J>), Suchen-Kleben (d), Sich-AnklammernAbtrennen (») - bedingt Gegensätzlichkeiten, die nach Untersuchungen mit dem Triebtest schon im Frühkindesalter feststellbar sind. 4. yö&r Tn'g^/org« g;«g ^gjo*^g ww g^ara^gr^g» Eigenschaftsverbänden, di e man für eine normale Charaktertypologie auswerten kann.


Tabelle 2d. Wandlung der Erscheinungsformen der Triebfaktoren Triebfaktoren —•» Erscheinungsebene ^ IVb) Sozialisierung im Beruf (Hier werden nur einige Beispiele mitgeteilt. Nähe­ res siehe «Schick­ salsanalyse», Tab. 17, S. 338-342)

p

k

a) Lehrer, Pro­ fessor (für Mathe­ matik, Physik, Philosophie, Nationalökono­ mie) ; b) Soldaten; c) Ingenieure; d) Kunstkritiker; e) Buchhalter, Postbeamter, Drucker; f) Landwirt usw.

a) Erfinder; b) Dichter; Schriftsteller; c) Psychologe, Psychiater; d) Mythologe, Mystiker, Archä­ ologe, Geologe, Paläontologe; e) Expeditions­ leiter, Missionar; f) Musiker; g) Apotheker, Chemiker, Toxikologe usw.

d

a) Antiquitäten­ händler, Muse­ umsangestellter, Kunstsammler;

Denkkunst Philosophie Metaphysik Ästhetik Logik Mathematik Sozialistische Humanisten

Dichtung Forschung SchÖpferischgeistige Humanisten

VI. Symptombildung und Krankheits­ formen

a) Katatoniey Schizoidie, Zwangsneurose, Konversions­ hysterie, Hypo­ chondrie, Feti­ schismus und an­ dere Perversionen

a) Paranoidy Schi­ zophrenie, Qucrulanz, Größen­ wahn, Narko­ manie;

b) Arbeitsscheu, Einbrecher

b) politische Verbrecher mit Größenwahn, Hochstapelei, Schwindler

a) Sprachlehrer, Zahnarzt, Zahn­ chirurg;

b) Kunstkritiker; c) Maler, An­ streicher;

b) Börsianer, Bankier; c) Einkäufer, Agent, Vertreter;

d) Bankier, Pfandleihanstaltsangestellter;

d) Koch, Gast­ wirt, Cafetier, Barmixer, Wcinkoster;

e) Abfallsammler; Straßenkehrer;

e) Musik: Blas­ instrumente, Jazz; f) Film, Musik­ schule, Konzert­ büroleiter usw.

f) chemische Reiniger, Zyanierer; g) als Arzt : Darmspezialist usw.

V. Sublimienmg

m

Nationalökonomie ökonomische Humanisten

a) Depression, Melancholie, Haltlosigkeit, Fetischismus ; b) Diebe, Halt­ lose

Sprachkunst und Kunst im allgemeinen

a) Manie, Hypomanie, Sucht­ krankheiten (Trunksucht), Haltlosigkeit; b) Hochstapelei, Betrug, Bigamie

5. ya&r Tr/g^/or gwg* ^gr«/}^rgù W g^ 6gjw%6rg« sozialen Kreis1. (3. Jeder Triebfaktor bedingt eine besondere Art der ge istigen Tä tigkeit. Die acht Trieb/ö&knw rg/,räfg«dgrg« ^ Z/g/f/g« [/r/ng^/g(&r» ;« Jgr Cg;j/gj/äA^;/. J;g j;W ab a«A-g^g%6« fa^rg« W ^Äwwg«, o^ygwW j««ggg^g« Fähigkeiten dem Gebiete der allgemeinen Kultur und Humanität (h), Technik u nd Zivili­ sation (s), Religion, E thik (e), der Schauspielkunst (hy), der Philosophie, Metaphysik, Mathematik, Eogik (k), der Dichtung, Forschung (p ), der Volkswirtschaft, National1 Schicksalsanalyse. III. Aufl. S. 260-342.

43^


Ökonomie, Kunstsammlungen (d) oder der Sprachkunst (Redner, Sänger usw.) (m) wid­ met. Im Kapitel über die Suhlimierung wird davon zu reden sein, daß wir diese nicht, wie FREUD, als eine Verschiebung und selbsttätige Umbildung gefahrbringender 9/. À Sexualtendenzen auffassen, sondern daß es genuine Tendenzen in individuell-variabler Quantität und Qualität jedem Menseben al s Schicksals«9,6 WO»

7. Die acht Triebfaktoren bedingen gan^ besondere Symptomenkomplexe, d ie als ganz besondere primäre und von anderen F aktoren unableitbare Symptome bei speziel­ len Trieb- und Geisteskrankheiten erscheinen können. In der Tabelle 2 haben wir die Schicksalsmöglichkeiten der acht Triebfaktoren zusammengestellt. Hier findet der Leser für jeden Triebfaktor unter I. die phylo­ genetischen, noch rein tierischen, unter II. die frühkindlichen prägenitalen, unter III. die reifen, erwachsenen, unter IV a) die im Charakter, unter IV b) die im Be­ ruf sozialisierten, unter V. die sublimierten und unter VI. die symptombildenden Erscheinungsformen. Tabelle 2 enthält Erfahrungen und Zusammenhänge, die wir durch genealo­ gische, schicksalspsychologische und psychoanalytische Untersuchungen vier Jahrzehnte hindurch gesammelt haben, und die in der Praxis immer wieder be­ stätigt wurden. Sie gibt auch eine Antwort auf die uns wiederholt gestellte Frage: Wie kann die Schicksalspsychologie die Mannigfaltigkeit des Trieb- und IchLebens mit nur acht Faktoren erklären? Alle Vorschläge aber, die wir in den ver­ gangenen 30 Jahren in bezug auf die «neuen» Triebfaktoren von verschiedenen Seiten erhalten haben, erwiesen sich bei der Nachprüfung als unrichtig. Sie haben sich ohne Ausnahme nur als besondere Variationen der Erscheinungsform irgend­ eines Faktors des genetischen Triebsystems entpuppt. So fußt unser Triebsystem weiterhin auf den acht Triebfaktoren, die wir im Jahre 1937 aufgestellt und im Jahre 1939 zum ersten Male publiziert haben1. Nach der Erörterung der elementaren Grundfunktionen der 16 Triebtenden­ zen, acht Triebbedürfnissen und vier Trieben können wir nun zu der Testmethodik übergehen.

Abschnitt II

ALLGEMEINE METHODIK DES TESTENS Kapitel III

DAS WESEN DER METHODE Unser Test ist ein experimentelles Verfahren zur Erforschung der individuell variablen Trieb- und Ich-Funktionen. Sein Grundprinzip ist die Interpretation 1 SZONDI, L. : Ösztön és nevelés (Trieb und Erziehung). Lélektani Tanulmànyok. Bd. III. Hgb. vom Psych. Institut der Universität Budapest, 1939.


einfacher triebhafter Wahlhandlungen. Der Versuchsperson wird die Aufgabe ge­ stellt, aus sechs Serien von Photographien, die aus je acht Einzelbildern bestehen, diejenigen auszuwählen, die ihr am sympathischsten und am unsympathischsten erscheinen. Die Photographien stellen Individuen dar, die an schweren manifesten T rieb­ krankheiten leiden, und deren Krankheitsgeschichte und klinische Diagnose genau bekannt sind. Die meisten dieser Kranken sind auch genealogisch erforscht wor­ den, so daß die genuine Natur ihrer Krankheit feststeht. Man könnte daran denken, daß unter derartigen Kranken kein sympathisches oder unsympathisches Gesicht zu finden wäre. Diese Annahme erwies sich aber im Laufe der Versuche als unbegründet. Fast täglich machen wir die Erfahrung, daß eine Photographie, die die eine Versuchsperson am sympathischsten findet, der an­ deren am unsympathischsten erscheint. Die Photographien stellen Kranke der acht Triebfaktoren dar. Die verschie­ denen Triebfaktoren werden durch je s echs Photographien, welche Kranke des betreffenden Triebfaktors darstellen, vertreten. Die Kranken der einzelnen Trieb­ faktoren sind also der Zahl nach gleichmäßig verteilt. Doch hat es sich im Laufe der Versuche herausgestellt, daß die meisten Versuchspersonen: 1. die Bilder eines bestimmten Faktors (selten zweier oder dreier) überhaupt nicht wählen, oder höchstens eines von ihnen; 2. aber die Bilder eines anderen Triebfaktors in auffallend großer Zahl wählen, vier, manchmal fünf oder sogar alle sechs. Die Bedeutung dieser zwei Reaktionen, also der Wahl von «Nichts» bzw. «Allem», für die einzelnen Triebfaktoren wird bei der Auswertung der Triebprofile ausführlich besprochen. Das Ergebnis in bezug auf einen bestimmten Faktor wird von den Wahlen sympathischer und unsympathischer Bilder zusammen bestimmt. Graphisch wer­ den die Einzelergebnisse als ein « Triebprofih dargestellt. Die Triebprofile sind aus den schon erwähnten Gründen alle voneinander verschieden. Unter den vielen tausenden Triebprofilen gab es selten zwei ganz gleiche. Zwei Profile, die auch quantitativ fast gleich waren, erhielten wir bei einem eineiigen Zwillingspaar; ein Befund, der klar darauf hinweist, daß unser Verfahren tatsächlich auf genbiolo­ gischen Reaktionen beruht1,2 (siehe Abb. 35). Als es nun nach einer vergleichenden Untersuchung der Triebprofile krankker, gesunder und dem Charakter nach stark variabler Individuen gelang, eine «Funktionsanalyse» der Profile zu geben, zeigte sich ein unerwartetes Ergebnis, daß nämlich diese einfache Wahlreaktion in der Schicksalsdiagnostik höchst brauchbar ist.

I. Der Testapparat Der Testapparat besteht aus einer Schachtel (siehe Testband des Buches) mit sechs Fächern, deren jedes acht Bilder enthält. In der Schachtel sind also 48 Bilder. 1 S zoNDi, L. :Trieb und Erziehung. Triebdiagnostische Untersuchungen an Zwillingen (Ungarisch). Hgb. von dem Psychol. Institut der Universität zu Budapest. Grill. 1940. 2 SZONDI, L. : Erziehung und Behandlung der Triebe. Referat, gehalten an der V. Tagung der Schweiz. Gesellschaft für Psychologie und ihre Anwendungen. Schweiz. Zeitschrift für Psychologie, Bd. V. 1946.

45


Jedes Einzelbild der aus den acht Bildern bestehenden Gruppe stellt ein Indi­ viduum dar, das in bezug auf einen Triebfaktor manifest krank ist. Innerhalb einer Achtergruppe sind alle acht Triebfaktoren vertreten, und zwar gehört jedem Triebfaktor ein Bild (vgl. Abb. 1 und 2). Die Triebfaktoren werden somit im gesamten Test durch je sechs Photographien vertreten. Personen, die auf dem Bilde dargestellt sind, und nicht auf die Prüflinge, die das entspre­ chende Bild wählen. S owohl der völlige Verzicht auf die Bilder irgendeines Trieb-

Abb. 1

faktors als auch die zu häufige Wahl derselben - häufiger als drei also, wie es im Durchschnitt zu erwarten ist - ist ein ernstes Zeichen dafür, daß der betreffende Triebfaktor im Triebleben der geprüften Person aktuell eine bedeutende Rolle spielt. Ausführlich wird hierüber später die Rede sein.

II. Der Grundversuch der experimentellen Triebdiagnostik besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil des Versuchs will durch die Wahl der zwölf sympathischsten und der zwölf unsympathischsten Bilder aus 48 Photos diejenigen Triebregungen und Ich-Funktionen agnoszieren, welche durch ihre episodische Aktualität oder durch


ihre konstitutionelle, permanente Stärke in den Vordergrund der Persönlichkeit getreten sind. Diese vordergründigen Trieb- und Ich-Tendenzen machen aber nur die Hälfte der Ganzheit der Person aus. Diese Hälfte nennen wir: den « Vorder­ gänger». Das Profil des Vordergängers wird als das « Vordergrundprofil» (VGP) bezeichnet. Zur Diagnostik des Vordergängers bedienen wir uns demnach der ersten Wahlakten der 24 Bilder von den exponierten 48. Der zweite Teil des Grundversuches bezieht sich auf die Wahlakte derjenigen 24 Bilder, welche bei dem ersten Wahlvorgang nicht gewählt wurden. Aus den

Ergebnissen dieses zweiten Wahlprozesses schließen wir auf die Trieb- und IchFunktionen der anderen Hälfte der Persönlichkeit, die aktuell und unbewußt in den Hintergrund gestellt wurde. Das so gewonnene zweite Profil stellt somit den vor, und zwar in Form des sogenannten tnentären Hintergrundprofils» (EKP) h Vordergänger und Hintergänger repräsentieren diejenigen zwei Trieb- und Ich-Schicksale der Person, welche sich zu einer Ganzheit komplementieren. Sie liefern zusammen die Grundlagen zur Beurteilung der aktuellen und vergangenen Situation der Person. Beide Triebprofile decken aber vorläufig nur givei sich wech­ selseitig ergänzende Schicksalsmöglichkeiten der Person auf, und zwar eben die, 1 Von der Diagnostik des theoretisch zu erwartenden komplementären Triebprofils (ThKP) wird im Kapitel VI die Rede sein.

47


welche sowohl in dieser Phase des Daseins im Vorder- wie im Plintergrund wirken. Jeder Mensch trägt aber in sich mehrere Trieb- und Ich-Schicksalsmöglichkeiten. Deshalb müssen wir den Grundversuch in verschiedenen Lebenssituationen mehr­ mals - womöglich acht- oder zehnmal - wiederholen.

Instruktionen Nr. I Der Versuchsleiter gibt der Versuchsperson (Vp) zunächst folgende Instruk­ tion: «Ich werde Ihnen acht Photographien vorlegen. Schauen Sie sich alle gut an und geben Sie mir zuerst dasjenige Bild, welches Sie relativ am sympathischsten finden, dann dasjenige, das Ihnen am ^«/sympathischsten erscheint.» Nach dieser Instruktion werden die acht Bilder in zwei Reihen der Vp vor­ gelegt, so daß sich in jeder Reihe vier Bilder befinden, und zwar in einer Reihen­ folge, die den arabischen Zahlen auf der Rückseite der Bilder entspricht. Die ge­ prüfte Person soll sich die Bilder erst anschauen, wenn alle acht schon auf dem Tisch liegen. Die Exponierung hat also nicht sukzessiv, sondern simultan zu er­ folgen. Den Prüfling sollen wir nicht lange grübeln lassen. Falls er nicht prompt eine Wahl trifft, fordern wir ihn auf, rasch und ohne Nachdenken zu wählen. Wenn er noch vor der Wahl sagt - wie das manchmal vorgekommen ist -, die Bil­ der seien ihm alle unsympathisch, so modifizieren wir unsere Instruktion folgen­ dermaßen: «Geben Sie mir zuerst die Photographie, die Ihnen am wenigsten un­ sympathisch erscheint, dann diejenige, die Ihnen an zweiter Stelle am wenigsten unsympathisch erscheint.» Bei intelligenten Vp können wir vorerst den Versuch mit den Antipathiewahlen beginnen. Dann geben wir der Vp die weitere Instruktion: «Wählen Sie jetzt die »»sympathischste und die zweitunsympathischste Photographie aus»1. Die gewählten zwei sympathischen und unsympathischen Bilder werden an zwei separate Ecken des Tisches mit dem Bild nach oben gelegt2. Die zurückgebliebenen vier Bilder legen wir sofort ins Fach 1 der Schachtel zurück. Damit ist die Exponierung der ersten Serie beendet. In ganz gleicher Weise expo­ nieren wir die zweite Serie. Die aus der zweiten Serie gewählten je z wei Bilder werden auf die der ersten gelegt. In dieser Weise schreiten wir zu den übrigen Serien fort. Die Ergebnisse dieser Wahlhandlungen werden in der vorgedruckten Trieb­ profilkartothek protokolliert, und nachher beginnen wir sofort mit der Wahl des Hintergängers. Instruktion Nr. II «Jetzt werde ich Ihnen die vier z urückgebliebenen Photographien vorlegen. Wählen Sie jetzt die »«sympathischste und die zweitunsympathischste aus.» Die nichtgewählten zwei Bilder werden dann als «relativ sympathische» Wahlhand1 Paranoide Individuen sagen oft: «Mir sind alle Bilder sympathisch»; oder: «ich will niemanden beleidigen». - Damit die Vp aus den Buchstaben auf der Rückseite der Bilder keine Rückschlüsse ziehen kann.

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Beruf:

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S Z ONDI-TE ST Blatt mit zwei Triebprofilen T rieb

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Sympathie

Antipathie

I.

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III.

III.

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IV.

V.

V.

VI.

VI.

Antipathie

Abb. 3

lungen protokolliert. Bei bestimmten Vp ist es günstiger, die zwei relativ sym­ pathischsten von den vier Bildern herauszusuchen zu lassen. Aus den beim zweiten Versuch gewählten zwölf sympathischen und zwölf antipathischen Bildern entsteht dann das experimentelle komplementäre Profil (EKP), welches als der experimentell festgestellte Hintergänger gedeutet wird (s. Anmer­ kung I). Nun kommen wir zu der Erörterung der graphischen Darstellung der Trieb­ profile. 4

Szondi, Triebdiagnostik

49


III. Herstellung des Triebprofils Zur graphischen Darstellung des Triebprofils dient ein Kartothekblatt mit zwei, bzw. zehn vorgedruckten, leeren «Triebprofilen» (Abb. 3 und 4). Jedes Triebprofil hat sechs «sympathische» und sechs «unsympathische» Quadrate oberhalb, bzw. unterhalb der Null-Linie (siehe Abb. 3) für jeden der acht Trieb­ faktoren. Von den Quadraten werden so viele mit rotem, bzw. blauem Farbstift ausgefüllt, wie die Zahl der als sympathisch, bzw. unsympathisch gewählten Bil­ der des betreffenden Triebfaktors beträgt. Es ist angebracht, die graphische Darstellung sofort nach der Beendigung des Versuches vorzunehmen, da wir dann die Eintragungen auf den ausgelegten Bil­ dern noch einmal kontrollieren können. Die zwölf als sympathisch gewählten Bilder legen wir in die Reihenfolge, wie sie im Triebprofil angedeutet ist, und zählen dann, wie viele «b»-, wie viele «r»Bilder usw. gewählt worden sind. Das Ergebnis wird mit rotem Farbstift in das Profil eingezeichnet, am besten mit einem Kreuz ( x ). In gleicher Weise verfahren wir bei den als unsympathisch gewählten Bildern, nur daß wir das Ergebnis hier mit blauem Farbstift in das Profil einzeichnen. Die Protokollierung ist aber damit noch nicht abgeschlossen. Auf einer sepa­ raten Karte oder auf der Rückseite des Kartothekblattes Form A1 zeichnen wir möglichst ausführlich den klinischen Befund, das ermittelte Charakterbild und die biographischen Daten der Vp auf. Die letzteren sollen nicht einfach nach den Aus­ sagen der Vp zusammengestellt werden, sondern auch auf Grund von Angaben, die von Angehörigen, Heilanstalten oder anderen Institutionen, wo die Vp unter­ gebracht war, eingeholt werden. Besonders großes Gewicht sei dabei auf die Familienforschung gelegt, und zwar hinsichtlich der genotropischen Beziehun­ gen2. Falls ein Angehöriger der Vp in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden ist, müssen wir uns auch seine Krankheitsgeschichte (nicht nur Diagnose) verschaffen. Zkr W/ Www» «ww Zagw, IPw&w wmWoA werden, womöglich zehnmal mit demselben Te stapparat. Bei einigen periodischen (paroxysmalen oder zirkulären) Krankheiten (Epi­ lepsie, Hysterie, Melancholie, Manie) ist es zweckmäßig, den Versuch unmittelbar nach den Anfällen (postparoxysmal), vor den Anfallen (präparoxysmal) und in den anfallsfreien Zwischenperioden (interparoxysmal) vorzunehmen und mehr­ fach zu wiederholen. Die an den paroxysmalen Kranken vorgenommenen Unter­ suchungen haben eine unerwartet tiefe Einsicht in die biologischen und psycho­ logischen Prozesse der Paroxysmen, bzw. Zyklen gewährt. Diese in Serien aufge­ nommenen Triebprofile zeigen geradezu filmartig die Wandlungen, die die Vp durchmacht: wie sie allmählich mit dem kritischen paroxysmalen Triebbedürfnis gefüllt wird, wie diese Sättigung ihr Maximum erreicht, wann der Triebanspruch hervorbricht, und wann er auf einen Nullpunkt sinkt. - Von großer Bedeutung sind die an Präpsychotikern serienweise angestellten Versuche. Wir werden sehen, daß die Einzelversuche fast jede Phase des schizophrenen Prozesses verfolgen und 1 Siehe Kartothekbeilage Form A im 7Vr/band. B Schicksalsanalyse. III. Aufl. S. 82ff".


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Alter:

Beruf:

SZONDI-TEST Blatt mit zehn Triebprofilen

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Symptomatische : Submanifeste bzw. sublatente:

V. VI.

Wurzelfaktoren :

VII.

4. Latenzproportionen :

VIII. IX.

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5. Triebklasse :

X.

6. Quantumspannung :

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Latenzgrad S =

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Dur

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Copyright by Verlag Hans Huber, Bern und Stuttgart

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2. Tendetrzjpannungsquotient 3. Triebformel :

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III.

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I.

Printed in Switzerland

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anzeigen; sie deuten sogar an, wann der Präpsychotiker in eine geschlossene An­ stalt gebracht werden muß (vgl. Abb. 38). Wir dürfen - soweit es nur möglich ist - nicht versäumen, auch die Eltern, Ge­ schwister, Freunde und Feinde der Vp der triebdiagnostischen Untersuchung zu unterziehen; insbesondere sind die Triebprofile derjenigen interessant, die die Vp liebt, haßt, als ihr Menschenideal betrachtet oder aber verachtet. Die vergleichen­ den Untersuchungen der Triebprofile der Blutsverwandten, Freunde und Feindë gestatten einen Einblick in den Triebmechanismus der Liebes- und Freundeswahl, sowie in jene noch unerforschten Triebprozesse, die für die Bildung gesellschaft­ licher Gruppen und Schichten und noch allgemeiner für die Zusammenballung wenn es so bezeichnet werden darf - von Menschen zu Massen und «Konglome­ raten» verantwortlich sind.

IV. Aufteilung der faktoriellen Wahlreaktionen nach Quantität und Tenden^ Jede Vp wählt bei dem Wahlverfahren von den sechs Bildern eines Trieb­ faktors eine bestimmte Quantität, deren Minimum Null (0) und Maximum sechs ist. Dabei wird aber jedes Bild auch in bezug auf seine Tendenzdichtungpositiv (-f), d. h. sympathisch oder negativ (—), d. h. antipathisch beurteilt. Die Quantität weist auf die Stärke des Bedürfnisses, die Tendenzdichtung (+, —, dz) auf die Stellungnahme des Ich hin. Jede Wahlhandlung im Testverfahren muß somit A. nach Quantität und B. nach Tendenzrichtung ausgewertet werden. A . D i e q u a n ti t a t i v e A u f te i l u n g d er W a h lr e a k t i o n e n Hier wird die Frage gestellt: Wie viele Bilder hat die Vp von den sechs Bildern desselben Faktors, bzw. von den zwölf Bildern desselben Vektors gewählt ? Und zwar zunächst ohne R ücksicht auf die positive oder negative Richtung der Wahl. Quantitativ unterscheiden wir drei Formen von Wahlreaktionen : 1. die Beer- oder AW/reaktionen, 2. die Durchschnittsteak.tion.en, 3. die VolItcaktionen und unter ihnen die Reaktionen rn\t Quantumspannungen. 1. Die Nullreaktionen

±8}.11JUÎ}. ill Die Vp wählt von den sechs Bildern eines Triebfaktors keines (0), oder nur ein sympathisches (V 1) bzw. ein antipathisches (— 1) oder ein sympathisches und ein antipathisches Bild (± }). Triebpsychologisch weisen die Nullreaktionen auf diejenigen Triebbedürf­ nisse hin, die schon vor der Wahlhandlung in irgendeiner Form zur Befriedigung gelangten. Die Nullreaktionen sind somit dès öfteren die testologischen Zeichen einer Triebmanifestation. Der Begriff der «faktoriellen Manifestation» bezieht sich aber nicht nur auf eine einzige Form der faktoriellen Erkrankung, sondern auf den

52

/


ganzen «faktoriell bedingten Erbkreis» mit allen krankhaften, sozialisierten und sublinder­ ten Schicksalsmöglichkeiten (vgl. hiezu Tabelle 2). Die Nullreaktion kann demnach mannigfaltige Tatsachen aussagen, so z. B., daß die Vp das betreffende Trieb; Bedürfnis in der Form eines krankhaften Symptoms oder eines Charakterzuges, in der eines besonderen sozialen Berufes oder einer sublimierten geistigen Tätig­ keit aktuell befriedigt hat. Welche von diesen Schicksalsmöglichkeiten aktuell zu­ trifft, kann nur durch das ganze Triebprofil, im besonderen aber durch Serien­ aufnahmen b estimmt werden. Als ein Beispiel sei die erbbiologische T rias Epilepsie-Migräne-Stottern erwähnt. Dieser Erbkreis ist weiter erbverwandt mit Linkshändigkeit, Bettnässen, Asthma, Heuschnupfen (Allergie) und ganz aligemein mit den paroxysmalen Vasoneurosen. Von dieser Krankheitstrias und ihren Erbverwandten konnten wir so­ wohl mittels Familienforschung als auch mittels erbmathematischer Berechnun­ gen die enge Genverwandtschaft nachweisen1. Dem Kreis der paroxysmalen Er­ krankungen entspricht auch ein spezifischer Charakter- und Berufskreis. Diese Zusammenhänge sind in dem ersten Buch der «Schicksalsanalyse» übersichtlich dargestellt2. Wenn also jemand von den Bildern des Faktors e ke ines oder höchstens eines wählt (oder je ein sympathisches und unsympathisches), darf man noch keines­ wegs darauf schließen, daß die Vp ein manifester Epileptiker ist. Freilich ist dies immerhin möglich. Auf Grund der Nullreaktion des Faktors e können wir jedoch so viel vermuten, daß die Vp zur Zeit der Untersuchung irgendein seelisches oder körperliches Syndrom der paroxysmalen Vasoneurose aufweist, oder daß sie einen paroxysmalen Anfall unmittelbar vorher durchgemacht hat. Auf psychischem Ge­ biet kann man an Symptome wie paroxysmale Gefühls- und Affektsausbrüche und ganz allgemein an affektive Zustände, die sich in Anfällen äußern, oder an die nachfolgende, postparoxysmale Windstille denken. Es können dabei Ausbrüche von Zorn, Angst, Eifersucht, Beklemmung, Panik vorkommen, sowie paroxys­ male Monomanien, wie Poriomanie, Kleptomanie, Dipsomanie, Thanatomanie usw. und die verschiedensten affektiven Paroxysmen wie auch das Fehlen der ethischen Zensur im Vordergrund. Auf körperlichem Gebiet können wir an Symptome, die auf eine paroxysmale Gefäßkrise zurückzuführen sind, denken : Ohnmachtsanfälle, Schwindelzustände, möglicherweise Absence, Epilepsie, Migräne, Stottern, asthmoide oder anders­ artige allergische Anfälle, wie Heuschnupfen, vielfach auch anfallartig auftretende und von Gefaßkrisen herrührende Hauteruptionen (Ekzem, Urticaria), plötzliches Erröten oder Erblassen usw. Von einem erbbiologischen Kreis derartiger «genverwandter» Manifestatio­ nen eines Triebfaktors können wir aber nur dann sprechen, wenn die «Gen­ verwandtschaft» der pathologischen Manifestationen durch Familienforschung und - wenn möglich - durch erbmathematische Berechnungen dargetan worden ist. 1 SZONDI, L.: a) Konstitutionsanalyse psychisch abnormer Kinder. Marhold, Halle a. d. S. 1933; b) Konstitutionsanalyse von 100 Stotterern. Wien. Med. Wschr. 26, 1932; c) Heilpädagogik in der Pro­ phylaxe der Nerven- und Geisteskrankheiten. Bericht ü. d. I. Int. Kongr. f. Heilpäd. Leemann, Zürich, 1939, S. 35. 2 Sz oNDi, L. : Schicksalsanalyse. Wahl in Liebe, Freundschaft, Beruf, Krankheit und Tod. Benno Schwabe, Basel. I. Aufl. 1944. II. Aufl. 1948. III. Aufl. 1965. Dritter Teil S. 374ff.

53


Das Triebprofil Nr. I in Abb. 5 ist das eines Epileptikers, Nr. II das eines Migränekranken, Nr. III das eines Stotterers. Alle drei Kranken befanden sich zur Zeit der Untersuchung im postparoxysmalen Zustand; dementsprechend ist die Stelle des Faktors e in allen drei Profilen leer. Dies bedeutet, daß die Kranken wäh­ rend ihrer Anfälle die Triebtendenz des Faktors e g leichsam entladen, also voll­ kommen ausgelebt und daher im Sinne unserer Theorie keines (oder höchstens zwei,

von den sechs Epileptikerbildern gewählt haben.

I Epileptiker

II Migränekranker

III Stotterer

Abb. 5. Deutungsmöglichkeiten der Nullreaktion beim Faktor e

Die Nullreaktion, kann in seltenen Fällen auch auf eine konstitutionelle Schwäche (Asthenie) des betreffenden Triebfaktors bei der Vp hinweisen. So kann die Reaktion 0 h (lies: null h) z. B. unter Umständen auch die konstitutionelle Liebesschwäche bedeuten, 0 s das mitgebrachte Fehlen der männlichen Aktivität, 0 e das Fehlen der ethischen Zensur, 0 hj das des Geltungsdranges, bzw. der moralischen Zensur, 0 k die angeborene Ich-Schwäche in der Stellungnahme und Anpassung, 0 p die Schwäche des geistigen Ichs, 0 d den Mangel an Such- und Erwerbungsdrang, 0 m den an Anklammerungsbedürfnis. Wir betonen nochmals, daß diese Fälle äußerst selten anzutreffen sind. Wir müssen aber auch an diese Be­ deutungsmöglichkeiten denken. Die Nullreaktion im Vordergrundprofil besagt also, daß das entsprechende Bedürfnis aktuell im Vordergrund fehlt, und zwar: 1. Weil es kurz vorher nativ, d. h. in ursprünglicher Form befriedigt wurde; 2. weil es nativ nicht befriedigt werden konnte und die Vp das Bedürfnis durch So^talisierung oder Sublimierung im Beruf, also auf Umwegen oder im Charakter den­ noch befriedigt hat; 3. seltener, weil das betreffende Bedürfnis konstitutionell schwach ist. Die Bedeutungsmöglichkeiten der Nullreaktion im Hintergrundprofil werden später behandelt werden1. 1 Siehe Kapitel XIX, Tabelle 12.

54


2. Die Durchschnittsreaktionen +21 +31 +01 +01 +21 +11 +31 +11 2J, 1 J> 3J.

— o J , — 0 J , -2 J , - 3 J , — 1 / ,

Als durchschnittlich bezeic hnen wir eine Wahlreaktion, wenn zwei oder drei Bilder und nicht mehr in die gleiche Ri chtung der Sympathie bzw. Antipathie, also positiv oder negativ gewählt werden (si ehe Tabelle 3). Wählt die Vp insgesamt vier Bilder, aber so, daß drei positiv und eins negativ oder umgekehrt beurteilt werden, so gilt die Wahl immer noch als durchschnittlich. Die Durchschnittsreaktion bedeutet i m allgemeinen die quantitativ normale, zur Befriedigung marschbereite Triebsituation im Bereich eines be­ treffenden Triebfaktors. Unter Umständen kann aber auch eine faktorielle Durch­ schnittsreaktion auf eine krankhafte Lage im Triebleben hinweisen. Im besonde­ ren, wenn der entsprechende Partnerfaktor gleichzeitig entleert ist, also die Reak­ tionen + 0, 0 +, — 0, 0 —; oder wenn die Tendenzen der zwei Partnerfaktoren diametral entgegengesetzt sind (-) oder 1-). Hier müssen wir auf das allgemeine Deutungsgesetz der Triebdiagnostik hin­ weisen, nach dem die D eutung des einen F aktors stets von der Stellung (Konstellation) seines Partnerfaktors abhängig ist. So können unter Umständen die -j Reaktionen in einem Profil - falls sie in allen vier oder mindestens in drei Vektoren, so auch in dem Ich-Vektor - vorkommen, auf eine schizoforme Spaltung des Trieb- und IchLebens hinweisen, so z. B. bei der paranoiden Schizophrenie. 3. Die Vollreaktionen +4 — 0

}±}}îj}±î}±î} ±!}±i}±S}±S}±°«}

+4 — 2

die negativen,

Die positiven,

}iî} ±1}

die ambivalenten Vollreaktionen

Wählt die Vp von den Bildern desselben Tr iebfaktors mehr als drei, d. h. vier, fünf oder sogar sechs in der gleichen Richtung, so sprechen wir im allgemeinen von einer Vollreaktion. Triebpsychologisch bedeutet sie den Zustand, in dem die Vp mit dem betreffenden Bedürfnis vollgeladen ist und es derzeit noch nicht «entladen» kann. In der Praxis registrieren wir der Wahlrichtung entsprechend drei Formen von Vollreaktionen: Erste Form: die positive Reaktion mit Quantumspannung. Die Vp wählt vier, fünf oder sechs Bilder eines Faktors, und zwar alle als sympathisch. Die positiven Reak­ tionen mit Quantumspannung werden wie folgt protokolliert : +

4 =+ !; +

= 5

+ ! !+ ;

= 6

+ ! ! !+ ; | } = + ! ;+ j }=

+ !!

Zweite Form: die negative Reaktion mitQuantumspannung. Die Vp wählt vier, fünf, sechs Bilder des gleichen Faktors und alle als antipathisch. Im Protokoll : — 4 = — !; — 5 = — ! !; — 6 = — ! !! oder - 4 }=

" ! ; - 5 }

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Profil Nr. I

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Abb. 6. Zwölf Triebprofile eines Epileptikers

56

Profil Nr. XII

S p Sch h s e l iy k p

1

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1


Dritte Form: die ambivalente Vollreaktion. Die Person wählt vier, fünf, sechs Bilder desselben Faktors und zwar so, daß a) zwei oder drei Bilder als sym­ pathisch, die anderen zwei oder drei als antipathisch gewählt werden ; b) oder vier Bilder als sympathisch bzw. antipathisch, zwei hingegen in der entgegengesetzten Richtung. Wir protokollieren sie in folgender Weise :

Bei den ambivalenten Vollreaktionen werden somit dieQuantumspannungen nur dann mit einem Ausrufezeichen protokolliert, wenn eine Tendenz ~ troV. ^er Ambivalenz - durch Die zwölf Triebprofile in Abb. 6 stammen von einem 18jährigen Epileptiker. Die Profile sind in verschiedenen Phasen entstanden. Profil Nr. II wurde in einem interparoxysmalen Zustand aufgenommen. Die negativgeladene «-Reaktion mit Quantumspannung (— !) deutet an, daß der «epileptiforme Stoff» angehäuft, zur Stauung gebracht wurde. Die Triebprofile Nr. III, VI, VIII, IX, XI und XII beinhalten eine fast leere «-Reaktion, die anzeigt, daß der Anfall bereits erfolgt ist. Diese Aufnahmen sind tatsächlich in einem/w/paroxysmal «entleerten» Zustand gemacht worden. Die Aufnahme Nr. II stammt aus der ^«paroxysmalen Phase, d. h. vor dem Anfall, wo die Vp mit dem Faktor « geradezu geladen war. Im Trieb­ profil Nr. XII gibt der Patient eine extrem positive Reaktion mit Quantum­ spannung im Faktor h (h -j- 6 = + ! ! !). Ein Beispiel für die ambivalente « Vollreaktion» gibt uns Abb. 7. Das Profil stammt von einem Individuum, bei dem eine Stauung in den Ich-Trieben, im Vektor Sch b esteht. In diesem Profil wählt die Vp im Vektor Sch zehn Bilder von den zwölf und zwar 5 k, 5 p, in ambivalenter Form 3 k Î } und 2 fp i }.

Wir

± k »"d ± P•

Der Mann ist 39 Jahre alt und befindet sich mit der Diagnose «präsebi^ppbremr Zustand» seit sechs Jahren in psychotherapeutischer Behandlung. Seine Beschwerden sind: Arbeitsunfähigkeit, narzißtisch­ paranoide Vorstellungen; er sucht die Leute, denen er in Gesellschaft oder auf der Straße begegnet, zu veranlassen, daß sie von ihm das Beste denken, über ihn günstige Erklärungen abgeben und schmeichel­ hafte Bemerkungen machen. Vielfach «hört» er, meistens aber «glaubt» er zu hören, daß man viel über seine schöne Gestalt, seine geistigen Fähigkeiten und moralischen Qualitäten spricht oder flüstert. Der Patient ist jedoch nicht dement, weiß wohl, daß dies alles nur «Einbildungen» sind, ist jedoch unfähig, sich davon zu befreien und sucht Schutz bei seinem Arzt. Er bittet ihn um Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt, weil er Angst habe, Alkoholiker zu werden oder Selbstmord zu begehen. Genea­ logische Erhebungen haben ergeben, daß ein Bruder und eine Schwester an einer ganz ähnlichen schizoid-narzißtischen Neurose gelitten hatten und ebenfalls lange behandelt wurden. Der Bruder wurde gesund. Die Schwester konnte bis jetzt nicht geheilt werden. Ein Onkel ist ein Sonderling, eine schizoide - vielleicht sogar schizophrene — Persönlichkeit.

Die Vollreaktion {Sch 10) in Abb. 7 hat 1. die augenblickliche Voll-Ladung der Vp mit Ich-Bedürfnissen verraten, 2. zeigte sie die Präpsychose schizophrenen Charakters an und 3. enthüllte sie die schizoid gerichtete Wahllenkung, den Genotropismus der Vp und ihrer Blutsverwandten. (Das Idealbild der Vp ist ihre Schwester, die ebenfalls eine schizoide Narzißtin ist; der Mann der letzteren leidet


an schwerer paranoider Neurose.) 4. Die Reaktion zeigte endlich die schizoforme Anlage der Familie. Den bisherigen Erörterungen läßt sich über die Voll- und Nullreaktionen fol­ gendes entnehmen: Die Vollreaktionen besitzen dreierlei Bedeutungen: 1. Entweder geigen sie den dynamisch stärksten Faktor unter den nicht-manifesten Trieb­ faktoren an. Also eben denjenigen Triebanspruch, den wir auch als den wahllenken-

S

p

Sch

C

h *s ehy k p dm

i j Abb. 7. Ambivalente Vollreaktion im V ektor Scb den, «genotropisch» wirkenden Faktor bezeichnen, da er die Richtung der trieb­ haften Wahlen von Liebespartnern, Freunden, Berufen, Krankheiten usw. be­ stimmt. Im besonderen, wenn eine Entladung unmöglich ist. 2. Oder aber diese Reaktion bedeutet die pr ämanifeste Triebtendent, deren B efriedi­ gung, bs(w . Bewußtwerdung bevorsteht. 3. Stellt sie die Ambivalent im Triebleben dar. Die Nullreaktionen weisen auf die Triebansprüche hin, die sich in irgendeiner Form manifestiert haben. Sind wir imstande, das Wesen der Dynamik dieser zwei extremen Reaktionen richtig zu verstehen, so wird uns klar, daß zwischen der Leer- und der Voll­ reaktion kein qualitativer Unterschied besteht. Der Unterschied ist nur ein dyna­ mischer. Es handelt sich nur um zwei aufeinanderfolgende, sich ablösende Phasen der maximalen Aufstauung und Entladung eines Triebbedürfnisses. Wir können diesen Sukzessionsvorgang von Aufstauung zu Entladung im allgemeinen durch folgende Phasen darstellen : Erste Phase:Quantumspannung: -f- !; -)— ! !; —[— ! !! oder — !; — ! !; — !!!. Diese Phase bedeutet die maximale Belastung für die Seele. Sie versucht die Quantum­ spannung durch Teilung der Triebmenge in zwei Richtungen ertragbar zu machen. Zweite Phase: Ambivalent'- i, ± !, + Die Ambivalenzphase ist - mit Aus­ nahme der Zwangserscheinungen - des öfteren die Vorphase einer Entladung. Dritte Phase: Entladung: + 10 + 1 1 + 01 +1 1 — 0 J, — 0 j, •— 1 J, — 1 J. Diese Sukzessionsweise wird natürlich nur bei den Serienuntersuchungen sichtbar. Auch dann muß der Versuchsleiter in der Wahl der Testzeit Glück haben. Des öfteren erfaßt man mit den Serienuntersuchungen nur die erste und dritte, oder nur die zweite und dritte

58


oder überhaupt nur eine Phase des Sukzessionsprozesses. Wir müssen aber auf Grund der Empirie die fehlenden Phasen interpolieren. Die Nullreaktion bedeutet also nicht, wie man etwa glauben könnte, daß die betreffende Triebtendenz im Erbbestand (in der Genkonstitution) des Individuums nicht vorhanden wäre, sondern nur, daß eine Triebtendenz, mit der das Indivi­ duum vorher geladen war, im gegebenen Zeitpunkt ihre dynamische Kraft vor­ übergehend entladen hat, seltener, daß sie konstitutionell schwach ist. Die Triebprofile, die wir im Laufe wiederholter Untersuchungen erhielten, bestätigen, daß die Triebbedürfnisse nicht starre, stabile, psychische Faktoren, sondern dynamisch fließende und veränderliche Prozesse sind. Die Feststellung, daß ein bestimmter Faktor im Laufe einer Serienuntersuchung sich als beweglich erweist, hat große diagnostische Bedeutung. B. Die qualitative Aufteilung der Wahlreaktionen nach ihrer Tendenz Aus den voraufgehenden Erörterungen geht hervor, daß man nach der Tende nz~ richtung \ . positive, 2. negative u nd 3. ambivalente Reaktionen unterscheiden muß. Die Wahlrichtung ist ein offenes Zeic hen der Stellungnahme des Ichs gegenüber der be­ treffenden Tendenz- Das Triebprofil diagnostiziert somit nicht nur die Triebregungen eines Menschen, sondern auch die Stellungna hme seines Ichs diesen Triebstrebungen. 1. Positive Reaktion: das Ich wählt aktuell die positive Triebtendenz. Die Vp wählt wenigstens zwei B ilder des betreffen den F aktors als sympathisch und nicht mehr als ein Bild des gleichen Faktors als antipathisch. 2. Negative Reaktion: das Ich wählt aktuell die negative Triebtendenz. Die Vp wählt wenigstens zwei Bilder als antipathisch und nicht mehr als ein Bild sympathisch. Die Quantumspannungen in positiver Richtung weisen auf den Überdruck (Hypertonie) der Bejahung, die in negativer Richtung auf die Verneinung hin. 3. Ambivalente Wahlreaktion ist eine doppelgerichtete Wah l. Die Vp wählt wenigstens Zwei Bilder eines Faktors als sympathisch undgleichzeitig wenigstens zwei desselben Faktors als unsympathisch. Ambivalent sind demnach folgende Reaktionen: +

2 ] + 13

+41 +21 +21

_ 2 J, — 3J, - 2 J, — 3 J, - 4 J.

e r s t e n % w e i s i n d a u c h ambiaequal.

Hingegen beurteilen wir - trotz des Vorhandenseins einer geringen Ambi­ valenz - nicht als «doppelgerichtet» folgende Wahlreaktionen: II

+ ij

Diese Reaktion gehört praktisch in die Reihe der Nullreaktionen. 1

j

1}

11

11 4 - ^ 1 ^1 Î1 — 2 }, - 3 }, - 4 }, — 5 J,

^ese gehören zu den positiven Reaktionen ; d i e s e s i n d negative Reaktionen.

Bei der ambivalenten Reaktion ist demnach das Ich dem Triebanspruch gegenüber ambivalent: es bejaht das kritische Bedürfnis, aber gleichzeitig lehnt es dieses auch ab.

59


Als Beispiel führen wir das Profil eines Zwangneurotikers vor. Siehe Abb. 8. Die Vp gibt auf die Bilder des Faktors h, e, k und m eine ambivalente Reaktion.

Abb. 8. Triebprofil eines Zwangsneurotikers

Tabelle 3 faßt die 28 möglichen Variationen der Faktorreaktionen zusammen.

Nr.

Größe

Protokollzeichcn

vi vi V}

I. AV/reaktionen

il} II. Positive Reaktionen a) mit Überdruck ( Quantumspannung)

+ 6 —0

+ !!!

+ 5

+ !!

—0 +5

—1

+ 4

—0

b) Positive D urchschnit Arreaktionen

10

11

60

+!

+ 4

— 1}

+!

+3

+

— 0}

il!

+ +

12 13

+ !!

vi

+


Tabelle 5. Aufteilung der Wahlreaktionen nach Quantität und Tendenzrichtung (Fortsetzung)

.

b) Negative Durcbschnittsrceikvioncn

14

±°}

— HI

15

V }

— II

16

V }

— II

17

- °1

18

19 20 21 22

IV. Ambivalente Reaktionen

—I

V )

+:!

v i

4

24

- J }

±i

25

+:}

±

26 27 28

v i v i -3}

5

+4j ~ )

L

—Ii

23

a) mit Überdruck

b) ohne Ü berdruck

ProtokoUzeichen

1+

a) mit Überdruck ( Quantumspannung)

Größe

1+

III. Negative Reaktionen

Nr.

±1

2

±

4

± ±

28

Aus der Tabelle 3 werden folgende Variationsmöglichkeiten ersichtlich: 1. 2. 3. 4.

Die AW/reaktionen haben vier Reaktionsmöglichkeiten; die Positiven haben neun R eaktionsmöglichkeiten; die Negativen ha ben neun Re aktionsmöglichkeiten; die Ambivalenten h aben sechs R eaktionsmöglichkeiten.

Tabelle 3 gibt auch die üblichen Zeichen im Protokoll für jede Reaktionsart an. Die Protokollierung der experimentellen Komplementreaktionen (EKP) wird in der gleichen Weise wie bei den Vordergängerprofilen (VGP) durchgeführt. Um aber die unfreien, d. h. zjvangsartig auftretenden Nullreaktionen im Komplement­ profil von den freien zu unterscheiden, werden die sogenannten «Ztvangs-Nullreaktionen» mit einem durchstrichenen Nullzeichen ( 0 ) protokolliert. Sie sagen aus, daß diese Art von Nullreaktionen im Komplementprofil nicht zu deuten sind, da ja durch die 5er, bzw. 6er Wahl im Vordergrund in diesem Faktorgebiet nur noch


ein einziges Bild oder keines fĂźr die Nachwahl (EKP) zur VerfĂźgung stand. Die Nullreaktion kam also aus Zwang und nicht durch Wahl zustande.

! Positive Reaktion

Negative [Reaktion

Bejahung

Negierung Abweisung

Ambivalente Reaktion = @ Ambivalenz

Abb. 9. Die vier Wahlreaktionen

Leer (Null)Reaktion Entladung Befriedigung


ZWEITER TEIL

PSYCHOLOGIE DER TRIEBFAKTOREN UND TRIEBVEKTOREN DIE BAUSTEINE DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK



ZWEITER TEIL

PSYCHOLOGIE DER TRIEBFAKTOREN UND TRIEBVEKTOREN DIE BAUSTEINE DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK Der zweite Teil des vorliegenden Lehrbuches ist ausschließlich der Wesens­ schau und Psychologie der acht Triebfaktoren, vier Triebvektoren und 64 Vek­ torenbilder gewidmet. Da jeder der vier Vektoren aus z1vei T riebfaktoren mit vier Reaktionsmöglich­ keiten (+, —, ±, 0) besteht, erlaubt somit die Struktur des Testes das Zustande­ kommen von insgesamt 64 verschiedenen Vektorenbildern, die als besondere Trieb- und Ich-Schicksalsmöglichkeiten aufgefaßt werden können. Für einen Vektor gilt ja die Möglichkeitszahl für die Vektorenbilder: 24 = 16, für alle vier Vektoren somit 4x16 = 64. Diese 64 Vektorenbilder sind die eigentlichen Bausteine der experimentellen Triebdiagnostik. Wie in der Architektur, so muß man auch in der experimentellen Triebdiagno­ stik die «Bausteine» von dem «Plan» des Gebäudes unterscheiden. Ans den glei­ chen Bausteinen kann man ja auf Grund von verschiedenen Plänen ganz verschiedene Gebäude aufbauen. Ähnlich geschieht es auch im Triebleben des Menschen. Jedem Menschen sind von der Natur erbgemäß acht Triebfaktoren als Radi­ kale seines triebhaften Tuns und Verhaltens zur Verfügung gestellt. Aus je zwei Triebfaktoren werden durch das erbgemäß gesetzte gemeinsame Triebziel und die gleiche Triebstrecke unbewußt vier Vektoren gebildet, welche die besonderen Triebräume des Handelns begründen. Und zwar: das Sexualleben, das ethisch­ moralische Verhalten, das Ich-Leben und die zwischenmenschlichen, kommunikativen Kon­ taktbeziehungen. Trotz dieser Abgrenzung der vier Daseinsgebiete bilden diese dennoch eine unzertrennliche Ganzheit im individuellen Sein. Diese Reduktion der mannigfaltigen Trieb- und Ich-Schicksalsmöglichkeiten auf eine einzige oder auf eine äußerst beschränkte Zahl von Schicksalsformen ermöglicht überhaupt erst die Diagnostizierbarkeit der verschiedenen seelischen Erkrankungen, Charak­ tertypen und sozialen Entwicklungsstufen im Test. Denn: seelisch krank sein bedeutet lÄw Än zroWmbmg 2/11 122/^2221^112&191 ÄiAii22&22% #i%/Wi Form des Schicksalsplans. Auch bei den Ausprägungen von besonderen Charaktertypen und sozialen Entwicklungsstufen zeW se^ne besondere Monotonie der Planung sowohl im Trieb- wie auch im Ich-Leben der Personen. Aus der Trennung von Bausteinen und persönlichem Plan ergibt sich die Zweigleisigkeit der diagnostischen Arbeit und somit auch der vorliegenden Dar­ stellung der experimentellen Triebdiagnostik. JDer Psychologe, der mit diesem diagnostischen Verfahren arbeiten will, muß demnach vorerst das Wesen und die Psychologie der Triehfaktoren, Triebvektoren und der 64 mög­ lichen Vektorenbilder in sich restlos aufnehmen, völlig inkarnieren, um dann - als zjveite 5

Szondi, Triebdiagnostik

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Aufgabe - auch den persönlichen Plan im Trieb- und Ich-Schicksal des Einzelnen agno­ szieren z!< könne n. D as Wissen um das Wesen der einzelnen Triebfaktoren, Trieb­ vektoren und Vektorenbilder allein genügt niemals, um eine seelische Krankheit, einen Charaktertyp oder eine soziale Entwicklungsstufe richtig zu diagnostizieren. Dazu braucht der Diagnostiker auch die Kenntnis von der Mannigfaltigkeit der Schicksalsmöglichkeiten. Während also der Teil den Leser nur in das Wesen und die Psychologie der acht Triebfaktoren, vier Triebvektoren und 64 Vektorenbilder als Bausteine der Triebdiagnostik einführt, wird der dritte Teil den Versuch machen, ihm mit Hilfe der verschiedenen Deutungsmethoden schon die individuellen Pläne des Aufbaus der Trieb- und Ich-Persönlichkeiten aufzudecken.

Abschnitt III

EROS UND THANATOS Der Sexualtrieb. Der Vektor S Kapitel IV

WESEN UND PSYCHOLOGIE DES EROS-FAKTORS h Im Wesen ist der Faktor h der Faktor des Eros Eros ist die Triebkraft, welche alles Lebende zueinanderzieht und zusammen­ hält. Was die lebenden Zellen zueinanderzieht und sie - als Organe - zusammenhält, was die Menschen zueinandertreibt und sie aneinanderbindet, was die zwischen­ menschliche Liebe und Zärtlichkeit - als Bedürfnis - erzeugt, was den unbeding­ ten Liebesanspruch des Einzelwesens an alle Wesen der Welt bedingt: das ist der Faktor h. Nichts gibt es in der lebendigen Welt an Bindung ohne ihn. Er ist der mäch­ tigste unter den Bindenden. Er ist der Nehmende und Gebende in der Liebe und Zärtlichkeit. Er ist die gewaltigste Kraft, die alles zusammenhält, was in der Welt leibt, lebt und liebt. Faktor b ist somit das Erosradikal, die Wurzel der Liebe und Zärtlichkeit, der Grund der Anziehung und Bindung. Er ist sowohl der Erzeuger der individuellen Personenliebe (+ h) wie auch der der kollektiven Menschheits­ liebe (— h). Faktor h ist also nicht nur einer der zwei aufbauenden Faktoren der Sexualität. Er ist der Faktor jeglicher Bindung von Mensch Mensch in Sexus und Liebe, im Körper und im Geist. *

Im Triebsystem S. FREUDS entspricht dem Faktor h der sogenannte Lebens­ trieb. In der Alchemic figuriert er als Mercurius-Hermes L Wie Mercurius besitzt 1 Vgl. hiezu JUNG, C . G.: Symbolik des Geistes. Rascher, Zürich, 1948. S. 105ff.

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auch Faktor h eine Doppelnatur. Er ist der Faktor des Hermaphroditischen. Daher die Benennung: h und seine Urform: ± h. Wie der Körper Mercurius-Hermes «vulgaris» als männlich und sein Geist als weiblich, lebensspendend erscheint, wie er als Gatte und Gattin, als Braut und Bräutigam zu erscheinen vermag, so ist auch die Bindung, die der Faktor h bewirkt, eine doppelte, hermaphroditische. Das heißt : der Faktor h bedingt sowohl die hetero- wie die homosexuelle Liebe. In der Wir­ kung des Faktors h ist nicht die Geschlechtsnbte«g der Liebe im besonderen, son­ dern die lÄeb&sbindung an sich, im allgemeinen, ausschlaggebend. Faktor h, als das hermaphroditische Radikal h, entspricht auch der Liebe der Urmutter, die ja in der Mythologie hermaphroditischer Natur ist und sowohl die Söhne wie auch die Töchter an sich bindet. Faktor h - als Träger des Eros - wirkt auch wie Eros bei Hesiod oder wie die orphische Figur Phanes, des «Leuchtenden» des Erstgewordenen, des «Vaters des Eros» und auch die des Priapos. Er ist ein Zweigeschlechterwesen und wird dem thebanischen Dionysos Lysios gleich­ gesetzt1. Wir sagen: der Faktor h erscheint im Menschen nach der Geburt in Form von h\ also als der Träger der Liebe eines Zweigeschlechterwesens. Erst im Laufe der Ent­ wicklung differenziert sich aus dem ursprünglich hermaphroditisch angelegten Faktor h : 1. die heterosexuelle Personenliebe: -f- h (mit + 6 zusammen in Form J ^ und 2. die geschlechtslose, kollektive und ideelle Menschheitsliebe: — h (zusammen mit — s in Form S A £), bei welcher Eros das Einzelwesen nicht nur an eine be­ stimmte Person (wie Mutter, Vater, Bruder, Schwester, Braut, Bräutigam, Freund, Freundin usf.), sondern durch die Liebe an «die Idee der Menschheit» bindet, d. h. an alle Lebewesen, die «Mensch» sind. Zum Wesen des Faktors h gehört also auch die kollektive Bindung durch die Idee «Mensch». Diese geistig-humane Liebesbindung an die Menschheit - als kollektive Trä­ gerin der Idee «Mensch» - ist die Endstation des humanen Entwicklungsweges. Sie wird nur von wenigen - eben von den «Erwählten» - erreicht und auch von diesen Wenigen nicht immerfort, sondern nur vorübergehend. *

Die besondere Energie des Erosfaktors h nennt man: Libido. Diese Energie­ quelle ist weder nur sexueller Natur - wie in der Libidotheorie S. FREUDS - noch schlechthin die generelle psychische Energie - wie bei C. G. JUNG. I n der Trieb­ lehre der Scha will Libido ausschließlich die Energie des F aktors h bedeuten. Aus der «Libido» genannten Energiequelle des Lebens nährt sich also kein anderer Trieb­ faktor als nur der des Eros, welcher sich im allgemeinen in Anziehung und Bin­ dung von Mensch und Mensch kundtut. Die Trieblehre der Scha lehnt also die - aus der Physik und Chemie per ana­ logiam herangezogene - Hypothese der Auswechselbarkeit derselben psychischen Energie ab; die letztere ist unserer Ansicht nach keine Devise, die man in eine an­ dere Währung umwechseln kann. Die Scha nimmt auch FREUDS Auffassung von den Mechanismen der Sublimierung nicht an. Sie bestreitet somit die Annahme der Psychoanalyse, daß die Libido des Sexualtriebes durch Veränderung des Zieles 1 Vgl. hiezu JUNG, C . G.: Symbole der Wandlung. Rascher, Zürich, 1952. S. 226.

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und des Objektes zu ethisch hochstehenden Leistungen geistiger Art führen könnte. Wir behaupten: Unsere «Tugenden» sind keine sublimierten «Taster» des A «7*g,a6a» angelegt. Die Theorie der Scha über die Energiequellen der Triebe lautet demnach: 1. Jeder Triebfaktor des Triebsystems (von h bis zum Faktor m) besitzt seine eigene Die Trieblehre der Scha arbeitet somit nicht mit einer, sondern mit acht beson­ deren Triebenergiequellen, die ihre spezifischen Kräfte untereinander niemals aus­ zuwechseln vermögen. Wie aus der Wurzel einer Tanne niemals eine Eiche empor­ zuwachsen vermag, so kann aus der Wurzel des Faktors h - z. B. - niemals ein Faktor p oder tn oder irgendein anderer Triebfaktor - durch Energieumsatz hervorgehen. Das Phänomen, welches C. G. JUNG als Umsatz einer generellen psychischen Energie aufgefaßt hat, ist in Wirklichkeit kein «Wechsel» der näm­ lichen seelischen Kraft, keine «Wandlung der Libido». Die Instant die sich wan­ delt, ist stets das Ich und nicht eine generelle psychische Energie. Das sich wandelnde Ich mobilisiert einmal die eine, ein andermal die andere besondere Triebenergie. Das Ich stellt einmal diese, ein anderes Mal eine andere Triebkraft in den Vor­ dergrund des seelischen Seins, während es alle anderen Energiequellen - vorüber­ gehend - unbenützt im Hintergrund beläßt. Es wird somit nicht stets dieselbe Energie auf den verschiedenen Ebenen des Seelenlebens hin und her geschoben und umgesetzt, sondern das stets dynamische Ich wählt von den ihm zur Verfü­ gung stehenden acht Triebquellen jeweils die Energiequalität aus, die seinem aktuellen Bedürfnis am meisten entspricht. Wir sprechen demnach nicht von Wandlung der Libido, sondern von Wand­ lung des Ichs1. 2. Die Gentheorie der Triebe nimmt an, daß die besonderen Energiequellen der acht Triebfaktoren, acht spezifische Erbanlagen, Triebgruppen darstellen, die als Radikale unhistorisch sind, und höchstens ausnahmsweise durch Mutationen, niemals aber durch alltägliche Situationsveränderungen sich umzuwandeln ver­ mögen. Was sich auf der Drehbühne der Seele primordial wandelt, ist das Wunsch­ bewußtsein und die Stellungnahme des Ichs, welches einmal aus dieser, ein ander­ mal aus jener Triebquelle schöpft, um diese oder jene Ansprüche im Vordergrund des Seins ausleben zu können. Während aber die eine Gruppe von Triebenergien die besonderen Szenen im Vordergrund der seelischen Drehbühne nährt, bleibt die andere Gruppe von Triebenergien im Hintergrund, d. h. in Reserve, bis dann das sich wandelnde Ich die Bühne wieder umdreht und neue Energiequellen für sein aktuelles Sein erschließt. 3. Die von uns supponierten acht verschiedenen Triebgengruppen bleiben in ihren Wurzeln - als spezielle Energiequellen - immerfort die nämlichen; aber wie wir schon betont haben, kann sich ihre Erscheinungsform in einem begrenzten Kreis dennoch wandeln - stets abhängig von den Wandlungen des Ichs. Die man­ nigfaltigen Wandlungen des Ichs, bedingt durch Geschlecht und Alter, Umwelt und Lebensweise, persönliche und allgemeine Schicksale usw., verändern auch das Erscheinungsbild eines jeden Triebfaktors. So hat dieser stets einen besonderen 1 Vgl. hiczu Ich-Analyse. S. 32ff., 126ff., 156f.

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Erscheinungskreis mit verschiedenen Ebenen. Beiden zusammen muß die Deu­ tung gerecht werden. *

Nun kehren wir zur Wesensschau des Faktors h zurück und betrachten in dem bereits erörterten Sinne - seine verschiedenen Reaktionsarten.

I. Analyse der Nullreaktionen h Oh Im Wesen bedeutet die 0 AReaktion die aktuelle relative Verminderung, bzw. das Fehlen des Bedürfnisses nach erotischer Anziehung und Bindung. Wir beto­ nen, daß bei der 0 AReaktion das Fehlen, bzw. die Verminderung des Eros nur aktueller und stets relativer Natur ist. Wir dürfen niemals annehmen, daß die Vp immerfort und absolut kein Erosbedürfnis hätte. Auf Grund der allgemeinen Er­ örterungen der Nullreaktionen können wir hier auf folgende Ursachen hinweisen: 1. Die Vp hat kurz vor dem Testverfahren ihre Erosansprüche aktuell ent­ laden. (Z. B. Coitus, Onanie, zärtliches Zusammensein mit dem Partner usf.) Es gibt demnach im Vordergrund derzeit keinen Anspruch mehr auf Eros (0 h), im Hintergrund aber ist die Reintegration schon im Gange (EKP: i h, -\-\ h usf.). Es ist somit zu vermuten, daß der Eros so bald wie möglich wieder in den Vor­ dergrund dringen wird. Es kann in seltenen Fällen vorkommen, daß jemand in einer Zehnerserie fast durchgehend 0 AReaktionen liefert, so z. B. 0 h mit -f- ! s, + ! ! s, -f- ! 1 ! s, d. h. in Vektorform 5 0+! (vgl. die Tabelle 5). In diesen Fällen müssen wir stets an einen relativen Mangel des Erosbedürfnisses denken, und zwar immer im Vergleich zu dem gleichzeitig maximal aufgestauten Zerstörungsdrang, bzw. zum sadisti­ schen Anspruch. Der Anspruch h ist also nur im Vergleich zu dem synchronen Anspruch s quasi Null geworden, da der Zerstörungsdrang die Geschehnisse im Vektor 5 überwältigt hat. Aus diesem Beispiel ist ersichtlich, daß der Maßstab, mit dem unser Testverjahren die Stärke eines Bedürfnisses abschätzt, stets relativ ist. Diese Relativität der mobilisierten Energiequantitäten fußt auf der Wechselwirkung der interfaktoriellen Beziehun­ gen, im besonderen auf der der zwei entsprechenden (allelen) Faktoren innerhalb eines Vektors. Wenn z. B. der Test behauptet: h = 0 und s = + 6, so ist damit nur das rela­ tive Quantumsverhältnis zwischen h und s angezeigt, niemals aber die «absolute» Menge der mobilisierten Triebenergien. Das heißt im oberen Beispiel: die aktuell marschbereite Menge des Zerstörungsdranges ist sechsmal so groß wie die des Eros. Diese Relation 0 h:6 s darf also nicht so gedeutet werden, daß der Eros bei der Vp absolut fehle, er ist nur im Verhältnis zum Partner s sehr vermindert. Das Erörterte bezieht sich natürlich auch auf den Gegenfall : 0 h mit — s (oder— ! r,— ! ! r, •—! ! !s) in der Vektorform S 0 —, 50 — !, S 0 — ! !, S 0 — ! ! !. Hier will die 0 AReaktion nur so viel aussagen, daß in bezug auf den Selbst­ zerstörungsdrang (den Masochismus) der Drang nach Liebesanziehung und Bin-

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dung auf das Minimum gesunken ist. Abb. 16 wird uns für diese Situation später ein klassisches Beispiel geben. 2. Die 0 /^-Reaktion kann auch auf eine andauernde, permanente Befriedigung des Eros im sozialen Beruf oder in einer geistigen T ätigkeit (Sublimierung) hinweisen. Gibt z. B. ein Psychotherapeut in einer Serienuntersuchung ständig: S 0—, so kann man die 0 ^-Reaktion als Dauerbefriedigung des «therapeutischen Eros» im Beruf - gleichzeitig mit dem Bedürfnis sich den Kranken völlig hinzugeben (— s) - auffassen. Hier bedeutet also die Nullreaktion eine permanente, sozialisierte Befrie­ digung des Eros. 3. In seltenen Fällen kann die 0 AReaktion auch auf eine konstitutionelle Schwäche d er Liebesanziehung und des Bindungsbedürfnisses hinweisen. So z. B. bei somatischen Hermaphroditen oder bei angeborenen Minderentwicklungen der Genitalien (Hypogenitalismus). Diese Fälle weisen auf die innigen Beziehungen zwischen den genischen Erosquellen der Somazellen und denen der Geschlechts­ organe hin. Trotz dieser Beziehungen wäre dennoch die Annahme unrichtig, daß die Energiequelle des Eros ausschließlich hormonal-chemischer Natur und nur an die Geschlechtsorgane gebunden sei. II. Analyse der positiven Reaktionen h

+

h

a) Mit Überdruck : -f- ! h,

! ! h, -f- ! ! ! h

Im Wesen bedeuten diese AReaktionen eine überdurchschnittliche Aufstau­ ung des Eros, d. h. eine Erosbypertonie, die das stellungnehmende Ich bejaht. Trä­ ger dieser Reaktionen sind aktuell vollgeladen mit dem bejahten Eros. Einerseits wirken sie auf ihre Mitmenschen äußerst anziehend, anderseits werden sie selber übermäßig stark von bestimmten Personen angezogen. Ein Teil dieser eros­ geladenen Menschen ist in der Tat überdurchschnittlich bindungsbereit und -fähig und entlädt des öfteren die extreme Menge an Eros eben in verwirklichten Bindungen. In diesen Fällen werden die hypertonischen positiven AReaktionen in einer Zehnerserie von 0 AReaktionen gefolgt. Bei Kindern zur Zeit der Ablösung wie auch bei Liebespartnern ist diese Sukzession im Aufstauen und Entladen des Eros des öfteren anzutreffen. Sie deutet auf eine gesunde Abfuhrmöglichkeit des Eros hin. Klinische Psychologen begegnen aber in den Anstalten seelisch schwer kranken Menschen, die in einer Zehnerserie - ja s ogar in mehreren - immerfort den extremen Überdruck in der positiven AReaktion liefern und ihn niemals zu entladen vermögen1. In diesen Fällen muß der Psychiater oder Psychologe an­ nehmen, daß der Kranke zumeist durch Ich-Störungen unfähig geworden ist, seine Bedürfnisse nach Liebesbindung in der Wirklichkeit zu entladen. Es entsteht eine permanente Libidostauung ohne jegliche Abfuhrmöglichkeit. Die Folge davon ist: Unruhe bis zur Agitation, eventuell Selbstzerstörung oder Destruktion gegen die Mitmenschen, z. B. bei Epileptikern und Paranoiden, Depressiven und Melan­ cholikern. Des öfteren entlädt die libidogestaute kranke Person gleichzeitig den 1 Vgl. hiezu Triebanalyse. S. 171, Tab. 12.

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Faktor s und liefert somit das schwere Sexualbild S + ! ! ! 0, ein Bild, dem wir in Heil- und Pflegeanstalten häufig begegnen. Es beweist, daß Geisteskranke häufig daran erkranken, daß sie ihren Eros in der Welt nicht entladen können. Natürlich war. der primäre Vorgang nicht die Eroshypertonie, sondern die Ich-Störung, welche durch Projektionen, falsche Inflationen, Introjektionen oder Destruktio­ nen den Abflußweg der Libido versperrt hatte1. Die Eroshypertonie kann unter Umständen auch auf eine latente Homosexualität hinweisen, die nie oder fast nie zur entsprechenden Bindung gelangen konnte. Eine Libidohypertonie begleitet auch fast alle narzißtischen Affektionen. Überblickt man die Testergebnisse von Kindern, sogenannten «normalen» Erwachsenen, Sexualabnormen, Neurotikern, Epileptikern und Psychotikern, dann muß man sich dessen bewußt werden, wie schlecht es allgemein in der Welt mit der Möglichkeit steht, das Bedürfnis nach Liebe und Bindung befriedigen. Wir zweifeln nicht, daß daran die Erziehung, im besonderen in den ersten sechs Lebensmona­ ten (R. SPITZ) 2, im allgemeinen aber bis zum Schulbeginn, große Schuld trägt. b) Durchschnittliche positive Reaktionen h weisen im Wesen - mit einer durchschnittlichen positiven r-Reaktion (S -\—r) auf eine normale Liebes- und Bindungssituation hin. Näheres siehe bei der Erörte­ rung des Vektorbildes : S -\—|-III. Analyse der negativen Reaktionen h —h a J Mit Überdruck : — ! h, — Wh, — ! ! ! h Die hypertonischen negativen ^-Reaktionen können im Wesen folgende Eros­ schicksale bedeuten: 1. Eine überdurchschnittliche Verdrängung oder Unterdrückung oder ein auf die Spitze getriebenes Vercfchtenwollen auf jegliche libidinöse Bindung an Ein^elpersonen; 2. unter Umständen eine Unterdrückung der homoerotischen Liebesbindung; 3. seltener eine ungesunde Überschwemmung von kollektiver Menschheitsliebe, und somit eine übertriebene Strebung nach Menschwerdung, Humanisierung und Kul­ tur. Während der «gesunde» Humanisierungsdrang im Test, in der Form: S , — 0 zu erscheinen pflegt, hat der Überdruck in der negativen ^-Reaktion stets die Note einer Schwärmerei, einer ungesunden Übertreibung und eines verdächtigen Mißbrauches der Idee «Menschsein». Man hegt bei diesen Leuten stets den Ver­ dacht, daß die übertriebenen Kulturstrebungen nicht ganz echt sind, daß sie in Wirklichkeit nur Deckerscheinungen von nicht gelebten, aber tief gewünschten hetero-, noch eher von homosexuellen Regungen sind. Eine schlagartige Umdre­ hung des Überdrucks von negativer (— ! h) in eine positive Richtung (T ! h) 1 Vgl. hiezu Ich-Analyse. S. 34, 175, 261, 408, 417, 455. 2 SPITZ, R. A.: Kinderbeobachtung und Psychotherapie im ersten Lebensjahr. Schw. Zsch. f. Psych. Bd. XV, Nr. 4, 1956. S. 313ff.

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innerhalb einer Zehnerserie bestätigt natürlich in exakter Weise die Unechtheit des Humanisiertseins. Des öfteren geben diese Kulturschwärmer und Scheinhuma­ nisten im EKP das positive Zeichen dafür, daß das übertriebene Verzichten auf die Personenliebe doch nicht echt war. Nicht selten entpuppt sich im Komple­ mentprofil auch eine nicht- oder frühergelebte starke Neigung zur Homosexuali­ tät. b) Durchschnittliche negative Reaktionen h —

h

ist im Wesen ein Zeichen für die Strebung nach einer ideellen Menschheitsliebe, und zwar in einem menschlich ertragbaren Maße. Im besonderen, wenn die ent­ , — 0). Hingegen weisen sprechende r-Reaktion auch negativ oder null ist {S die Koppelungen — h + s (S — + ) oder — h + ! s (S — + !) usf. dahin, daß die libidinöse Personenliebe nur verdrängt oder unterdrückt wurde, weil der Zerstö­ rungsdrang die Oberhand und die völlige Bejahung des stellungnehmenden Ichs erlangt hat. Äußerst streng muß in diesen Fällen die bereits erörterte korrelative Deutungsweise beachtet werden. Die — ^-Reaktion darf nur dann als kollektive und ideelle Menschheitsliebe gedeutet werden, wenn das Ich eine höhere Ent­ wicklungsstufe bereits erlangt hat, so bei Sch ± +, ± =K + + und nicht bei > K O —, 0 i , -| , + ± , ± 0, ± — usf. Bei Erörterung der Vektorenanalyse werden wir nähere Auskunft über diese Wechselbeziehungen geben.

IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen h ±h Die E h-Reaktion bedeutet im Wesen die native hermaphroditische Urform des Eros. Die Bezeichnung «hermaphroditisch» bezieht sich natürlich nicht auf die gegen­ wärtige körperliche Verfassung der Person, obzwar wir wissen, daß der Mensch auch körperlich die Ansätze zu beiden Geschlechtsrichtungen am Anfang seiner em­ bryonalen Entwicklung aufweist, die er rudimentär sogar auch in seinem späteren Aufbau beibehält. Die Benennung «hermaphroditischer Eros» will psychologisch folgendes aussagen: 1. it h ist die ursprünglichste Form der zwischenmenschlichen erotischen Anziehung und Bindung. In dieser Urform ist der Eros noch nicht ausschließlich auf ein bestimmtes Geschlecht und Alter, auf eine bestimmte Klasse und Rasse gerichtet. Er trägt somit noch in sich alle möglichen Zukunftsrichtungen, in die er sich im Laufe der seelischen Erosentwicklung entfalten könnte. 2. 4= h\ birgt in sich in nuce sowohl die zukünftige Personen- wie auch die futurische Menschheitsliebe. Mit ± h liebt die Person einfach alles, was lebt. Wir betonen aber, daß die Wahl des Liebesobjektes deshalb noch undifferenziert ist, weil das wählende Ich selbst noch unreif ist. 3. E h mit gleichzeitiger E r-Reaktion (L =b) weist testologisch auf die un­ differenzierte bisexuelle Stufe hin, auf der ein jeder Mensch nativ angelegt ist und von der er sich erst später fortdifferenziert, um dann — am Ende seines Lebens —

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auf diese ursprünglich bisexuelle Stufe wieder zurückzukehren, zu regredieren. Die Reaktion di h wird somit testologisch stets als eine undifferenzierte oder re­ gredierte Form des Eros ausgelegt. Deshalb liefern bisexuelle Erwachsene des öfteren dieses Sexualbild. a) Mit Überdruck. Die zwei Arten der hypertonischen ^ ^-Reaktion \ + \ h und ± I b zeigen an, ob die Vp in ihrer bisexuellen Erosverfassung eher die libidinöse Personenliebe (± ! h) oder die ideelle Menschheitsliebe (d;, b) bevorzugt. Da aber die Reaktion ambivalent ist, kann der Überdruck nur ein geringer sein. Die Wahl von vier Bildern in einer Richtung ist ja das Maximum bei d; -Reaktionen. b) Durchschnittliche ambivalente Reaktion h hat die Bedeutung, die wir schon vorher erörtert haben. *

Damit haben wir nun den Faktor b und seine Reaktionsarten in ihrem Wesen, nicht aber in ihrer phänomenologischen Mannigfaltigkeit dargestellt. Mit den an­ geführten Beispielen bestrebten wir also kein vollständiges Inventar der Schick­ salsmöglichkeiten im Raum des Erosfaktors zu geben - wie in der Tabelle 2 -, sondern ausschließlich seine Wesenszüge hervorzuheben. In diesem allgemeinen Sinne werden auch die nachfolgenden Triebfaktoren nur aus einer höheren Wesensschau dargestellt werden.

Kapitel V

DAS WESEN UND DIE PSYCHOLOGIE DES THANATOS-FAKTORS s Das Wesen des Faktors <cr» besteht in dem Bedürfnis nach Zerstörung und SelbstZerstörung, nach Sadismus und Masochismus, nach A ktivität und Passivität. Er ist der sadomasochistische Faktor im Triebsystem der Scha, das Radikal der Destruktion. Sein Faktorzeichen «J» stammt vom Sadismus. Die Kraft, die fest bestehende Bindungen mit Gewalt entbindet, größere Ein­ heiten des Lebens rücksichtslos auflöst, erotische Verschmelzungen brutal zer­ reißt, die immerfort jeglichem Aufbau zur Ganzheit entgegenwirkt, die die Ganz­ heit zerstückelt und für alles, was lebt, den Tod herbeiwünscht und in der Tat zu bewirken vermag, diese brutale, tötende Triebkraft bewegt sich im Faktor s. Nichts gibt es an Abbau und Auflösung, an Zerstörung und Zerstückelung, an Leiden und Tod, an Mord und Selbstmord in der Welt ohne die Mitwirkung des Faktors s. Er ist das mächtigste unter allen auflösenden und abbauenden Elementen; er ist das furchtbarste unter allen angsteinjagenden Gespenstern; er ist die brutalste unter allen todbringenden Mächten; er ist es, der seit Urzeiten alle Raubzüge und Kriege im Leben der Völker und alle inneren Kriege in dem des Einzelnen ent­ facht. Faktor h ist der Faktor des Eros, Faktor s der des Thanatos.

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Das griechische Wort fravato; bedeutet 1. den natürlichen Tod; 2. das ge­ waltsame Totschlagen, den Mord; 3. die Todesstrafe, die Hinrichtung; 4. den Leichnam selbst1. Wie Faktor h dem Lebenstrieb, so entspricht der Faktor s dem Todestrieb in der Trieblehre S. FREUDS. N ur sind beide in unserem Triebsystem noch keine Triebe, sondern nur latente Triebkräfte, nur Bedürfnisse, aus denen sich dann der Sexual­ trieb, der Vektor 3" aufbaut. (Siehe später die Erörterungen über den Vektor S.) Die besondere Triebenergie des Faktors h ist die Libido, die des Faktors s die Mortido; ein Ausdruck, den P. FEDERN für die besondere Triebenergie des Todes­ triebes empfohlen hat2. Es ist bekannt, daß S. FREUD erst nach langem Zögern und Schwanken3 sich entschlossen hat, nur zwei Grundtriebe, nämlich den Eros als Lebenstrieb und den Thanatos als Todestrieb, anzunehmen4. Die anderen Gegensätze des Trieblebens - wie Selbsterhaltungs- und Art­ erhaltungstrieb, ferner Ich-Liebe und Objektliebe - die FREUD in seiner früheren Trieblehre aufgestellt hatte, fallen in der neuen Konzeption seines Triebsystems in den Bereich des Eros. Das Ziel des Eros ist die Bindung, das des Thanatos: die Zerstörung. *

Für die Wesensschau der Faktoren ist es wichtig zu erwähnen, daß FREUD in der Arbeit «Jenseits des Lustprinzips» (1920) mit folgenden Gleichsetzungen operiert hat: «Wir sind...» - schreibt er hier - «von einer scharfen Scheidung zwischen Ich-Trieben = Todestrieben und Sexualtrieben = Lebenstrieben ausgegan­ gen... Unsere Auffassung war von Anfang eine dualistische und sie ist es heute schärfer denn zuvor, seitdem wir die Gegensätze nicht mehr Ich- und Sexualtriebe, sondern Lebens- und Todestriebe benennen5.» Es fällt hier auf, daß FREUD die Ich-Triebe mit den Todestrieben gleichgesetzt hat, eine These, die sogar im Kreise der Psychoanalytiker scharfe Kritik und Streit hervorrief6, später aber durch die experimentelle Triebdiagnostik bestätigt werden konnte. Nur mußten und konnten wir auf experimentellem Wege die Beziehung des Gegensatzpaares von Eros-Thanatos einerseits zum Sexual- anderseits zum Ich-Leben klar voneinander trennen und genauer aufklären. Es ist nun unumgänglich, daß wir schon hier - in Vorwegnahme unserer spä­ teren Erörterungen - folgende Tatsachen hervorheben: 1. Die Sexualfaktoren h und s stehen mit bestimmten Ich-Funktionen in einer engen Wesensbeziehung. 2. Dem Erosfaktor h entspricht im Ich-Leben die Ich-Strebung zur Partizipa­ tion, die Urform der Projektion (— p), d. h. der ^-Funktion. Partizipation nennen 1 PAPE, W.: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch. F. Vieweg und Sohn, Braunschweig, 1849, Bd.I. S. 1073. 2 FEDERN, P.: Ich-Psychologie und die Psychosen. Huber, Bern u. Stuttgart, 1956, S. 108, 145f., 259f., 312-314, 336. 3 FREUD, S.: Abriss der Psychoanalyse. Ges. Werke, Imago Pub. London, Bd. XVII. 70. 4 FREUD, S .: Jenseits des Lustprinzips (1920). Ges. Sehr. Bd. VI. Int. Psa. Verlag, Leipzig/Wien/ Zürich, 1925. S. 191. » Ebenda: S. 245. • LAMPEL-DE GROOT, J. : Anmerkungen zur psychoanalytischen Triebtheorie. Entfaltung der Psychoanalyse. Hg. von A. MITSCHERLICH, Klett, Stuttgart, 1956. 5. 194ff.

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wir ja - nach Levy-Bruhl - die Ich-Strebung nach Einssein, Gleichsein, Verwandtsein mit dem anderen Ich h Während also Eros - als Faktor h - die Libidoübertragung und somit die reine erotische B indung zwischen zwei Liebenden bedingt und aufrechterhält, bestimmt die projektive Partizipation - als Urfunktion des Ichs - die Übertragung der Seins­ macht, der «Potestas» von dem eigenen Ich auf das andere Ich. Das heißt: die Kraft des Seins wird als Macht vom Ich auf das Du übertragen und bewirkt somit das Einsseins zweier Iche in Form einer Dualunion. Dualunion nennen wir das Sein des eigenen Ichs im anderen Ic h. Wir müssen somit auf Grund der experimentellen Trieb- und IchAnalyse zwei, in der Wurzel verschiedene Formen des Einsseins zweier Lebe­ wesen annehmen: a) die erotische und b) die ichhafte Form. Das erotische Einssein mit dem Anderen nährt sich aus der Erosquelle des Faktors h, d. h. aus der Libido. Das ichhafte Einssein mit dem Du nährt sich hin­ gegen aus der «Macht»-Quelle des Faktorsp, aus der Triebenergie des Ich-Seins, die wir Potestas nennen. Dieses Einssein mit dem anderen Ich entsteht eben durch die Übertragung der Seinskraft, der Potestas2. O&f froAWf OOrr«« ab, «//Wrnkf» in Liebe. Das ichhafte Einssein hingegen ist das machtübertragende «potestatinöse» Eins­ sein zweier Wesen im Ich. Phänomenologisch kann schon die erotisch-libidinöse V er­ schmelzung mit dem potestatinösen Sein im anderen Ich zeitlich zusammenfallen. Diese Simultaneität muß aber nicht immer eintreffen. Zwei Menschen können sich erotisch unwiderstehlich anziehen, ohne aber auch im Ich eins sein zu können. Eben diese Diskrepanz zwischen-Eros und Ich macht ja des öfteren das Zusammen­ leben zweier Menschen in der Ehe so schwierig. 3. Dem Thanatosfaktor s entspricht im Ich die negative k-Funktion, der Negati­ vismus m it Überdruck (— ! k, — ! !k, — ! ! !k). Wir nennen diese Hypertonie der negativen ^-Funktion: die ichhafte Destruktion, oder die Selbstdestruktion des Ichs. Die Person zerstört - zumeist aus Verzweiflung - jegliches Ich- und Habideal und sabotiert somit das eigene Ich in seiner Machtentfaltung. Wir unterscheiden somit zwei schon in der Wurzel verschiedene Arten der Destruktion: a) die sadistische, thanatomane und b) die ichhafte, katatoniforme, negativistische Zerstörung. Die thanatomane Zerstörungsform nährt sich aus der Energiequelle des Fak­ tor s, der Mortido. Sie wirkt also mortidinös. Die ichhafte Destruktionsform hingegen schöpft ihre Zerstörungskraft aus der Energiequelle des Faktors k, d. h. aus der Ich-Kraft der katatoniformen Ver­ neinung, der Negation. Des öfteren fallen beide Formen - in dem Erscheinungsbild - zusammen, indem sie die Zerstörungskraft sowohl aus der Mortido des Todestriebes s, wie aus der Negationsquelle des /Wehs schöpfen. Sie können aber auch unabhängig voneinander auftreten. Dies konnten wir im Experiment sichtbar machen. 4. Der Erosfaktor h hält somit mit dem Potestasfaktor p, der Thanatosfaktor r hin­ gegen mit dem Negationsfaktor k eine interfaktorielle Wechselbeziehung (Korrelation) auf1 Ich-Analyse, S. 34. 8 Über die dritte Form des Einsseins, die Kommnnikationt wird bei der Erörterung des Kontakt­ triebes die Rede sein.

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recht. Wir betonen aber, daß - trotz der scheinbaren Ähnlichkeit in den Erschei­ nungsbildern (Einssein bzw. Destruktion) - die Triebquellen wie auch ihre tiefen­ psychologischen Bedeutungen dennoch verschieden sind. *

Nun kehren wir zur Darstellung des Wesens des Faktors s zurück. Faktor 6 ist der sadomasochistische Triebfaktor. Seine angeborene Triebform ist: d: s. Aus dieser Urambitendenz differenziert sich im Laufe der individuellen Ent­ wicklung : 1. Die vom Ich bejahte Tendenz zur Aggression, zum Sadismus, zu Raub und Totschlag: + s, -j- ! s, -f ! ! s, ! ! !s (vgl. hiezu «Triebanalyse», Abb. 51, S. 387, Profil VI, VIII). 2. Die Wendung des Sadismus und der Destruktion gegen die eigene Person. Also die Aufopferung, die Hingabe, der sexuelle und tnoralische Masochismus, die Selbst­ destruktion bis sçum Selbstmord^: — s, — ! s, — ! ! s, •— ! ! !s (vgl. hiezu Ebenda: Profil II). Ähnlich wie der Faktor h trägt auch der Faktor s in seinem Wesen eine höhere, kollektive und ideelle Schicksalsmöglichkeit. Während aber der Erosfaktor h auf der geistigen Ebene das Triebfundament für die Kultur, Humanisierung und kol­ lektive Menschheitsliebe schafft, bewirkt der Faktor s im besonderen auf der Sozialisierungsebene all das, was in dem Rahmen der Technik und Zivilisierung fällt. Bei der Ausrottung von Urwäldern und wilden Tieren, bei dem Bau von Städten, Straßen, Eisenbahnen und Autostradas, Wasserleitungen, Wasser- oder Atomwerken, bei Installierung von sanitären Kanalisationen, bei allen techni­ schen Komforteinrichtungen, bei allen sogenannten hygienischen Schutzmaß­ nahmen - Massenimpfungen, körperlicher Fürsorge - treffen wir unter anderen die Wirkungen des Faktors s an! Ohne Gewalt kann man sogar heute noch nicht kulturarme Naturvölker oder niedere Schichten eines kulturreichen Volkes zivi­ lisieren und sie gegen Krankheiten schützen. In besonderen Fällen kann man ja auch ohne Anwendung des blutigen chirurgischen oder des brennenden elektri­ schen Messers nicht heilen. Auch hier - im Reiche des Destruktionstriebes - do­ miniert somit das Gesetz der Gegensätzlichkeit von Natur und Geist in der Wir­ kung von dem gleichen Triebbedürfnis. Die Umdrehung der sadistischen Ten­ denz (-f- j) in die Hingabe und Aufopferung (— s) ist aber stets auf die Wirkung des stellungnehmenden Ichs zurückzuführen. Zum Wesen des Faktors s gehört im allgemeinen die Doppeltenden^ der Aktivi­ tät (-\- s) und Passivität (—.r). Beide Tendenzen beziehen sich aber nicht nur auf das Geschlechtsleben (sexuelle Aktivität und Passivität), sondern auch auf die Tätigkeit im Beruf und im Leben überhaupt. Wie der Erosfaktor phylogenetisch das Bedürfnis der Urmutter darstellt, so repräsentiert der Faktor s den Urvater, den Hordenvater (S. FREUD), den Pa triarchen. Und zwar einerseits mit seiner Brutalität gegen die Söhne, die er im Kampf um die Frauen wegtreibt, anderseits aber mit

seinem

W

7w Fk wfib, den er

Opferung im Kampf ums Dasein und gegen die Feinde, auslebt. Faktor s trägt alle 1 Im besonderen finden wir diese Reaktionen bei der Melancholie, bei der paranoiden Depression und dem Verzweifiungswahn.

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urtümlichen Tendenzen des Patriarchen in sich; die eines familiären Tyrannen und auch die eines sich selbst hingehenden Familienvaters. Unter Umständen - so im besonderen bei Mann-Weibern (Viragines) - kann auch die starke Mutter die Rolle des Vaters übernehmen und die nämliche Reaktion im Faktor 2 liefern wie ein Mann-Vater. (Siehe später die Dur-Moll-Methode.) *

Nun gelangen wir zur Darstellung der verschiedenen Reaktionsarten des Faktors 2.

I. Analyse der Nullreaktionen s Os Im Wesen bedeutet die Reaktion 0 s ein aktuelles und relatives Abflauen, eine Ver­ minderung des Bedürfnisses nach männlicher Aktivität oder weiblicher Passivität, nach Sadismus oder Masochismus, nach Zerstörung oder Selbstzerstörung. Die Kraftverminderung im Faktor s darf stets nur relativ in bezug auf die Stärke des Faktors h ausgewertet werden. Die führende Deutungsmöglichkeiten sind im Wesen die folgenden: Die Vp steht zur Zeit des Testverfahrens in einer Entladungsphase ihrer Akti­ vität oder Aggression. Während sie aber im Vordergrund aktuell, relativ inaktiv ist, beginnt schon im Hintergrund die Reintegration der männlichen Aktivität, der draufgängerischen Aggression (+ s) wie auch die Reorganisation der masochistischen Hingabe (—s), kurz: die sadomasochistische Ambitendenz: 2 be­ reitet sich vor, in den Vordergrund zu treten. 1. Im Vektorbild1: S + ! ! 0, + ! ! ! 0 weist die Reaktion 0 2 auf die über­ wältigende Dominanz des Eros und infolge dessen auf das relative Abflauen der Destruktionstendenz hin. In diesen Fällen besteht die Sexualität fast nur aus ero­ tischen Liebesanziehungen ohne den simultanen Drang, die libidinösen Bindun­ gen mit Gewalt abzubrechen. Der testologische Befund -}- ! h, 0 2 ist des öfteren mit dem inzestuösen Kontaktbild — d, m verbunden. Hier entpuppt sich eine äußerst kindliche Art inaktiver Bindung an die Mutter oder an die Mutterersatz­ person. Das Individuum sehnt sich stark nach Liebe (-f- ! h), macht aber keinen aktiven Schritt, sie zu verwirklichen (0 2). Dasselbe Sexualbild kann aber auch eine voraufgehende massive Entladung der Aggression darstellen. Die Vp mußte ihre Aggression gegenüber dem Liebes­ objekt deshalb entladen, weil sie die Spannung durch die Aufstauung und das Un­ befriedigtsein im Eros nicht mehr weiter ertragen kann. Mit dem Aggressions­ ausbruch hat sie nun diese innere Spannung vermindert. Die Sexualität ist auch in diesem Fall infantil, nicht selten sogar eben durch den manifesten Sadismus per­ vertiert2. 2. Das entgegengesetzte Sexualbild : J — 0, — ! 0 usf., weist daraufhin, daß die Vp ihre Aktivität und Aggression in irgendeinem humanistischen Beruf (wie 1 Im Vekcorbild S steht zuerst das Reaktionszeichen des Faktors b, ihm folgt das des Faktors T. Die Faktorenbuchstaben (/;, s) werden weggelassen. 2 WALDER, H .: Triebstruktur und Kriminalität. H. Huber, Bern u. Stuttgart, 1952. S. 42.

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Chirurg, Kritiker, Beichtvater, militanter Humanist usw.) bereits befriedigt hat. Diese Annahme muß aber durch eine höhere Stufe des Ichs bereits begründet sein. 3. Die Reaktion 0 r mit dr ^ i 0) bedeutet das Verebben der Aktivität und Aggression bei einer Person, die ihren Eros simultan in beiden Tendenzrichtun­ gen zu befriedigen wünscht, ohne ihn aktivieren zu können. Einerseits sehnt sie sich nach Personenliebe (J + 0), anderseits möchte sie die ganze Menschheit als Ganzes lieben (S — 0), aber keines von beiden gelingt ihr. Der Umstand, daß die Vp gleichzeitig zwei Herren dienen will, macht sie inaktiv. Die Reaktion 0 s kann somit gelegentlich auch als eine permanente, sozialisierte Reaktion im Faktorraum ,f gedeutet werden, im besonderen wenn neben — h auch das Ich eine höhere Stufe erreicht hat. 4. Seltener bedeutet die Reaktion Or eine konstitutionelle und somit perma­ nente Schwä che der ?nännlichen A ktivität, z. B. im Sexus (d. h. im «Angreifen» des Sexualobjektes) oder eine andauernde Untätigkeit und Arbeitsunfähigkeit. Die Anamnese der Vp, ferner die körperliche Untersuchung (inbegriffen die Geni­ talien) können unter Umständen diese Deutungsmöglichkeit unterstützen oder widerlegen. Das permanente Leerlaufbild im Sexualvektor: L 0 0 - falls es durch­ gehend in einer Zehnerserie erscheint - bestätigt natürlich die obige Bedeutung der Reaktion 0 s. In diesem Fall muß man aber eine exzessive Onaniesucht aus­ schließen. II. Analyse der positiven Reaktionen s + -r a) Mit Überdruck: + ! s, -f- ! !s, -)- ! !! s 1. Sie bedeuten die überdurchschnittlich bedrohliche Aufstauung des Destruk­ tionsbedürfnisses. Falls die Vp unfähig ist, diese Unmenge von Zerstörungskräf­ ten in einer bestimmten Zeitspanne allmählich abzuführen, so wird der Träger dieses hypertonischen Destruktionsdranges gemeingefährlich. Auf diese Leute muß die Umwelt äußerst aufpassen - sowohl in einer Irrenanstalt wie auch in einem Gefängnis, noch mehr aber draußen im Leben. Zur Zeit einer Revolution, eines gewaltsamen politischen Umsturzes werden eben diese Sadohypertoniker zu den grausamsten Zerstörern der Gesellschaft und des Menschenlebens. In den totalitären Staaten finden wir diese Superdestruktoren stets an der Spitze der Exekutionsmacht, der Geheimpolizei und andersartiger Milizorganisationen. Ein klassisches Beispiel dieser Menschensorte haben wir in der Triebpathologie, Bd. I, ausführlich dargestellt1. Natürlich können sich diese Superdestruktoren unter Umständen in Selbstdcstruktoren verwandeln. In dem erwähnten Fall Nr. 51 der «Triebpathologic» handelt es sich um einen 53jährigen Gendarmerie­ oberst, der im zweiten Weltkrieg - ohne dazu einen Befehl erhalten zu haben - in Südungarn Tausende von Serben und Juden am Ufer der Donau niederschießen und die Leichen in die Donau werfen ließ. Später gab er im Gefängnis, wo er als Kriegsverbrecher psychologisch (von L. NOSZLOPI) untersucht wurde, im Profil VI die Reaktion -f- 1 ! im Profil VIII: + I 1 1 j und einmal - am Anfang der Untersuchung im Profil II: — 111 s 2. E r war also nicht nur ein Massenmörder, sondern auch ein Sclbstdestruktor und auch ein sexueller Sadomasochist. 1 Triebanalyse, Fall 51. Ein Kriegsverbrecher. S. 387. 2 Er wählte demnach von den sechs Mördcrbildern 5 und 6 sympathisch oder unsympathisch.

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2. Die Destruktionshypertonie kann also auch auf eine sadistische oder sado­ masochistische sexuelle Perversion hinweisen. Im besonderen, wenn die Reaktion h gleichzeitig 0 oder ± ist. 3. Epileptiker, Katatone, Maniker, haltlose Psychopathen liefern des öfteren Uber­ druckreaktionen im 4- s zusammen mit ! h. b) Analyse der durchschnittlichen positiven Reaktionen s 1. + s ohne Überdruck ist das Zeichen eines normalen, aktiven, arbeitsfähigen, potenten Durchschnittsmenschen bei beiden Geschlechtern, falls sich die Reaktion h auch positiv und ohne Hypertonie gestaltet: J d—|-2. + j- mit 0 h, — h und ± h (S 0 +, K ± +) kann auf Grund des Relativitätsprin^ips der Deutung auch krankhafte Charakterzüge oder eine abnorme Sexualität bedeuten. So z. B. im Vektorbild: S 0 +. Hier ist der Sadismus - auch ohne Überdruck - relativ überwältigend, weil der Erosfaktor simultan vermindert ist. In diesem Fall stellt diese Reaktion einen charmanten Menschen mit Neigung zur Aggression dar. Typologisch nennen wir ihn - allerdings utriert - den «Hen­ ker mit dem Taubenherz». Es bedarf einer eingehenden tiefenpsychologischen Analyse, um festzustellen, ob diese Menschen mit der Reaktion S A £ in der Tat Humanisten sind, die ihre Ziele aggressiv verwirklichen wollen oder aber, ob sie wirkliche Aggressoren sind, die ihre Personenliebe unterdrücken. Im Hintergrund sind sie weiblich (S -j ), nicht selten mit einem verkehrten Triebziel, d. h. sexuell invertiert. Die Analyse der faktorieilen Korrelation kann hier bei der Ent­ scheidung gute Hilfe leisten. 3. Die Verbindung der Reaktion -(- .r mit einer Ambitendenz oder Ambi­ valenz im Faktor h: S ± + ermöglicht für die Reaktion + s zwei Deutungen: a) Eine normale, aktive und marschbereite Sexualität: S H—h geseilt sich zu der Tendenz der kollektiven Menschenliebe (— h). b) Zu dem Sadohumanismus (S 1-) ge sellt sich eine Personenliebe (+ h). Hier kann natürlich ebenfalls nur die Ich-Stufe die eine Deutungsart bestätigen und die andere ausschließen.

III. Analyse der negativen Reaktionen s —s a) Mit Überdruck: — ! J ", — ! ! r, — !! ! s Der Überdruck in der Reaktion — s weckt stets den Verdacht auf irgendeine krankhafte Form des Masochismus oder aber auf eine über das Maß gesteigerte Unterdrückung, Verdrängung oder Hemmung eines überstarken Zerstörungs­ dranges, eines Sadismus. In der Tat gibt es keinen Masochisten, der unter Um­ ständen nicht zu einem Sadisten werden könnte. 1. Als Masochismus kann die Hypertonie der Reaktion •— s a) auf den primären Masochismus, auf den Todes trieb katexochen eines Selbst­ zerstörers hinweisen (S. FREUD), od er 79


b) auf einen sekundären sexuellen Masochismus (Passiophilie) oder c) auf den tertiären moralischen Masochismus. Die genaue Analyse der Mitte der Profile (d. h. der Vektoren P und Sch) kann hier die Entscheidung fällen, welche von diesen Schicksalsformen bei der Vp mög­ lich ist. Die Reaktionen des Gewissens (+ ! e, •— by) und ein höheres Ich (Sch ± +, dt =b) sprechen eher für die moralische, also für die tertiäre Form des Masochismus. Das Fehlen des Gewissens, gepaart mit einem unentwickelten Ich (0 e, 0 hy, 0 k, —p oder 0p), d. h. das Fehlen der Zensur des Über-Ichs in der Mitte, spricht hingegen eher für die sekundäre, rein sexuelle Form des Masochismus. End­ lich weist der Symptomkomplex des Selbstmordsyndroms (— ! k, p, •—d, — m, der sogenannte negative Block) auf die Möglichkeit der seltenen Form eines pri­ mären Masochismus hin. Die Deutung dieser Reaktion mit Überdruck auf Maso­ chismus ist im besonderen in den Fällen höchstwahrscheinlich richtig, bei denen die Reaktion h null ist. Hier (S 0 — !, S 0 — ! !usf.) fehlt ja d er Lebenstrieb, das Verlangen nach Liebesbeziehungen. Ist das Verlangen nach Personenliebe auch überdurchschnittlich stark (S + ! — !), so ist der Verdacht auf einen sexuellen Masochismus berechtigt, im besonderen wenn das Ich dieses Verlangen bejaht (Sch I g). Unterdrückt hingegen die Person beide Sexualansprüche mit Überdruck: S — ! — !, so dürfen wir dieses Sexualbild niemals als eine humanisierte Liebe mit Muf"wf Aßqgab dk'Aw, rowAr» a/r «wr jwnw/rfäf rowohl in der Richtung der Personenliebe wie in der des Sadismus. Der Hintergänger ist ja in diesen Fällen: V —|— ! —)— ! usf. Selten gelingt es dem Versuchsleiter in einer vor­ dergründigen Zehnerserie, diese Umdrehung von — ! s und -f- ! s sichtbar zu machen, etwa so wie es im Fall 15 (der Triebpathologie) bei dem erwähnten Kriegs­ verbrecher gelungen ist. Die seltene Verbindung des Masochismus mit einer ambivalenten bzw. ambitendenten Reaktion h im Sexualbild T T: — ! wird zumeist als die Vorphase zum Bild S 0 — ! aufgefaßt. 6; /aWyj-f

AtfW/AbW mga/mw Äaat/wmM r

Im Wesen ist sie ein Zeichen der Hingabe, Aufopferung eines zivilisierten Menschen unabhängig vom Geschlecht. 1. In Anwesenheit einer simultanen Reaktion — h ohne Überdruck (im Vektor­ bild S ) bedeutet die Reaktion — s eben diese Komponente der Hingabe und Aufopferungstendenz in der Menschenliebe. Beide Reaktionen sind ein verläß­ liches Testmerkmal der Humanisierung, falls das Ich dem entspricht (T , Sch T T, i i> + +)• 2. Mit einer positiven Reaktion h (S -1 ) bedeutet sie die weibliche Passivität in allen Lebenserscheinungen; eventuell auch die passiv-masochistische Tendenz im homo- oder heterosexuellen Verkehr. 3. Mit einer Reaktion 0 h bedeutet — t (I 0 —) eine Unifunktion der Passi­ vität, die schon an der Grenze des Masochismus steht. 4. Verbunden mit =\z h (S ± —) kann die Deutung der Reaktion —s schon in mehrere Richtungen führen. a) Sie kann den halbwegs humanisierten Zustand eines Menschen mit Hin­

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gäbe und Aufopferung (S ) darstellen, der aber auf die Personenliebe nicht verzichten kann (-f- h). b) Abhängig von der Anwesenheit anderer Spaltungsreaktionen (P + •—, Sch d ,Cd ) kann die Reaktion •— s mit dz h auch eine unvollständige Spal­ tung, bzw. Inversion des Sexuallebens bedeuten (J dz —)• Der Erosfaktor ist hier in beiden Richtungen in der Personen- und Menschheitsliebe (dz b) ~ Bedürf­ nis gegenwärtig. S dz — kann aber auch die passive Hingabe (— s) einer bisexuel­ len Person bedeuten (dz b), die zur Spaltung bereit ist (Präschizophrenie eventuell Bisexualität usf.).

IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen s ± -r Im Wesen bedeutet diese Reaktion den Sadomasochismus, und zwar nicht nur im Geschlechtsleben, sondern auf allen Gebieten des Lebens. Im Sexus wird die Lust bei dem Sadomasochisten auf Schlagen und Geschlagenwerden eingestellt. Im Alltagsleben dominiert stets die Frage: Wer ist oben? Ist nun in dieser sado­ masochistischen Partnerschaft der eine durch seine Brutalität aktuell zum Ober­ mann geworden, so übernimmt der andere fast selbstverständlich die Rolle des Untermannes, der sich vom stärkeren quälen läßt. In dem Moment aber, wo dieser mißhandelte Partner entdeckt, daß sein Gegenpartner schwächer wird, über­ nimmt er sofort die Rolle des Sadisten und von nun an quält er seinen bisherigen Quäler. Dieses Wechselspiel führt zu einer sadomasochistischen Kette aus Schmied­ eisen. An Stelle der Bindung durch den Eros ist die durch den Sadomasochismus, den Thanatos getreten. Natürlich ist diese Art von «Bindung» abnormal und oft laut von Streit und düster vom raffinierten Quälen und stummen Dulden. Ver­ sucht nun ein Außenstehender diese «Henker und Opfer »-Beziehung aufzulösen, so wird er sofort von beiden Partnern viribus unitis brutal angegriffen. Und so leben sie dann jahrein, jahraus weiter an diese sadomasochistische Kette gebunden wie Galeerensträflinge nebeneinander: Mutter und Tochter, Vater und Sohn, Mutter und Sohn, Vater und Tochter, Gatte und Gattin, Schwiegermutter und Schwiegertochter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer und so fort. Man kann ihnen fast nicht helfen - oft sogar auch mit Hilfe einer tiefenpsychologischen Behand­ lung nicht. Sie haben ihr Triebleben von dem Erosgeleise auf das des Thanatos verschoben und sind nun einfach unfähig geworden, einzusehen, daß sie mit einem «falschen» Triebband aneinandergebunden sind, das sie beide allmählich zerstört. Die Ursache dieser Verschiebung in der Bindung ist zumeist die Flucht vor einer Inzestliebe. Oft erkennt man diese Sadomasochisten durch zwei merk­ würdige Züge in ihrem Verhalten: 1. durch die Manieriertheit und 2. die Bizarrere!. Beide sind Ersatzsymptome einer unterdrückten Inzestbindung. a) Mit Überdruck finden wir %wei Variationen: 1. ± ! J : Sie weist auf denjenigen Partner hin, der neben der masochistischen Tendenz (— s) aktuell doch der stärkere, der relativ sadistischere ist (-f- ! .r). 6

Srondi, Triebdiagnostik

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2. j=i -f: ist ein Testzeichen für den aktuell unterlegenen, mehr masochistischen Partner (— ! r) in der sadomasochistischen Dualunion. Ihre Variationen mit den Reaktionen h sind die gleichen wie die bei den b) durchschnittlichen ambivalenten Reaktionen j Über das Wesen dieser Reaktion wurde bereits alles gesagt. Ihre Variationen: 1. Mit 0 h {S 0 d z ) : ist die typische Form des Sadomasochismus. Die Eros­ bindung ist relativ null geworden (0 h) und die abnorme Partnerschaft des Sado­ masochismus (dz s) hat die Oberhand. 2. Mit -f- h (5" -f- d z ) ist die Wirkung der sadomasochistischen Bindung da­ durch abgeschwächt, daß die Person die erotische Personenliebe noch nicht ganz verloren hat (-f h). Des öfteren deutet dieses Sexualbild auf eine passiv-weibliche Person hin (S -f- •—), die aber auch sadistischen (-f- s) Neigungen frönt. 3. Mit — h (S — dr) ist die sadomasochistische Reaktion mit der Unter­ drückung, Hemmung oder Verdrängung der Liebe gekoppelt. Eben deshalb kann die Person, die zumeist inzestuös gebunden ist, nicht lieben und liefert sich ret­ tungslos einer unglücklichen sadomasochistischen Bindung aus. Unter bestimm­ ten Umständen kann dieses Sexualbild auch einen Sadohumanisten (S 1-) d ar­ stellen, der sich gleichzeitig von seinen Schützlingen oder Zöglingen quälen läßt. (Z. B. Lehrer, Professoren, Fürsorgerinnen, Psychoanalytiker.) 4. Mit dz h (L d z d z ) kommt das klassische Bild des psychischen Hermaphrodi­ tismus oder der Bisexualität im Testverfahren zum Vorschein.

Kapitel VI

ANALYSE DES SEXUALTRIEBES DES VEKTORS V Der Sexualvektor entspricht völlig den Voraussetzungen1 eines Triebvektors. 1. Sein spezielles Triebgebiet ist der sexuelle Sektor des Lebens sowohl in nativ-sinnlicher wie auch in humaner Form. 2. Er wird aus den Faktoren h und .r au fgebaut, deren Funktionen diametral entgegengesetzt sind. Die Funktion des Faktors h ist ja der Eros, die Bindung durch Liebe und Zärtlichkeit, die des Faktors s hingegen die Entbindung, die Auf­ lösung, die Zerstörung jeglicher libidinösen Bindung durch Aggression und Sadismus. 3. Trotz dieser gegensätzlichen Funktionen von Eros und Thanatos schlagen die Faktoren h und s dennoch die nämliche Triebrichtung ein, und führen - falls ihre wechselseitige Ergänzung gelingt - zu einem Endziel: zur Begattung, oder zum Einssein mit den Menschen in der Idee der Menschheit. In der Trieblehre der Psychoanalyse (Psa) sind Eros und Thanatos zwei Grundtriebe, die als Lebens- und Todestriebe durchgehend das ganze Triebdasein eines Menschen allein bestimmen. Nach FREUD gibt es ja n ichts außerhalb dieser zwei Grundtriebe. In der Trieblehre der Scha hingegen sind Eros und Thanatos nur vei ' Siehe Kapitel II, 2.

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besondere Triebkräfte zweier Triebfaktoren (h und r), deren Wirkung ausschließlich auf den Sektor der Sexualität, b%w. der Menschheitsliebe beschränkt ist. Im Triebsystem der Scha stehen vier und nicht zwei Grundtriebe nebeneinander, und alle vier {S-, P-, Sch- und C-Vektoren) sind gleichberechtigte Grund triebe des Triebdaseins mit be­ sonderen Triebrichtungen und Endzielen, welche aber alle nur auf eine bestimmte Strecke der Triebhandlungen mit einem speziellen Richtungssinn beschränkt sind. Da­ bei aber stehen sie in einer engen korrelativen Wechselbeziehung miteinander. Die Trieblehre der Scha ist somit nicht dualistisch; sie ist im Grunde ein oktogonales (achteckiges) System mit einer «Trieboktave», mit acht Triebfaktoren, aus denen im Laufe der Entwicklung durch funktionelle Ergänzung von je zwei Faktoren das Quadrat, als Ganzheit des Triebsystems, entsteht. *

Nun stellt sich aber die Grundfrage: Wie ist es mögbeb, daß aus dem Zwie­ spalt von Liebe und Aggression, von Bindung und Auflösung die Einheit der Sexualität mit ihrem «/«deutigen und «'«sinnigen Endziel dennoch entstehen kann ? Wie soll man sich nun den Vorgang vorstellen, daß Eros = Faktor h und Thanatos = Faktor j, diese urtümlichen Gegenfüßler (Antipoden) des Seins, sich trotzdem zu einem Endziel in einer eingeleisigen Triebrichtung zu legieren ver­ mögen? Diese Frage hat S. FREUD schon 1920 aufgeworfen. Wie ist es möglich so lautet seine Fragestellung - diese Polaritäten von Lebenstrieb und Todestrieb, von Liebe und Haß, von Zärtbchkeit und Aggression zueinander in Beziehung zu setzen, die eine auf die andere zurückzuführen ? Seine Antwort war : «Liegt nicht die Annahme nahe, daß dieser Sadismus eigentlich ein Todestrieb ist, der durch den Einfluß der narzißtischen Libido vom Ich abgedrängt wurde, so daß er erst am Objekt zum Vorschein kommt? Er tritt dann in den Dienst der Sexualfunktion; im oralen Organisationsstadium der Libido fäbt die Liebesbemächtigung noch mit der Vernichtung des Objektes zusammen, später trennt sich der sadistische Trieb ab und endlich übernimmt er auf der Stufe des Genital­ primats zum Zwecke der Fortpflanzung die Funktion, das Sexualobjekt so weit zu bewältigen, als es die Ausführung des Geschlechtsaktes erfordert. Ja, man könnte sagen, der aus dem Ich herausgedrängte Sadismus habe den libidinösen Kompo­ nenten des Sexualtriebs den Weg gezeigt; späterhin drängen diese zum Objekt nach. Wo der ursprüngliche Sadismus keine Ermäßigung und Verschmelzung er­ fährt, ist die bekannte Liebe-Haß-Ambivalenz des Liebeslebens hergestellt1.» Die theoretische Annahme S. FREUDS , n ach der Eros und Thanatos im Laufe der Sexualentwicklung sich miteinander legieren, konnten wir in exakter Weise experimentell beweisen. Die Vektorenbilder L|£ und S f £ bedeuten ja eb en die Legierungsvorgänge von Eros (,b) und Thanatos (s). Das Sexualbild : S H—|entspricht empirisch dem schon legierten Sexualleben des A.lltagsmenschenï, in dem Zärtlichkeit (+ h) und Aggression (+ s) legiert und die vorausgehende Bindung und nachfolgende Auflösung in der Tat vereinigt sind. Das S Bild weist eben­ falls schon auf die Legierung von Liebe und Aggression hin, nur auf einer huma1 FREUD, S .: Jenseits des Lustprinzips. Ges. Sehr. Bd. VI. Int. Psa. Verlag, Leipzig/Wien/Zürich. S. 246. 2 Ob der Alltagsmensch zu einer Zeit der allgemeinen Inversion - wie heute - noch immer die .1 H—bReaktion gibt, muß neu geprüft werden.

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nisierten Ebene («Militanter Humanismus»), Beide Sexualbilder sind somit zu­ verlässige Testmerkmale einer legierten, normalen S exualität, das eine Bild auf der niederen Stufe der reinen Sinnlichkeit, das andere auf der Höhe der Menschheits­ liebe und Selbstaufopferung. Legierung will hier keine wirkliebe «chemische» Ver­ schmelzung bedeuten, sondern nur eine wechselseitige Ergänzung zweier Faktoren sçii einer Triebhandlung, die sie gemeinsam zus tande bringen. Die Gegensätze in den Wirkungs­ kreisen von Eros und Thanatos sind unseres Erachtens keine kontradiktorischen Polaritäten, die sich gegenseitig ausschließen, sondern komple?nentäre Gegensätz­ lichkeiten des Trieblebens, die sich wechselseitig zu einer gemeinsamen Aufgabe ergänzen. Im Sexualakt ergänzen sich somit die Polaritäten: h: 1. Passivität 2. Liebe

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Diese Gegensätzlichkeiten sind im Sexualakt so innig miteinander verbunden, daß man die Teilfunktionen phänomenologisch nur durch die Zerlegung des Aktes in seine Polaritäten zu agnoszieren vermag. Gelingt aber die Ergänzung der sich im Gesamtakt legierenden Einzelfaktoren nicht vollständig oder überhaupt nicht, so erscheint ein verzerrtes Bild einer Perversion in Form von Sadismus oder Maso­ chismus oder von anderen Entartungen. Die unerläßliche Bedingung des sexuellen Aktes, die Bemächtigung des Liebes­ objektes, ist also ein Derivat des nativen Sadismus. Ohne das massive Ergreifen und die Bewältigung des Partners wird ja die Ausführung des Aktes - in seiner physiologischen Form - in der Tat unmöglich. Der Sadismus erschien ja zu Urzeiten in der Form des Raubes der Frauen. Hier war der Faktor s noch in seiner Urform in floribus. Heute erscheint er zwar abgeschwächt, ermäßigt aber den­ noch in jedem Sexualakt. Der Sadismus wird des öfteren nur durch Vorspiele oder Begleitung des Aktes (Beißen, Tätscheln usf.) «zivilisiert». Soweit können wir mit FREUD den gleichen Weg gehen. Was wir aber in der pREUDschen Auffassung als unannehmbar erachten, ist die Hypothese, daß der Sadismus ursprünglich als Todestrieb im Ich sit^t und aus dem Ich her­ aus in die Sexualfunktion gedrängt wird, um «den libidinösen Komponenten des Sexualtriebes den Weg» zu zeigen. Diese Annahme benötigte FREUD aus zwei Gründen: Erstens weil er die Ich-Triebe mit den Todestrieben gleichgesetzt hatte. Zweitens weil seine Ich-Theorie ausschließlich nur auf der Basis der bekannten Libidotheorie fußte. Seine Ich-Analyse begann erst zu «funktionieren», als er die Idee der «Ich-Libido» in der Form des Narzißmus entwickelte1. Die Scha trennt die Libidotheorie völlig von der Ich-Theorie. Sie begrenzt den Wirkungsraum der Libido auf den des Faktors h. Das Ich ist weder ein Libidoreservoir für den Eros noch ein Mortidobehälter für den Todestrieb, desseniWir1 Vgl. hiczu die Erörterungen in der Ich-Analyse, S. 129ff.

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kungsgebiet ausschließlich in das des Faktors s fällt. In den vorangehenden Er­ örterungen wurde bereits die Beziehung des Eros-Thanatos zum Ich erklärt. Wir sagten: Das Einssein mit dem Partner weist eine sexuell-libidinöse und auch eine ichhafte-partifipative Form auf, die nicht unbedingt zeitlich zusammenfallen müs­ sen und des öfteren in der Tat isoliert erscheinen. Auch darüber wurde berichtet, daß auch die Zerstörung zwei, an sich verschiedene Quellen und Formen besitzt: die sadistische, thanatomane und die ichhafte, katatoniforme, negativistische Form. Die erste ist «sexueller», «libidinöser», die zweite «ich-funktioneller» Natur, und sie können unabhängig voneinander erscheinen. Der Sadismus, der im Sexualakt als Bemächtigung des Liebesobjektes erscheint, wird somit nicht vom Ich in den Geschlechtsakt herausgedrängt - wie das von FREUD ang enommen wurde -, sondern die sadistische Bemächtigung, das aggressive Ergreifen des Objektes ist eine primordiale native Sexualfunktion des Thanatosfaktors im Sexual­ vektor selbst und kein vom Ich herstammendes Derivat des Todestriebes. Diese Auffassung fußt auf dem breiteren Fundament unserer quadratischen Trieblehre, welche den Eros und den Thanatos, die sogenannten Liebes- und Todestriebe ausschließlich n ur dem einen Triehvektor, dem Sexualvektor, unterordnet. Das ganze Trieb- und Ich-Leben des Menschen aber ist unseres Erachtens mehr als nur Eros und Thanatos. Denn zwischen Leben und Tod liegt noch der Bereich der Affektbewegungen, welche - als Wertfunktionen und Schutzmechanismen im Dasein das triebhafte Verhalten nach Ethos-Unethos, nach Moral-Unmoral be­ stimmen (Vektor P), ferner das unbewußte Ich-Leben mit dem Ich-Trieb und den triebhaften Schutz- und Abwehrfunktionen (Vektor Scd) und auch das Kontakt­ lehen, w elches auf dem Kontakttrieb (Vektor C) fußt und die socialen Beziehungen der Person zur Umwelt regeln. *

Das Wesen des Sexualvektors ist aber mit dem sinnlichen Geschlechtsleben und der Humanisierung von Eros und Thanatos noch nicht erschöpft. Zum Wesen des Vektors S gehört auch ein gewichtiger Teil des Sinneslebens, im besonderen das Tasten und die Tiefen- u nd Muskelempfindungen. B eide haben in der

IPlaWf/Waag

ifW/ durch die Sinnesorgane und somit auch in der Berufswahl

eine eminente Rolle1. So begünstigt eine Verschiebung der Ar-Proportionen im Vektor S in die Richtung des Faktors h alle Tätigkeiten und Berufe, die das Tasten des Körpers von anderen ermöglichen. (Coiffeur, Kosmetiker, Dermatologe, Frauenarzt, Heilgym­ nast, Hand- und Fußpflegerin.) Die Verschiebung der Ar-Proportion in die ent­ gegengesetzte Richtung des Faktors j treibt den Menschen zu Berufstätigkeiten, bei denen man durch Muskelempfindungen und überhaupt mit großer Muskel­ kraft am Werke ist (Fuhrmann, Tierbändiger, Tierarzt, Schlächter, Chirurg, Zahn­ arzt, Steinhauer, Forstarbeiter, Holzhauer, Bildhauer usf.) Sicher spielt der Fak­ tor j beim «Ergreifen» und «Wahrnehmen» der Umwelt durch Muskelempfin­ dungen mit. Zum Wesen des Vektors S gehört aber auch sein Mitwirken an der Charakter­ bildung, und zwar in der Richtung «sinnlich-weich-warm» oder «hart-scharf1 Schicksalsanalyse, 111. Aufl., S. 338f.

85


kalt», d. h. an der Bildung der AIoll-JDur-Formen des Charakters (siehe später). Hier wirkt die h : r-Proportion sicher ausschlaggebend mit. Die U-r-Proportion bedingt auch die Formen bestimmter krimineller Hand­ lungen. H. WALDER hat als erster eine brauchbare Typologie der Kriminaldelikte auf Grund des Testverfahrens aufgestellt1.'Er fand unbefriedigte ^-Bedürfnisse mit Überdruck (+ ! h) bei polymorphperversen Sittlichkeitsverbrechern, Lust­ mördern, Dieben, homosexuellen und pädophilen Kriminellen, ferner bei sexuell abnormen Brandstiftern und Betrügern. Hingegen ist die h:s-Proportion in der Richtung des hypertonischen + ! r-Bedürfnisses verschoben bei Räubern, Raub­ Gewalttaten; in der mördern, bei Einbrechern und Dieben - mit Bereitschaft Richtung —! j bei pädophilen oder homosexuellen Kriminellen2. *

Wir sprechen somit bei der Wesensdarstellung des Sexualvektors auf allen Ge­ bieten des Daseins nur von de n Proportionen %wischen den Eros- und Thanatosregungen, testologisch von denen der Uv-Faktoren im Raum des Vektors S. Wir tun das nicht nur der diagnostischen Vorteile wegen, die diese Darstellungsart den kli­ nischen Psychologen bietet, sondern auch aus unserer Unkenntnis über die Vorgänge selbst, wie sich überhaupt Eros und Thanatos, Liebe und Haß, Zärt­ lichkeit und Sadismus in demselben Vektorrau me zusammenzutreffen und zu kooperieren vermögen. Dies gibt FREUD offen zu: «In welcher Weise sich Triebe der beiden Arten miteinander verbinden, vermischen, legieren, wäre noch ganz unvorstellbar; daß dies aber regelmäßig und in großem Ausmaß geschieht, ist eine in unserem Zusammenhang unabweisbare Annahme3.» Wir wissen heute noch nicht, wie weit es berechtigt ist, von « Triebvermischung und Triebentmischung» - per analogiam zu den chemischen Prozessen - zu sprechen. Noch zweifelhafter ist die Annahme von « Verschiebung», «Beset^ungsverschiebung» derselben Triebenergie, wie auch das «Entziehen» der Energie des Eros und das «Zuführen» derselben Trieb­ kräfte zu den Thanatosregungen. Wir glauben nicht, daß diese Vorgänge in der Tat so einfach ablaufen. Und weil wir von diesen verwickelten Vorgängen derzeit noch nichts wissen, müssen wir uns vorderhand damit begnügen, von /Ur-Proportionen zu sprechen. Denn diese Proportionen können wir heute schon mit Hilfe unseres Testverfahrens tatsächlich sichtbar machen. Aber: nur die Proportionen und nicht die Art und Weise, wie diese zustande kommen. Dagegen können wir mit FREUD sagen, «daß die Sublimierung regelmäßig durch die Vermittlung des Ichs vor sich geht4». Wir zweifeln aber daran, daß die Energie der sinnlichen Sexualität zu den Kräften der Sublimierungstätigkeit «verschoben» und «verwendet» werden kann. Im Raum des Sexualvektors wirken - wie wir es bereits erörtert haben - vier verschiedene Tendenzen, von denen zwei (-|- h und -)- s) die sinnliche Sexualität, zwei andere mit zwei besonderen Triebkräften (— h und — .r) d ie Humanisierungsvorgänge bedingen und nähren. Trotz diesem Unterschied in der Auffassung von den Vor1 WALDER, H . : Triebstruktur und Kriminalität. Huber, Bern u. Stuttgart, 1952. 2 WALDER, H.: Die /»-Bedürfnisse und ihre kriminogene Bedeutung. Szondiana II. Huber, Bern u. Stuttgart, 1955. S. 112-128. Ferner: WURMSER, L.: Raubmörder und Räuber. Kriminalistik. 1959. S. 107, 111, 126, 150, 202. 3 FREUD, S.: Das Ich und das Es. (Die beiden Triebarten.) Ges. Sehr. Bd. VI. S. 385. 4 Ebenda: S. 390.

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gängen der Sublimierung steht die pREUosche Behauptung auch für uns fest: «Was im einzelnen Seelenleben dem Tiefsten angehört hat, wird durch die Ideal­ bildung zum Höchsten der Menschenseele im Sinne unserer Wertungen1.» Weil diese «Umdrehung» der agierenden Triebkräfte auf der Drehbühne der Seele die Haupttätigkeit des Ichs darstellt, hat sich in der Praxis der Scha unsere Tätigkeit nach d er Triebanalyse der Ich-Analyse zugewendet. Eine Orientierung allerdings, die von ANNA F REUD schon vor uns angekündigt wurde2. *

Die nächste Aufgabe wäre nun, alle möglichen Variationen des Vektors S hier der Reihe nach als besondere Triebschicksale in ihrem Wesen darzustellen. Die Frage ist aber die : in welcher Reihenfolge sollte dies geschehen ? Es sind ja m eh­ rere Wege gangbar. Mit den Jahren hat sich aber ein äußerst brauchbarer Leitsatz für eme. funk­ tionelle Einteilung der Vektorbilder herausgebildet, den wir nun - als wichtigen Leitsat£ •pur Deutungstechnik - vorerst erörtern und anschließend an dem Vektor S anwenden müssen.

I. Die funktionelle Einteilung der Vektorhilder Vordergrund-, theoretische Komplement- und Gancgtriebprofile Vektorbild heißt in unserer Testologie das sichtbare Bild eines Triebes im Triebprofil. In jedem Vektorbild werden die Reaktionen der zwei aufbauenden Faktoren in den Richtungen der Sympathie und Antipathie aufgezeichnet. Da ein Faktor im Test vier Reaktionsmöglichkeiten hat (0, E, +, —), und da ein Vektor sich aus zwei Faktoren aufbaut, sind somit 16 (= 24) mögliche Variationen in jedem Vektor und 64 (4x 16) für das ganze Triebprofil zu unterscheiden. Als Hypothese nehmen wir an, daß das Triebprofil eines Embryos sich vor der Geburt in folgender Art gestalten mußte: V

Vektoren

c

Scb

P

Faktoren

h

s

e

by

k

p

d

m

Im Vordergrund

0

0

0

0

0

0

0

0

Im Hintergrund

±

±

±

±

±

±

±

±

Vor der Geburt sind - dieser Annahme nach - alle Triebvektoren im Vorder­ grund leer (0 0), im Hintergrund aber warten schon in jedem Vektorenraum vier Strebungen A) als Tendenzdispositionen - und zwar für jeden Faktor je eine positive und eine negative Tendenz -, um nach der Geburt den Entwicklungs1 Ebenda: S. 381. 2 FREUD, ANNA: D as Ich und die Abwehrmechanismen. Imago Pub. Co. Ltd. London, 1946. S. 8.

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gesetzen entsprechend in den Vordergrund des Trieblebens zu treten. Das neu­ geborene Kind begrüßt die Welt zumeist mit einem Brüllen und Heulen. Es be­ findet sich vermutlich in einem panischen Angstzustand, den man infolge des Geburtstraumas (O. RANK) G eburtsangst nennen kann. Testologisch müssen wir diesen Zustand mit dem Vektorbild der Panik: P b darstellen. Sehr bald be­ ginnt aber das Neugeborene mit Mund und Hand die Brust der Mutter zu suchen: + d (Suchtendenz) und nachdem man es an die Brust gelegt hat, fängt es sofort an zu saugen und sich mit Mund und Hand an die Mutterbrust fest anzuklammern. Die latente Tendenz: + m tritt somit - nach der Tendenz des Suchens: + d - in den Vordergrund. Wir bringen dieses Modell, um damit den späteren, alltäglichen Vorgang leichter verstehen zu können, wie die einzelnen Triebtendenzen in den verschie­ denen Vektorräumen aus dem Hintergrund nach vorne drängen und nach ihrer Befriedigung wieder in den Hintergrund rücken. Dieses Modell weist aber auch auf die alltägliche Tatsache hin, daß die Eingehe ktoren nicht immerfort mit ihren vier Tendenzen ±) im Vordergrund stehen, sondern daß stets nur einzelne und eben die­ jenigen Strebungen nach vorne rücken, welche durch das Ich aktuell bejaht oder verneint iverden. W ir können diese Regel folgendermaßen formulieren: 1. Von den vier Tendenzen eines «Ganztriebes» (i i) rücken selten alle vier zu gleicher Zeit in den Vordergrund, sondern entweder keine o der nur eine S tre­ bung, oder spwei, seltener drei. Die in den Vordergrund gerückten Tendenzen stellen das vordergründige Vektorbild dar, und alle vier Vektoren bilden im Vor­ dergrund zusammen das Vordergrundprofil (VGP). 2. Diejenigen Strebungen, die aktuell nicht nach vorne rücken, bleiben im Hintergrund der Triebdrehbühne und bilden das sogenannte « theoretisch %u erwar­ tende hintere Vektorbild», alle vier zusammen das sogenannte « Theoretische Kom­ plementprofil» (ThKP). Dieses letztere steht natürlich mit dem Vordergrundprofil (VGP) in einer kofnplementären Gegensatzbeziehung, da sie sich ja zu einem Profil des « Ganztriebes » ergänzen müssen. Ein Beispiel soll das demonstrieren: Vektoren Faktoren

p

S h

s

e

VGP = Vordergrundprofil

0

+'

ThKP = Theoretisches Koniplementproßl

+

±

GP —- Gmrzproftl

±

±

±

k

P

d

»

±

0

±

±

0

±

0

0

±

±

±

±

±

b

Im VGP stehen somit: Eine Tendenz allein im Vektor S : — h. Zwei Tendenzen im Vektor P: -f- e, — by. Zwei Tendenzen im Vektor Seh: + k, — k. Vier Tendenzen im Vektor C: + d, — d~, -f - tu, — m. 88

c

Sch


Im ThKP stehen im Vektor S drei Tendenzen: + h, + r, — s. Und so fort. Die im Vordergrund fehlenden Tendenzen müssen natürlich im Hintergrund auf ihr gelegentliches Vorrücken warten. So z. B. ± s, ± p im Hintergrund. Die Grundformel ist demnach die: VGP ThKP = GP. Das heißt: Vordergrund (VGP) und theoretisches Komplementprofil (ThKP) ergänzen sich zu einem Ganztriebprofil (GP). Da die empirisch brauchbarste Einteilung der Vektorenbilder auf den ver­ schiedenen Teilungsarten der Ganztriebe (fi; fi:) fußt, müssen wir nun diese noch erörtern, wobei wir als Beispiel stets den Vektor J wählen werden.

II. Teilungsarten der Gantriebe Analyse des Vektorenbildes S Im folgenden werden wir die möglichen Teilungsarten des Ganztriebbildes näher betrachten. 1. Unitendenz : Eine Strebung drängt allein in den Vordergrund Variationen

II

I +

o

0

III +

IV 0

0

Hier teilen sich die vier Elementarfunktionen eines Ganztriebes in der Weise, daß eine einzelne Strebung, die über alle Maßen dynamisch ist, allein in den Vorder­ grund drängt, die drei anderen werden dagegen im Hintergrund zurückgehalten. Diese ungleiche Teilungsart kann man in unserer Triebschrift in folgenden vier Variationen darstellen: Variationen

I

Im Vordergrund : i' I'•: Hintergrund : y =

'

Die Summe ergibt das Gan^triebbild —

II

IV

III

+

0

0

+

0

0

±

±

+

±

±

+

±

±

±

±

±

±

±

±

In dem Sexualgebiete gestalten sich die vier Variationen in folgender Weise:

S,

+

o

Variation I Domitian^ der Personenliebe. Mit Überdruck: Abnorme, prägenitale Sexua­ lität.

Im Sexualbild S -|- 0 drängt also eine einzige Strebung, und zwar die nach Per­ sonenbebe (+ h) in den Vordergrund. Die drei anderen Elementarfunktionen der Sexualität, nämlich die kollektive Menschheitsliebe (— h), die Aggression (-f- j)

89


und die passive Hingabe (—s) sind schwächer als die Strebung nach Personen­ liebe, und infolge dieser Ungleichheit der Durchschlagskraft bleiben diese drei Tendenzen im Hintergrund: S •— ± ist das Sexualbild des Hintergängers. Variation II

S.

h

s

0

+

Domitian^ der Aggression, des Sadismus, der Aktivität mit infantiler Befriedi­ gung der Liebe. Mit Überdruck: Sadismus sexueller oder anderer Art.

Die Strebung nach männlicher Aktivität, Aggression, die Lust den Partner anzu­ greifen drängt allein in den Vordergrund : + J\ Die drei anderen Sexualstrebungen: die individuelle Zärtlichkeit (+ h), kollektive Menschheitsliebe (— h), passive Hingabe (—s) werden im Hintergrund zurückgehalten. Das hintergründige Sexualbild ist demnach: S dr —•

S,

h —

/ 0

Variation III Dominant der kollektiven Menschheitsliebe mit ständiger (humaner) Befriedi­ gung der Aktivität. Mit Überdruck: Unterdrückung der Sexualität (Homosexualität?).

Bei dieser Teilungsweise der sexuellen Triebganzheit drängt allein die Tendenz

%,/r

in den Vordergrund: ---6. Die arideren drei Stre-

bungen, wie Personenliebe (-|- h), Aggressionstendenz (+ s) und passive Hin­ gabe (— r) bleiben im Hintergrund. Daher das hintergründige Sexualbild : J ±. Variation IV Dominant der Hingabe, Aufopferung, Passivität. Mit Überdruck: Masochismus sexueller oder anderer Art.

In den Vordergrund drängt allein die Strebung nach passiver Hingabe, Demut und Masochismus (—.r). Dagegen werden die individuelle Personenliebe (+ h), die kollektive Menschheitsliebe (— h) und die Aggression (+ s) auf die Hinterbühne gedrängt. Das hintergründige Sexualbild ist also : ^ ± + • Bei diesen vier ungleichen Teilungsarten kämpft stets eine vordergründige starke Strebung (+ oder —) gegen die drei hintergründigen. Die Triebdialektik Die häufigste Teilungsweise des Ganztriebes ist aber die folgende: 2. Bitendenz: Zwei Strebungen drängen gleichzeitig in den Vordergrund Die zwei funktionell stärkeren Strebungen drängen auf die Vorderbühne, die zwei anderen bleiben auf der Hinterbühne. Diese Art der Entzweiung des Ganz­ triebes (± ±) hat mehrere Teilungsweisen. Wir nennen sie auf Grund der Teilungsrichtung a) horizontale, b) vertikale, c) diagonale Teilung des Ganztriebbildes. a) Horizontale Teilung, Legierung und Selbststeuerung der Triebgegensätzlichkeiten

90

Variation I

+

+

Variation II

+

+


Die horizontale Teilung der Gegensätzlichkeit bei einem Trieb bedeutet fol­ gendes: Von den vier Elementarfunktionen verschränken sic h je z wei Tendenzen, und zwar in der Weise, daß von den zwei gegensätzlichen Bedürfnissen eines Trie­ bes stets die %w ei gleichgerichteten Strebungen sich legieren. D as stärkere Tendenzpaar dringt in den Vordergrund, das schwächere bleibt im Hintergrund. Die Trieb­ schicksale der zwei sich legierenden Tendenzen sind aber sowohl im Vorder- wie auch im Hintergrund die nämlichen. Daher die funktionelle Legierung. die eine Tenden£ durch die Legierung die Triebgefahr der anderen Strebung unschädlich macht. Im Sexualbild S -)—wird z. B. die Aggressionsgefahr (+ r) durch die Legierung mit dem Drang nach Zärtlichkeit (-}- h) abgewehrt. Variation I Normale Sexualität des Alltagsmenschen beider Geschlechter1. Die Personenliebe (+ b) hat sich mit der Bemächtigung des Liebesobjektes (+ s) legiert, er­ gänzt und steht stets marschbereit. Liebe und Aggression steuern sich wechselseitig. Mit Überdruck: Krankhaft gesteigerte Sexualität, oft ohne Abflußmöglich­ keit.

Die Personenliebe (+ Ii) und die aktive Bemächtigung des Liebesobjektes (+ s) legie­ ren sich zu einer normalen, marschbereiten Sexualität bei einem Alltagsmenschen. Variation II Normale^ sublimierte Sexualität. Kultur- (— h) und Zivilisierungsbereitschaft (—s). Legierung von Menschheitsliebe (—h) und Hingabe (—s). Mit Überdruck: Krankhaft unterdrückte Sexualität (latente Homosexuali­ tät oder Sadismus?).

Die Menschheitsliebe (— h) hat sich mit der LIingabe und Aufopferungsbereitschaft legiert. In diesen legierten Vektorbildern steuern sich somit die entgegengesetzten Tendenzen vollständig. b) Vertikale Teilung, Isolierung, anankastisebe Zwangsteilung Variation I

±

0

Variation II

0

±

Das Charakteristische bei der vertikalen Teilung ist, daß die beiden entgegen­ gesetzten Strebungen des gleichen B edürfnisses stets im Vorder- oder im Hinter­ grund stehen. Bei dieser Teilung der Triebgegensätzlichkeiten teilen sich die vier Elementartendenzen in der Weise, daß sich die tptvei aneinandergebundenen Bedürfnisse im Vektorraum voneinander völlig isoliere n, trennen, indem das eine Bedürfnis mit sei­ nen beiden Strebungen in den Vordergrund drängt, dagegen das andere - ebenfalls mit seinen beiden Tendenzen - im Hintergrund bleibt. So entsteht die Isolierung der zwei biologisch aneinandergebundenen Bedürfnisse. Diese Teilungsweise bedingt die anankastische Erscheinung und ist für Zwangs­ kranke bezeichnend. 1 Ob der Alltagsmensch zu einer Zeit der allgemeinen Inversion - wie heute - noch immer die d -)—|— Reaktion gibt, muß neu geprüft werden.

91


Im Vektor J erlangen die zwei vertikalen Teilungsarten folgende Bedeutung:

S,

h ±

s 0

Variation I Es dominiert das Erosbediirfnis mit Zweifel (± /;) darüber: soll man eine Per­ son oder die ganze Menschheit lieben? Die Aggression fehlt zumeist, weil sie verdrangt wurde (0 s).

Die Person ist nur zum Ausleben des Eros in beiden Formen bereit, d. h. als Personen- und gleichzeitig als Menschheitsliebe (i h), daher ihre Ambivalent^. Hingegen hält sie die sadomasochistischen Strebungen im Hintergrund, daher Or im Vordergrund.

S,

Variation II Es dominiert der Sadomasocbismus (± -0, der Eros fehlt; entweder weil er verdrängt oder weil er in infantiler Form vergeudet wird (0 h). Ambirendenz und Ambivalenz in puncto Sadismus.

Die Person hat ihre Erostendenzen ausgelebt, darum fehlen sie im Vorder­ grund (0 h). Hingegen stellt sie ihren Sadomasocbismus (4; s) zum Ausleben bereit in den Vordergrund.

Variation I

+

Variation II

+

Bezeichnend für die diagonale Spaltungsweise ist erstens der Umstand, daß von jedem Bedürfnis nur eine St rebung im Vordergrund oder im Hintergrund zu fin­ den ist; zweitens, daß die kollaborierenden Tendenzen stets ein anderes Triebschicksal repräsentieren, also entweder I -| , oder II Variation I Personcnliebe (+ h) mit passiver Hingabe (—s). Beim Mann: Trieb^ielinversion. Bei der Frau : übertriebene Passivität in der Liebe. Es fehlt das aktive (4- s) Anteilhaben am Partner und die Menschheitsliebe (— b). Mit Überdruck: im + h dominiert die unbefriedigte Personcnliebe (Homo­ sexualität?), im —s dominiert der Masochismus.

Es ist das Sexualbild eines weichen, sich dem Objekt weiblich hingebenden Adenschen; die bejahte Personenliebe (-)- h) ist mit der Passivität und Hingabe (— s) verbun­ den. Beim Mann heißt diese Teilungsart Triebspeiinversion. Bei der Frau fehlt jeg­ liche Aktivität (4- s) in der Liebe. Variation II Sadismus (4- s) mit Unterdrückung des Eros (— h). Seltener: Kultursadismus oder Sadohumanismus (Typ Savonarola). Mit Überdruck: im + J: extremer Sadismus, im —b\ extreme Unter­ drückung der Liebe (Homosexualität?).

Es ist das Bild eines Sadisten (-|- j), dem die Personenliebe (4- h) fehlt und der sie entweder unterdrückt (—h) oder in Form eines Sadohumanismus als aggressive kollektive Menschenliebe sublimiert. Dieses Vektorbild S kann unter Umständen bei Frauen auch eine sexuelle Triebzielinversion, d. h. die lesbische Liebe darsteilen.

92


3. Tritendenz : Drei Strebungen drängen gleichzeitig i n d en Vordergrund Bei dieser Teilungsart des Ganztriebes bleibt nur eine Tendenz im Hintergrund, die sich demnach mit dem vordergründigen Bild der Tritenden^ zu einem komple­ mentären Triebschicksal ergänzt. Die vier möglichen Triebschicksale sind: Variationen

I

II

IV

III

Drei Strebnngen im Vordergrund

±

±

+

±

±

+

Tritendenzen

Eine Strebung im Hintergrund

+

0

0

+

0

0

Unitendenzen

Im Sexualvektor bedeuten diese TritendenzVariationen im Vordergrund fol­ gende Triebschicksale: Variation I a) Sadomasochisme (i /) mit Unterdrückung des Eros (— h) oder mit Menschheitsliebe ; b) Aggression (-J- s) mit Kultur (—h) und Zivilisierungsdrang (— /). Die Personenliebe (4- h) fehlt.

Der (=k r) gesellt sich zu der oder zur Unterdrückung des Eros (— h). b) Die Aggression (V -0 gesellt sich zu den Kultur- und Zivilisierungsstrebungen (J ). c) Vorphase der aktiven Humanisierung (S — 0). In diesen Schicksalsformen fehlt aber die Personenliebe, die Bindung durch den Eros an eine bestimmte Person. Darum sind diese Triebschicksale so unglücklich.

S

12

Variation II a) Kultur- und Zivilisierungsdrang (S ) mit Personenliebe (+ h). b) Feminine Hingabe (S + —) mit Drang nach Kultur (— Ii). Es fehlt die Aktivität (+ s).

±

a) Die Kultur- und Zivilisierungstendenzen (J ) gesellen sich zu einer erotischen Personenliebe (-(- h). b) Die weiche, hingebende Objektliebe (J + •—) gesellt sich zu einer Kulturstrebung (— h). c) Vorphase des Masochismus (J 0 —). In diesen Fällen fehlt die Aktivität, die Aggression (-(- s), die in den Hinter­ grund gestellt wurde. Darum erscheint dieses Triebschicksal des öfteren in Form einer Inaktivität.

S13

h

s

+

±

Variation III a) Normale, sinnliche Sexualität (S 4~ +) mit Passivität (— s). b) Sadomasochismus (± i) mit Personenliebe (+ h) ohne Kulturdrang.

a) Der Träger dieses Triebschicksals neigt zwar zu einer normalen, sinnlichlegierten Sexualität (S + T), doch ist diese mit Hingabe und Passivität gefärbt (—s).

93


b) Eine sadomasochistische Bindung (d: s) mit einer passiven, weiblichen Personen­ liebe (S -j ). Der Kulturdrang (— h) fehlt. c) Vorphase der Dominanz der Personenliebe (S -\- 0).

S

14

Variation IV b

s

±

+

a) Normaley sinnliche Sexualität (5" + -f-) mit Kulturdrang (— h). b) Kultursadismus (J — +) mit Personenliebe (+ h). Es fehlt die Hingabe (-/). c) Bisexuelle Erotik (i h) mit Aggression (-f- s).

a) Ein Mensch mit der Neigung zu einer normalen, sinnlichen A.lltagssexualität (S -)—|-) hat dennoch die Tendenz zur Kultur und zur kollektiven Menschheits­ liebe (— h). b) Ein Sadohumanist (S )-) hegt dennoch die Strebung nach Personenliebe (+ h). Es fehlt aber die Hingabe (— s). c) Vorphase der Dominanz des Sadismus (S 0 +). Die vier Variationen der Tritendenz stehen funktionell dem bisexuellen Gauf­ trieb nahe: S ± ±. Drei dieser Triebschicksale tragen in sich die Gefahr, daß durch Umdrehung der Triebdrehbühne eine regressive Unitendenz die Oberhand gewinnt (+ 0, 0 +, 0 —). Nur das vordergründige Sexualtriebschicksal (J + d:) allein hat die Möglichkeit, durch eine spontane Entwicklung oder eine tiefen­ psychologische Umerziehung das Schicksal eines aktiven, humanisierten Menschen zu bestimmen (S — 0). 4. Quadr itendenz: Vier Strebungen drängen gleichzeitig in de n Vordergrund Vereinheitlichung, Integration oder Reintegration des Ganftriebes Das Bild des Ganftriebes:

± ± Drängen die vier triebaufbauenden Elementarstrebungen gleichzeitig in den Vordergrund, so sprechen wir von Integration oder Reintegration. Das Wort Integration bezeichnet den unbewußten Vorgang, bei dem die vier Elet?ientarfunktionen eines Triebes sich fu einer Triebganfheit vereinigen. Von Reintegration, Wiederberstellung der Einheit sprechen wir in dem Fall, in dem sich die Vereinheitlichung der vier aufbauenden Strebungen entweder nach einer totalen Desintegration (0 0) oder einer Zerspaltung (-) oder 1-), einer Isolierung (d: 0 oder 0 d:), einer Legierung (-|—oder ) oder aber nach einem «monarchistischen» Vorstoß einer Einzeltendenz (0 -f. + 0> — 0, 0 —) plötzlich wieder einstellt. Dialektisch ist bei der Integration nur eine Form möglich : Strebungen im Vordergrund

±

±

im Hinterzrund

0

0

Alle möglichen Bewegungen der aneinandergebundenen Gegensätzlichkeiten spielen sich

94


einer Dialektik ^wischen Vorder- und Hintergänger kann man bei der Integration nicht reden. D ie klinische oder charakterologische Deutung und Bedeutung der Inte­ gration hängt von mehreren Umständen ab: erstens von dem Vektorgebiet, d. h. davon, wo die Integration erscheint; zweitens von den vorausgehenden Trieb­ bildern, denen die Integration folgt; drittens vom Alter der Person. Eine beson­ dere Bedeutung erhält die Integration als Abwehrmechanismus auf dem Gebiete der unbewußten Ich-Funktionen {Sch = ± ±- Vgl. Kapitel XII. 4.). Die Integration kann unter Umständen auch eine Triebgefahr ankündigen. So im Vektor S, wo sie eventuell auf eine Bisexualität (z. B. bei Hypochondrie, Phobie, Depression, Epilepsie) hinweist, oder im Vektor C, wo die Integration ein Zeichen schwerer innerer Kontaktdilemmen (Konflikte zwischen Beharrung und Veränderung oder Treue und Untreue) sein kann, so z. B. bei Zwangs­ neurose, Hysterie, Melancholie und paranoider Schizophrenie. Die Integration im Paroxysmaltriebgebiet meldet sich als ethisch-moralisches Dilemma, z. B. bei Phobikern, Zwangskranken usw. Es ist nicht erstaunlich, daß die Integration als Ganztriebbild auch bei Trieb­ gesunden eines der seltensten Triebbilder ist. Entwicklungsgeschichtlich finden wir sie hie und da doch %umeist am Anfang und am Ende des Lebens, so im Vektor S, P und C. Eine besondere Stellung nimmt, wie gesagt, die Integration im Vektor des Ichs (Sch) ein, in dem sie in der juvenilen Pubertät (13-16 Jahre) ihr relatives Maximum an Häufig­ keit erreicht. Hier bedeutet die Integration die Mobilisierung aller möglichen unbewußten Abwehrfunktionen gegen die gefahrbringenden Triebgeschehnisse am Rande des Trieblebens,

460

9& JaxW- W

Psychopathologisch spielt die Integration

besonders in der «Mitte» bei der Phobie, Hypochondrie, Angsthysterie eine lei­ tende Rolle. Hier interessiert uns vorderhand das Ganztriebbild im Raum des Sexualvektors: h

s

±

±

a) Es ist das latente, bei der Geburt noch im Hintergrund stehende Bündel aller vier Sexualtendenzen, d.h. die angeborene hermaphroditische Disposition des Men­ schen. (J -| : weibliche, J 1- : männliche Sexualität.) b) Bei Erwachsenen weist das Bild auf die Bisexualität hin. c) Hier sind noch die beiden entgegengesetzten Anlagen, die zur sinnlichen Sexualität und auch die zur Humanisierung, gleichzeitig im Vordergrund. Anlage sowohl zu sinnlicher Sexualität (S -|—[-) wie zur Humanisierung (S ). 5. Nullitendenz Keine Tendency im Vordergrund Auflösung, Desintegration des Triebes Der Vordergrund steht leer: 0 0 Im Vordergrund: 0 0 Im Hintergrund: E ±

95


Desintegration heißt in der Triebpsychologie der Vorgang, bei dem sich das Ganztriebbild aus dem Vordergrund vollständig in den Hintergrund zurückzieht. Im Vordergrund zeigt demnach der Trieb zeitweise oder andauernd die Auf­ lösung seines vollständigen Ganzen in Form von 0 0. Im Hintergrund dagegen stellt sich der im Vordergrund völlig aufgelöste Trieb aus seinen Elementar­ funktionen wieder her: E Die Auflösung des Gansfriebbildes im Vordergrund geht also t?iit einer Wiederherstel­ lung, Erne uerung (Reintegration) im Hintergrund einher. Bei der Desintegration kann man demnach - ähnlich wie bei der Integration - auch nicht von einer wirklichen Dialektik zwischen Vorder- und Hintergänger sprechen, da sich ja alle möglichen Gegensätze nur im Hintergrund bewegen. Die Vorder-Hintergänger-Dialektik besteht hier nur darin, daß sich die Dreh­ bühne gelegentlich um 180 Grad umdrehen kann und an Stelle der Desintegration plötzlich die Integration oder umgekehrt eintritt. Die Deutung und Bedeutung der Triebdesintegration hängt, wie bei der Inte­ gration, besonders vom Vektorgebiet, vom Lebensalter und von den voraus­ gehenden Triebbildern ab. (Vgl. die Erörterungen über die Manifestierung und die Nullreaktion.) Im Sexualraum heißt dieses Triebschicksal:

S

16

a) b) c) d)

h

s

0

0

Stadium nach völliger Befriedigung beider Sexualtendenzen. Willentliche sexuelle Abstinenz. Periodische Frigidität. Konstitutionelle Schwäche des Sexualtriebes (selten). *

Somit haben wir nun zwei Pflichten gleichzeitig genuggetan. Erstens gaben wir ein allgemeingültiges Schema zu einer funktionellen Eintei­ lung der 16 Vektorbilder auf Grund der Teilungsarten der Ganztriebe. (Siehe Tabelle 4.) Zweitens behandelten wir anschließend mit Hilfe dieses Schemas die 16 mög­ lichen Sexualvektorbilder in ihrem Wesen und ihrer klinischen Bedeutung. (Siehe Tabelle 5.) Warum müssen sich aber die Gantriebe teilen ?

III. Begründung der Zweiteilung des Ganztriebbildes Nach der Gegensatztheorie (der Gentheorie) der Triebe bringt jeder Mensch für jeden Ganztrieb vier Elementartendenzen mit sich auf die Welt, die aber gegen­ sätzliche Triebfunktionen bedingen. Die Aufgabe des Einzelnen besteht darin, den Gegensatz dieser Triebtendenzen irgendwie aufzulösen, zu überwinden. Die höchste Lösungsart wäre theoretisch die Integration der gegensätzlichen vier Tendenzen z u einem Ganztriebbild. Dies gelingt aber den meisten Menschen in der

96


Tabelle 4. Allgemeines Schema der funktionellen Einteilung der Vektorbilder Variationen

>•

1. Eine Strebung = Unitenden£

o

+

Nummer des Vektorbildcs 1

0

2. Zwei Strebungen = Bitenden^ a) Horizontale Teilung, Legierung

+

b) Vertikale, zwangsartige Teilung

±

+

0

0

(3)

(4)

+ ± (13)

zb + (14)

+

(5)

c) Diagonale Teilung Spaltung

+ (2)

a)

IV

III

II

I

Im Vordergrund |

(6)

o

0

±

(7)

(8)

(9)

— + (10)

±

3. Drei Strebungen = Tritenden^

±

(12)

(11) 4. Vier Strebungen = Quadritenden%

rb ± (15)

5. Keine Strebung = Nullitenden^

0

0 (16)

Tat nicht. An sich wäre die Integration überhaupt nur in der «Mitte» der Trieb­ seele (in den Vektoren P und Sch) wünschenswert. Der Mensch ist gezwungen, die Ganztriebe in irgendeiner Richtung (horizontal, vertikal, diagonal oder inäqual in Form einer Uni- oder Tritendenz) zu teilen. Die Frage ist: Warum ? 1. Erste Annahme : der numerische Wahlzwang. Die Teilung des Ganztriebbildes ist nach dieser Annahme eine Scheinteilung des Ganztriebes. Sie kommt aus dem Wahlzwang im Triebexperiment zustande. Die Vertreter dieser Meinung argumentieren in folgender Weise: Die Reduktion des Ganztriebbildes ist die technische Folge der Teststruktur und des Testver­ fahrens. Da die Vp von den 48 Bildern nur zwölf erträgliche (als die relativ sym­ pathischsten) und zwölf unerträgliche (als die relativ antipathischsten) wählen darf, ist es zahlenmäßig unmöglich, in allen vier Vektoren das Ganztriebbild E E zu liefern. Denn zu einer A - Reaktion bei einem Tr iebfaktor braucht man ja min­ destens vier Wahlhandlungen aus derselben Bilderkategorie. Da im Triebsystem acht Faktoren figurieren, benötigt man minimal 4x 8 = 32 Wahlhandlungen, um das Ganztriebbild: J

±

P

±

±

Scb

±

±

C

±

± ±

zu erreichen. Das|Triebexperiment läßt aber nur 24 Wahlhandlungen zu. Folg­ lich kann die Vp höchstens in drei Vektoren (3x8 = 24) das Ganztriebbild ^ E 1 Durch die neue Aufteilung hat sich die alte Numerierung der Vektorbilder in der ersten Auflage des Buches verändert. 7

Szondi, Triebdiagnostik

97


zeitigen, im vierten muß der Vektorraum leer ausfallen (0 0). Diese Argumenta­ tion wurde durch eine besondere Art der Testuntersuchungen widerlegt. Mein Mitarbeiter ULRICH M OSER (Z ürich) hat folgende Untersuchung an normalen Personen durchgeführt : Es wurden 17 Vp alle 48 Bilder auf einmal vorgelegt und nicht in sechs Serien exponiert. Die Vp wurde aufgefordert, Reihe für Reihe durchzugehen und jedes Bild inder Richtung +, —oder indifferent bewerten. Durch diese Anordnung wurde 1. der numerische Wahlzwang völlig ausgeschaltet, da ja die Vp so viele Bilder als erträglich (+), unerträglich (—) oder uninteressant bezeichnen konnte, wie es ihr eben beliebte; 2. keine Rangreihe gebildet, da ja die Komparation ausgeschaltet wurde. Bei denselben Vp wurden aber auch zwei Normalprofile auf Grund der alten Vorschrift mit Komparation und tnit 24 Wahlhandlungen, d. h. mit numerischem Wahlzwang durchgeführt. Die durchschnittliche Summe der positiv und negativ gewählten Bilder bei den zwanglosen 48er Versuchen war fast die nämliche, die wir bei den 24er Ver­ suchen mit «Zwangswahl» vorschrieben, also zwölf. Versuchsart

»Bei dem 48er Versuch

Bei dem 24er Versuch (Normalversuch)

+

11,95

12,0

12,32

12,0

Total :

24,27

24,0

Wahlrichtung |

Die Ergebnisse des Vergleichs dieser zwei verschiedenen Versuchsarten sprechen klar gegen die Rolle des Wahlzwanges beim Entstehen des Triebprofils. Denn die Häufigkeitswerte der-\— und Reaktionen waren fast die nämlichen bei dem INormalverfahren mit 24 Wahlen wie bei den Bewertungen aller 48 Bilder. Die z]vei Triebprofile sind testologisch gleich zu erachten. Diese Untersuchungen von U. MOSER entsprechen unseren früheren Unter­ suchungen und widerlegen demnach völlig die Annahme, daß die Vp nur wegen des numerischen Wahlzwanges im Experiment ihre Ganztriebe teilen muß. ZX; AaMXo« dkr ir/ „Zw M«, ZaroS Hier müssen wir mit Nachdruck auf die völlig falsche Annahme vieler Kritiker des Triebtestes hinweisen, nach der das normale Triebprofil eines triebgesunden Menschen in allen Vektoren aus i-Reaktionen bestehen müßte. Unsere Trieb­ lehre nimmt zwar an, daß die Voraussetzungen zu einem durchgehend ±-Triebprofil erbgemäß einem jeden Menschen zur Verfügung stehen ; aber es ist ihtn versagt, alle Triebgegensätzlichkeiten gleichzeitig in allen Triebgebieten integrieren, genau wie es unmöglich ist für einen Menschen, alle Erbanlagen, die er in seinem Erbgut mit sich auf die Welt bringt, gleichzeitig zu manifestieren. Ein Teil aller Erbanlagen ist stets latent in uns. 2. ZWA Annahme: Ar 6« rrw&bW*». Erbbiologisch könnte man an die Möglichkeit denken, daß bei gewissen Indivi-

98


Abb. 10. Variationen des Sexualbildes, des Vektors S * ^6 +

+

Gesunde Sexualität des Durchschnitts­ menschen:

;,o +

sl 4- o

Aktivität, Sadismus, « Der Henker mit dem Taubenherz »:

Infantile, bzw. senile Sexualität mit Aggression:

Inaktivität, Passivität, ev. Masochismus:

^9 -h — Passivität. Bei Männern: Zielinversion:

X

X

X

his

h :8

h:8

ha

S6 - 0 Aktive, männliche Humanisierung der Sexualität:

.8.

ha

sio

1-

Sadismus, Unter­ drückung der Liebe Bei Frauen: Zielinversion:

^ — Vollständig humanisierte Sexualität:

.8.

ha

X

J,O ± Sadomasochismus

h s

•S"l3 + ± Sinnliche Sexualität mit Passivität. Oder Sadomasochismus :

.8. h s

J,i — ± Humanisation mit Anlage zur Aggression:

.s.

h s

± +

Su

± ±

Normale Sexualität. Beginnende Kulturifizierung:

Völlige Bisexualität:

&

X h s

s, ± 0 Ambivalente Liebe:

s

h s

•fia ± — Humanisierung der BisexuaLität. Kultur- und Zivilisierungsdrang:

X h s

X

X * In dem Text wurden die Quantumspannungen bei den Abb. 10 bis 13 nicht berücksichtigt.

I

%

00 Infantile Sexualität. Entladung bzw. Abstinenz, Askese;

.s

h s


duen bestimmte Strebungen ursprünglich, erbgemäß völlig fehlen. Das sollte also sagen: Nicht alle vier Elementarfunktionen der vier Grundtriebe sind bei jedem Individuum anlagegemäß gegeben. Man könnte also nach dieser Theorie anneh­ men, daß 2. B. Individuen mit der Erbanlage zu Schizophrenie nur die Form der erbgemäß in sich tragen, wogegen die entgegengesetzten Halb­ Halbtriebe -j triebe mit der Formel 1- ih nen völlig fehlen. Gegen diese verlockende Annahme sprechen aber folgende drei Tatsachen: Erstens daß die Kranken vor einem schizophrenen Schub ein anderes Triebbild geben als in der akuten Phase (siehe Tendenzspannungstabelle zum Fall 18). Zweitens daß man eben bei manifesten Schizophrenen, falls man sie öfters testet, spiegelbildartige Umdrehungen in der Sukzession feststellen kann (SUSAN DÉRI)1. Der nämliche Kranke kann z. B. einmal das Ich-Bild Sch = + •— und in einem nach­ folgenden Versuch plötzlich das in diesem Bild völlig fehlende Ergänzungsbild Sch = h geben. Drittens sprechen die Erfahrungen bei den Schockwirkungen, bei denen wir ähnliche künstliche Umdrehungen einzelner Triebbilder erleben, auch gegen die Annahme, 8^ 8'g 8, TngWrgbw/gg« 8, TWg&ÄW 8r Arnw 8 8r Taf a8%ggemäßfehlen (siehe Abb. 33). Auf Grund der Experimente müssen wir demnach das Gegenteil annehmen. Das heißt: feder Mensch bringt seine Triebe in einer Ganztriebform mit. Alle Triebe kommen also ursprünglich mit vier Elementarstrebungen Welt. Nur werden diese Ganz888 8, Eaaß 8r Zg8gg#a8w o8f%g8//A

3. 1F8 wÄtJg« aww8mw,

8, T»8% 8r Ga%8ä8&f 8w8 8g aa8g%gmaß; W

aktuelle Verschiedenheit der vitalen Durchschlagskraft (Penetranz) der vier Elementar­ strebungen verursacht wird. Infolge der Stärkeverschiedenheit der Elementarstrebungen drän-

gg« gwütg 788%?*, g8« 8g/gmgg*, 8'g aa/^%gmgf o8r a68g// r/änbr rW, 8 8* I/88%nw8 8r Tn'gWwtry 8g roWbbrg« 8%%g« *gr8* ww 8« 9/är6grg* 8 8« Hintergrund gedrängt. Die vitale Stärkeverschiedenheit der Strebungen verursacht die Spaltung oder Teilung des Ganztriebes in zwei Teile: in ein vordergründiges und ein hintergründiges, reduziertes Triebbild. Wir nennen bekanntlich die im vor­ dergründigen Triebbild figurierenden stärkeren Strebungen Vorder- oder Hauptstre­ bungen eines Triebes. Die Summe dieser Hauptstrebungen gestaltet das Triebbild des Vordergängers. Die in den Hintergrund gedrängten und in ihrem Vorstoß gehemmten Strebungen nennen wir - wie wir es schon erörtert haben - Hinterstrebungen, und die Summe dieser Hintertendenzen bedingt die Trieb Verfassung des Hintergängers. Die vordergründige Reduktion der Elementarfunktionen eines Ganztriebes ist nach

8gjgr

6,8g *868-8 7&88/8a, jo*8r* *«r 8g T8§g g8gr Tg/8% ß8r e8gr

Spaltung des Gänztriebes durch die Verschiedenheit der Penetranz2- Beide Triebteile sind stets vorhanden, nur ein Teil drängt in den Vordergrund, der andere verweilt im Hintergrund. Beide sind aber funktionell anwesend, nur ihre Durchschlagskraft ist verschieden stark, und infolgedessen werden ihre Wirkungsart und ihr Erscheinungsbild auch verschieden sein. 4. Die besondere Art der Teilung des Ganztriebes ist von d er Stellungnahme des Ichs zu den einzelnen Tendenzen abhängig. 1 D É R I , S,: Introduction to the Szondi Test. G rune & Stratton, New York, 1949. P. 330-331, 332 («Mirror Changes»). 2 SZONDI, L. : Neuorientierungen in der Frage der Ich-Spaltungen. Medizinische Klinik, 59.Jahr­ gang, Nr. 48, 1964.

99


1.

Eine Strebung: Unitendenz

*S^>

+ o

Dominanz der Perso­ nenliebe m it infantiler Befriedigung der Aggression oder ohne Aggression. Mit Überdruck: Abnorme, prägeni­ tale Sexualtendenzen.

S5 2. Zwei Strebungen: Bitendenz a) Horizontale Teilung

Dominanz der Aggres­ sion, des Sadismus, der Aktivität mit infan­ tiler Befriedigung der Liebe. Mit Überdruck: Sadismus sexueller oder anderer Art.

3 Drei Strebungen: Tritendenz

100

Dominanz der Hin­ gabe, AufopfertmgyPassivität. Mit Überdruck: Masocbismus sexueller oder anderer Art.

S , — Normale, sublimierte Sexualität, Kultur- (—h) und Zivilisierungsbereitscbajt (—r). Legierung von Menschheitsliebe (— b) und Hingabe (-/). Mit Überdruck: Krankhaft unterdrückte Sexualität (latente Homosexualität odei Sadismus ?).

S

± o

Es dominiert das Erosbedürfnis mit Zweifel (+ h) darüber: soll man eine Person oder die ganze Menschheit lieben? Die Aggression fehlt zumeist, weil sie verdrängt wurde (0 s).

+ c) Diagonale Teilung Spaltung

Dominanz der Kollek­ tiven Menschheitsliebe mit ständiger (huma­ ner) Befriedigung der Aktivität. Mit Überdruck: Unterdrückung der Sexualität (Homo­ sexualität ?).

+ +

Normale Sexualität des Alltagsmenschen beider Geschlechter. Die Pcrsoncnliebe (+ h) hat sich mit der Bemächtigung des Liebesobjektes (+ s) legiert, ergänzt und steht nun stets marschbereit. Liebe und Aggression steuern sich wechselseitig. Mit Überdruck: Krankhaft gesteigerte Sexua­ lität, oft ohne Abflußmöglichkeit.

S7

h) Vertikale Z^angsartige Teilung

0 4

1

S1

g0 ±

Es dominiert der Sadomasochismus (i r), del Eros fehlt; entweder weil er verdrängt odei weil er in infantiler Form vergeudet wire (0 b). Ambitendenz und Ambivalenz ir puncto Sadismus.

Sw—

1

1

1

Im Vordergrund

o

>

T4

Variationen •

0

Tabelle 5. Übersicht über das Wesen der 16 Vektorbilder des Sexualtriebes

Personcnlicbc (4- h) mit passiver J-Iingabc (— j"). Beim Mann: Triebzjelinversion. Bei der Frau : übertriebene Passivität in der Liebe. Es fehlt das aktive (4- s) Anteilhaben am Partner. Mit Überdruck: im 4- b dominiert die unbe­ friedigte Personenliebe (Homosexualität?); im —s dominiert der Masochismus.

+

Sadismus (4 s) mit Unterdrückung des Ero. (—/;). Seltener: Kultursadismus oder Sado humanismus (Typ: Savonarola). Mit Überdruck: im 4 s: extremer Sadismus im —h: extreme Unterdrückung der Liebt (Homosexualität der Frau?).

S „ - ±

S }2±-

Sjß 4 4

a) Sadomasochismus (4 s) mit Unter­ drückung des Eros (— b) oder mit Mcnschbeits/iebe; b) Aggression (+ .r) mit Kultur- (—b) und Zivilisienmgsdrang (— s). Die Personenliebe (4- h) fehlt.

a) Kultur- und Zivilisierungsdrang (3* ) mit Personcnliebe (4 ^); b) Feminine Hingabe (S -\ ) mit Drang nach Kultur (— b). Es fehlt die Aktivität (4 /).

a) Normale, sinnliche Sexualität (1 4 4) mit Passivität (—/); b) Sadomasochismus ( 4 j) mit Personcn­ liebe (4 b) ohne Kulcurd rang.

Sj4

±+

a) Normale, sinnlich Sexualität (T -f- 4) mit Kulturdrang (—b) b) Kultursadismus (J \~) mit Perso nenliebe (4 b). Es fehlt die Hingabc (-•0-


Tabelle 5. Übersicht über das Wesen der 16 Vektorbilder des Sexualtriebes (Fortsetzung) Variationen

*•

Im Vordergrund j 4. Vier Strebungen: Ouadritenderrz

Sis

± ±

a) Phylogenetischer und ontogenetischer Hermaphroditismus. Gatr^trieb der Sexualitätt wel­ cher bei der Geburt als Disposition zu allen vier verschiedenen Sexualtendenzen noch im Hintergrund steht. b) Bisexualität (T = Frau, S b = Mann). c) Anlage sowohl zu sinnlicher Sexualität (J -j—F) wie zur Humanisierung (T ).

5. Keine Strebung :

a) Stadium nach völliger Befriedigung beider Sexualtendenzen.

Nullitendeiri

c) Periodische Frigidität. d) Konstitutionelle Schwäche des Sexualtriebes.

b) Willentliche sexuelle Abstinenz, Askese.

Abschnitt IV

KAIN UND ABEL Der Paroxysmaltrieb. Der Vektor P

Man nennt eine klinische Erscheinung oder triebhafte Handlung paroxysmal, wenn sie in Anfällen, in Paroxysmen auftritt. Paroxysmus bedeutet in der Medizin die anfallsartige Steigerung von Krankheitssymptomen bis zu ihrer größten Höhe. So sind z. B. die Fieber-, Epilepsie-, Hysterie- oder Tachycardieanfälle Paradigmen für den Paroxysmus1. Das griechische Verb : Tiap-o^üvio hat mehrere Bedeutungen. scharf machen, anreihen, anregen etwas; 2. aufbringen, erbittern, in Zorn setzen; 3. das Passivum braucht Hippocrates von Krankheiten im Sinne : schlimmer, heftiger werden, auch ent­ zündlichen Charakter annehmen. In diesem Sinne bedeutet TOxp-oÇuapôç An­ regung, Erbitterung und auch den Zeitpunkt, in dem eine Krankheit ihren Höhe­ punkt erreicht2. Die Trieblehre der Scha hat neben den Sexual- und Ich-Trieben der Psa in ihrem Triebsystem auch den «Paroxysmal»- oder «Überrascbungs»-Trieb aufge1 GUTTMANN, W. : Medizinische Terminologie. 16.-20. Aufl. Urban U.Schwarzenberg, BerlinWien, 1922. S. 907. 2 PAPE, W. : Griechisch-Deutsches Handwörterbuch. F. Vieweg u. Sohn, Braunschweig, 1849. Bd. II. S. 516.

101


nomraen. Wir müssen die Aufnahme dieses «neuen», im Grunde aber uralten Triebes in unsere Trieblehre hier kurz begründen. Wir sagten: ein Trieb - als Triebvektor - ist eine Verschränkung von zwei Bedürfnissen (= Triebfaktoren), die einem gemeinsamen einheitlichen, biopsychologischen Triebziel folgen. Das gemeinsatne Trieb^jel des Paroxysmaltriebes ist: die Überraschung. Das Lebe­ wesen übt Handlungen, ja sogar eine ganze Kette von Bewegungen aus, um durch Überraschung den Feind unschädlich %u ma chen, ihn %u lähmen und sich auf diese Weise aus einer äußeren Gefahr retten. In diesem Sinne begründet somit der Paroxysmal- oder Überrascbungstrieb mit seinen zwei Faktoren (e und hj) eine Bewegungs kette %um S chutz gegen äußere Ge­ fahren. Diese Schutzmechanismen fußen auf uralten tierischen Gefahrabwehrmechanismen, welche im Tierreich in drei Formen erscheinen: 1. Totstellreflex, 2. Be­ wegungssturm (inbegriffen das «Spritzen»), 3. Farbwechsel = Mimikry = Schutz­ färbung 1. Diese drei Arten von triebhaft-tierischen Schutzbewegungen sind archaischer Natur. Der Mensch gebraucht sie dennoch, aber nicht nur zur Abwehr äußerer Gefahren, sondern zumeist zum Schutz gegen innere, gefahrbringende Gefühls­ bewegungen. Der Mensch kann sich ja auch schockartig «totstellen» und gele­ gentlich in Ohnmacht fallen, des öfteren, um den Feind nicht töten zu müssen (Epilepsie). Oder er schlägt mit theatralischen Bewegungen um sich (Hysterie, Hysteroepilepsie) und schützt sich vor einem massiven Angriff durch Erblassen oder Erröten. Die besonderen Energiequellen, von denen sich der Paroxysmaltrieb nährt, sind die Kräfte der Affekte. Wir müssen hier wieder betonen, daß Affekte niemals als Triebe funktionieren, sondern daß nur ihre Energien zl< Triebhandlungen gebraucht werden können. So nährt sich auch der Überraschungstrieb (P) aus den Kräften der groben und feineren Affekte, die er in sich aufstaut und in Form von triebhaften Affektbewegungen u nd -handlungen plötzlich explosionsartig entlädt. Der Paroxysmaltrieb besteht: Erstens : aus dem epileptiformen Faktor « e», der einerseits die groben Affektkräfte aufstaut und anfallsartig entlädt. Dies ist die sozial-negative Tendenz : — e. Ander­ seits bedingt er aber jene social-positive Verhaltungsweise, die zur Gutmachung, Gerechtigkeit und Güte führt. Dies ist die Tendenz: e. Zweitens besteht er aus dem hysteriformen Faktor «hj», der die feineren Affekte aufstaut. Dies tut er mit der Tendenz: — hy, welche die moralischen Schamschran­ ken begründet. Anderseits trägt er aber diese Affekte gelegentlich zur Schau mit der Tendenz: -ß hy, w elche den Geltungsdrang bestimmt. Somit sind die zwei Triebfaktoren e, hy und die vier Triebstrebungen: —e, + e, —• hy, + hy die Bausteine, aus denen sich der Paroxysmaltrieb aufbaut. Das gemeinsam verfolgte Triebziel beider Faktoren ist, daß sich die Person durch Überraschungsbewegungen (Sichtotstellen, Bewegungssturm, Farbwechsel usf.) vor äußeren und inneren Gefahren (z- B. vor Totschlagen des Feindes) schütztIm folgenden werden wir vorerst die Faktoren ««» und «8y», dann anschlie­ ßend den Paroxysmalvektor P mit seinen 16 Schicksalsmöglichkeiten dem Wesen nach darstellen. 1 KRETSCHMER, E . : Über Hysterie. Thicme, Leipzig, 1923. S. 7ff.

102


Kapitel VTI

WESEN UND PSYCHOLOGIE DES ETHISCHEN FAKTORS e Im Wesen bedingt der Faktor e s owohl alle grob-affektiven Taten des Bösen, des Mannes «Kain», wie auch alle ethischen Handlungen des Guten, des Gerech­ ten, des Mannes «Mose», der dem Volke Verbote gegen das Töten und Gebote für das Gute bringt. Mose ist der abelisierte Kain. Der Triebfaktor, der den Menschen aus Wut und Haß, aus Zorn und Rache, aus Neid und Eifersucht zu einem Totschläger aus groben Affekten zu machen vermag, der den Menschen dazu treibt, seine Gemütsbewegungen in sich bis zum Bersten aufzustauen, um sie dann plötzlich, explosionsartig auf die Mitmenschen überraschend zu entladen, der die erwürgende Hand «Kains» - an Stelle des Bru­ ders - auf die eigenen Gefäße des Gehirns, des Herzens, der Gedärme und der Extre­ mitäten legt und somit den Menschen in einen «.Anfallskranken», « homo paroxysmalis», verwandelt, der - an Stelle des Feindes, den er blau schlagen möchte -, seine eigene Haut mit «Ausschlägen» belegt, der die Zunge des Menschen im Sprechen bis zum Stottern hemmt, der die grauenhaften Ängste der Nacht und des Tages erregt, dieser furchterregende Faktor ist: der Faktor e. Anderseits ist aber derselbe Faktor e diejenige Instanz, die im Menschen das Gewissen weckt, Verbote gegen Ungeduld und Totschlagen, Gebote für das" ethische Verhalten der Menschheit bringt, die den Mann «Kain» - der ewiglich in uns haust - zu Geduld und Gerechtigkeit, zu Frömmigkeit und Wohlfahrt bewegt, die die Kranken heilt und die Religionen stiftet. Nichts gibt es in der Welt im Tun des Bösen und des Guten, in Gewissenlosig­ keit und Gewissenhaftigkeit, im Handeln mit Ungeduld und Geduld, in Gesetz­ losigkeit, Gesetzgebung und Gesetzmäßigkeit, in Überschwemmung von Affek­ ten und im Freisein von allen groben Gemütswallungen, im Schlagen und Heilen von Wunden ohne den Faktor e. Der epileptiforme Faktor e kann somit den Men­ schen sowohl zum Mann «Kain» wie auch zu dem Mann «Mose» mit den Gesetzes­ tafeln machen. *

Das Wort «Epilepsie» stammt aus dem griechischen Verb: era-XaiJ-ßavw und hat - unter anderen - folgende Bedeutungen: 1. etwas feindlich angreifen, 2. überraschen, 3. zurückhalten, hemmen, 4. im Passivum: von einer Krankheit er­ griffen, überfallen, gelähmt werden1. Man könnte somit das Wort era-Xapßävto als ein Urwort mit Gegensinn auffassen2' 3>4. Es bedeutet ja einerseits das Angreifen und Überraschen des Feindes, anderseits aber auch das Zurückhalten und Hemmen jegli­ cher Feindseligheit. Das Wesen des Faktors e e ntspricht nach der bisherigen Sinn1 PAPE, W . : Griechisch-Deutsches Handwörterbuch. Vieweg u. Sohn, Braunschweig, 1849. Bd. I. S. 849. 2 ABEL, C .: Sprachwissenschaftliche Abhandlungen. W. Friedrich, Leipzig, 1885. S. 313. 3 FREUD, S.: Uber den Gegensinn der Urworte. Ges. Sehr. Bd. X. S. 221. 4 SZONDI, L . : Triebpathologie. S. 154-156.

103


gebung völlig diesem Doppel- und Gegensinn des griechischen Urwortes, dessen Anfangsbuchstaben er als Faktorzeichen trägt. Wie die anderen Triebfaktoren, so besteht auch der Faktor e aus zwei einander entgegengesetzten Urtendenzen und bildet somit den Doppel- und Gegensinn: ± eDas will also sagen: Der Mensch kommt mit einer ethischen Doppelnatur ytr Welt. Er kann anlagegemäß sowohl das Böse wie auch das Gute wählen u nd tun. Aus dieser Urambitendenz differenziert sich nun der eine Mensch - stets durch die Stellung­ nahme des Ichs - mehr in der Richtung des Bösen : — e ; der andere hingegen mehr in der Richtung des Guten: -f- e. Diese zwei polar entgegengesetzten, extremen Daseinsformen im Faktorraum e w erden durch das Schicksal des Mannes «Kain» und das des Mannes «Mose» symbolisiert1. Im folgenden betrachten wir im Wesen die vier möglichen Reaktionen des Faktors e.

I. Analyse der Nullreaktionen e 0f 1. Sie bedeutet den Stillstand der Affektbewegungen im Vordergrund nach einem paroxysmalen Anfall. So z. B. die Ebbe der Seele nach einem Jähzornanfall, nach einem heftigen Sturmausbruch von Wut, Haß, Zorn, Rache oder von Neid und Eifersucht, seltener den Ruhezustand nach einem epileptiformen, migräne­ artigen, vasoneurotischen, allergischen oder andersartigen Anfall. 2. Die Reaktion 0 e kann sich aber auch nach einer sozial positiven Affekentladung, so nach gewissenhaften Handlungen von Gerechtigkeit, Güte, Frömmigkeit, Beten, Beichten, religiösen Verzückungen, numinosen Erlebnissen usf. einstellen. 3. Sie kann unter Umständen auch auf die episodische Entspannung einer an­ dauernden ethischen Ambivalent (^ e) h inweisen, in der die Person sich in Zweifel befindet darüber, ob sie das Gute (+ e) od er das Böse (— e) tun soll. Die Qualen des Gewissenszweifels hält sie aber nicht weiter aus und entschließt sich zu irgend­ einer Affekttat. 4. Die konstitutionelle Schwäche im Faktor e kommt fast nie in Frage. *

Wie bei der Deutung anderer Nullreaktionen, so hängt auch bei der Reaktion 0 e i hre aktuelle Bedeutung im besonderen von der jeweiligen Konstellation des Partnerfaktors hj ab. Hier können wir nur einige Beispiele kurz anführen, da ja bei der Darstellung der Vektorreaktionen P mit 0 e dies ohnehin erörtert wird. a) Die 0 «-Reaktion mit + hy bedeutet die relative Verminderung jeglicher ethi­ scher Verhaltungsregel in bezug auf die unifunktionelle Dominanz des Geltungs­ dranges (P 0 +, Exhibitionismus auf irgendeinem Gebiet). b) Im Gegensatz zu der voraufgehenden Konstellation weist die 0 «-Reaktion mit —• hy auf die übertriebene Tendenz der sensitiven Beßehungsangst hin, bei der ja eben der Gewissenszweifel zur Entladung der groben Affekte führt (P 0 —). 1 SZONDI, L . : Kain. Gestalten des Bösen. Huber, Bern, Stuttgart, Wien, 1969.

104


c) In der Konstellation mit 8 k~f wi ll die 0 «-Reaktion die Entladung der gro­ ben Affekte in einem Zustand des ewigen Jammerns (P 0 8) bedeuten, wobei die beklagende Person stets ihre groben Affekte von Wut, Haß oder Neid und Eifersucht gegenüber ihrem Partner auslebt. d) Entlädt die Person simultan mit den groben Affekten auch die feineren, hysteriformen Gemütskräfte (P 0 0), so ist die Affektentladung total und die Per­ son genießt eine Weile die Ruhe einer Affektebbe. Ein Zustand, in dem Hysteri­ ker nach dem Anfall verweilen.

II. Analyse der positiven Reaktionen e + e a) Mit Überdruck: -f- ! « , - ) - ! ! « , + ! ! ! e Eine äußerst seltene Reaktion, welche zumeist auf eine abnormale Steigerung des Gewissens und fast immer auf eine krankhafte Gewissensangst und ein neuroti­ sches Gutmachemvollen e iner vermeintlichen Schuld hinweist. Ein Zuviel an Gewissen, Gerechtigkeit, Frömmigkeit oder die religiös ge­ färbte Affektßut kann den Menschen ebenso neurotisieren wie ein Zuwenig ihn antisozialisiert. Diese Sinngebung der hypertonisch-positiven Reaktion e i st für alle vier möglichen Konstellationen mit dem Faktor hy g ültig (P + ! 0, -j- ! +, + !- , + ±!) . b) Durchschnittliche positive Reaktionen e Im allgemeinen bedeutet diese Reaktion die nicht übertriebene ethische Ten­ denz zu Gerechtigkeit, Toleranz, Güte und Gewissenhaftigkeit den Mitmenschen gegenüber. Sie weist auch auf einen weichen, zarten, femininen Charakter hin. Ihre Bedeutung ist stets von der Konstellation des Partnerfaktors by abhängig. a) + e mit 0 hy (P -(- 0 ) weist auf eine relative Dominanz des Gewissens hin und ist ein sicheres testologisches Zeichen für die Phobie, bei der man weiß, wovor man eine Gewissensangst hegt. Hier wird somit das Relativitätsprinzip der Deu­ tung wieder bestätigt, da ja eine an sich nicht überdurchschnittlich starke Gewis­ sensreaktion dennoch durch ihre unifunktionelle Dominant (P -f- 0) krankhafte Zu­ stände hervorzurufen vermag. b) Die Koppelung der + «-Tendenz mit + hy vermindert ebenfalls den soge­ nannten positiven Normalitätswert der Reaktion + «, da ja hier die Person sich mit ihrer Güte, Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit zur Schau trägt (+ hy), wo­ durch eine Affektflut (P -|—[-) entstehen kann. c) Die Reaktion -j- « behält hingegen ihren ethischen Durchschnittswert, falls sie mit der Reaktion der Schamhaftigkeit (— hy) z usammen erscheint. Das Vek­ torbild: P -\ ist das Testmerkmal des gutmütigen, lammfrommen «Abels». d. Die Reaktionsverbindung -f- « mit hy (P + ±) ist diejenige Variation des «Abels», bei der die Gutmütigkeit teilweise dennoch zur Schau getragen wird.

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III. Analyse der negativen Reaktionen e —e a) Mit Überdruck: — ! e, — lie, — ! ! ! e Die hypertonisch negative Reaktion e weist stets auf eine äußerst bedrohliche Aufstauung_der groben Affekte hin. Die Explosion kann plötzlich eintreten, und es ereignet sich eine unwiderrufliche Affekttat oder ein Anfall. Eine sich paroxysmal steigernde Unruhe oder ein scheinbar unmotiviertes Stier-Wut-Gesicht mit star­ ren flammenwerfenden Augen können zwar gelegentlich den sich nähernden Sturmausbruch voranmelden, diese Vorboten bleiben aber des öfteren aus, und der Affektausbruch schlägt so plötzlich, unerwartet wie ein Donner auf die Mitmen­ schen herab. Oft genügt ein Gläschen Alkohol oder ein unbedachtes Wort seitens der Umgebung, und die Affekttat ist schon unwiderruflich geschehen. Der kli­ nische Psychologe muß natürlich auch an einen bevorstehenden epileptiformen Anfall denken oder an irgendeine seelische Äquivalente des Anfalls, wie z. B. an Porio-, Pyro-, Klepto-, Dipsomanie oder Thanatomanie. a ) Die Gefahr ist im besonderen groß, wenn diese Hypertonie in der Reaktion — e sich zu einer Entladung des Partnerfaktors hy gesellt, d. h. im Vektorbild P — ! 0, — ! ! 0,— ! ! ! 0.Hier wird ja d ie bis zum Bersten aufgestaute Wut und der Zorn von der Verbergungstendenz —by nicht gesteuert, und der Weg zum Ausbruch ist somit völlig frei. b) Mit -f- hy erscheint der gefährliche Kain (P — ! +) auf der Bühne. c) Mit — hy steigt die Panik (P — ! —) von Minute zu Minute stets höher. d) Mit M hy ebbt der Hainanspruch dank der Bremse der Verbergungstendenz (— ky) etwas ab. In allen Konstellationen bleibt aber ständig die Gefahr eines groben Affekt­ ausbruches. b) Durchschnittliche negative Reaktionen e a) Mit + hy stellt diese Reaktion den bösen, kainitisch gesinnten, neidischen, eifersüchtigen Alltagsmenschen mit seiner banalen Jähzornigkeit und Reizbar­ keit dar. Hier wäre es dennoch verfehlt, an irgendeine ernste klinische Form von epileptiformen Erkrankungen zu denken. Das Vektorbild P h ist zwar das Testmerkmal des «reinen Kains» aber immer noch in einem sozial tragbaren Maße. Wir müssen uns damit abfinden, daß ein Fünftel der Alltagsmenschen Kainiten sind. Das Testzeichen P f ist somit eher das paroxysmale Charakter­ bild des «bösen», als das eines ernstlich krankhaften Anfallsmenschen. b) Mit der Reaktion — zusammen stellt sie die panische Angst dar, die nach unseren Erfahrungen - des öfteren als real begründete Existen^panik — auch bei sonst seelisch gesunden Individuen vorkommen kann. c) Mit 0 hy in Form von P — 0 ist die Angst vor dem Ausbruch der groben Affektkräfte relativ groß, da ja die Bremse — hy f ehlt und die uni funktionelle Dominanz der Aufstauung von groben Affekten (— e) somit leicht zu einer Affekttat führen kann.

106


d) Das Zusammentreffen der durchschnittlichen Reaktion •— e mit der einer ± hj (P —• ±) ist ein Testzeichen für einen kaimtisch (P 8) eingestellten AUtagsmenschen, den die äußere Moral dazu zwingt, das Böse - zumindest nach außen - zu verbergen (— hy).

IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen e

± a) Mit Überdruck:

e

1 . i ! e,

2. ± i e

1. i ! e drückt den Gewissenszweifel aus, wobei aber die ethische Tendenz zu Gerechtigkeit, Toleranz und Güte überwiegt. 2. ^, e s tellt den nämlichen ethischen Kampf zwischen dem Guten und Bösen dar, wobei die Neigung zum Bösen dennoch größer ist. b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen e Im Wesen bedeutet diese Reaktion den gesunden ethischen Kampf zwischen den diametral entgegengesetzten Strebungen:

Gewissenhaftigkeit Toleranz Gutmütigkeit Hilfsbereitschaft Heilen Gottesfurcht

Gewissenlos igkei t Intoleranz Bösartigkeit Schadenfreude Verwunden Gotteslästerung

Wir deuten diesen Urkampf des Guten mit dem Bösen als die triebhafte Grund­ anlage des Menschen zur Ethik, die unseres Erachtens das innere Gesetz: «Töte nicht!» in die Seele hineinsetzt. Wie wir es bereits betonten, ist natürlich Ethik niemals mit Trieb gleichzusetzen, aber die Handlungen und die Verhaltensweisen des Einzelnen nach den Gesetzen der Ethik oder Unethik stehen in einer innigen Beziehung mit dem Trieb­ faktor e. D ie Koppelungen der Reaktion E e m it den Reaktionsformen des Part­ nerfaktors hy k önnen wir hier nur andeuten. a) Mit 0 h y ( P ± 0) steht der ethische Kampf - ohne gebremst zu sein (0 hy) dominierend im Vordergrund. b) Mit -t- hy (P dz +) wird die Tendenz zum Guten dennoch zur Schau ge­ tragen. c) Mit — hy (P E —) wird der ganze innere ethische Kampf verborgen, oder der Abel (P -| ) hegt dennoch kaimtische Ansprüche (— e). d) Mât E by {P E rb) stellt das Testverfahren das totale ethisch-moralische Dilemma auf die Bühne.

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Wir können das Kraftfeld des Triebfaktors e nicht verlassen, ohne auf den Wesensunterschied zwischen Faktor s und e kurz hinzuweisen. Faktor s ist der Todestrieb, der Faktor des Thanatos. Er kann zu einem Mord führen, und zwar stets aus der krankhaften Wollust der Zerstörung, aus einem pervertierten Sadismus mit einer sexuellen Färbung. Faktor e kann - unter Umständen - den Menschen auch zum Totschläger ma­ chen. Die Tat wird aber nie von dem Sadismus, dem Todestrieb primordiell be­ stimmt, sondern primär von einem Dammbruch, der den groben Affekten, der Wut und dem Zorn, dem Haß und der Rache, dem Neid und der Eifersucht den freien Lauf zur Befriedigung durch die Tat gibt. Der Mörder vom Typus s ist somit stets ein zerstörender Sadist. Der Totschläger vom g Aüypypw itf«» z&r WW «« akr JSnawjw, gegenüber den aufgestauten groben Affekten darstellt. Der Mörder vom Typus s ist zumeist pervertiert, der Totschläger vom Typus e ei n paroxysmal-epileptiformer Anfallsmensch. Trotz dieses Wesensunterschiedes finden wir auch Mischformen beider Typen. Sie liefern im Test des öfteren die Reaktionen + .r un d — e m it Überdruck. Ihre Triebgefahr wie auch die Neigung zum Delikt ist groß.

Kapitel VIII

WESEN UND PSYCHOLOGIE DES MORALISCHEN FAKTORS hy DES SICHVERBERGENS UND DES SICH-ZUR-SCHAU-TRAGENS Durch den Faktor hy wird einerseits der phylogenetisch vorgebildete Schutzund Sicherungsmechanismus, das Sich-Verstecken in einer äußeren Gefahr- und Schrecksituation, wie auch das schamhafte Sich- Verbergen vor überstarken sexuellen Gemütsbewegungen bedingt (—hy). Anderseits aber bestimmt er auch den Bewegungssturm, die Rettung aus einer Lebensgefahr, wie auch das schamlose Sich-zur-Schau-Tragen, das Exhibieren und den Cg/Awga&vwg (+ ^y). Was alles gehört demnach zum Wirkungsraum des Faktors hy ? Das Bedürfnis, das den Menschen dazu treibt, den Drang nach Eros, nach zar­ ter Liebe vor dem Partner und der Welt zu verbergen, das die Scham- und Ekel­ schranken der zeit- und ortsgebundenen Moral im Menschen aufrichtet, das die erotische und andersartige Phantasiewelt erschließt und damit das grenzenlose Reich der Unwirklichkeit und Dichtung, der Mythenbildung und der Lügen­ haftigkeit (Mythomanie) als Zufluchtsort der Seele schafft, das in Lebensgefahr und Begattungsangst den Menschen völlig immobilisiert xmà in einer fast hyfnoiden Bewegungslosigkeit erstarren läßt, das die Sinneswahrnehmungen bei unerträglichen existentiellen oder überstarken sexuellen Gemütsreizen ausschaltet und in einen

108


Dämmer-, ja so gar in einen Schlaf zustand (Narkolepsie) einlullt, das den Menschen somit vor dem Schmerz des graulichen Schreckens beschützt, das in ihm den­ noch die Neigung zur Wiederholung dieses Schreckens - ohne einen neuen Anlaß erweckt1, dies ist die Wirkung der negativen Tendency von Faktor hy. Faktor hy i st aber nicht nur der Immobilisator und somit der Beschützer vor existenziellen und sexuellen Schreckgefahren, sondern er macht auch aus dem Menschen einen schamlosen Exhibitionisten, einen Zerstörer aller moralischen Schamund E kelschranken, er stellt den Geltungsdrang ins Schaufenster des Seins, er ent­ fesselt die anscheinend ziellosen Bewegungsstürme, um das verborgene Triebziel des Gehebt- und Gerettetwerdens zu erlangen, er produziert auch Krämpfe von Schüttelbewegungen, Tics, Um-sich-Herumschlagen, Sich-Herumwerfen, Auf- und Ablaufen, er läßt den Menschen aus Angst an allen Gliedern gittern, er bringt auch die Zügellosigkeit und Ungehemmtheit in die Welt. Dies alles bewirkt die positive Tenden% des Faktors hy. *

Die native, ursprüngliche Form des Faktors hy ist die Ambitendenz: hy. Von dieser Urstufe ausgehend, bewegt sich der eine Mensch mehr in der Rich­ tung der Tendenz —hy, d. h. in der des Sich-Versteckens, oder - mit Uberdruck in der Richtung der Irrealität, des Phantasierens, der Lügenhaftigkeit, oder in krank­ hafter Form in der Richtung der völligen Immobilisierung und des Sich-tot-Stellens. Der andere Mensch hingegen orientiert sich mehr in der Richtung der Ten­ denz + hy, also in der des Geltungsdranges, des Sicb-oytr-Schau-Stellens, des Exhihierens oder - mit Überdruck - in der Richtung des hysterischen Bewegungssturmes. In den Krankheitsbereich der Tendenz — hy gehören somit einerseits die mannigfaltigen Imtnobilisierungsphänomene: die hysteriforme Unfähigkeit, zu gehen (Abasie), zu stehen (Astasie), zu sprechen (Aphonie, Aphasie), zu denken (Däm­ mer und Stupor), anderseits die hysterische Blindheit, Taubheit, die Tast- und Schmer.junempfindlichkeit. Die krankhaften Erscheinungen der Tendenz hy sind: das pathologische sexuelle Exhibieren, das hysteriforme Schüttel^ittern (bei Kriegs- und Unfallneurosen), die Tics, und alle anderen Arten von hysterischen Bewegungsstürmen und Anfällen. Bei allen diesen Krankheitsformen wirken aber stets - neben den hysteriformen Triebkräften - auch besondere Ich-Abwehrtätigkeiten simultan mit. Die hysterischen Immobilisierungsphänomene (bis zum Sich-tot-Stellen) gehen mit Ich-Verlust oder Dämmerung (Sch 0 0) oder mit Entfremdung von Körperteilen, Sinneswahrnehmungen einher (Sch — ±). Zu den Bewegungsstürmen gehören die Ich-Bilder der Angst und der. Katastrophenahnungen (Sch ± +, ± +). Die Schicksalspsychologie nimmt sogar an, daß die Wahl der Abwehrart der erörterten hysteriformen Schutzmechanismen primordiell vom Ich getroffen wird. *

Nun kommen wir zur Erörterung der vier Reaktionsarten des Faktors hy. 1 K RETSCHMER, E .: Über Hysterie. Thieme, Leipzig, 1923. S. 7-18.

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I. Analyse der Nullreaktionen by 0 hj 1. Sie bedeutet die Entladung der garten Affekte nach irgendeinem hysteriformen Anfall und stellt somit eine Ebbe nach Flut im zarten Gemütsleben dar. 2. Diese Reaktion kann auch auf die manifeste scheue Angst vor einer existen­ tiellen, des öfteren aber geschlechtlichen Gemütsgefahr hinweisen oder auf die Phobie eines manifesten Exhibitionisten. 3. Am häufigsten ist sie ein Hinweis auf die Schwäche der moralischen Zensur, im besonderen mit der simultanen Reaktion 0 k, falls die beiden (0 hy, 0 k) in einer Serienuntersuchung mehrmals figurieren1. So z. B. bei sexuellen Psychopathen mit Exhibierungsdrang2. 4. Sie kann auch die episodische Entspannung eines moralischen Dilemmas, einer Ambitendenz (A hy) b edeuten. Als Wegweiser in der Deutung der Reaktion 0 hy dient die simultane Reak­ tion von Faktor e. a) Mit + e (P -f- 0) ist die Reaktion ein sicheres Zeichen von Gewissensangst in Form einer Phobie. b) Mit —e (P— 0) entlarvt sich die Angst vor dem Ausbruch der groben Affekte, die ja o hne die moralische Zensur (0 hy) aufgestaut werden. G' c) Mit ± e (P ± 0) steht im Vordergrund das ethische Dilemma ohne die mora­ lische Zensur. Das heißt : in der Person kämpft an erster Stelle der Kain mit dem gerechten und toleranten Abel (-)- e) ; hingegen läßt die innere Zensur die zarten Affekte, wie die Liebes-, Zärtlichkeits-, Sexual-, Gemütsbewegungen sich offen entladen (0 hy). d) Mit 0 e (P 0 0) entsteht ein Zustand der Ebbe sowohl in dem Bereich der groben wie auch in dem der zarten Affekte (Hysterie, Melancholie, Manie usf.).

II. Analyse der positiven Reaktionen hy \+ki> a) Mit Überdruck: -)- ! hy, + ! ! hy, + ! ! ! hy Diese relativ seltene Hypertonie3 im Faktor hy i st ein Hinweis auf eine extrem absurde Art von Geltungsdrang und Sich-zur-Schau-Stellen. Sie wurde im beson­ deren bei inflativen Paranoiden mit absurden Weltverbesserungs- und Reform­ ideen gefunden (STUMPER). Unter Umständen - nie aber in Untersuchungshaft entpuppt sie auch den Drang zum sexuellen Exhibieren. Ihre Variationen mit dem Faktor e deuten auf die nämlichen Seelenlagen hin, wie bei den durchschnittlichen positiven hy, nur in einem übermäßigen Grade. 1 Triebanalyse. Analyse der Mitte. S. 172ff. 1 STUMPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. S. 131. Fall 26. * S TUMPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. S. 74. Fall 6.

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b) Durchschnittliche positive Reaktion hy Im allgemeinen weist sie auf einen Menschen hin, der sich zur Geltung und zur Schau stellen möchte. Des öfteren ist er auch narzißtisch (-)- hy, + k). a) Mit 0 e (P 0 +) ist die Tendenz, sich zur Schau zu stellen - seltener das Exhibieren selbst - ohne Steuerung seitens der ethischen Zensur relativ groß1. (Konversionshysterie, Manie, Exhibitionismus usf.) b) Mit + e (P -|—h) spricht die Testologie von Affektflut, im besonderen bei hysteriformen Charakteren oder bei Hysterie. c) Mit •— e (P •—• -)-) stellt Kain seine Tendenz zum Bösen zur Schau. d) Mit ± e (P ± +) ist die Person trotz ihrer kainitischen Tendenz fähig, ihren Gutmachungswillen - in sentimentaler Form - zu zeigen.

— hy a) Mit Überdruck: — ! hy, — ! ! hy, —! ! ! hy Eine sozial gefahrbringende Reaktion mit mehreren Deutungsmöglichkeiten :

a) Eine überdurchschnittlich starke Strebung, die zarten Gemütsbewegungen - inbegriffen die sexuellen - zu verbergen. Die hintergründige Hypertonie der Zeigelust (-f- ! hy), oft auch der Anspruch, sich geltend zu machen, kann sich sogar simultan verraten oder aber sukzessiv - durch plötzliche Umdrehung - sich entlarven. Eine häufige Reaktion der Exhibitionisten (Schamhaftigkeit). b) Des öfteren bedeutet sie die Flucht vor der Unbehaglich beit der Wirklichkeit in eine unwirkliche Phant asiewelt, in der alles möglich wird, was die Wirklichkeit ver­ missen läßt. c) Eine ganz besondere Art der Flucht vor der freudlosen Realität ist die Flucht in die Welt der Lügen. Die Pseudologia phantastica, die Mythomanie so vieler Psychopathen erscheint im Test eben als die Reaktion •— \ hy, -—• ! ! hy usf . d) Seltener bedeutet sie eine Hypermoralität bei Puritanern oder Hypokriten. b) Durchschnittliche negative Reaktion hy a) Mit 0 e (P 0 —) ist sie das Testmerkmal einer sensitiven Begiehungsangst, die stets auch eine moralische Färbung trägt. Sie ist in schweren Fällen die paranoide Affektreaktion. b) Mit -f- e (P -) ) stellt sie den braven, lammfrommen «Abel» mit seiner Gewissenhaftigkeit, Scheuheit und Moralität dar. c) Mit — e (P — •—) ergibt sie das Affektbild der Panik. d) Mit (Pf •—) den Abel (P -\ ), der seine groben Affekte aufstaut (—e) ; oder den panischen Zustand (P ) mit der Strebung, die Schuld gut­ zumachen. 1 WALDER, H.: Triebstruktur und Kriminalität. S. 53-54.

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IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen by

± by a) Mit Überdruck: 1. ± ! by, 2. ±, by In allen Variationen der Reaktion ± by lautet das moralische Dilemma: Soll sich die Person mit allen ihren sexuellen und existentiellen Geltungsansprüchen so zeigen wie sie eben ist ? Oder soll sie sich mit diesen Ansprüchen vor der Welt verstecken ? 1. In der ersten Variation ist der Geltungsdrang, 2. in der zweiten der Verbergungsdrang relativ größer. Hier muß man auch die Frage einer eventuellen Phantasiewucherung oder Pseudologia phantastica genau prüfen. b) Durchschnittlich ambivalente Reaktion hy a) Mit 0 e (P 0 T) steht klinisch die Lamentation, das ewige Jammern im Vor­ dergrund. Das moralische Dilemma dominiert. Die Person hat eben den «mora­ lischen Kater», weil die ethische Zensur fehlt oder weil sie die groben Affekte vor­ aufgehend stürmisch befriedigt hat. b) Mit -|- e (P -|- dz) steht der Abel (P -f- •—) mit dem moralischen Zweifel auf der Bühne. c) Mit —e (P—• d=) erscheint hingegen der Kain mit dem moralischen Di­ lemma im Vordergrund. Er möchte das Böse in sich irgendwie vor der Welt ver­ bergen. d) Mit dz e {P dz dt) lebt die Person in einem ethischen (d= e) und moralischen (dt hy) Dilemma. Ein Zustand, der - bei einem humanisierten Menschen - die natürliche Affektlage darstellt, im besonderen mit den Vektorbildern S und Sch d—K ± +> ± rh*

Kapitel IX

ANALYSE DES PAR^XYSMALTRIEBES, DES VEKTORS P Vor allem prüfen wir nun die Frage, ob der Paroxysmal- oder Überraschungs­ trieb den fünf, bereits erörterten Kriterien eines selbständigen Triebes entspricht. Diese Beweisführung wurde uns bei dem Sexualtrieb erspart, da ja n iemand die selbständige Triebnatur des Sexualtriebes in Frage stellt. I. Für das erste Kriterium, die Erbbedingtheit des P-Triebes, spricht schon die Tatsache allein, daß dieser Trieb beim Menschen die phylogenetischen Schutzund Sicherungsbewegungen bedingt und auslöst, die wie die im Tierreich niederer Gattung als uralte Abwehrarten gegen affektgeladene Existenz- und Sexual­ gefahren dienen. Als solche haben wir kennengelernt: den Bewegungssturm, die

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Immobilisierungserscheinungen bis zum Sich-tot-Stellen, das Sich-Verbergen, das Sich-Verstellen und den Farbwechsel. Wir bringen hier einige Beispiele nach MANGOLD, B ABAK und E. KRETSCHMER. Ein Nachtfalter, der sich in einen geschlossenen Raum verflogen hat, eine Biene oder ein Vogel ent­ fesseln in dieser Schrecksituation in Richtung der Helligkeit einen Sturm von scheinbar planlosen Be­ wegungen und wiederholen sie so lange, bis endlich eine dieser Bewegungen das Tier ins Freie führt. Auf höheren Entwicklungsstufen treten diese uralten Arten der Abwehr einer Lebensgefahr allmählich zu­ rück und an ihrer Stelle erscheinen planmäßige Überlegungen und Wahlhandlungen. In einer Panik­ situation (Erdbeben, Eisenbahn-, Auto-, Flugzeugunglück, Hochwasser- und Kriegsgefahr) oder bei Kleinkindern in Unlustsituationen kehren diese archaischen Bewegungsstürme wieder, und zwar in Form von ungebärdigem Zappeln,' Stoßen, Schreien, Umsichschlagen. Klinisch begegnen wir ihnen bei den hysterischen Hyperkinesen und Affektkrisen1. Man spricht beim Menschen von Reggression auf eine phylo­ genetisch ältere Stufe. Die andere Abwehrgruppe, die tlmmobilierungs- und Totstellreflexe')> bei Tieren wurden von MAN­ GOLD" und BABAK3 m it den kataleptischen und hypnoiden Phänomenen in Verbindung gebracht. In Lebensgefahr zeigen bestimmte Tiere Immobilisierungsphänomene, wie das Sich-Verstecken, Einkeilen des Körpers zwischen Steine, Kriechen im Schlamm und Sand und hypnoide Erstarrung. Aufge­ scheuchte Fische (Callichtys, Corydoras und Anabas scandens) ändern nach BABAK ihre Farbe von Schwarz zu Weissüch oder Rötlich, werfen sich auf eine Seite, fliehen nicht, sondern erstarren völlig. Ähnliches sieht man in Gefahrsituationen bei Insekten, Spinnen, Krebsen, Schlangen, Hühnern, Pfer­ den1. Auch der Affektsturm beim Fortpflan^ungsakt kann bei gewissen Tieren (Hühnern, Walzen­ spinnen usf.) die nämlichen Erstarrungs- und Immobilisierungsreflexe auslösen. So beginnt der Begat­ tungsakt bei der Walzenspinne (Galeodes) mit dem plötzlichen Losspringen des körperlich kleineren Männchens auf das Weibchen, das er in der Rückengegend überraschend packt. «Wie mit einem Zauber­ schlag schnellt hierbei das Weibchen in eine starre, motorisch kontrakte Stellung zusammen, in der es un­ beweglich, passiv und völlig widerstandslos verharrt. Dieser Reflex tritt experimentell nur bei zur Be­ gattung reifen Weibchen ein, während es sonst fehlt'.»

E. KRETSCHMER betont die Ähnlichkeit dieser alten Abwehrarten mit denen bei Hysterikern, so im besonderen bei den hjsteriformen, kataleptischen Stupor- und hypnoiden Dämmerzuständen, bei den hysterischen Lähmungen, beim Nicht-mehrstehen-und-gehen-Können, Sich-verkriechen-im-Bett, bei den sensorisch-moto­ rischen Ausfallerscheinungen im existentiellen oder erotischen Schreck und Schock. Zu einer ähnlichen Auffassung gelang auch KLEIST bei Schreckpsychosen6. Mit diesen Beispielen ist die spezifische Erbnatur des hysteriformen Faktors hy genügend bewiesen. Über die besondere Erbnatur des Faktors e w erden wir an­ läßlich der Prüfung des fünften Kriteriums sprechen. II. Der Paroxysmaltrieb entspricht auch dem zweiten Kriterium, welches von einem selbständigen Trieb eine innere P olarität zwischen den zwei Bedürfnissen und zwischen den vier Tendenzen fordert. Der Überraschungstrieb P ist ja in unserem Triebsystem auf die polare Gegensätzlichkeit von zwei Bedürfnissen (e und hy) und auf die vier Tendenzen (+ e, — e; + hy, — hy) aufgebaut. III. Demzufolge entspricht der Vektor P auch dem dritten Kriterium, dem der Triebspannung und des Triebdynamismus, da ja d ie zwei Triebfaktoren und die vier Tendenzen durch die ihnen innewohnenden Gegensätzlichkeiten den Dynamismus im Raum des Vektors P aufrechtzuerhalten vermögen. IV. Dem vierten, dem physiologischen und pathopsychologischen Kriterium entspricht 1 KRETSCHMER, E. : Uber Hysterie. Thieme, Leipzig, 1923. S. 7ff. Auch die nachfolgenden Beispiele zitieren wir nach KRETSCHMER. 3 MANGOLD: H ypnose und Katalepsie bei Tieren. Fischer, Jena, 1914. 3 BABAK: Bemerkungen über die Hypnose, den Immobilisations-oder Sich-tot-Stellen-Reflex, den Schock und den Schlaf der Fische. Arch. f. d. ges. Physik (Pflüger). Bd. 166, 1917. S. 203. 1 KRETSCHMER, E . : Ebenda, S. 13. ' KRETSCHMER, E . : Ebenda, S. 15. ' KLEIST, K . : Schreckpsychosen. AJUg. Z ischt, f. Psychiatrie 74, 1918. Zit. nach E. KRETSCHMER. 8

Szondi, Triebdiagnostik

113


der Paroxysmaltrieb dadurch, daß er auf dem Gebiet der Physiologie die zwei ent­ gegengesetzten Gemütsbewegungen von groben und zarten Affekten und somit

die sogenannten

W 6yoA,r//öraw6 OwraÄ/fr/#*« im gesunden Affekt-

leben bedingt. Im Bereich der Psychopathologie bestimmt er die zwei bekannten Krankheitskreise der Epilepsie und der Hysterie. V. Das fünfte Kriterium, das des selbständigen Erbgangs der Paroxysmalphänomene wurde in bezug auf die Epilepsie von RÜDIN und LUXENBURGER1 (polymer rezessiver Erbgang) von CONRAD2 un d von MIR3 (d imer rezessiver Erbgang auf Grund einer multiplen Allelic), bezüglich der Hysterie von MEDOW, LENZ, PERSCI-I (dominanter Erbgang), im besonderen aber von KRAULIS4 in exakter Weise be­ kräftigt. *

Die seit 1937 systematisch durchgeführten psychologischen Untersuchungen an Epileptikern und Hysterikern mit Hilfe der experimentellen Triebdiagnostik ha­ ben die Richtigkeit der Annahme eines besonderen und selbständigen Paroxysmaloder Überraschungstriebes ebenfalls bestätigt5. Eine Frage muß hier noch beantwortet werden : Ist es berechtigt, den epileptiformen Triebfaktor ?>iit dem hysteriformen in demselben Vektorraum - als Bausteine des­ verbinden ? selben Triebes Wir bejahen diese Frage auf Grund von 1. erbbiologischen, 2. triebpsycholo­ gischen und 3. klinischen Erfahrungen. Ad 1. W. KRAULIS teilt mit, daß in den Familien der Hysteriker der Prozent­ satz von Epileptikern fast so hoch ist wie unter den Verwandten von epilep­ tischen Probanden6. LUXENBURGER fand unter den Geschwistern von Epilepti­ kern achttnalso viel Hysteriker wie in derDurchschnittsbevölkerung7. ÜberdieErb­ beziehung zwischen Epilepsie und Hysterie kann man somit keinen Zweifel hegen. Ad 2. Eigene triebpsychologische Untersuchungen bestärkten die Annahme, daß Faktor e und hy demselben Triebziel, nämlich dem der Rettung der Person aus einer existentiellen Gemütsgefahr dienen, nur sind ihre Energiequellen - wie wir es bereits ausgeführt haben - verschieden. Der epileptiforme Faktor e staut die groben, kainitischen, der hysteriforme Faktor hy d ie garten, erotischen Affektkräfte auf. Beide entladen sich demnach in verschiedenen Erscheinungsformen ; der eine in den epileptiformen, der andere in den hysteriformen Anfällen. Wir betonen somit, daß 1. die anfallsartige Erscheinungsform, d. h. der Paroxysmus, 2. das unbe3. dkr cor stammgen diejenigen drei gemeinsamen Triebdynamismen darstellen, welche uns vyvin-

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einem

besonderen Trieb %u le gieren. 1 VON V ERSCHUER, O .: Erbpathologie. Steinkopff, Dresden, Leipzig, 1934. S: 88f. a CONRAD: E rbanlage und Epilepsie. Ztsch. f. Neur. Bd. 153, 1935. S. 271. 3 SZONDI, L. : Heilpädagogik in der Prophylaxe der Nerven- und Geisteskrankheiten. Bericht ü. d. 1. Int. Kong. f. Heilpäd. 1939. Leemann & Co., Zürich. S. 35, 37. SZONDI, L.: Schicksalsanalyse. HI. Aufl. Schwabe & Co., Basel, Stuttgart, 1965. S. 374 ff. 4 KRAULIS, W.: Zur Vererbung der hysterischen Reaktionsweise. Ztsch. f. Neur. u. Psych. 136. Heft 1/2. 5 Triebpathologie, S. 481-497. " KRAULIS, W . : Ebenda, S. 206. ' Zitiert nach VON VE RSCHUER: E rbpathologie, S. 89.

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Die psychodynamischen Gegensätze zwischen Faktor «'und by in bezug auf ihre Energiequellen und klinischen Erscheinungsformen genügen somit zur An­ nahme einer faktoriellen P olarität, d ie Gleichheit d er Triebziele zur An nahme eines gleichnamigen Triebes. Ad 3, Zum Schluß sei noch erwähnt, daß in der klinischen Medizin immer wie­ der die Tendenz auftaucht, die Epilepsie und die Hysterie im allgemeinen oder im besonderen zu einem einheitlichen klinischen Bild der «.Hysteroepilepsie» zu ver­ einigen. Viele Kliniker zweifeln an der Richtigkeit dieser Vereinigungstendenz. Sie schützen achtsam die klinischen Grenzen, welche die — als organisch beurteilte — genuine Epilepsie von der reinfunktionellen Hysterie trennen. Die Triebforschungen sprechen hingegen für die Richtigkeit der Annahme, daß - obzwar beide Krank­ heitsbilder auf phylogenetisch vorbereiteten alten Nervenbahnen ablaufen - sie in ihren «genuinen» Formen dennoch funktionelle Erkrankungen mit besonderen Triebhintergründen darstellen (S. FREUD1, C . G. JUNG2). D eshalb hegen wir die Meinung, daß keine Epilepsie ohne Hysterie und keine Hysterie ohne den Anteil des epileptiformen Faktors (e) möglich sei3. *

Nun können wir die 16 Variationen des Vektors P nach dem Schema der Tabelle 4 der Reihe nach triebpsychologisch und klinisch darstellen.

1. Unitenden^en im Vektor P !

Variationen

II

III

IV

Im Vordergrund: P =

+

0

0

+

0

0

Im Hintergrund: P

±

±

+

±

=b

+

Variation I

p,

e

by

+

0

Dominanz des Gewissens. Die Gutmachung einer Schuld (+ e) äußert sich in hysteriformer Furcht (0 by), Phobie (Furcht vor Tieren, Höhe, Tiefe, Platz­ angst usf.). Mit Überdruck : Krankhafte Gewissensangst.

Triebpsychologisch bedeutet dieses P-Bild die relative Dominanz des Gewis­ sens im Affektleben; es manifestiert sich klinisch in einer Phobie. Die 0 /^/-Reaktion ist ein Hinweis darauf, daß hier das Streben nach Gutmachung einer Schuld (+ e), deren ursprüngliche Ursache aber verdrängt wurde, in hysteriformer Furcht sich äußert. Das furchterregende Objekt (Tiere, Höhe, Tiefe, Platz, Flugzeug, Eisenbahn usw.) ist dem Menschen wohl bekannt, aber die Beziehung des be­ wußten Furchtobjektes zu dem verdrängten Objekt, welches die Phobie primordiell bedingt hat (Vater, Kastrationsvorstellung usw.), ist ihm nicht bewußt. Der ver1 FREUD, S .: Dostojewski und die Vatertötung. Ges. Sehr. Bd. XII. S. 7ff. UNG, C . G.: Psychologie und Erziehung. Rascher, Zürich, 1946. S. 16ff. 3 RABE, F.: Die Kombination hysterischer und epileptischer Anfälle. Schriftreihe Neurologie, Band 5. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 1970.

2J

115


steckte Kainanspruch im Hintergrund (P — ±) spricht klar dafür, daß das Schuldbewußtsein sich ursprünglich auf den Tötungswunsch (Vater, Bruder) be­ zieht. hy

Variation II Domitian^ des Geltungsdranges, des Sich-zur-Schau-Stellens (+ by) ohne die ethische Bremse (0 e). Mit Überdruck: Hysteriforme Bewegungsstürme, Konversionen, seltener: sexueller Exhibitionismus.

Hier dominiert unifunktionell das Streben nach Geltung, Sicb-^ur-Schau-Steilen (+ hy) o hne die ethische Bremse (0 e). Es wurde bereits erörtert, daß die hyper­ tonische Form (-f ! hy, + ! ! hy) für hysterische Bewegungsstürme oder für Kon­ versionen oder für sexuelles Exhibieren bezeichnend ist, falls das Ich die entspre­ chenden Abwehrtätigkeiten (z. B. die Entfremdung / Sch — ± / oder die Macht­ bejahung / Sch + 0 /) aufweist. Der im Hintergrund weilende und mit ethischen Dilemmen (± e) kämpfende Abel bestärkt unsere Auffassung, daß die Umwelt ein Teil der Ärzte sogar - das ethische Verhalten von Hysterikern falsch beurteilt. Wären diese Hysteriker nicht ethisch gesinnte Menschen, so wären sie ja zu keinen Konversionen fähig und würden nicht auch in anderer Weise die erotischen An­ sprüche abwehren. Dafür spricht auch die Reaktion d: e im Hintergrund. Variation III Aufstauung von Wuty Haßy Zorny Rachey Neid und Eifersucbty der Kainansprüche (— e) ohne die moralische Bremse (0 hy). Mit Überdruck: Die Gefahr eines kommenden Anfalls. Auch: latente Epilepsie oder deren Äquivalente.

Im Vordergrund werden die groben, kainitischen Affekte ohne die moralische Bremse (0 hy) aufgestaut (— e). Die Gefahr eines groben Affektanfalls von Wut, Haß, Zorn, Rache, Neid oder Eifersucht ist somit groß. Der hintergründige, gel­ tungsbedürftige Abel (P + ±) kommt des öfteren sofort nach dem Affektaus­ bruch auf die Vorderbühne und die Person bemüht sich, Reue und Güte zu zeigen. Variation IV Verstecken der erotischen oder andersartigen Affekte. Sensitive Beziehungs­ angst. Die ethische Bremse ist schwach (0 e). Mit Überdruck: Irreale sexuelle Phantasie weit; Pseudologia phantastica.

Dieses P-Bild ist ein sicheres Testzeichen für die sensitive Beyiehungsangst, die stets einen paranoiden Zug trägt. Die Person hegt die Angst: «Was würden die Menschen wohl sagen, wenn sie wüßten, was für Ansprüche ich in mir ver­ stecke (—hy)}» Es ist die häufige Reaktion von paranoiden Neurosen, Hypo­ chondern, zumeist mit dem Verdrängungs-Ich (Sch — 0), oder Hemmungs-Ich (Sch h). Dasselbe Bild mit einer totalen Projektion weist hingegen in gehäuf­ ter Form auf ernste paranoid-projektive Ich-Störungen hin (PO—; Sch 0—). Mit dem weiblichen Ich (Sch 0 ±) kann dieses P-Bild - falls im Sexus eine Inver­ sion (S -| ) und im Kontakt eine sogenannte biobjektive Bindung an beide Ge­ schlechter vorhanden ist (C -f- +) - auch den Verdacht auf Homosexualität eines Mannes wecken. Der hintergründige, sich zur Schau stellende Kain mit der Gutmachungstendenz (P ± +) entlarvt die tieferen Gründe der Beziehungsangst.

116


2. Bitenden^en im Vektor P

Im Vordergrund : P I" Hintergrund: P =

II

I

Variationen

+

+

+

+

Variation I Hysteriforme Affektflut. Anlage zu Bewegungsstürmen. Überschwemmung von Gewissensangst, die zur Schau getragen wird. Hysteriforme Konver­ sionen. Zirkuläre Affektflut (Depression, Manie).

Es ist das «sentimentale» Bild einer hysteriformen Affektflut, oft mit der An­ lage zu Bewegungsstürmen, im besonderen, wenn die Affektflut (JP -|—\~) in der­ selben Serienuntersuchung von der Affektebbe (P 0 0) abgelöst wird. Die Affekt­ flut wird dadurch erzeugt, daß die Überschwemmung durch die Gewissenstendenz (+ e) sich zu dem hysteriformen Geltungsdrang (+ hy) g esellt und durch diese Legierung das Affektleben anschwellt. Bei dieser Affektfülle wird die Seele aus dem Hintergrund von Panik (P ) gepackt, die auch in der Tat eintritt, wenn die innere Spannung durch einen Bewegungssturm keinen Abfluß nach außen findet. Variation II Innere Panik, Beklemmungen, hervorgerufen durch überstarke existentielle oder erotische Reize. Immobilisierung: Sensomotorischc Ausfallerscheinungen bis zum Sichtot-Stellcn.

Es ist das Affektbild der inneren Panik im Triebprofil. Die überstarken Erleb­ nisreize in einer existentiellen oder affektiven Gefahr lähmen die Person. Sie unterdrückt unbewußt sowohl ihre groben (— e) wie auch die zarten (— hy) Affekte. Die moralische Zensur (— hy) versperrt den Abflußweg für die aufge­ stauten grob-kainitischen Affekte (— e) und demzufolge erstarrt das Affekt­ leben nach außen. (Affektabwehr durch Sich-tot-Stellen.) Die Person erlebt die Situation als eine unbehagliche Beklemmung. Die sich im Hintergrund aufstauende Affektflut (JP -f - -f ) weist darauf hin, daß die Person bereit ist, sich durch einen Bewegungssturm aus der Enge der unerträglichen Beklemmung zu retten. b) Vertikale, ^vangs artige Teilung Variationen

1

1

II

Im Vordergrund : P —

±

o

0

±

Im Hintergrund : P

0

±

±

0

117


Variation I e

hy

±

0

Dominai1% der ethischen Z ensur ( e), die aber ambivalent ist. Ethischer Zwie­ spalt und Zweifel. Ethik und Moral sind im Benehmen und Verhalten voneinander isoliert. Die Person zeigt ihre ethischen Grübeleien ohne moralische Hemmungen hy).

Die ethische Zensur dominiert mit ihren beiden Tendenzen (± e) im Vorder­ grund. Das Streben nach Gerechtigkeit und Gewissenhaftigkeit nach Geduld und Gutmütigkeit, nach Hilfsbereitschaft und Gottesfurcht (+ e) s teht im ständigen Kampf und Widerspruch mit der simultanen Tendenz zu Ungerechtigkeit und Gewissenlosigkeit, Intoleranz und Bösartigkeit, mit der Strebung nach Schaden­ freude und Gotteslästerung (— e). Es entsteht ein ethischer Zwiespalt und Zweifel, ein ethisches Grübeln, ein mühsam-monotones Mühlespiel zwischen dem Guten und dem Bösen, ohne daß eines den Sieg über den Gegenpart zu erringen vermöchte. Die Situation wird noch durch das Versagen oder die Schwäche der moralischen Zensur (0 hj) weiter erschwert, so daß die Person sich in ihrem ethischen Zweifel ohne Schamschranke vor der Umwelt präsentiert (0 hj). Im besonderen treffen wir dieses Affektbild bei Zwangsneurotikern oder bei Konversionshysterikern, die mit ethischem Zwang ihre erotischen oder andersartigen Affekte zurück­ halten.

P i

8

Variation II

e

h

0

±

Dominait% der moralischen Zensur (i hy), die aber ambivalent ist. Moralischer Zwiespalt und Zweifel ohne eine ethische Bremse (0 e). Klinisch: Lamentation, Jammern (Depression, Hysterie).

Dieses Bild müssen wir genau so deuten wie das vorausgegangene, nur sind der Zwiespalt und die Zweifelsucht aus dem ethischen (± e) in den moralischen Sitten­ raum (2h hy) verschoben. In der Person wird der Kampf zwischen dem Drang nach Sich-zur-Schau-Tragen und dem nach Sich-Verstecken zwangsartig ausgefochten (± hy), während die ethische Zensur (0 e) still steht. Ist der ethische Zwang (P A 0) eher von grob-männlicher Natur, so müssen wir bei dem mora­ lischen Zwang eher den zarteren weiblichen Zug hervorheben. Damit stimmt die klinische Erscheinung des Jammerns, des Lamentierens bei A 0 A überein. Wir fin­ den das Bild im besonderen bei Hysterikern und Depressiven. Aus der Komple­ menttheorie folgt, daß der ethische Zwang den moralischen, der moralische Zwang den ethischen in den Hintergrund gestellt hat. c) Diagonale Teilung, Spaltung Variationen

P

i 9

118

I

II

Im Vordergrund: P =

+

+

Im Hintergrund : P =

+

+

Variation I

« b + -

Der «lammfromme» Abel. Im Verhalten führen: Gewissenhaftigkeit, Tole­ ranz, Gutmütigkeit, Hilfebereitschaft, Religiosität (4- e); Schamhaftigkeit, Unterdrückung der Gcltungsdränge (—hy).


Dieses Affektbild ist bezeichnend für das ethisch-moralische Verhalten des «lamm­ frommen Abels». Es stellt einen Menschen dar, der einerseits in seinem ethischen Leben nach Gewissenhaftigkeit, Gerechtigkeit und Toleranz gegenüber den Mit­ menschen strebt, der gutmütig, hilfsbereit, oft auch religiös ist (-f- e), anderseits in seiner Moral auf die Schamschranken streng achtet; d.h. er stellt sich nie zur Schau, sondern unterdrückt seinen Geltungsdrang und verbirgt seine zarten Ge­ mütsbewegungen (— hj). Die Gesellschaft hält ihn für einen anständigen, guten Menschen. Gut sein heißt aber, daß man den Bösen, d. h. den «Bruder Kain» in den Hintergrund gestellt hat. Die Instanz, die das bewerkstelligt, ist das Ich. Variation II Der «reine Kain». Stauung von Wut, Haß, Zorn, Rache, Neid und Eifer­ sucht (—e)\ Drang, das Böse zu zeigen (+ by). Im Benehmen führen: Gewissenlosigkeit, Ungerechtigkeit, Intoleranz, Böswilligkeit, Atheismus.

Das Ich trägt unseres Erachtens auch die Verantwortung dafür, daß bestimmte Menschen den stets daseienden Bruder Abels, den «Kaitz», mit allen seinen groben Affekten auf der Bühne agieren lassen. Im Triebprofil ist die Reaktion P10 d as Bild des «reinen Kains», des sogenannten «bösen» Menschen. Rains Boshaftigkeit nährt sich aus zwei Strebungen. Erstens staut er die groben Affekte (Wut, Haß, Zorn, Rache, Neid und Eifersucht) in sich auf (— e). Zweitens will er diese groben Affekte bei der ersten besten Gelegenheit geltend machen (+ hy). Kain schämt sich somit nicht der böse Bruder zu sein. Neben der Erbanlage sind es im beson­ deren Erziehungsfehler im frühesten Kindesalter, die das Wahlschicksal des «Kain-Seins» im Leben des Einzelnen bestimmen. Unter rivalisierenden Geschwi­ stern, von denen das eine von einem Elternteil bevorzugt wird, entwickelt das­ jenige, welches in der Elternliebe zu kurz gekommen ist, des öfteren Kainsansprüche. Es hat den Drang, seinem Rivalen oder sogar dem ungerechten Eltern­ teil den Tod zu wünschen. Das tragische Schicksal der Kainiten beginnt somit schon in der Frühkindheit. Sie sind in der Nacht des öfteren trotzige Bettnässer, am Tag geraten sie leicht in Wut und stiften viel Unheil durch ihre Racheakte daheim und in der Schule. Durch die besondere interfaktorielle Beziehung zwi­ schen den Faktoren e un d p neigen diese Kainiten stets zur Generalisierung, d. h. zur Ausweitung des kainitischen « Eifersuchtsraumes », indem sie sich auch in ihren Berufserfolgen zu kurz gekommen fühlen; sie dehnen so allmählich den Kreis der Mitmenschen, gegen die sie Wut und Haß hegen, auf deren Erfolg sie neidisch und eifersüchtig sind, immer weiter aus. Im besonderen finden wir diese Kainiten unter den Fabrikanten, Kaufleuten, Wissenschaftlern, Literaten, Poli­ tikern, bei denen der erhoffte Erfolg oder die Anerkennung ausblieb. Nicht selten wird aus dem einstigen rachesüchtigen «Bettnässer-Kain» später ein wissen­ schaftlicher Kritiker oder Literaturkritiker, der dann «das trotzige Pissen in eitles Wissen» umwandelt und in unbarmherzig intoleranter Weise einen jeden Autor «bespritzt», dem es gelungen ist, literarisch oder wissenschaftlich mehr zu leisten wie ihm, der als ein armseliger «Tintenfaß-Kain» in einer Redaktion nur seiner Rache frönt. Man kann auf diese Kainiten nicht böse sein. Ihr Schicksal erweckt eher Mitleid denn Verachtung. Der W/a aw jwwr /mW/kAw Liebe \u Gott-Vater den Bruder erwürgt, ein Umstand, den man bei seiner Verurtei-

119


lung leicht vergißt. Diese Kainnaturen vermessen sich bei jeglichem politischen Abenteuer und werden die gewalttätigsten Verleumder und Denunzianten zur Zeit einer Revolution oder Diktatur. Nur ein geringer Teil aller Kainiten ver­ greift sich an seinem vermeintlichen Feind mit einer unwiderruflichen Affekttat (Totschlag in Wut und Haß, aus Eifersucht). Ein anderer Teil versteckt seine Hainansprüche hinter einer sozial erlaubten Pseudo-Kritikertätigkeit. Nur ein ge­ ringer Prozentsatz aller Kainiten schlägt den Weg zur Bekehrung ein. In einer Durchschnittsbevölkerung erreichen die Kainiten doch ein Fünftel aller Men­ schen. Ihre Häufigkeit ist allerdings immer noch etwas geringer als die der ver­ schiedenen Variationen der «Abeliten», die etwas mehr als ein Drittel der Durch­ schnittsbevölkerung ausmachen. Obzwar der reine Kain stets seinen milderen Bruder Abel im Hintergrund hält, gelingt es sogar den Tiefenpsychologen äußerst selten, die Drehbühne des Affektlebens vom Bösen zum Guten umzu­ drehen, vermutlich, weil ja die Umwelt unfähig ist, auch ihre Feinde, diese Kainiten, zu lieben und sie gerade durch ausharrende Liebe und Zärtlichkeit da­ von zu überzeugen, daß im Leben mit Liebe alles leichter geht als mit Böswillig­ keit1. 3. Tritenden^en im Vektor P I

Variationen

II

III

IV

Im Vordergrund: P =

±

±

+

±

±

+

Im Hintergrund: P

+

o

0

+

0

0

P

e

hy

11 ~ ±

Variation I a) Eine Kainnatur (P f-) versteckt sich (— hy). b) Ein moralischer Zweifler (± hy) unterdrückt den Kain (— e). c) Panik (P ) wird hystcriform zur Schau getragen (+ hy). d) Vorphase einer Gefahr von grobem Affektausbruch {P — 0). e) Simultan wirkt auch der phobische Hintergänger mit {P + 0).

Wie bei allen Triebtendenzen ergeben sich auch hier mehrere Deutungsmög­ lichkeiten. a ) Pn kann als ein Kain ( P f-) g edeutet werden, der seine grobe Affekt­ natur versteckt (— hy). b) Das Bild kann auch einen moralischen Zweifler (d; hy) in der Phase dar­ stellen, in der er seine groben Affekte unterdrückt (— e). c) Ferner kann P n die n i nere Panik ( P ) mit der simultanen Tendenz zum Sich-Geltendmachen und zu den hysteriformen Ausdrucksbewegungen (+ hy) darstellen. d) Da die hy auch die Vorphase von 0 hy bedeutet, müssen wir das Bild: P — ± auch als Vorphase des ihm nachfolgenden Affekthildes : P —• 0 deuten und demzufolge auch mit der Gefahr eines groben Affektausbruches rechnen. e) Endlich müssen wir auch daran denken, daß im Hintergrund ein Phobiker 1 SZONDI, L . : Kain. Gestalten des Bösen. Verlag Hans Huber, Bern, Stuttgart, Wien, 1969.

120


{P + 0) steht, der sich nur vorübergehend zurückgezogen hat und plötzlich wie­ der auf die Vorderbühne zu treten vermag. Im allgemeinen tut der Testdeuter gut, wenn er im Affektbild Pu einen sich versteckenden Kain sieht.

P

c

Variation II hy

12 ±

a) b) c) d) e)

Eine Abelnatur (P -\ ) unterdrückt den Kain (—e). Ein ethischer Zweifler (± e) versteckt sich (—by). Panik (P ) mit Gutmachenwollen der Schuld (+ e). Vorphase der sensitiven Beziehungsangst (P 0 —). Simultan wirkt auch der hjsterforme Geltungsdrang (P 0 +) mit.

Hier ergeben sich folgende Deutungsmöglichkeiten : a) Eine Abelnatur (P -| ) staut trotz der Milde (-|- e) auch grobe Affekte in sich auf (— e). b) Ein ethischer Zweifler e), der sich allmählich zwischen den Mühlsteinen des Gutes-tun-Wollens (+ e) und des Böse-Handelns (— e) zerreiben läßt, und seine ethischen Kämpfe versteckt (— hy). c) Auch Pl2 kann die Affektlage der inneren Panik (P ) ausdrücken, wo­ bei aber die Gutmachung der Schuld (-f- e) stets miterstrebt wird. d) Fassen wir in diesem Bild die Reaktion dz e als Vorläufer von 0 e auf, so kann man P12 auch als Vorphase der Affektlage P 0 —, d. h. als die einer sensiti­ ven Beziehungsangst deuten. e) Die hintergründige Dominanz des Geltungsdranges (P 0 -j-) kann dem A12-Bild d urch simultane Kontrastwirkung auch eine hysteriforme Färbung auf­ zwingen. Der Testdeuter wird im allgemeinen kaum irren, wenn er in P12 eine Abelnatur sieht, die aber dennoch ihre groben Affekte aufstaut und somit wegen des ethi­ schen Dilemmas an Beklemmungen leidet.

P

C

Variation III hy

13 + ±

a) Eine Abelnatur (P H ) stellt ihre Güte zur Schau (+ hy). b) Rettung aus dem moralischen Zwiespalt (± hy) durch Gutmachen der Schuld (+ f). c) Affektflut (P H—f-) mit der Tendenz sich zu verstecken (— hy). d) Vorphase der Phobie (P -J- 0). e) Simultan wirkt auch die hintergründige Aufstauung der Kainansprüche (P — 0) mit.

Wir führen die folgenden Deutungsmöglichkeiten an: a) Ein Mensch mit einer Abelnatur (P -] ) stellt seine Güte zur Schau (+ ky)b) Ein Mensch lebt in einem moralischen Zwiespalt (d: hy) und sucht seine Rettung durch Gutmachung seiner Schuld (-)- e). c) Jemand wird von einer Affektflut (P -|—[-) überschwemmt, versucht sie aber zu verbergen (— hy). d) Deutet man die Reaktion T hy a's Vorphase von 0 hy, so verwandelt sich P13 = + zb in Aj = -)- 0 und man irrt nicht, auch hier an eine Bereitschaft zur Phobie zu denken. e) Da in der Konstellation P13 der Hintergänger das Affektbild P — 0 trägt,

121


welches simultan oder sukzessiv seine Kontrastwirkung merken läßt, müssen wir auch an die latente Aufstauung und den gelegentlichen Durchbruch des Kains (P —• 0) denken.

A:

hy

Variation IV a) Eine Kainnatur (P f-) will tlic Schuld gutmachen (+ c). b) Bin ethischer Zweifler (j = e) stellt seine Zwiespältigkeit %/w Schau (-}- hy). c) Affektflut (P -j—h) mit Unterdrückung des Kains (—c). d) Vorphase der Dominanz des Geltungsdranges und der Zcigclust e) Simultan wirkt auch die sensitive Bczichungsangst (PO—) mit.

Hier sind folgende Deutungsmöglichkeiten wichtig: a) Eine Kainnatur (P (-) versucht ihre Schuld gutzumachen (+ e). b) Ein Zwangsmensch mit ethischem Zweifel (i e) stellt seine Zwiespältig­ keit zur Schau (-)- hy). c) Ein Mensch ist von groben und zarten Affekten überflutet (JP -|—[-) und lebt in der Spannung, die von der Unterdrückung des Kains (— e) verursacht wird. d ) Das Affektbild P l t kann auch als Vorphase des Vektorbildes P 2 = 0 -f- auf­ gefaßt werden und somit auf die Möglichkeit der Dominanz von Geltungsdrang Zeigelust und hysteriformem «Sich-zur-Schau-Tragen» hinweisen. e) Da der Hintergänger in dieser Affektlage das Affektbild P.f 0 — trägt, kann dieser durch seine simultane und sukzessive Kontrastwirkung auch sensitive Be­ ziehungsängste herbeirufen.

4.Quadritenden£ im Vektor P

P

c

hy

15 ±

±

a) Ganztrieb des paroxysmalen Vektors. b) Integration der Affektflut (P + +) und Immobilisierung der A jfcktbcwegungen (P ) zu einer Ganzheit. c) Integration der ethischen (± e) un d moralischen (di hy) Anibitcndcnzcn und Ambivalenzen. d) Integration der K ain- (P [-) W Abclanspriiche (P 4 ). e) Ein Tcstmcrkmal der Humanisierung der Affcktbcwcgungcn, aber nur mit S , — 0; Seh ± , ± +•

Das ist nun Die Gegenströmungen in den Wirkungen der zwei affektbewegenden Faktoren e und hy, wie auch die Polarität in den Affektbewegungen der vier Einzelfunktionen: -f- e, — e,-\- hy, — hy werden wechselseitig «wr a« W/ dkm MAgrÄrAw a) die Überschwemmung der Seele durch die Bewegungsstürme einer Affekt­ flut (P -]—)-) mit den Gegenaktionen der Immobilisierung (P ) zu dämmen; b) das ewige innere Gesetz der Ethik: Töte nicht! (± e) mit dem der zeit- und ortsgebundenen äußeren Moral (Jh hy) - z. B. zur Kriegszeit - in Einklang zu bringen; c) die groben Ansprüche Kains ( P 1-) du rch die zarten Strebungen Abels ( P -\ ) in Schach zu halten; d ) die vier gegensätzlichen Affektbewegungen: dem Nächsten gerecht und

122


auch ungerecht zu werden, sich zur Schau zu tragen und auch sich zu verstecken, in einem gemeinsamen Dynamismus zu vereinigen. In dem integrierten Affektbild verschmelzen aber die polar entgegengesetzt wirkenden Einzelfunktionen des Affektlebens nie zu einem unnatürlichen, willent­ lich «gemachten» Amalgam. Die vier Einzelstrebungen bleiben bei der komple­ mentären Integration, was sie von Natur aus sind. Sie ergänzen sich dennoch zu einer Ganzheit in der Weise, daß das Gleichgewicht im Affektleben durch die wechselseitige Steuerung unter allen Umständen gesichert wird. Wir erachten das integrierte Affektbild als Ausdruck einer Humanisierung der Affektbewegimgen, aber nur in dem Fall, wenn es nut einem total oder fast vollständig integrierten Ich {Seh ± ±» =h +) und simultan mit einem humanisierten Sexualbild (J , — 0) im selben Triebprofil einhergeht. Gesellt sich hingegen das Affektbild P dr rt zu einem unentwickelten Ich (z. B. Sch 0 •—, 0 +, + 0, ) und zu einem sinn­ lich-erotischen Sexualbild (J Od-!, + ! 0, + ! + ! usf.), so ist das Affektbild P ±± nicht ein Zeichen der Integrierung und Humanisierung der Affektbewe­ gungen, sondern das Testmerkmal eines sich krankhaft auswirkenden ethisch­ moralischen Dilemmas sowohl bei Neurotikern (Zwangsneurose, Stottern) wie bei Psychotikern (Zwangswahn, Verzweiflungswahn usf.). Ohne eine Berücksichtigung der korrelativen Beziehungen kann somit die individuelle Bedeutung des integrierten Affektbildes nie richtig gedeutet werden.

5. Nullitenden^ int Vektor P

P

c

by

ff «

»

a) Gleichzeitige völlige Entladung sowohl der groben (c) wie der zarten {by) Affekte. b) Affektebbe nach Affektflut (P -j- +)> oder nach unerträglichen ethischmoralischen Dilemmen {P ± =b). c) Labilität der Affektbewegungen, z. B. bei Hysterie, Melancholie, Manie usf.

Die simultane, völlige Entladung sowohl der groben wie auch der zarten Affektbewegungen - d. h. das Leerbild im paroxysmalen Vektorraum - bedeutet die vorübergehende Ebbe nach F lut, die Windstille nach Sturm im Gemütsleben. Das Bild kann auch auf die hinweisen, so bei Hysterikern und zirkulären Depressiven oder Manischen nach Affektaus­ brüchen, wie Brüllen, Heulen, Toben usw. Hat der Testleiter in der Zeitwahl des Testens Glück, so gelingt es ihm gelegentlich in derselben Serienuntersuchung sowohl die Phase der Affektflut (P -]—|-) oder des ethisch-moralischen Dilem­ mas (P V V) wie auch die Phase der nachfolgenden Entladung und Desintegra­ tion (P 0 0) sichtbar zu machen. Darum ist es ratsam, unruhige hysterische, depressive oder manische Kranke sowohl zur Zeit der höchsten Affektflut wie auch zur Zeit der darauffolgenden Ebbe zu testen. Klinisch bedeutet das Leerbild im Vektorraum P im allgemeinen die höchste Labilität der Affektbewegungen. *

Die Tabelle 6 gibt einen kurzen Überblick über das Wesen der 16 Vektorbilder des Paroxysmaltriebes.

123


Tabelle 6. Übersicht über das Wesen der 16 Vektorbilder des Paroxjsmaloder Überraschungstriebes Variationen

»•

Im Vordergrund| 1. Eine Strebung: Unitendenz

P1 + o

P2 0 +

Dominanz des Gewis­ sens. Die Gutma­ chung einer Schuld (+ e) äußert sich in hysteriformer Furcht (0 hy), Phobie (Furcht vor Tieren, Höhe, Tiefe,Platzangst usf.) Mit Überdruck: Krankhafte Gewis­ sensangst.

Dominanz, des Geltungsdranges, des Sichzur-Schau-Stellcns (+ hy) oh ne die ethische Bremse (0,). Mit Überdruck: Hysteriforme Bewe­ gungsstürme, Kon­ versionen; auch sexueller Exhibitio­ nismus.

P, + + 2. Zwei Strebungen: Bitendenz a) Horizontale Teilung ( Legierung)

Hysteriforme Affektflut. Anlage zu Bewegungsstürme. Überschwem­ mung von Gewissensangst, die zur Schau getragen wird. Hysteriforme Konversionen. Zirkuläre Affektflut. (Depression, Manie).

P7 ± o b) Vertikale %wangsartige Teilung

Dominanz der ethischen Zensur (j% e), d ie aber ambivalent ist. Ethischer Zwiespalt und Zwei­ fel. Ethik und Moral sind im Benehmen und Verhalten voneinander isoliert. Die Person zeigt ihre ethischen Grübeleien ohne mora­ lische Hemmungen (0 hy).

P, + e) Diagonale Teilung Spaltung

124

Der «lammfromme Abeh~>. Im Verhalten führen: Gewissenhaftigkeit, Toleranz, Gutmütigkeit, Hilfsbereitschaft, Religiosität (4- f); Schamhaftigkeit, Unter­ drückung des Geltungsdranges (— hy).

p,-.

p,.-

Aufstauung von Wut, Haßy Zorn, Rache, Neid und Eifersucht, also der Kainansprüche (— e)t ohne die moralische Bremse (0 hy). Mit Uberdruck: Die Gefahr eines kommenden Anfalls. Seltener: latente Epi­ lepsie oder deren Äquivalente.

Verstecken der er< tischen oder ander artigen Affekte. Se sitive Beziehungsangi, Die ethische Brem ist schwach (0 e). Mit Überdruck: Irreale sexuelle Phantasiewelt; Pseudologia phantastica.

p.— Innere Panik, Beklemmungen, hervorgeruh durch überstarke existentielle oder erotiscl Reize. Immobilisierung: sensomotorische Au fallerscheinungen bis zum Sich-tot-Stelle

Pg 0± Dominanz der moralischen Z ensur (± hy), aber ambivalent ist. Moralischer Zwiespalt ut Zweifel ohne eine ethische Bremse (0 i Klinisch: Lamentation, Jammern (Depre sion, Hysterie).

P10" + Der «reine Kain». Stauung von Wut, Haß, Zorn, Rache, Ne und Eifersucht (— e)\ Drang, das Böse : zeigen (4- hy). Im Benehmen führen: Gew senlosigkeit, Ungerechtigkeit, Intolerar Böswilligkeit, Atheismus.


Abb. 11. Variationen des Affektbildes, des Vektors P

r*

-

o

Der aufgestaute Kalo. Anfallsartig auf­ tretende Angst mit Aggression:

eh)

p> Panik,

a Totstell-

e hy

P\2 i

PX

+o

Pt » Sensitive Beziehungsangst

Abelnatur. Ethischer Zweifler. Panik. Hysteriefonne Beklemmung:

Angst vor bewußten Elementen. Phobie. Gewissen:

eh)

e hy

eh)

Py3+ ± Ein Abel, der sich zur Schau trägt:

± + Ein Kain, der sich bekehrt :

Pu 0 0

P, ± O

Pu - ±

Windstille im Gefühlsleben. Ebbe nach Affektflut:

Ambivalente ethische Zensur:

Grobe Affekte eines schamhaft gehemmten Kains:

éhi

éhy

hj

pii

pso ±

f;+ +

/>. o +

Ambivalente Moral. Beklemmung mit Jammern :

Affektflut. Bewegungssturm :

« Sich zur Schau tragen n:

p e fo

r» ± ± Ethische Dilemmen. Abels Kampf mit

p é'hy

P

eh)

ehy

^10

1"

Der reine Kain:

F é h;

P» + Der reine Abel:

p éhj


Tabelle 6. Übersicht über das Wesen der 16 Vektorbilder des Paroxysmaloder Überraschungstriebes (Fortsetzung) Variationen

*•

a) Eine Kainnatur, versteckt (p — sich (— hy). b) Ein moralischer Zweifler (± hy), un­ terdrückt den Kain (-«)• c) Panik (P — —) wird hysteriform zur Schau getragen (+4y). Vorphase einer Gefahr von grobem Affektausbruch (P — 0). e) Simultan wirkt auch der phobische Hintergänger mit (P + 0).

a) Eine Abelnatur (P -+- —), unter­ drückt den Kain (-«). b) Ein ethischer Zweifler (± e), ver­ steckt sich (— hy). c) Panik (P ) mit Gutmachenwollen der Schuld (+ e). d) Vorphase der sen­ sitiven Beziehungs­ angst (PO —). e) Simultan wirkt auch der hysteriforme Geltungsdrang (P 0 +) mit.

d)

a) Eine Abelnatur, (P H ) stellt ihre Güte zur Schau

(+ by)-

b) Rettung aus dem moralischen Zwie­ spalt (± by) durch Gutmachen der Schuld (+ e). c) Affektflut (P + +) mit der Tendenz, sich zu verstecken (-&). Vorphase der Phobie (P + 0). e) Simultan wirkt auch die hintergrün­ dige Aufstauung der Kainansprüche (P — 0) mit.

d)

+

Pl2±-

H-

ei Strebungen: itendenz

p„ + ±

Pii-±

m Vordergrund|

a) Eine Kainnatur (P — +) will die Schuld gutmachen (+ «)• b) Ein ethischer Zweifler (± e), stellt seine Zwiespältigkeit eptr Schau (+ hy). c) Affektflut (P+ +) mit Unterdrückung des Kains (— Vorphase der Do­ minanz des Gel­ tungsdranges und der Zeigelust (P0+). e) Simultan wirkt auch die sensitive Beziehungsangst (P 0 —) mit.

e).

d)

P ,S ± ± ier Strebungen: ladritenden^

a) Ganztrieb des paroxysmalen Vektors. b) Integration der Affektflut (P + +) und Immobilisierung der Affektbewegungen (P ) zu einer Ganzheit. c) Integration der ethischen (± e) und moralischen (± hy) A mbitendenzen und Ambi­ valenzen. d) Integration der Kain~ (P [-) und Abelansprikhe (P H ). e) Ein Testmerkmal der Humanisierung der Affektbewegungen, aber nur mit S , — 0; Seh ± ± +•

p„ eine Strebung: Tullitenden^

0 0

a) Völlige, gleichzeitige Entladung sowohl der groben (e) wie der zarten (hy) Affekte. b) Affektebbe nach Affektflut (P + +), oder nach unerträglichen ethisch-moralischen Dilemmen (P ± i)c) Labilität der Affektbewegungen, z. B. bei Hysterie, Melancholie, Manie usf.

125


Abschnitt V

DAS HABEN UND DAS SEIN

Der Ich-Trieb. Der Vektor Sch. Die Triebgrundlage des Ich-Lebens Im Wortschatz der psychoanalytischen Trieblehre ist ohne Zweifel das Wort «Ich-Trieb» am meisten mit Paradoxic beladen. Das Sonderbare, ja das scheinbar Widersinnige in diesem zusammengesetzten Wort fällt deshalb so in die Augen, weil ja S . FREUD die Konflikte, welche zu den Neurosen führen, an erster Stelle eben auf den Kampf zwischen dem Ich und den Trieben zurückgeführt hat. Ich und Trieb sind vom Anbeginn der analytischen Neurosenlehre die «offiziellen» Gegenspieler in der Seele und somit auch in allen Neurosen. Und dennoch erscheint im Vokabelschatz FREUDS dieses Wort, in dem die Urgegenspieler nicht gegen-, sondern nebeneinander gesetzt wurden, als ob es zwischen dem Ich und den Trieben keinen Widerspruch gebe. Diese sonderbare Paradoxic kann aber durch die geschichtliche Entwicklung der Trieblehre FREUDS völlig verstanden und sinngemäß aufgelöst werden1. Die Trieblehre FREUDS erschien bekanntlich in zwei Fassungen. Von der zweiten Lehre, welche Lebenstriebe und Todestriebe unterscheidet, war bereits die Rede; sie hat zu den Ich-Trieben insofern eine Beziehung, als FREUD - wie es erörtert wurde - die Todestriebe mit den Ich-Trieben gleichsetzte2. Die erste Fassung seiner Trieblehre war aber bekanntlich auf die zwei Grund­ triebe: «Sexual- und Ich-Triebe» aufgebaut und der Unterschied in die Qualität der Triebenergien gesetzt. Die Sexualtriebe nähren sich aus der besonderen Ener­ gie der Libido; die Ich-Triebe hingegen werden von Energien anderer Art, von nicht-libidinösen Triebquellen gespeist. Zu jener Zeit benannte FREUD erstens den Selbsterhaltungstrieb und zweitens den Drang zur Vergrößerung der Person, d. h. das Machtstreben als die speziellen «Ich-Triebe». Als FREUD 1914 durch die Einführung des Begriffes des Narzißmus die Sexual­ triebe erstens in «Ich-Libido» = Narzißmus und zweitens <s.Objektlibidoy> ze rlegte, wurde von ihm als der zweite Grundtrieb immer noch der «Ich-Trieb» dem Sexual­ trieb entgegengesetzt und unter Ich-Trieb verstand er weiterhin den Selbst­ erhaltungstrieb und das Machtstreben. Diesem Leitgedanken - daß nämlich auch das Ich triebhaften Ursprungs sei - blieb FREUD bis zu seinem Tode treu. Und noch mehr: in seinen letzten Werken hat er sich sogar zu einer hereditären Genese sowohl der allgemeinen Ich-Entwicklung wie auch der individuellen Mannigfaltigkeit der Ich-Existenzen bekannt. Hier können wir FREUDS Weg zur Ich-Lehre nur in großen Zügen auf Grund seiner Werke nachzeichnen3. I. In der Arbeit «Psychoanalyse» und «Libidotheorie» schreibt FREUD 1923, daß die Anwendung der Libidotheorie auf das verdrängende Ich einen der wichtigsten Fortschritte der Psychoanalyse darstellt. «Man kam dazu, sich das Ich selbst als ein Reservoir von narzißtisch genannter - Libido vorzustellen, aus welchem die Libidohesetzungen 1 Vgl. hiezu die ausführlichen Erörterungen in der «Triebpathologie». S. 64-74, und «Ich-Analyse», S. 130-137. 2 FREUD, S.: Jenseits des Lustprinzips. Ges. Sehr. Bd. VI. S. 245. 5 Ausführlich wurde diese Frage in der «Ich-Analyse» S. 129-143 erörtert.

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der Objekte erfließen und in welches diese wieder eingezogen werden können. Mit Hilfe dieser Vorstellung wurde es möglich, an die Analyse des Ichs heranzu­ treten und die klinische Scheidung der Psychoneurosen in Übertragungsneurosen und narzißtische Affektionen vorzunehmen1.» Ansehnliche Beiträge des Destruk­ tionstriebes w erden nach FREUD mit der Einsetzung des «Ùber-Ichs» im Inneren des Ichs fixiert und wirken dort selbstzerstörend. «Es ist eine der hygienischen Ge­ fahren, die der Mensch auf seinem Weg zur Kulturentwicklung auf sich nimmt2.» Die Ich-A.naljse der Psa beginnt also mit der Einbeziehung des Ichs in den Bereich der Libido und somit in das Gebiet des Triebhaften und setzt sich mit der Einbeziehung der Destruktionstriebe in das Über-Ich fort. 2. In dem Werke «Das Ich und das Es» definierte FREUD das Ich als einen Teil des Es, des Ubw, der durch den direkten Einfluß der Außenwelt unter Vermitt­ lung des Wahrnehmungsbewußtseins verändert wurde. Nach dieser Bestimmung ist also das Ich eine Fortsetzung der Oberflächendifferenzierung des Es, d. h. des Triebhaften. Natürlich ist nicht das ganze Ich triebhaft-unbewußt. Das Ich «be­ müht sich auch, den Einfluß der Außenwelt auf das Es und seine Absichten zur Geltung zu bringen, ist bestrebt, das Realitätsprinzip an die Stelle des Lustprin­ zips zu setzen, welches im Es uneingeschränkt regiert. Die Wahrnehmung spielt für das Ich die Rolle, welches im Es dem Trieb zufällt...». «Das Ich ist vor allem ein körperliches, es ist nicht nur ein Oberflächenwesen, sondern selbst die Pro­ jektion einer Oberfläche3.» Das Ich entsteht somit nach FREUD aus dem Es, d. h. dem Unbewußten, dem alles Triebhafte zufdllt. Noch prägnanter drückt er diese Meinung in dem folgenden Satz aus: «Auch ein Teil des Ichs, ein Gott weiß wie wichtiger Teil des Ichs, kann un­ bewußt sein, ist sicherlich unbewußt4.» Das Triebhafte im Ich erscheint auch in den Einrichtungen des Ichs zum Reiz­ schutz. 3. In den Arbeiten aus den Jahren 1937 bis 1938 beschäftigte sich FREUD mit der Frage der Heredität des Ichs. Zum ersten Male entwickelte FREUD in diesen letzten Werken die Auffassung, daß bestimmte Züge der Abwehrmechanismen des Ichs erbbedingt sind, ferner, daß der Weg der Ich-Entwicklung - noch ehe das Ich sich entwickelt hätte - hereditär festgelegt sei. Er schreibt: «Aber wir wollen nicht übersehen, daß Es und Ich ursprünglich eins sind, und es bedeutet noch keine mystische Überschätzung der Erblichkeit, wenn wir für glaubwürdig halten, daß dem noch nicht existierenden Ich bereits festgelegt ist, welche Entwicklungsrichtungen, Tendenzen und Reak­ tionen es später zum Vorschein bringen wird5.» Hier spricht somit FREUD nicht nur von dem hereditären Ursprung der IchEntwicklung und der Abwehrmechanismen des Ichs, sondern von einem Eins­ sein von Ich und E s im Ursprung. Dieser neue Gedanke kommt in dem unvollendeten Werk «Abriß der Psychoanalyse»6 (1938) in einer Prägung zum Vorschein, die nach seinem Tode - die H.ARTMANNSche Schule (H. HARTMANN, E. KRIS, 1 FREUD, S.: 2 FREUD, S.: - FREUD, S.:

Ges. Sehr. Bd. XI. S. 214. Ges. Werke Bd. XVII. S. 72. (Imago Publishing Co. Ltd. London.) Ges. Sehr. Bd. VI. 5. 368—369. (Das Ich und das Es.) 1 Ebenda: S. 360. 5 FREUD, S.: Die endliche und unendliche Analyse. 1937. Bd. XVI. S. 86. « FREUD, S.: Ges. Werke. Bd. XVII. S. 63-138 (London).

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LOEWENSTEIN, G. SCHEUNERT usf.) zu einer Neuorientierung in der Ich-Psycholo­ gie angeregt hat. In dem 2. Kapitel dieses unvollendeten Abrisses schreibt näm­ lich FREUD: «Einen Anfangszustand stellen wir uns in der Art vor, daß die ge­ samte verfügbare Energie des Eros, die wir von nun ab Libido heißen werden, im noch undifferenzierten Ich-Es (sie!) vorhanden is t und dazu dient, die gleichzeitig vorhandenen Destruktionsneigungen zu neutralisieren^.» Diese letzte Meinung FREUDS über eine gemeinsame «Ich-Es-Matrix» (G. SCHEUNERT)2 regte später H. HARTMANN an, einerseits eine «undifferenzierte Phase» in die seelische Entwicklung einzuführen3, anderseits in der Sublimierung nicht nur wie FREUD eine Desexualisierung, sondern eine «Neutralisierung» der Triebkräfte zu erblicken4. *

Dies sollte nun vorderhand genügen, um die Paradoxic in Wort und Begriff des «Ich-Triebes» zu verstehen und aufzulösen. Für die «experimentelle Ich-Analyse» war diese Auseinandersetzung aus meh­ reren Gründen notwendig und fruchtbar. Erstens hat die Ich-Lehre der Scha das Ich - ähnlich wie FREUD in der ersten Fassung seiner Ich-Lehre - auf zwei polar entgegengesetzte Ich-Triebfaktoren aufgebaut, deren Wirkungsraum allerdings bedeutend größer ist als in der Lehre von FREUD; doch fallen die ursprünglich pREuoschen «Ich-Triebe», nämlich der Selbsterhaltungstrieb und das Streben nach Vergrößerung der Person, - neben vielen anderen Ich-Funktionen - ebenfalls in die zwei Räume der Ich-Triebfak­ toren der experimentellen Ich-Analyse. Der eine Ich-Triebfaktor - den wir mit «k» bezeichnen - ist der Faktor der r&r EgaryVoA. Er imbrf 80 Lo/WorWAwg akr Arnw dwroÄ an die Realität, im besonderen aber durch den ichhaften Drang nach Haben (Kapitali­ sierung) . Der zweite, mit «p» bezeichnete Ich-Triebfaktor ist der Faktor der IchErweiterung, der Egodiastole, und nährt sich von dem ichhaften Drang nach «Alles-Sein». Beide Ich-Triebfaktoren funktionieren als Ich im Es noch unbewußt. Das Einssein von Ich und Es im Mutterboden (Matrix) des Unbewußten wurde also auch die Grund­ hypothese der Scha. Zweitens haben wir das Gemeinsame im Ursprung von Ich und Es in der «Gentheorie der Triebe» eben auf die Erbbedingtheit des Ichs im Es zurückgeführt. Die Schicksalsanalyse beginnt ja 1937 - in Abhängigkeit von FREUD - mit der Gen­ theorie sowohl der Triebe wie auch des Ichs, und zjvar durch die Annahme eines «familiären Unbewußten», das als «Trieb-Ich-Matrix» funktioniert und sowohl alle Trieb- wie auch

von

1 FREUD, S. : Abriß der Psychoanalyse. Ges. Werke. Bd. XVII. Imago Puhl. London, 1941. S. 72. 2 SCHEUNERT, G.: Neuere psychoanalytische Ich-Psychologie. Entfaltung der Psychoanalyse. Hgb. A. MITSCHERLICH, Klett, Stuttgart. S. 34. 3 HARTMANN, H.: Ich-Psychologie und Anpassungsproblem. Int. Ztschr. Psa. XXIV, 1939. 4 HARTMANN, H.: Bemerkungen zur Theorie der Sublimierung. Entfaltung der Psychoanalyse.

Klett, Stuttgart. 5. 51. 3 SZONDI, L. : Analysis of Marriages. Acta Psychologica. Vol. III. Nr. i, 1937. The Hague, Martinus Nijhoff.

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Die Scha mit der Gentheorie wird heute noch falscherweise als eine Lehre gegen die Psa aufgefaßt. Dies war sie aber niemals. Es steht nur die Tatsache fest, daß die Scha von Anbeginn an die H eredität der «Trieb-Ich-Matrix» lebhafter betont hat als die Psa, eben dadurch, daß die Scha für diesen gemeinsamen Mutterboden von Trieb und Ich das «familiäre Unbewußtem - als ihr besonderes Neuland - erschloß. Die Trennung der unbewußt funktionierenden Erbkräfte im familiären Ubw von den erst später einsetzenden freien Wahlhandlungen i m Trieb- und Ich-Leben des Einzelnen wurde 1956 in der «Ich-Analyse» systematisch durchgeführt. Drittens müssen wir hier betonen, daß wir 1947 durch die experimentelle IchAnalyse - unabhängig von H. HARTMANN - zu der Annahme des >s.autonot?ien Ichs » gelangten1 und dessen Beziehungen zu den Sexual-, Paroxysmal- und Kontakt­ trieben experimentell feststellten. Viertens unterstützten wir die Annahme eines autonomen Ichs auch dadurch, daß wir für die Ich-Triebfaktoren besondere Energiequellen erschlossen und die Anwendung der Libidotheorie im Raum des Ichs (FREUD, FEDERN, NUNBERG usw.)

aa/gfW. Faktor 6 ist der «0/&-0/M8ggr»; seine Funktion, che jEgorynü/g, hat die Aufgabe, der Wirkung des Gegenfaktors p, der Ich-Erweiterung, der Egodiastole, entgegenzutreten. Dem Faktor k verdanken wir, daß das Ich - durch das Gegenbedürfnis der Egodiastole p - nicht ins Unendliche sich ausdehnt, son­ dern durch die Einengung (^-Funktion) sich der Realität anpaßt. Der Faktor k als Ich-Einenger entspricht in mancher Beziehung also dem pREUDSchen «Selbsterhaltungstrieb». Die Triebkraft, die den egosystolischen Triebfaktor speist, ist aber unseres Erachtens nicht die Libido, sondern die erbf 9 / .A 9 & rD r a a g Der Faktor p entspricht - wie bereits gesagt wurde - dem pREUDschen Streben nach Vergrößerung der Person. Seine Urfunktion, die Egodiastole, wird von der spe­ ziellen genischen Triebkraft «py> gespeist, die im Menschen den Drang %um Sein und %ur Erweiterung dieses Seinsraums bis s(tmi Aliessein steigert. Wir wollen sie «Potestas» nennen2. In den Ich-Faktoren k und p kehrt somit dem Sinne nach der «Ich-Trieb» FREUDS in seiner ersten Fassung wieder. Wir werden aber sehen: nur dem Sinne nach. Denn im Triebvektor des Ichs (Sch) geht der Wirkungsraum des Faktors k weit über die Grenzen des Selbsterhaltungstriebes und der Funktionsraum des Faktors p ebenfalls weit über die Grenzen der Vergrößerung der Person hinaus, sowohl im Rahmen der Ich-Psychologie wie auch in dem der Ich-Pathologie. Erst die genauen Erörterungen über die Funktionen der zwei Ich-Triebfaktoren k und p, ferner die über die vier Elementarfunktionen des Ichs: 1. Projektion, 2. Infla­ tion, 3. Introjektion, 4. Negation, im besonderen aber die Integrationsfunktionen des Ichs als Überbrücker aller Gegensätzlichkeiten, als Pontifex oppositorum, kann uns die Einsicht in die Notwendigkeit der Annahme der Autonomie des Ichs liefern. Der geschichtlichen Wahrheit halber soll hier noch erwähnt werden, daß wir bei der Aufstellung der zwei Ich-Funktionen der Egosystole (k) und Egodiastole 1 Sz oNDi, L. : Experimentelle Triebdiagnostik. I.Auflage, 1947. Huber, Bern. S. 127-207 und im besonderen Kapitel XXIII, Triebschicksal und Ich-Schicksal. S. 184—200. 2 Auch H. HARTMANN spricht von einer «primären Ich-Energie», ohne sie näher zu bestimmen. (Bemerkungen zur Theorie der Sublimation in: Entfaltung der Psychoanalyse. Klett, Stuttgart. S. 61, Fußnote.) 9

Szondi, Tricbdiagnostik

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(p) ausschließlich von dem psychiatrisch-klinischen Erbkreis der Schizophrenie ausge­ gangen sind, und zwar von deren zwei Formen : der Katatonie (k) und der Paranoia (p). Daher erhielten der Ich-Vektor sein Zeichen «Sch» und die zwei Ich-Faktoren die Bezeichnungen «k» und «p». Erst später suchten wir durch die experimen­ tellen Ich-Analysen von verschiedenen Charaktertypen die der zwei Krankheits­ formen der Schizophrenie entsprechenden physiologischen Bedeutungen für die Egosystole und Egodiastole zu finden. Daß wir - trotz der Verschiedenheit der Wege - die erste, die energe tische Fassung der FREUDschen Ich-Lehre dennoch als richtig erachten können, ist für die experimentelle Ich-Analyse eine Bestätigung. *

Nun können wir die psychologische und experimentelle Analyse der Ich-Trieb­ faktoren k und p ausführlich darstellen.

Kapitel X

WESEN UND PSYCHOLOGIE DES FAKTORS k, DER EGOSYSTOLE: INTROJEKTION UND NEGATION

Das Wesen des egosystolischen Faktors k ist die bejahende, bzw. verneinende Stellungnahme. Seine Funktion wird am besten erkennbar in den zwei entgegen­ gesetzten Ich-Funktionen: in der Einverleibung = Introjektion (+ Ii) und in der Verneinung = Negation (— ,&). Introjektion: ist das urtümliche und unbewußte Elementarstreben des Ichs nach Inbesitznahme, Einverleiben und Kapitalisierung der Wertobjekte, Wert­ vorstellungen und aller Wertinhalte der äußeren und inneren Welt. Das unbe­ wußte Endziel jeglicher Introjektion ist: die Kapitalisierung, d. h. das urmensch­ liche Jasagen zum Drang des Alles-Habens h In krankhafter Form erscheint dieses Streben nach Alles-Haben bei dem magischen Habwahn oder Allwissen gewisser autistischer Schizophrener2. Das Streben des Ichs nach irdischer Habe und materiellen Gütern, nach Eigen­ tum, nach fachlichem Wissen und technischem Können, nach materieller Eigen­ liebe, das Streben nach Einbeziehen und Einverleiben äußerer Interessen (FERENCZI)3, die Angleichung des Objektes an das Subjekt (C. G. JUNG)4, der Drang, die verlorenen Liebesobjekte psychisch - wie ein Kannibal - dem Ich ein­ zuverleiben (S. FREUD)5, die Urtendenz des Menschen, die mißlungenen Seins­ ideale in materielle Habideale umzuwandeln und - last but not least - das Streben 1 Vgl. hiezu: Ich-Analysc, S. 193-217. 2 Ich-Analyse, Fälle 55, 56, 57, 58. S. 441-442. 3 FERENCZI, S.: Introjektion und Übertragung. Jahrb. f. psy. u. ps.-path. Forsch. Bd. 1,1909. S. 422. 1 JUNG, C. G. : Psychologische Typen. Rascher, Zürich, 1930. S. 640. * FREUD spricht von psychischem Kannibalismus bei der Introjektion.

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des Ichs, seine Selbsterhaltung und materielle Eigenliebe durch Kapitalanlegen zu sichern - all diese mächtigen und urmenschlichen Strebungen bewirkt die positive Tendenz + k durch Introjektion. Nichts gibt es im Aufbau der Wahrnehmungswelt, an äußeren und inneren Welt­ bildungen überhaupt, an Aufrichten von Besitz^ und Habidealen im Ich, an Anlegen von Kapital, an Egoismus, Egozentrismus, an materiellem Narzißmus und Autismus, an Identifizierung im Haben mit den Mitmenschen und mit den Habobjekten selbst, an Aufbau der Berufs- und Amtspersönlichkeit, der «Persona» (C. G. JUNG), und Charakterbildung und nicht zuletzt an seelischen Reaktions- und Symptombildungen (S. FREUD) im kranken Ich - ohne die Elementarfunktion der Introjektion, der Tendenz + k. Die Introjektion ist die Brücke des Ichs zur Wahrnehmung der äußeren und inneren Welt. Bricht sie zusammen, so entsteht das Grauen der Entfremdung von der Welt und von sich selber. Die negative Funktion des Ich-Triebfaktors k erscheint als die Verneinung, die Negation (— k). Sie bedeutet im allgemeinen das «Neinsagen». Negation: ist das teils unbewußte, teils bewußte Elementarstreben des Ichs nach Vermeiden, Verneinen, Hem?}ien, Entfremden und Verdrängen bestimmter Trieb­ ansprüche, Vorstellungen und Ideale, welche die Selbsterhaltung der Person bedrohen. D ie extremste Form der Negation heißt: Negativismus und ichhafte Destruktion1. Das Streben des Ichs, verpönte Triebregungen der Es-Welt zu vermeiden, zu verneinen und sich durch die erzwungene Negierung an die Anforderung der Umwelt, der Moral, des Über-Ichs anzupassen, der Drang im Menschen, seine Be­ sessenheit von Liebe und Seinsidealen, von Großsein und Allessein zu hemmen, die natürliche Tendenz des Mannes, seine Weiblichkeit, und die der Frau, ihre Männlichkeit zu verdrängen, die Tendenz aller Menschen, die grauliche Verlassen­ heit zu verneinen oder zu entfremden, der Zwang, jegliches Gefühl von Inzestliebe und Inzesthaß zu verdrängen und sich allen gesellschaftlichen Tabus enttäuscht anzupassen, dieses sozialisierende und gemeinschaftssichernde reale Streben des Ichs wird von der negativ wirkenden egosystolischen Funktion — k bestimmt. Nichts gibt es an Anpassung, Hem??iung, Entfremdung, Verdrängung bei dem gesunden und dem neurotischen Menschen und nichts gibt es an Negativismus, Verzweiflung, Destruktion und Selbstdestruktion bei den Geisteskranken ohne die Negationsfunktion des Faktors k. Die Funktion der Introjektion bedeutet somit für den Schicksalsanalytiker das nämliche wie für den Psychoanalytiker. Hingegen weicht seine Auffassung von der Verneinung von der der Psa entschieden ab. Für FREUD war Verneinen eine intellektuelle, bewußte Urteilsfunktion. «Etwas im Urteil verneinen, heißt im Grunde: das ist etwas, was ich am liebsten verdrängen möchte. Die Verurteilung ist der intellektuelle Ersatz der Verdrängung...2» Nach der Psa ist somit «Verneinung» eine Freilassung verdrängter Inhalte zum Bewußtsein, die aber nachträglich durch intellektuelle Urteilsfunktion dennoch verneint werden3. Durch Anwendung der Libidotheorie auf das Ich behauptet FREUD, daß die Bejahung, d.h. die Introjektion als Ersatz der Vereinigung mit 1 Ich-Analyse, S. 217-246. 2 FREUD, S.: Die Vereinigung. Ges. Sehr. Bd. XI. S. 4, oder Ges. Werke XIV, S. 15. * Näheres siehe: Ich-Analyse, S. 219.

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dem Liebesobjekt, dem Erostrieb, hingegen die Verneinung - als Nachfolge der Ausstoßung - dem Destruktionstrieb angehöre1. Es wurde im Rahmen des Sexualtriebes bereits erörtert, daß die Trieblehre der Scha dieser Behauptung FREUDS einen anderen Sinn und Zusammenhang gegeben hat. Mit dem Sexualfaktor des Eros (h) steht der Ich-Triebfaktor «/>», also dieEgodiastole, mit dem Destruktionsfaktor (s) hingegen die negativistische /^-Funktion (— ! k) in einer Trieb •*—»- Ich-Verbindung. Bestimmte Funktionen der Introjektion (-f- k) weisen - in Übereinstimmung mit FREUD - ebenfalls mit dem Sadis­ mus (r), Oralsadismus {tu, s) einen innigen Zusammenhang auf. Eine vollständige Gleichsetzung dieser Vorgänge auf Grund der Libidotheorie ist unseres Erachtens unmöglich. Hingegen halten wir eine korrelative Beziehung zwischen den Fak­ toren h •* *- p und s •<—»• k für empirisch gegeben. In unserer Ich-Lehre ist die Verneinung kein intellektueller, bewußter Vor­ gang, mit dem die Person die Verdrängung rückgängig zu machen versucht. Ver­ neinung ist unseres Erachtens eine der d as Ich aufbauenden vier E lementarfunktionen, die sich in mannigfaltigen Formen manifestieren kann. Die Erscheinungsformen der Negation sind : Anpassung, Hemmung, Verdrängung, Entfremdung, Negativismus und mit Überdruck: Alio- oder Autodestruktlon. In der Ich-Lehre der Scha ist somit die Verneinung eine Radikalfunktion des unbewußten Ich-Triebbedürfnisses, der Egosystole. Das Streben nach Neinsagen ist somit das allgemeinmenschlichste und dennoch die verhängnisvollste Stellungnahme des Ichs. Die Form und im besonderen das Maß des Neinsagens bestimmen des öfteren das Schicksal des Ein­ zelnen und das der Gemeinschaft. *

Wir haben bisher die zwei Gegenstrebungen im egosystolischen Raum des Faktors k nur kurz angedeutet, um das psychologische Wesen dieses icheinengen-, den F aktors k dem Leser vorzustellen. Unsere nächste Aufgabe ist nun, zu zeigen, wie sich aus diesen zwei Ich-Funktionen - aus der Introjektion und der Negation das unbewußte Ich-Bedürfnis der Egosystole, des Radikals des H abens mit allen seinen Schicksalsmöglichkeiten aufbaut. ab Egosystole ist das humane Bedürfnis, den sich grenzenlos ausdehnenden Ich-Raum %u Fehlte im Ich völlig das Radikal «k», also die Egosystole, so würde sich der Ich-Raum bei einem Menschen so grenzenlos ausdehnen, wie es eben bei den krankhaften projektiven und inflativen Paranoiden in der Tat geschieht. Das Radi­ kal k mit seiner einengenden Funktion sorgt dafür, daß das menschliche Ich und somit das Schicksal der Menschheit selbst sich nicht andauernd in der Richtung zum Paranoiden grenzenlos verliert. Die Egosystole ist diejenige ergänzende (komplementäre) Gegenfunktion des Ichs gegen­ über der Egodiastole, welche eben durch Einengung die Einheit und sonnt die Gesundheit des Ichs sichert. 1 FREUD,

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S.: Die Verneinung. Ges. Werke, Bd. XIV. S. 15.


Diese Sicherung vollführt die Egosystole durch die radikale Stellungnahme gegen alle Strebungen, welche den Ich-Raum durch Partizipation, sekundäre Projektion oder Inflation, kurz durch Egodiastole grenzenlos zu erweitern suchen. Egosjstole ist also die einengende Stellungnahme gegen die Ich-Erweiterung. Darum nennen wir diesen Ich-Teil: das stellungnebmende Ich. Das stellungnehmende Ich wurde in den älteren Bewußtseins- und Denk­ psychologien einfach der «Wille» genannt, ein Ausdruck, den wir in der IchAnalyse wegen seiner mannigfachen philosophischen Begriffsbelastung mög­ lichst vermeiden. Wir haben die zwei führenden Arten der Stellungnahme: die Introjektion als Bejahung (Position) und die Negation als Verneinung (Negation) bereits erörtert. Als eine dritte Art der Stellungnahme fungiert die synchrone Bifunktion: die Intronegation, d. h. die gleichzeitige Wirkung von Introjektion und Nega­ tion, von Jasagen und Neinsagen, die wir teils als Zwang (A k), teils als das männ­ liche, patriarchate Dur-Ich agnosziert haben. Die vierte Variation, das völlige Fehlen der Stellungnahme im Vordergrund (0 k) heißt: EWw/Ja/Awgrnt/ww. Wir beginnen - unserem bisherigen Schema entsprechend - mit der Analyse dieser vierten Variation.

I. Analyse der Nullreaktionen k 06 Da das Wesen der Egosystole die reale Stellungnahme gegenüber der ich­ erweiternden /i-Strebung bedeutet, ist verständlich, warum die Reaktion 0 k testologisch auf das aktuelle und relative Aufgeben der Stellungnahme, das Fehlen der Realitätsprüfung, die Mangelhaftigkeit der Ich-Bremse gegenüber den Trieb- und Seins­ ansprüchen hinweist. Nur in seltenen Fällen - so bei Psychopathen und Psychotikern - treffen wir immerfort in Serienuntersuchungen die stationäre Reaktion 0 k. Hier muß man in der Tat an eine angeborene Ich-Schwäche denken. Sie hat zur Folge : a) die ungehemmte Projektion bei den projektiven Paranoiden (Sch 0 —); b) die ungehemmte Inflation (Vergrößerung des Ichs durch Verdoppelung) bei den inflativen Paranoiden (Sch 0 +); c) die synchrone Dominanz der Projektion und Inflation (z. B. bei Schizo­ phrenen) oder aber die Verlassenheit der Frau oder die weiblich-weichliche IchHaftigkeit z. B. bei homosexuellen Männern bzw. den Kastrationskomplex (J^OA); d) seltener die völlige Desintegration oder die chronische Umdrehbarkeit des Ichs (= Ich-Wechsel), eine besondere Ich-Labilität, z. B. bei lesbischen Frauen oder aber den Verlust des Ichs (Sch 0 0), z. B. bei Epileptikern, in Absencen, im besonderen aber bei sexuell haltlosen Frauen. Im allgemeinen heißt somit «.Ich-Schwäche» der angeborene chronische oder aktuelle Mangel der Egosystole, das Fehlen der Stellungnahme und der Realitätsprüfung im Ich1. 1 Vgl. hiczu Fall 34 der Triebanalysc, Abb. 51. Ein Kriegsverbrecher. S. 386ff.

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Das Gegenteil der Ich-Schwäche {Sch 0 0) ist das völlig integrierte Ich {Sch i d=), in dem die ^ ^-Reaktion auf die «Eisenbetonstärke» des stellungnehmenden Ichs hinweist.

II. Analyse der positiven Reaktionen k + k a) Mit Überdruck: -j- ! k, -f- ! ! k, -f- ! ! ! k Die Hypertonie der Egosystole ist stets ein Hinweis auf eine krankhafte Form der Einverleibung, der Introjektion. Im besonderen muß sie ernstgenommen werden, wenn mit ihr die Reaktion 0 p (Sch + ! 0 ;Sch + ! ! 0; Sch + ! ! ! 0)einher­ geht. Die Reaktion bedeutet - sowohl im Vorder- wie im Hintergrund - eine gefahrdrohende, nicht selten auch eine gemeingefährliche Steigerung des Egoismus, des mate­ riellen N arzißmus und des Autismus. Des öfteren ist diese hypertonische Reaktion + ! k (mit 0 p) ein Hinweis darauf, daß die Person in der Frühkindheit auf irgend­ eine traumatische Einwirkung hin das erschütternde Erlebnis mit allen Details der Szenierung dem Ich einverleibt hat und somit - durch diese sogenannte Ad-hocoder A/zV^-Introjektion - an diese frühkindliche Sexualstufe ein Leben lang gebunden bleibt. Daher liefern dieses seltene Ich-Bild (Sch + ! 0) Fetischisten \ Sadisten, bzw. Masochisten und verborgene Sadisten, Exhibitionisten, kurz polymorph perverse Individuen, die oft sexuell haltlose Psychopathen sind. Dies beweist, daß die Fixierung auf einer infantilen perversen Sexualstufe durch Introjektion des traumatischen Erlebnisses zustandekommt. Die Beziehungen der hypertonischen Reaktionen + ! k zu denen des Faktors p erhellen aus den Erörterungen der durchschnittlichen Reaktionen -f- k. b) Durchschnittliche positive Reaktionen k Diese Reaktion stellt die Introjektion in ihrer Alltagsform dar. Die Introjektion: -f- k Durch Introjektion kann das Ich manche gefahrbringende Strebungen unge­ fährlich machen, und zwar dadurch, daß das Ich aus Seinstendenzen {p) Habinter­ essen (k) macht. Alles, was das diastolische Ich sein möchte, kann auf dem Wege der Einverleibung zu Interessen des Habens reduziert werden. Somit wird die Ge­ fahr der Erweiterung im Sein durch das gefahrlose Sich-fiir-etwas-Interessieren abge­ wehrt. Will ein Mensch z. B. allmächtig wie Gott sein, so ist er verrückt. Introjiziert er aber die Gottseinsansprüche in sein Ich und macht er aus den inflativen Gott­ seinstendenzen wissenschaftliche Interessen für Mythologie, Religion, Religions­ psychologie, so hat er die verrückende Gefahr der Inflation durch Einverleibung der Seinsstrebungen in das /è-Ich abgewehrt. Fortan will er nicht mehr Gott sein ; er begnügt sich damit, daß er für die Götter ein besonderes Interesse hegt, und so 1 Vgl. hiezu «Triebanalyse», Fall 32. S. 375-381. (Abb. 49 Schweißhand-Fetischist, Profil III.)

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wird er Mythologe, oder Religionswissenschaftler. Viele Berufswahlen kommen durch Introjektion der bedrohenden inflativen oder projektiven Seinstrebungen zustande. An Stelle des Anspruches, das oder jenes sein (z. B. Weib zu sein bei dem Mann, Mann zu sein bei der Frau, ein Mörder oder Totschläger wie Kain oder kriminell zu sein, verfolgt zu sein usw.), erscheinen durch die Egosystole als adäquate Interessen: Gynäkologie, gerichtliche Medizin, forensische Psychiatrie usf. Darum nennen wir die + AReaktion auch das Berufs-Ich. Viele diastolische Strebungen werden im Leben als Seinsschicksal fallengelas­ sen und zum Charakterzug reduziert, dem Ich eingeprägt und zur Berufspersön­ lichkeit ausgebildet. Charakterbildung durch Einverleibung ist unseres Erachtens eben­ falls eine unbewu ßte Stellungnahme durch die Egosystole. Die Egosystole vermag also, durch ihre Introjektionstätigkeit auf dem Wege der Begrenzung des Seinsraums durch Interessen, Berufswahl und Charakterbildung, die Einheit und die Gesund­ heit des Ichs zu sichern. Des öfteren muß sich die egosystolische Stellungnahme damit begnügen, an die Stelle einer zu gefährlichen diastolischen Ich-Erkrankung (Paranoid) ein rela­ tiv leichter erträgliches und auch weniger antisoziales, systolisch-introjektives Symptom zu setzen. Diese Wandlung der Symptome wird durch die Egosystole dadurch bewirkt, daß sie aus einem projektiven oder inflativen Symptom - durch Einverleibung der krankhaften diastolischen Strebungen - ein introjektives Krankheitssymptom formt. In diese Umformungskategorie der Introjektion ha­ ben wir die depressiven, masochistischen, fetischistischen Symptome eingereiht1. Die Bedeutung der Reaktion + k durch die simultan wirkenden verschiedenen Reaktionen im Faktor p wird hier nur kurz angeführt. Die ausführlichen Erörte­ rungen bringen wir bei der Analyse der Vektorbilder S ch. a) -f- k mit 0 p (Sch + 0) ist ein Zeichen der latenten Dominant der Introjektion im Ich. Das Ich der Kinder in der ersten (von 5-6 Jahren) und der Jugendlichen in der zweiten Pubertät (17-20 Jahre) wird relativ häufiger von dieser Unifunk­ tion der Introjektion bestimmt als von den übrigen Elementartätigkeiten. Es ist diejenige Phase in der Ich-Entwicklung, in welcher das Wissen um die Umwelt, im besonderen die Sprache, dem Ich einverleibt wird. b) Die Legierung der Reaktion + k mit -f- p (Sch -|—[-) heißt, daß die Person nicht nur alles sein (+ p), sondern auch alles haben will. Sie stellt ebenfalls einen infantilen, narzißtischen Ich-Zustand dar, der nur mit der Sublimierung im Sexus (S ) ein zwar schweres, dennoch sozialisierbares Ich-Bild darstellt. c) Die Reaktion + k mit —p (Sch H ) stellt das autistisch-undissjplinierte, kindliche Ich mit dem Egoismus, Egozentrismus und dem physiologischen Narziß­ mus dar. Bei Kranken weist diese Reaktion auf eine narzißtische Affektion im Sinne FREUDS hin, d. h. auf Melancholie und autistisch, magisch denkende Schizo­ phrenie, bei der die in das Ich projizierten (—p) Habansprüche (+ k) die Gren­ zen der Realität überschreiten. d) Die Reaktion -j- k mit ± p (Sch + ±): bedeutet durchschnittlich Annahme (_|_ £) der Weiblichkeit (± p) oder der Verlassenheit, unter Umständen den Kastrationskomplex (± p); in schweren Fällen die Bejahung der gleichzeitigen Projektion und Inflation, d. h. des Paranoiden. 1 Triebanalyse, S. 342f, 369ff.

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III. Analyse der negativen R eaktionen k

a) Mit Überdruck: — Ik, — Ilk, — ! ! ! k erlangt diese Reaktion die Bedeutung einer ichhaften Destruktion. Die Psychologie dieser gefahrbringenden Stellungnahme: Die Person, welche in ihrem natürlichen Anspruch auf Liebe und Annahme als ein ebenbürtiger Partner von Anderen zu­ rückgestoßen wurde, versucht vorerst diese als grausam empfundenen und über­ schätzten Anderen dem eigenen Ich einzuverleiben (-)- k = Introjektionsphase). Die Folge dieser Introjektion des Quälenden ist die, daß sich die Person von nun an selbst in der Art anzuklagen und zu quälen beginnt, wie sie vorher von dem ge­ liebten Objekt angeklagt und gequält wurde (S. FREUD). Eine Weile duldet das Ich diesen Masochismus. Dann aber entsteht durch den Verlust des Urvertrauens (E. FI. ERIKSON)1 ein Zustand der Verzweiflung, in dem die Person alle Werte zerstört. Die Zerstörung wird aber zuvorderst im Ich stumm erlebt und vollzieht sich als Entwertung aller Werte der Welt. Wir nennen diesen Vorgang der ich­ haften Destruktion : Desimagination oder die ikonoktastische Phase der Verneinung. Erst nach dieser Allodestruktion pflegt die Zerstörung des eigenen Wertes der Person, die Autodestruktion, mit Selbstsabotage bis cptm Selbstmord , einzutreten. Zu­ meist wird die Allodestruktion im Ich von der Reaktion + J, + ! s, die Autodestruktion hingegen von — .r, — ! s begleitet. Es wurde bereits erörtert, daß nach der Scha der Sadismus nicht - wie in der Psa - im Ich, bzw. Über-Ich selbst - als «Beitrag des Destruktionstriebes» — fixiert wird, sondern die yivei verschiedenen Destruktionsvorgänge simultan und korrelativ, dennoch genetisch voneinander getrennt ablaufen, der eine im Sexualraum, der andere im Ich-Raum; der eine trägt die Note des Triebhaft-Sexuellen, der andere die des Ichhaft-Negativisti­ schen. Beide Vorgänge sind somit im oberflächlichen Erscheinen destruktiv, sie gehören phänomenologisch zusammen, im Ursprung sind sie aber dennoch zwei verschiedene Prozesse. Testologisch weist die hypertonische negative Reaktion — ! k stets auf eine Ich-Gefahr. So der Negativismus bei Katatonen, bei manisch-depressiven Irre­ sein, bei Selbstmordgedanken, Verzweiflungswahn oder Selbstzerstörungswahn durch Alkohol oder Narkomanie2. b) Durchschnittliche negative Reaktionen k Die Deutung dieser Reaktion wird von der Konstellationp bedingt. a) Die Reaktion — k mit 0p (Sch — 0) ist das Testzeichen der Verdrängung. b) Die Koppelung der zwei Ich-Reaktionen: —k + p (Sch |-) weist auf Hemmung hin. c) Die Legierung von — k und — p bedeutet die Anpassung. 1 ERIKSON, E. H. : Das Problem der Identität. Entfaltung der Psychoanalyse. Hg. A. MITSCHERLTCII. Klett, Stuttgart. S. 114 ff. * Vgl. hiezu: Ich-Analyse, S. 442-447.

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d) Das Zusammentreffen mit der Reaktion ^ p (Sch — ±) ist des öfteren ein Zeichen der Entfremdung von der realen Welt, charakterologisch das Zeichen der Eifersucht.

IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen k i k Die doppelte Ich-Funktion der gleichzeitigen Bejahung (+ k) und Vernei­ nung (— k) spielt in der Ich-Psychologie eine besondere Rolle. Sie ist einerseits als Abwehrart die Koppelung von Introjektion (+ k) und Negierung (—• k) und somit eine Intronegation und bildet die ichpsychologische Grundlage aller Zivangserscheinungen der gesunden und kranken Seele. Zwang ist nach unserer Ich-Analyse die gekoppelte Doppelfunktion von Introjektion und Negation. Manifestiert sich die Intronegation als Zwang, so heißt das ichpsychologisch, daß das Ich die nämliche Triebregung gleichzeitig bejaht und verneint. Die Stellung­ nahme des Ichs ist somit ambivalent. Diese Ambivalenz kann sich aber auch auf beide Ri chtungen eines Triebgegensatzpaares beziehen. Anderseits aber ist die Intronegation auch die katexochen männliche Art der Stellungnahme gegenüber gegensätzlichen Triebregungen oder sich wechselseitig ausschließenden Vorstellungen. Die Besonderheit der männlichen Stellungnahme des Ichs besteht darin, daß das Ich - nach Prüfung der Realität - die eine Triebregung bejaht (-f- k) und die andere verneint (—k). Wir nennen das Ich mit dieser Stellungnahme das harte Dur-Ich [Seh ± 0) und stellen es dem weiblichen, weichen Äloll-Ich (Sch 0 gegenüber, bei dem also die Stellungnahme fehlt (0 k). a) Mit Überdruck: 1. ± ! k oder 2. de ] k bedeutet die erste Variation die Dominanz der Bejahung über die Verneinung, die aber virtuell dennoch vorhanden ist. Die zweite Variation besagt, daß trotz vorhandener Ambivalenz in der Stel­ lungnahme die Negierungstendenz (— ! k) stärker wirkt als die Bejahung (+ k). b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen k Mit der Reaktion 0 p (Sch ± 0): bedeutet dieses Ich-Bild entweder das harte männliche Dur-Ich oder - falls Ambivalenzen auch in den drei anderen Vektor­ räumen vorkommen - den Zwang als neurotische Abwehrart. Zum Beispiel : J 2k —

P 0 ±

o

— ±

Sch ±0 o ±

C 0 ±

k: oder —

Mit + j > (S c h ± +): bekommt die Stellungnahme den bereits erwähnten Sinn: das Ich bejaht (+ k) die eine Triebregung eines Gegensatzpaares im Wunschbewußtsein (+ p), die andere Triebregung wird hingegen abgelehnt 137


(— k). Diese Art der Stellungnahme sichert die Arbeits- und Lebensfähigkeit der Person. Mit —p (Scb 2b —): bedeutet sie die Abwehr der Projektion (—p) durch Zwang (dz -&). Dieses Ich-Bild ist gleichzeitig das Bild des Ausreißers. Mit b: p {Sch b: b:): entsteht entweder das vollintegrierte Ich eines sublimierten Menschen (S — •—); oder aber die Katastrophenahnung eines Ichs in Not (L 4" + ; S 0 4" ! "> $ 0 — ! !). Von allen diesen Ich-Konstellationen wird später noch die Rede sein.

Kapitel XI W E S E N U N D P S Y C H O L O G I E D E S F A K T O R S p, DER EGODIASTOLE: PARTIZIPATION, PROJEKTION UND INFLATION

Im Wesen erscheint dieser Ich-Faktor stets als der Drang zur Erweiterung, zur Diastole des Daseinsraums. Und zwar einmal als Erweiterung der Macht der Um­ welt, Allodiastole (Partizipation, Projektion), ein andermal als Ausweitung der eigenen Ich-Existenz, d. h. als die eigentliche Egodiastole (Inflation). Wir nennen den Faktorp auch den diastolischen Faktor, den Erweiterer der Existenz. Der Drang aller Menschen, mit der sie austragenden, stillenden und pflegenden Mutter in ihrer Existenz eins zu sein, mit der Mutter in dieser geeinten Ich-DuWelt, in diesem geschlossenen Raum der Doppelexistenz (Dualunion) geborgen zu leben, der Drang, jegliche Kraft zum Sein - als Allmacht - auf diese Mutter zu übertragen und an dieser gemeinsamen allmächtigen Dualexistenz Anteil zu haben, d. h. realiter zu partizipieren, der Urdrang, der die Naturmenschen dazu treibt, mit ihren Totcmtieren, -pflanzen und -ahnen, die Kulturmenschen, mit ihrem Gott eins und ewiglich vereint zu sein (,mystische P artizipation nach Levyrbr BwrBauHL), der Drang, drw? seins mit der Mutter auf Objekte der Umwelt hinaus^twerlegen, d. h. %u p rojizieren und somit die Macht der Umwelt bis zur Allmacht zu steigern, die eigene Existenz­ kraft hingegen bis zur Ohnmacht zu vermindern (Minderwertigkeitskomplex), der Drang, nach der Abtrennung von der Mutter sich des Alleinseins und der Ver­ lassenheit bewußt zu werden, das Wunschbewußtsein zu ergründen, die Zweiheit der Ich-Welt und der Du-Welt wahrzunehmen und dann durch Ausweitung der eigenen Ich-Existenz selbst alles sein zu wollen (Inflation) - dieser mächtige Drang im Menschen wird bewegt durch das diastolische Ich-Triebbedürfnis, den Ich-Triebfaktor p. Nichts gibt es in der menschlichen Seele von Partizipation und Projektion ge­ sunder und krankhafter Art, von Übertragung der eigenen Existenzkraft, von ich­ hafter Verlassenheit, von Bewußhverdung der bisher unbewußten Ansprüche, von Drang, alles zu sein, von B esessenheit und Ambitendenz, d. h. beides z" sein, von Ich-Idealbildung ohne die Mitwirkung des Ich-Triebfaktorsp.

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Dieser Faktor ist der humane Triebfaktor katexochen. Er begründet das spezifischmenschliche Bedürfnis, unbewußte Triebregungen (—p) bewußt zu machen (+/>)• Er gibt dem Ich die Existenzkraft, sich von der gemeinsamen Es-IchMatrix (G. SCHEUNERT) abzusondern und als bewußtes Ich dem Es entgegenzutre­ ten und mit dem Geist die partizipative Verbindung aufzunehmen. Der Ich-Triebfaktor p ist somit der Ich-Schöpfer, der Bewußtseinerzeuger, der Vermittler zwischen der Seele und dem Geist. Somit ist es nicht erstaunlich, daß eben dieser Ich-Triebfaktor p - unter un­ günstigen Erb- und Umweltumständen - zu dem geisteskrankmachenden Faktor werden kann und die gesunde Verbindung zwischen der Seele und dem Geist zu zerstören vermag. Die krankhafte Projektion (— ! p) erzeugt ja al le Projektions­ psychosen, d. h. alle Wahnkrankheiten, alle Halluzinationen. Die pathologische IchErweiterung (+ ! p), d. h. die paranoide Inflation, verursacht die von uns so genannte Inflationskrankheitsgruppe der Psychosen, deren Glieder sind: 1. die bisexuelle E rotomanie, 2. der Größenwahn (Megalomanie), 3. der Anklagewahn, die Querulanz und 4. der Religionswahn, die Theomanie1. Wir hegen die Meinung, daß es überhaupt keine Geisteskrankheit gibt, in deren Pathogenese nicht der Ich-Triebfaktor p - wenn auch nur im Anbeginn der Krankheit - eine entscheidende Rolle spielt. Trotz alldem verdanken wir demselben Ich-Triebfaktor auch die höchste Seligkeit des menschlichen Daseins: das Verschmelzen mit der Mutter, mit Frau, Mann und Kind und das Einsseinkönnen mit dem Geist. *

Als die Energiequelle der diastolischen Ich-Funktion nimmt die Scha eine besondere Triebkraft, die sogenannte Existenzkraft als Seinsmacht, als «Potestas» (= ^-Energie) an und setzt sie in Gegensatz zur Habmacht, zur Kapitalisierungs­ kraft (= ^-Energie). Die diastolische Funktion des Ichs besteht nach dieser An­ nahme darin, daß das Ich seine eigene Existenzkraft zu Anbeginn des Daseins auf die Mutter projiziert. So käme die ichhafte «Dualexistenz» von Mutter und Kind zustande. Das Ich des Kindes existiert vorerst nur im Dasein der Mutter, da die zwei Ich-Existenzen noch völlig verschmolzen sind (Dualexistenz). Später pro­ jiziert das Ich dieselbe Daseinskraft auf fremde Autoritäts- oder Liebesobjekte der Umwelt. So entstehen die sekundären Projektionen. Die Existenzkraft kann auch von den Außenobjekten zurückgezogen und dem eigenen Ich einverleibt werden (Introprojektion), so in der Trotzperiode oder bei autistischen Schizophrenen und Melancholikern. Unter Umständen kann das Ich aber auch die Existenzkraft frem­ der Objekte in sich aufnehmen und sie der Seinskraft des eigenen Ichs einverleiben. Somit wird die Seinsmacht des Ichs pathologisch erweitert. Es entsteht die Erwei­ terung des Ichs, das Beides-Sein, die Ambitendenz, die Besessenheit mit gegensätzlichen Stre­ bungen, die kr ankhafte Inflation, das Alles-Sein. Überträgt das Ich seine Existenzkraft auf die höchste Instanz, den Geist, so entsteht die religiöse Partizipation mit Gott. Bei allen Formen der Existenzmachtübertragung bleibt aber unseres Erachtens die übertragene Energie stets die gleiche, nämlich die mitgebrachte Existenzkraft des Ichs: die Potestas, die «p-Energie». Die scharfe Scheidung dieser besonderen p1 Ich-Analyse (Triebpathologie, Bd. II). S. 436ff.

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Energie von der Libido (/j-Energic) bringt es mit sich, daß wir gegen die Anwen­ dung der Lib idotheorie auf das leb Stellung genommen haben, und - ähnlich wie HART­ MANN - ein «autonomes Ich mit einer primären Ich-Energie» annehmen, das unse­ res Erachtens nicht von der Kraft der Libido gespeist wird. Nun wollen wir die verschiedenen experimentellen Reaktionsartcn des Fak­ tors p erörtern. /. Analyse der Nullreaktionen p

~ö y

Sie bedeutet im Wesen die Räumung der Triebregungen aus dem Wunsch­ bewußtsein. Die Art der Räumung (Evakuation) hängt von der systolischen Funktion des Faktors k ab. a) Mit 0 k (im Ich-Bild: Scb 0 0): ist die Räumung der Triebregung aus dem Wunschbewußtsein mit der Ich-Schwäche, d. h. mit dem Fehlen der Stellung­ nahme gekoppelt. Diese Ich-Situation manifestiert sich als episodischer, seltener als chronischer Verlust des Ichs (z. B. bei Absencen oder Dämmerzuständen) oder als Ich-Wechsel, wobei die alte Ich-Funktion schon verschwunden, die neue hin­ gegen noch nicht auf die Manifestationsbühne getreten ist (bei Lesbierinnen). b) Mit + k (Scb + 0): wird die Räumung des Wunschbewußtseins durch Introjektion der Triebregungen bewerkstelligt. Aus der Seinsmacht (+ p) wird somit Habmacht (+ k), So z. B. bei Fetischismus, Sadismus, Masochismus, Exhibitionismus und bei allen anderen Introjektionskrankheiten. c) Mit —k (Sch — 0): geschieht die Räumung der Triebregungen aus dem Wunschbewußtsein durch Verdrängung. Diese Evakuationsweise ist insbesondere für die Übertragungsneurosen charakteristisch. d) Mit ± k {Sch ± 0) : wird die Räumung durch Zwang durchgeführt. Die eine Strebung des in das Wunschbewußtsein eingedrungenen Triebbedürfnisses (+ p) wird dem Ich einverleibt (+ k), die andere Triebtendenz - zumeist die verpönte hingegen verdrängt (—k). Diese Evakuationsart ist für das Ich die sicherste Weise, sich verpönter Ich-Bedürfnisse zu entledigen.

II. Analyse der positiven Reaktionen p +P Im Wesen bedeutet diese Reaktion: 1. die Ambitenden£, das synchrone «.Beides-Sein», nicht selten die Erotomanie; 2. die Besessenheit von Liebe, Bisexualität, gegensätzlichen Vorstellungen; 3. die Inflation, das Alles-Sein, den Größenwahn. Inflation (-f- p) ist die Egodiastole katexochen. Wir haben die Inflation als das Elementarstreben des Ichs nach Alles-Sein bestimmt. Das Ich-Feld wird durch den Anspruch, alles yi sein, grenzenlos erweitert. Es stellt sich eine wirkliche IchDilatation ein, die sich recht oft gefahrbringend auf das ganze Schicksal der Per140


son auswirkt. Funktionell kommt diese Ich-Erweiterung dadurch zustande, daß unbewußte Bedürfnisse mit den entgegengesetzten zwei Triebtendenzen ohne Widerstand das Wunschbewußtsein bis zur Besessenheit besetzen können. In dieser Besessenheit vermag das Ich den Widerspruch der in das Wunschbewußtsein gedrungenen entgegengesetzten Ansprüche nicht mehr wahrzunehmen. Das inflative, besessene Ich glaubt, synchron beides (Mutter und Kind, Mann und Frau, Tier und Mensch, Gott und Knecht, Engel und Satan usf.) sein %u können. Inflation ist der Zustand, in dem das Ich die für es unerträglichen Gegensätzlichkeiten so auf­ löst, daß es den Widerspruch einfach nicht wahrnimmt. Den Urgrund dieser Inflation dürfen wir phylogenetisch im Wunsch nach dem Zustand des Zweigeschlechterwesens, entwicklungsgeschichtlich in dem Wunsch, selbst Mutter und Kind, d. h. beides u nd somit alles %u sein, v ermuten. Durch die Inflation wähnt das Kind, die Macht der Mutter und die seines eigenen Wesens synchron in sich zu vereinigen. Es braucht die kraftspendende Mutter nicht mehr, da es selbst - durch Entziehung der Existenz kraft der Mutter - zu Mutter und Kind wurde. Wir sind geneigt, im Akt des Lutschens (Wonnesaugen) das Symbol dieser Inflation zu sehen, wobei der Finger die veruntreute Mutter darstellt1. Somit wird das lutschende Kind zu einem Doppelwesen von Kind und Mutter. Dasselbe geschieht ichpsychologisch in der Onanie. Das Ich des masturhieren­ den Kindes verdoppelt sich (-|- p). Es ist einesteils das lustsuchende Kind selbst, das sich nach dem Eins sein mit der Mutter sehnt, andernteils auch die Mutter, die ihm die Lust spendet. Im Akt des Lutschens und der Masturbation kann das Kind sowohl den phylogenetischen Wunsch nach dem Urzustand des Zweigeschlechter­ wesens wie auch den ontogenetischen Anspruch auf Einssein mit der Mutter be­ friedigen. In beiden Akten erlebt das Kind zum erstenmal den Zustand der In­ flation. Es hat sich im Ich verdoppelt2. Unter krankhaften Umständen erscheint die Inflation bei Erwachsenen als Sucht oder als Größenwahn oder als Hochstapelei oft mit betrügerischen Zielen, ja sogar als Totschlag3-4. Wir fassen alle diese Ich-Zustände im Begriff des inflativen Paranoid zusammen (Erotomanie bisexueller Art, Größenwahn, Querulanz und Religionswahn)5. a) Mit Überdruck:

T~ !

p,

-j-

! ! p, -(- ! ! ! p

Diese extreme Reaktion weist auf die Gefahr einer maßlosen Ausweitung des Ichs, des öfteren auf ein inflatives Paranoid Bin. (Siehe Fall 9). b) Durchschnittliche positive Reaktionen p Mit 0 k (Sch 0 +): Diese relativ häufige Reaktion darf nicht in allen Fällen als die krankhafte Quantität einer Inflation gedeutet werden. Die Träger dieser IchFunktion sind aber doch stets besessene Me nschen, bei denen die Kraft der brem1 Triebpathologie, Bd. I. S. 415ff. im besonderen S. 424. 2 Siehe hiezu: JUNG, C. G. : Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten. Reicht, Darmstadt, 1928. S. 37ff. 3 SZONDI, L.: Experimentelle Triebdiagnostik, I. Aufl., S. 234 (Triebklasse Schp +). •WALDER, H. : Triebstruktur und Kriminalität. Abhandlungen zur exp. Triebforschung und Schicksalspsychologic. Hrg. von L. SZONDI. S. 29ff. 1 Ich-Analyse, S. 436f.

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senden Realitätskontrolle gegenüber der Bisexual!tät, der Liebe, dem Größenwahn, der Bigotterie relativ zu schwach ist (0 k). Die klinische Beurteilung dieses Ichs hängt maßgebend von dem Sexualbild ab. Mit + k (Sch + -b): steht vor uns der Mensch, der alles sein (-f p) und alles haben (+ k) will. Also: der Mensch mit Allmachtsstrebungen und mit totalem Narzißmus, wie wir ihn im besonderen bei geistigen Berufen (wie Lehrer, Pro­ fessor, Psychologe, Heilpädagoge, Psychiater usf.) antreffen, im besonderen bei Frauen. In der Sexualpathologie bedeutet dieses Ich den urförmigen Herm­ aphroditismus. Mit — k (Sch — -f) : wird der Ich-Vorgang der Hemmung testologisch erfaßt. Mit Pz k (Sch 2b +); wird die Inflation mit Zwang ungefährlich gemacht. Die Person bejaht (+ k) die eine - zumeist die sozialpositive - Strebung des Gegen­ satzpaares (+ p), die gefahrbringende Tendenz wird hingegen verneint oder ver­ drängt (— £). Das zwangshaft bremsende k-Ich ermöglicht, daß die Person - trotz der Besessenheit - gut arbeiten kann. Es ist des öfteren das testologische Bild des angstbeladenen Zwangsarbeiters, der mit der Berufsarbeit nie aufzuhören vermag.

—p Die negative Reaktionp hat mehrere Bedeutungen. So: 1. die urförmige Partizipation; 2. die sekundäre - oft krankhafte - Projektion (zumeist mit Überdruck) ; 3. der Drang, für die unbewußten Triebregungen in der Umwelt ein entsprechen­ des (geno tropes) Objekt %;/ suchen. Ein Wunsch wird somit in die Außenwelt hinaus­ verlegt und man sucht (d) dazu ein Objekt. Wir nehmen an, daß jegliches Objekt­ suchen - neben dem Faktor d (siehe später) - auf einer Projektion fußt. a) Mit Überdruck: — ! p, — ! ! p, — ! ! 1 p Die quantitativ extreme Projektion hat folgende klinische Bedeutungen: Bei Naturvölkern1 (mit 0 k oder + k, d. h. Sch 0 — ! oder Sch -\ ! !) be­ deutet sie die urförmige mystische Partizipation (LEVY-BRUHL), das Einssein mit dem Totemtier, der Totempflanze, insbesondere aber mit dem Totemahnen. Die eigene Existenzkraft wird bei diesen Primitiven dem Totemobjekt überliefert, sie selbst haben aber Anteil an dessen Allmacht und sind dadurch in dieser Dualexistenz völlig ge­ borgen. So entsteht durch die Partizipation der Zustand, den E. H. ERIKSON IchIdentität und Urvertrauen nennt. Darin besteht ja unseres Erachtens der Sinn und das Wesen jeglicher Partizipation, unabhängig davon, ob sie mystischer oder realer Natur sei. Hier weist somit der Überdruck der Projektion auf den hohen Grad der mystisch-religiösen Vereinigung mit dem Totemobjekt hin. Es wäre demnach falsch, in der Reaktion — ! p, •— \\p, — ! ! !A der Primitiven eine krankhafte Form der Projektion zu sehen. Auf Grund der 136 Serienuntersuchungen an Primitiven ' Siehe Tab. 20, II-IV, 22.

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von E. PERCY1 in Lambarene (im Waldspital ALBERT SCHWEITZERS) müssen wir eher annehmen, daß diese Naturmenschen im Busch an ihren Totemobjekten lebenslang g enau so stark partizipieren können wie das Kleinkind nur vorüber­ gehend an der Mutter2. Die Gleichheit des experimentellen Ich-Bildes der Primitiven mit denen der projektiven Paranoiden in unserer Kultur will aussagen, daß unsere Kultur un­ fähig geworden ist, dem zivilisierten Menschen die Geborgenheit und das Urvertrauen durch Partizipation zu sichern, wie die Riten und Kulten der Natur­ völker es vermögen. Der Wunsch danach ist aber auch bei den Kulturmenschen immerfort da. Das beweisen die Ersatzpartizipationen an der Technik (Radio, Television, Auto usw.). Der Kulturmensch muß somit Trugpartizipationen oder wahnhafte Einsseinsideen oder Ersatzpartizipationen verfallen, weil er das Allein­ sein nicht mehr zu ertragen vermag. So gelangen wir zu der z1veiten Deutungsmöglichkeit der Hypertonie in der Projektion, nämlich zu den Wahnbilditngen und den Halluzinationen. Auf Grund von experimentellen Ich-Analysen an 180 Wahnkranken, im beson­ deren aus dem Material von E. STUMPER3 (Ettelbruck, Luxemburg), konnten wir feststellen, daß die Hypertonie der totalen Projektion wie auch die anderen Projektionsformen im Ich in 84,3% der Fälle auf Verfolgungs-, Beziehungs-, Beobachtungs- und Beeinträchtigungswahn hinweisen4. Halluzinationen fanden wir bei 80% aller Wahnkranken, und das Projektions-Ich mit oder ohne Überdruck erreichte bei Halluzinationen die Höhe von 82,5 %5. Natürlich weist die projektive Hypertonie um so wahrscheinlicher auf das Paranoide hin, je größer und häufiger die Quantumspannungen in einer Testserie eines Kulturmenschen auftreten und je häufiger sie von 0 k oder + k (Scb 0 — ! !; Sch -\ ! !) begleitet sind.

1. Mit 0 k (Sch 0 —): bei Kindern oder bei infantilen Neurotikern müssen wir an erster Stelle an den Drang nach Partizipation und nicht an das krankhafte Paranoid denken. Im besonderen sprechen die Kontaktreaktionen C —• + ; C — ± ; C-—0, also die der inzestuösen Bindung, für die Richtigkeit der Annahme eines prolongierten Partizipationsdranges. 2. Mit + k (Sch + —) : erlangt diese Reaktion verschiedene Bedeutungen. So z. B. die Trotzreaktionen im Kindesalter, das autistisch-undiszjplinierte Verhalten in den späteren Jahren; in Wahnform manifestiert sie sich als Projektionmahn des ver­ meintlichen «Alles-Habens », so bei bestimmten autistischen Schizophrenen oder als «All-Schuldwahn» bei der Melancholie. 3. Mit —k (Sch — •—): ist die Projektion ein aufbauendes Element des Drill4. Mit fi: k (Sch T: —) : erlangt die Projektion einen zwanffhaftparoxysmalen Anfallscharakter, der sich häufig als Ausreißen aus einer unerträglichen Um- oder 1 Ich-Analyse, S. 524. 2 Ich-Analyse, S. 33, 162, 411, 456, 461, 513, 524. ' STUMPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Huber, Bern, 1956. • Ich-Analyse, S. 423ff. (Abb. 15). * Ebenda: S. 454 (Abb. 21).

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Innenweltsituation manifestiert. Diesen Vorgang im Ich deuten wir als Bezwin­ gung (i Jz) der Projektion (— p).

I V . Analyse der ambivalenten Reaktionen p

±P Sie stellen die Gleichzeitigkeit der Funktionen von Projektion und Inflation dar und haben folgende, empirisch festgestellte allgemeine Bedeutungen : a) Mit Überdruck im -f- p (4% !) wird die relative Stärke der Inflation über die Projektion ausgedrückt. Die Formation d:, p hingegen will sagen, daß die Pro­ jektion stärker ist als die Inflation. b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen p. 1. Mit 0 k (Seh 0 dz): Verlassenheit des Ichs nach Untergang der Dualexistenz mit der Mutter, oder später mit dem Liebespartner. Bei Neurotikern weist dieser Ich-Zustand auf den Kastrationskomplex hin. Es fehlt nämlich die männliche Seite (dz k) des vollständigen Ich-Triebes. Bei Psychotikern weist diese Reaktion auf den synchronen Zustand von pro­ jektiver Wahnbildung (— p) und inflativer Besessenheit (+ p), z. B. bei Hebephrenen. Bei gesunden Alltagsfrauen ist diese Reaktion das Zeichen des weiblich-wei­ chen Moll-Ichsh und bei Männern das der Effeminierung im Ich. (Auf Grund der j- p-Reaktion allein darf man bei Männern noch nicht die Diagnose auf Homosexualität stellen.) 2. Mit + k (Seh + dz): bedeutet, daß die Person die Verlassenheit (dz p) allmählich doch annimmt (d- k) und durch Introjektion des sie verlassenden Partners sich einen Beruf sucht, im Rahmen dessen sie sich mit verlassenen Menschen beschäftigen kann (Kinder­ gärtnerinnen, Kinderpsychologen, Psychologen beiden Geschlechts usw.). Die Annahme der Weiblichkeit sowohl bei Frauen wie bei Männern. Die doppelte, narzißtische Allmachtstrebung (fl- k, d~ p) hei gleichzeitigen Projektionen (— p). Die autistisch-undisziplinierte (Sch -f- —) Verhaltungsart mit Besessenheit (+ P)- (N äheres siehe bei den Ich-Bildern.) 3. Mit — k (Sch — dz) erlangen wir das Zeichen der Entfretndung von d er Welt und von sich selber unter gesunden und kranken Umständen (Depersonalisierung). 4. Mit dz k. (Sch dz dz) steht vor uns : das «integrierte Icbv>, welchem alle vier Elementarfunktionen (Projektion = — p, Inflation = -\- p, Introjektion = -\- k, und Negation = •— k) zur Verfügung stehen, um die aktuellen Triebgefahren vom Rande abzuwehren. Oder: «das katastrophenahnende Ichy>, d as in sich alle Abwehrkräfte maximal an­ spannt, um die Gefahr des hintergründigen Ich-Verlustes (Sch 0 0) abzuwehren. So z. B. vor dem Ausbruch einer Psychose, eines Anfalles usf. 1 Vgl. hiezu 1. Ich-Analyse, S. 268ff., 276 (Tab. 8), 290ff. 2. Triebanalysc, S. 113f., 184ff.

144


Kapitel XII

A N A L Y S E D E S I C H - T R I E B E S , D E S V E K T O R S Scb

Entspricht der Ich-Trieb den fünf schicksalsanalytischen Kriterien ? Wir wollen es nun prüfen. Das erste Kriterium, nämlich das der Erbbedingtheit des Ich-Triebes, wird durch folgende Tatsachen wahrscheinlich: 1. Durch die Anwendung der experimentellen Triebdiagnostik bei 36 ein-, und 36 gleichgeschlechtlichen zweieiigen Zwillingspaaren haben wir schon 1939 bewiesen, daß die zwei Ich-Bedürfnisse, die Funktionen der Systole (k) und die der Diastole (p), dreimal bzw. zweieinhalbmal mehr erb- als umweltbedingte Be­ dürfnisse darstellen. Von den acht Triebfaktoren scheint bei dem Faktor k, d. h. bei der stellungnehmenden Funktion des Ichs der Anteil des Erbes der größte zu sein1. Somit konnten wir die Vermutung FREUDS, daß der Weg der Ich-Entwick­ lung - noch ehe das Ich sich entwickelt hätte- hereditärfestgesetzt sei, auf experimentellem Wege durch Zwillingsforschungen bestätigen. 2. Die experimentelle Ich-Analyse zeigte ferner, daß der Weg der Ich-Ent­ wicklung - wie auch jegliches Ich-Leben im allgemeinen - einen erblich fest­ gelegten «Kreislauf» der Elementarfunktionen des Ichs aufweist, dessen Phasen die folgenden sind: projektive (primäre) Partizipation (Dualexistenz) und darauf­ folgende sekundäre Projektion, 2. Inflation, 3. Introjektion, 4. Negation. Ist diese Rei­ henfolge der Ich-Funktionen gestört oder bleibt der Ich-Kreislauf in irgendeiner Phase konstant fixiert, so erscheint stets eine Ich-Erkrankung. Zu diesen vier genetisch vorgebildeten Elementarfunktionen des Ichs gesellen sich noch 5. die gleichzeitige Integration aller Funktionen und 6. die Desintegration, d. h. die Auf­ lösung des Ichs. Die Phasen des Kreislaufes im Ich sind unseren Ergebnissen nach ebenfalls erbbedingt. 3. Die bevorzugte Funktion, in der sich das Ich bei einer Person festzulegen pflegt, trägt zumeist eine besondere familiäre Note. So fand z. B. IRENE RÜEGGMARTON bei Drillingen - ein eineiiges Mädchenpaar und ein fremdeiiges Mädchen in Serienuntersuchungen des Ichs, daß alle drei Mädchen stets das gleiche Ich der totalen Inflation (Sch 0 -|-) lieferten2. Zu einem ähnlichen Resultat kam 1957 KRAUS (USA) bei einem eineiigen Knabenpaar. 4. Im besonderen fällt auf, daß bestimmte Abwehrfunktionen des Ichs, so die Projektion oder die Inflation, die Hemmung oder die Entfremdung, die Introjek­ tion oder die Negation, der Zwang oder die Introprojektion, die Integration oder die Desintegration des Ichs, sowohl klinisch wie auch testologisch in bestimmten Familien immerfort wiederkehren. Nur so ist es unseres Erachtens möglich, daß sich die Anlagen zu einer bestimmten Neurose oder Psychose im Rahmen einer Familie des öfteren in den gleichen Formen manifestieren. Von einer «Symptom­ tradition» im Sinne von A. MITSCHERLICH hier zu sprechen, ist unseres Erachtens nur eine Flucht vor der unbegründet als peinlich empfundenen Tatsache, daß hier 1 Vgl. hiezu: Ich-Analyse, S. 377f., Tab. 16. 2 RÜEGG-MARTON, IRENE: Triebstrukturanalyse bei Drillingen. Szondiana S. 186-198. 10

Szondi, Triebdiagnostik

I.

Huber, Bern, 1953.

145


- wie dies sogar schon von S. FREUD (1937-1938) betont wurde - von wirk­ licher Vererbung der Ich-Abwehrart und nicht von persönlich erworbener seeli­ scher Tradierung die Rede ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es bekanntlich Mode geworden, die all­ mächtige Psychogenese in der Psychopathologie der Neurosen und Psychosen so auf die Spitze zu treiben, als ob das Erbe im Zustandekommen dieser Störungen neben de n tatsächlichen seelischen Erlebnissen überhaupt keine Rolle spiele. Diese Auffassung ist natürlich von Grund aus falsch. Darum betont die Scha die Not-

wendigkeit einer

TöAg/YtÄw, ww

W

in der Psycho-

pathologie. Das zjveite Kriterium eines Grundtriebes verlangt das Dasein einer inneren Pola­ rität der zwei triebaufbauenden Bedürfnisse und der vier bedürfnisaufbauenden Strebungen. Aus den vorausgegangenen Erörterungen wird ersichtlich, wie weitgehend diese innere Polarität im Ich-Triebraum in der Tat gegeben ist. Die Systole (die kFunktion) wirkt ja gegen die Diastole (der^-Funktion). Anderseits sind im Raum der Systole die Introjektion (+ k) der Negation (— k), im Raum der Diastole die Inflation (-f- p) der Projektion (— p) funktionell entgegengesetzt. Dem Tatbestand zufolge entspricht der Ich-Trieb (Sch) auch dem dritten Kri­ terium, dem der inneren Triebsbanmmg.tmd dem des Triebdwamismits. da die zwei Trieb­ faktoren und die vier Tendenzen - als Elementarfunktionen des Ichs - einen außer­ ordentlich gespannten Dynamismus aufrechterhalten müssen, weil ja ihre polar entgegengesetzten Tendenzen und Bedürfnisse immerfort aneinander anstoßen. Es ist unschwer zu beweisen, daß der Ich-Trieb dem vierten Kriterium des Triebes, nämlich völlig entspricht. Wir haben ja gezeigt, daß die Physiologie des Ich-Lebens Gesetzmäßigkeiten der IchEntwicklung aufweist, die die physiologischen Schritte der Entwicklung (Partizi­ pation-Projektion, Inflation, Introjektion, Negation, Integration,Desintegration)1 erbgemäß vorschreiben. Und noch mehr. Ein spanischer Psychiater, SOTO YARRITU2, konnte beweisen, daß die Häufigkeiten der 16 möglichen Ich-Konfigurationen AWdrnufraykt/ ^ «g/bbW jW 6« ab, [/«gar«. .D/w rßr/f/,/ bag physiologische Gesetzmäßigkeit des Ich-Lebens. Der Ich-Trieb entspricht somit völlig dem physiologischen Kriterium. Das nämliche gilt aber auch in bezug auf das psycho-

Kriterium. Denn: a&'g Wa/waw W/wnwo/db; Jg/,;^rga/g/!;rwga gbw ^/g g%/rgw-^a^a//ga fwwga

w/Wp-

^ryg^^ar/o/r^ga^rbg^a^Aoaga. Diese äußerst gewichtige Tatsache wurde von uns schon 1956 an einem großen Schizophreniematerial bewiesen. Das fünfte Kriterium verlangt von einem Grundtrieb, daß er - im besonderen in seiner psychopathologischen Erscheinungswelt - einem selbständigen Erbmns. fol­ gen sollte. Wir müssen die Schizophrenie ichtriebpsychologisch einerseits sowohl in der paranoid-projektiven {—p-, Verfolgungswahn) wie auch in ihrer inflativen Form (+ p: Erotomanie, Größenwahn, Querulanz, Religionswahn), anderseits in der magisch-autistischen (+ k) und kataton-negativistischen (— k) Form als 1 Ich-Analysc, S. 461 f.

8 SOTO YARRITU, F.: a) Hl d estino humano como problema cicntifico, Navarra, 1953; b) Validie­ rung des SZONDI-TCSCCS durch eine Gruppenuntersuchung von 2352 Fällen (Pamplona, Espana). Szondiana II. Huber, Bern, 1955. S. 65-71.

146


auffassen. Somit reduziert sich dieBeweisführung des zweiten Teiles des fünften Kriteriums nur auf die Frage des selb­ ständigen Erbgangs der Schizophrenie. In der genealogischen Forschungsanstalt in München konnten RÜDIN1 und LUXEMBURGER. 2 eine gute Übereinstimmung zwischen theoretischer Erwartung und Erfahrung im Sinne eines dimer-rezessiven Erbgangs der Schizophrenie fest­ stellen3. Auch die Zwillingsuntersuchungen an ein- und zweieiigen Paaren bestä­ tigen die besondere Erbbedingtheit der Schizophrenie. Die Diskordanz bei ein­ eiigen Zwillingspaaren in bezug auf Schizophrenie beträgt nur 25%. Dies spricht klar für die Komplementaritätsbeziehung der Erbgenese und der Psychogenese im Rahmen der Schizophrenie. Auf Grund dieser Tatbestände ist unseres Erachtens die Existenz eines spe­ ziellen Ich-Triebes bewiesen. *

Unsere nächste Aufgabe besteht nun darin, daß wir die 16 möglichen Vektor­ bilder des Vektors Sch, also die 16 «Ich-Bilder», nach dem bekannten Schema der Tabelle 4 dieses Buches der Reihe nach in ihren physiologischen und pathologi­ schen Deutungsformen behandeln. Hier müssen wir vorerst die Begriffsunter­ schiede zwischen Ich-Bild und Ich-Abwehrmechanismus kurz erörtern. Ich-Bild heißt im allgemeinen das aktuelle, klinische oder charakterologische Er­ scheinungsbild der betreffenden Ich-Funktionen. Ich-Bild ist quasi ein besonderer Niederschlag bestimmter Ich-Funktionen. Hingegen verstehen wir mit S. FREUD unter Ich-Abwehrmechanismen die besonderen Formen, in denen das Ich die ver­ schiedensten Triebgefahren abzuwehren versucht. Die Einzelfunktionen (Uni­ funktionen) wie auch die zusammengesetzten Bi-, Tri-, Quadritendenzen haben somit ichpsychologisch zwei Deutungsaspekte: 1. einen klinisch-phänomenologischen (Ich-Bild) und 2. einen funktionellen abwehrtechnischen Aspekt. So heißt z. B. Sch H als Ich-Bild das autistische Ich, als Ich-Abwehrmechanismus die Introprojektion. Oder: Sch ± 0 heißt als Ich-Bild «das zwanghafte Dur-Ich», als Ab­ wehrart : Intronegation. Wir müssen bei allen 16 Vektorbildern im 5Z6-Raum beide Betrachtungsarten anwenden.

1. Unitendenzen im Vektor Sch Variationen

II

I

IV

III

Im Vordergrund: Sch

+

o

0

+

0

0

I::i Hintergrund : Sch =

±

±

+

±

±

+

1 RÜDIN, E.: Zur Vererbung und Neuentstehung der Dementia praecox. Berlin, Springer, 1916. 2 LUXENBURGER, H. : Psychiatrisch-neurologische Zwillingspathologie. Zbl. Neur. 56, 145, 1930. 3 VON VERSCHUER, O. : Erbpathologie, Steinkopff, Dresden-Leipzig, 1934. S. 45 und 97 f.

147


Sek

, ::

Variation I Totale Introjektion Egoismus, Egozentrismus Narzißmus, Habmachtsucht

lebpsychologisch bedeutet die totale Introjektion, daß die beiden entgegen­ gesetzten Strebungen eines Triebbedürfnisses aus dem Wunschbewußtsein ge­ räumt (0 p) und beide dem Ich als Inhalte der Habmacht einverleibt wurden (-)- k). Kurz: Ans der Seinsmacbt wurde Habmacht, ans dem Sein Haben. Entwicklungsgeschichtlich bedeutet dieses Ich-Bild, daß das Kind sowohl die frühkindliche Partizipations- wie auch die reaktive Inflationsphase schon hinter sich hat. Es beginnt an Stelle des Eins- und Alles-Seins dem entgegengesetzten Bedürfnis zu frönen und will alles haben (etwa mit 4—6 Jahren). Das bisher eher ein­ fühlsame, nach Einschmelzung drängende, liebevolle Kleinkind wird allmählich egoistisch, egozentrisch, narzißtisch-habmächtig und habsüchtig. Es ist der An­ fang eines materialistischen Kapitalisierungsdranges, in dem manche Menschen lebenslänglich gefangen bleiben. Zur Zeit der Berufswahl (17-20 Jahre) erscheint dieses Ich-Bild wieder häufiger und auch im Berufsalter (21-30 Jahre). Beim Erwachsenen kann die totale Introjektion das sogenannte Berufs-Ich bedeu­ ten. Die Person bewältigt ihre partizipativen und inflativen Seinsansprüche auf die Weise, daß sie ihre eigenen Seinsmöglichkeiten zum Berufsobjekt, bzw. zur Berufsatmosphäre macht. Aus dem Sein wird Haben. War die Person zu stark in der Doppelexistenz der Mutter gebunden und hegte sie nachher inflative Größen­ ideen, oder bisexuelle, erotomanische Regungen, so kann sie im Beruf als Kinder­ gärtnerin, Lehrerin, Kinderärztin, bzw. als Kinderpsychologe, Kinderpsychiater, Psychoanalytiker, Psychiater usf. die ^-Ansprüche und ihre besondere Erb­ atmosphäre sozialisieren. Alle Operotropismen kommen durch totale Introjek­ tion zustande, immerhin erlangen hier die oben erwähnten Professionen eine be­ vorzugte Stelle. Klinische Psychologie: 1. Sexuelle Abweichungen, die auf dem Wege von BlitzIntrojektionen eines affektgeladenen traumatischen Erlebnisses zustande kommen. Als solche gelten: Fetischismus, Exhibitionismus, Voyeurtum, Sadomasochismus. Weil die Person ein affektbeladenes Aktualbild dem Ich einverleibt hat, sucht sie fortan immerfort die nämliche Ursituation1. 2. Melancholie und Depressionen, aber ww M M/nyAWw* dbr 3. mit kosmischem und magischem Allmachtswahn. 4. Epileptiker nach einer paranoiden Phase. 5. Zwangsneurotiker, bei denen durch eine Psychotherapie oder auch spontan der verdrängte Teil des krankmachenden Anspruchs (Sadismus, Analität, Homo­ sexualität) schon aufgelöst wurde. (Bis dahin geben Zwangsneurotiker das Zwangs-Ich-Bild Sch E 0.) 6. Auch intellektuell minderwertige Personen können auf dieser Stufe hängenbleiben. Charakter^üge, welche das totalintrojektive Ich begründen, sind: 1. Extraversion: Wendung des Interesses nach außen; 2. Positivismus, Rationalis­ mus, trockene Nüchternheit; 3. Kälte, Härte, Strenge; 4. Wissensdrang %ur Hebung der Habmacht; 5. Formliebe, Liebe zur Logik, Ordnungssinn; 6. Gemütskälte oder 1 a) Ich-Analyse, S. 199ff. und b) Triebanalyse, S. 378. 2 Später liefern Melancholiker das postdepressive Syndrom, in dem nach U. tion führt. Szondiana II, 1955. S. 62.

148

MOSER

die — ^-Reak­


Gemiitslosigkeit; 7. Egoismus, der dem Kleinkinde ähnelt; 8. Habsucht; 9. IchBecpgenbeit, Ich-Zentriertheit in allen Weltsituationen; 10. Eigen- und Starrsinn ; 11. Autismus; 12. Reaktionsbiidungen im Ich (im Sinne von FREUD); 13. SichAbsperren. Krimina/psjchologisch sind im besonderen Eigentums- und SittlichkeitsàcYùXe, wichtig. Das komplementäre Ich-Bild der totalen Introjektion (Sch 0) ist die Ent­ fremdung {Sch •— i). Beide zusammen machen das ganze Ich aus (Sch dz zt)Diese hintergründige Ich-Funktion der Entfremdung kann episodisch oder sogar zeitweise simultan die Habmacht der Person ernstlich stören. Die Person, welche die Welt fest in ihrem Besitz zu halten wähnt, wird plötzlich, oft schlagartig, unsicher und hat das unbehagliche Gefühl, daß die eroberte Welt ihr zerrinnt. (Näheres siehe bei der Erörterung des entfremdeten Ichs.) k

p

0

+

Variation II Totale Inflation Verdoppelung des Ichs A mbitendon-^ Besessenheit Seinsmachtsncht

Ichpsychologisch wurde die totale Inflation von uns bereits erörtert1. Sie ist die

dk U«A^2%j dkr

und besteht

bekanntlich darin, daß das Individuum bei der Abtrennung einen großen Teil der Seinskraft der Mutter an sich reißt und somit seine eigene Existenzmacht ver­ doppelt. Daher die Ambitendenz = Beides-Sein (Mutter und Kind, Mann und Frau usf.). Inflation heißt aber nicht nur Verdoppelung, sondern auch Alles-Sein. Da hier die systolische, einengende ^-Funktion fehlt (0 k) oder in bezug auf die große Inflation relativ schwach ist, wähnt das Ich, sich fast grenzenlos ausdehnen zu können. Daher die Ich-Gefahr. Entwicklungspsychologisch wurde erwähnt, daß wir das Wonnesaugen (Lutschen) und die M asturbation des Kleinkindes als die ersten Erscheinungsformen der IchVerdoppelung und der ichhaften Besessenheit auffassen. Das Kleinkind wird in seiner Ich-Existenz Mutter und Kind. Es entschädigt sich für die verlorene, para­ diesische Doppelexistenz mit der Mutter in der Realität durch Beides-Sein in der Phantasiewelt. Ein Vorgang, den wir bei entwicklungsgestörten erwachsenen Neurotikern des öfteren antreffen. Unter normalen Umständen - nach der Puber­ tät - geschieht diese Ausweitung des Ichs durch Liebe - oft auch durch bisexuelle Liebe - durch Besessenheit mit höheren dichterischen, philosophischen, wissen­ schaftlichen oder religiösen Ideen, die alle im Grunde das Wunschbewußtsein er­ weitern und die Urpartizipation an der Mutter ersetzen sollen. Darum müssen wir auch von einer physiologischen Inf lation sprechen, im besonderen bei geistig ange­ regten Individuen zwischen 20 und 40 Jahren. Klinische Psychologie: 1. Inflationswahn (Erotomanie, Größenwahn, Querulanz, Religionswahn), im besonderen mit Überdruck (Sch 0 + !, 0 + ! !, 0 + ! ! !) bei inflativen Paranoiden. 2. Eifersuchtspsychose (auch mit Sch — E 0- 3. Latente Biund Homosexualität. 4. Paranoid auf epileptischer Basis (BUCI-IHOLTZ). 1 Ich-Analyse, S. 177, 180f., 182, 191, 341 ff. (Tab. 11), 436.

149


Charaktersßige der totalen Inflation: 1. Neigung zur Allheit im Sein; 2. Voll­ kommenheitsdrang; 3. Neigung zur Dichtung, Erfindung; 4. Drang zum Herr­ schen; 5. zum Esoterischen; 6. Fanatismus, Schwärmerei; 7. passive Identifizie­ rung im Sein; 8. Exaltiertheit; 9. Ambitendenz; 10. Sektierertum; 11. Hinterlistig­ keit, Intriganz; 12. Überheblichkeit, Stolz; 13. Querulanz, Nörgelei; 14. Rivali­ sierung; 15. Labilität, Neigung zu übertriebenen Leistungen. Kriminalpsychologisch: 1. Affekttotschläger; Mord aus Eifersucht (H. WALDER1 und E. STUMPER2)Das komplementäre Ich-Schicksal des inflativen Ichs ist das paroxysmale Aus­ reißer-Ich (Sch y —). Daher der Wandertrieb des inflativen Menschen. p

0

Variation III Verdrängung* Das neurotische Ich

Ichpsychologisch geschieht im Ich-Leben bei der Verdrängung folgendes : 1. Die stellungnehmende Funktion (k) verneint die Triebregungen, die in das Wunsch­ bewußtsein eingedrungen sind, und räumt sie mit Gewalt. Daher: die 0 /»-Reak­ tion. 2. Die Evakuation der verpönten Triebregungen aus dem Wunschbewußt­ sein kann aber auf die Dauer nur dann aufrechterhalten werden, wenn die systo­ lische Verdrängung (—k) konstant wird. Daher: die fast durchgehende negative Reaktion k bei der neurotischen Verdrängung in einer Zehnerserie. Zu der experi­ mentellen Ich-Psychologie der Verdrängung gehört noch die Tatsache, daß das Verdrängungs-Ich-Bild - oft in der gleichen Zehnerserie - durch das Hemmungs­ h ersetzt wird, ein experimenteller Beweis dafür, daß das verpönte bild : Sch Bedürfnis noch vor der Verdrängung - des öfteren auch nach der Verdrängung in der Tat das Wunschbewußtsein besetzt hat (+ p). Entwicklungspsychologisch konnte die experimentelle Ich-Analyse die Behaup­ tungen S. FREUDS in bezug auf die Verdrängungen der Sexualität beim Kleinkind bestätigen. Wir treffen das verdrängende Ich schon in der ersten Pubertät (3-4 Jahre), in der Vorpubertät (9-12 Jahre) bis zum Ende der Reife (17-20 Jahre), also zu Zeiten der sexuellen Krisen. Die klinische Psychologie der Verdrängung umfaßt an erster Stelle das ganze Gebiet der Neurosen und auch einen weiteren Teil der Psychosen. Bei den Neurosen führt unter den Ich-Funktionen die Verdrängung 1. bei der Phobie als Angsthysterie, 2. bei der Konversionshysterie, 3. bei den meisten Sexual­ störungen mit geschlechtlichen Minderentwicklungen. Unter den Psychosen finden wir dieses Ich: 1. bei dem katatoniformen Negativis­ mus, zumeist mit Überdruck (— ! k, — ! ! kl). W ir deuten diese Hypertonie der Negation in dem Sinne, daß diese Schizophrenen IPa&nw/f am/ die Halluzination die Bremsen des verneinenden Ichs maximal anspannen müssen, um aus der unerträglichen Wahn- und Trugwahrnehmungswelt des Paranoiden sich retten zu können. Unsere Auffassung von 1947 (I. Auflage dieses Buches), nach der die Katatonie einen spontanen Selbstheil ungsprozeß des Paranoiden darstellt - ähnlich 1 WALDER, JH.: Triebstruktur und Kriminalität. Abhandlungen zur cxp. Triebdiagnostik und Schicksalspsychologic. Nr. 1. Huber, Bern, 1952. S. 29f. 2 S TUMPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Huber, Bern, 1956. S. 136. 8 Die Benennung und Sinngebung dieses Ich-Bildes hat sich seit der ersten Auflage (1947) verändert.

150


wie die Manie ein Heilungsversuch des Ichs gegen die Melancholie ist - wurde in den letzten %ehn Jahren bekräftigt. 2. Die Verdrängung mit Überdruck ist des öfteren ein brauchbares Signal für die latente Selbstsprstörung, im besonderen bei Selbst­ mordkandidaten, wie auch bei wahnhafter Trunksucht, Autothanatomanie1, Tötungs- und Zerstörungswahn. Charakterfige des Verdrängungs-Ichs: 1. Die «feierliche» Sprache, mit der es den Hörer erobern will; 2. es bemüht sich nach außen stark zu erscheinen, ist aber im "Grunde weich; 3. es neigt zum moralischen Masochismus; 4. und ist zur Hingabe bereit; 5. Unbehaglichkeit, Angst vor der Welt und vor sich selber; 6. Schöngeist­ natur; 7. unechte Neigung zu Ethik, Religion, Kunst, Geisteswissenschaften; 8. Sprachbegabung, Musikalität; 9. es klebt am Alten und sucht das Neue; 10. sein Talent verwirklicht es nur selten. Kriminalpsychologie: Bei Dieben und Einbrechern fand H. WALDER auch Ver­ drängungsbilder2. In der Untersuchungshaft müssen ja diese Diebe und Ein­ brecher ihren Drang zum Haben (+ ! k) unterdrücken. (Hier zeigt sich die Not­ wendigkeit der Deutung des Hinter-Ichs.) Das komplementäre Ich-Bild der Verdrängung (Sei: — 0) ist das Ich, welches die Verlassenheit bzw. die Weiblichkeit annimmt (Sch T dz)- Dieser Umstand macht uns darauf aufmerksam, daß manche « Verdränger» eigentlich ihre hintergründige Ten­ denz v>ur A.n nalme der Weiblichkeit verdrängen. I m Hintergrund: dz P = Weiblich­ keit, -|- k = Annahme. Im Vordergrund Sch — 0 = Verdrängung des Hinter­ gängers. Triebdiagnostisch ist dies wichtig, denn manche latent-homosexuellen Männer wie auch lesbisch veranlagte Frauen hefern im Vordergrundtest das Bild der Verdrängung. Das Nichtinbetrachtziehen des komplementären Hintergängers hat manche Testologen diesbezüglich in die Irre geführt. Darum betont die dyna­ mische Triebdiagnostik so stark die Wichtigkeit der zweidimensionalen Deutungs­ technik, d. h. der Deutung auf Grund des Vordergängers (VGP) und gleichzeitig auf Grund des theoretisch-komplementären Profils (ThKP). Variation IV Totale Projektion Partizipation Das paranoide Ich

Ichpsychologisch stellt dieses Ich-Bild den frühesten Zustand des Ich-Lebens dar. Es ist unseres Erachtens die Urform des Ichs : die Partizipation, die anfängliche Dual­ existenz mit der Mutter. Natürlich besteht diese reale Partizipation funktionell in einer Projektion (— p) ohne Bewußtwerdung (+ p) und ohne jegliche Stellung­ nahme (0 k). Wir betonten bereits, daß das Frühkind bei dem partizipativen Eins­ sein und Gleichsein (Ich-Identität) mit der Mutter in Form einer Dualunion seine eigene Existenzkraft auf das Ich der Mutter überträgt. Die sogenannte Geborgen­ heit entsteht durch die völlige Teilnahme an dieser Doppelmacht. Durch die Vereinigung der zwei Existenzkräfte, durch die wechselseitige Macht­ übertragung, d. h. durch die Projektion der Existenzkraft von dem Kind auf die Mutter und von der Mutter auf das Kind, ist dieses Doppeldasein der mächtigste Schutzwall gegen alle drohende Gefahren der Außenwelt. Es ist die noch nicht 1 Ich-Analyse, S. 444, 445, 446, Abb. 18, 19, 20. 3 WALDER, H.: Zit. Arbeit, S. 60ff. Siehe auch Abb. 24, wo — ! !k mit 0p von einem der gerissen­ sten Diebe und Einbrecher geliefert wurde.

151


getrennte Doppelwelt von Ich und Du, in der die Spaltung der Welten in Ich- und Du-Welt, d. h. der Dualismus noch nicht eingetreten ist. (M-duale Phase nach PIAGET.) Wir hegen die Meinung, daß dieser Drang des Ichs nach Eins- und Ver­ wandt-, Vereint- und Gleichsein mit dem Mutter-Ich die humanste Strebung des Menschen darstellt. Ein Drang, der von der Geburt bis zum Tod das ganze IchLeben beherrscht und niemals aufhört, im Ich zu wirken. Der Partißipationsdrang ist diegewichtigste Ich- Triebtendeim Menschen. Die Tragik im Ich-Schicksal des Ein­ zelnen sehen wir in den folgenden zwei uniiberwindbaren Umständen: Erstens, daß die jetzigen Kultur- und Zivilisationseinrichtungen immer mehr Störfaktoren diesen Partizipationsansprüchen entgegenstellen. Während der Naturmensch im Urwald seine Partizipationsansprüche in mystisch-religiöser Form mit den Totemobjekten hemmungs- und störungslos zu befriedigen vermag, wird das Kultur­ kind früh von der Mutterbrust und aus der Geborgenheit einer Dualexistenz weggerissen. Der zweite Umstand ist der, daß unsere Gesellschaft unfähig gewor­ den ist, dafür zu sorgen, daß der Partizipationsanspruch durch entsprechende Ersatzobjekte befriedigt werden könnte. Wir sehen in diesem Mangel an Parti­ zipationsmöglichkeiten das Krebsübel der Gegenwart. Entwicklungsgeschichtlich ist somit die totale Projektion die erste, noch unbe­ grenzte Stufe in der Ich-Entwicklung. Wir vermuten, daß sich das Ich eben darum durch Einschaltung neuer Ich-Funktionen fortentwickeln muß, weil die Urprojektion - als Partizi­ pation -für es unmögl ich geworden ist. Nach Untergang der Urpartizipation beginnt die sogenannte sekundäre Projektionsphase des Ichs, in der das Kleinkind - noch vor dem Beginn der Sprache - die Mutter durch Heulen und Aggressionen (Beißen der Brüste) stumm «anklagt», daß sie es verlassen hat. Hier beginnt unseres Erachtens die Paranoidisierung des menschlichen Geschlechtes, die eben durch die Abkürzung der Partiefpationsperiode von Alu tter und Kind mit der Zivilisation grauenhaft anwächst. In der Tab. 28 (I. Aufl.) wird aufgezeigt, daß die weiteren Schritte der Ich-Ent­ wicklung ebenfalls nur Folgezustände der Partizipationsstörung sind, und daß mit den Jahren nur die Abwehrarten gegen das Alleinsein sich verändern. Bei Klein­ kindern, deren Intelligenzgrad die Ausführung des Testes ermöglicht, finden wir zwischen 3-8 Jahren des öfteren das Bild der totalen Projektion. Ichpsycholo­ gisch bedeutet Sch 0 —- bei Kindern - wie auch bei Erwachsenen - an erster Stelle den Wunsch nach ichhafter Geborgenheit, nach Einssein mit der Mutter, das Urvertrauen, d. h. den Partizipationsdrang. Im Greisenalter kehrt dieses erste IchBild immer stärker zurück (80-90 Jahre), vermutlich darum, weil die Kraft der Stellungnahme gegenüber den Projektionen mit dem Altern stets kleiner wird. Damit hängt auch das «physiologische Paranoid» der Greise zusammen. In der klinischen Psychologie bedeutet ein häufig wiederkehrendes ProjektionsIch: 1. Dasprojektive Paranoid bei Erwachsenen, im besonderen mit Überdruck, zu­ meist mit Wahnbildungen (Verfolgungs-, Beziehungs-, Beeinträchtigungs-, Be­ obachtungswahn und Halluzinationen1). Auch ohne Überdruck, aber in gehäufter Form und mit anderen Spaltungssymptomen zusammen (S ; PO-—; ; Sch 0 —; C fi ; 0 —) ist die Diagnose des projektiven Paranoids höchstwahr­ scheinlich. 2. Bei schweren Akyeptationsneurotikern (-j- ! m, -j- ! ! ni) finden wir ebenfalls die totale Projektion: 1 Vgl. hiezu: Ich-Analyse, S. 425-436.

152


Sch

"F=

—+ ! " 0

+ ! I

Hier muß die Anklagesucht gegenüber der Mutter und Umwelt nicht den Grad von Wahnbildung erreichen, die Person kann an der Grenze der Psychose stehen­ bleiben. Bei dem^Kastrationskomplex ist klar, daß hier ebenfalls der ungestillte Par­ tizipationsdrang zu der Akzeptationsneurose geführt hat. 3. Die bekannte Kom­ bination des Paranoids mit Epilepsie wird testologisch bestätigt1. Cbarakterologische Ziige der totalen Projektionen: 1. infantiler Partizipations­ drang; 2. Minderwertigkeitsgefühl (Mikromanie); 3. Mißtrauen; 4. Ressenti­ ment; 5. Streitsucht; 6. Verschlagenheit; 7. Neigung zu Meditation, zum mystisch­ okkulten Denken 8)>das ew ige Suchen eines Partizipationsobjektes - in der realen Welt oder in der Wahnwelt -, mit dem die Betroffenen quasi identisch, eins und gleich sein wollen. Da dies aber ihnen nicht gelingt, verharren sie in einem anklage­ süchtigen Alleinsein oder sie erkranken in irgendeiner paranoiden Form. Die kriminologische, forensisch-psychiatrische Bedeutung des projektiven Para­ noids wurde bei polymorph-perversen Kriminellen, Raubmördern und Affektotschläger von H. WALDER2, L. WURMSER3 und vom Verfasser4 betont. Als der entsprechende komplementäre Ich-Zustand zum Projektions-Ich fungiert das besessene Zwangsarbe iter-Ich (Sch i +). Damit wird der allgemeinste Heilungs­ weg des Paranoiden durch zwangshafte Arbeit sozialisiert5.

2. Bitenden^en im Vektor Sch a) Horizontale Teilung: Legierung II

1

Variationen Im Vordergrund: Sch =

+

+

Im Hintergrund: Sch =

+

+

Sch5

::

Variation I Introinflation Alles-Sein und A/les-Habe). Totaler Narzißmus Totales Macht-Ich

Ichpsychologisch weist dieses Ich-Bild darauf hin, daß das Ich in zwei Richtun­ gen zur Macht kommen will: 1. durch A.lles-Sein (-j- p), 2. durch Alles-Haben 1 STUMPER, E. : Triebstruktur und Geisteskrankheiten, Huber, Bern, 1956. S. 118, Fall 23, Profile Nr. V, VIII, X. 2 WALDER, H. : Triebstruktur und Kriminalität. Huber, Bern, 1952. S. 39, Fall 6, S. 44, Fall 11, S. 52, Fall 20. 3 WURMSER, L.: Raubmörder und Räuber. Kriminalistik. Vertag für kriminalistische Fachliteratur, Hamburg, 1959. S. 130 ff. 4 SZONDI, L.: a) Exp. Triebdiagnostik. I. Aufl., 1947, S. 264, Tab. VI; b) Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, S. 386ff., Abb. 51 (Profil V, VI). 5 Näheres siehe Ich-Analyse, S. 287ff.

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(+ k). Dieser doppelt gerichtete Machtanspruch macht das Ich sowohl im Sein wie im Haben in einer gefahrbringenden Form narzißtisch (totaler Narzißmus). Allerdings muß hier behauptet werden, daß diese Art des Narzißmus auf das Schicksal der Person und ihrer Umwelt stets weniger gefahrdrohend sich auswirkt als in den Fällen, in denen die Inflation (Sch 0 +) oder die Introjektion (Sch + 0) ohne jegliche intervektorielle Steuerung allein das Ich-Leben bewältigt. Bei der Introinflation ist die Besessenheit eben dadurch gemildert, daß das Ich einen Teil der inflativen Seinsansprüche in der Realität, materiell, doch zu verwirklichen ver­ sucht. Anderseits kann das kapitalisierende, materielle Ich niemals sich der Welt mit Gewalt bemächtigen, da die ideelle oder geistige Inflation der einseitigen Materialisierung des Ichs entgegenwirkt. In diesem Sinne stellt das introinflative Ich eine relative Legierungstendenz dar. Sie entfaltet sich jedoch nur im Falle einer gelungenen Sublimierung der Sexualität (d. h. mit S oder S — 0 zusammen) in einer geistigen Berufstätigkeit wie z. B. Psychologie, Medizin, Psychiatrie, Schriftstellertum und geistiger Arbeit aller Art mit machtsüchtigen Reformer­ ideen. Ist die Sublimierung des Sexus nicht gelungen (S + ! 0, S + ! + !, S + ! E, •5"+ ±»^±±>•3' + ! — !, L 0 — ! usw.), so sichert die relative Legierung im Ich die Person nur wenig gegen die Gefahr des totalen Narzißmus. Enhvicklungspsjchologisch ist zu erwähnen, daß dieses totalitäre Machtbild bei den 20-30jährigen zweimal so häufig anzutreffen ist wie in der Durchschnitts­ bevölkerung. Auch in der zweiten Pubertät (12-16 Jahre), im besonderen gegen Ende der Pubertät ist der totale Narzißmus, d. h. der Drang alles zu sein und zu haben, häufiger. Im hohen Alter verschwindet dieser Drang fast völlig und über­ gibt seine Stelle der totalen Projektion. Die klinische Psychologie der Introinflation : 1. Paranoide Schizophrenie bei J ugendlichen mit irrealen Macht- und Ohnmachtideen. 2. Plaltlose Psychopathie mit einem Einschlag von Schizomania bzw. Schizomelancholie. 3. Paroxysmale Erkrankun­ gen mit dem sogenannten «Kainkomplex»; Migräne, atypische Anfälle und ver­ schiedene Äquivalente der Epilepsie. 4. Anlage zurQjierulanz- 5. Psychischer Herm­ aphroditismus, eventuell Transvestismus. Charakterologische Züge: 1. LIumanisierungstendenz; 2. Kreuzwegmenschen, die stets an der Ecke stehen und denken, ohne sich in irgendeiner Richtung end­ gültig entscheiden zu können; 3. hochstrebende Intellektuelle mit zu hoch gesetz­ tem Ich-Ideal, Schöngeisterei; 4. Doppelgeleisigkeit; 5. Ich-Bezogenheit, Nar­ zißmus; 6. hochanständige Menschen, mit denen auf die Dauer auszukommen doch unmöglich ist; 7. Unzufriedenheit; 8. Unbeeinflußbarkeit; 9. Unordnung ; 10. Wechsel von Treue und Untreue. Die kriminalpsychologische, forensische Bedeutung der Introinflation ist äußerst gering, da ja die ses Ich eine große Sublimationsbereitschaft aufweist. H. WALDER fand dieses Ich bei einem Exhibitionisten mit latenter Homosexualität1, ferner bei einem Metzgerraubmörder mit S ! !2. Wir fanden die Introinflation bei einem Kriegsverbrecher 3. Das ergänzende Ich-Bild der Introinflation ist das Drill- oder Anpassungs-Ich (Sch ). 1 WALDER, H.: Zit, Arbeit, S, 58, Abb. 19, Profil II. ' WALDER, H. : Zit. Arbeit, S. 40, Abb. 8, Profil V.

3 Tricbpathologic, Bd. I. Triebanalyse, S. 387, Abb. 51, Profil X.

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Sch6

z,

=

—!! — Ml

— —

Variation II Projektive Negation Anpassung Das Drill-Ich Mit Überdruck : Das destruktive leb

Ichpsychologisch stellt das projektive Negations-Ich das Alltags-Ich eines Men­ schen dar, der zwar seine Triebanspräche in die Welt hinaus verlegt, d.h. er möchte sie in der Welt realiter befriedigen (— p), den aber das stellungnehmende Ich zwingt, auf diese projizierten Ansprüche zu verzichten (— k). Es ist ein graues, freudenloses Ich, von innen und von außen her, auf ewiges Verzichten gedrillt, aber für die Gemeinschaft und den Staat ordnungserhaltend. Anpassung ist somit die Verneinung, das Verzichten auf Wunschprojektionen. I st aber die vernei­ nende Kraft zu stark, so besteht stets die Gefahr einer Auto- oder Allodestruktion (.Sch — ! —, Sch — ! ! —, Sch — ! ! ! — ). Entwicklungsgeschichtlich erreicht die Anpassung in den 40er Jahren ihren Höhepunkt. Natürlich finden wir bei Kindern unter zwölf Jahren das Drill-Ich am seltensten. Die klinische Psychologie des Drill-Ichs beginnt erst bei der Überdruckform inter­ essant zu werden. 1. Manie (Sch — ! —, Sch — ! ! — mit S -j—(- !, S -f- ! + ! ! usw.). 2. Paralysis progressiva, oft mit Überdruck im — ! p. 3. Destruktive, agierende Kata­ tonie (Sch — ! ! —, Sch — ! !0). 4. Seltener bei Angst und Konversionshysterie. 5. Selbstmordgedanken (mit C ). Die Charakterologie des Drillmenschen: Im Geschlechtsleben unwählerisch; er ist stets marschbereit (j" ++, -f !+,+ + !); 2. er ist weder gut noch böse, ist selbst gedrillt und drillt alle, die ihm untergeordnet sind; 4. seine Welt ist grau-real, farb­ los, ohne jegliches Ideal; er lebt scheinbar für die Arbeit, aber nur aus Drill; 5. zur Zeit der Revolutionen dreht sich sein Ich plötzlich um und strebt nach Macht, nach Alles-Sein und -Haben. Dies ist das stets im Hintergrund lauernde Ich {Sch -| —|-) der Drillmenschen. Kriminalpsychologisch sind ebenfalls nur die DrillTch-Bilder mit Überdruck im k- oder p- oder in beiden Ich-Faktoren von Wichtigkeit. H. WALDER fand die destruktive Form der projektiven Negation bei Dieben1 und Exhibitionisten2, wir fanden sie bei einem 68jährigen Bäcker, einem Trinker und Kindsmörder3. In den forensischen Fällen muß man natürlich bei der destruktiven, projekti­ ven Negation stets daran denken, daß die Leute in Haft oder in der Haftunter­ suchung das Täter-Ich in den Hintergrund gestellt haben: Sch -|- ! +, + ! + !, + !!-(-! usw. b) Vertikale, zwangsartige Teilung des Ich-Triebes II

I

Variationen Im Vordergrund: Sch =

±

o

0

±

Im Hintergrund: Sch =

0

±

±

0

1 WALDER, H.: Zit. Arbeit. S. 65, Fall 34. a WALDER, H.: Zit. Arbeit. S. 57, Fall 24. 3 SZONDI, L. : Triebpathologie, Bd. I. S. 403,

Abb. 54, Fall 37.

155


Sch7

k

p

i

0

Variation I Intronegation Zwangsmecbanismtts Das männliche D ur-Ich Das Zwangs-Ich

Ichpsychologisch deckt das experimentelle Zwangs-Ich folgende Vorgänge auf: Das gefahrbringende Bedürfnis wird derart aus dem Wunschbewußtsein geräumt (0 p), daß die eine Strebung - zumeist die sozial-negative - verdrängt (— k), die entgegengesetzte hingegen - die sozial-positive - dem Ich und dem Charakter ein­ verleibt wird (-(- ^). So können z. B. der Sadismus, die Analität, der Analsadismus usf. durch Ver­ drängung aus dem Wunschbewußtsein geräumt, hingegen die Mildheit, die über­ triebene Reinlichkeit dem Charakter einverleibt werden. Im Abwehrmechanismus des Zwanges wirken somit gleichzeitig zwei IchFunktionen als Abwehrarten mit:

1. 2. die Introjektion: Deshalb nennen wir den Zwangsmechanismus: Intronegation. Entwicklungsgeschichtlich erreicht der Zwang in der zweiten Pubertät (13-16 Jahre), teilweise in der ersten Pubertät (3-4 Jahre), in der Präpubertät (9-12 Jahre) und in der Vorlatenzperiode (5-6 Jahre) den Höhepunkt, also stets zu Zeiten, wo die Aggression und die Analität relativ groß sind und von der Umwelt verpönt werden. Die klinische Psychologie hat bewiesen, daß dieses Ich-Bild bei folgenden Er­ krankungen die häufigste Ich-Funktion darstellt: 1. Zwangsneurose mit Zwangs­ handlungen; 2. Hypochondrie; 3. Konversionshysterie; 4. Zwangswahn bei Psychosen. Charakterologisch begründet die Intronegation die sehr ausgeprägten Züge des Zwangscharakters. Diese sind: 1. hyperethische, hyperästhetische Verhaltensart: Selbstlosigkeit, Mitleid, Gewissenhaftigkeit, Gerechtigkeit, Reinlichkeit, Pünkt­ lichkeit, Ordnungsliebe, Pedanterie; 2. Empfindsamkeit; 3. Stimmungsschwan­ kungen; nach außen gefühlsarm, nach innen erregt; 4. Ängstlichkeit; 5. Eitelkeit, Stolz (im besonderen auf das Wissen und den Intellekt); 6. Selbstbeherrschung; 7. geistige Anpassung; 8. sexuelle Schwäche; 9. Selbsterhaltungsschwäche; 10. Klebrigkeit, Langsamkeit; 11. Pessimismus; 12. Grüblerei, Zweifel, Skrupel und Vorwurfssucht; 13. Aberglaube; 14. mechanische Zwangsimpulse (Zupfen, Krat­ zen, Klopfen usf.); 15. Zahl-, Rechen-, Registergedanken; 16. tragische Traurig­ keit und Kontaktlosigkeit. Kriminalpsychologisch finden wir Zwangs Charaktere bei Einbrechern.

Der Zwangsmechanismus begründet das sogenannte männliche Dur-Ichx, des­ sen Hauptzüge sind: Dominanz der Systole (i k), die sich sowohl in der Kraft der Einverleibung wie auch in der der Verneinung und der Destruktion zu mani­ festieren vermag; Habidealbildungen, Habsucht, Flabnarzißmus, Realismus, Herrscher und Untertan in einer Person; Ambivalenz, Dominanz von Verboten 1 Näheres siehe: Ich-Analyse, S. 276ff., Tab. 8.

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(Tabus), Extraversion, pedantische Realitätsprüfung, Anlage zum Patriarchat; Rationalismus, Positivismus, Materialismus im Denken. Diese Züge des Dur-Ichs können natürlich sowohl bei Männern wie bei Frauen den Charakter prägen. Als Hintergänger des Zwangs-Ichs fungiert das stets vorhandene verlassene Moll-Ich. Variation II Inflative Projektion Das verlassene leb Das «kastrierten leb Das weibliche Moll-Ich

sch8 : :

lebpsychologisch weist Sch% f olgende Ich-Funktionen auf: Die eine Strebung des Gegensatzpaares wird auf ein fremdes Objekt projiziert (Sch 0 •—); die andere Strebung will das eigene Ich im Sein ausweiten (Seh 0 +). Als klassisches Beispiel führen wir das weibliche Ich an. Es projiziert seine eigene Männlichkeit (Animus nach C. G. JUNG) in die Außenwelt (Sch 0 —) und sucht sich den Mann, den es latent in sich trägt. Dabei will es aber selbst Frau sein (jZ& 0 +).

Der homosexuelle Mann, der oft dasselbe Ich-Bild Sch 0 ± liefert, macht das nämliche. Er sucht den Mann, den er aus seiner Seele hinausverlegt, aber als Lie­ bespartner wählt und dem er selbst die Frau sein will. Die inflative Projektion weist aber - neben dem weiblichen Ich - auch auf Verlassenheit der Person hin. Sie ist nämlich durch die vertikale Teilung der Ich-Triebtendenzen eben von dem männlichen Dur-Ich (Sch A 0) verlassen. Mit dieser Teilung der vier elementaren Ich-Tendenzen hängt auch zusammen, daß das inflative Projektions-Ich des öfte­ ren den Kastrationskomplex bei beiden Geschlechtern bedeutet. Entwicklungspsychologisch ist dieses Ich am häufigsten im Kleinkindesalter, in der Präpubertät (9-12 Jahre) und im Klimakterium (40-60 Jahre) zu finden. Die klinische Psychologie: 1. Passive Homosexualität beim Manne (im besonderen mit .5" H ; P -| ; P 0 —; C -|—[-). 2. Sprunghafte Heboidie (mit Überdruck im — ! by, —• ! k, — ! p). 3. Prämorbide Phase des Paranoiden (mit diagonalen Spaltun­ gen im uf, P und C). 4. Seltener : Konversionshysterie. Charakteralogische Züge: 1. Weichheit, Effeminiertheit ; 2. Wunsch begehrt, um­ worben, beschenkt, geführt zu werden; 3. Tendenz, in dem Partner aufzugehen; 4. Sentimentalität; 5. Weltschmerz; 6. Einsamkeit, Verlassenheitsgefühle; 7. De­ mut; 8. warmes Empfinden; 9. intuitives Einfühlen; 10. maßlose Subjektivität; 11. Beeinflußbarkeit; 12. schlechte Raum- und Zeitorientierung; 13. lyrisch­ mystische Interessen; 14. alogisches, akausales, oft auch okkultes Denken; 15. Schwäche im Kampf ums Dasein; 16. Unfähigkeit zur Annahme des Abgetrenntseins. Kriminalpsychologische Bedeutung: 1. Homosexuelle Kriminalität; 2. Affekttot­ schläger aus Eifersucht. *

Als das weibliche Moll-Ich wird der Charakter wie folgt geprägt: Vorherrschen der Diastole mit der Anlage zur Verdoppelung, zur Inflation (+ p); Wunsch nach Partizipation (— p); Neigung zur Projektion, Anklagesucht und gleichzeitig Sucht nach Einschmelzung; Idealismus mit hochgesetzten Seinsidealen; Seinsmachtstrebungen (Alles-sein-Können); Seinsnarzißmus; Introversion (Mit- und 157


Sich-Erleben); Matriarchatsansprüche ; Irrationalismus, Irrealismus, Immaterialismus, Idealismus, Geistigkeit im Denken. Als Hintergänger des weiblichen Moll-Ichs fungiert sukzessiv oder simultan stets das männliche, zwangshafte Dur-Ich. *

I

Variationen

II

Im Vordergrund: Sch =

+

+

Im Hintergrund : Sch —

+

+

Sch, tp-

Variation I Introprojektion Autismus Das Trot^-Icb

Ichpsycbologiscb besteht der unbewußte Vorgang bei der Introprojektion darin, daß die hinausverlegten Strebungen (— p) dem eigenen Ich einverleibt werden (-f- k). Während also bei der totalen Projektion (Sch 0 •—) die hinausverlegten Strebun­ gen des Ubw auf die Umweltobjekte gerichtet sind, ist bei der Introprojektion das eigene Ich der Empfänger und Auffänger aller Triebstrebungen, die aus dem Ubw hinausverlegt werden. IPww abr dzf Ad a/A y&wpn&df W aa-

w'mm/ -

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Ad

w wfd/

ffr-

Zichten geneigt ist. Es fehlt die — ^-Funktion. Nach E. BLEULERS Begriffsbestimmung ist der Autismus jene besondere Form des Benehmens und Denkens, bei der das Individuum sich über die Grenzen der Wirklichkeit hinwegsetzt und nach Zielen drängt, die ihm schließlich von seinen Trieben und Gefühlen eingegeben werden. Der Autismus verwandelt somit in «psychische Wirklichkeit» alles, was der Realität sonst widerspricht und was, mit der Logik der Wirklichkeit beurteilt, albern erscheint. Was wird mit dem Autismus bezweckt? E.BLEULER glaubt, daß der Mensch seine heimlichen Wünsche durch das autistische Denken verwirklicht, seine heimlichen Triebbedürfnisse befriedigt und alles, wovor er Angst hat, zur Wirklichkeit macht. Wenn das Kind phantasiert, der Erwachsene träumt, der Schizophrene oder Paranoiker halluziniert und Wahnideen erzeugt, wenn der Dichter oder die Volks­ seele Märchen und Mythologie erfinden, der schöpferische Geist etwas Neues schafft und die offiziellen Schranken der Wirklichkeit durchbricht - dann sagen wir von ihnen, daß sie autistisch denken. B LEULER sagt: «Das autistische Denken macht das Kind zum General, das mit der Puppe spielende Mädchen zu einer glücklichen Mutter.» Durch Autismus verwirklicht sich in der Religion «unsere Sehnsucht nach ewigem Leben, nach Gerechtigkeit und Lust ohne Leid». Im Märchen und in der Dichtkunst gelangen unsere Komplexe auf dem Wege des Autismus zum Ausdruck. Der Autismus zeigt dem Träumenden seine heimlichen Wünsche und Befürchtungen; dem Kranken schafft er eine Wirklichkeit, die wirklicher ist als alles, was wir sonst Realität nennen. Der Autismus macht ihn glücklich in seinem Größenwahn, befreit ihn von jeder Verantwortlichkeit, wenn seine Bestrebungen in der Wirklichkeit vereitelt werden, da er doch die Ursache nicht in der eigenen Unfähigkeit, sondern in seinen Verfolgern sieht. Der Autismus befreit somit das Denken von der Einschränkung, die ihm die Wirklichkeit auferlegt. Er nimmt die Fesseln der Anpassung und des Rapportierens von unseren Handlungen. BLEULER hat den Geltungsbereich des autistischen Denkens in vier Punkten zusammengefaßt. 1. Autistisches Denken greift ein, wenn unsere Kenntnisse nicht ausreichen und unser Trieb nach

158


Erkenntnis zum Weiterdenken zwingt. Die Schöpfung der Welt und des Menschen, der Zweck des Le­ bens und des Menschen, der Ursprung Gottes, der Ursprung der Krankheiten, der Gang der Sonne und des Mondes - sind alles Fragen, die nur das autistische Denken beantworten kann. 2. Autistisches Denken taucht auf, wenn die Wirklichkeit nicht mehr zu ertragen ist. Der Mensch flüchtet sich in den Autismus. So kommen die neurotischen Symptome, die Wahnideen, die Erfüllung der Wünsche im Traum, die Tagesträume usw. zustande. 3. Autistischen Charakter haben die Prozesse im Unbewußten. 4. In den Assoziationen der Träume und der Schizophrenie werden die Lücken in autistischcr Weise ergänzt, Lücken, die so entstanden, daß die Wirklichkeit die Vorstcllungsreihen an bestimmten Punkten geschwächt oder unterbrochen hat. Die «autistische Logik» der Triebe und Affekte führt den Asso­ ziationsprozeß dann weiter1 (STRANSKY).

Dieser klassischen Darstellung des autistisch-undisziplinierten Denkens und Verhaltens müssen wir auf Grund der experimentellen Ich-Analyse folgendes zu­ fügen: BrrAwr, (/d/fw/r ward/, dkr dhr EWmWf (+ 6) «aadstisch» nennen. Denn die Überschreitung der Seinsmachtgt&nzen heißt nicht Autis­ mus, sondern Ambitenden^ oder Inflation (+ p). Wir beschränken somit den Be­ griff des Autismus auf die systolische Fu nktion k und den der Inflation oder Ambitendenz auf die diastolische Tätigkeit p. Dies müssen wir tun, weil die Ergebnisse der experimentellen Ich-Analyse sich nur so mit den klinischen Befunden decken. Zweitens hat schon E. BLEULER selbst den Begriff des Aurismus von dem der Ambitenden^ getrennt. Unter Ambitendenz versteht E. BLEULER die gleichzeitige Anwesenheit solcher gegensätzlicher Tendenzen, die einander sonst ausschließen. (Der Kranke ist z. B. zu gleicher Zeit Gott und Knecht, Teufel und Engel, Mann und Frau usf.). Die Ambitenden£ ist sotnit eine Erweiterung der Seinsmacht, eine Verdoppelung der Existent Dieser diastolische Zustand wird von uns - in Anlehnung an C. G. JUNG - «Inflation» genannt. Inflation ist der Drang beides, d. h. alles pu sein. Hingegen beschränken wir den Begriff des Aurismus auf die grenzenlose Hab­ machtüberschreitung. Aurismus ist somit gleichzusetzen mit dem Drang «alles zu haben». Diese Trennung der Begriffe konnte und mußte sich einstellen, nachdem die experimentelle Ich-Analyse den Ich-Trieb aus dem Bedürfnis der Egodiastole (p) und Egosystole (k) abgeleitet hatte und im Spiegel dieser Trennung auch die kli­ nischen Bilder voneinander genauer zu trennen vermochte. Im Aurismus bejaht (-f k) das stellungnehmende Ich also alle hinausverlegten Strebungen (— p). So wird dieses Ich allmächtig im Haben, oder aber allschuldig in der Selbstanklage (Melancholie), kurz: autistisch und magisch2.

dominiert die Intropmjekrion als Autismus in der «Trot?zperiode» der ersten Pubertät (3-4 Jahre) und teilweise in der Latenzphase (5-8 Jahre). Sie stellt somit ein früh kindliches Ich dar. Hier müssen wir noch er­ wähnen, daß das Kleinkind mit Hilfe der Introprojektion sein Weltbild aufbaut. Es sucht - mit Hilfe der hinausverlegten kollektiven Urbilder der Objekte der Welt - diese Naturobjekte wahrzunehmen, d. h. sie nach Wiederfinden dem eige­ nen Ich einzuverleiben3. Die klinische Psychologie der Introprojektion schlägt klare diagnostische Wege ein: 1. Melancholie, und pwar nur in der sogenannten introjektiven Anfangsphase. Im Ab1 BLEULER, E. :

Lehrbuch der Psychiatric. III. Aufl., 1920. S. 34 und 287. 2 Ich-Analayse, S. 206, 295, 337 (Tab. 10), 373f., 427, 431 ff., 525. 3 Ich-Analyse, S. 209f.

159


schnitt über das Funktionieren des Testes werden wir diese Frage näher er­ örtern. Hier genügt vorderhand die Feststellung, daß die Selbstanklage und der Allschuldwahn der Melancholiker im Sinne von FREUD eigentlich eine pro­ jektive Anklage der Umwelt in sich verbergen, d. h. eine projektive Allmachtswahn­ idee darstellen (—- p), die aber durch die Wendung des Sadismus gegen die eigene Person (—• ! s) auf das eigene Ich und nicht - wie bei den Paranoiden - auf die Umweltobjekte projiziert wird. So entsteht das autistische Ich der Melancholiker, im besonderen zu Beginn der Krankheit. Je näher die Depressiven der Phase des Manischen, d. h. der Entwertung der gesuchten verlorenen Objekte rücken, um so häufiger erscheint bei ihnen die negative ^-Reaktion, oft mit Über­ druck (— ! k, — ! ! k nach U. MOSER1). 2. Autistisch-magisch denkende Schizophrene, im besonderen mit magischer Denkart und Habmachtideen, liefern häufig neben den diagonalen Spaltungen in anderen Vektoren auch im Ich das Spaltungsbild der Introprojektion. Oft wechseln sich die Bilder der totalen Projektion mit denen der

Introprojektion zeitweise ab. 3. Bei

JoxvwA/önwgM, so bei Fetischis-

mus, Masochismus, Exhibitionismus können sich die Ich-Bilder der totalen Introjektion (Sch + 0) ebenfalls mit denen der Introprojektion ablösen. . Charakterologisch sind folgende Züge hervorzuheben: 1. Verschlossenheit; 2. Wortkargheit; 3. Schroffheit; 4. Hartnäckigkeit, Unbeugsamkeit, Unbeeinflußbarkeit; 5. Unfähigkeit, im Anderen aufzugehen; 6. Skotombildungen; 7. mimosenhafte Überempfindlichkeit; 8. Schüchternheit - trotz autistischer Denkart; Träumereien vom Bühnenauftritt in der großen Welt; 9. autistischundiszipliniertes magisch-okkultes Denken. Kriminalpsychologisch finden wir dieses Ich-Bild bei autistisch-schizoiden Ein­ brechern. Als Hinter-Ich wirkt simultan oder sukzessiv das Hemmungs-Ich. p

+

Variation II Negierte Inflation Hemmung Inhibition

Ichpsychologisch ist Hemmung eine verneinte Inflation. Die Verneinung entpuppt sich in der systolischen — k, die Inflation in der + ^-Reaktion. Bei der Hemmung entsteht der Konflikt im Ich dadurch, daß das diastolische Ich Alles sein möchte (-f- p) und das systolische Ich diese Ich-Ausweitung ver­ neint (— k). So entsteht im Ich eine Deflation durch Verneinung. Die gehemmte Art im Benehmen, Verhalten, Handeln und Denken spiegelt die innere Verneinung der Inflation treu wider. Durch Hemmung entstehen die mannigfaltigsten Funktionseinschränkungen in allen Bereichen des Lebens : In Sexus, Kontaktsuche, Sich-Interessieren, Bewegen, Essen, Arbeiten, Schlafen, Träumen usw. Entwicklungspsychologisch muß betont werden, daß die Hemmung fast in jedem Alter aufzutreten vermag, doch erreicht sie ihren Höhepunkt zwischen 20-30 und 12-16 Jahren. Die klinische Psychologie der Hemmung erstreckt sich auf das weite Gebiet aller Neurosen: 1. Konversionshysterie, zusammen mit Verdrängung (Sch — 0) und Ent1 MOSER, U. : Validierung, Blinddiagnosc und die Problematik des Krankheitsbegriffes im Test. S'zptidiana II . Huber, Bern und Stuttgart, 1955. S. 62.

160

SZONDJ-


fremdung, {Seh— ±) wie auch mit Affektstauungen (/>++); 2. Hypochondrie; (mit P -\ ,P 0 —) ; 3. Zwangskrankheiten (mit Sch j: 0 und Sch \- zusammen) ; 4. geschlechtliche Unreife: Impotenz, Sexualhemmungen wegen Fixation auf einer polymorph-perversen Stufe oder bei gehemmter Homosexualität; 5. seltener bei negativistisch-katatoniformer Schizophrenie (mit Überdruck im — ! /4). Charakterologische Züge des gehemmten Ichs : 1. Primat des Intellekts ; 2. die Illusion dominiert, es ist unmöglich, das oder jenes zu tun; 3. das Gefühl: «ich bin abnorm»; 4. das ewige Blockiertsein; 5. die Kontaktunfähigkeit; 6. die IchBezogenheit; 7. innere Unruhe, Erregung und Angst; 8. ewiges Verzichten, Ver­ meiden, Selbstunterdrückung - und dabei will die Person Alles sein; 9. ewiges Versagen und doch ein ewiges Rivalisieren; 10. sture Versicherungsmaßregeln gegen den hintergründigen Autismus; 11. Schuld- und Strafangst; 12.Verbarrikadierung des Ichs hinter Scham- und Ekelschranken. Kriminalpsychologisch wird das Hemmungs-Ich selten gefunden. Hie und da bei homosexuellen, sexualabnormen Kriminellen zur Zeit der Untersuchung. Das komple?nentäre Hinter-Ich der Hemmung ist das autistische, introprojektive Ich. Hemmung und Autismus sind komplementäre Schicksale1. Daher einerseits die Diskrepanz zwischen dem gehemmten Dasein und der synchronen autistischen Phantasiewelt, anderseits die unbehaglichen, plötzlichen Einbrüche von autistisch-undisziplinierten Verhaltensarten bei Hemmungsmenschen.

3. Tritendenpen im Vektor Sch I

Variationen

IV

III

II

Im Vordergrund: Sch =

±

±

+

±

±

+

Im Hintergrund: Sch

+

o

0

+

0

0

Sch

h

k

p

±

Variation I Gehemmte Proje ktion Entfremdung, Alienation Verneinung der Verlassenheit und der Weiblichkeit Depersonalisation

Ichpsychologisch verstehen wir dieses Ich-Bild am besten, wenn wir es in zwei Teilfunktionen zerlegen: 1. Hemmung: Sch 1- ; 2. Projektion: —• p.

Das heißt, ab

W/

Daher die

Benennung : gehe?nmte Projektion. Eine andere Sinngebung ist die folgende: Das stellungnehmende Ich ver­ neint (— k) sowohl die Projektion (— p) wie auch die Inflation (+ p). Da aber die fl: ^-Konfiguration im Ich phänomenologisch einerseits die Verlassenheit (Sch 0 fl=), anderseits das weibliche Moll-Ich bedeuten kann (Sch 0 A), müssen wir diesem Ich-Bild zwei weitere Bedeutungen einräumen : Erstens: die Verneinung der Verlassenheit, d. h. die Unfähigkeit, die Verlassen1 Ich-Analyse, S. 295ff. 11

Szondi, Triebdiagnostik

161


heit, die Nichtannahme durch die Umwelt anzunehmen, sich mit diesem unbe­ haglichen Schicksal zu versöhnen.

Zweitens: dw I/frmvwwg akr

akr JCWnzA'oa s owohl bei Män-

nern wie bei Frauen. Den tiefsten Sinn, den dieses Ich-Bild ausdrückt, erfassen wir aber dann, wenn wir es mit dem integrierten, vierfunktionellenVoll-Ich-Bild {Sch fl:)vergleichen. Aus dieser vergleichenden Untersuchung wird klar, daß dem Entfremdungs-Ich eine w ichtige Elementarfunktion fehlt, um integriert zu sein. Diese ist die Introjektion: -f- k . Dem entfremdeten Ich fehlt somit die Brückesytr Wahrnehmungswelt. Man versteht am besten die Ich-Vorgänge in Schu, wenn man bedenkt, daß hier sich das Ganz-Ich {Sch A fi^) so geteilt hat, daß die Funktion der Introjektion {Sch -f- 0) in den Hintergrund gestellt wurde. Im Vordergrund steht somit ein Ich, das mit Projektion (— p), Inflation (-)- p) und Negation (-— k) ausgerüstet, hingegen durch das Fehlen der lebenswichtigen Funktion der Introjektion von der Wahr­ nehmungswelt abgeschnitten ist. Die Folge dieser unglücklichen Teilung der IchFunktionen ist die, daß die Person von der realen Welt sich entfremdet hat. Die reale Welt zerrinnt somit ihren Wahrnehmungen, da ja die Brücke zur Realität (+ k) fehlt. Man nennt diesen Ich-Zustand: Entfremdung, in schweren Fällen: Depersonalisation. Die Person verkriecht sich vor der Welt ins Bett oder in ihre Bude, kann sich nicht entschließen in die Öffentlichkeit - wo sie vorher oft in exzellenter Weise leibte und lebte - hinauszutreten. Falscherweise etikettiert man oft diesen Zustand mit der Diagnose «Melancholie oder Depression». Wogegen wir festgestellt haben, daß hier eine partielle Spaltung des Ichs den ausschlaggehenden Vorgang darstellt. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß diese «Ver krie­ chet » plötzlich sich im Ich umzudrehen vermögen. Sie treten in die Welt hinaus und nehmen die ganze Welt in Besitz, um sich dann - nach einer Weile — wieder in ihrer Budenecke oder in ihrem Bett für eine Zeit zu verkriechen. In schwerkranken Fällen entsteht nicht nur eine Entfremdung von der äußeren, sondern auch von der inneren Welt. Man spricht dann von pathologischer Depersonalisation, der man des öfteren vor oder nach einer psychischen Erkrankung begegnet. Unter normalen Ich-Zuständen entsteht die Entfremdung in der weltentrückten Eifersuchtsphase von liebenden, rivalisierenden Partnern. Entwicklungsgeschichtlich treffen wir dieses Ich-Bild zwischen 30-40 Jahren (Eifersuchts- und Rivalisierungsperiode) ; ferner zu Ende der Pubertät (17-18 Jah­ ren), wo man die ersten großen Enttäuschungen in bezug auf Liebe, Begabung, Religion, Eltern usw. zu erleben pflegt. Daher die vorübergehende Entfremdung. Auch im Klimakterium (bei der Frau zwischen 40-50, beim Mann zwischen 50-60 Jahren) ist das Ich in diesem Entfremdungszustand zu finden. Die klinische Psychologie: Die Entfremdung, bzw. die Depersonalisation finden wir 1. bei schwerer Hypochondrie; 2. bei Konversionshysterie, insbesondere bei hysteriformen Entfremdungen von Körperteilen (Pseudolähmungen) oder mit hysteri-

formen

und

ww

(so z. B. hei hysteriformer

Taubheit, Blindheit usw.)1; 3. bei wahnhafter Trunksucht, Autodestruktionswahn, bei wahnhaften Selbstmordideen (Thanatomanie)2; 4. bei Eifersuchtswahn; 5. bei Narko­ manie; 6. bei organischen Psychosen; 7. auch bei Epileptikern. 1 Triebanalyse, Triebpathologie, Bd. I. S. 481 ff. 2 Ich-Analyse, Triebpathologie, Bd. II. S. 445.

162


Charakterologische Züge des Entfremdungs-Ichs: 1. Tagträumerei; 2. verstärkte Innenschau; 3. Fremdheitsgefühl gegenüber der Welt und sich selbst; 4. Irreali­ tät;. 5. Neigung zu Pseudologia phantastica; 6. Sich-Verstechen, -Verkriechen; 7. Zerrinnen der Welt und dann plötzlicher Drang nach Eroberung der Welt; 8. Depression.

.BaWaqg dieses Ichs besteht: in Tötungsdrang, Thanatomanie, des öfteren in Eifersuchtswahn oder Destruktionswahn1. Wir begegnen diesem Ich-Bild bei schizoformen Raub­ mördern und bei paroxysmal-epileptiformen Affektmördern, auch bei Exhibitio­ nisten2. Der Hintergänger, das introjektive Ich [Seh + 0), pflegt regelmäßig in sukzes­ siver Form aufzutreten und das polar entgegengesetzte Erscheinungsbild zu zei­ gen : Hyperaktivität, oft brutal erscheinendes Ergreifen und Inbesitznahmen aller Wertobjekte der Welt, maßlose Habmachtsansprüche, die zumeist erfolgreich sind. Eben dieser Umstand unterscheidet diesen Zustand von der Manie. Es gibt in der Ich-Psychologie kein besseres Beispiel für die These von den psychiatrisch «komplementären» Ich-Schicksalen3 als eben diese sich ständig er­ gänzenden und ersetzenden Ich-Zustände des Zerrinnens und der Eroberung der Welt mit allen ihren Wertpersonen und -Objekten.

k

±

p

Variation II Mit Zwang zurückgehaltene Projektion Fugue, Flucht Das Ausreißer-Ich Das paroxysmale Ich

Ichpsychologisch gehört auch dieses Ich-Bild - wie die Entfremdung - zu der großen Abwehrgruppe der Projektion. Die Gefahr der Projektion, d. h. des Paranoids (— p), wird hier mit Zwang (A /è) abgewehrt. Das Projektive bei dieser Ich-Konfiguration meldet sich zumeist in Form von Anschuldigung, Beeinträch­ tigung, seltener in der von Verfolgung, das Zwangshafte dagegen in dem unwider­ stehlichen Zwang, auszureißen, den bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen, zu vagabundieren oder zu reisen («Globetrotter»). Dieses Ausreißer-Ich zwingt Kinder, ihrem Wandertrieb nachzugehen, Internierte oder Häftlinge, episodisch aus der Anstalt auszubrechen. Oft flüchtet sich der Träger dieses Ichs von sich sel­ ber in eine andere Zwangswelt, da er die Projektionswelt (Sch 0 —) nicht mehr zu ertragen vermag. Die Flucht ereignet sich des öfteren in der Verzweiflung, die ja ebenfalls durch das Zwangs-Ich experimentell sichtbar gemacht wird. Unter gün­ stigeren Umständen kann im Ich folgender Prozeß sich abspielen : Die eine Stre­ bung des hinausverlegten Bedürfnisses (•— p) wird negiert (•— k) - zumeist die Tötungstendenz, die Aggression, die andere Regung, die sozial-positivere, wird dem Ich einverleibt (+/£). Man kann dieses paroxysmale Ich auch als die Kombination von Anpassung (Sch ) und Habmacht (Introjektion = -f- /è) oder als das autistisch-undiszi1 Ich-Analyse, S. 444, Abb. 18. 2 WALDER, H.: Triebstruktur und Kriminalität, Huber, 1952. S. 57 (Fall 24). 3 Ich-Analyse, S. 280ff., 305ÎÎ.

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plinierte Ich (Sch -| ) mit der Tendenz zur Verneinung (— E) des Autismus auf­ fassen. An alle diese Möglichkeiten im Ich-Schicksal des Einzelnen muß der IchAnalytiker denken, wenn er dem Ich-Bild Scb12 be gegnet. Entivicklungspsychologisch erlangt das Ausreißer-Ich in der ersten ödipalen Pubertät (4—6 Jahre), zu Anbeginn der Schule (7-8 Jahre), in einzelnen Fällen auch in der Präpubertät (9-12 Jahre), ferner im hohen Alter (70-80 Jahre) eine klinische Bedeutung. (Flucht aus dem Leben im Greisenalter.) 8% Mwlmb 8^f8o6gÄ; 1. IFaw&r/nW,, bei paroxysmal-cpiieptiformen Individuen; 2. episodischer Wandertrieb bei projektiven und inflativen Paranoi­ den; 3. genuine Epilepsie (zusammen mit Sch 0 0, Sch — ±) ; 4. Melancholie (Sch -\ mit —<&); 5. Stottern; 6. Kleptomanie, Pyromanie, Dipsomanie und andersartige ywnwgtMW; als Äquivalente der genuinen Epilepsie. 1. 2.8,/ö7%/%8fr von Stumpfheit in Hemmungslosigkeit, von Angst in wilde Kühnheit, von Kleben in SichAbreißen und Weggehen, von Biegsamkeit in Sturheit, von Pedanterie in Un­ ordentlichkeit, von Optimismus in Pessimismus, von mäßigem Trinken in maß­ lose Trunksucht, von Sparsamkeit in Verschwendung, von Lebensbejahung in Todesverlangen (Thanatomanie). Die kriminalpsychologische Bedeutung des Ausreißer-Ichs besteht: 1. im sozial­ abnormen Wandertrieb; 2. in periodischer Arbeitsscheu; 3. in Affekthandlungen und nachfolgender Flucht (z. B. bei Affektmördern)1; 4. Lustmordanlage (mit Pädophilie, Nekrophilie); 5. Klepto-, Pyro-, Dipsomanie. Der ständige Hintergänger des Ausreißer-Ichs ist das inflative Paranoid. Das hinter­ gründige Bedürfnis: Alles-Sein (+ p) ruft natürlich die Ohnmacht und die Be­ schuldigung der Umwelt der Ohnmacht wegen hervor (— p). Aus dieser Spannung flüchtet sich das Ich in eine andere Welt. Wir finden auch bei sonst sozial-positiven, begabten, inflativen Menschen (Sch 0 T) den ewigen Wanderdrang (Sch —), der sie zu einem Globetrotterschicksal verführt. Eigentlich handelt es sich hier um Flucht vor der Unzufriedenheit mit sich selber und dem Versagen der zu hoch gesetzten Ich-Ideale (+ p). k

p

+ ±

Variation III Inflaprojektive Introjektion Bejahung und Annahme der Verlassenheit und Weiblichkeit Die Vorphase der totalen In trojektion

Ichpsychologisch birgt dieses Ich-Bild drei Elementarfunktionen in sich: Pro­ jektion (— p), Inflation (-|- p) und Introjektion (+ k). Vorteilhaft wirkt sich die Bereitschaft der Person, die Verlassenheit und die weibliche Ich-Seite p) anzunehmen (fl- k), aus. Diese Annahmebereitschaft bedeutet sowohl Annahme der Mutter, die uns verlassen hat, wie auch Versöh­ nung mit der Mutter und Einverleibung des «kastrierten» weiblichen Ichs (± p). Von diesem Aspekt aus gesehen ist das Ich-Bild Sch13 ei ne wichtige Station der Ich- and Charakterbildung. Der Nachteil in dieser Ich-Konfiguration beruht auf dem Fehlen der Nega­ tionstendenz, d. h. dem Mangel an Ver^ichtenkönnen (— k). Menschen, die nicht 1 WALDER,

164

H.: Triebstruktur und Kriminalität. 1952. S. 43, Fall 10.


verliebten vermögen, sind im Leben unter allen Umständen gefährdet. Den Sinn dieses Ich-Bildes können wir aber durch Zerlegung der einzelnen aufbauenden IchFunktionen noch näher bestimmen. Seh L kann erstens zerlegt werden in: Seh + = Alles-sein-und-habenWollen und Projektion (— p). Das Ich-Bild kann somit auch einen narzißtischprojektiven Zustand darstellen, mit allen seinen Gefahren. Eine andere Zerlegungsmöglichkeit ist die: Seh + ± = Sch , d. h. Autismus mit + p, also mit Inflation; eine nicht weniger gefahrbringende Ich-Konstellation wie die vorangehende. In der Praxis scheint uns dennoch diejenige erste Form der Analyse dieses Ich­ bildes die besten Dienste zu leisten, welche die Annahme (-(- k) der Verlassenheit, bzw. der Weiblichkeit p) betont. Hier versucht ja das stellungnehmende kIch durch Reaktionsbildungen, d. h. durch Introjektion, durch Charakterbildung, die Folgen der Partizipationsschäden (sekundäre Projektion und Inflation) zu überwinden. Das Ich-Bild Seh fl- dz k ann auch als die Vorphase der totalen Introjektion (Seh 0) gedeutet werden, da ja erfahrungsgemäß die i ^-Reaktion des öfteren die Vorbe­ reitung der völligen Entladung (0 p) darstellt. Entwieklungsgeschiehtlich treffen wir dieses Ich-Bild in der ersten, infantilen (3^1 Jahre) wie auch in der zweiten, juvenilen (13-16 Jahre), Pubertät, also an Wendepunkten der Entwicklung an. Die klinische Psychologie dieses Ich-Bildes ist wegen seiner Seltenheit derzeit noch wenig erforscht: 1. Projektive, paranoide Neurosen mit Machtansprüchen und starken narzißtischen Zügen geben hie und da dieses Ich-Bild ; im besonderen sind es Männer, die sich sehr schwer von der Mutterbindung loslösen, spät heiraten und mit einem aus­ geprägten Mutterkomplex zu kämpfen haben. 2. Angstneuroßker, bei denen die infantile polymorph-perverse Sexualstufe oder die ungelöste In^estbindung oder der Kastrationskomplex die Angstquelle darstellen. Die charakterologischen Züge sind ähnlich wie bei der totalen Introjektion: 1. Hab-und Seinssucht; 2. Egoismus; 3. Egozentrismus; 4. Narzißmus; 5. Affekt­ labilität; 6. Unstetigkeit; 7. Geltungsdrang; 8. Neigung zu Großtuerei. Die kriminalpsychologische Bedeutung ergibt sich aus dem voraufgehenden Charakterbild: Betrügerei, Hochstapelei sind die forensisch wichtigsten Formen dieses Ich-Bildes. Das hintergründige komplementäre Verdrängungs-Ich (Sch — 0) weist auf die Ge­ fahr hin, daß Menschen, die mit der Annahme der Verlassenheit, dem Kastrations­ komplex, mit der Weiblichkeit zu kämpfen haben, leicht - durch Verdrängung dieser Problematik ihres Trieblebens - zu Neurotikern werden können. Das Ver­ drängungs-Ich (Sch — 0) ist ja d es öfteren auch gegen die Annahme der Homo­ sexualität gerichtet. Auch dies weist auf die undifferenzierte Sexualentwicklung hin, mit der dieses Ich-Bild fast stets einhergeht. p

+

Variation IV Mit Zwang zurückgehaltene Inflation Zwangsdeflation Das Zwangsarbeiter-Ich

165


Ichpsychologisch ist der Vorgang in dieser Ich-Konstellation ebenfalls mehrdeutig. Vor allem bedeutet sie, daß die Gefahr einer Inflation (-f p) mit dem bekann­ ten Zaubermechanismus des Zwanges (± k) abgewehrt wird. Während die totale Inflation {Sch 0 +) die Träger dieses Ichs fast völlig arbeitsunfähig zu machen pflegt, arbeiten die Träger des Ichs Schxi fast wie Zwangsarbeiter. Nur kommt der Zwang von innen und nicht von außen. Der ununterbrochene Arbeitszwang schützt sie vor den Gefahren der totalen Inflation. Darum können sie sich nie Ruhe gönnen, denn im Ruhezustand (0 k) werden sie völlig dem Quälgeist der Besessenheit ausgeliefert. Die cQveite D eutungsmöglichkeit ergibt sich durch die Zerlegung: Sch ± + = + k-Introjektion und Sch b = Hemmung. Durch diese Art der Funktionsanalyse entpuppen sich zwei weitere Eigen­ schaften dieser Ich-Bild-Träger: 1. die außergewöhnliche Lernfähigkeit, das Einsaugen von Fachwissen (-f- k)\ 2. die Hemmungen in fast aller Kontaktnahme sowohl gesellschaftlicher wie sexueller Natur {Sch •—• + ). Zu der dritten Deutungsmöglichkeit gelangen wir, wenn wir Sch A + auf­ lösen in 3. Sch H—b = Alles sein und haben (totaler Narzißmus) und in die Reaktion — k, d. h. auf alle Macht vernichten. Aus dieser Analyse folgt, daß die Träger dieses Ich-Bildes eigentlich die ewigen Vernichter auf die heißerwünschten Machtpositionen darstellen. Und eben weil sie auf ihre Machtansprüche verzichten müssen, werden sie des öfteren von ihren Arbeitgebern, von der Familie maximal ausgenützt. Daher kann bei diesen Men­ schen ein plötzlicher, völlig unerwarteter Ausbruch einer Aggression, eines Er­ bittertseins die Umwelt erschrecken. Der Sturm zieht aber rasch weiter und sie bleiben fortan, was sie vorher waren: traurige Zwangsarbeiter. 4. Die vierte Deutungsmöglichkeit ist die: Dem Zwangsarbeiter-Ich fehlt die Partizipation bzw. die Projektion (—/>), um völlig integriert zu werden {Sch ± ±). Dieser Umstand verursacht einerseits die Mangels fände in der Partnerschaft und Liebe, anderseits die Angst bei jeglicher schöpferischer Tätigkeit. Die Träger dieses IchBildes stellen ihre intuitiv-proj ektive Begabung (— p) in den Hintergrund und glauben, daß sie völlig unbegabt, zur selbständigen, intuitiven Arbeit unfähig seien. Hilft man ihnen aber, die hintergründige Intuition in das Vorder-Ich einzubauen, dann steht vor uns eine begabte intuitive, integrierte Persönlichkeit {Sch ± ±). Entivicklungspsychologisch beginnt diese Ich-Konfiguration erst gegen Ende der zweiten Pubertät (17-20 Jahre), seltener etwas früher (13-16 Jahre) die fast obli­ gatorische Pubertätsinflation mit Zwang einzudämmen. 1. Phobie dominiert in Form von Prüfungs-, Auftritts-, Autoritätsangst. 2. Paranoide Neurosen mit Größen- und Minderwertigkeitsgefühlen. Die letzteren werden durch die im Hintergrund wirkende totale Projektion begründet. 3. Paroxysmale Anfälle: Migräne, Stottern, Poltern, Zornausbrüche und anders­ artige Paroxysmen, in der Kindheit eventuell Kleptomanie. Die Charakternüge ergeben sich schon aus der ichpsychologischen Analyse: 1. Vollkommenheitsdrang {Sch. -)—(-); 2. Wechsel von Über- und Minderwertig­ keitsgefühlen {Sch ± + im VGP, Sch 0 — im Hintergrund) ; 3. Macht- und Ohn-

166


machtsanfälle; 4. Verpanzerung der Inflation mit Arbeitszwang; 5. Denkzwänge; 6. eindimensionale Hyperkonzentrationsfähigkeit; 7. Willensstärke; 8. zwangshafter Lebensplan mit Ausharren beim Tages-, Sonntagsplan usf. ; 9. Konser­ vativismus, Konventionalismus; 10. Anlage zu Süchtigkeit; 11. verlangsamte sexuelle, intellektuelle, gesellschaftliche Entwicklung; 12. Selbstsabotage (aus ± k wird —! ! k); 13. Anlage zu Psychologie, Pädagogik, Psychiatrie, Kinder­ psychologie, Heilpädagogik. Kriminalpsychologisch ist das Zwangsarbeiter-Ich eine seltene Erscheinung. In der Jugend kann die Habmacht (+ k) vorübergehende Diebstähle als Ersatz für den Untergang der Partizipation (— p) verursachen ; bei Erwachsenen stammt aus der Hab- und Seinsmacht {Sch —|-) die Hochstapelei bei den Defraudanten, nachdem sie das Verzichten (— k) aufgegeben haben. Der Hintergänger, die totale Projektion (Sch 0 —), bedeutet die ständige Gefahr des Paranoiden.

4. Quadritenden% im Vektor Sch

Sch15

k

p

±

±

Integration Das integrierende Ich Das leb der Katastrophenahming Das Pontifex-Icb

Ichpsychologisch heißt Integration die Vereinigung aller vier Elementarfunktio­ nen und Abwehrarten im Ich-Leben. Also die höchste Fähigkeit des Ichs, je na ch Bedarf und Not die Projektion, die Inflation, die Introjektion und die Negation sowohl zu Schutz- und Abwehrzwecken wie auch zum Aufbau eines vollständi­ gen Ichs zu gebrauchen. Das integrierende Ich wird somit in den Stand gesetzt, die gefahrbringenden Gegensätzlichkeiten am Rande des Trieblebens (S A ±> ^ ± ±) so aufzulösen, daß es alle Dilemmen des Sexual- und Kontaktlebens, oft noch dazu auch die des ethisch-moralischen Daseins {P + i) vom Rande des Lebens wegschaffen und diese Dilemmen in sich selber aufnehmen kann. So gelingt es nun dem integrie­ renden Ich, aus den sexuellen, affektiven und sozialen (Kontakt-) Gegensätzlich­ keiten «Ich-Probleme» zu machen und sie so im Ich selber auszutragen. So opfert das integrierende Ich quasi sich selbst auf, um das Dasein am Rande des Lebens aus den Gefahrzonen zu retten. Das integrierende Ich arbeitet wie ein Schiffskapitän, der auf der Kommandobrücke des Seins auf und ab schreitet, um die bedrohlichen Strömungen von rechts und links, die Gefahren aus der Tiefe und aus der Höhe auszuspähen und seinem Schiff den günstigsten Kurs zu sichern. Dieses ständige «Unterwegssein» des integrierenden Ichs ermöglicht ihm, alle Gegensätzlichkeiten zwischen dem Unbewußten und dem Bewußten, der Subjektwelt und der Objekt­ welt, der Triebnatur und dem Geist, ferner die Gegensätze zwischen dem Körper und der Seele, der Weiblichkeit und der Männlichkeit, der Allmacht und der Ohn­ macht, die Kluft zwischen dem Wachen und dem Träumen wie auch die zwischen dem Diesseits und dem Jenseits zu überbrücken. Das integrierende Ich kann so unter Umständen seine höchste Funktion ent­ falten, die wir die «Pontijexfunktion» nennen. Kann das Ich dies in der Tat, so ver­ dient das integrierende Ich den Namen: «Pontifex oppositorum».

167


An diesem Pontifex-Ich hängt nach unserer Auffassung nicht nur das Bewußt­ sein, sondern auch das Unbewußte. Das Pontifex-Ich trägt somit nicht nur für die bewußten, sondern auch für die unbewußten Vorgänge die Verantwortung. Mit der Annahme eines «Pontifex-oppositorum-Ich» hat die Ich-Lehre der Scha neben dem «Körper-Ich» und dem «Seelen-Ich» (= Selbst nach C. G. JUNG) auch einen metaphysischen Ic h-Begriff gesetzt1. Im besonderen sind es drei höhere Funktionen, die als conditio sine qua non das Dasein eines Pontifex-Ichs begründen. Diese sind: 1. die Integration aller Gegensätzlichkeiten, 2. die geistige (metaphysische) Partizipation und 3. die TranszendenzDas integrierende Ich bedeutet noch nicht die Realisierung der Partizipation mit dem Geist wie auch noch nicht das Transzendieren-Können. Die Integration ist aber eine unbedingt notw endige Vorbedingung beider Funktionen. Darum wäre es falsch zu glauben, daß das Erscheinen des integrierenden Ich-Bildes {Sch ± ±) im Expe­ riment gleichzeitig das totale Einssein, die Partizipation mit dem Geist und das Transzendieren-Können des Ichs sicherstellt. Menschen in seelischer Not - so z. B. vor einem Anfall oder vor dem Einbruch einer Psychose - können im Ich alle vier Elementarfunktionen synchron bis zum Bersten der Bremsen in Anspruch nehmen, sich also vor einer vorgeahnten Katastrophe im Ich noch integrieren. Diese Integration in Katastrophensituationen bedeutet aber noch nicht die Fähig­ keit zu einer Partizipation mit dem Geist auf dem Weg der Transzendenz. Man kann somit von dem integrierenden Ich nicht ohne weiteres auf das Dasein eines Pontifex-Ichs schließen. Das integrierende Ich muß aber nicht nur die Gegenströmungen am Rande des Trieblebens, sondern auch die Polaritätsspannungen im Ich-Raum selbst auflösen, die eben als Folge der Integration entstanden sind. Diese inneren Polaritäten im inte­ grierenden Ich sind: 1. Alles-Sein und Alles-Haben = Sch -\—f | gegen Verzicht und Anpassung = S, 2. Autismus = Sch -j gegen Hemmung = Sch

1 1- ; J

3. Zwang und Dur-Ich = Sch ± gegen Verlassenheit und Moll-Ich = jf/, 0 4. Totale Projektion = Sch 0 gegen das Zwangsarbeiten = Sch +

+;

1

5. Totale Inflation = Sch 0 gegen das paroxysmale Ausreißen = ± 6. Totale Introjektion = Sch + 0 1 gegen Entfremdung = Sch — + ; J 7. Totale Verdrängung = Sch — 0 1 gegen Annahme der Verlassenheit und der Weiblichkeit = Sch + + ; J 8. Vordergründige Integration = Scb ± ± 1 gegen hintergründige Desintegration = Sch 0 0 . j 1 Näheres siehe «Ich-Analyse», S. 152-157.

168


Diese letztgenannte Aufgabe verursacht unseres Erachtens die spezielle Kata­ strophenahnung des integrierenden Ichs. *

Aus diesen Erörterungen wird die fast übermenschliche Aufgabe ersichtlich, deren Erfüllung die Menschwerdung vom Ich erfordert. Es ist so auch nicht mehr erstaunlich, daß die Menschheit so wenig integrierte Iche und noch weniger Pontifex-Iche aufweist. Uns scheint es dennoch wichtig zu sein, daß es für den Menschen überhaupt möglich ist , sich mit seinem Ich auf diese höchste Daseins­ ebene eines Pontifex oppositorum hinaufzuschwingen und daß dieses Pontifex-Ich auf dem schweren Weg der Menschwerdung als Ideal-Ich immerfort vor uns steht. Entwicklungsgeschichtlich erreicht das integrierende Ich in der zweiten Pubertät (13-16 Jahre) und gegen Ende der Reife (17-20 Jahre) seinen Höhepunkt. Die klinische Psychologie weist folgendes auf: 1. Angstneurose, Angsthysterie, Katastrophenahnungen, z. B. bei paroxysmaler Tachycardie; 2. Ich-Zustand vor dem Irrewerden (mit — ! j, — ! ! s); ferner 3. vor dem epileptiformen Anfall. Charaktero logische Züge des integrierenden Ichs: 1. Dialektischer Charakter: Erkennen, Zerlegen und Überwinden aller Widersprüche im Sein und Haben, im Fühlen und Denken. 2. Streben nach Ganzheit, Vollkommenheit. 3. Begreifen des Entgegengesetzten in seiner Einheit (HEGEL). 4. Kampf des Rationalen {Sch + +) mit dem Irrationalen (—p). 5. Kampf des Realen (— k) mit dem Irrealen {Sch -|—f-, —p), Kampf des Idealismus mit dem Realismus, Kampf des Geistesmen­ schen mit dem Triebmenschen (Faust-Mephisto, Mose-Kain). 6. Das männliche Dur-Ego {Sch dz 0) kämpft mit dem weiblichen Moll-Ich {Sch 0 A). 7. Oft sind sie auch Vasoneurotiker (Migräne, Asthma, Heufieber, Ekzeme usw.). 8. Die per­ sönliche Angst wird somit zur Angst um die ganze Menschheit, der Drang, die Menschen zu verbessern. 9. Ihr größter Schatz ist stets : das starke, verläßliche Ich, darum wagen sie auch das Tauchen ins Ubw. 10. Sie sind zwar weise, aber dennoch einsame Wanderer oder Einsiedler. 11. Ihre moralisch-ethische Strenge ist für die Mitmenschen - oft für sie selbst - fast unerträglich, weil sie eben den Raum der menschlichen Verantwortung ausdehnen. 12. Unter Umständen können sie militante Humanisten werden. Die kriminal- und forensisch-psychologische Bedeutung des integrierenden Ichs läßt sich aus seiner Beziehung zur Epilepsie ableiten. Einige paroxysmale Affekt­ totschläger zeitigen dieses Ich-Bild als Zeichen des inneren Kampfes gegen den Kain. Das Hinter-Ich, die völlige Desintegration, der Verlust aller Schut%- und Abwehr­ funktionen {Sch 0 0) hängt wie ein Damoklesschwert immerfort über ihrem IchSchicksal. Die übermenschliche Anstrengung, alle Ich-Kräfte zu vereinigen, alle Gegensätze des Daseins stets zu überblicken und zu überbrücken, stammt unseres Erachtens eben von der unaufhörlichen Gefahr der Auflösung, die ja im merfort im Hintergrund lauert. *

169


5. Nullitenden^ im Vektor Sch

Sch16

k

p

o

o

Desintegration Ich- Wechsel Ohnmacht im Ich Dämmerzustände Absencen Ich-Verlust

Ichpsychologisch verstehen wir unter Desintegration das völlige Aufgeben der Ich-Abwehrtätigkeit gegenüber den Randtrieben und der Außenwelt. Es ist ein Zustand des Dämmers, der Ohnmacht, des Ich-Verlustes, der zumeist nur von vorüberMenschen, bei denen sich die Drehbühne der Ich-Triebe mit den zwei ent­ gegengesetzten Ich-Schicksalen zu rasch umdreht, können transitorisch - nur für die kurze Weile des Ich-Wechsels - das desintegrierte Ich zeitigen. Insbesondere tun das lesbische F rauen, die ihre männlichen Dur- und weiblichen Moll-Iche - wie Unterwäsche - zu wechseln pflegen, je nach der Stärke des Partners. Auch Men­ schen von paroxysmaler Natur, welche imstande sind, die Ich-Zustände eines Abels und die eines Kains rasch zu wechseln, liefern in einer Zehnerserie einige Male das Ich-Bild Sch 0 0. Entwicklungsgeschichtlich erlangt die Desintegration im Ich im Alter von 60-70 Jahren, ferner im Übergang des jugendlichen zum erwachsenen Ich (20-30 Jahre) eine Bedeutung. Die klinische Psychologie wurde bereits berührt : 1. Bisexualität im besonderen bei Lesbierinnen ; 2. sadomasochistische Perversionen, bei denen die Lustrichtung rasch gewechselt wird; 3. Anfangsphase des Irrewerdens (mit —! r; —!! r; —1!! s) ; 4. Phobie (mit A3 -f— 0) ; 5. Hypochondrie mit Todesahnungen; 6. Poriomanie, als Äqui­ valent der Epilepsie; 7. Absencen, die sehr häufig kommen; 8. Zwangsneurose in der Zwischenphase des Aufgebens der Zwänge und vor dem paranoiden Irrewerden. Die besonderen Charaktercpige des desintegrierten Ichs sind: 1. Permanente Schuldangst (wegen Tötungswünschen); 2. erstarrte Maske von Demut, Auf­ opferungsbereitschaft bei Kainiten; 3. Straßenengel und Hausteufel; moralischer Masochismus; 4. Klebrigkeit; 5. Unechtheit; 6. theatralische Übertreibungen; 7. Phasen von Hindösen in nebligem Dämmer («Oblomow-Komplex»); 8. das Nie-völlig-Dasein; 9. das Tragen von starren Berufspersonamasken, die ihnen fast angewachsen sind (kirchliche oder staatliche Puristen, Moralisten); 10. Tüch­ tigkeit als Berufsmenschen und Unerträglichkeit als Familienmitglieder. Eine kritninalpsychologische Bedeutung erlangt das destintegrierte Ich im beson­ deren bei Taten, die in einem paroxysmalen Dämmer - im besonderen von Anfalls­ kranken (homo paroxysmalis) - begangen werden, so Pyromanie, Totschlag im Affekt usf. Der Hintergänger, also das katastrophenahnende und eben deshalb nach Inte­ gration strebende Ich (Sch A A)> kann zeitweise auf die Vorderbühne treten, wirkt aber auch simultan stets als eine bremsende und hoffnungsbringende Instanz. Die Tabelle 7 gibt einen kurzen Überblick über das Wesen der 16 Ich-Bilder. *

170


Abb. 12. Variationen des Ich-Bildes, des Vektors Sch Totale Projektion. Partizipation :

Scïï

m

Stb9 -f- — Introjektive Projektion. Das autistische Ich. Das Trotz-Ich:

M kip

Scbit ± 4Mit Zwang zurück­ gehaltene Inflation: Der Zwangsarbeiter

Seki2 ± — Mit Zwang zurück­ gehaltene Projektion. Ausreisser-Ich:

Sch k-P

I

bl0

S(

Totale Negation. Verdrängung:

»

Scb9 0 -4Totale Inflation. Ambitendenz. Das besessene Ich:

Sch

krp

— + Hemmung. Das antiinflative, gegen die Besessen­ heit kämpfende Ich:

Scü k:p

Scbg 0 4-

Inflative Projektion. Das verlassene, passive, feminine Ich:

"k:p

Projektive Negation. Anpassung:

söF kip

Scbyg

4- i

Inflaprojektive lntrojektion. Das verlassene Ich introjiziert das verlassende Objekt:

Sch kp

Introjektive Inflation. Alles sein und haben:

Sch kJL

Scbu — ± Gehemmte Projektion. Entfremdung. Das eifersüchtige, sich gegen sich selbst wendende Ich:

m

Scbt + 0 Totale Introjektion:

Sei, ± 0 Intronegationszwaog. Das männliche Ich:

sFÏÏ m

ScÉl6 ± ± Das integrierende Ich; Katastrophen­ ahnung:

Sch JÜL

Seb19 0 0 Das des integrierte Ich, Ich-Wechsel, Absence:


Tabelle 7. Psychologie und Wesen der 16 Vektorbilder des Ich-Triebes 1

Vordergrund |

ne Strebung: itendenz.

Sch1 +

O

Totale Introjektion. Höhepunkt: Erste Pu­ bertät (3-4 J.); Ju­ gendalter (17-20 J.); Berufsalter (21—30 J-). Klinik: Sexuelle Ab­ weichungen (Feti­ schismus, Exhibitio­ nismus, Voyeurtum, Sadomasochismus). Melancholie, autistische Schizophrenie, Epilepsie, Zwang. Krimen: Eigentums­ und Sittlichkeits­ delikte.

Sch f

vei Strebungen: tenderr^ Horizontale Teilung., Legierimg

Schp

o +

Totale Inflation, Am­ bitenden?, Besessen­ heit. Höhepunkt: Reife­ alter (30-40 J.). Klinik: Inflatives Paranoid: Erotoma­ nie, Größenwahn, Querulanz, Reli­ gionswahn. Latente Bisexualität, Homo­ sexualität, Paranoid auf epileptischer Ba­ sis (BUCHHOLTZ). Krimen: Affekt- und Eifersuchtstotschlä­ ger.

+ +

Introjektive Inflation, Introinflation, A.lles-Sein und AUes-Haben, Totaler Narzißmus. Höhepunkt: Karriereaufbaualter (20-30 J.); zweite Pubertät (12-16 J.). Klinik: Paranoide Schizophrenie bei Jugend­ lichen. Haltlose Psychopathie mit einem Ein­ schlag von Schizomanie. Paroxysmen: Migräne, atypische Anfälle, Äquivalente von Epilepsie. Krimen: Exhibitionismus, Raubmord

(H. WALDER).

Sch 7 Vertikale Zwangsartige Teilung

± 0

Intronegation, Zwangsmechanismen, Das männ­ liche Du r-Ich. Höhepunkt: Zweite Pubertät (13-16 J.); erste Pubertät (3-4 J.); Präpubertät (9-12 J.); Vorlatenzperiode (5-6 J.). Klinik: Zwangsneurose, Hypochondrie, Kon­ versionshysterie, Zwangswahn bei Psycho­ sen. Krimen: Einbrecher.

Schf

-o

Totale Negation, Ver­ drängung, Repression, Negativismus. Höhepunkt:Präpuber­ tät (9-12 J.) ; juvenile Pubertät (13-16 J.); Ende der Pubertät (17-20 J.). Klinik: Phobie, Hypochondrie, Sexualstörungen, Konversionshysterie, Zwangsneurose. Mit Überdruck bei Katatonie. Krimen: Selbstmord, Affekttotschlag.

Sch4

o -

Totale Projektion, Participation, Das Paranoid. Höhepunkt: Klein­ kindalter, Greisen­ alter (80-90 J.). Klinik: Paranoid: Verfolgungs-, Beschuldigungs-, Be­ einträchtigungswahn, paroxysmal epileptiforme Psy­ chose, Paralyse, Akzeptationsneurose, Infantilität, Debilität. Krimen: Polymorphperverse Kriminali­ tät, Raub- und Affekt­ mord.

Sch6 — Projektive Negation, Anpassung. Mit Über­ druck im k\ Destruktion. Höhepunkt: 40-80 Jahre. Klinik:Munit.Paralyse (mit Überdruck— I k, — I/ODestruktiv-negativis tische Katatonie (Seh — ! —, Seh —! 1 —) . Angst- und Konver­ sionshysterie. Krimen (mit Überdruck im k) : Exhibitionis­ mus. Stehlen. Krimen bei Trinkern, Suizid­ verdacht

Schg

0 ±

Inflative Projektion, Verlassenheit, Kastrations­ komplex, Das weibliche Moll-Ich. Höhepunkt: Im Kleinkindesalter (3-6 J.); Präpubertät (9-12 J.); Klimakterium (40 bis 60 J.). Klinik: Passive Homosexualität des Mannes; heboide Psychose, prämorbide Phase vom Paranoiden. Seltener; Konversionshysterie. Krimen: Homosexuelle Kriminelle; Affekt­ totschläger in Eifersucht.

171


Tabelle 7. Psychologie und Wesen der 16 Vektorbilder des Ich-Triebes (Fortsetzung)

^

c) Diagonale

Teilung,

Spaltung

3. Drei Strebungen:

Tritendeir;

SchP + -

i

Im Vordergrund

Introjektive Projektion, Introprojekiion, Autismus, Das Trot^-Ich. Höhepunkt: Trotzphase, erste Pubertät (3-4 J.); Latenzpcriode (5-8 J.). Klinik: Melancholie; autistische Schizo­ phrenie; Schwachsinn; Introprojektive Sexualabnormitäten (Fetischismus, Sadomasochismus, Exhibionismus). Krimen: Autistisch-schizoforme Einbrecher.

Sclifi - ±

Sch12 i —

Gehemmte Projektion, Alienation, Entfrem­ dung, Verneinung der Verlassenheit und der Weiblichkeit, Depersonalisation. Höhepunkt: 30—40 J.; Ende der Pubertät (17-18 J.); Klimak­ terium (40-60 J.). Klinik: Hypochon­ drie, Konversions­ hysterie, wahnhafte Trunksucht, Eifer­ suchtswahn, Narko­ manie, organische Psychose, Epilepsie. Krimen: Affekttot­ schläger in Destruk­ tionswahn.

Mit Zwang zurück­ gehaltene Projektion, Fugue. Flucht. Das Ausreißer-Ich. Höhepunkt: Kindcrgartenalter (4—6 J.); Schuleintritt (7-8 J.) ; im hohen Alter (70-80 J.). Klinik: Wandertrieb (Poriomanie), dasselbebei Paranoiden,ge­ nuine Epilepsie, Me­ lancholie (auch mit Sch H ), Stottern. Krimen: Klepto-, Pyro-, Dipsomanie, Sozialabnormität, Wandertrieb mit Ar­ beitsscheu, Affekttot­ schlag, Lustmord.

Inhibition, Hemmung, Negierte Inflation. Höhepunkt: Präpubertät (9-12 J.); Endph der zweiten Pubertät (17-20 J.) ; nach Pubertät (20-30 J.). Klinik: Konversionshystcrie; Hypocb dric; Zwangskranke; mit Sch ± 0 und — geschlechtliche Unreife: Impotenz, Sexi hemmungen, Fixation an einer polymor perversen Stufe oder gehemmte Homosex lität. Mit Uberdruck {Sch — I + !) selten katatoniformen Schizophrenen. Krimen: Selten.

Sch'

f ß + i

Schu d= +

Inflaprojektive Introjektion, Bejahung und Annahme der Verlas­ senheit und Weiblich­ keit, Vorphase der to­ talen I ntrojektion. Höhepunkt: Erste, in­ fantile Pubertät (3—4 J.); zweite, ju­ venile Pubertät (13-16 J.). Klinik: Projektive, paranoide Neurosen mit Machtsucht und Narzißmus, Angst­ neurose. Krimen: Betrug, Hochstapelei.

Schf5 =b 4. Vier Strebungen : Quadritendenz

+

*-

äs>e

Variationen

d=

Integration, das vollständig integrierte Ich, das Ich in der Katastrophenahnung,, die Grundlage des Pontifex-Ichs. Höhepunkt: Zweite Pubertät (13—16 J.); Ende der Reife (17—20 J.). Klinik: Angstneurose; Angsthysterie, Vorphase des Irrewerdens oder des Anfalls. Krimen: Paroxysmale Totschläger.

Sch16 oo 5. Keine Strebung: Nullitendenz

Desintegration, Ich-Wechsel, Ohnmacht im Ich, Dämmerzustände, Absencen, Ich-Verlust. Höhepunkt: Im Alter von 60—70 J. ; zwischen 20—30 J. Klinik: Biscxualität (Lesbierinncn); sadomasochistische Perversionen; Anfang des Irre­ werdens; Phobie; Hypochondrie; Poriomanic; Absence; Paranoide nach Aufgeben des Zwanges. Krimen: Verbrechen im Dämmerzustand; Pyromanie; Affekttotschläger.


Blicken wir auf die Psychologie und Testologie des Ich-Triebes zurück, so müssen abschließend folgende Neuorientierungen auf diesem Gebiete betont werden : I. Der experimentellen Ich-Analyse ist es gelungen, die bis dahin voneinander völlig getrennten und isoliert behandelten Prozesse der Projektion, Inflation, Introjektion und Negation als chronologisch 'zusammenhängende Elementarfunktionen des Ichs aufzudecken und in dem kontiniderlichen Kreislauf des Ich-Eehens als die vier Phasen der Ich-Funktionen und ihr synchrones Zusammenwirken aufzuzeigen. Darin sehen wir die wichtigste Leistung der experimentellen Triebdiagnostik in der Ich-Psychologie. IL Durch die experimentelle Feststellung, daß das Ich nur so lange gesund ist, als es stets unterwegs ist, wurde der Tatbestand aufgedeckt, daß Ich-Krankheit das Stehenbleiben des Ichs in irgendeiner Periode seines vierphasigen Kreislaufes bedeutet. III. Aus der obigen Feststellung folgt die klinisch gewichtige Tatsache, daß die Erscheinungsart einer Neurose oder Psychose, eines Charakters an erster Stelle von der Fixationsstelle des Ich-Kreislaufes abhängt. Wir unterscheiden somit: 1.projektive, 1. inflative, 3. introjektive, 4. negativistische Formen von Neurosen, Psychosen und Charakterbildungen, deren klinische Erschei­ nungsweise primordiell von dem Stehenbleiben des Ich-Kreislaufes auf der entsprechenden Stufe abhängt. Die komplexen Erscheinungen der Ich-Erkrankungen konnte man ohne Ausnahme auf die Bi-, Tri-, Quadritendenzen im Ich-Leben zurückführen. IV. Dank der Diagnostizierbarkeit aller Ich-Phasen, welche zwischen die totale Integration und die vollständige Desintegration fallen, konnte die experi­ mentelle Ich-Analyse für die - bisher bodenlosen - Begriffe «Ich-Stärke» und «Ich-Schwäche» eine klare Grundlage schaffen. V. Der Aufbau des Ich-Triebes aus den zwei entgegengesetzten Ich-Trieb­ bedürfnissen der Egodiastole und Egosystole hat sich in der Psychopathologie be­ währt. Man konnte experimentell feststellen, daß hinter dem projektiven und inflativen Paranoiden die Dominanz der Diastole, hingegen hinter dem katatoniformen stets die krankhafte Herrschaft der Systole wirkt. Die Zerlegung des Ich-Lebens in die Funk­ tionen der Diastole und Systole gibt auch eine feste Grundlage für die Typologie und Charakterologie. VI. Daß die experimentelle Ich-Analyse neben dem Körper-Ich und SeelenIch auch den Begriff eines metaphysischen Ichs, den des «Pontifex oppositorum», gesetzt hat, hat den Weg zum Verständnis des transzendierenden Ichs freigelegt und somit zum Verständnis der Partizipation des diesseitigen Ichs an der höchsten Instanz des Jenseits, dem Geist. Abschnitt VI

DAS

KLEBEN

UND

ANKLAMMERN DER

DAS SUCHEN, DAS SICH­

UND DAS SICH-ABTRENNEN

KONTAKTTRIEB. DER VEKTOR C

Im Triebsystem der experimentellen Triebdiagnostik wird der Kontakttrieb — ähnlich wie die anderen Triebvektoren - aus vier e ntgegengesetzten Strebungen

173


aufgebaut, von denen je zwei - eine positive und eine negative Tendenz - je einen Faktor begründen. Die vier Kontaktstrebungen sind : 1. Auf-Suche-Gehen, die Veränderungstendenz 2. Das Kleben a?n alten Objekt, die Beharrungstendenz 3. Sich-Anklamttiern, die Aksçeptations- und Sicherheitstendenz 4. Das Sich-Loslösen vom Objekt, die Freiheitstendenz

= = = =

+d —d

-\- m —w

Die ersten zwei entgegengesetzten Tendenzen, die des Auf-Suche-Gehens und des Klebens (Beharrens), machen zusammen den Triebfaktor d aus. Aus den Anklammerungs- und Abtrennungstendenzen baut sich der Triebfaktor m auf. Zunächst sind wir beim Aufbau des Kontakttriebes vom manisch-depressiven Irresein, d. h. von der Psychologie der Depression (d) und Manie (m) ausgegangen. W ir konnten aber schon frühzeitig feststellen, daß die hier gefundenen Aufbauelemente des Kontakttriebes teilweise dieselben sind, wie die, welche IMRE HERMANN 1936 als das Gegensatzpaar von Auf-Suche-Gehen und Sich-Anklammern beschrieben hat1. Die Einführung des HERMANNschen Gegensatzpaares in die Psycho­ analyse stieß auf Widerstände, die wir erst dann verstehen, wenn wir zunächst die pREUDsche Konzeption des Objekts eines Triebes prüfen. Nach der Auffassung FREUDS ist es schon im Begriffe des Triebes enthalten, daß er ein Objekt habe. Das Objekt soll ein Terminus des Triebes sein. FREUD hat vier solche Termini des Triebes aufgestellt: 1. den Drang, 2. das Ziel, 3. das Objekt und 4. àie.Quelle des Triebes2. Unter dem Drang des Triebes versteht er die Summe von Kraft, die der Trieb repräsentiert. Das Ziel eines Triebes ist stets die Befriedigung. Das Objekt des Triebes «ist dasjenige, an welchem oder durch welches der Trieb sein Ziel erreichen kann». «Es ist» - schreibt FREUD weiter - «das variabelste am Triebe, nicht ursprünglich mit ihm verknüpft, sondern ihm nur infolge seiner Eignung zur Ermöglichung der Befriedigung zugeordnet. Es ist nicht notwendig ein fremder Gegenstand, son­ dern ebensowohl ein Teil des eigenen Körpers. Es kann im Laufe der Lebens­ schicksale des Triebes beliebig oft gewechselt werden; dieser Verschiebung des Triebes fallen die bedeutsamsten Rollen zu3." Zwei weitere Behauptungen FREUDS sind noch wichtig. Erstens, daß dasselbe Objekt gleichzeitig mehreren Trieben zfr Be­ friedigung zu dienen vermag (Triebverschränkung nach A. ADLER). Zweitens, daß ein Trieb an ein bestimmtes Objekt so innig und andauernd fixiert sein kann, daß diese Phase die Fortentwicklung und die Beweglichkeit des ganzen Trieblebens ernst­ lich zu bedrohen vermag. Die Quelle des Triebes sieht FREUD in den somatischen Vorgängen in den Organen oder Körperteilen (erogenen Zonen), deren Reiz im Seelenleben durch den Trieb repräsentiert wird4. Die Beziehung des Triebes zu seinem Objekt sollte nach FREUD vorerst die sein, daß man an dem Trieb neben Drang, Ziel und Quelle - auch « ein Objekt» unterscheiden müsse6. Das Objekt «hing dem Trieb» somit an. Erst später wurde 1 HERMANN, I.: Sich-Anklammern - Auf-Suche-Gehen. Int. Ztsch. f. Psa. Bd. XXII. 1936. 1 FREUD, S.: Metapsychologie: Triebe und Triebschicksale. Ges. Sehr. Bd. V. S. 447ff.

3 Ebenda: S. 448. 1 Ebenda: 5. 448. 5 FREUD, S.: «Psychoanalyse» und «Libidotheorie». Ges. Sehr.

174

XI.

S.

220f.


von FREUD betont, daß das Objekt dem Trieb minder fest angehängt ist, als er zunächst angenommen hatt e. Der Trieb kann sein Objekt wechseln1. Trotz dieser Korrektur der ersten Behauptung blieb das Objekt dennoch bei FREUD nur ein Terminus des Triebes. Objekt und Trieb gehörten nach ihm selbst­ verständlich zusammen. Von dem beson deren Bedürfnis, ein Objekt suchen und sich dann an dieses gefundene Objekt anzuklammern, war bei FREUD nirgends die Rede. Diese Fragestellung ist das Verdienst IMRE HERMANNS. Wir fragen : Darf man aus der Tatsache, daß jeder Trieb ein Objekt %u seiner Befrie­ digung haben muß, schlechthin den Schluß sjehen, daß das Bedürfnis des Objektsuchens und das der Objektsicherung durch Anklammerung und Bindung bei jedem Trieb mit seinem besonderen Triebanspruch ab ovo zu sammenfällt ? Hängt das Objekt-Suchen und -Si­ chern wirklich jedem Trieb ursprünglich an? Oder: Sind das Suchen des Objektes und die Anklammerung an das Objekt besondere Funktionen eines anderen, spezifischen Triebes ? Wir haben uns der zweiten Auffassung von I. HERMANN angeschlossen und einen selbständigen Trieb des Suchens und der Anklammerung in unser Triebsystem eingebaut. Wir nehmen einen speziellen Kontakttrieb an, dessen besonderes Triebziel ist, ein Außenobjekt suchen und sich daran binden, es für sieb, für seine Befriedigung sichern. Das Wort «Kontakt» stammt vom lateinischen Verb contingere, dessen allge­ meiner transitiver Sinn ist : Berühren, anrühren, fassen, er- und umfassen, ergreifen, kosten, kostend berühren, bestreichen, bestreuen, befleckend, entehrend berühren, anstecken, hinauf-hinabreichen, hinreichen, unmittelbar stoßen, angrenzen, er­ reichen, treffen. Übertragen beißt contingere auch : In Berührung, Beziehung stehen, angehen, zustehen, zuständig sein, ergreifen, treffen, antasten, beflecken, entweihen, etwas erlangen, zu etwas kommen. Intransitiv: Zutreffen, eintreffen, sich treffen, eintreten, glücken, gelingen, z uteil werden2. Wir zählten hier alle möglichen Bedeutungen des Verbs «contingere» auf, denn die Analyse des Kontakttriebes hat uns davon überzeugt, daß alle Sinngebun­ gen dieses lateinischen Verbs in der Tat als Erscheinungs- oder Bewegungsformen des Kontakttriebes aufzufinden sind. Das Urmode H des Kontakttriebes ist die Bewegungs kette, mit der das Neu­ geborene die Brust der Mutter sucht und mit dem Mund sie berührt, erfaßt und umfaßt, ergreift, kostend berührt und saugt. Kurz : die Oralität. Die Brust der Mutter bleibt für das ganze Leben das Urobjekt allen triebhaften Auf-Suche-Gehens und allen Sich-Anklammerns. Denn: im Wesen aller Formen des «In-Kontakt-Tretens» fin­ den wir stets das Kernbedürfnis, ein Ersatzobjekt für die Mutterbrust zß suchen und sich daran anzuklammern. Aus dem urförmigen Suchen und Anklammern an die Mutterbrust kann man die späteren Inzestbeziehungen des Kindes (C K — 0) ableiten, die beide Part­ ner in Berührung als befleckend und entehrend empfinden. Daher die Inzestscheu. Mit jemandem in Berührung kommen, in Beziehung treten, das Angehen, Er­ greifen, Antasten, das Erlangen des Objektes, ja sogar das Beflecken und Ent­ weihen des Liebesobjektes (Faktor d): sind alles Erscheinungen, denen wir im Kontaktraum immerfort begegnen. 1 Ebenda: S. 220. 1 GEORGES: Latein-Deutsches Handwörterbuch, 2. Halbband, Spalten 1616ff.

175


Das Gefühl des Gelingens oder Mißlingens, des Glückens oder Mißglückens, des Zuteilwerdens oder Verlierens des Objektes ist der Quell aller Stimmungen von Glück und Unglück, die wir insbesondere an den extrem kontaktkranken Menschen, an den Manisch-Depressiven beobachten können. All diese Kontaktphänomene sind aber auch bei den höheren Tierarten zu finden1. Die einzige Kontakterschei­ nung, die unseres Erachtens vermutlich nur beim Menschen eine ausschlaggebende schicksalformende Bedeutung erlangen kann, ist das Bedürfnis nach Annahme, Akgeptation, Bestätigung des So-sein-Könnens durch den Anderen, durch das Halt- und Rück­ haltobjekt, d. h. durch Mutter, Vater, Geschwister, Lehrer, Pfarrer, Freunde, Liebes- und Ehepartner, Arbeitgeber, Arbeitsgenossen usf. In diesem Akzeptationsphänomen des Kontakttriebes, das unter Umständen zu schweren Akzeptationsneurosen, zu Kriminalität und Kontaktpsychopathien (wie Sucht, Haltlosig­ keit), ja sogar zu Kontaktpsychosen (Melancholie und Manie) führen kann, sehen wir einen der wichtigsten Erziehungsfaktoren. Aus dieser kurzen Erörterung werden die Erscheinungsformen des Kontakt­ triebes deutlich: 1. Das Suchen, Ergreifen der Mutterbrust, an die sich der Säugling mit dem Mund anklammert; also die Or alitât: tn; 2. die Inges tbegiehung zu einem oder beiden Elternteilen (C C — 0); 3. das Kleben an dem alten Objekt (Mutter) und das Es-nicht-loslassenKönnen: die Analität: — d\ 4. das Sichern des Objektes als Ersatz für die Mutterbrust: + m\ 5. das Sich-Loslösen, Abtrennen, Freimachen von der Mutter: — m\ 6. das sofortige Auf-Suche-Gehen nach einem anderen Haltobjekt, das uns trägt: + d; 7. das In-Begiehung-Treten gu den Wertobjekten der Welt, im allgemeinen die Erwerbungstendeng: d; 8. der unstillbare Drang des Eingehen nach Bestätigung, Annahme, Akgeptierung durch das Haltobjekt und die Welt: -|- m\ 9. das Glücklich- bzw. Unglücklichsein, die gehobene, bgw. bedrückende Stimmung, die gange Stimmungsskala (E. KRETSCHMER) des Menschen, welche von der An­ nahme oder Nichtannahme, von dem Gelingen oder Mißlingen, vom Eintreffen oder Ausbleiben eines Glückens so sehr abhängt; 10. die Kontaktoffenheit (C -|- +) und Kontaktsperre (C ), die sogjale Ein­ gliederung: + m bzw. die Vereinsamung, Verwahrlosung: — \ m; 11. die Haltlosigkeit im Sexus, im Trinken, Rauchen, Essen usw. und über­ haupt die Süchtigkeit als Psychopathie : — \ m, + ! m; 12. die Raffsucht, Geig- und Geldsucht, die Sammelsucht: — d (=Analität) und Verschwendungssucht: -f- d als pathologische Charaktermerkmale; 13. das Ausharren bei einer Arbeit, die Kongentration bgw. die Unfähigkeit gur Kon­ gentration : — d, -f- d ; 14. und endlich die Treue (C — -)-) und Untreue (C —) zur Familie, zum Partner, zur Rasse, Klasse, Nation und Religion. Alle Daseinserscbeinungen der Kommunikation sind somit durch den Kontakttrieb be1 HERMANN, I.:

176

Die Urtriebe des Menschen (Ungarisch). Pantheon Verlag, Budapest, 1943.


Wie hängen nun die anderen sechs Triebfaktoren mit den Faktoren d und m zusammen ? Auf Grund der Ergebnisse des fast 30jährigen Experimentierens mit den acht Triebfaktoren halten wir die nachfolgende Arbeitshypothese für die wahrschein­ lichste: Es regt sich im Unbewußten des Menschen irgendein Bedürfnis. Es will befriedigt werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn das Bedürfnis vorerst ein entsprechendes Objekt sucht (d) und es für sich sichert (m). Erst dann kann sich das sich ursprünglich regende Bedürfnis befriedigen. Nach dieser A.nnahme muß somit ein jedes Bedürfnis auf dem Befriedigungsweg vorerst den K ontakttrieb in Bewegung setzen. Der Mechanismus der Bedürfnisbefriedigung kann formelhaft wie folgt ausgedrückt werden: 1. h 3. e 5. k

*- dm-, » dm-, *-dnr,

2. s 4. hj 6. p

>• d m >- d m >-dm

Triebpsychologisch will dies demnach sagen: Das Bedürfnis nach Personenund Menschheitsliebe iß), das nach Sadismus und Masochismus (s), das Bedürfnis des Kains (— e), jemanden aus Neid und Eifersucht totzuschlagen, wie auch das Bedürfnis, ihm gegenüber spontan alle Ungerechtigkeiten gut zu machen, d. h. ein Abel zu sein (-f- e), das Bedürfnis nach Introjektion (+7) und Negation (•— 7) wie auch das nach Projektion (Beschuldigung — p) und nach Inflation (Besessenheit, Verdoppelung -}- p), all diese Triebbedürfnisse können nur dann befrie­ digt werden, wenn sie sich vorerst ein Objekt suchen (d) und es für sich sichern (m). Aus dieser Arbeitshypothese erklärt sich die Notwendigkeit der Aufnahme des Kontakttriebes, des Vektors C in unser Triebsystem. *

Am Schluß dieser allgemeinen Einführung des Kontakttriebes soll noch auf die Differenz zwischen den drei Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen kurz hingewiesen werden. Die Bindung eines Ichs an ein Du kann durch ver­ schiedene Triebkräfte zustande kommen. 1. Die libidinöse Bindung, d. h. die Liebe, wird von der Triebkraft des Eros genährt und aufrechterhalten. Die sexuelle Bindung ist nur eine der möglichen erotischen Bindungsformen. Sie gehören triebpsychologisch alle dem Vektorraum S an. 2. Die participative Bindung, das Einssein mit dem Anderen, ist diejenige Doppel­ existenz von meinem Ich und einem anderen Ich, welche durch gegenseitige Übertragung der Existenzkraft, der Seinsmacht, auf den Anderen entsteht. Diese partizipative Bindung spielt sich nicht im Sexualtrieb, sondern im Ich-Triebraum Sch ab. 3. Die kommunikative Bindung, d. h. die auswechselbare Kommunikation \-wischen dem Ich und seinem aktuellen Objekt, wird durch die Triebkräfte der Such- und Anklammerungsbedürfnisse begründet. Sie gehört - als Kommunikation - dem Kon­ takttriebraum C an. Eine Ich-Du-Beziehung ist somit dann die stärkste, wenn sie gleichzeitig aus den libidinösen (S), den partizipativ-existentiellen (Sch) und den kommunikativkontaktiven Quellen (C) gespeist wird. Diese Art von Beziehungen kommen aber äußerst selten vor und falls sie vorkommen sind sie stets nur von episodischer 12

Szondi, Triebdiagnostik

177


Natur. Es wäre deshalb falsch, alle Formen der Bindung von Ich und Du auf eine einzige Quelle, d. h. nur auf den Eros (S) oder nur auf die Partizipation (Seh) oder nur auf die Kommunikation (C) zurückzuführen. Wir müssen also die Phänomene: Liehe «i », Partizipation «Sehn und Kommunikation «Cn vorerst begrifflich voneinander trennen und dann durch experir?ientelle Durchleuchtung ihre speziellen Quellen von Fall zu Fall genau prüfen. Denn nur so wird es möglich sein, die besondere Natur einer Ich-Du-Beziehung triebpsychologisch zu verstehen und prognostisch richtig zu beurteilen. Die Gleichschaltung der Begriffe von Liebe, Partizipation und Kom­ munikation im Alltagsgebrauch ist somit unseres Erachtens darum falsch, weil sich diese drei Bindungen in drei verschiedenen Triebräumen abspielen.

Kapitel XIII

WESEN UND PSYCHOLOGIE DES KLEBENS, DER BEHARRUNG UND DES AUF-SUCHE-GEHENS, DES

FAKTORS d

Der Drang, an der Mutterbrust saugend zu kleben, das glückselige Verharren in dieser Urlage des Klebens, der Drang, sich jeder Veränderung dieser Lage zu widersetzen, der Drang, in seinem eigenen Kot und Urin zu liegen, in die Hose zu machen, zum Bettnässen, mit den Exkrementen zu spielen, sie am eigenen Kör­ per, am Boden und Wand zu verschmieren (Analität, Koprophilie), der spätere Drang an Stelle dieser Urtendenz der Analität sich mit Spielen im Sand, mit Pla­ stilinarbeiten und Malen zu begnügen, die noch spätere Tendenz, alles zPsamnieln-> geizig ztirücks;uhalten, die Retention von allem, was vermeintlich oder real Wert hat, die Lust zu sparen und alles aufzuheben, Habgier und Geiz, Entsagungsfreude und Festhalten an allem, was alt ist, was einmal war, das Verharren in einem ziellosen Kon­ servatismus, die sozialpositive Tendenz der Treue zur Familie, Rasse, Klasse, Na­ tion und Religion (C— +), kurz die Beharrungstendenz auf allen Gebieten des Da­ seins ist die testologisch negative Erscheinungswelt des Triebfaktors d. Im Gegensatz zu der Beharrungstendenz (— d) steht der Drang nach Ver­ änderung, d as Auf-Suche-Gehen nach neuen Objekten, die Tendenz der Neuerung,

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die den Menschen dazu

treibt, neue Welten zu erobern und zu sehen, der Drang nach Freigebigkeit, Maß­ losigkeit und Verschwendung aller Werte, die Untreue (C + •—); alle diese Tendenzen sind Manifestationen der testologisch positiven Erscheinungswelt des Faktors d. Nichts gibt es an Beharrung und Veränderung, an Kleben und Auf-SucheGehen, an Geiz und Verschwendung, an sturem Konservativismus und «frei­ sinnigem» Neuerungsdrang, an Habgier, Sammelsucht und maßloser Freigebig­ keit, an Treue und Untreue in der Welt ohne die Tätigkeit des Faktors d. Nichts gibt es ohne ihn an Konservierung alter und an Erwerbung neuer Werte. Ohne den Faktor d erlebte der Mensch weder die klebrige Inzestliebe (C |-, — 0) noch die auffrischende Fremdenliebe (C + 0). Ohne den Faktor d gäbe es

178


keine privaten und öffentlichen Kunstsammlungen, keine Nationalökonomie, keine Bankgeschäfte, keine Antiquariate, keine Kunstkritik, aber auch keine Ent­ deckungen neuer Erdteile, neuer Geschäftszweige. Ohne ihn gäbe es keine Börse, aber auch keine Melancholie als Folge von Objektverlusten. So macht der Faktor d den Menschen einmal glücklich, ein zweitesmal zu Tode betrübt.

I. Analyse der Nullreaktionen d Od Diese Reaktion bedeutet im allgemeinen sowohl das Nicht-Auf-Suche-Gehen wie auch das Nicht-Klehen. 1. Der Stillstand im Suchen und Kleben kann sich einstellen, wenn die Person ein Haltobjekt fand, an dem sie zwar nicht klebt, aber von dem sie sich genügend angenommen fühlt, so daß das Suchen nach einem neuen Objekt nicht dringend ist (C 0 +). 2. Auch im entgegengesetzten Zustand fehlt das bedachte, ruhige Auf-SucheGehen wie auch das Kleben, nämlich, wenn die Person nach der Loslösung vom alten Objekt wahllos hin- und hergreift, ohne wirklich zu suchen: hypomanische Reaktion (C 0 —). 3. Der Stillstand im Suchen und Kleben ist am ausgeprägtesten im Zustand des Unglücklichseins (C 0 y). Hier weiß die Person nicht, ob sie sich weiter noch an das alte Objekt anklammern oder von ihm loslösen soll? Sie wird im Anklam­ mern ambivalent, ihre Bindung unsicher. Es fehlt ihr noch völlig die innere Be­ reitschaft und auch der Mut, auf Suche nach einem neuen Partner für die Kommu­ nikation zu gehen. 4. Die Tendenz zu Veränderung und Suchen fehlt auch bei Kindern, denen das Kleben an der Mutter unmöglich wurde. Der Wunsch, im Schoß der Mutter geborgen weiter zu sitzen, sich um die Objekte der Welt überhaupt nicht zu küm­ mern, ist so stark (C 0 0), daß sie sich nicht entschließen können, auf die Suche in die Welt zu gehen.

II. Analyse der positiven Reaktionen d

a) Mit Überdruck: + ! d, + ! ! d, -f- ! ! ! d Diese seltene Form der Hypertonie der Suchtendenz kann ein Hinweis darauf sein, daß die Person an Stelle der verlorenen Mutter in illegaler Form sich für den Verlust zu entschädigen versucht. Das kann zu sexueller Haltlosigkeit oder zum Don-Juanismus führen. Die gekoppelte Reaktion von + ! s, 0 s und + ! d (=Analsadismus) kann auch als Hinweis auf Kleptomanie - besonders bei Jugend­ lichen - aufgefaßt werden. Die Koppelung — ! s oder 0 s, k und -f- ! d mit ± m 179


weist auf die erste, sogenannte introjektive Phase einer Melancholie nach Objekt­ verlust hin1. b) Durchschnittliche positive Reaktionen d Mit m (C -\—I-) :ist gesagt, daß die Person auf Suche geht, sich aber gleich­ zeitig auch an das alte Objekt anklammert (+ m). Wir nennen dieses Kontakt­ bild bi- oder multilaterale Bindung. Die Person muß gleichzeitig mehrere Objekte haben. In der Arbeit bedeutet diese Reaktion eine schlechte Konzentration, in der Liebe eine zu offene Bereitschaft in beiden Geschlechtsrichtungen. Mit — m (C + —): erhalten wir das klassische Bild des Auf-Suche-Gehens (+ d) nach Abtrennung vom alten Objekt (— m) oder nach Verlust des alten Partners. Die Aufmerksamkeit und Neugierde für neue Objekte ist in dieser Bindungssituation groß. Mit A m (C + de): geht das Suchen (+ d) mit Traurigkeit, Depression einher, da ja die Bindung am alten Haltobjekt unsicher wurde (dz m). Dementsprechend ist auch die Konzentration in der Arbeit unzuverlässig. Mit 0 m (C d- 0): erreicht das Suchbedürfnis im Kontaktraum eine unifunktionelle Dominanz, da die Anklammerung minim ist, ja sogar völlig fehlt. Das ewige Suchen schadet auch der Arbeitsleistung und der Aufmerksamkeit, nicht selten bis zur völligen Arbeitsunfähigkeit.

III. Analyse der negativen Re aktionen d —d a) Mit Überdruck: — ! d, — ! ! d, — ! ! ! d ist die Beharrungstendenz krankhaft gesteigert. Das Kleben am alten Objekt - des öfteren in inzestuöser Elternbindung - macht jegliche Veränderung im Kontakt­ leben unmöglich. Unter Umständen ist auch an eine krankhaft gesteigerte Analität im Sexus zu denken; im besonderen bei der Koppelung von — ! s, — ! d an Analmasochismus, Perversionen oder Inversionen. Im Charakter erscheint — ! d als Geiz, als das Zeichen der gesteigerten Retentionstendenz, die sich nicht selten als chronische Obstipation psychosomatisiert. b) Durchschnittliche negative Reaktionen d Mit -f- m (C h) : steht vor uns das Bild einer prolongierten Elternbindung (Inzestliebe oder Inzesthaß). An Stelle der Elternbindung kann dieses Kleben auch ein Anhangen an einer Idee bedeuten, falls das Sexualbild auf Humanisierung (S , S — 0) hinweist. Mit — m (C ) : wird die Kontaktsperre darum so gefährlich, weil die Person an einem Objekt klebt (— d), von dem sie realiter schon abgetrennt ist (— ni). Diese völlig irreale Bindung macht es der Person unmöglich, mit irgend jemandem in der Wirklichkeit Kontakt aufzunehmen; so zum Beispiel bei Wahnkranken, in 1 Siehe STUMPER,

180

E.:

Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Huber, Bern, 1956. Fall 18, S. 102.


schweren Angstzuständen, oder bei ' Manischen. Der Kontakt mit der Welt, mit dem Leben überhaupt, ist abgebrochen. Man muß auch an Selbstmordgedanken denken.(Sch — ! ±> C i). Mit M m (C — zt): ist zwar die Kontaktsperre da (C ), die Person klammert sich aber noch an das Leben oder an irgendein Wertobjekt der Wirklich­ keit an. Die Bindung ist aber unglücklich (8z m). Mit 0 m (C — 0): ist die Beharrung (— d) am Alten noch stärker als im Kontaktbild C [-. Die Bereitschaft zur Veränderung der alten Kontaktbezie­ hung ist nicht vorhanden. Die Person wird unfähig, sich in ihrer Kontaktlage umzustellen. Alles bleibt wie versteinert weiter so wie es bisher war. (Petrefaktion im Kontakt.) Alle Kontaktsituationen mit — d tragen zwei klinisch wichtige Züge : Erstens sind die Träger dieser Reaktion zumeist unfähig geworden, sich auf eine andere Arbeit umzustellen. Zweitens hegen sie stets Angst und Beklemmung, da ja d ie Zeit des infantilen Verharrens schon längst abgelaufen ist, die Umwelt sich ver­ ändert hat; sie selbst aber beharren noch kleinkindlich auf einer Bindungsform, die schon längst ihre physiologische Aktualität verloren hat. IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen d a) Mit Überdruck: 1) zt ! d\ 2) zti d Die erste Variation weist auf die Situation hin, in der - trotz der Ambivalent frage: Soll die Person auf Suche gehen oder kleben am Alten - die Suchtendenz dennoch stärker ist. Bei der zweiten Variation hingegen ist in der Suchambivalenz (zt d) das Kleben die stärkere Tendenz. b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen d Mit + m (C zt +) :ist die Kontaktschwierigkeit deshalb so groß, weil neben der Ambivalenz im «Suchen-Kleben» noch die bilaterale Bindung (C H—b) c'en Kontakt erschwert. Dieses Kontaktbild trägt auch eine inzestuöse Prägung {C 1)Mit — m (C zt —) : wird die Kontaktsperre (C ) durch die Suchtendenz gemildert. Die Person hat schon das alte Objekt verloren (—.«?), sie ist aber noch unsicher in der Frage: Soll sie ein neues Objekt suchen (+ d) oder irreal weiter am alten kleben (— d) ? Mit zt (<T zt ±): ist das Dilemma im Kontaktraum vollständig; die Treue {C 1) kämpft mit der Untreue (C -\ ), der übertriebenen Kontaktoffenheit, der Bilateralität (Cd—t) stellt sich die Tendenz der Sperrung (C— —) entgegen. Die Zerstreutheit in der Aufmerksamkeit und Arbeit ist groß. Mit 0 m (C zt 0): fehlt die Anklammerung (0 m) ; die Person weiß nicht Be­ scheid: Soll sie sich ein neues Objekt suchen (+ d) oder - trotz Mangel an Anklammerungsmöglichkeit - dennoch weiter kleben (C — 0), und zwar mit einem Einschlag von Inzestbindung? Die Ambivalenz im Suchen dominiert. Alle vier Variationen der Reaktion zt d %ei&en einerseits einen analen Zwangscharakter,

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Kapitel XIV

WESEN UND PSYCHOLOGIE D E S S I C H - A N K L A M M E R NS U N D S I C H - A B T R E N N E N S , DES FAKTORS M Der Drang, mit Mund und Hand an Brust und Leib der Mutter fest und fast unabtrennbar - wie an einem Lebensbaum - zu hängen und sich dort anzuklam­ mern, die Mutter und alle ihre späteren Ersatzobjekte nur für sich selbst allein für die Ewigkeit sichern, der Drang, im Schoß der Mutter sich zu verkriechen und diese Schoßgeborgenheit zu verewigen, der Drang, von der Mutter bedingungslos im Urvertrauen so angenommen %u we rden, wie man eb en ist, von ihr in allen Eigenschaften - ob gut oder bös - restlos völlig bestätigt zu werden, der Drang der Liebenden, mit Händen und Mund nach einander zu greifen, am Entzücken des Anderen An­ teil zu nehmen, in der Liebkosung sich zu halten und ineinander aufzugehen «weil man darunter das reine Dauern verspürt» und sich von der Umarmung die Ewig­ keit verspricht (R. M. RILKE i), der Drang, sich an das Leben und Dasein klam­ mern und die Ewigkeit durch Tat und Ruhm für sich zu sichern, sich gegen Krank­ heit, Unfall und Tod zu versichern, a lle diese gewaltigen Ansprüche im Menschen werden von der Strebung des Sich-Anklammerns (+ tri) b egründet. Ihre Gegenstrebung : der Drang, sich von der Mutterbrust zu lösen, von ihrem Leibbaum sich zu trennen, von der Umarmung des Liebenden sich frei­ zumachen, der Drang, alle Bande zu zerreißen, die uns an Mutter, Vater, Ge­ schwistern, Frau, Mann, Kindern, Freunden und überholten Ideen festhalten, der Drang, endlich einmal völligfrei zusein, jegliche Kommunikation, Dualunion und jedes «Mit-dem-Anderen-sein» loszuwerden, endlich einmal «durch den Garten allein zu gehen» (R. M. RILKE), der Drang, in der Vereinsamung als Einsiedler zu leben, sich nach dem Nicht-Sein zu sehnen, am Fenster des Jenseits an den Grenzen des Daseins sehnsüchtig allein zu stehen, dieser allmenschliche Freiheitsdrang beruht auf der Ablösungsstrebung — m. Nichts gibt es an Anklammerung (-)- ni) und Abtrennung (— m), an Um­ armung und Losreißung, an Reden, Essen, Trinken, Rauchen, Küssen (Oralität, -f- ni) und an Mundsperre, an Schweigen, Fasten, Verdursten und Verachten von allem, was das Dasein an oralem Genuß uns darreicht (— ni), nichts gibt es an Sehnsucht nach der Ewigkeit (-(- ni) und nach dem Sterben (•— m), nach Miteinandersein (+ m) und Alleinsein (— m) ohne den Triebfaktor m. Er erst macht den Menschen zum Mitmenschen. Er ist aber nicht nur der soziale Faktor in allen zwischenmenschlichen Beziehungen und Organisationen, sondern auch der grausame Abtrenner und Entzweier, der Faktor der Verein­ samung und Verwahrlosung (— ! m), der Faktor aller Süchte von der Sehnsucht bis zur tötenden Trunk- und Giftsucht. Der Umstand, daß der Faktor m eine innige, kooperative Beziehung mit den Faktoren der Liebe (h) und der Partizipation (p) aufweist, erklärt, warum die Psa manche Erscheinungen des Faktors m, der ja die kontakthaften, zwischenmenschlichen 1. RAINER MAMA RILKE: Duineser Elegien. Insel Verlag 1949, S. 12—13.

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Kommunikationen begründet, dem Wirkungsraum des Eros zugerechnet hat. Es wurde bereits erörtert, daß die experimentelle Triebdiagnostik eine klare Diffe­ renzialdiagnostik von Liebe (S), Partizipation (Sch) und Kommunikation (C) erarbeitet und daß sie dieser Unterscheidung großes Gewicht beimißt.

I. Analyse der Nullreaktionen m 0m Die Nullreaktionen im Faktor m bedeuten:

1. die kindliche, krampfhaft erstarrte, ununterbrochene und eben deshalb stets unbefrie­ digte Form der Anklammerung, im besonderen bei Kleinkindern, ferner bei Angst­ und Akzeptationsneurotikern; 2. oder aber das episodische byv. andauernde Fehlen der Strebung des Sich-Anklammerns, so nach Ermüdung, bei Lebensverneinenden usf. a) Mit -f- d (C + 0) : dominiert im Kontaktraum der Drang nach Suchen, die Anklammerungstendenz ist hingegen lahm. b) Mit — d (C — 0): bedeutet die 0 /»-Reaktion eher das Erstarren in der An­ klammerung, zumeist in einer Inzestliebe, in der das Kleben (— d) jegliche Ver­ änderung und Abtrennung vom alten Objekt unmöglich macht. c) Mit i 0): ist die Anklammerung durch die Ambivalenz im Suchen (± d) erstarrt; die Person möchte zwar auf Suche nach einem fremden Objekt gehen (C -f- 0), aber das Kleben und die inzestuöse kindliche Erstarrung am alten Objekt (C — 0) verunmöglicht jede Veränderung in der Bindung. Es entsteht ein zwangshaftes An-der-Ecke-Stehen. Man kommt in der Entwicklung des Kontakt­ lebens nicht weiter. d) Mit 0 d (C 0 0) : steht vor uns - wie bereits angedeutet wurde - die früh­ kindliche Kontaktform, bei der die Kommunikation mit außermütterlichen frem­ den Objekten deswegen unmöglich ist, weil die Person ständig im Schoß der Mutter oder ihres Ersatzobjektes geborgen sitzen möchte. Es scheint, als ob alles, was nicht «Mutter» ist, als fremd empfunden wird. Es fehlt das Urvertrauen %u den Welt­ objekten.

II. Analyse der positiven Reaktio nen m

+

m

a) Mit Überdruck: -\- \ m, -\- \ \ m, -\- \ \\ m Diese Reaktion avisiert eine Hypertonie im Anklammerungsbedürfnis, die schon an der Grenze der Sucht steht, im besonderen mit 0 d (C 0 -|- !, C 0 + ! !, C 0 + ! I !). Es ist ein unbehaglicher Zustand, in dem man zumeist Trinker, Menschen mit krankhaft gesteigertem Vielfraß (Polyphagie), mit unstillbarem Hunger nach An­ klammerung und Annahme (Akzeptationssucht) anzutreffen pflegt. Auch ver-

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lassene Kinder, die zur Abtrennung noch unfähig sind, können diesen Überdruck im Faktor m zeitigen. b) Durchschnittliche positive Reaktionen m Mit + d (C -\—b) : ist der Kontakttrieb lebensoffen, aber für zu viele Objekte. Wir sprechen von bi- oder multilateralen Kontaktbeziehungen. Das Kontaktbild mit — d (C f) : stellt die prolongierte Anklammerung und das Kleben an einem Elternteil, kurz die In^estbindung und die Treue im all­ gemeinen dar. Mit ± d (C ± +): ist zwar die Beharrung (— d) und Anklammerung (+ m) an ein Elternteil immer noch vorhanden (C b)> di e Bereitschaft ein fremdes Objekt in der Welt zu suchen (+ d) meldet sich aber trotzdem. Die Ambitendenz im Faktor d gibt dem Kontakt einen Zug von Zwangscharakter. Mit O d ( C O -b): ist die nortnale Kontaktsituation testologisch ausgedrückt. Die Person bejaht das Leben, die Werte des Daseins, an denen sie hängt (+ m). Das Suchen fremder Objekte ist eingestellt (Od), da man sich noch an das alte Objekt anzuklammern vermag.

III. Analyse der negativen Reaktione n m — tn a) Mit Überdruck: — ! m, — ! ! tn, — ! ! ! m Eine sehr bedrohliche Kontaktreaktion. Der über alles normale Maß gesteigerte Drang nach Abtrennung von Eltern, Gesellschaft und Welt bringt die Person in die Gefahr, völlig vereinsamt, verwahrlost und kontaktlos in der Welt zu verkommen. Verwahrloste Jugendliche, Kriminelle, Selbstmord- oder Psychosenkandidaten zeitigen diese Kontaktreaktion. b) Durchschnittliche negative Reaktionen m Mit -f- d (C -| ) : heißt diese Reaktion, daß die Person sich entschlossen hat, sich von den Eltern abzutrennen (— m) und auf die Suche nach fremden Ersatzobjekten zu gehen (+ d). Dieses Kontaktbild trägt somit stets einen Zug von Untreue. Mit — d (C ) : wird die Kontaktlage kritisch. Die Person klebt (— d) an dem realiter schon verlorenen Objekt (—• m). Es entsteht eine irreale Kontaktsperre, eine Abhehr von d er Welt, vom Leben, eine Verneinung aller Lustmöglichkeiten des Seins. Bei C mit p oder ± p spricht die Testologie von einem negativen, irrealen Block der Reaktionen, der oft auf Selbstmordgedanken hinweist. Mit L d (C ± —): ist zwar die Beziehungssperre (C ) da, aber die Ten­ denz zum Objektsuchen in der Welt (+ d) wirkt mildernd auf die krankhafte Ab­ kehr von der Welt. . Mit O d (C 0 —): wirkt die Vereinsamung (— m) ungesteuert und ungebremst (0 d) ; sie führt zur Haltlosigkeit, zum Clownismus, zur Hypomanie im allgemeinen.

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IV. Analyse der ambivalenten Reaktionen m a) Mit Überdruck-. 1) dz ! »; 2) ±1 m Beide Formen stellen - wie die dz » -Reaktionen im allgemeinen - die unglück­ liche Bindung dar. Einmal ist, trotz Abtrennung (—m), der Wunsch nach An­ klammerung (+ ! m) - des öfteren in Suchtform - vorhanden, ein andermal die Abtrennung (— ! ni) und die Vereinsamung trotz gleichzeitiger Anklammerungsbereitschaft die stärkere Tendenz im Kontaktgebiet. • b) Durchschnittliche ambivalente Reaktionen m Die Frage bei dieser Kontaktreaktion ist: Soll die Person sich anklammern oder abtrennen vom alten Objekt? Diese Bindungsambivalen% ist stets ein Zeichen der unglücklichen Zwangssituation, in der die Person oft hin- und hergerissen wird, ohne einen festen Kontakt zu finden. Das Vertrauen ist erschüttert. a) Mit + d {C + dz): führt die Bindungsunsicherheit zu Verstimmung, zu Depression. b) Mit — d (C — dz) : wird zumeist die unglückliche Zwangslage in der Bin­ dung (dz m) teils durch das inzestuöse Weiterklebenwollen (C (-), im beson­ deren aber durch die Anklammerungswünsche (-)- ?n) trotz der Kontaktsperre (C ) noch mehr erschwert. c) Mit d- d (C ± ±): erreichen die Beziehungs- und Bindungsdilemmen ihren Höhepunkt. d) Mit 0 d (C 0 dz): dominiert der Bindungszwiespalt (dz ni) und das Un­ glücklichsein. Das Suchen wurde lahmgelegt (0 d).

Kapitel XV

ANALYSE D ES KONTAKTTRIEBES, DES VEKTORS C Womit kann die selbständige Natur des Kontakttriebes gerechtfertigt werden ? Was waren die Gründe, die uns bewogen haben, aus dem HERMANNSchen Gegen­ satzpaar, das ursprünglich nur aus %wei S trebungen bestand, einen besonderen Trieb mit vier besonderen Tendenzen und sQvei s peziellen Bedürfnissen zu kon­ struieren? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir den Kontakttrieb auf Grund der fünf allgemeinen Kriterien eines Triebes prüfen. I. Was spricht demnach für die Erbbedingtheit des Kontakttriebes ? (Erstes Kriterium). I. HERMANN hat in einer Reihe von Arbeiten die Beweise dafür erbracht, daß die zwei Strebungen: Auf-Suche-Gehen und Sich-Anklammern in der Geschichte der Primaten phylogenetisch tief verankert sind1. Die ersten Monate des extrauterinen Lebens verbringt das Affenkind ständig am Leib der Mutter, an den es sich mit 1 HERMANN, I. : a) Zur Psychologie der Schimpansen. Int. Ztschr. f. Psa. Bd. IX. 1923. b) Modelle zu den ödipus- und Kastrationskomplexen bei Affen. Imago, Bd. XII. 1926. c) Zum Triebleben der Primaten. Imago, Bd. XIX. 1933. d) A z ember ösi ösztönei. (Die Urinstinkte des Menschen.) Verlag Pantheon, Budapest, 1943.

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beiden Händen und Füßen anklammert. HERMANN schreibt: «Das Anklammern selbst wäre die Funktion von zweimal zwei Organen (Händen und Füßen), von welchen ein Paar (die Füße) bereits im ersten Lebensjahr seinen Ersatz in der Mut­ tererde findet. Bei den primitiven Völkern besteht noch heute die Tendenz, das Kind möglichst den ganzen Tag lang und mehrere Jahre hindurch mittels Bändern, Kleidungs­ stücken am mütterlichen Körper festzuhalten.» Dieses reale, körperliche Miteinandersein von Mutter und Kind ist in der Tat eine vollständige Dualunion, eine unmittelbare Kommunikation zweier Lebewesen. Die Sehnsucht des Kleinkindes nach dieser vollständigen Kommunikation erscheint lange noch in der Schlaf­ stellung des Säuglings und Babys mit dem Zeichen der Anklammerung. Auch die Haltung der Hände und Arme in den Zeichnungen von Kindern, Primitiven und sogar in der altägyptischen Kultur («/&?»)1 weist nach dem Autor besonders auf die dominierende Stellung der Anklammerung hin. I. HERMANN erwähnt auch die entgegengesetzte Tendenz, die Erscheinung des «Sich-frei-Machens», «SichAbtrennens» und als Folge davon die Tendenz des «Auf-Suche-Gehens». Die Beharrungstendenz (— d) wird zwar von HERMANN nicht erwähnt, aber sie liegt ja implicite in dem Anklammerungsphänomen (C h)- Wir haben sie als Gegen­ tendenz zu der Tendenz des Auf-Suche-Gehens in den Kontakttrieb eingebaut. Der Autor betont, daß in allen Unterklassen der Primaten diese Erscheinungen der Anklammerung-Abtrennung und des Auf-Suche-Gehens zu finden sind; nur die Art und Dauer der Anklammerung weist bestimmte Variationen auf. Die HERMANNsche Theorie hat ihre Vorfahren bei den Pädiatern, Neurologen und Tierpsychologen. Der in der Pädiatrie bekannte MoROsche Umklammerungsreflex besteht darin, daß bei kräftigem Aufschlagen der Hände auf der Unterlage beid­ seits vom Kopf des Kindes der Kopf eine ruckartige Bewegung macht. Beide Arme werden dabei abduziert und bald darauf in tonischen Bewegungen adduziert. Es handelt sich um einen «vererbten Umklammerungsreflexv> des Kleinki ndes, der erst am Ende des ersten Trimenons verschwindet2. In diese Gruppe von Reflexen gehören nach HERMANN auch «die Anklammerungsreaktionen», die nach ALVERDES3 eine vererbte Urreaktion des Tieres darstellen, ferner « der Umarmungsinstinkt» der Affen nach BRANDES4, ferner die «Anklammerung an den Haaren» beim Affenkind nach HECK5. Die Greif- und Anklammerungsreflexe nach MINKOWSKI, BIRK, BERNFELD, NATSON, ferner die Empfindungsbereitschaft der Hand- und Fußflächen bei Be­ rührung (PEIPER), das Zurückkehren der An- und Umklammerungsreflexe der Hirngeschädigten (H. CHRISTOFFEL6) - und eine lange Reihe Beobachtungen von pathoneurologischen Untersuchungen sprechen alle für die Erbbedingtheit dieser Urreflexe7 und somit auch für die Rolle des Erbes in der Grundlegung des Kontak­ triebes. 1 Die Hieroglyphe von «ka», diesem wichtigen Teil der Seele bei den Urägyptern, soll ein Symbol des sich anklammernden Menschen sein (HERMANN). a MORO, E.: Das erste Trimenon. Münch. Med. Wsch. 65y 1918. 8 ALVERDES, F. : Die Tierpsychologie in ihren Beziehungen zur Psychologie des Menschen. Leipzig, Hirschfcld, 1932. 4 BRANDES, G. : Vom Orangsäugling zum Backenwülster. Quelle und Meyer, Leipzig, 1939. 6 HECK, L. : Auf Tiersuche in weiter Welt. Parey, Berlin, 1941. 6 CHRISTOFFEL, H. : Einige fötale und frühst — kindliche Verhaltungsweisen. I. Z. f. Psa. und Imago. 24, 1939. 7 Zitiert nach HERMANNS Buch: «Az ember Ösi ösztönei». S. 43ff.

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Dem z"weiten Kriterium, dem der Polarität der Triebstrebungen und Bedürfnisse, entspricht der Kontakttrieb völlig. Die innere Polarität im Faktorenraum m erscheint ja in den erörterten Gegenfunktionen des Sich-Anklammerns (+ m) und Sich-Loslösens (— tri) ; im Bedürfnisraum des Faktors d: in der Gegensätzlichkeit der zwei Tendenzen: Kleben, Beharren (— d) und Auf-Suche-Gehen (+ d). Das dritte Kriterium, die Spannung des Triebes, erscheint im Gebiet des Kontakt­ triebes als diejenige Dynamik, welche durch die Polaritäten in beiden Faktoren­ räumen (d und tri) als Drang zum Kontakt, zur Kommunikation zwischen dem Ich und dem Du sogar bei den schwersten Kontaktkranken immerfort vor­ handen ist. Der erste Teil des vierten Kriteriums verlangt von dem Kontakttrieb, daß seine beiden Bedürfnisse im und d) physiologisch b ei allen Individuen ohne Ausnahme vorhanden seien. Die Untersuchungen von Motto, ALVERDES, BRANDES, HECK, Pst PER, CHRISTOFFEL und im besonderen von I. HERMANN wie auch unsere Experi­ mente sprechen klar dafür, daß es sich bei den zwei Kontaktbedürfnissen in der Tat um eine physiologische Ge setzmäßigkeit des Trieblebens handelt. Die Gültigkeit des psychopathologischen Kriteriums — als des zweiten Teils des vierten Trieb-Kriteriums - wurde bei dem Kontakttrieb dadurch bestätigt, daß es uns gelungen ist, die innige Beziehung zwischen den Faktoren d und m und dem manisch-depressiven Irresein experimentell zu beweisen. (Siehe ferner die Erörterungen über die Syndromatik von Melancholie und Manie bzw. Hypomanie1.) Als fünftes Kriterium eines Triebes figuriert die Forderung, daß die spezielle Triebkrankheit, welche auf dem besonderen Trieb fußt, einen selbständigen Erbgang aufzuweisen hat. Beim Kontakttrieb will dieses Kriterium heißen: das manisch­ depressive Irresein muß einem selbständigen Erbgang folgen. Auf Grund der erbpathologischen Untersuchungen von HOFFMANN, RÜDIN, LUXENBURGER, LENZ nimmt die Genetik an, daß das manisch-depressive Irresein wahrscheinlich einen polymeren Erbgang aufweist, und zwar unter Beteiligung von mindestens einer dominanten Anlage. Die Mitwirkung eines rezessiven Erbanlagepaares ist eben­ falls angenommen worden. Die Manie und die Melancholie sollen genetisch dieselbe Erb­ anlage haben. Für die speziellen Erbanlagen sprechen auch folgende empirische Feststellungen von LUXENBURGER 2 : 1. Unter den Kindern der Manisch-depressiven ist dieselbe Psychose mit einer Erkrankungsgefahr von 32.3% anzunehmen. Das heißt: sie sind 60mal mehr gefährdet, manisch-depressiv zu werden, als der Durchschnittsmensch (0.44%.) 2. Die zirkuläre Form der Psychopathie unter den Kindern von manisch­ depressiven Eltern ist 20mal grösser als in der Durchschnittsbevölkerung. Auch die Konkordanz der eineiigen Zwillinge in bezug auf eine manisch­ depressive Erkrankung ist enorm gross. Das Zahlenverhältnis der EZ- und ZZKonkordanzmittelwerte3 ist 4:1. 1 Triebanalyse, Triebpathologie, Bd. I., S. 336—355. 2 Zitiert nach v. VERSCHUER, O. : Erbpathologie, Steinkopff, Dresden und Leipzig, 1934. S. 91. 3 E. Z. = eineiiges 1 ZwUli . Z. Z. = zweieiiges J

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Damit müssen wir den besonderen Erbgang des manisch-depressiven Irreseins als höchst wahrscheinlich ansehen. Auf Grund dieser Prüfungen glauben wir, daß es richtig war, in das Trieb­ system der Scha einen selbständigen spe ziellen Kontaktvektor C einzubauen. Eine Frage bleibt allerdings immer noch unbeantwortet, und zwar die nach der speziellen Energiequelle des Kontakttriebes. Der Sexualtrieb nährt sich bekanntlich aus den Quellen der Libido (h) und Mortido (s). Der Paroxysmaltrieb schöpft seine Kräfte aus den nichttriebhaften Energiequellen der groben (e) und feineren (hy) Affekte. Der Ich-Trieb speist sich aus den zwei urtümlichen Existenzquellen des Menschen: aus der Kapitali­ sierungskraft (k) und der Ausdehnungskraft (p). Beim Kontakttrieb müssen wir vorderhand annehmen, daß die Anklammerungstendenz aus einer urtümlichen oralen (ni), die Beharrungs- und Klebungstendenz aus einer analen (d) Quelle genährt werden. Die FREUDsche Auffassung dieser zwei prägenitalen Triebe wird somit im Triebsystem der Scha beibehalten, aber sie werden nicht als genuin libidinöse Quellen - wie bei der Liebe und Sexualität — aufgefaßt, sondern als besondere Energiequellen des Kontakttriebes, welche die Tiere höherer Ordnung und die Menschen dazu treiben, auf Suche zu gehen, oder zu kleben, sich anzuklammern oder sich abzulösen. Daß der Kontakttrieb unter Umständen libidinös gefärbt ist, wird aus den erörterten Triebverschränkungen: h -*• d m, s —>• d m verständlich. Je tiefer die Stufe ist, auf der die Kontaktbedürfnisse bei einem Individuum fixiert bleiben, um so schärfer schlägt in der Triebverschränkung die orale bzw. anale Färbung der Libido durch. B^'r^wA,«

„wA W dmnw

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und Regressionen nicht von einer ausschließlich oralen b^w. analen Libido b^w. einem Sadis­ mus, sondern vonfrühkindlichen Kontaktformen, bei denen die Kontakttriebe mit den Sexual­ trieben noch innig verschränkt sind. Darum haben die Verschränkungen Oralsadismus, Oralerotik, Analsadismus, Analmasochismus usf. stets einen %w«-vektoricllen Charakter. Sie nähren sich aus zwei verschiedenen Triebquellen. Nun kommen wir zu den Erörterungen der 16 Vektorbilder im Kontakt­ raum.

1. Unitendenzen im Vektor C !

Variationen

II

III

IV

Im Vordergrund : C =

+

0

0

+

0

0

Im Hintergrund: C

±

±

+

±

±

+

Variation I

C,

+

o

Auf-Suche-Gehen nach einem neuen, fremden Ojbekt. Veränderungsdrang. Anklammermgstmfäbigkeit am alten Haltobjekt. Gesteigerte Neugierde und Aufmerksamkeit für die Umweltobjekte. ArbeitsStörung.

Die Träger dieses Kontaktbildes sind unfähig geworden, sich auf die Dauer an das alte Objekt anzuklammern. Eine kindliche Kontaktinkontinenz (0 ni) treibt sie, immerfort auf die Suche zu gehen (+ d), wobei aber die Steuerung und Brem-

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sung durch die Anklammerungstendenz dem Ewig-auf-der-Suche-Sein fehlt. So entsteht nun der unstete, unruhige, suchtartige Drang, mit jedem Wesen in Kontakt treten, Dieses einseitige Kontaktbild erreicht semen Höhepunkt zwischen 7-8, 70-80, 13-16 und 41-60 Jahren. Klinisch finden wir es im besonderen bei hysterischen, oft hypomanischen oder paroxysmalen, eventuell lesbischen Frauen und passiv homosexuellen Männern. Auffällig ist die gesteigerte Neugierde dieser Menschen sowohl im banalen Alltags­ leben wie im geistigen Raum. Sie sind die « Zeitungsfresser» und «Kinosüchtigen» katexochen. Das Ewig-auf-der-Suche-Sein stimmt gut mit ihrem häufig paroxys­ malen Ausreißer-Ich (Seh dz —) überein. Die hintergründige Bindungsart weist auf die voraufgehende Inzestbindung mit Ambivalenz in der Anklammerung (C — dz) bin.

C,

d

m

0

+

Variation II Reife Kontaktbe^iehung. Anklammerung ohne Suchen. Zuverlässige Aufmerksam­ keit. Mit Überdruck : Orale Sucht. Ak^eptationsneurose.

Die unauffälligen Erwachsenen vom Ende der Pubertät bis ins Altern hinein liefern häufig dieses Kontaktbild. Es heißt: die Person klammert sich an das gefundene Liebes-, Freundschafts-, Berufs- und Interesseobjekt fest an (-(- m) und sucht kein neues Objekt (0 d). Die Anklammerung ist nicht mehr von inzestuösem Charakter (67 — +), sondern bezieht sich schon auf das fremde Objekt. Mit dem Altern (60-80) wird diese Kontaktart häufiger. In der frühesten Kindheit ist sie hingegen noch selten. Klinisch: mit Überdruck: 67 0 + !, 67 0 + ! ! weist dieses Kontaktbild auf irgendeine krankhafte Anklammerung, besonders aber auf eine orale Sucht (TrunkRauch-, Redesucht) hin. Das Ich, mit dem die Dominanz der Anklammerung am häufigsten einhergeht, ist das Ich mit der Annahme der Weiblichkeit und Ver­ lassenheit (Sch + zt) und das alltägliche Drill-Ich (Sch ), das eifersüchtige Ich (Sch — i) und das gutarbeitende Zwangs-Ich (Sch dz +)• Die hintergründige Bindungsart birgt in sich die Gefahr einer Kontaktsperre mit Ambivalenz im Suchen. Variation III Extreme Beharrung. Kleben. Konservativismus. Schwierigkeit im Sich-Umstellen. Analer Charakter.

Eine in allen Altersklassen relativ seltene Kontaktform, bei der die Tendenz zum Kleben, Sich-nicht-Verändern-Können, zum Zurückhalten (Retention) aller erworbenen Werte bremsenlos d ominiert. Zwischen 20-30 und 40-60, d. h. in den Jahren des Erwerbs materieller Güter, erreicht dieses Kontaktbild seinen Höhe­ punkt. Wir finden es bei Angsthysterie und hysteriformen Wahnbildungen. Träger dieser Bindungstreue sind durch ihre konservative Haltung zwar nicht aufbauende, doch äußerst zuverlässige Mitglieder der Gesellschaft, für den Erzieher und Psychotherapeuten - falls sie seelisch erkranken - dennoch «harte Nüsse». Dem analen (— d) Charakter entspricht ihr infantiles projektives Ich (Sch 0 —), später das gehemmte Ich (Sch f-) oder das total narzißtische Ich, welches alles

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haben und sein möchte (Sei + + , + ±). Die Sublimierten arbeiten zwangshaft, ausharrend (Sei nur stört ihre Beharrungstendenz jegliche Teamarbeit. Bei Nicht-Sublimierten dominieren der Geiz, der Drang, alles zurückzuhalten, die Obstipation und das Nichts-Hergeben-Können. Die hintergründige Bindungsform (C dz) weist auf den Wunsch nach Ab­ lösung und Auf-Suche-Gehen hin (+ ±), aber die Person ist in der Anklammerung noch ambivalent. Variation IV Hypomaniscbe Bindung. Sichlosreißen von al len Bindungen an die Welt. Verein­ samung., Verwahrlosung. Sucht und Haltlosigkeit.

Diese Bindungsform ist der Antipode der voraufgehenden. In der Beziehung zur Welt dominiert die Abtrennung von allem, was vorher als Halt und Rückhalt diente (— ni). Die urgründige Enttäuschung und der Verlust des Urvertrauens am An­ deren enhverten jegliche Beziehung %itm Elternbaus, %u den Erziehern, %ur Welt und Reli­ gion. Die Vereinsamung, des öfteren die Verwahrlosung sind die seelische Folge der Zerstörung aller Ideale, aller Idole. Es dominiert das rastlose Haschen und Hasten ohne Sinn und Ziel. Alle Quellen der Lust werden wahllos ausprobiert und alle Lust­ objekte sofort degradiert und als wertlose Dinge weggeworfen. Im besonderen sind es Kinder nach der ersten, ödipalen Pubertät (5-6 Jahre), hauptsächlich aber Jugendliche in der Prä- (9-12) oder der zweiten, juvenilen Pubertät (13-16), die durch das maßlose Haschen und Hasten, auf Grund der Enttäuschung, des Verlustes des Vertrauens zu den Eltern und Erziehern, durch diese tragische, negative Beziehungsart äußerst gefährdet werden. Sicher ist es grundsätzlich falsch, wenn man bei diesen Kleinkindern und Jugendlichen von einer «maniformen Psychose » redet, wie dies eine Gruppe von englischen Psycho­ analytikern tut. Man kann hier nur von einer hjpomanisch en R eaktion auf den Verlust der Mutter, des Vaters bzw. des Inzestobjektes sprechen, niemals aber von einer kindlichen Psychose, auch dann nicht, wenn - wie wir es experimentell bewiesen haben - der seelische Vorgang Ähnlichkeiten mit der maniformen Psychose der Erwachsenen aufweist. Klinisch liefern dieses Beziehungsbild auch wirklich maniforme Psychotiker, ferner Paranoiden auf einer epileptiformen oder schi^oformen Basis, haltlose Psychopathen, Suchtkranke in einer späteren Phase ihrer Haltlosigkeit. Bei Kindern dürfen wir aber nur von einer hypoman isch-haltlosen Reaktion sprechen. Einige vagabundierende Poriomane stehen ebenfalls in dieser haltlosen Beziehung zur Welt. Das Ich ist bei den maniformen Psychotikern das destruktive Ich (Sch — ! —), das Entfremdungs-Ich (Sch — A, —! A) > bei den Paranoiden das projektive Ich (Sch 0 —, 0 —!); bei den perversen Sexualpsychopathen des öftcrn das Introjektions-Ich (Sch + 0, + ! 0). Die Bindungsform im Hintergrund (C A A ) zeigt den voraufgehenden Vorgang : Inzestbindung (C 1-) mit dem Wunsch, in die Welt hinauszugehen (A d).

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2. Bitenden^en im Vektor C a) Horizontale Teilung, Legierung Variationen

I

II

Im Vordergrund: C =

+

+

Im Hintergrund: C

+

+

Beide Legierungsformen im Vektor C sind nicht eben wünschenswerte Bin­ dungsarten. Variation I

C5

d

m

+ +

Doppelte (bilaterale) oder mehrfache (multilaterale) Bindimg. Geteilte Aufmerk' samkeit.

Die Person klammert sich noch an das alte Objekt an (+ m), gleichzeitig aber geht sie auf die Suche nach einem neuen Objekt (+ d). Trotz dieses bilateralen Kontakts wäre es falsch, hier von einer Bindungsambivalenz zu reden. Denn die Bindung ist in der Tat nicht ambivalenter Natur wie in den Kontakformen ± d oder + m, sondern einfach doppel- oder mehrgeleisig, d. h. auf zwei oder mehrere Objekte gerichtet. Man wünscht sich sowohl das alte wie das neue Objekt. Darum ist die Bindung bi- oder multilateral. Im Sexualleben äußert sich diese Bindungsform darin, dass der junge Mann, trotzdem er immer noch an der Mutter hängt, sich dennoch auch ein gleichgeschlechtliches Objekt sucht. Bei Lesbierinnen ist stets die starke Anklammerung an ein Vaterobjekt (+ m) feststellbar, die sich in der Liebe zu alten Männern kundtut; dabei aber hegen sie ruhig auch gleichgeschlechtliche Ansprüche. Zweifelsohne weist dieses Kontaktbild auf eine Verlangsamung, in besonderen Fällen sogar auf eine Störung in der Geschlechtsentwicklung hin. Zum Verstehen dieses Kontaktbildes sollen noch zwei Angaben dienen. Die erste ist die, daß je älter der Mensch wird, um so häufiger er in seinen Bindungen bilateral oder multilateral wird. Zweitens ist die relative Häufigkeit der bilateralen Bindung bei Hypochondern zu erwähnen. Wir deuten diese zwei empirischen Daten im gleichen Sinne: Der alternde Mensch (60-80) hängt noch am Leben (+ m), hegt aber dennoch den Wunsch nach dem Tod (+ d). Das nämliche finden wir auch bei Hypochondern, die sich zwar krampfhaft an das Leben anklammern, dennoch stets mit Selbstmord und Tod liebäugeln. Auch die Ich-Bilder, welche des öftern mit dem Kontaktbild C+ + einher­ gehen, bekräftigen die obige Annahme. Denn: einerseits sind diese kontakt­ offenen Menschen besessen (Sch 0 +) von Ambitendenzen (Leben und Tod; altes und neues Objekt), anderseits wollen sie die ganze Welt mit allen ihren Objekten in Besitz nehmen (Sch + 0). Nicht selten führt diese Doppelbindung zur hypo­ chondrischen Schuld- und Strafangst {P + •—, Sch 1- o der P 0 •—, Sch — 0). Die hintergründige Kontaktneigung (C ) weist auf die zukünftige Kontakt­ sperre hin, die wir nicht selten in der Sukzession dieses Kontaktschicksals beob­ achten können.

191


Variation II Kontaktsperre, irreale Bindung. Entfremdung von d er Welt.

irreale Bindungsart, in der ein Mensch an einem Objekt beharrlich klebt ( — d), welches er schon in der Wirklichkeit verloren h at (—• m). Das Verharren (— d) im Zustand des Abgetrenntseins und der Vereinsamung (— m) macht es unmöglich, daß die Person auf Suche nach einem neuen Objekt geht. Sie bleibt in ihrer Einsamkeit blockiert und völlig von der Welt abgesperrt. In dieser Lage verneint die Person jegliche Kontaktnahme mit der Umwelt. In allen Altersklassen kommt diese irreale Kontaktlage äußerst selten vor. Bei schizoformen, heboiden Wahnkranken, bei Katatonen, bei Epileptikern (Psychosis epileptica), bei verwahrlosten, schizoformen oder epileptoiden .Krimir nellen drückt die Kontaktsperre ihre mit Angst und Beklemmung beladene Lage in der Welt plastisch aus. Auch Selbstmordkandidaten (mit Sch — A, Sch — I) liefern dieses Kontaktbild des öfteren. Es sollte demnach dem Untersucher als Mah­ nung Kum Vorbeugen dienen. Während der Manische mit der Bindungsart CO — nach Lustobjekten unruhig hascht, sind Menschen in der irrealen C Lage zu­ meist in ihrem Abgesperrtsein schon völlig erstarrt. Allen Objekten und Lust­ quellen der Welt zeigen sie schroff den Rücken. Sie sind in der Enttäuschung %u Felsen versteinert (Petrefaktion). Es ist der traurigste Zustand, in den ein Mensch in seiner Beziehung zur Welt geraten kann. Die Irrealität im Kontaktleben, die darin besteht, dass man an einem endgültig verlorenen Liebes- und Wertobjekt felsenfest ausharrt und stur weiterklebt, deckt sich gut mit der Erfahrung, dass diese Menschen ursprünglich alles sein, einige sogar auch alles haben wollten (Sch 0 +, Sch -f- -)-). Nachdem sie diese irreal gesetzten Ansprüche in der Wirklichkeit nicht zu realisieren vermochten, ver­ steinerten sie sich in einer Kontaktsperre, die eiskalt ist wie ein Felsengrab. Auch das hintergründige Kontaktbild (C -f +) drückt ihre ursprünglichen, voraufgehenden Ansprüche auf alle Wertobjekte der Welt aus. Wir sprechen in diesen Fällen von einem «Niobe-Komplex»1. b) Vertikale Teilung: Zwangskontakt 1

Variationen

II

Im Vordergrund: C =

±

o

0

±

Im Hintergrund: C

0

±

±

0

1 Nach dem Mythos prahlte die überhebliche Königin Niobe mit ihrer göttlichen Abstammung und mit der Zahl ihrer Kinder (12 oder 14, ja sogar 18, 19 und 20). Dies erregte Haß und Eifersucht bei der Freundin Le to, der Göttermuttcr, die nur zwei Kinder, Apollon und Artemis, hatte. Aus Rache befahl Lcto, daß ihr Sohn, Apollon, mit dem Bogen alle Söhne, die Artemis durch Pfeile alle Töchter der Niobe töten sollte. Und so geschah es. Niobe saß Tage hindurch in stummem Leiden am Grabe ihrer Kinder. Nach der Sage verwandelte sich Niobe in Kleinasien, wo sie als Göttin geehrt war, im Sipylosgcbirgc hinter Smyrna in einen ervig tränenden Felsen. (KERÉNYI, K.: Niobe, Rhein-Verlag, Zürich 1949.)

192


Beide Variationen tragen einen ambivalenten Zwangscharakter, der bei der Variation I im Raum der Such- und Beharrungstendenz, bei der Variation II in dem der Anklammerungs- und Abtrennungstendenz dominiert. Variation I Zweifel im Suchen und Kleben. Zwangskoniakt durch Ambivalent im Beharren.

Die Person lebt in ständigem, angstbeladenem Zweifel, ob sie am alten - zu­ meist inzestuösen, eventuell auch gleichgeschlechtlichen - Objekt weiter kleben (C •— 0) oder auf Suche nach einem neuen Objekt gehen (C + 0) soll. In diesem Beziehungs- und Bindungszweifel steht sie unentschlossen, ratlos an der Ecke, versteift sich in einem inneren Kontaktdilemma und kann nicht weitergehen. Praktisch scheint nach außen des öfteren das Kleben an der Mutter oder ihrem Ersatzobjekt (— d) der Sieger zu sein, im Inneren aber ist der Wunsch, vom alten zum neuen Objekt zu gehen (-]- d), dennoch gleich stark. Somit bleiben diese Menschen oft lebenslänglich an die Mutter oder eine Schwester, an den Vater oder Bruder gebunden, sehnen sich aber in ihren Tag- und Nachtträumen weit weg von der Familie. Nicht selten bezieht sich ihr zweiflerischer Zwangs­ kontakt auf ein gleichgeschlechtliches Objekt, an dem sie zwangshaft kleben oder das sie zwangshaft suchen. Zumeist aber geschieht in der Wirklichkeit gar nichts. Diese Kontaktart figuriert in allen Altersklassen als ein seltenes Kontaktbild, welches klinisch an phobisch-paroxysmalen, epileptiformen oder paranoiden Menschen haftet. Ihr Hintergänger wird durch die nachfolgende Variation II dargestellt:

G

a 0

m ±

Variation II Zweifel in der Anklammerimg und Abtrennung. Zwangskontakt durch Ambi­ valent in der Anklammerung.

Bei diesem zweiten zwangshaften Kontaktbild bezieht sich das zweiflerische An-der-Ecke-Stehen auf das Dilemma: Soll die Person sich weiter an das alte Objekt (Mutter, Vater usf.) anklammern (-|- ni) oder sich abtrennen (— ;//)? Sie ist aber weder zur Anklammerung noch zur Ablösung fähig, da sie ja b eide Ten­ denzen gleich stark und gleichwertig in sich trägt. Es ist die typische Lage einer unglücklichen, hoffnungslosen Bindung, die klinisch des öfteren bei Zwangscharakteren, Zwangsneurotikern und nur selten bei Konversionshysterikern, normalerweise auch in der Präpubertät oder in der ersten infantilen Pubertät anzutreffen ist. Wenn jemand in der Bindung an den Anderen zu zweifeln beginnt und somit das Zusammenleben mehr Unglück als Glück bringt, dann erscheint dieses Zwangs­ kontaktbild als Warnungsruf, als Menetekel, im Testprofil. Diese Kontaktsitua­ tion ist auch deshalb so unglücklich, weil ja d ie Umdrehung, also die Wendung zum Hintergänger (C ± 0), nur den Akzent von der Anklammerung auf das Suchen verlegt, das Zweifeln selbst aber weiter die dominierende zwangshafte Haltung im Kontakt bleibt. Den triebpsychologischen Unterschied zwischen den zwei Zwangskontakt­ bildern sehen wir empirisch darin, daß das Kontaktbild C± 0 eher eine Zwangslage eines C0 j= hingegen mehr die eines /wrAw, o// „„aWk//schen Menschen darstellt. 13

Szondi, Trielxliügnosiik

193


I

Variationen

II

Im Vordergrund: C —

+

+

Im Hintergrund : C =

+

+

Variation I Untreue Bindung. Abtrennung und Auf-Suche-Gehen. Depressive und autistische Kontaktform.

Auf Grund der obigen Spaltungsform der vier Elementarfunktionen des Kontakttriebes bedeutet dieses Bild die simultane Erscheinung von Skh-freiMachen (—m) und Auf-Suche-Gehen (+ d). Wenn wir diese Situation im Kontakt­ raum als Untreue bezeichnen, so weist diese Benennung nur auf die Beziehung %um alten Objekt hin, d. h. zur Inzestperson, von der man sich loszulösen versucht. Bei den Depressiven bedeutet das, daß sie vermeintlich oder realiter das Liebes­ und Haltobjekt verloren haben. Die Tragik in diesem Kontaktschicksal des Einzelnen besteht - unter anderem - auch darin, daß die Inzestbindung (C f-) physiologisch nur von kurzer Dauer ist. Sicher ist - wie dies I. HERMANN ins­ besondere betont - die Loslösung von der Mutter und das Auf-Suche-Gehen ein physiologischer Schritt in der Entwicklung, aber ein äußerst bedrückender, schick­ salsschwerer Schritt, den wir, per analogiam zu der «hypomanischen Reaktion des Kleinkindes», (C 0 —) die «hypomelancholische Reaktions> (C + —) nennen können. Diese Reaktion wächst von der ersten Pubertät (3M Jahre) bis zum Schulalter (7-8) steil in die Höhe und flaut dann allmählich ab. Warum wird aber diese physiologisch eintretende Abtrennung, die Be­ freiung von der Mutter und das nachfolgende Auf-Suche-Gehen von so düsterer Stimmung begleitet? Wir nehmen an, daß das Urbedürfnis: Kleben und Sich-Anklatnmern an die Mutter (C \~) im Menschen nie völlig erlischt wird. Darum bringt jedes

jwAw - www awd

- r/f/r «w

JÄww/Mg W/ rwA Wir fassen die

Melancholie - im Einklang mit S. FREUD - auch vom Aspekt des Kontakttriebes aus als die extremste Steigerung eines Objektverlustes und als ein vom kollektiven Schicksal dem Menschen aufgezwungenes Auf-Suche-Gehen auf. Darum liefern Melancholiker - im besonderen in der introjektiven Phase zu Beginn ihrer Krank­ heit - das Kontaktbild C . Es weist auf die Trauerarbeit (S. FREUD) hin, die durch den Loslösungsprozeß und das konsekutive Auf-Suche-Gehen begründet wird. Das Erlangen der Freiheit scheint - zu Anbeginn der Abtrennung - eher von Depression (d. h. Zu-Tode-betrübt-Sein) als von Hypomanie (Himmelhoch­ jauchzen) begleitet zu sein. Jede A.rt von Auf-Suche-Gehen-Müssen scheint eine bedrükkende, depressive Stimmung auszulösen, da man ja unbewußt stets die verlorene Mutter sucht. Diese Depression kann sich unter Umständen bis zur andauernden Melan­ cholie steigern, falls die Person das verlorene Objekt so lebenstreu mit Stumpf und Stil dem Ich einverleibt hat, daß sie - auf Grund des Introjektionshildes niemals das verlorene Objekt in der Welt wiederzufinden vermag. Eben dieses

194


Tnwr^bf/Wfr-

j-fWr/ db jgwadypmyrdbr TrawrarMf. Erst die Bewußtwerdung dessen, daß das Suchen nach dem verlorenen Objekt vergebhch ist, ermöglicht die Entwertimg des gesuchten Idols. Im Test erscheint die Reaktion — k an Stelle der + k = Introjektion und nun beginnt die hypomanische Phase (C 0 —) mit Haschen und Hasten, mit Sucht und Haltlosigkeit. Der hier geschilderte Prozeß der Verwandlung der Depression in die Hypomanie (oder Manie) ist aber nicht nur bei den endogen-zirkulären Kontaktkrank­ heiten zu beobachten. Wir finden ihn auch bei paroxysmalen, hysteroepileptiformen, phobischen Erkrankungen, deren Kernprozeß - die Ablösung und das AufSuche-Gehen - dem der zirkulären fast gleich ist, während der Abwehrmechanis­ mus des Objektverlustes aber eine paroxysmale, epileptiforme Natur aufweist. Der infantile Charakter dieser Kontaktvorgänge wird auch durch das gleich­ zeitige frühkindliche Ich {Seh 0 —, Seb + —, Seh ± —) bestätigt. Die zwangshafte Note des Suchens erscheint testologisch des öfteren in Form des Zwangs-Ichs {Sch T : 0). Die Rolle der Introjektion (+ k) im Beginn der Ablösung wird testo­ logisch in den Ich-Bildern Sch + —, + 0, ± 0 sichtbar. Äußerst wichtig ist für die Beurteilung und das Verstehen der depressiven (-)• Kontaktreaktion die hintergründige Kontaktreaktion des Inzestwunsches (C d

m

+

Variation II Treue Bindimg. Kleben und Sich-Anklamntern an das alte Objekt. In^estbindung.

Entwicklungspsychologisch müssen wir annehmen, daß das Kleben (—• d) und Sich-Anklammern (-)- m) - im Sinne von I. HERMANN - die Urform der Kommuni­ kation zwischen Mutter und Kind darstellt. Die klinisch-testologischen Unter­ suchungen bekräftigen die Richtigkeit dieser Deutung. Wir finden nämlich die treue Bindung einerseits bei Kranken, die ihr persönliches Ich aufgegeben haben (Sch 0 0; so bei paroxysmalepileptiformen Kranken), anderseits bei Hypochon­ dern, bei denen die Inzestbindung die Schuld- und Strafangst hervorruft. Bei Neu­ rott kern, die ihre Inzestansprüche verdrängen (Sch — 0), ferner bei inflativen Eroto­ manen (Sch 0 +) begegnen wir im Test ebenfalls dem inzestuösen Kontaktbild. Je konservativer eine Bevölkerung an Religion und Staat klebt und sich an sie klammert, desto häufiger ist das Kontaktbild der Treue in der Durchschmttspopulation (SOTO YARRITU)1. Im späten Alter, nach den Sechzigerjahren, steigt die Häufigkeit der konser­ vativen Haltung nochmals in die Höhe. Die Affektbilder (P) geben Auskunft, ob die Inzestbindung (C |-) als Inzestliebe {P -) , + 0) oder aber als Inzesthass (P j-> — 0, ) gegenüber einem Elternteil aufzufassen sei. Auch Hochsublimierte können das Bild der infantilen Kommunikationsform liefern, wobei es das Kleben und Anhangen an einer Idee bedeutet (J , Sch zk zk) ± ~K C b ). Das Inzestbild im Kontaktraum (C h) scheint ein Ausgangspunkt der Kontaktentwicklung zu sein und trägt implicite stets auch die Tendenzen zu Ablösung und Auf-Suche-Gehen in sich. Sein hintergründiges, ko?nplementäres Kon1 SOTO YARRITU, F.: a) El dcstino humano como problema cientifico. Navarra, 1953. S. 256. b) Validierung des SzoNDi-Tcstes durch eine Gruppenuntersuchung von 2352 Fällen. Szondiana II.

195


taktbild ist ja C -| , also die Untreue. Somit wird auch testologisch erklärbar, warum die Untreue - als latente Neigung - jede treue Bindung bedroht.

3. Tritenden^en im Vektor C Variationen

I

II

III

IV

Im Vordergrund: C =

±

±

+

±

±

+

Tritendcnzen

Im Hintergrund : C =

+

o

0

+

0

0

Unitendenzen

Variation I Zwangshafte Ambivalenz

der Anklammerttng und Inzestbindimg. Kontaktsperre

(7«gyW://fA,

Dieses Kontaktbild weist stets auf eine unglückliche Bindung hin. Das Un­ glück hat mehrere Gründe: 1. Trotz Inzestansprüchen (C — +) wirkt die Ab­ lösungstendenz mit (—m) ; 2. trotz der Kontaktsperre (C ) ist der Anklammerungswunsch (-)- ni) immerfort weiter da; 3. trotz der klebenden Behar­ rung (— d) ist die Anklammerung unsicher geworden (A m). Die \-wangshafte Ambivalent (± m) in der Frage der Anklammerung (-)- ni) und Abtrennung (—• ni) macht sowohl die sich bindende wie auch die Halt gebende Person äußerst unglücklich. Denn die Tendenz, welche einzig fähig wäre, der unsicheren Situation ein Ende zu bereiten, fehlt, nämlich der Drang, auf Suche zu gehen und sich ein neues Objekt zu schaffen (+ d). Die Schwerertragbarkeit dieser Bindungsform motiviert auch ihre Seltenheit. Hie und da sehen wir Kinder in der Latenzperiode (5-6 Jahre) oder Erwachsene am Rande des Altwerdens (60-70 Jahre) mit diesen Kontaktschwierigkeiten kämpfen. Klinisch liefern das Cn-Bild Zwangsneurotiker, Katatone und paroxysmalepileptiforme Kinder und Erwachsene. Ihr Ich-Bild ist dementsprechend autistisch (Sch + •—) oder wahnhaft be­ sessen (Sch 0 T) - zumeist von Tötungsvorstellungen oder kindlich-ödipalen Tötungsdrängen. Die Unsicherheit in der Anklammerung wird auch durch die Verlassenheit, den Kastrationskomplex oder inflative Projektionen begründet (Sch 0 ±). Den einzig möglichen Entspannungsweg aus dieser Zwickmühle avisiert der Hintergänger C + 0: den Weg des Suchens. Variation II Zrvangsbafte Ambivalenz Sueben nach der Ablösung. Kontaktsperre mit Resten von Suchen . Untreue und dennoch Klebe n.

Auch diese zwangsartige Konstellation im Kontaktraum ist in allen Alters­ klassen äußerst selten. Hier dominiert aber nicht die Ambivalenz in der An­ klammerung (tu), sondern das Zweifeln darob: Soll sich die Person völlig ab­

196


trennen (C + —) oder weiter kleben? Soll sie sich jeder Kontaktnahme ver­ ) oder auf die Suche gehen (+ d) ? Die Unsicherheit im Such­ sperren (C bedürfnis ist zwar des Zweifeins wegen unbehaglich, dennoch ist die Person weniger unglücklich, weil sie ja schon den unbehaglichsten Ablösungsschritt (—- m, + d) hinter sich hat. Die Reste der Klebetendenz (— d) verhindern aber das völlige Freiwerden. Von der ersten bis zur zweiten Pubertät (3-4 Jahre bis 13-16 Jahre) kommt dieses Zwangskontaktbild hie und da zum Vorschein. Klinisch hefern Zwangsneurotiker, paroxysmal-epileptiforme Psychotiker und geschlechtlich unreife Personen dieses Zwangs kontaktbild häufiger als die Durch­ schnittsbevölkerung. Da hier der Abtrennungsprozeß (C -| ) schon im Gange ist, finden wir das Ich des öfteren im Stadium der Introjektion (Seh + 0). Die paroxysmalepileptiformen Individuen liefern das Ich-Bild der Katastrophenahnung {Sch A A) als einen Integrationsversuch oder das Ich der Desintegrierung (Sch 0 0). Der An klammerung s d rang (C 0 +) wird in den Hintergrund gestellt und be­ reitet sich dort zum Auftritt auf die Vorderbühne vor. Variation III d

??i

+

±

M

w// <6r

%«r 4&/Ö-

sung und %um Auf-Suche-Geben. Bilaterale Bindung mit Ablösung. Depressive Stimmung.

Diese Bindungsart macht die Person äußerst unglücklich. Die innere Ursache ihres Unglücklichseins kann durch folgende Motive begründet werden: 1. Durch die Unsicherheit in der Anklammerung ( A m) und überhaupt durch die Fragwürdigkeit der Möglichkeit jeglicher Anklammerung. Zumeist fühlt die Person ganz richtig, daß sie das Liebes- oder Haltobjekt unwiderruflich verloren hat. Des öfteren ist ihr Verlust real, seltener aber nur vermeintlich. 2. Durch die seelische Wirklichkeit, daß die Person ohne das verlorene Objekt nicht leben kann. Sie sucht dieses und kein anderes Objekt, kann es aber nie ivieder finden, da ja das verlorene Objekt jür sie ein einmaliges war. 3. Die Introjektion des verlorenen Objektes {Sch A 0) war so «objekttreu», daß die Person nur dieses Objekt sucht und zu jeglichem Kompromiß in der Objektwahl unfähig geworden ist. Das Suchen ist somit ab ovo zum Mißglücken verurteilt. 4. Daher entsteht nun die Depression. Die Trieb- und Ich-Analyse der Depres­ siven und Melancholiker führte ja zu dem Ergebnis, daß der Objektverlust an sich nur den Anstoß zum Suchen bedeutet. Die Verstimmung bis zur Melancholie wird eigentlich dadurch aufrechterhalten, daß das Suchen des einmaligen Objektes an sich das Finden unmöglich macht. Je länger also die Person ihr verlorenes Objekt in der Welt sucht und nicht findet, um so verstimmter und unglücklicher wird sie. Die Tiefe der Melancholie nimmt so lange %u, wie die krankhafte Introjektion (j- k) wirksam ist. In dem Moment aber, wo die Wirkung der Introjektion aufhört und die Person das Idol des einverleibten Objektes zerstört, beginnt das manische Ha­ schen und Hasten. Im Test verwandelt sich die Reaktion A k. in — k, allmählich sogar in — ! k, •— ! ! k. Entwicklungspsychologisch: Dieses depressive Kontaktbild erscheint in der ersten infantilen (3—4 Jahre) bis gegen Ende der zweiten, juvenilen Pubertät (17 bis 20 Jahre). Im Greisenalter steigt die Häufigkeit wieder (senile Depression).

197


Klinisch ist diese Bindungsart für die endogene Melancholie nur im introjak­ tiven Anfangsstadium als «Prozeßsyndrom» charakteristisch. (Später liefern Me­ lancholiker die Reaktion •— k als «postdepressives Syndrom» nach U. MOSER1.) Auch andere Arten von Depressionen, im besonderen die paroxysmalen und paranoiden Verstimmungen, geben das oben behandelte Kontaktbild. Während die endogenen Depressionen - im Anfangsstadium - das Ich-Bild der totalen Introjektion (Seh + 0) liefern, zeitigt die paroxysmal-paranoide Form nicht selten das Ich-Bild der Desintegration (Scb 0 0). Das hintergründige Kontaktbild (C•— 0) deckt einerseits die voraufgehende Phase der Inzestbindung, anderseits die simultan wirkende Inzesttreue während des ewigen Suchens auf. Variation IV

c14

±

+

Zwangshaftes Suchen mit A.nklammerung. Unsichere Inzestbindimg. Bilaterale Bindung mit Kleben. Schlechte Konzentration.

Diese Kontaktform stellt ein relativ seltenes Kontaktbild dar. Seine Aus­ legung ist in mehreren Richtungen möglich : 1. Inzestbindung (C [-), die aber unsicher (A: d) geworden ist; die Person ist gezwungen, auf Suche nach einem Ersatzobjekt zu gehen (+ d). 2. Zwangsneurotische Ambivalenz im Suchbedürfnis (± d), mit gleichzeitiger Anklammerungstendenz (-j- ni). 3. Bilaterale Bindung (C H—[-)> mit Kleben am alten Objekt (— d). Alle diese Möglichkeiten verursachen eine Störung in der Konzentration, und zwar teils wegen des Zwanges und Zweifeins im Suchbedürfnis (d= d), teils wegen der bilateralen Bindungsart (C -j—[-)• Entivickhmgspsychologisch erlangt dieses Kontaktbild nur am Anfang der ödipalen Phase (3-4 Jahre) und in der zweiten Hälfte des Lebens (40-80 Jahre) eine Be­ deutung. Klinisch begegnen wir dieser Kontaktart gelegentlich bei Hypochondrie - zu­ meist mit dem Entfremdungs-Ich (Seh •— ±) oder in paroxysmalen Zuständen, so bei Phobie, Epilepsie, mit Desintegration im Ich (Sch 0 0); seltener liefern auch Katatone das obige Kontaktbild. Das (C 0 —) weist auf die zukünftige Kontaktgefahr der Vereinsamung bzw. Verwahrlosung hin. Man könnte sogar daran denken, daß die hintergründige Gefahr der Haltlosigkeit das zwangshafte Suchen begründet.

4. Qiiadritenden^ im Vektor C Das totalproblematische Kontaktbild. Gleichzeitige Treue und Untreue. GleichZeitige bilaterale Kontaktoffenheit und Kontaktsperre. Zerstreutheit.

Die gleichzeitige Mitwirkung aller vier Kontakttendenzen belastet die Per­ son in ihrem Kontaktraum maximal. Wie soll der Träger dieses Kontaktbildes die 1 MOSER, U. : Validierung, Blinddiagnosc und die Problematik des Krankheitsbegriffes im SZONDITest. Szondiana II, 1955. S. 62.

198


Gegensätzlichkeiten lösen, die 1. zwischen der Anklammerung (A ni) und der Ablösungstendenz (— m), 2. zwischen dem Kleben (— d) und dem Auf-SucheGehen (+ d), 3. zwischen der treuen Inzestbindung {C b) und der untreuen Fremdenbindung (C A -—), 4. zwischen der bi- oder multilateralen Bindung (C -|—b) und der völhgen Absperrung von der Welt (C ), 5. zwischen der Ambivalenz in der Frage: Anklammerung—Abtrennung (A ni) und der gleich­ zeitigen Ambivalenz in der Frage: Kleben—Suchen (A d) bestehen? Wie kann man überhaupt solch tiefgehende Diskrepanzen im Kontaktleben meistern? Die Antwort auf diese Frage erteilt das Ich-Bild Sch 0 0, das mit dem total problematischen Kontaktbild einherzugeben pflegt. Sie lautet: das Ich desinte­ griert sich; es wird unter der Wucht der Kontaktlast zumeist ohnmächtig. Entwicklungsgeschichtlich kommt dieses schwer ertragbare Kontaktbild sehr selten vor. Manchmal finden wir es in der Phase der doppelten Ödipuslage (3-4 Jahre) oder am Ende des Lebens. Klinisch vermögen nur Zwangsneurotiker (Sch A 0), Hysteriker {Sch — 0, b, — A) oder Melancholiker {Sch A 0) oder paranoide Schizophrene {Sch 0 —) in diesem Sperrfeuer der Dilemmen und der Zerrissenheit der Bindungen auszu­ harren. Ein ichgesunder Mensch erträgt diese Bindungsschwierigkeiten kaum. Die Gesundheit des Trieb- und Ich-Lebens besteht ja erfahrungsgemäß eben darin, daß das Ich die Randdilemmen (I ± ±, C ± ±) in sich aufnimmt. Es macht aus den Randproblemen Ich-Probleme {Sch A A)- Or aber das Ich zu dieser Transaktion der Dilemmen unfähig, so muß es zumeist erkranken. Die Gefahr der problematischen Kontaktsituation wird noch durch das stets anwesende und mit dem Einbruch drohende hintergründige Kontaktbild {C 0 0) vergrößert.

5. Nullitenden% im Vektor C d

m

0

0

Kontaktlosigkeit mit der Welt. Schoßkindkontakt. Desintegration des Kontakttriebes.

1. Die Desintegration des Kontaktlebens entsteht erstens durch plötzlich auftretendes Loslassen aller Welt- und Wertobjekte, an denen man vorher hing oder die man gesucht hat. Dies geschieht zumeist, wenn die Person die andauern­ den Kontaktdilemmen sowohl in der Anklammerungs- und Ablösungsfrage wie auch in der des Klebens und Suchens nicht weiter zu ertragen vermag. Sie gibt die Kontaktbedürfnisse völlig auf und verweilt eine Weile in einem Nihilismus: sie klebt nicht (0 d), sie klammert sich nicht an (0 m), sie macht keine Vorberei­ tungen zur Abtrennung (0 tri) u nd sie sucht nicht (0 d). Diese Kontaktlosigkeit der Desintegration kann z. B. bei beholden Schizophrenen angetroffen werden. 2. Die Situation, daß man ununterbrochen im Schoß der Mutter oder in dem eines anderen Liebesobjektes zu sitzen wünscht, kann das Bedürfnis, mit fremden Leuten in Kontakt zu treten, ebenfalls lahmlegen. Durch die völlige Kommuni­ kation mit und Partizipation an dem alten Liebesobjekt werden ja a lle Kontakt­ tendenzen in den Ruhestand gesetzt (C 0 0). Allerdings nur für eine kurze Weile.

199


Tabelle 8. Wesen und Psychologie der 16 Vektorbilder des Kontakttriebes Variationen

>•

Im Vordergrund

j

1. Eine Strebung: Unitendenz

C,

+ 0

Auf-Suche-Gehen. Unfähigkeit zum Fest­ halten an dem alten Objekt. Höhepunkt: 7-8, 70-80, 13-16, 41 bis 60 J. Klinisch: Hysterie, passive Homosexua­ lität des Mannes. Das Ich ist häufig das paroxysmale Aus­ reißer-Ich.

C5 2. Zwei Strebungen: Bitendenz a) Horizontale Teilung Legierung

tjp 0 +

C3 — 0

Reife Kontaktbezie­ hung. Anklammerung ohne Suchen. Zu­ verlässige Aufmerk samkcit. Höhepunkt: 17—20, 21-40, 70-80 J. Klinisch: Mit Über­ druck: orale Sucht: Trink-, Eß-, Rauch-, Redesucht. Das Ich: Annahme der Verlassenheit, der Weiblichkeit {Sch + dz), Drill-Ich {Sch — —), Eifer­ sucht {Sch — dz), Zwangsarbeiter {Sch d= +).

Kleben, Beharrung., Konservativismus. Analer Charakter. Höhepunkt: 20-30, 40-60 J. Klinisch: Angst­ hysterie, hysteriforme Wahnbildun­ gen. Das Ich ist: projektiv {Sch 0 —) oder ge­ hemmt {Sch — -f), total narzißtisch {Sch + T", + dz) oder das eines Zwangsarbeiters {Sch d= +)•

+ +

Doppelte oder mehrfache (bi- oder multilaterale) Bindung. Geteilte Aufmerksamkeit. Höhepunkt: 80-90, 60-70, 70-80, 20-30 J. Klinisch: Hypochondrie, Homosexualität, geschlechtliche Unreife. Das Ich: Inflation {Seh 0 +), Introjektion {Seh + 0), Moll-Ich (Sch 0 ±), Ich-Verlust (Seh 0 0).

C7 ± 0 b) Vertikale Teilung Zivangsbafter Kontakt

200

Zweifel beim Suchen und Kleben. Zwangskontakt im Faktor d. Höhepunkt: 70-80, 3-6 J. Klinisch: Paroxysmale Anfälle (z. B. Epi­ lepsie, Phobie, Paranoid auf epileptiformer Basis). Das Ich: Autismus (Sch H ). Annahme der Verlassenheit {Sch + ±).

C4 0 —

Hypomanische Bin­ dung. Vereinsamung Venvahrlosung. Sucht und Haltlosig keit. Höhepunkt: 5-6, 9-12,13-16 J. Klinisch: Manie, Pz noid auf epileptisc oder schizoforme: Basis, haltlose Ps] chopathie, Sucht, Poriomanie. Das Ich: Katastro phenahnung {Sch dz dz), Zw: und Angst {Sch ± • Alles-Sein und -1 ben-Wollen. {Sch H—h + dz)

c

,—

Kontaktsperre. Irreale Bindung. Man klebt verlorenen Objekt. Höhepunkt: 3—12, 4 0-60 J. Klinisch: Paroxysmale Anfälle (Epileps Angst, paroxysmale Wahnbildungen, V wahrlosung, Selbstmord. Das Ich: Besessenheit {Sch 0 +). Alles-Sc und -Haben-Wollen {Sch + +).

Cg

0 ±

Zweifel bei der Anklammerung und Abtrennt Zwangskontakt im Faktor m. Unglückliche 1 dung. Höhepunkt: 17-20, 9-12, 3-4,13-16, 80—9( Klinisch: Zwangsneurose, Konversionshysterie. Das Ich: Zwangs-Ich (Sch rb 0). Annah der Verlassenheit und Introjektion des v lorenen Objektes (Sch + ±).


Abb. 13. Variationen des Kontaktbildes, des Vektors C C„ 0 0

C2 0 +

c4

0—

Kindliche, lust* suchende Beziehung zu der Welt, im Schoß der Mutter. Kontaktlosigkeit:

Reife Beziehung zur Welt. Angst, man könne das Objekt verlieren:

Hypomanische Reaktion. Vereinsamung:

d m

d m

dm

C

C8 0 ± Unglückliches Zusammenleben in einer Dualunion:

..fi dm

c3 - (I Kleben. Beharrung. Konservativismus. Treue Bindung. Analer Charakter:

"c

d ml

Cio

•"

Inzestliebe. Inzesthaß. Extremes Anhangen an einer Idee:

Cs - Kontaktsperre. Irrealer Hang an dem verlorenen Objekt:

Kontaktsperre mit Anklammerung:

q dm

d m

dm

X

Cj 4- 0

C5 + +

c9 + —

c, ± o

Auf-Suche-Gehen. Untreue Bindung:

Gleichzeitige Bin­ dung an zwei Objekte:

Suche nach einem neuen Objekt nach Verlust des alten, Depression:

Suche nach einem neuen Objekt nach Lostrennung vom alten. Untreue:

Zweifel beim Suchen und Kleben:

dm

dm

dm

dm

dm

C1S +

X

±

,C

CH ±

4-

Suche nach neuem Objekt trotz Hang an dem alten. Bilateralität:

dm

cK

±-

cu ± ±

irrealer Hang an dein alten Objekt, gleich­ zeitiges Suchen nach einem neuen Objekt:

Kontaktdilemmen. Gleichzeitige Treue und Untreue:

•ri

rr

dm

± X

dm


Tabelle 8. Wesen und Psychologie der 16 Vektorbilder des Kontakttriebes (Fortsetzung) riationen

>•

c,

Vordergrund | ei Strebungen: mdenz Diagonale Teilung Spaltung im Kontakt

Untreue in der Bindung. Abtrennung und AufSuche-Gehen. Depressive und autistische Kon­ taktlage. Höhepunkt: 7—8, 9—12, 5—6 J. Klinisch: Konversionshysterie, paroxysmale Hysterie, Phobie, Epilepsie, Depression. Das Ich: Zwangs-Ich {Sch ± 0), ProjcktionsIch {Sch 0 —), paroxysmales Ich {Sch ± —), Autismus {Sch H ).

1

C13 + ±

Zwangshafte Ambi­ valent, >m Suchen, Ablösung. Kontakt­ sperre mit Rest von Suchen. Untreue und dennoch Kleben. Höhepunkt: 3-4 J. Klinisch: Zwangs­ neurose, paroxys­ male Paranoide, ge­ schlechtliche Un­ reife. Das Ich: Totale In­ trojektion {Sch + 0) Integration {Sch ± ±) Desinte­ gration {Sch 0 0).

+

Treue in der Bindung. Kleben und Sich-A.nklammern am alten Objekt. IntfStbindung. Höhepunkt: 20^0, 60-70 J. Klinisch: Hypochondrie, paroxysmale Er­ krankungen. Das Ich: Ich-Verlust {Sch 0 0), Verdrängung {Sch — 0), Besessenheit {Sch 0 +).

H-

tenden%

Zwangshafte Ambi­ valent in der Anklammerung und InZestbindung. Kontakt­ sperre mit A.nklammerungsresten. Unglück­ liche Bindung. Höhepunkt: 5-6, 3-4, 13-16, 21-30 J. Klinisch: Paroxysmen, Zwang, Wahnbildungen, katatone Schizophrenie. Das Ich: Verlassen­ heit, Weiblichkeit (Sch 0 ±), Ich-Ver­ lust (Sch 0 0), Beses­ senheit (Sch 0 +).

"Ü

Cu-± ii Strebungen:

C,o

+—

Zwangshafte Ambi­ valent der An­ klammerung mit Suchbereitschaft. Bilaterale Bindung mit Ablösung. Depression. Höhepunkt: 80-90, 3-4, 5-8 J. Klinisch: Melancho­ lie, Paroxysmale An­ fälle mit Depression, Hysterie. Das Ich: Desintegra­ tion {Sch 0 0) Introjektion {Sch + 0), Introprojektion {Sch + -).

C f4 ±

+

Zwangshaftes Suchen mit Anklammerung. Unsichere Inzestbin­ dung. Bilateralität mit Kleben. Schlechte Auf­ merksamkeit. Höhepunkt: 30—40, 3-4, 17-20 J. Klinisch: Hypochon­ drie, Dämmerzu­ stände bei Epilepsie, Phobie, Katatonie, Schizophrenie. Das Ich: Desintegra­ tion {Sch 0 0), Ent­ fremdung {Sch — ±).

c„ ± ± r Strebungen: idriienden%

Das dilemmatöse, totale Kontakibild. Gleichzeitige Treue und Untreue. Gleichzeitig bilaterale Kon­ taktoffenheit und Kontaktsperre. Zerstreutheit. Höhepunkt: 3-4, 70-80 J. Ein sehr seltenes Kontaktbild. Klinisch: Zwangsneurose, Hysterie, Melancholie, paranoide Schizophrenie. Das Ich: Desintegration (Sch 0 0).

c„ ine Strebung: ilitenden^

0 0

Kontaktlosigkeit. Schoßkindkontakt. Desintegration im Kontaktbild. Höhepunkt: 13—20, 30—60 J. Klinisch: Hysterie, Homosexualität, geschlechtliche oder paroxysmale Unreife bei Kindern. Das Ich: Integriert mit Katastrophenahnungen (Sch ± ±), Introjektion der Weiblichkeit bzw. der Verlassenheit {Sch + ±).

201


Sowie die kindliche Kommunikation aufhört, erwachen sofort die Kontakt­ tendenzen, und die Person nimmt ihre Beziehungen zur Welt wieder auf. Diese zweite Entstehungsmöglichkeit der Desintegration im Kontaktraum macht die Tatsache verständlich, warum man dieses Kontaktbild am Anfang und am Ende des Lebens kaum antrifft. Erst in der Blütezeit der Liebeseinheit (17-20 Jahre eventuell 30-40 Jahre), in der die Weltbeziehung durch die über­ wältigende Kommunikation mit dem Liebesobjekt ihr Minimum erreicht, be­ gegnet man diesem Kontaktbild häufiger. Klinisch erlangt das Kontaktbild der Desintegration bei Homosexuellen, Angst­ hysterikern, Phobikern und geschlechtlich Unterentwickelten eine Bedeutung. Die Phobiker liefern zumeist das Ich-Bild der Katastrophenahnung {Sch A ^b), die Homosexuellen das der Annahme ihrer Weiblichkeit (Sch -fi A). Im Hintergrund lauert aber das total problematische Kontaktbild (C ± fi:), welches nicht selten dem desintegrierten Kontaktbild vorangeht oder ihm suk­ zessive folgt.

202


DRITTER TEIL

DIE DEUTUNGSMETHODEN DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK



DRITTER TEIL

DIE DEUTUNGSMETHODEN DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK In dem vorausgehenden Abschnitt haben wir die 64 Bausteine der experimen­ tellen Triebdiagnostik in ihrer selbständigen Sondernatur dargestellt. Nun ge­ langen wir zu der wichtigsten Aufgabe unseres Lehrbuches, nämlich zur Dia«gmtfAiè die wir durch verschiedene Arten der Deutungstechnik freilegen können. Was sollen wir aber unter Deutung eines Triebprofils, bzw. einer Serie von Triebprofilen verstehen? Das Ziel der Profildeutungen ist: 1. Die Aufdeckung der verborgenen Absichten und Tendenzen wie auch der schon manifest gewordenen Pläne des Einzelschicksals. 2. Die Feststellung der wichtigsten Existenzmöglichkeiten des Individuums in seinem Trieb- und Ich-Leben durch Serienuntersuchungen. 3. Die Aufstellung einer Schicksalsprognose auf Grund der sichtbar gemach­ ten Existenzmöglichkeiten (A. BEELI). 4. Das Entwerfen eines Plans zur Schicksalstherapie auf Grund eines Indika­ tionsverfahrens. Aus diesen Zielsetzungen erklärt sich, daß die experimentelle Triebdiagnostik an erster Stelle Schicksalspläne, Schicksalsmöglichkeiten und nicht klinische Diagnosen der Person - wie man es irrtümlicherweise annahm - festzustellen hat. Schicksal ist ja stets mehr, als eine psychiatrische Diagnose erfaßt, welche stets nur eine einzelne Existenz­ form der Person zp bestimmen versucht. Der Mensch hat aber viele Schicksalsmöglich­ keiten. Schicksal ist somit die G esamtheit aller Existenzmöglichkeiten der Person, welche durch die Zwangsfaktoren (das Erbe, die Triebnatur, die sozialen und mental-ideologischen Faktoren) und durch die Freiheitsfaktoren (das Ich und den Geist) zustandekommt. Wir müssen also womöglich alle Schicksalsmöglich­ keiten kennen, um die Pläne des Schicksals, seine verborgenen Absichten aus den in den Testprofilen dargestellten Bausteinen freilegen zu können. Der systematischen Darstellung der Deutungsmethoden müssen wir zuvör­ derst einige Leitsätze zur Deutungsarbeit vorausschicken.

Kapitel XVI

LEITSÄTZE ZUR DE UTUNG VON TRIEBPROFILEN Erster Leitsatz'- Über die Unbrauchbarkeit der Deutungsmethode des «.Mosaikspiels» Die Faktoren- und Vektorenanalysen darf man nie als eine «mosaikspielartige» Deutungsmethode anwenden. Also etwa so, daß man die «Bedeutungen» der Fak-

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toren- bzw. der Vektorenreaktionen einfach von den entsprechenden Tabellen (Nr. 5-8) mechanisch abliest und durch das Nebeneinanderstellen der Resultate die klinischen oder charakterologischen Diagnosen aufstellen zu können glaubt. Leider haben manche Anfänger diese «Mösaikspieldeutungen» in den vergan­ genen 30 Jahren durchgeführt. Alle gelangten aber - wie dies nicht anders ge­ schehen konnte - auf einen Holzweg und stellten fest, daß der Test versagt habe. Die Möglichkeit, daß sie eine unerlaubte Methode angewendet hatten, kam ihnen nicht in den Sinn. Des öfteren wurde mir die Frage gestellt: Warum führt diese Nebeneinander­ stellung der faktoriellen und vektoriellen Testergebnisse fast immer zu Fehl­ diagnosen ? Die Antwort geben uns die folgenden Leitsätze : Zweiter Leitsatz : Uber die korrelative Deutung Jede Wablreaktion muß auf Grund der interjaktoriellen und intervektoriellen Wechsel­ beziehungen korrelativ und nicht als Ein^elreaktion isoliert gedeutet werden. Die acht Faktoren - wie auch die vier Vektoren - stehen miteinander in einer biologisch bedingten Wechselbeziehung. Diese Korrelation macht es unmöglich, daß man eine einzelne faktorielle oder vektorielle Reaktion aus dem komplexen Triebganzen herausreißt und sie unabhängig von den anderen Reaktionen des Triebprofils isoliert deutet. Das will zum Beispiel sagen: Die Deutungen der Faktoren h und s im Sexual­ leben, im Vektor S, sind stets davon abhängig, wie die Vp synchron die Bilder des Ich-Vektors (Sch), die des Affektvektors (P) und die des Kontaktvektors (C) ge­ wählt hat. Jedes Sexualbild muß je nachdem eine andere Sinngebung erhalten, ob das Ich einen Alltagsmenschen (Sch ) oder eine differenzierte Ich-Persön­ lichkeit (z. B. Sch A -j-, A A) darstellt. Und auch umgekehrt. Ein höheres, integratives Ich-Bild (Sch ± A, ± A) wird bei einem gleichzeitigen Alltagssexual­ bild (S A A) völlig anders gedeutet, als wenn auch das Sexualbild auf einer Humanisierungsstufe (L oder — 0) steht. Dasselbe gilt natürlich auch für die Reaktionen im Kontakt- und Paroxysmalvektor. Triebfaktoren sind ja un­ historische Radikale des Trieblebens. Ihre Wurzeln und Energiequellen sind un­ veränderlich, d. h. immer die gleichen; ihre inhaltlichen Erscheinungsbilder aber kön­ nen sich — im Rahmen eines faktoriellen bzw. vektoriellen Kreises - wandeln. Die inneren Gesetze dieser phänotypischen Wandlungsmöglichkeiten der Wurzel­ faktoren machen die «mosaikspielartige» Deutung durch Nebeneinanderstellung

der Einzelergebnisse unmöglich. Denn: ^ IFW/Wgw rWya dingte interfaktorielle Korrelationen streng bestimmt. Dem entspricht unsere Forderung einer streng korrelativen Deutung der faktoriellen und vektoriellen Reaktionen. Dritter Leitsatz : Über die Wesensschau und die allgetjieinen Wesensbegriffe der Faktoren Hat aber die generelle Sinndeutung der faktoriellen Einzelreaktionen nach alldem, was der zweite Leitsatz verlangt, noch eine Berechtigung? Unsere Ant­ wort ist dennoch eine bejahende. Die allgemeine Sinndeutung der faktoriellen und vektoriellen Einzelreaktionen dient - neben theoretischen Überlegungen -

206


auch einem didaktischen Ziel: der Anfänger soll die Faktoren- bzw. Vektoren­ reaktionen vorerst in ihrem allgemeinen ab strakten und allheitlichen Wesen - quasi kategorial - erfassen.. Wir mußten von den praktisch möglichen und de facto gegebenen mannigfaltigen Einzelerscheinungen des jeweiligen Faktors und Vek­ tors vorerst in abstracto zu dem wurzelbedingten allgemeinen und allheitlichen Wesen der faktoriellen und vektoriellen Triebschicksale vordringen und diese Wurzeln des faktoriellen Triebschicksals quasi «eidetisch» begreifen. So gelangen wir zu wichtigen Wesensbegriffen und Wesenszusammenhängen in dem Erscheinungskreis der einzelnen radikalen Faktorenschicksale, und zwar befreit von den ad hoc gegebenen phänotypischen Einzelheiten, die durch die anderen Faktoren bzw. Vektoren bedingt sind. Nur diese Abstraktion ermöglicht es dem Anfänger, das allgemeine Wesen der einzelnen Faktoren- und Vektorenreaktionen als «Bilder von Triebschicksalen» zu erfassen, und zwar vorerst völlig unabhängig von den interfaktoriellen Wechselbeziehungen. Ein Beispiel soll das Gesagte erhellen. Das Triebradikal h bedingt phylogene­ tisch den ursprünglichen hermaphroditischen Eros eines Zweigeschlechterwesens. Der nämliche Wurzelfaktor bestimmt im frühkindlichen Leben die bisexuelle Erotik, nach der Reife die normale Personenliebe und auch die ideelle, kollektive Menschheitsliebe; ferner die warmen, weichen «Mo/.füge» des Charakters. Das­ selbe Triebradikal h kann aber-je nach der sozialen Schicht-den einen Menschen zu einer Berufswahl., wie Coiffeur, Coiffeuse, Badeangestellter, Hotelier, Kellner, Zuckerbäcker, Koch, Unterwäscheerzeuger führen; einen anderen zu Berufen, wie Modezeichner, Tänzer, Artist, wieder andere zu Berufen,wie Musiker, lyrischer Dichter oder Gynäkologe, Hautarzt, Sexualpathologe usf. Als Sublimierungsfaktor bedingt das nämliche Triebradikal h im allgemeinen: Kultur, im besonderen den «literarischen Humanismus». Als Krankheitsfaktor bestimmt es die Krankheits­ formen: körperlicher Hermaphroditismus, Transvestitismus, Homosexualität; als kriminogener W urzelfaktor: Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei, Spionage, Unter­ schlagung usf. (siehe Tabelle 2). Die Wesenszusammenhänge dieses bunten Bündels von möglichen und gege­ benen Einzelerscheinungen kann man nur dann richtig verstehen, wenn man das Triebradikal h nicht mehr als an die gegebene Natur gebunden wahrnimmt, son­ dern die immanente Wirklichkeit auszuschalten vermag und das, was nach dieser Reduktion vom Wurzelfaktor h als das «.reinphänomenologische Residuum»1 zurück­ bleibt, im allgejneinen und allheitlichen Wesen k ategorial erfaßt. Dasselbe bezieht sich auf die von uns erfaßten anderen Radikale des Schicksals. Wenn wir nun behaupten, der Faktor h sei der Faktor des Eros eines herm­ aphroditischen Urwesens, der Urmütterlichkeit; oder der Faktor s sei der Faktor des männlichen Raubwesens, des Sadismus und der Urväterlichkeit, so sind diese Sinngebungen allgemeine, abstrakte Wesensbestimmungen, deren Erscheinungs­ kreis aber •—• trotz der Gleichheit im Wesen — eine äußerst bunte Mannigfaltigkeit von Einzelerscheinungen umfaßt, die nur in der Wechselbeziehung zu den anderen Faktoren in ihrer persönlichen Besonderheit diagnostizierbar sind. Ähnlich steht es mit den 16 Tendenzreaktionen. Die Sinndeutung der Reak­ tion h als individuelle Personenliebe und — h als kollektiver Menschheitsliebe 1 HUSSERL, E. : Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Hrg. von W. BIEMEL. Ilusscrliana III. Nyhoff, Haag. S. 72f.

207


ist ebenfalls nur eine allgemeine, abstrakte Wesensbestimmung. Beide Tendenz­ reaktionen umfassen einen ganzen Kreis von bunten Trieberscheinungen, die man aber nur durch Berücksichtigung der korrelativen Beziehungen zu den anderen Tendenzreaktionen in ihrer Spezifizität und Individualität richtig zu deuten ver­ mag. Vierter Leitsatz : Über die Deutungen auf verschiedenen Ebenen Dieselben faktoriellen und vektoriellen Reaktionen müssen stets dem Einzelfall ent­ sprechend auf den verschiedenen Ebenen 1. des Geschlechtes, 2. des Alters, 3. der Rasse und Kultur, 4. der sozialen Klasse und 5. der Glaubensart verschieden gedeutet werden. Diesen wichtigen Leitsatz versuchen wir vorderhand mit einigen Beispielen zu erläutern. Ad. 1. Ein männliches Ich (Sch dz 0, dz +> ± dz) muß natürlich bei einer Frau anders gedeutet und klinisch beurteilt werden als bei einem Mann. Ad. 2. Der Symptomenkomplex der beginnenden Melancholie (+ d, -f- k, •—s) darf bei Kindern nie als die Psychose «Melancholie» beurteilt werden wie bei Erwachsenen, sondern nur als die Verstimmung des Kindes nach der Abtrennung von der Mutter. Ad. 3. Das klassische Ich-Bild eines paranoiden Schizophrenen (Sch 0 — ! !) - d. h. die krankhaft gesteigerte Projektion - wird bei kulturarmen Naturvölkern, bei denen diese Ich-Funktion im Test dominiert, als eine durch ihre Rassenkultur bedingte Hyperpartizjpation, also durch das Einssein mit dem Totemahnen, dem Totemtier und der Totempflanze, als die völlige Solidarität mit der Familie und dem Clan gedeutet und nicht als ein paranoides Ich. Ad. 4. Die Anpassung des Ichs, das sogenannte Drill-Ich (Sch —• — ), ist bei einem Fabrikarbeiter als normal zu deuten. Hingegen wird dasselbe Drill-Ich-Bild bei einem hochbegabten, geistig arbeitenden Dichter, Künstler, Philosophen usf. uns stutzig machen. Bei geistigen Berufen erwarten wir ja ein höher entwickeltes «geistiges Ich» (+ p), zumeist in Form einer Integration (Sch dz dz, zt +)• Das Auftreten des Drill-Ichs bei geistig hochstehenden Menschen kann unter Um­ ständen auf eine altersbedingte Regression oder auf eine Erkrankung hinweisen. Ad. 5. Liefert ein nicht religiöser Mensch ein Zwangs-Ich (Sch + 0) und wieder­ holt sich die Ambivalenz (zt) mehrmals in den anderen Vektoren (S zlz 0, P dz 0, Sch A 0, G 0 zb)> so müssen wir klinisch an eine Zwangsneurose denken. Liefert aber dasselbe Zwangs-Ich-Bild - mit anderen Zwangsimpulsen - ein bigott-religiöser, orthodoxer Mensch, so wäre es falsch, die Diagnose - ohne Bedenken - sofort auf eine krankhafte Zwangsneurose zu stellen. Denn ein Mensch kann ja seine Zwangsimpulse auch in Form von Zwangsbeten, religiösen Zwangszeremonien usf. ausleben (S. FREUD) u nd sozialisieren - ohne irgendeine neurotische Störung aufzuweisen. Ein fünfter Leitsatz ist in der Anmerkung II niedergelegt. *

Ein Triebdiagnostiker in unserem Sinne steht demnach vor den folgenden Aufgaben: 1. muß er auf die «Mosaikspiel»-Deutungsart verzichten, 2. muß er die korrelativen Beziehungen zwischen allen Faktoren- und Vektorenreaktionen des Trieb- und Ich-Lebens genau kennen, 3. muß er zu einer Wesensschau der ab­ strakten, allgemeinen Begriffe aller Faktoren und Vektoren wie auch ihrer mannig-

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faltigen Erscheinungskreise gelangen, 4. muß er auf allen Ebenen des mensch­ lichen Daseins die entsprechenden Manifestationsformen gründlich kennen und be­ herrschen und darf nie die Elementarfunktionen mit deren Inhalten verwechseln. Wir müssen demnach zugeben, daß die experimentelle Triebdiagnostik bedeu­ tend mehr Intuition und Wissen von dem praktizierenden Psychologen verlangt als irgendein anderes Testverfahren, welches sich damit begnügt, nur die Intelli­ genz, nur die besondere Begabung, nur die Willenskraft oder nur den Charakter der Person zu diagnostizieren. Die experimentelle Triebdiagnostik unterscheidet sich von allen anderen Test­ verfahren in vier Punkten : 1. Sie ist ein Radikal-, ein Wurzeltest. Sie versucht die unhistorischen biologi­ schen Radikale des Daseins und So-Daseins, d. h. des Trieb- und Ich-Lebens auf­ zudecken, welche die tiefsten Regeln jeglichen Tuns, Verhaltens, Erscheinens eines Menschen in der Welt bedingen. 2. Sie ist ein dreidimensionales Testverfahren. Sie will also nicht nur die gegen­ wärtigen Vorgänge in der Trieb- und Ich-Seele sichtbar machen, sondern auch die vergangenen und zukünftigen Schicksalsmöglichkeiten eines Menschen aufdecken. 3. Sie ist ein mehrfach nivelliertes diagnostisches Verfahren. Sie kann also auf allen möglichen Ebenen des Geschlechtes und Alters, der Rasse und Klasse, der Kulturund Glaubensart die äußerst variablen Erscheinungsformen derselben Trieb- und Ich-struktur für die betreffende Person bestimmen. 4. Sie erfaßt also das Seelenleben nicht als konstantes, als Sogegebenes, als fatalerweise nur durch eine einzelne Schicksalsform bestimmtes, sondetn als immerfort fließendes, in Gegensatzkämpfen Dynamisches, Werdendes, Vergehendes.

Kapitel XVII

DIE AUFTEILUNG DER DEUTUNGSMETHODEN Man kann die Testauslegung unter drei Aspekten durchführen, die sich aber wechselseitig ergänzen und nicht ausschließen. Diese sind : A. die Qualität der Dialektik, B. die Quantität und C. die Proportion. A. Die qualitativen, dialektischen Deutung s method en sind: I. die Methode von Rand und Mitte, II. die Komplementmethode von Vorder- und Hintergänger. Das Gemeinsame ist hier, daß der Deuter sich vorzüglich auf das «Wie» des Kampfes und nicht auf das « Wieviel» bestimmter Reaktionen konzentriert. Mit der Methode von Rand und Mitte versuchen wir die Art der Triebgefahren am Rande (Sexus und Kontakt) und die Art der Abwehr dieser Triebgefahren durch die Mitte [Ethik (e), Moral (hy), Ich (k und p)\ aufzudecken. Die Dialektik zwi­ schen Trieb und Ich wird somit hier in das Zentrum der Deutung gestellt. Bei der Komplementmethode wird hingegen die Art des Kampfes zwischen den vordergründigen und den hintergründigen Tendenzen festgestellt. Die Dialektik spielt sich also hier zwischen dem Vorder- und Hintergänger ab (s. Anmerkung III). 14

Szondi, Triebdiagnostik

209


Die qualitativen, dialektischen Methoden sind in der Tat schicksals-diagnostische Verfahren, da ja stets die Dialektik, die Art des Kampfes, diagnostiziert wird, welcher zwischen Triebgefahr und Abwehrart, bzw. Vorder- und Hinter­ gänger in den innersten Schichten der Seele sich unbewußt abspielt und dann das Schicksal der Person begründet. Aus der besonderen, individuell variablen Art der Dialektik wird somit der Schicksalsplan des Einzelnen erschlossen. Da aber bestimmte psychiatrische Krankheitsbilder bestimmte, für sie spezifische, Schick­ salspläne haben, ist es möglich, auf Grund der Dialektikanalyse eine klinische Diagnose aufzustellen. Beide Methoden erachten wir als die führenden Deutungs­ verfahren der experimentellen Triebdiagnostik. Da hier die Analyse auf den inneren Kampf zwischen zwei gegensätzlichen Mächten zentriert wird, nennen wir die beiden qualitativen Methoden mit Recht auch die katexochen «dialektischen» Deutungsverfahren. Unter Dialektik1 versteht man ja in der Triebpsychologie im allgemeinen die unbewußten wechselseitigen Gegenbewegungen von Triebtendenzen und IchFunktionen bzw. des Vorder- und Hintergängers. B. Die quantitativen Methoden Diesen Methoden ist gemeinsam die Dominanz des quantitativen Aspektes. Es werden die Häufigkeiten bestimmter Reaktionen zusammengezählt und in einfachen mathematischen Formeln ausgedrückt, die dann auf Grund der Empirie zur Diagnostik der zu erwartenden Trieb- und Ich-Geschehnisse dienen. Im besonderen bewährte sich eine dieser quantitativen Methoden, nämlich die soge­ nannte «Linnäus»-Methode, die auf breiter empirischer Basis fußt und zur Fest­ stellung der Schicksalsdiagnosen dient. Diese Methode wird später ausführlich erör­ tert werden. C. Die Proporzmethoden Sie sind zwar teils dialektischer, teils quantitativer Natur, doch dominiert hei Funktionen, durch welche die Person auf irgendeinem bestimmten Gebiet des Da­ seins partteil charakterisiert wird. In der Gruppe der Proporzmethoden figurieren: I. Die Proportionen der psychosexuellen Reaktionen: die Dur-Moll-Methode. Der Sexualindex. II. Die Proportionen der soqialpositiven undso^ialnegativen Reaktionen:der So-pialindex. Der Proporzaspekt hat eine wichtige Anwendung auch bei der Linnäusmethode gefunden, wo die Triebklasse der Person eben auf Grund der soge­ nannten «.Laten^yproportionen», d . h. auf Grund der Größenverhältnisse der Triebund Ich-Gefahren in den Vektorenräumen (F, P, Sch, C) bestimmt wird. *

Das Schema der von uns empfohlenen Deutungsmethoden - von Testprofilen ist somit das folgende: 1 Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse. S. 159-234. 2 Eine Reihe von sogenannten abgekürzten Metboden (LASZLO, WITTENBERGE, VAN S OI.T USW.) wur­ den von meinem Mitarbeiter (A. BEELI) geprüft und als unzuverlässig erkannt.

210


A. Die qualitativen, dialektischen Methoden I. Methode von Rand und Mitte. II. Methode von Vorder- und Hintergänger, die Komplet?ientmethode. B. Die quantitative Methode III. Die Tinnäusmethode. C. Proporzmethoden IV. Die Dur-Moll-Metbode. V. Die Sozjal-Index-Methode. Wir beginnen die Darstellung dieser fünf führenden Methoden mit der Methode von Rand und Mitte. Abschnitt VII

DIE QUALITATIVEN, DIALEKTISCHEN DEUTUNGSMETHODEN Kapitel XVIII

DIE METHODE VON RAND UND MITTE Triebe des Randes nennen wir den Sexual- und Kontakttrieb als Gesamtheit, d. h. die Vektoren S und C zusammen. Triebe der Mitte sind hingegen der Paroxysmaltrieb P, der die ethisch-morali­ schen Verhaltensweisen eines Menschen bedingt, und der Ich-Trieb Sch, der die Stel­ lungnahme (k ) und die geistige Zensur (ß) begründet. Die Benennung dieser zwei Vektorengruppen ist doppelsinnig, und zwar zum ersten topographischer, zum zweiten funktioneller Natur. Topographisch stehen ja die Triebvektoren J und C tatsächlich am Rande, die Vektoren P und Sch in der Mitte des Triebprofils. Die funktionelle Bedeutung der Zweiteilung des Trieb­ profils zu Deutungszwecken ist aber gewichtiger. Denn: die Randtriebe signalisieren stets diejenigen Triebgefahren, welche am Rande durch die zwischenmenschlichen Beziehungen im Sexual- und Kontaktleben entstehen. Die Mitte hingegen deckt die Abwehrtätigkeit der Psyche auf mit der sie sich aus den Randgefahren zu retten versucht. Die Methode von Rand und Mitte macht somit die individuelle Dialektik und den per­ sönlichen Daseinsplan der Person in nativer Form sichtbar. Sie stellt durch stumme und unbewußte Wahlhandlungen eine äußerst diskrete Strukturanalyse der Person auf - ohne daß diese durch mündliche Aussagen und Fassaden künstlich verdeckt wird. Im Gegensatz zu dem hier behandelten «stumm» durchgeführten radikalen Wahltest muß der Psychologe bei den «Aussagetesten» (wie RORSCHACH, T. A.T. usf.) die Deutungsarbeit - ähnlich wie bei der Traumdeutung - zweiphasig durch­ führen. Zuvörderst muß man die « Fassade» der Aussage, d. h. die Symbolik kollektiv­ gegenständlich auf der Objektstufe deuten, hernach noch die verborgenen Regungen des Aus­

211


sagetextes persönlich-zuständlich auf der Subjektstufe auslegen. - In der experimen­ tellen Trieb- und Ich-Diagnostik werden hingegen native Strukturen und Wur^elpro^esse des Unbewußten - wie in der Radiologie - durchleuchtet und wortlos ohne jegliche Inhaltsangabe und Fassade sichtbar gemacht. Die Triebprofile decken die unsichtbaren Pläne der möglichen Existenzformen auf, ohne die Belastung von Worten, welche ja s tets verschieden gedeutet werden können. Ein einziges Triebprofil, das wir mit Hilfe der Methode von Rand und Mitte auslegen, signalisiert natürlich nur die a ktuellen, episodischen Triebgefahren und Abwehrtätigkeiten. Eine Achter- oder Zehnerserie hingegen gibt uns Auskunft über die von der Person bevorzugten Arten der Triebgefahren und Abwehr­ weisen. Auf Grund dieser Kenntnisse sind wir imstande 1. das Akute, Episodische im Trieb- und Ich-Leben der Person von dem Chronischen zu trennen; 2. die Mannigfaltigkeit der Existenzmöglichkeiten bzw. die Starrheit einer bestimmten Existenzform zu diagnostizieren; 3. die entsprechenden Ratschläge zum Weiter­ leben, bzw. die Heilwege zur Genesung zu bestimmen. Die Methode von Rand und Mitte sollte stets die erste sein, die wir zur Orien­ tierung über die verborgenen Schicksalspläne anwenden. Sie hat sich in der Praxis äußerst gut bewährt. Wir benützen diese Deutungsmethode sogar bei in seinem persönlichen Trieb- und Abwehrkampf erfaßt wird. Erst hernach ist es mög­ lich, über die Struktur der Gruppe - auf Grund der Konkordanzen, bzw. Dis­ kordanzen der Ergebnisse von Einzeldeutungen - ein Urteil zu fällen und Typen aufzustellen. Alle Gruppenuntersuchungen in der Literatur (ab 1952), die diese wichtigen Einzeldeutungen mit Hilfe der Rand- und Mittemethode vernachlässigt und nur die faktoriellen und vektorielien Reaktionen bzw. die Testsymptome und Syndrome einfach wie Bohnen oder Erbsen statistisch zusammengezählt haben, führten zu fais eben Resultaten, da ja die vitalen Zusammenhänge von Triebgefahren und Abwehrarten durch Additionen und Divisionen zerstört, denaturiert und die gesuchten Schicksalspläne völlig verwischt werden. Diese Erfahrung sollte für die Zukunft eine Mahnung sein und den bequemen Weg des Zusammenzählens von Reaktionen innerhalb einer Gruppe endgültig ausschalten1. Natürlich benötigt die richtige Anwendung der Methode von Rand und Mitte die Kenntnis der gesamten Psychologie der Triebfaktoren und Triebvektoren und der 64 Vektorenbilder. Und weil diese Kenntnis vielen Psychologen fehlt, nehmen sie Zuflucht zu irgendeiner statistischen Methode, welche dann nur zu einem Zerrbild der Gruppe und im besonderen der individuellen Schicksalspläne führen kann. Die Randtriebe 3 und C liefern Nachrichten über die Zustände in den Fak­ torenräumen des Eros (h), des Thanatos (s), der Beharrungs- und Veränderungs­ tendenzen (d) und der Anklammerungs- und Ablösungsabsichten (m). Der Profil­ deuter muß diese vier faktoriellen Zustände zusa?nmenschauen und durch eine Synopse auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Person schließen. Diese synoptische Deutungsart kann dadurch erleichtert werden, daß man zuvörderst die Faktorenreaktion h und m, hernach die von s und d zusammenschaut. Wir geben einige Beispiele. 1 Vgl. hiezu: FRIEDEMANN, A., Einführung zur Anwendung des Szondi-Testes als Gruppentest. 1-1. Huber, Bern, 1959.

212


Beispiel 1 Dies ist das Testbild einer Person, welche überdurchschnittliche Ten­ denzen zur Liebe (+ ! b) und Anklammerung (+ ! m) unbefriedigt in sich trägt. Gibt nun dieselbe Person in den zwei anderen Randfaktoren folgende Reak­ tionen : so müssen wir auf eine überstarke und prolongierte Anklammerung an einen Elternteil, zumeist an die Mutter, denken (C h !), von —d dem sich die Person nicht angenommen fühlt, weswegen sie auch aggressive Gefühle (+ s) gegen diesen Elternteil hegt. Die Rand­ gefahren bestehen somit in der primären inzestuösen Aggression (+ s) auf Grund der unbefriedigten Liebes- (-)- ! h) und Anklammerungsansprüche (-)- ! /w). W ir müssen an eine Akzeptationsneurose denken. 4- .r

Beispiel 2 Die Triebgefahr am Rande besteht primär in der extremen Verlassen­ heit (— ! m) einer Person, die sich gegen die Welt völlig absperrt (— ! d, •— ! ni). Weil sie eben von derjenigen Person verlassen wurde, von der sie maximale Liebe erwartet (-f- ! ! Ii), wendet sie nun ihre Aggression fortan gegen die eigene Person (— ! s). Die Triebgefahr entsteht somit einerseits durch die Kontaktsperre, die Vereinsamung, die Abwendung von der Welt (C — ! — !), und anderseits durch die todsuchende, thanatomanische Selbstsabotage, welche - unter Umständen - sogar zum Selbst­ mord führen könnte. Wird nun die Person den Selbstmord in der Tat ausüben? Die Beantwortung dieser Frage hängt natürlich von der Kraft, bzw. Schwäche der Mitte ab. Die Faktoren der Mitte geben uns Auskunft über die ethischen (e), moralischen (by), realitätsprüfenden, d. h. stellungnehmenden (Â) und geistigen (p) Kräfte der Person, mit Hilfe deren die Randgefahren abgewehrt werden könnten. Im allge­ meinen orientieren wir uns über die Natur des Zensursystems der Mitte durch folgendes Schema1. + \\h —! s —! d — ! m

A. Sozialpositive Strebungen der Mitte 1. Innere, ethische, bzw. Gewissens^ensur 2. Äußere, ?noralische Scham^ensur 3. Reale Stellungnahme durch das Verzichten 4. Ideale, geistige Zensur

-f- e — hj —k p

B. Sozialnegative Strebungen der Mitte 1 . Tenden^ spmi Bösen, zur Aufstauung von Wut, LIaß, Zorn, Rache, Neid und Eifersucht, die tötende Gesinnung —e 2. Schamloser 1 Vgl. hiezu die ausführliche Darstellung der Mitte in der Triebpathologic, Bd. I. Triebanalyse, S/172-184.

213


3. Wille pum Haben, Habgier 4. Tendenz, die Schuld auf die Umwelt zu schieben: Projektion

+ k —p

Dieses Grundschema wird später noch durch die Methode des Sopalindexes er­ weitert. Vorderhand genügt es aber, um die Frage zu beantworten, ob die Person im Beispiel 2 Selbstmord zu verüben vermag oder nicht1. Erste Möglichkeit: s h +

11

P

C

Sch

s

e

by

k

P

—I

+ 11

0

0

0

Rand

d

m

!

Mitte

— !

Rand

Drei Zensurfaktoren der Mitte fehlen. Und zwar die moralische (0 hj), die realitätsprüfende (0 k) und die geistige Zensur (0p). Einer der vier Zensurfaktoren, nämlich die ethisch-tcWgiösc Zensur, d. h. das Gewissen, ist aber übermäßig stark (4- ! ! «)• Diese Gewissenszensur wird vermutlich genügen, um die Person von einem Selbstmord zurückzuhalten, trotz der völligen Kontaktsperre (C — ! — !) und der Wendung der Aggression gegen die eigene Person (— ! s). Die Person wird zwar in einer Triebphobie (P + ! ! 0) leben, sie kann aber ihre das Selbst sabotierenden Tendenzen in der Art ethisch ausleben, daß sie sich z. B. völlig einer religiösen, humanistischen, wissenschaftlichen oder politischen Bewegung - quasi bis zur völligen Aufopferung - hingibt. Die Schicksalsprognose ist somit günstig. Die cpveite Möglichkeit ist die, daß die Person ihre Absichten zur Selbst­ sabotage in hysterischer Form (+ ! ! hj) zur Schau trägt : S

P

Sch

b

s

e

by

k

+ 1!

—!

0

+11

0

Rand

C p 0

d

m

!

— !

Rand

Mitte

In dieser Schicksalslage muß der Profildeuter mit wiederholten Selbstmord­ versuchen rec hnen, welche zwar einen hysteriformen Zug tragen (-f- ! ! hy), dennoch aber - unter ungünstigen Umständen - zur unverantwortlichen Selbstzerstörung führen könnten. Die Prognose des Schicksals ist ungünstig. Die dritte Möglichkeit ist wieder - vom sozialen Standpunkt aus gesehen ungünstig, wenn auch die Person in dieser Situation durch Selbstmord weniger gefährdet wird: P

S b +

1!

s

e

—!

0

Sch by 0

Rand

k +!!

C p 0

Mittc

d

m

!

I

Rand

1 Im Beispiel 2 können nur die sicher positiven Wahlreaktionen eine Veränderung hervorrufen, da ja die negativen Wahlhandlungen die obligate Gesamtzahl 12 (3 X 4) schon erreicht haben. Die Nullreaktionen können folgende Formen aufzeigen:

214

oder


Bei dieser Mitte löst die Person ihr Problem des Abgesperrtseins von der Welt und Gesellschaft und ihre reaktive Selbstsabotage auf die Weise, daß sie sich durch Habsucht (+ ! ! k) in bezug auf geistige und materielle Güter (Geld, Sammlungen von Antiquitäten usw. -f ! ! k, — ! d) restlos dem Geiz und Oppor­ tunismus und somit - wie ein Wucherer - der Verachtung und Erniedrigung (— ! s) durch die Mitmenschen ausliefert. Es ist ein moralischer Selbstmord (0 e, 0 hy, 0 p). Eine vierte Schicksalsmöglichkeit ist zwar für die Gemeinschaft sozialpositiver, für das Individuum selbst aber äußerst gefahrbringend:

s s

e

by

k

+ !!

—!

0

0

0

Rand

C

cb

P

h

Mitte

P

d

m

+ Ü

—!

—1

Rand

Durch die geistige Besessenheit (+ ! ! p) - ohne eine reale Stellungnahme (0 k) und bei Fehlen der ethisch-moralischen Zensur (P 0 0)- wird das Schicksal der Person äußerst gefährdet. Denn: zu den Randgefahren gesellt sich noch die Inflationsgefahr in der Mitte, vermutlich mit dem Dilemma der Ambitendenz : Soll sich die Person das Leben nehmen (— ! s, — ! d,— ! m, + ! !p) oder nicht ? Hier kann noch eine andere Art der Besessenheit auftreten, nämlich die Erotomanie (+ ! ! h, -j- ! ! p), d. h. eine sexuelle, zumeist bisexuelle Inflation, durch die die Person in einen Inflationswahn getrieben werden kann. Die Schicksalsprognose ist ungünstig. Als Übung überlassen wir es dem Leser, diejenigen Schicksalspläne zu er­ forschen, in denen die sieben möglichen1 positiven Wahlreaktionen auf %wei od er drei Zentralfakto ren ver teilt v o r k o m m e n . ( Z u m Beispie l: + 2 e, -j- 3 hj, - j- 2 p \ oder + 4^,4-3 p usw.) In der Tabelle 9 geben wir Beispiele zu den Variationsmöglichkeiten der Mitte mit entsprechenden Deutungsmöglichkeiten. Wir betonen, daß es sich hier nur um Beispiele u nd nicht um diagnostische Gesetze handelt, wie dies von manchen Psychologen angenommen wurde.

1 + •!

b heißt fünf positive Wahlrcaktionen, es bleiben somit noch sieben zu verteilen.

215


Tabelle 9. Charakterologlsche Variationen der Mitte

Variationen der Mitte

Testologie: hy k p

Beispiele der So^ialisicrimg

Beispiele aus der Pathologie

0

0

0

0

Haltlosigkeit Süchtigkeit

1. mit Besessenheit

0

0

0 +

Größenwahn

2. mit totaler Projektion

0

0

0 —

Verfolgungswahn

3. mit einem weiblichen Ich oder mit Verlassenheit

o

o

o

H-

I. Totaler Verlust der Mitte

e

4. mit Gewissensangst

+ 0

0

0

II. Partieller Verlust der Mitte

1

o

o

o

5. mit Wutaufstauung (Kain)

6. mit ethischen Zweifeln

±

0

0

0

7. mit Gewissensbesessenheit

+ 00 +

8. mit Wutaufstauung und Projektion

— o o —

9. mit ethischen Zweifeln und weib­ lichem Ich

± o o ±

Homosexualität Kriminologie

Phobie Paroxysmale Er­ krankung Epilepsie

Paranoid -f- Kain

III. Positive Mitte 1. Psychasthenische, hysteriforme ....

+ + + +

2. Der autistische Kain

— + + —

Theologie

3. Kain mit ethischen Dilemmen und mit Verlassenheit

± + + ±

Theologie

4. Geltungs- und Machtdrang

0 + + 0

Politiker Schauspieler Exhibitionist

Psychasthenic autistische Schizo­ phrenie Melancholie

Depression

IV. Negative Mitte 1. Asoziale Mitte

Alltagsmcnsch Kriminologie +

3. mit Eifersucht und ethischen Dilem­ men

±

±

Hypochondrie

4. Unbewußte Schuld- und Strafangst .

0

0

Hypochondrie

Ausreißer (Fugues) Paranoid

Hypochondrie

+

1 1

2. Der gehemmte Abel mit Schuld­ bewußtsein

V. Zweiflermitte 1. Kain der Zweifler

±

±

2. Abel der Zweifler

4- ±

±+

3. Pessimistischer Humanist

±

±

± ±

4. Zwangsimpulse mit Beklagungsanfällen

0

± ± 0

216

Psychiater

Phobie Zwangskrankheit


Tabelle 10. Variationen der Mitte bei den verschiedenen Krankheitsarten

I. Paranoide Mitte

Beispiele aus der Pathologie

by

Die kranke Mitte

0

—I 0 —I 0 — ± — 0

—!

Katatoniforme Schizoidie oder Schizophrenie Eventuell organische Psychosen, Selbst­ destruktion

II. Schizoide, katatoniforme Mitte

0

±

III. Depressive Mitte

0

+ !

0

0

+

+

+

0

+

IV. Manische oder hypomanischey destruktive Mitte

0

0

0 —

+ +

V. Depersonalisationsmittc

+ 0

— 0

VI. Hypochondrische Mitte

0

+ 0

VII. Haltlose oder süchtige Mitte

±

+

0 0 0 0 0 0 0

± ±

0 —

± ±

0

±

+

0

+

± X. Hysteriforme Mitte

0 0 u 0 0 0 0

±

IX. Gehemmte Mitte

0 0 0 0

0

+

0

- 1

VIII. Anankastische Zn>angsm\tte

+ 0

+

+

Paranoide Schizophrenie Paranoide Schizophrenie Paroxysmale Paranoide (Ausreißer) Größenwahn und sensitive Beziehungsangst

0

Ad-hoc-Introjektion, am Anfang einer Me­ lancholic, simple Schizophrenie, Masochismus, Fetischismus, Kain

Psychosis maniacalis, Paralysis progressiva und andere organische Psychosen, Selbst­ destruktion

± ± ±

Vor und nach einer Psychose (z. B. Melan­ cholie) oder Neurose und während einer Depersonalisationsphase

+ 0 0 +

Schuld- und Strafangst, Hypochondrie, Phobie, hypochondrische Wahnbildungen, Hemmungen

± 0

+

+

Verlust der Mitte Trunksucht, Narkomanie, sexuelle Haltlosig­ keit (Nymphomanie), Kleptomanie und ähn­ liche «paroxysmale» Monomanien

0 0

Zwangsneurose

0 0 0

± ± + + + + +

Zwangsimpulse (z. B. bei latenter HomoSexualität des Mannes)

Bei allen Neurosenformen, bei denen der Öpiduskomplcx mit Hilfe von He mmung abgewehrt wird (C = - +)

Konversionshysterie und andere Neurosen, bei denen Affektflut und Affektebbe mit Hemmung, Verdrängung und Entfremdung dominieren

217


labeile 10. Variationen lier Mitte bei den verschiedenen Krankheitsarten (Fortsetzung) Die XI.

kranke M itte

Angstneurotische, phobische Mi tte

+ + + +

0 + XII.

Paroxysmale, epilep/iforme Mitte

0

0 0

XIII. Perversionsmxttc

+ +

+

4?

A

P

0 0

±

+

+!

±

—! —

+

+ + 0 XIV.

Inversions\v\xx.c

+ 0 0 0 — —

0

±

=1= ü 0

— —

0 0

+ +

+! +! ± + +! +1

+

± ± ± ± +! — —

± )

j± 0 0

—!

ü + 0 0

0 ' o"

0 0

±

+ + + +

0 ± it + 0

J 1 /

Angstnciirosc, Phobie, z. B. Agoraphobic, Todesangst und so fort Sensitive Beziehungsangst

Genuine Epilepsie, epileptiforme Äquiva­ lente wie Migräne, Stottern, Asthma, oder Porio-, Klepto-, Pyro-, Dipsomanie usw.

± + 0 0 + 0 —

+ +

— ! 4—

0

0

Beispiele aus der Patho logie

!

mit

d=

+ (0) und ??i — -j- (0)

Fetischismus mit d = + (0) und w = -f- (0) Masochismus mit d = 4- (0), m = + (0) und Sadismus

s= +

0

Exhibitionismus

— —

±

± ±

±

0 + 0 0

Homosexualität impulsen

beim

Homosexualität bei der

Alaun

mit

Zwangs-

brau

Wir müssen den Testdeuter davor warnen, auf Grund der Mitte allein - ohne Berücksichtigung der Randsituationen - Schicksalsdiagnosen aufzustellen. Die korrelativen Begehungen fischen Randgefahren und Abwehrarten der Mitte niüssen von Fall %u Fall gewissenhaft geprüft werden, damit die tatsächlichen Absichten in dem persön­ lichen Schicksalsplan richtigfreigelegt werden können. Man darf somit die Tabellen 9-10 niemals o hne genaue Randanalyse zu diagnostischen Zwecken benützen. Nach diesen allgemeinen Erörterungen können wir nun den Versuch machen, einige Einzelprofile mit Hilfe der Rand- und Mittemethodik ganzheitlich zudeuten. Elz// /. /M6. /4. E7a I. Analyse des Randes : 1. Im Sexualleben ist die Person imstande, die zwei aufbauenden Faktoren der Sexualität, nämlich die Liebe (-)- h) und die sexuelle Aktivität bzw. Aggression

218


(+ .r), z u legieren. Sie verfügt somit über eine normale, stets marschbereite Ge­ schlechtlichkeit ohne krankhaft gesteigertes Übermas s. Es ist die normale Sexuali­ tät eines Alltagsmenschen1.

Fall 1. Abb. 14. Ein Alltagsmensch p Sch C k P dim

S

h:S e hy

I I

S

+

+

I

P

I

Scb

+

I

C

+

2. Ihre Kontaktbeziehungen entsprechen der AlltagsSexualität: Sie ist nicht beharrend-klebend unveränderlich an ein bestimmtes Objekt gebunden, sondern sie hat sich schon freigemacht (— m) und geht auf die Suche nach neuen Objekten (+ d), wird aber dennoch nicht haltlos. (Es fehlen ja d ie Quantumspannungen.) II. Analyse der Mitte : 1. Die ethisch-moralische Haltung der Person ist nicht eben günstig. Sie kann Wut und Haß, Zorn und Rache, Neid und Eifersucht in sich aufstauen (P b = der Kain). 2. Dennoch wird sie für die Gemeinschaft nicht ernstlich gefährlich, denn ihre Ich-Funktionen schützen sie vor gefahrbringenden Affekttaten. Die Person zeitigt ja das Drill-Ich (Seh —• —) des Alltagsmenschen, der zwar Lustansprüche ver­ schiedener Art in die Außenwelt hinausverlegt (—p), aber über genügend realitätsprüfende Kraft zum Verzichten verfügt (— k). Die Wunschprojektionen (—p) werden durch das Verzichtenkönnen (— k) ungefährlich gemacht. Die Person paßt sich also an. III. Schicksalsdiagnose: Ein gewöhnlicher Alltagsmensch (S -j—b Sch • ) mit groben Affekten ÇP — +) und wahlloser, stets marschbereiter Sexualität (S + +) und mit Kontaktbereitschaft (C -\ ) ohne jegliches Übermaß. Ein Mensch, wie man ihn auf der Straße zu Dutzenden finden kann. IV. Schicksalsprognose: ist das banale Alltagsschicksal ohne größere Gefahren. 1 Wir wissen nicht, ob diese Feststellung in der gegenwärtigen, invertierten Beziehung der Ge­ schlechter noch stimmt.

219


Fall 2. Abb. 15. Ein Mensch mit Humanisierungstendenz

I

S —

0

I

P + 1

Sek —

±

+ !

j I

C —

I. Analyse des Randes: 1. Hier dominiert die kollektive Menschenliebe ohne Aggression (S — 0). 2. Die Person zieht sich von der Welt zurück, lebt in einem Elfenbeinturm (C — —) und gibt sich dem Dienen der Idee «Mensch» hin (-)- !p), ohne aber Kon­ takt mit dem wirklichen Menschen und seiner Welt zu pflegen. II. Analyse der Mitte: 1. Überdurchschnittliche Gewissenhaftigkeit, Gerechtigkeit weisen auf die Dominanz der ethischen Normen (+ ! e) h in, die mit Schamhaftigkeit und Scheu, (— kf) einhergehen. 2. Dieser Mensch ist zwar von geistigen Idealen der Menschlichkeit besessen (+ !p, — h), verfügt aber über eine starke stellungnehmende reale Bremse, mit der er die eventuelle krankhafte Maßlosigkeit der Besessenheit zu bezwingen vermag (i k). Die eine Tendenz seiner Besessenheit wird bejaht (+ k), die andere ver­ neint (— k). III. Schicksalsdiagnose: Ein sublimierter Humanist (S — 0, Sch A -f- !), der weit weg vom Drum und Dran des Alltagslebens in seinem Elfenbeinturm für die Zukunft der Menschheit zwangshaft arbeitet (Sch i +!); der sich schamhaft, vielleicht auch angstvoll verbirgt vor der Öffentlichkeit (P + ! —, Sch ± + !) und ein geistiges, gewissenhaftes, gerechtes Leben führt. IV. Seine Schicksalsprognose ist günstig.

220


Fall 3. Masochismus, 49jähriger Maler. Abb. 16

p Sch c S h : s e hy k : p d tn

1

1 i

&

Triebprofil eines Masochisten vor dem Elektroschock S 0

—II

P

I

0

Sch rfc

C

I

o

+

+

I. Analyse des Randes: 1. Im Sexualleben wird dieser Mann durch den extremen Masochismus (S 0 •— ! !) stark gefährdet. 2. Dazu gesellt sich noch die bilaterale Kontaktgefahr (C -j—|-), d. h. er ist im Kontaktleben zweiseitig, vermutlich auch zweigeschlechtlich eingestellt. Dieser Umstand - mit dem hohen Grad des Masochismus zusammen - weist einerseits auf die Gefahr der Bi- oder Homosexualität hin, anderseits auf die Arbeits­ schwierigkeiten (— \ l s, C -1—[-). Die Randgefahren sind somit groß. II. Analyse der Mitte: 1. Der Mann hat keinen ethischen Halt (0 e) und ist ambivalent in der Frage, ob er seine homoerotischen Regungen zur Schau tragen oder sie weiter ver­ bergen soll (A hy, •—•! ! s). Als Folge seiner Unentschlossenheit erscheint das ewige Jammern (P 0 A) einer zur Depression neigenden Person (— ! ! J", -f- d). 2. Die Frage, ob er einer endogenen oder reaktiven Depression verfallen ist, entscheidet das Ich-Bild Sch — 0, welches das klassische Verdrängungsbild dar­ stellt und somit eher für eine Psychoneurose spricht denn für eine endogene Melancholie. III. Schicksalsprognose: Der 49jährige Maler verdrängt (Sch — 0) seine homo­ sexuellen Ansprüche (—! ! r); er ist kein Mann und wünscht bilaterale, d. h. zweigeschlechtliche Kontaktbeziehungen, ohne aber in eine sexuelle Aktivität sich einzulassen. Er ist somit im Sexus wie in der Arbeit inaktiv, passiv (— ! ! .r) weiblich, könnentrationsunfähig (C A jammert den ganzen Tag (P 0 A) und verfällt einer reaktiven Depression (— ! ! s, P 0 A >+ d).

221


IV. Die Schicksahprognose hängt von dem Erfolg einer tiefenpsychologischen Behandlung ab, zu der wir ihm geraten haben. V. Kur^e Krankengeschichte: Der 49jährige Maler wird allmählich arbeitsunfähi­ ger. Zuerst wird er unfähig, originelle Kompositionen, zu denen er eine Begabung hat, zu schaffen. So muß er sich mit reproduktiven Restaurierungs- und Kunst­ gewerbearbeiten begnügen, die ihm aber nicht liegen. Später kann er sogar die Restaurierungsarbeiten nicht mehr ausführen, jammert den ganzen Tag und sucht Heilung in einer Privatklinik. Hier entlarvt er sich als Masochist und homo­ sexueller Schwärmer, wirft sich dem Analytiker zu Füßen, umarmt ihn und be­ nimmt sich wie eine unglücklich verliebte Frau. Er leidet des öfteren auch unter angsthysterischen Anfällen (P 0 ±), wird depressiv und unfähig zu jeglicher malerischer oder zeichnerischer Tätigkeit. Wir haben ihm die Fortsetzung der bereits begonnenen Psychoanalyse empfohlen. Wegen der Kürze des Aufenthaltes im Sanatorium hat sich aber der Direktor der Anstalt zu einer Elektroschock­ therapie entschlossen, deren Ausgang wir am Ende dieses Buches bei der An­ wendung des Testes in der Elektroschocktherapie mitteilen werden. (Abb. 17).

rsi p S c h c iL S e h y k p d m

ï

*

à

i

:

Abb. 17. Nach dem Elektroschock ist der Masochismus (—11 s) verschwunden (Or)

Fall 4. Epilepsie. 23jähriges Mädchen. Abb. 18

S h

s

p e hy

Sch

k;P

C

dm

I

1 11

.....

Triebprofil einer Epileptikerin

222


S

±

+ !!

I I

P

0

I

Sch

1

0

0

I

C

+

I. Analyse des Randes: 1. Die Gefahr im Sexualleben dieses Mädchens besteht einerseits in der krank­ haft gesteigerten Aggression (+ ! !s), anderseits in der Ambivalenz in bezug auf die Liebe oder sogar bezügbch des Geschlechtes des Liebesobjektes (± h). 2. Das Kontaktbild deckt das Objekt ihrer Aggression auf. Es ist ein Inzest­ objekt, d. h. ein Elternteil, an dem sie noch fest klebt (— d) und von dem sie sich noch nicht abzutrennen vermag (C |-). Die testologische Ambivalenz in der Liebe (± h), im besonderen aber ein Teil im Sexualbild, nämlich S ! !, weist daraufhin, daß die Kranke sich, wie ein aggressiver Mann, an die Mutter anklammert (C [-)> che sie liebt (+ b), die sie aber auch sadistisch (-f- ! !) angreifen kann. Die Randgefahr besteht vermutlich in der Inzestbebe (-|- b , — d, + ni) und dem Inzesthaß (-|- ! !r, •— d, + tri) ge genüber der Mutter. II. Analyse der Mitte: 1. Die Mitte ist äußerst schwach. Es fehlen ihr drei von den vier Zensur­ faktoren, nämlich die ethische (Of), die realitätsprüfende (0kl) und die geistige (0p) Zensurbremse. Die Paroxysmalreaktion: PO—! ist ein Hinweis einerseits auf die paranoide sensitive Beziehungsangst, anderseits auf die krankhafte Art der Abwehr, die Tendenz, sich zu verbergen. 2. Das Ich deckt ihre Neigung zu Dämmerzuständen oder zu Absencen, kurz zu Ich-Verlust (Sch 0 0) auf. III. Die Schicksalsdiagnose ist auf Grund der freigelegten Tendenzen die fol­ gende: Das junge Mädchen war zuerst mit Liebe, hernach mit Haß an einen Elternteil, vermutlich an die Mutter, gebunden (C — -j-). Aus irgendeinem Grunde schlug die Inzestliebe in Inzesthaß um. Eine krankhafte Aggression (-)- ! ! s) staute sich in dem Mädchen auf, nachdem in der Liebesbeziehung eine Unsicherheit, ein Zweifel, eine Ambivalenz eingetreten h) war. Das Mädchen verbarg seine maßlose Aggression (+ ! ! s mit — ! hy) und geriet in Dämmer­ zustände. Es verliert episodisch sein Ich, sein Bewußtsein (Sch 0 0). Es können somit klinisch Absencen entstehen. IV. Die Schicksalsprognose ist wegen des Verlustes der Mitte (0 e, 0 k, 0 p) sehr ungünstig. V. Die Kranhengeschichte: Das Mädchen hat sehr oft, auch am Tage, Absencen; in der Nacht des öfteren auch tonisch-klonische Krämpfe. Sie liebte krankhaftsinnlich die Mutter bis etwa zum Ende der Pubertät ; dann schlug die Inzestliebe in Inzesthaß um. Sie wollte die Mutter töten. Die Mutter frönt einer sodomitischen Perversion mit Pferden. Mutter und Tochter waren zur Zeit der Unter­ suchung Insassen der gleichen Heil- und Pflegeanstalt, durften sich aber nie be­ gegnen, da die Tochter sofort der Mutter gegenüber gewalttätig wurde. Das Mädchen ist bisexuell (S fl; -j- ! !), hatte lesbische und heterosexuelle Erlebnisse. Es will Krankenschwester werden, ist aber unstet, sehr mißtrauisch und hat para­

223


noide Beziehungsideen (PO — !). Das hier ausgelegte Triebprofil gab die Patientin kurz nach einem epileptischen Anfall (Sch 0 0). Die übrigen Testaufnahmen be­ kräftigen die Schicksalsdiagnose und -prognose dadurch, daß die Zehnerserie eine Erstarrung des Initialprofils aufwies. *

Die Anwendung der Methode von Rand und Mitte bleibt auch bei den Deu­ tungen von Profilserien im Wesen die nämliche. Als besondere Leitsätze führen wir die folgenden an : 1. In einer Serie von Triebprofilen bestimmen wir vorerst die Randgefahren entweder auf Grund der krankhaften Ein^elreaktionen oder der Quantumspannungs­ reaktionen. Die Triebgefahr wird nämlich zumeist aus einzelnen krankhaften Vektor­ bildern leichter und diagnostisch sicherer abgelesen als aus einer Reihe von banalen Alltagsreaktionen, wie B. J -J—}-, Sch —• •—. Ja sogar dann, wenn die qualitativ oder quantitativ krankhafte Reaktion in einer Achter- oder Zehnerserie nur einmal oder zweimal vorkommt. Dieser Leitsatz beruht auf der Tatsache, daß der seelisch kranke Mensch - sogar in einer Heilanstalt - häufiger «symptomfrei» ist, als man das im allgemeinen annimmt. Des öfteren brechen die krankhaften Reaktionen - wie z. B. ein paranoider, epileptiformer Anfall, eine homosexuelle oder perverse Regung, eine haltlose Reaktion, ein Wutanfall usf. nur episodisch ein, im besonderen, weil ja der Versuchsleiter zu­ meist - auch unbewußt - eine relative «normale» Anpassungssituation bei den Kranken zur Zeit des Testens hervorzurufen vermag. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die unruhigsten schizoformen, epileptiformen oder manischen Kran­ ken, ja s ogar leichtere Katatone auf eine Weile beim Testen sich «quasi normal» verhalten können. Dennoch brechen bei einigen oder mehreren Testaufnahmen die für ihre Krankheitsform charakteristischen Symptome plötzlich ein, die dann eben in diesen Ausnahmeprofilen die zur Diagnose führenden Spuren zurück­ lassen. Eben diese krankhaften Einzelprofile decken sich des öfteren mit der klinischen Diagnose. 2. Da wir die Untersuchungsphase der sogenannten «Blinddiagnostik» des Testes bei der Deutung schon längst hinter uns haben1 und somit fortan wissen, ob der Proband Insasse einer Heilanstalt, eines Gefängnisses usf. ist, oder aber von dem Arzt, Pädagogen oder der Familie über die Eigenart des Probanden Informa­ tionen erhalten, begrenzt sich unsere Aufgabe im besonderen auf die Beantwortung der Frage: Welche unbewußte und verborgene Trieb- und Ich-Funktion verbirgt sich hinter den mitgeteilten Verhaltensweisen bqqv. Diagnosen ? Wir beantworten mit den Testdeutungen - ähnlich wie den Traiundeutungen — stets Fragen, die sich auf die latenten Absichten und Tendenzen des Schicksals des Einzelnen beziehen und nicht auf die klinischen Diagnosen, welche ja sowieso von einem Psychiater %um anderen anders ausfallen können. Dieser Um­ standverursacht, daß wir die Triebgefahren des Randes und die Abivehrarten der Mitte aus ein oder %wei krankhaften Profilen oft leichter abzulesen vermögen als aus sechs oder acht sogenannten normalen Anpassungsprofilen. Darum ist es richtig, wenn der Testdeuter zu­ vörderst die krankhaften Reaktionen am Rande und in der Mitte auslegt und erst her­ nach die banalen Reaktionen. Aus demselben Grunde kann nur statistisch eine Gruppe nie richtig diagnostiziert werden. 1 MOSER U. : Validierung, Blinddiagnosc und die Problematik des Krankheitsbegriffes im SZONDITest. Szondiana II. Huber, Bern und Stuttgart, 1955. S. 35-64.

224


Wir warnen ernstlich jeden Psychologen davor, auf Grund dieser krankhaften Reaktionen am Rande und in der Mitte eine psychiatrische Diagnose aufzustellen. Auch der Arzt sollte hier auf sie verzichten. Die Aufgabe des klinischen Fach­ psychologen besteht unseres Erachtens darin, daß er den Psychiater auf die möglichen krankhaften Schicksalsabsichten des Patienten aufmerksam macht und die klinische Diagnose - ähnlich wie der Radiologe oder Chemiker - dem behandelnden Arzt selbst überläßt. 3. Aus der Häufigkeit der banalen Profile in einer Zehnerserie können wir auf die Anpassungsfähigkeit der Kranken, bzw. auf ihre sogenannte Dissimulations­ bereitschaft Schlüsse ziehen. 4. Bei einer Profilserie müssen wir ferner noch einerseits auf die Erstarrung der Wahlreaktionen, anderseits aber auch auf die sprunghaften oder spiegelbildartigen Um­ drehungen im Sinne von SUSAN DÉRI1 unsere Aufmerksamkeit lenken. Gibt der Proband acht- oder zehnmal in einer Serie das fast gleiche Profil, so müssen wir an eine Erstarrung des Seelen lebens, an Verlust der Beweglichkeit der Psyche, im besonderen aber an die Einengung des Schicksals auf nur eine einzige Exi­ stenzform im Charakter oder im Kranksein denken. Kommen hingegen in einer Serie am Rande oder in der Mitte rasch nach­ einander totale Umdrehungen vor, so weist diese sprunghafte U??irvandlung entweder auf Simulation (z. B. bei Kriminellen zur Zeit der Untersuchung) oder - unter Umständen - auch auf schizpforme Prozesse hin (S. DÉRI). Als Beispiel sollen hier folgende Umdrehungsformen stehen : + ! ! ! s wandelt sich in einer Serie in — ! ! s um (vgl. Abb. 28.) Oder Sch [- dreht sich plötzlich in Sch -| oder Sch jin Sch 0 0 um usf. Diese letztere Form kommt im besonderen bei paroxysmalepileptiformen Kranken oder vor dem Irrewerden vor-. Die Erstarrung der Reaktionen ist somit ein ernstes Signal des Fehlens der fließenden Dynamik, die sprunghafte Umdrehung hingegen eines der krankhaft gesteigerten dialek­ tischen Dynamik in der Seele (vgl. hiezu Fälle 5, 6) und der Paroxysmalität. *

Nun versuchen wir zwei Zehnerserien (Fall 5 und 6) durch die Methoden von Rand und Mitte mit Hilfe der erörterten Leitsätze rein schicksalspsychologisch auszulegen. Fall 5 (von E.

S T U M P E R ):

Erstarrung der Psyche bei einem

inflativen und projektiven Schizophrenen, 30jähriger Arbeiter3

Der Mann wurde nach einem Schwestermord und Selbstmordversuch inter­ niert. Ein Blick auf die Tabelle genügt, um festzustellen, daß dieser internierte Geisteskranke in einer einzigen seiner vorher mannigfaltigen Schicksalsmöglich1 DÉRI, S.: Introduction to the SZONDI Test. Grune et S tratton, New York, 1949. S. 328-332 («Mirror-Changes »). 2 STUDER-SAL ZMANN, U. : Zur Psychologie des faktoriellen Umschlages im Test. Das «Kain-Abel»Schicksal. Szondiana VII. Huber, Bern und Stuttgart, 1967, S. 343 ff. werden Bilder 3 STUMP ER, E. : Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Abhandlungen zur experimentellen Trieb­ forschung und Schicksalspsychologie. Nr. 2. (Hg. L. SZONDI), Huber, Bern und Stuttgart. 5. 45. 15

Szondi, Triebdiagnostik

225


keiten völlig erstarrt ht. Diese Erstarrung erleichtert demTestdeuter die Auslegung der seelischen Prozesse, die zum Mord, Selbstmordversuch und zur Psychose ge­ führt haben; für den Kranken selbst ist aber die Erstarrung ein ungünstiges Zei­ chen. Wir deuten nun die Prozesse, welche zur Krankheit führten, mit der Methode von Rand und Mitte.

s b I II III IV V VI VII VIII IX X

0 0 0 0 ü 0 0 0 0 0

s

P hy

k

p

d

±

+

0 0

+ +

±

±

Sch

e

±

± ± ± ± ± ± ± ± ±

0 0 0 0 0 0

± ± ± ± ± ± ±

c

0 — — — — — — —•

!

m +! +! + 1 +1 +1 +! +! +! +! +1

I. Analyse des Randes: 1. Der Kranke liefert von zehn Sexualvektorenbilder neunmal dasselbe Vektor­ bild S 0 — und nur einmal das Bild: J 0 Nach der Tabelle 5 (L4) weist das Vektorbild S 0 — auf die Dominanz der Hingabe, Aufopferung und Passivität hin. Dies entspricht seinem gegenwärtigen Zustand in der Anstalt. Über seine W .Wüwar rag/ war <6zr aar «a «a^gfj grrcMaWf bild S 0 i bedeutend mehr als die übrigen neun eintönigen Reaktionen von S 0 —. Nach der Tabelle 5 (Ss) dominiert bei dem Sexualvektorbild J 0 i der Sadomasochismus (± -0- Es fehlt die tragende Liebe (0 h), entweder weil der Kranke sie verdrängt hat oder weil er sie in einer infantilen bzw. inzestuösen Form immer noch ausleben möchte. Zerlegen wir das Vektorbild S 0 i in seine zwei möglichen Existenz­ formen, so entdeckt man sofort die Möglichkeiten sowohl des Mordes wie auch des Selbstmordes. Das Bild: S 0 d: weist ja auf zwei Schicksalsmöglichkeiten : 1. auf L0 -f- (Tabelle 5 L2) = Dominanz der Aggression, des Sadismus (Mord) und 2. auf S 0 — (Tabelle 5 S\) = Dominanz des Masochismus (Selbstmord). Die einmalige Reaktion S 0 dz deckt somit die Anlage zu Mord und Selbst­ mord in der Form eines Sadomasochismus auf. Dies wussten wir aber aus der Krankengeschichte. Für den Triebpsychologen ist die zweite Frage von Bedeutung, nämlich die: IPoAr drw? ? 2. Die Analyse des Kontakttriebes gibt uns die Antwort: Der Mann war an sein Opfer inzestuös gebunden: Er zeitigt neunmal (in zehn Triebprofilen) das klassische Bild der inzestuösen Gebundenheit: C — -f !. Die X. Reaktion C — 1 + ! ist nicht nur ein Beweis für das quantitativ gesteigerte Bedürfnis der Anklammerung (+ ! m) an das Objekt, das er gebebt und gehaßt hat, sondern auch ein Beweis dafür, daß er wegen d er gesteigerten Beharrungstendenz einfach unfähig war, sich zu verändern, d. h. sich vom Objekt zu trennen und auf die Suche nach einem neuen zu gehen (C — ! + !). Die zehnmal erscheinende Quantumspannung im Faktor m deckt die zu seiner Tragik gewordene Anhäng-

226


lichkeit an sein Inzestobjekt auf, mit dem er in einer sadomasochistischen HaßLiebe-Beziehung lebte. Dieses Objekt kann nur sein Opfer, die Schwester, sein. Die einmalige Vektorreaktion C 0 -f- ! will sagen, daß die Annahmesucht (~b ! m) auch dann unverändert weiter in ihm lebt, wenn er die Beharrungstendenz aufgibt (0 d). Die Analyse des Randes bestätigt somit nicht nur die Triebanlage zum Mord und Selbstmord, sondern sie legt die verborgenen Triebmotive der Tat frei. Mit diesem Beispiel können wir also demonstrieren: Erstens wozu das Testen dient, zweitens, was wir unter Freilegung der verborgenen Schicksals­ absichten verstehen. II. Die Analyse der Mitte: 1. Der Kranke liefert siebenmal das Affektbild: P — M . Nach der Tabelle 6 heißt es (P^ a) eine Kainnatur, die sich versteckt; b) ein moralischer Zweifler (± hy), d er den Kain (— e) in sich zu unterdrücken versucht; c) panische Angst (P ), die zur Schau getragen wird (+ by); d) die Vor- oder Nachphase einer Gefahr von grobem Affektausbruch (Affektmord ?). Das zweimal gegebene Affektbild: Z5 ± ± macht den ethisch-moralischen Kampf Abels (P -j ) mit seinem Bruder Kain sichtbar. Das einmal gezeigte Bild ? b + stellt den Kain (P f-) in der Phase des Gutmachenwollens (V <j dar. 2. Im Ich dominiert das Bild: Sch 0 fc (fünfmal). Dies weist nicht nur auf die furchtbare Verlassenheit des Mannes, sondern - psychiatrisch gesehen - auf die krank­ hafte Besessenheit von der Inzest liebe (Sch 0 fl-, C b !) und auf die pathologische Projektionsbereitschaft (Sch 0 —) hin. Die Richtigkeit dieser Art der Deutung des Ich-Bildes Sch 0 d: wird bestätigt durch das reine Inflations-Ich-Bild Sch 0 + (Profil I—II) und durch das Projektionsbild Sch 0 — (ProfilX). Das Entfremdungs­ bild (Sch — T:, Profil III-IV) bekräftigt die Annahme einer eifersüchtigen Ent­ fremdung. Die außerordentliche Ich-Schwäche (0 k achtmal) mit der Unterdrückung der (— 9 siebenmal) Wwrf ZW;#9. Z%9 .m bW* Mitte hat also den Mord ermöglicht. III. Schicksalsdiagnose: Die Prozesse, die zu Mordtat und Selbstmordversuch führten, wurden durch die Auslegung der Testergebnisse aufgedeckt. Es sind vermutlich die folgenden: 1. Der Kranke liebte und haßte seine Schwester, an die er beharrend inzestuös gebunden war. Er konnte sich von dieser Liebe nicht loslösen. 2. Die - vermutlich - unbefriedigte Liebe zu der Schwester mobilisierte in ihm die Aggression. Seine Beziehung zu der Schwester wurde sadomasochistisch. Da er ein außergewöhnlich schwaches stellungnehmendes Ich (0 k) hatte und da er von Liebe und Haß ohne Bremse überschwemmt war (Sch 0 +, Sch 0 — mit C b ! und ± s), mußte er in einem kainitischen Anfall bei einem Dammbruch zu einem Schwestermörder werden. 3. Nach der Tat regte sich aber in ihm das Gewissen. Die sadomasochistische Bindung hat durch die Tat ihr Objekt bereits verloren und nun wendet er seinen Sadismus gegen die eigene Person (S 0 —) und versucht Selbstmord. 4. Da ihm die Selbstvernichtung nicht gelang, gerät er in einen Zustand der völligen Verlassenheit (Sch 0 ±). Er entfremdet sich von der Realität (Sch — ±) und verfällt ohnmächtig (0 k) einer inflativen und projektiven Ich-Störung. So

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wird er nun manifest schizophren und fühlt sich bedroht und verfolgt. Schicksals­ psychologisch war er aber, verborgen, stets ichgestört. IV. Da die Stellungnahme fehlt (0 k), ist die Schicksalsprognose äußerst schlecht. V. Aus seiner Krankengeschichte teilt E. STUMPER folgendes mit: «Es handelt sich um einen 30jährigen Arbeiter, der vor Jahren seine geisteskranke Schwester, um sie zu erlösen, tötete, daraufhin einen Selbstmordversuch machte, doch vom Gericht freigesprochen wurde. Er wurde vorübergehend wegen sonderbarem Be­ nehmen und Drohungen gegenüb er der Familie in der Heilanstalt untergebracht h» Die Lehre des Falles fassen wir im folgenden zusammen : 1. Der Fall demonstriert die Aufgabe der experimentellen Triebdiagnostik, die an erster Stelle darin liegt, die verbo rgenen Prozesse in der Psyche aufzudecken, welche zu einer Affekttat (Mord, Selbstmord) geführt haben. Dieser Umstand begründet die Anwendung des Testes in der Kriminologie (H. WALDER). Daß wir aber auch den genauen Tatbestand, den gegenwärtigen geistigen Zustand und - unter Umständen - auch die zu erwartende Zukunft des Patienten testologisch zu erfassen vermögen, werden wir später bei der Deutung mittels der Komple­ mentmethode erörtern. 2. Wir gaben mit dem Fall 5 ein Beispiel der Erstarrung der Psyche in einer einzigen Existenzform, welche alle anderen Schicksalsmöglichkeiten aus der Mani­ festation ausschließt. Dieser Umstand allein spricht für die schlechte Schicksals­ prognose. Einige Kritiker der experimentellen Triebdiagnostik benützten den Umstand, daß die einzelnen Testprofile in einer Zehnerserie im allgemeinen verschiedene Schicksalsmöglichkeiten aufzudecken vermögen, als einen Beweis für die Unzuläng­ lichkeit, ja sogar für die Unbrauchbarkeit unserer Methode. Die sancta simplicitas dieser Auffassung beruht auf der - leider immer noch weit verbreiteten - falschen Auffassung von der ewigen Gleichheit der Tiefenseele des Einzelnen. Diese simpli­ fizierende Psychologie kann sich nicht mit der Tatsache versöhnen, daß der Mensch mehrere Existenz und Schicksalsmöglichkeiten mit auf diese Welt bringt. Sie gibt sich der Trugauffassung hin, daß z. B. der Schizophrene immerfort schizophren sei, der Mörder in jeder Situation seines Daseins, in alle Ewigkeit ein Mörder bleibe. In Wahrheit ist aber die Schizophrenie, die Mord-Anfälligkeit usf. bei einetn Menschen r/f/j aar «w aar/ ößmw awd aaWiagf Daseins. Die Person hat auch andere Existenzmöglichkeiten, über die sie uns im ExperiWM/ aaWqf/ grr/dWff W ^ %ar %a einer Metanoia, des Schicksals des Kranken %a aktualisieren hat. Das ist ja d er Sinn der Aufnahme von Achter- oder Zehnerserien, mit denen wir eben die Wandlungs­ möglichkeiten und -richtungen d es Einzelnen feststellen wollen. Die Erstarrung der Tiefenseele in einer E xistenzform muß somit stets als ein Hinweis auf irgendeine Charakterversteifung oder Krankheitsexistenz ausgelegt werden. Für die Brauchbarkeit der Testbilder spricht aber eben eine Erstarrung der Wahlhandlung in eklatanter Form. E. STUMPER schreibt zu dem soeben behan­ delten Fall: «Ein Fall, wie dieser macht das Argument hinfällig, die Porträts der einzelnen SzoNDi-Faktoren hätten nicht den gleichen Provokationswert. Wären 1 STUMPER, E. : Zitierte Arbeit, S. 45.

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die Porträts nicht gleichwertig, so könnte man unmöglich diese Profilserie er­ klären. Wie kann man diese stereotypen Wahlen anders als auf dem Boden der SzoNDischen Trieblehre deuten ? Diese Profilserie ist ein unwiderlegbarer Beweis für die Tatsache, daß die sechs Porträts, die einen Triebfaktor darstellen, auch dieselbe Affi­ nitätswirkung ausüben1.» *

Der nächste Fall soll als Beispiel der Anwendung der Rand-Mitte-Methode bei sprunghaften Umdrehungen seelischer Prozes se bei einem Geisteskranken dienen. Fall 6 (von S USAN D E R I )2: Heboide Schizophrenie, 32jähriger berufsloser Mann Nr.

I II III IV V VI VII VIII IX

h + ±

+ + +

+ + 0

±

s

P r - 1 + 11/ +

+

+ + + +

+

e

by

+

°1 0/

— —

0 0 0 + —

+

Sch k

+1 ' + 0

±

+ -1 +/ ±

p

0

-/

±

°1 -J

0 ±

±1 0/

d 0 0 0 0

c

m — — — —

±

0 0 0

— — —

Versuchen wir nun die neun Triebprofile des Kranken mit Hilfe der RandMitte-Methode auszulegen, um dem Leser nochmals zu zeigen, daß die Deutung seltener Einzelreaktionen oft aufschlußreicher sein kann als die der gehäuften Alltagsreaktionen. Die qualitative Analyse führt oft leichter zum Ziel als die quantitative. I . Analyse des Randes:

1. In den neun Sexualbildern zeitigt der Kranke fünfmal das legierte Alltags­ bild : S -|—f. Für die Analyse des Krankheitsprozesses sagen uns diese Reaktionen nicht viel. Um so mehr geben uns Auskunft über die gestörte Sexualität die vier anderen Sexualbilder. Zweimal liefert der Kranke das Bild L dz ~b (H, IX), einmal sogar (II) mit Quantumspannung im Faktor s (S A + !!). Dieses Sexualbild deuten wir als Zeichen einer bisexuellen, a?nbivalenten Liebesform (d; h) mit Überbetonung des Sadismus (+ ! ! r). Warum wählen wir eben diese Auslegung und nicht die zwei anderen, die in der Tabelle 5 bei S14 vermerkt sind? [a) Normale sinnliche Sexualität und Kulturdrang, b) Kultursadismus mit Personenliebe.] Die Antwort erteilt uns im besonderen die Ich-Analyse (siehe später), aber auch die Sukzession der Sexualbilder in den Profilen I und II. Li = -| ; Lu = + + !!. Das Sexual­ bild der Effeminierung und Inversion (S -j ) schlug in ein sadistisches (+ ! ! r) 1 STUMPER, E. : Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Huber, Bern und Stuttgart, 1956. S. 45. 2 DÉRI, S.: Introduction to the SzoNDi-Test, G rune and Stratton, New York, 1949. S. 328 ff.

229


bisexuelles Bild um, in dem die aggressive männliche Geschlechtlichkeit (S 8 ! !) dominiert. Es ist somit unseres Erachtens berechtigt, hier von einer bisexuellen Neigung zu sprechen trotz des Überwiegens des alltäglichen, «normalen» Sexual­ bildes (S -\—8 fünfmal). Natürlich können diese Einbrüche von bisexuellen Wün­ schen im Rahmen der Phantasie - oder Wahnwelt bleiben ohne daß die Wünsche je realisiert werden. Für den Triebdiagnostiker sind aber eben diese bisexuellen Ansprüche - auch ohne manifeste Befriedigung - von Wichtigkeit. 2. Die neun Kontaktbilder verteilen sich in folgender Weise : C 0 — siebenmal, C i — und C—• — je einmal. Die C 0 •—Reaktionen sind Hinweise auf die Ver­ lassenheit, Verwaisung und eventuell auf die - als Ersatzbildung auftretende Süchtigkeit (z. B. Klepto-, Porio-, Dipsomanie usw.). Die Reaktion C ± — und im besonderen die nur einmal auftretende C (mit der gleichzeitigen Reaktion — p im Profil VI) zeigen die äußerst krankhafte Abwendung des Kranken von der realen Welt. Die sogenannte negative irre ale Blockbildung-. — p, — d, •— m im Profil VI sagt uns - trot^ Einmaligkeit in der Erscheinung- bedeutend mehr über die Not semer Kontaktstörung und der Zuwendung zu einer irrealen Welt als die siebenmal ge­ lieferten CO'— Reaktionen. Dieser Kranke lebt in einer krankhaften irrealen Welt. Schon dieser Umstand kann ein ernster Hinweis auf seine Geisteskrankheit sein aber nur dann, wenn das Ich ebenfalls krank ist. II. Analyse der Alitie : 1. Im Affektleben des Kranken finden wir ebenfalls mahnende sprunghafte Um­ drehungen sowohl faktorieller wie auch vektorieller Natur. P \ + 0 wird im Pu- —• 0: faktorielle Umdrehung (im Vordergrund) +

vektorielle Umdrehung (im Vordergrund)

Diese Sprunghaftigkeit im Affektleben ist für heboide Prozesse auch klinisch äußerst charakteristisch. Viele Hinweise auf Angstzustände verschiedener Art sind in der Testserie feststellbar. P\ -8 0: Phobie; Pu •— 0: Angst vor der autistischen (Seh -\ ) Aggres­ sion + ! ! r; Pin : panische Angst; PiyO— :sensitive (paranoide) Beziehungs­ angst. Die nur einmal gelieferte Reaktion Pyi 0 T, d. h. der Drang %u e xhibieren, spricht ebenfalls für eine heboide Störung1. Die extreme Sprunghaftigkeit, vom zarten Abel (Pyii H ) in die grobe Affektivität des Kain (Pym—• +), ist ein weiterer Hinweis auf die heboide Paroxysmalität. 2. Die Ich-Analyse ist - wie immer - ausschlaggebend für die Schicksalsdiagnose des Kranken. Zuvörderst fällt die CPm&wbmg ww (Sch\ 8) in autistisch-undissfplinierte Introprojektion (Sehn -) ) auf, wie auch die Umwandlung des weiblichen verlassenen Moll-Ichs (Schein 0 ±)in das männliche, zwangshafte Dur-Ich (Schix ± 0). Nach SUSAN DÉRI sind diese Formen von spiegelbildartiger Umdrehung im Ich für die schizoformen Ich-Störungen be­ zeichnend. Die einmalige Reaktion SchWi 0 — im Rahmen des bereits erwähnten irrealen Blockes (—p, — d,— ni) ist pathognomisch für die Schizophrenie heboider Art2. Die zwei Verlassenheitsbilder im Ich (Schm und Schym 0 fi^) müssen somit ichanalytisch auch als ein synchrones Auftreten von Inflation (Megalomanie: 1 SZONDI, L.: Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, S. 259, 292f., 304, 308f., 459. a T riebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, Tab. 37, S. 306 (Kontaktstörung).

230


Sch 0 -]-) und Projektion (Sch 0 •—) ausgelegt werden. Beide bekräftigen die An­ nahme einer schi^ojormen Ich-Störung. Das zweimal gezeigte Drill-Ich (Schyq und Sch\j\\ — —) bekräftigt unsere Be­ hauptung, daß auch der am schwersten Geisteskranke sich episodisch w ie ein ge­ sunder Mensch (S -\—Sch ) zu verhalten vermag. Dieser Fall ist ein Para­ digma für den Deutungsleitsatz, daß nicht die banalen Alltagsreaktionen (S -\—K Sch — •—), sondern eben die seltenen Ausnahmereaktionen als die wichtigsten Wegweiser in den Testdeutungen ausgelegt werden müssen, denn gerade sie decken die krankhaften Schicksalsmöglichkeiten der Person auf. III. Schicksalsdiagnose: Auf Grund der Auslegungen der extremen Reaktions­ bilder am Rande und in der Mitte sind wir imstande, die Krankheitsprozesse des 32jährigen Mannes zu rekonstruieren. Am Rande seines Seelenlebens wird er von folgenden Triebgefahren bedroht: 1. bisexuelle und sadistische Ansprüche, 2. Ver­ wahrlosung, d ie einerseits zu Suchtreaktionen (Klepto-, Poriomanie usf. : C 0 —), anderseits aber zur Abwendung von der Wirklichkeit und Zuwendung %u einer krankhaft irrealen Welt geführt haben. Sein Ich reagiert auf die marginalen Trieb­ gefahren krankhaft, indem es autistisch-undiszipliniert (Sch -| ) wird oder aber paranoid-inflativ und-projektiv (Sch 0 jz), ja sogar zwangshaft (Sch 0) süchtighypomanisch (Profil IX: Sch i 0, C 0 —). Der durchgehende Zug seines Seelen­ lebens ist die Sprunghaftigkeit, d. h. die scheinbar unmotivierte - plötzliche - Um­ drehung im Sexual-, Affekt- und Ich-Leben. Die bleibenden Züge seiner Psyche sind : 1. die Angst, welche sich zur Panik ver­ stärken kann; 2. die Kontaktlosigkeit bis zur völligen Zuwendung zu einer krank­ haft unwirklichen Welt. Vermutlich begann sein Kranksein mit der Verlassenheit, der Verwaisung, dem Fehlen der Anklammerung. Erst allmählich reagierte der Kranke - vermutlich auf Grund einer mitgebrachten Erbanlage - auf den Mangel der Geborgenheit mit Abwendung von der Welt, mit Sucht, mit Ich-Störungen und Bisexualität. Sicher spielten grausame Umweltfaktoren eine gewichtige Rolle in seiner Entwicklung; dennoch glauben wir, daß Erbfaktoren doch die aus­ schlaggebende Rolle in der Lenkung seines Schicksals gespielt haben müssen. Eben diese Erbfaktoren bestimmten seine speziell heboide S chicksalsmöglichkeit, in der sowohl das Hypomanische (C0 —) wie auch das Autistisch-undisziplinierte (Sch + •—), das paranoid Inflative (Sch 0 +) wie das Projektive (Sch 0 —) kalei­ doskopartig, sprunghaft sich abwechseln. Daher die Wahrscheinlichkeit, daß die Kliniker den Fall als maniforme Hebephrenie oder heboide Schizophrenie diagnostiziert haben. IV. Die Krankengeschichte: Der Kranke war schon als Kind völlig verwahrlost, wurde von den Eltern viel geschlagen ; er vagabundierte stets auf der Straße und hat dort gestohlen, wo er konnte. Da er intellektuell schwach war, mußte er nach drei Primarldassen die Schule verlassen. Wegen seiner Diebstähle kam er früh in eine Korrektionsanstalt. Er versuchte sich in den Berufen des Schneiders, Schu­ sters, Maurers und Bäckers, konnte aber keinen Beruf endgültig erlernen. So lebte er vom Stehlen (Velo, Geld) und wurde für elf Jahre in ein Zwangsarbeiter­ heim überführt. Hier verbrachte er weitere sechs Jahre. Hernach mußte man ihn wegen Wahnbildungen und Halluzinationen internieren. Seine Wahnideen waren von bizarrer Natur: Er habe von den Tieren 30 Jahre erlangt und werde somit

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100 Jahre leben. Er ist derzeit - mit 32 Jahren - noch in der Pubertät, muß aber auf seine Gesundheit äußerst achtgeben, da er ja 100 Jahre leben will. Um den Blutkreislauf zu fördern, schläft er seit 15 Jahren nur auf dem linken Arm. Erst mit 100 Jahren wird er heiraten. Dann wolle er aber ein Herrenleben führen; dann wird er Gänse essen und Champagner trinken, dann wird er den Frauen Ringe schenken, wird boxen, Velo fahren und eine schöne Frau heiraten. Die Bauern werden ihn zum Fürsten wählen, er wird täglich 5-6 Millionen verdienen... Er wird in eine Damennnterhose schlüpfen, da ja - so glaubt er - der Mann als Liebes­ objekt auch nicht schlecht wäre. Er wird 100 Millionen Kirchen bauen lassen, in jeder wird er zwei Priester anstellen. Dies alles erzählt er in einer hypomanischfröhlichen Redeweise. Dann bemerkt er noch: «Mein linker A.rm ist die Frau, der rechte de r Mann. Darum könne er beide, Mann und Frau, haben, wie es ihm be­ liebe...» Hier kommt sein Wunsch, ein Zweigeschlechterwesen zu sein, klar zum Ausdruck. Der Umwandlungsanspruch, vom weiblichen Ich {Sch\m 0 j=) in das männliche (Schix dz 0) (wie auch die von — J-J zu -|- ! ! rn), wurde somit auf verbalem Wege bestätigt. Auch die C 0 •—Reaktionen erfahren in der hypomanischen Redeweise ihre Bestätigung. Auf Grund der Kopplung von schizophrenen Wahnbildungen und Halluzinationen mit Hypomanie wurde der Fall klinisch als eine Mischpsychose, als maniforme Hebephrenic erachtet. *

So beenden wir die Darstellung der Methode von Rand und Mitte mit dem Hinweis darauf, daß in der Triebpathologie Bd. I1 der Leser eine Reihe von praktischen Auslegungen dieser Deutungsart findet und dort auch die Möglich­ keit hat, sich in die theoretische Grundlage dieser wichtigen Deutungsmethode zu vertiefen.

Kapitel XIX

DIE KOMPLEMENTMETHODE. ANALYSE DES VORDER- UND HINTERGÄNGERS Die Komplementmethode stellt ein dialektisches Deutungsverfahren par excel­ lence dar. Sie wurde erst 1952 mitgeteilt2. Wird die Dialektik bei der Rand- und Mitte-Methode zwischen den marginalen und zentralen Strebungen quasi auf der­ selben seelischen Ebene analysiert, so erlangt die Dialektanalyse bei der Komple­ mentmethode eine Tiefe, welche den inneren Kampf der seelischen Gegensätzlich­ keiten fast stereoskopisch, d. h. raumbildlich, plastisch zur Erscheinung bringt. Wie bereits erörtert wurde3, nennen wir die eine Dimension der Psyche die Vorderbühne des «Vordergängers» und die andere die Hinterbühne des «Hinter­ gängers». Beide zusammen machen die Ganzheit der Psyche aus. Auch davon 1 Triebpathologie, Bd. I. Triebanalysc, Fälle 1—4, S. 175-184. Theorie: S. 108—112. 2 Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, S. 198—234. 3 Kapitel VI dieses Buches.

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war schon die Rede, daß der Hintergänger in zwei Formen erfaßbar ist, und zwar theoretisch und experimentell. Erstens: wird das sogenannte theoretische Komple­ mentprofil (ThKP) durch Subtraktion des Profils des Vordergängers (V.GP) von dem Ganzprofil (GP) hergestellt1. Das theoretische Komplementprofil repräsen­ tiert den wirklichen H intergänger in der Psyche. Denn nur das ThKP ergänzt das VGP zu einem Ganzprofil (GP). Es ist das abgespaltene Stück der Seele. Zweitens: wird der Hintergänger durch das empirische (oder experimentelle) Komplementprofil (EKP) freigelegt. Dieses zweite Profil wird durch die zweite Wahl - also die Nachwahl - der zurückgebliebenen 24 Photos erhalten, wie wir bei der Beschreibung des Wahlexperiments bereits ausgeführt haben2. Die Deutungsarbeit bei der Komplementmethode wird in drei Phasen aus­ geführt. In der ersten Phase werden die Vordergrundprofile (VGP) - 8-10 Aufnahmen nach der Methode von Rand und Mitte lege artis ausgelegt. In der ^weiten Phase deuten wir in ähnlicher Weise die theoretischen Komple­ mentprofile (ThKP) mittels der Rand- und Mitte-Methode. Durch diese zwei Auslegungsarten von VGP und ThKP wird die individuell variable innere Dialektik sichtbar gemacht, welche sich zwischen den Regungen auf der Vorderbühne und denen auf der Hinterbühne der Psyche unbewußt ab­ spielt. Wir betonen hier mit Nachdruck die Gleichzeitigkeit der Wirkungen des Vordergängers (VGP) und des wirklichen Hintergängers (ThKP), d. h. ihre Wirkungssimultaneität in der Psyche. Eben diese Simultaneität in den Wirkungen zweier Bereiche der Seele ver­ ursacht jene Dialektik, welche als die wichtigste Triebfeder der seelischen Dyna­ mik fungiert. Es wäre demnach falsch zu glauben, daß zwischen dem Vorder­ gänger (VGP) und seinem wirklichen Hintergänger (ThKP) irgendeine - wer weiß wie große - Spalte in der Psyche klaffe. In der seelischen Wirklichkeit gibt es normalerweise überhaupt keine Spalte, welche die zwei Hälften voneinander trennt. Vorder- und Hintergänger sind - wie siamesische Zivillinge - aneinandergebimden, sie sehen sich aber nicht. Man kann sie nur mit Gewalt voneinander trennen, aber ihre Triebund Ich-Störungen laufen in polar entgegengesetzten Richtungen. Dies scheint eine Form der Selbststeuerung zu sein. Eben darum muß der Deuter die Vor­ dergrund- (VGP) und die wirklichen Hintergrundprofile (ThKP) synoptisch - wie beim stereoskopischen Sehen - betrachten. Nur so kann er ein plastisches Raumbild von den beiderseitigen seelischen Vorgängen - die sich ja immerfort zu ergänzen streben - erhalten. Die Beziehung zwischen VGP und ThKP kann man auch mit dem Traum vergleichen, wobei der Vordergänger der Fassade, der Hintergänger den latenten Traumgedanken entspricht. Natürlich ist dieser Ver­ gleich nur metaphorisch aufzufassen. Unter Umständen kann sich allerdings die seelische Trieb-Ich-Bühne völlig umdrehen, wobei aus dem ThKP das VGP wird, doch bleiben - trotz der Umdrehung - die zwei Hälften der Seele synchron weiter aneinander gebunden. In der dritten Phase der Komplementmethode wird das experimentell (empi­ risch) gewonnene Komplementprofil, das EKP, nicht als ein selbständiges drittes Profil mit Hilfe der Rand- und Mitte-Methode ausgelegt, wie dies beim VGP 1 Kapitel VI dieses Buches. I. Die funktionelle Einteilung der Vektorbilder. 2 Vgl. Instruktion Nr. II im Kapitel III.

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und ThKP geschieht, sondern es werden nur seine Übereinstimmungen mit den VGP- und ThKP-Profilen festgestellt1. Eine richtige Deutung der EKP-Profile ist ja schon deshalb unmöglich, weil bestimmte Reaktionen, im besonderen gewisse Null- und bestimmte Quantumspannungsreaktionen aus einem numerischen Wahlzwang hervorgehen. Die Wahlmöglichkeiten im experimentellen Komple­ mentprofil sind ja zahlenmäßig davon abhängig, wie viele Bilder der einzelnen Triebfaktoren bei dem ersten Grundversuch, also bei dem VGP, schon gewählt und wie viele zur Nachwahl zurückgelassen wurden. Die Tabelle 11 gibt Auskunft über die Wahlmöglichkeiten im EKP in bezug auf die verschiedenen Wahlstärken im VGP. Tabelle 11. Wahlmöglichkeiten im experimentellen Komplementprofil Im VGP werden gewählt

Im VGP finden wir folgende Möglichkeiten von Wahlreaktionen

Für EKP bleiben

Diese ermöglichen folgende Wahlreaktionen im EKP

+ 6 5 4 3 2 1 0 — 0 1 2 3 4 5 6 R c + 1! 1 + ! ! ± ! ± ± , — 1 ! — ! ! !

0

+ o — 0 Re 0

5

+ 5 4 3 — 0 1 2 R e + ! ! +! ±

1

+ 1 — 0 Re 0

o 1 0

4

+ 4 3 — 0 1 Re + ! +

2 2 ±

1 3 —

2

+ 2 — 0 Rc +

1 1 0

0 2 —

3

+ 3 — 0 Re +

2 1 +

1 2 —

0 3 —

3

+ 3 — 0 Rc +

2 1 +

1 2 —

0 3 —

2

+ 2 — 0 Rc +

1 1 0

0 2 —

4

+ 4 3 — 0 1 Rc + ! +

2 2 ±

1 3 —

0 4 —!

5

+ 5 4 3 — 0 1 2 Re +!! + ! ±

2 3 ±

1 0 4 5 —1 —!!

6

+ 6 5 4 3 2 1 0 — 0 1 2 3 4 5 6 R c + ! ! ! +M ± ! + + | —11 —III

6 Bilder

+ 1

o

1

— 0 Rc 0

1 0

0

— 0 Re 0

2 3 ±

1 0 4 5 —1 —!! 0 4 —!

+ o

Re = Reaktion 0 = Zwangsnullreaktion

Wir fassen die Lehre dieser Tabelle zusammen:

I. Numerische Beziehung ^w ischen den Wahlreaktionen des VGP und EKP 1. Wählt die Vp im Vordergrund versuch alle sechs Bilder eines Faktors, so bleibt für den Komplementversuch sQvangsweise kein Bild zur Wahl. Im EKP muß demnach bei dem entsprechenden Faktor eine AW/reaktion stehen. 1 Die EKP-Profile kann man aber als Existen^möglicbkeiten auswerten. (Siehe später im Anhang.)

234


2. Das nämliche geschieht, wenn die Vp im VGP fünf Bilder wählt, nur sind hier zwei Arten der Nullreaktionen möglich:

3. Wählt die Person im VGP vier Bilder eines Faktors, so bleiben für die Wahl im EKP nur zwei Bilder. Aus diesen zwei Bildern kann aber die Vp drei ver­ schiedene Reaktionen bilden, und zwar: +, 0 oder —. 4. Wählt die Vp bei irgendeinem Triebfaktor insgesamt drei Bilder, so bleiben für das EKP ebenfalls drei Photos zurück, die ihr aber nur cpvei Wahlarten ermög­ lichen; entweder A oder —. (Von drei Bildern kann man ja weder eine Nullnoch eine ambivalente Reaktion geben.) 5. Falls die Vp im Vordergrund bei irgendeinem Faktor nur %n>ei Bilder gewählt hat, bleiben vier Bilder für das EKP zurück, die dann rein qualitativ drei Arten (+, A> —), qualitativ-quantitativ aber fünf Arten von Komple­ mentreaktionen ermöglichen: A F A ; Al —; —!. 6. Bei der Wahl von nur einem Bild im Grundversuch bleiben fünf Bilder für den Komplementversuch zurück. Sie ermöglichen rein qualitativ wieder nur drei Reaktionen: -|-, A und •—, qualitativ-quantitativ aber fünf verschiedene Reak­ tionsweisen: + !!; A F Al — !; -— !!. 7. Wählt die Person aus den sechs Bildern einer Faktorkategorie kein einziges, so bleiben alle sechs Bilder für den Komplementversuch übrig. In diesem Fall kann die Person rein qualitativ die bekannten drei (+, A, —), qualitativ-quanti­ t a t i v a b e r s i e b e n v e r s c h i e d e n e R e a k t i o n e n l i e f e r n: A U ! ; A U ; A F A > A i > — ! !; — ! !!. Von einem numerischen Wahlzwang können wir also sprechen: 1. Wenn die Person im Vordergrundversuch sechs oder fünf Bilder eines Fak­ tors wählt. Hier muß die Nullreaktion ywangsmäßig im EKP erscheinen. Und hier macht sich schon der grundsätzliche Unterschied in Wesen und Anwendung der EKP und des ThKP bemerkbar. Denn theoretisch müssen wir im Hintergrund eine negative oder positive Tendenz auch dann annehmen, wenn im Vordergrund eine quantitativ aufgestaute positive (A U, AU!) oder negative (-— ! !, — ! ! !) Stre­ bung figuriert. Gemäß der Theorie der Ganztriebstruktur kann man nicht anders vorgehen. Hingegen bei dem EKP muß sich gwangsmäßig bei denjenigen Faktoren eine A7///reaktion einstellen, bei denen im Vordergrund eine quantitativ zu starke ( ! ! oder ! ! !) Wahl getroffen wurde. 2. Wählt die Person kein einziges Bild eines Faktors im Vordergrundversuch, so muß sie zwangsmäßig im EKP alle sechs Bilder wählen. Bei dem theoretischen Komplementprofil verzeichnen wir in diesem Fall eine Bitendenalso Plus- und Minusreaktion, die aber nicht als ambivalente Reaktion gedeutet werden darf, sondern nur so, daß die Person dasgansp Bedürfnis mit beiden ( A und—) Strebungen im Hintergrund behält. Daher die Benennung Ätcndenz. Wir sagen: Während im Vordergrund das betreffende Bedürfnis sich manifest entladen hat, reintegriert sich das nämliche Bedürfnis im Hintergrund mit beiden Te ndenzen. Anders aber beim EKP. Hier kann die Person aus den sechs zurückgebliebenen Bildern nicht nur eine ambivalente ( A)-Rcaktion treffen, sondern, wie wir es in der obigen Tabelle

235


ausgeführt haben, sieben qualitativ-quantitativ verschiedene Reaktionen: -(- ! ! !; •f ! h i ii ii! — ! ! und —• ! ! !. Das nämliche gilt auch für den Fall, in dem die Person im VGP nur ein Bild irgendeines Triebfaktors gewählt hat. Die Lehre lautet demnach: Das ThKP muß stets rein funktionell im Sinne einer Ergänzung des VGP einem Gansfriebprofilgedeutet werden. Bei dieser Deutung ent­ spricht einer jeden vordergründigen Nullreaktion eine Bitendenz im Hintergrund. Bei der Deutung des EKP dagegen müssen wir mit den numerischen Möglichkeiten oder Zwangshaftigkeiten bei der Wahl rechnen und Wahlz]vangund Wahlmöglichkeiten in Rechnung stellen. Wo^tt dient also das experimentelle Komplementprofil, d. h. die zjveite Wahl aus den zurückgelassenen 24 Photos ? Die Antwort lautet: Zum Vergleich mit dem VGP und dem ThKP und zur Feststellung der Existenzmöglichkeiten. Es sind hier drei Variationen möglich. Die erste Möglichkeit ist: die Fortsetzung der ersten Wahlrichtung (VGP) in dem Nachwahlexperiment (EKP). Sie bedeutet die übermäßige Stärke der Vorder­ grundstrebungen und die relative Schwäche der wirklichen Plinterstrebungen (im ThKP). Die Übereinstimmung zwischen VGP und EKP erlaubt somit die Prognose,daß sich die Hinterstrehungen des wirklichen Hintergängers vermutlich weder spontan noch durch eine künstlich provozierte Umdrehung (Elektroschock, analytische Therapie usf.) in den Vordergrund drängen lassen werden. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß das EKP mit dem wirklichen Hinter­ gänger, mit dem ThKP eine weit größere Übereinstimmung aufweist als mit dem VGP. Diesen Tatbestand kann man prognostisch so auslegen, daß bei dem Pro­ banden in der Zukunft - auf irgendeinen inneren oder äußeren Reiz hin - der wirk­ liche H intergänger plötzlich auf der Vorderbühne erscheinen könnte. Eine künstlich for­ cierte Umdrehung der Triebdrehbühne, d. h. eine Wandlung der Vorderpersön­ lichkeit in einer diametral entgegengesetzten Richtung ist somit hier nicht aus­ geschlossen - ja s ogar wahrscheinlich. Die dritte Möglichkeit ist die sogenannte Neuorientierung im EKP. Das heißt: die Wahlreaktionen im EKP zeigen weder mit denen im VGP noch mit denen im ThKP eine prognostisch gewichtige Übereinstimmung. Die Person schlägt in der Nachwahl einen anderen Trieb- und Ich-Weg ein. Entweder macht die Vp im EKP-Versuch eine Kompromißlösung, eine Kontamination von VGP- und ThKP-Reaktionen, oder aber sie bringt eine völlig neue Schicksalsfigur, eine neue Existenzform zum Vorschein. Fassen wir nun - auf Grund der Triebpathologie Bd. I1 - einerseits die Deu­ tungsprinzipien der Komplementmethode, anderseits die der vier Reaktions­ weisen bei den VGP-, ThKP- und EKP-Versuchen zusammen.

II. Die Leitenden Prinzip ien der Deutung bei der Komplementmethode können wir kur% etw a so bestimmen : I. Das Vordergrundprofil repräsentiert diejenigen familiären Triebstrebungen und Ich-Existenzen, welche relativ die stärkste Durchschlagskraft besitzen. Sie werden teils befriedigt, teils aber streben sie unbewußt nach Befriedigung. 1 S. 207-208.

236


Tabelle 12. Deutungsprinsppien der vier Reaktionsweisen bei den VGP-, ThKP- und EKP-Versuchen Reaktionsweise —>• Nullreaktion Profilarten

Positive Reaktion

Negative Reaktion

j

VGP Vordergrundprofil

TbKP Theoretisches Komplementprofil

EKP Experimentelles Komplementprofil

Bitendente b%w. ambiva lente Reaktion

Das entsprechende Bedürfnis fehlt Eine positive Strebung drängt in den Vordergrund und wird vom im Vordergrund : a) weil es befriedigt wurde (na­ Ich unbewußt gefördert. Ihre ge­ gensätzliche (negative) Strebung tive Manifestation) ; ist schwächer und verweilt im b) weil es nativ nicht befriedigt Hintergrund. Latente, persönliche werden kann, sucht es auf Um­ positive Strebungen im Vorder­ wegen (So^ialisierungy Sublimiegrund. riing, Ersat^bildungen) die Befrie­ digung.

Eine negative Strebung drängt in den Vordergrund, wird vom Ich gefördert und läßt ihren Gegen­ part, die positive Strebung, im Hintergrund. Latente, persönliche negaiiveStrcbung im Vordergrund.

Eine negative Strebung drängt in den Vordergrund und ihre Gegenstrebung, die positive, wird in denHintergrund zurückgedrängt. Latente,positivefamiliäre Strebung im Hintergrund.

Eine positive Strebung drängt in den Vordergrund und die Gegenstrebung, die negative, wird in denHintergrund zurückgedrängt. Latente, negative familiäre Stre­ bungen im Hintergrund.

a) Das Bedürfnis fehlt völlig im Vordergrund, es ist mit beiden Strebungen im Hintergrund zu­ rückgehalten. Bitenden% im Hinter­ grund.

Es sind zwei Arten zu unter­ Die Bewertung der positiven oder negativen Reaktionen ist abhängig von dem Umstand, ob sie eine Neuorientierung darstellen oder ob die scheiden: a) Zwangshafte Nullreaktion, die Konkordanz mit dem VGP oder mit dem TbKP vorhanden ist. Kon­ kordanz mit dem VGP heißt, daß die positive oder negative Stre­ nicht gedeutet wird. bung im Vordergrund überwiegend ist; Übereinstimmung mit dem b) Neu auftretende Nullreaktion, TbKP, daß die positive oder negative Reaktion im Hintergrund stark die auf eine familiäre Entladungs­ ist. bereitschaft hinweist.

a) Bei Konkordanz mit dem ThKP ist die ^-Reaktion ein Hinweis auf die starke Bitendenz des Hintergängers. b) Als Neuorientierung kann sie auf eine Kompromiß-Reaktion oder auf ein neu mobilisiertes familiäres Schicksal hinweisen.

Im Hintergrund fehlt das Bedürf­ nis, weil es mit beiden Strebun­ gen in den Vordergrund gedrun­ gen ist.

a) Beide gegensätzlichen Stre­ bungen eines Bedürfnisses drän­ gen in den Vordergrund = Bitenden b) Die Stellungnahme des Ichs ist ambivalent.

(* = ±)

b) Reintegration nach der vorder­ gründigen Befriedigung.


II. Das theoretische Komplementprofil macht den wirklichen Hintergänger sicht­ bar. Dieser Hintergänger ist das abgespaltene und in den Hintergrund gedrängte Trieb- und Ich-Stück der Tiefenperson. Der Hintergänger ergänzt den Vorder­ gänger zu einer Einheit und Ganzheit der Tiefenperson. Nur VGP und ThKP dürfen als ein Ganzprofil gedeutet werden. III. Das experimentelle Kompletnentprofil dagegen darf nur in der Konkordancp hefiehung mit dem VGP und EKP ausgewertet werden. Bei dem EKP tritt die Konkordan^analyse an die Stelle einer regelrechten Profildeutimg. Diese diagnostische Rolle des EKP erfüllt sich einerseits in der Feststellung der Kräfteverhältnisse zwischen Vorder- und Hinterstrebungen, anderseits in der Sichtbarmachung der verschie­ denen Schicksalsmöglichkeiten des Hintergängers. Dies geschieht durch die Kon­ kordanzanalyse des EKP einerseits mit dem VGP, anderseits mit dem ThKP. Eine Schicksalsprognose irgendeiner Therapie, sei sie eine Schlaf kur, eine Schock­ wirkung oder eine tiefenpsychologische Analyse, baut sich auf den Konkordanop verhältnissen VGP: ThKP: EKP auf. Eben auf dem Gebiete der Psychoprognostik gibt die Komplementmethode dem Psychiater und Tiefenpsychologen ein Werkzeug in die Hand, mit Hilfe dessen er mit großer Wahrscheinlichkeit im voraus feststellen kann, was man in einem gegebenen Fall von irgendeiner Behandlung hoffen darf und ob es sich lohnt, eine WandTabelle 12 faßt die Deutungsprinzipien der vier Reaktionsweisen bei den drei Profilarten zusammen. Nun wollen wir die Komplementmethode an einigen Krankheitsfällen prak­ tisch darstellen. Wir beginnen mit der Analyse von Einzelprofilen. Fall 7. Sadismus, 45jähriger Fabrikant P

c

A. Vordergänger VGP:

+ o

0

±

— ±

0

13. Wirklieber Hintergänger ThKP:

— ±

± +

C. Experimenteller Hinter­ gänger EKP:

0 + !!

H-

o

Scb k p

°

by

H-

e

+

5

s

b

- 1+

I. Analyse des Randes: 1. Der Mann, der hier auf der Vorderbühne erscheint, verrät nur seine infan­ tile Liebe zu einer Person (+ h); dabei fehlt seine männliche Aggression und Aktivität im Vordergrund völlig (0 r). 2. Die Triebgefahr entpuppt sich erst im Kontaktraum: er ist haltlos (C 0 —). Wie er aber seine Haltlosigkeit befriedigt, ist auf Grund des VGP nicht festzustellen. Erst das EKP entlarvt ihn.

238


II. Analyse der Mitte: 1. Es fehlt bei ihm die ethische Zensur (0 e) ; er ist moraliter ein Zweifler (± hy)\ soll er sich so zeigen, wie er eigentlich ist (-)- hy), oder sich verbergen (— hy) ? Es ist möglich, daß er auch zum Jammern neigt [P 0 4-)2. Im Ich zeigt der Mann die Reaktion der Entfremdung, der Eifersucht, der Nei­ gung, sich von der Wahrnehmung der realen Welt zurückzuziehen. Wir nehmen an, daß er die Verlassenheit, eventuell auch das weiche, weibliche Moll-Ich p) in sich bekämpft (— k). Dies pflegt sich zumeist in einer Verachtung der Frauen zu manifestieren. Die zwei ambivalenten Reaktionen der Mitte (± hy und E P) avisieren die zwangshafte Wiederholung irgendeiner Tätigkeit, über deren Natur aber nur die Analyse des Elintergängers Auskunft zu geben vermag.

I. Analyse des Randes: I. Auffällig ist der Sadomasochismus (4% s) mit gleichzeitiger Unterdrückung der zärtlichen Liebe (— h). 2. Die sadomasochistische Beziehung trägt einen inzestuösen Charakter (C •—• + ); er überträgt aber diese Beziehung auf ein fremdes Objekt (+4II. Analyse der Mitte: 1. Nebst Ambivalenz im ethischen Verhalten e) fehlt dem Hintergänger sowohl die moralische (0 hy) wie die geistige (0 p) Zensur. 2. Es dominiert der Drang nach Haben, d. h. die Objekte der Welt (Personen und Dinge) restlos in seine Habmacht (+ k) zu bekommen, sie völlig und restlos in Besitz zu nehmen. Das Ich-Bild Sch -[- 0 mahnt uns aber, daß der Mann immer noch einer massiven, früh-infantilen, erotisch und affektiv überladenen Ad-hoc-Introjektion ausgeliefert ist. Dieses introjizierte Bild bemächtigt sich so sehr des Ichs, daß erinnerlich, vom Ich, gezwungen wird, die introjizierte Urszene, das primordiale Bedürfnis immer­ fort zu bejahen und zu praktizieren. Er ist diesem Machtbild vollständig ausge­ liefert und gezwungen, es zu wiederholen. Diagnostisch ist das Habmachtbild Sch E 0 des öfteren bei Perversionen (Sadismus, Masochismus, Fetischismus, Exhibitionismus) zu finden1; es weist nicht nur auf die Nachwirkung einer früh­ kindlichen Momentintrojektion hin, sondern auch auf eine Störung in der Fähig­ keit, ein Sexualobjekt mit dem Ich in Besitz zu nehmen. Wir müssen somit an­ nehmen, daß auch dieser Mann in der Fähigkeit der Besitznahme des Sexualobjektes schwer gestört ist. Seine Ich-Störung stammt vermutlich aus den Inzesterleb­ nissen mit der Mutter, und diese werden in Form einer sadomasochistischen Bindung auf ein fremdes Objekt übertragen.

C. Konkordanzanalyse des experimentellen Komplementprofils des EKP I. Eine Übereinstimmung des EKP mit dem VGP ist nicht festzustellen. 1 Ich-Analyse, S. 199ff.

239


II. Die Übereinstimmung des EKP mit dem ThKP ist hingegen groß : EKP

ThKP 1. 2. 3. 4.

± 0 0 +

e hy p m

± 0 0

+

e by p m

Die Übereinstimmung ist in vier von acht Faktoren vollständig. Neben diesen totalen Konkordanzen entdecken wir aber partielle Übereinstimmungen, die für die Aufklärung seiner Perversion als ausschlaggebende Indizien verwertet werden müssen. Diese sind: EKP

ThKP 5. ± s = Sadomasochismus 6. C ± + = Auf ein fremdes Objekt übertra­ gene (+ d) Inzestbindung (C b)

5. + 1 1 f = Bejahung des Sadismus 6. C — 1 + = Krankhafte Beharrung in der Inzestbindung an die Mutter1

D. Die Schicksalsgeschichte des 45jährigen Fabrikanten läßt sich nun dank der durchgeführten dreidimen­ sionalen Analyse plastisch-lebendig überblicken. I. Der Mann im Vordergrund (VGP) erscheint mit einer liebevollen, fast kin­ disch-charmanten Fassade (S 0). Er beklagt sich (P 0 ±) über seine Lage (Frau, Mutter, Kind usw.), über seine Inaktivität, fühlt sich verlassen, bekämpft dies aber mit Verneinen, entfremdet sich inaktiv von der Welt (Sch — zb) und wird haltlos (C 0 —). II. Die Analyse seines wirklichen Hintergängers (ThKP) entlarvt die Natur seiner Haltlosigkeit: Dieser Mann lebt mit seiner Mutter in einer haltlosen sadomasochi­ stischen, inzestuös gefärbten Beziehung (zt s,C (-)> die er nun von der Mutter auf fremde Frauen (+ d) überträgt. Die scheinbare Entfremdung im Vorder-Ich (Sch — —F im VGP) ergänzt sich mit dem krankhaften Habmacht-Ich des Hinter­ gängers (Sch + 0 im ThKP). Wir schließen daraus, daß der Mann ein perverser Sadomasochist ist (dz s, Sch -j- 0), bei dem die krankhafte Entfremdung von der Realität durch die Störung der Inbesit^nahmefähigkeit (Sch -f- 0) auf Grund eines früh­ kindlichen Traumas und dessen Ad-hoc-Introjektion begründet ist. Wir vermuten, daß es sich um die Unfähigkeit handelt, die Mutter in Besitz %u n ehmen. III. Die Konkordan^analyse des EKP stellt eine hochgradige Übereinstimmung des experimentellen Komplementprofils (EKP) mit dem wirklichen Hintergänger (ThKP) fest. Und noch mehr : der Mann bejaht episodisch seine krankhaften sadistischen Sexualregungen in einem Maße (-j- ! ! s), daß sein Sadismus die Neigung %u e inem Lust­ morde fast cyt erreichen droh t. Gleichzeitig ist er aber so beharrend-inzestuös an die 1 Bei Punkt 5 und 6 sprechen wir nicht von Neuorientierung, da ja die EKP teilweise schon in dem ThKP aufzufinden sind.

240


Mutter gebunden (C — ! +), daß eine Veränderung sehr unwahrscheinlich ist. Er muß sein sadistisch-inzestuöses Zwangsscbicksal (Seh d; 0, -\-\\ s, C — ! +) in der Zukunft weiterleben, da ihm die moralische und geistige Bremse zu einer Um­ wandlung, einer Metanoia, fehlt (0 hj, 0 p im EKP) *

Bevor wir in diesem Fall die Ergebnisse der dargestellten stereoskopischen Komplementanalyse mit den Daten seiner Krankengeschichte vergleichen, ver­ suchen wir das Schicksal seiner Frau mit der gleichen Methode zu durchleuchten. Fall 8. Masochismus. 35jährige Tänzerin Die nachfolgende Tabelle stellt die Wahlreaktionen der Frau dreidimensional dar: P

S h

s

e

by

Sch k p

cl

c

m

- 1

B. Wirklicher Hinlergänger TbKP:

— +

— 0

+ ±

± —

C. Experimenteller Hinter­ gänger EKP:

+ +

- 0

+ -1

± 0

o

+ —

H+

0 +

A. Vordergänger VGP:

A. Analyse des Vordergängers, des VGP I. Analyse des Randes: 1. Die vordergründige Person dieser Frau kann ihre Sexualfaktoren nicht legieren: sie bejaht die persönliche Liebe (+ h), verdrängt aber ihre männliche Aggression (— r mit Sch — 0). So erlangt ihre Psychosexualität die passive, hin­ gebende, masochistische Note der Hörigkeit. 2. Wie sehr sie sich an ihren Mann anklammert, beweist das unifunktionelle Kontaktbild: C 0 -j-. Sie sucht kein anderes Liebesobjekt, ist an den Mann hörig gebunden (L -| , C 0 +). II. Die Analyse der Mitte: deckt aber eine Ich-Situation auf, die den Deuter davor schützt, in der Bindung der Frau eine banale Hörigkeit anzunehmen: 1. Im Ich zeitigt sie das klassische Verdrängungsbild: Sch — 0. Was sie verdrängt, ahnen wir dank der Reaktion — s, nämlich ihre Aggression. Ob diese Vermutung richtig oder falsch ist, kann nur durch die Analyse des Hintergängers entschieden werden. 2. Ihre ethische Zensur ist intakt (+ e) ; die moralische hingegen zweifelhaft (D by). Sie exhibiert (+ hy) mit ihrer Güte (P -| ). 16

Szondi, Triebdiagnostik

241


B. Analyse des wirklieben Hintergängers, des ThKP Diese Analyse hat die Aufgabe, diejenigen Regungen in dieser Frau aufzu­ decken, welche durch das Vorder-Ich verdrängt wurden. I. Die Analyse des Randes: I. Ihr wirklicher Hintergänger ist ein Sadist (-f- j), der die Liebe unter­ drückt (— h). 2. Sie ist zwar abgetrennt vom Mann (— m), sucht aber unsicher (+ d) ein neues Objekt, da sie zweifelt, ob sie den Mann - ja sogar die reale Welt - verlassen (C —• — ) oder auf die Suche gehen soll (C -\ ). Ihre Ehebe­ ziehung ist also im Hintergrund in Frage gestellt (C A —) und trägt Züge von Sadismus gegen den Mann (S (-)• II. Die Analyse der Mitte : bekräftigt diese Annahme: 1. Sie staut nämlich Wut und Haß, Zorn, Rache, Neid und Eifersucht in sich gegen den Mann auf (P — 0) - ohne jegliche moralische Zensur (0 hy). 2. Das Ich-Bild entlarvt das wirkliche Objekt ihres vordergründigen Verdrängungsaktes: Diese Frau verdrängt die Annahme ihrer Verlassenheit und die ihrer Weiblichkeit. Daher das Verdrängungs-Ich: Sch — 0 im VGP und das der Annahme der Weiblichkeit und Verlassenheit {Sch + A) im ThKP. Es ist eine Regel der Deutungstechnik bei der Komplementmethode, daß die Objekte des im Vordergrund erscheinenden Verdrängungsprozesses stets im wirklichen Hintergänger zu suchen sind. Und weil diese Frau gezwungen ist vermutlich wegen des krankhaften Sadismus ihres Mannes - im Vordergrund die Weiblichkeit und ihre Verlassenheit zu verdrängen, stellt sie im Hintergrund ihre eigene Aggression (+ j), ihre immoralische Tötungsgesinnung {P — 0 = der Kain mit dem Syndrom des «Kain»-E: — e, — p, — ni) und ihren Wunsch, den Mann zu verlassen (C -1 im Kontaktbild: C ± —), dar. C. Konkordanspnalyse des experimentellen Komplementprofils, des EKP Konkordanzen : VGP

ThKP

EKP

+

+ b

1. + J2. — e

h

1. + s J

2. — e

3. 0 hy

3. 0 hy

4. + k

4. + k

5. ± d

5. ± d

Während also das EKP nur einmal eine Übereinstimmung mit dem Vorder­ gänger aufweist (+ h), zeitigt die Konkordanzanalyse in fünf von acht Reaktionen

242


eine totale Übereinstimmung zwischen dem ThKP und EKP. Wir folgern daraus, daß 1. der Sadismus (+ s), 2. der Kain (—• e), 3. die Immoralität (0 hy), 4. die Störung der Introjektion (in der Fähigkeit der Besitznahme des Sexualobjektes : -f- k), 5. die Ambivalenz in der Frage der Beharrung oder der Untreue (des Sich­ los-Lösens vom Mann: ± 4 bei der Frau äußerst starke Trieb- und Ich-Regungen darstellen, die - eines Tages - vielleicht doch in den Vordergrund dringen werden. Diese prognostisch wichtige Schlußfolgerung wird durch das krankhaft projizierende (— ! p) und autistische Ich (Sch -| !) im EKP bekräftigt. Die Gefahr einer Affekthandlung eines autistischen, projektiven Kains (S • f- ; P — 0 ; Sch -j !) ist sehr groß. D. Die Schicksalsgeschichte der 35jährigen Tänzerin läßt sich auf Grund der Komplementmethode wie folgt zusammenfassen : 1. Unsere Tänzerin trägt die vordergründige Maske einer sich passiv hingebenden, hörig dienenden (J -| ), sich restlos an den Mann anklammernden (C 0 +), ihre Güte (P + dz) stets zur Schau tragenden (+ hy) Partnerin. Dieses Bild ist aber ihre Maske. Darauf weist schon das Verdrängungs-Ich im VGP {Sch — 0) hin. 2. Ihre tieferliegende, durch die Verdrängung in den Hintergrund gestellte Persönlichkeitshälfte trägt die Züge einer völlig andersgesinnten Existenz. Ihre hintergründige Existenzfigur ist von einer sadistisch-kainitischen (+ s, — e) Tötungsgesinnung erfüllt, vermutlich auf Grund des Erbes und der Verlassenheit vielleicht schon von den Eltern (dz p)', sie ist moralisch haltschwach (0 hy) u nd bindungsunsicher {C dz —)• Schicksalsanalytisch müssen wir annehmen, daß die Wahl ihres perversen, sadistischen Gatten durch die Hinausverlegung dieser, in ihrem eigenen seeli­ schen Hintergrund verborgenen sadistischen Existenzfigur gelenkt wurde. Sie wählte diesen Sadisten, weil sie ja selbst eine sadistische, kainitische Existen^figur latent in sich trägt.

ist äußerst ungünstig, da ja in der Konkordanzanalyse die sadistische, kaini­ tische Gesinnung bedeutend stärker hervortritt als die vordergründige, hinge­ bende, gütige, anklammernde Existenzform, die ihr scheinbar nur als Fassade dient. F. Die gemeinsame Krankengeschichte von Fall 7 und 8 bestätigt alle Konklusionen der Testdeutung. Diese Geschichte ist an sich roman­ tisch und abenteuerlich, fast wie ein Grandguignol. Mann und Frau haben sich in einem obskuren Nachtlokal kennengelernt, wo die Frau als ausländische Tänzerin auftritt. Obzwar sie schon ein uneheliches Kind hatte, war sie bei Männern äußerst wählerisch. Der Mann aber - ihr späterer Gatte - faszinierte sie so maßlos und unwiderstehlich, daß sie schon in der ersten Nacht - ohne genau zu wissen, wer er ist - in sein Auto stieg. Sie fuhren in die finstere Umgebung der Stadt hinaus. Der Mann sprach im Auto stundenlang von

243


sadistischen Szenen, so lange, bis sie völlig machtlos wurde und ihr Bewußtsein verlor. Als sie erwachte, war sie im Auto nackt, ihr Bauch mit blutigen Wunden bedeckt. Trotzdem - oder richtiger: eben deswegen - lebte sie noch zwei Wochen mit diesem Mann, der sie nachts mit den raffiniertesten sadistischen Szenen sexuell so reizte, daß sie ohnmächtig wurde. - Dies war nun die Ouvertüre einer qual­ vollen Ehe, die aber erst nach Jahren möglich wurde, da der Mann zu jener Zeit noch verheiratet war und da der Krieg sie trennte. Kaum war aber der Krieg zu Ende, zog unsere Tänzerin Männerkleider an, marschierte waghalsig über die noch militärisch besetzten Grenzen, und unter ständiger Lebensgefahr gelang es ihr, in das «verheißene» Land zu kommen, wo ihr Geliebter lebte. Hier wurde sie sofort von der Polizei festgenommen, da sie ja keine Einreisebewilligung hatte. Auf die Briefe hin, die sie aus dem Gefängnis dem Manne schrieb, erschien end­ lich die Mutter des Mannes, der im Ausland weilte. Die Mutter nahm unsere Probandin in ihrem Haus auf, sperrte sie in ein Zimmer ein und ließ sie fast ver­ hungern. Erst als ihr Geliebter ankam, wurde sie befreit. Dann nahm sie sich ein Zimmer in der Stadt und wartete die Scheidung des Mannes von der ersten Frau ab. Dazu kam es erst vor vier Jahren. Die Ehe war aber für sie ein noch schlim­ meres Gefängnis, da sie sowohl unter dem Sadismus des Mannes wie unter der Tyrannei der Schwiegermutter leben und leiden mußte. Ihr Mann, ein 45jähriger charmanter und erfolgreicher Fabrikant, lebte immer noch unter der Knute der Mutter. Diese nahm täglich das Einkommen der Fabrikkasse nach Hause; sie mußte stets die gleichen Blumen und Geschenke bekommen wie seine Gattin, sie begleitete den Sohn sogar auf die Hochzeitsreise, logierte in dem Nebenzimmer des Paares, durchweinte so laut die Nächte, daß der Ehemann - ihr Sohn - völlig unfähig war, seine Ehepflichten zu erfüllen. Die Mutter ging auch später ausnahmslos mit ihnen ins Theater und Konzert, Heß das Paar nie allein und - falls man der Probandin Vertrauen schenken kann wollte stets dem Sohn vorher erst die Erlaubnis zu einem Beischlaf erteilen. Der Mann ist der Mutter, die als Witwe lebte, so hörig, daß er in ihrer Gegenwart nie seine Frau zu küssen wagt; alle Befehle der Mutter werden von ihm prompt und ohne Widerstand ausgeführt. Die Freunde des Mannes erzählten der Frau Gerüchte, nach denen ihr Gatte - noch kurz vor seiner Ehe - im Bett der Mutter geschlafen habe und ihr Geliebter sei. Daher - so sagte die Frau - einerseits die maßlose Hörigkeit der Mutter gegenüber, anderseits aber die sadomasochistische Beziehung ihres Mannes zu Frauen im allgemeinen. Er hatte ein Schlafzimmer wie eine Folterkammer eingerichtet, mit Folter­ werkzeugen und Kraneinrichtungen, mit deren Hilfe er die nackte Frau in die Höhe, in die Luft expedieren konnte. Dabei erklärt er ihr, sie sei seine Sklavin, er halte ihr Leben in seiner Hand. So quälte er sie mit Gruselgeschichten, die die Phantasie eines Marquis de Sades weit übersteigen. Erst, wenn die Frau der Ohn­ macht nahe war, holte er sie aus der Luft herunter. Die Frau erfuhr, daß ihr Mann zu allen Frauen, auch zu seiner ersten Gattin, in einer ähnlichen sadomasochisti­ schen perversen Beziehung stand. Die einzige Frau, bei der er nur die masochistische Rolle spielt, ist seine Mutter. Nach einer vierjährigen Ehe wurden aber beide Partner seelisch krank. Der Mann verlor in der sadomasochistischen Beziehung zur Mutter seine Arbeits­ kraft. Er wurde schlaflos und arbeitsunfähig. Die Frau erlitt im letzten Jahre

244


einen Nervenzusammenbruch, da sie die Verfolgungen durch die Schwieger­ mutter nicht weiter ertragen konnte. Auch die sadistischen „Spiele" seitens des Gatten hielt sie nicht länger aus. Dazu kam noch die unerträgliche Beziehung ihres Mannes zu der Stieftochter, die den Mann haßte und die Mutter - wie eine Heilige - anbetete. So suchten sie Rat beim Arzt. *

Die testologische Lehre des Falles ist äußerst eindrücklich: I. Bei dem Mann hat 1. der Test des Vordergängers (VGP) seine dominierenden Liebesansprüche an die Mutter aufgedeckt (F + 0), die er nur durch Entfremdung der Realität (Sch — fi:) und durch die perverse Sucht (S + 0, C 0 —) zu ersetzen vermag. 2. Der wirkliche Flintergänger (ThKP) deckte im Profil seine sadomasochi­ stische Perversion auf und auch deren Ursache, nämlich die Introjektion der eigenen sadistischen Mutter (Sch E 0). Diese Mutter-Introjektion verursachte einerseits, daß er nun die mit der Mutter erlebten sadomaso chistischen Beziehungen bei allen Frauen unbewußt und Zwangshaft wiederholen mußte, anderseits, daß er unfähig wurde, eine Frau mit dem Ich sicher in Besitz zu nehmen {Sch -)- 0 ), da ja in der Urszene, die er vermutlich ad hoc dem Ich einverleibt hatte, er selbst die Mutter - vermutlich niemals in der Form in Besitz nehmen konnte, wie er es - in der ödipalen Situa­ tion - gewünscht hatte. 3. Das experimentelle Komplementprofil (EKP) deckt endlich die Triebsituation schonungslos und unzweideutig - wie ein Detektor - auf: nämlich den über alle Maßen gesteigerten Sad ismus (S 0 + ! !) und als dessen Urheber: die Inzestbindung an die Mutter (C — ! +). Daß bei dem Mann der Sadismus nicht eine zufällige spora­ dische Erscheinung ist, sondern einen eingefleischten Wiederholungszwang dar­ stellt, beweisen die Zwangsreaktionen in der Mitte des EKP {P E 0, Sch E 0). Der Mann ist also ein perverser Sadist geworden, weil er die Mutter, die er liebte und haßte, nie mit Macht überwältigen und in Besitz nehmen konnte. Zum Kreis seines Zwangsschicksals gehört noch die Tatsache, daß die Mutter dem erwach­ senen Sohn mit Watte umhüllte Streichhölzer in den Anus gesteckt hat. Diese Manipulation deckt einerseits die männlich-sadistische Beziehung der Mutter zum Sohn, anderseits die passiv-feminine, masochistische Haltung des Sohnes gegen­ über der Mutter auf. II. Die Frau entspricht im Test ebenfalls dem seltsamen Schicksal, das sie bisher trug. 1. Die Wahl des Mannes wird im wirklichen Hintergrundprofil (ThKP) un­ widerlegbar dadurch begründet, daß diese Frau im Hintergrund eine sadistische (S 1-) Ex istenz verbirgt, welche die drei Triebmotoren des Affekt-Kains inne­ hat: [— e, — (^h) p, — ni\. Wir nennen dieses Syndrom das «Kain- oder Totschläger-E» und deuten es als Neigung zum Affektmord, nicht als Beweis einer be­ gangenen Tat. Eben diese «Affekt-Kain-Existenz» wird von ihr im Vordergrund verdrängt, denn die Gefahr einer autistisch-undisziplinierten Affekttat (EKP: P — 0, Sch !) ist bei dieser vordergründig masochistisch-hörigen Frau im Hintergrund stets vorhanden. *

245


Die Fälle 7-8 figurieren hier auch als Beispiele dafür, wie man mit dem Test zwischenmenschliche Beziehungen von Ehe-, Berufs- und Freundschaftspartnern experi­ mentell durchleuchten kann. Die zwei nachfolgenden Fälle (Nr. 9 und 10) dienen zur Demonstration dafür, wie man die Komplementmethode bei ganzen VGP-, ThKP- und EKP-Serien anwenden kann. *

Fall 9. Inflative und projektive paranoide Ich-Störung mit Erotomanie bei einem 30jährigen Mädchen Wir versuchen diesen Fall in der Reihenfolge, wie wir ihm in der Praxis be­ gegneten, darzustellen und fangen somit mit dem Bericht des behandelnden Psy­ chiaters an. Krankengeschichte: Patientin, eine Ungarin, stammt aus einer Familie, die isoliert, ohne Freunde, ohne Gesellschaft, teils in einer Großstadt, teils auf dem Lande, auf ihrem Gut lebt. Der Vater stammt aus einer vornehmen Familie, die Professoren, hohe Geistliche aufwies. Er fühlte sich durch erzwungene Berufs­ wahl - Kaufmann - degradiert: schloß sich trotz äußerer Erfolge vom Leben völlig ab. Er starb, als die Patientin 28jährig war. Die übrigen Familienmitglieder, auch der vergangenen Generation, scheinen «schwierige» Menschen zu sein. Manifeste Geisteskranke sollen angeblich in der Familie nicht gewesen sein. Die 30jährige Patientin ist infolge ihrer ersten großen Liebe mit 17 Jahren, die von den Eltern kategorisch abgelehnt wurde, erkrankt. Ihre Störungen wur­ den und werden von der Familie als Folgen ihres «schlechten Charakters» ge­ deutet. Um mit ihm fertig zu werden, wurde sie verwöhnt, häufig durch Lügen beruhigt. Das übersteigerte Gerechtigkeitsgefühl der Patientin revoltierte dagegen mit heftigen Aggressionen und Mißtrauen. In den letzten drei Jahren war sie in einer pREUDschen Psychotherapie ; nach Aussagen des behandelnden Arztes ohne Erfolg. Die Übertragung konnte nicht abgebaut werden. Als der Therapeut heiratete, wurde sie wegen ihrer Verwirrtheit und Aggressionen in eine psychia­ trische Klinik zu einer Schlaf-, Largaktil- und Phenargan-Kur gebracht. Die Patientin fühlt sich nicht geheilt. Sie leidet immer noch an starken Aggressionen (nach ihrer Aussage von Kind an), an Gewissens- und Schuldangst; vor allem an der Furcht, andere beleidigt, gekränkt zp haben. Sie ist skrupulös und queruliert {Projek­ tionen). G edanken überfluten sie ständig (Inflation), die sie nicht abwehren kann. Sie hat Bezjehungswahnideen und Halluzinationen, denen gegenüber sie unsicher ist, ob ihre Inhalte wahre oder nur halluzinierte Wirklichkeiten spiegeln. Sie ist gehemmt. Nach ihrem Bericht hat sie häufig Absencen, ohne völlig ohnmächtig zu werden. Sie ist total sexualisiert {Erotomanie). Somatisch fällt auf : leichtes Asthma und Colitis. Sie hat starke Behaarung, auch im Gesicht (leichter Bart). Nach einem Bericht des Gynäkologen haben die endokrinologischen und gynäkologischen Untersuchungen eine intakte feminine Kon­ stitution erwiesen. Zur Zeit raucht sie viel. Diesen Befund ergänzt die Patientin durch folgende Angaben: Sie habe von Kindheit an bis heute stets onaniert. Nachdem sie erfahren hatte, daß ihr Thera­ peut geheiratet hat, und sie von der Klinik auf ihr Landgut gebracht worden war, hat sie im Bett den ganzen Tag - fast ohne Unterbrechung - onaniert, bis zur

246


völligen Erschöpfung. In dieser erotomanischen Phase mit exzessiver Onanie hat sie sich im Akt auch als Mann vorgestellt und in der Phantasie lesbische Freude erlebt. Die Objekte der Halluzinationen waren: Speisen, Weihnachtsbaum, Musik; zur Zeit der Verfolgungsideen hörte sie Spotten, Lachen, im besonderen schlechtes Gerede über sich. In der Krankengeschichte spielt somit: I.Das Syndrom eines Inflationswahnes die führende Rolle. 1. Erotomanie, 2. Querulanz, 3. Umdrehung der Inflation in Verfolgungswahn. II. Daneben sehen wir Ansätze einerparoxysmalen-epileptiflormen Konstitution: 1. Asthma, 2. Absencen, 3. Aggressionen mit kainitischer Gesinnung. Die Fragen, die der Testologe hier zu beantworten hatte, waren: Ist das Mädchen in der Tat paranoid-schizophren auf einer endogenen Grundlage? Oder: wurde sie nur reaktiv geisteskrank? Abb. 19 gibt die Ergebnisse des Grundexperimentes. VGP: Tenden-^spannungstabelle der Vordergrundprofile %um Fall 9 VGP

Nr.

h

s

s

k

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H

m

by

0

±

— -H

0

+

+

+

+

0

0

6. 3. 57

I

8. 3. 57

II

9. 3. 57

III

±

+

0

+1

10. 3. 57

IV

+

±

0

0

+ Ü

11. 3. 57

V

13. 3. 57

VI

0

13. 3. 57

VII

14. 3. 57

VIII

!

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0

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0

0

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—! 0 —

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0

A. Analyse der Vordergängers, der VGP-e I. Analyse des Randes: 1. Als das extremste Sexualbild fassen wir die nur einmal gelieferte Reaktion ! auf; denn eben sie beweist, daß die Sexualbilder d"i, Jn und Sy = in diesem Fall nicht als Sublimierung, sondern als eine Unterdrückung der Sexua­ lität auszulegen sind. Die Folge dieser Unterbindung der Liebe ist die reaktive Aggression (— ! s im i"n), die sie aber gegen die eigene Person richtet. Es handelt sich also hier um eine reaktive Selbst^erstö'rung. Diese Annahme wird durch die Sukzession der Sexualbilder bestärkt. Erstens : durch die Reaktion S 0 — in den Profilen VI, VII und VIII, die auf Masochismus hinzielt. Zweitens : durch die ± sReaktion in den Profilen III und IV, die für eine sadomasochistische Neigung plä­ diert. Die Patientin, reagiert auf die Unterdrückung der Liebe mit Aggressionen LH

247


Fall 9

Alter: 3IT"

Beruf: ——

SZONDI-TEST Blatt mit zehn Triebprofilen

s 19..

P

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Copyright by Verlag Hans Hubcr, Bern und Stuttgart

Printed in Switzerland

Abb. 19 Triebprofile einer infiativen und projektiven paranoiden [Ich-Störung mit Erotomanie bei einem 30jahrigcn Mädchen (Fall 9)


sowohl gegen die Umwelt, im besonderen aber gegen sich selbst. Der Umstand, daß die Person drei Reaktionsarten im Faktor h (—, -j-, 0) zeitigt, spricht auch für ein äußerst lebhaftes und mobiles Liebesleben. 2. Die Kontaktbilder decken nun die Tiefe ihrer seelischen Störung auf. Und zwar sind unsere Wegweiser wieder die nur einmal gezeitigten Kontaktbilder: C\\ 0 0 und Cjn . Das entladene Kontaktbild weist auf eine kindliche Kon­ taktlosigkeit (C 0 0) hin, mit dem Wunsch, im Schöße der Eltern zu sitzen. Das Kontaktbild C ist ein Signal für das krankhafte Abbrechen jeglichen Kon­ taktes mit der realen Welt. Nun gesellt sich noch dazu dieQuantumSpannung in der Beharrung (— ! d, Ciy und Cyi), die prognostisch bedeutet, daß die Patientin zur Veränderung ihrer seelischen Lage nicht geneigt ist. Die Reaktionen Ciy, vi — ! 0, C\j, vu b, Cyiii — 0 decken historisch ihre inzestuöse Vaterbindung und die Übertragung dieser ausharrenden Liebe auf ihren Therapeuten auf. II. Analyse der Mitte: 1. Die nur einmal gezeitigte Affektreaktion P\ 0 8: enthüllt ihren moralischen Zweifel und ihre Neigung zum Jammern. Die dreimal gegebene Reaktion PIM, VII) VIII 0 — ist ein Indiz für die sensitive Beziehungsangst, über die der Arzt uns in seinem Bericht bereits informiert hat. Die vier Abelreaktionen Pu, m, y, vi sind Anzeichen der Gewissens-, Schuld- und Straf angst. -| 2. Die Ich-Bilder entsprechen völlig der psychiatrischen Diagnose: Inflations­ wahn. Erstens gibt sie in acht Aufnahmen ein Übermaß von 13 Quantumspan­ nungseinheiten (Besessenheit = -|- ! ^-Reaktion), eine Quantität der Inflations­ kraft, die wir in mehr als zehntausend Profilen sehr selten gesehen haben. Die Inflationsgefahr bei der Patientin wird noch gesteigert durch den Umstand, daß ihr stellungnehmendes Ich einerseits diese maßlose Besessenheit bejaht, so im Ich-Bild Sehn -1—8) anderseits - und im besonderen - dadurch, daß die realitätsprüfende Stellungnahme zeitweise völlig versagt. So in Scbm 0 + ! und Sch\\ 0 + ! !. Und noch mehr: falls sie die Besessenheit verneint, nützt ihr diese Ver­ neinung (— /Q kaum, da die Stärke der Inflation in ihr ein Übermaß erreicht (-8 ! ! !p in Schyi und vm), welches zu dämmen ihr stellungnehmendes Ich nicht imstande ist. Der Umstand, daß das p-Ich ohne Unterbrechung positiv, d. h. inflativ mit übermäßigen Quantumspannungen, das k-Ich hingegen sehr labil (—, +, 0, —) ist, beweist allein die Größe der Ich-Störung, welche sich in einem Inflations­ wahn austobt. In der «Ich-Analyse» haben wir die Phasen des Inflationswahnes in folgenden Erscheinungen festgestellt: I. Erotomanie; 2. Megalomanie (Größenwahn); 3. Querulanzwahn; 4. Religionswahn '. Dort entwickelten wir auch die Theorie, daß der Inflationswahn die zweite Phase einer ernsten Störung in der Partizipa­ tion (in dem Drang, mit dem Partner eins zu sein) darstellt und daß der Inflations­ phase zumeist eine Projektionsphase (— p) mit Beeinträchtigungs-, Verfolgungs­ und Beobachtungsideen vorausgeht2. Sowohl der psychiatrische Bericht wie die Auslegung der VGP-Serie spre­ chen für die Annahme, daß die Patientin zur Zeit der Untersuchung von einer Erotomanie besessen war. (Siehe die Auslegung der Sexual- und Kontaktbilder). 1 Ich-Analyse, S. 436ff. 2 Ich-Analyse, S. 461.

249


Die Triebgefahr der Patientin ist somit gekennzeichnet durch 1. die Erotomanie, 2. den Inflationswahn und 3. die Kontaktstörung in Form einer inzestuösen Beharrung (•C — ! 0) an beiden Eltern oder an einem Elternteil. Eben diese Störung spricht für eine reaktive, frühkindliche Fixation der Patientin, die sie dann - auf Grund der Erbanlage - erotomanisch so wohl auf Männer wie auf Frauen zu übertragen ver­ suchte. Die erotomanische Besessenheit ist ja unserer Erfahrung nach immer bisexueller Natur. Die Vordergrundprofile liefern in der Mitte das Syndrom der Schuld- und Straf­ angst, von der sich ihr inflatives Ich genau so nährt wie von der Erotomanie, welche wieder - wie in einem circulus vitiosus - die Schuld- und Strafangst in die Höhe treibt. Klassische Symptome dieser Schuld- und Strafangst liefern folgende VGP-e: Profil Nr.

e

V VI VII VIII

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0 0

by -

k

p

-

— —• —

+

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d

m

+

—! 0

— +!!! — +! ! — -(-!!!

Besessenheit von Schuld- und Straf­ angst wegen *.

+

0

der 'Inzcstlicbc

ThKP: Tendenzspannungstabelle der theoretischen Komplementprofile, des wirklichen TW/ f TbKP

P b

c

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H

±

±

+

-1-

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+

VIII

!

B. Analyse des wirklichen Hintergängers, der ThKP-e I. Analyse des Randes : 1. Die extremen Sexualbilder geben uns Auskunft über die Triebgefahren im Hintergrund. a ) An + T ! : Aggressivität bei legierter Sexualität;

250


b) Jni + 0 : infantile Sexualität, die nach H. WALDER auf irgendeine Perver­ sionsform hinweist; c) .5'vi, vil, VIII zb + : bisexuelle Liebe (dz h) mit männlicher Aggression (S b im J zh +)> d) S\\ — 0: Die Deutung dieses Sexualbildes als Sublimierungstendenz wäre hier falsch, da ja das entsprechende Ich ein infantil-paroxysmales Ausreißer-Ich ist {Sch\y zt — ! !), mit einer krankhaft gesteigerten Projektionsbereitschaft (— ! !p). Wir müssen also dieses Sexualbild als Unterdrückung der Liebe deuten (- h). Somit nützt der Patientin die hintergründige Bereitschaft zu einem normalen Sexualleben (Li, v + +) nicht viel. Ihr Sexualleben im Hintergrund ist von infantiler, aggressiver und bisexueller Natur, kurz völlig unreif. 2. Die Kontaktanalyse des wirklichen Hintergängers deckt die unlösbaren tragischen Kontaktdilemmen des 30jährigen Mädchens auf: a) Im C\\ zb zb erreicht ihr Kontaktdilemma seinen Höhepunkt. Aber in fünf von acht Kontaktbildern ist die Probandin voll Unsicherheit und Zweifeln in irgendeinem Raum des Kontakttriebes. b) Ciy, vi + ! zb nnd Uyni + zb = Krankhaftes Suchen nach einem Liebes­ objekt (+ ! ci), da die Beziehung zu ihrem bisherigen Haltobjekt (dem Thera­ peuten) unsicher wurde (zb >"), oder umgekehrt: c) Ci zb —: unsicheres Suchen (zb ci), nachdem sie getrennt wurde (— m). Hieher gehört auch das Bild U\?II H • d) Um + + : drückt die Kontaktschwierigkeiten der Patientin in einer bi­ lateralen Form aus : sie sucht ein neues Objekt (+ ci), obwohl sie noch am alten hängt (+ m). II. Analyse der Mitte: Der Hintergänger reagiert auf die erlittene Kontaktstörung mit den Eltern, dem Therapeuten und der Welt kainitisch-autistisch-undis^ipliniert,ja sogar mit einem psychotischen Übermaß an Projektionen (Bescbuldigungs- und Verfolgungsideen). Profil V VI b) III C) IV d) VII VIII

k

Deutung

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+

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a)

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+

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+

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!

der autistischc Kain mit Projektionen; der autistischc Kain mit Projektionen; der autistisch-projizicrcndc Kain will ausreißen; dasselbe mit Gewissenbissen (=b f ); der projizierende, autistischc Kain mit Gewissens­ bissen (± e).

Auf Grund der Analyse des wirklichen Hintergängers können wir mit Be­ stimmtheit feststellen, daß eben diese gefährliche E xistenzform bei der Probandin in den Vordergrund eingedrungen ist, als sie auf die Heirat ihres Therapeuten mit Aggressionen, Weglaufen, Projektionen reagierte, so daß tfian sie internieren mußte. Diese projektive, autistisch-undiszjplinierte, kainitische, paranoide Persönlichkeitshälfte gehört natürlich genau so ihrer seelischen Struktur, wie die erotomanische, besessene, inflative Existenzform, die zur Zeit der Untersuchung im Vordergrund agierte.

251


Die Gegensatz paare im Vordergrund

im Hintergrund

1. Masochismus (— ! s) 2. Inzestuöses Kleben (— ! d) 3. Sebald- und Strafangst (+ e, — by, — k, + ! p)

1. Sadismus (-|- ! s) 2. Auf-die-Suebe-Gehen (+ ! d) 3. Autistische, kainitische Undiszjplinicriheit (— e, + by, + k, — ! p) 4. Das projektive Paranoid (— ! ! !p, s -)- !)

4. Erotomanischc Besessenheit; das inßative Paranoid (+!!!/>, 5 0 —)

Diese Gegensätzlichkeiten sind nicht fiktive Deutimgskonstruktionen, sondern lebendige d. h. wirkliche Polaritäten von extremen Existenzformen, von denen die Patientin einmal die erotomanisch-inflative, ein andermal die aggressiv-kainitische, projektiv-paranoide Exi­ stenz fobt- Die beiden entgegengesetzten Schicksalsmöglichkeiten machen eben zusammen ihr paranoides Schicksal aus. Das Zusammenschauen der beiden polar entgegen­ gesetzten Persönlichkeitshälften ermöglicht somit, das tragische Schicksal der Patientin in seinen Wandlungen mit den Jahren richtig zu verstehen. Hier haben wir wieder ein Beispiel dafür, wozu eigentlich die Komplementmethode dient. EKP: Experimentelle Tendenzspannungstabelle der Komplementprofile zum Drill 9 EKP

b

p

s

Sch

C

s

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+

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0

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±

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0

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0

VIII

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0

±

0

+

0

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I II

!

±

C. Konkordanzfinaljse der experimentellen Komplementprofile, der EKP-e ab-

j,W

I. Die Übereinstimmungen der EKP-e mit den VGP-en sind fast überwiegend. Sie beziehen sich 1. auf den Masochismus (J 0—); 2. auf das Gutmachenwollen (P -\—); 3. auf den totalen Narzißmus, d. h. auf den Wunsch, alles zu haben, alles zu sein {Sch -f4. auf die Hemmungen der Inflation (Sch [- ! ! !) und 5. auf die völlige Kontaktsperre, die Isolierung (C ).

252


II. Die Übereinstimmungen der EKP-e mit den ThKP-en sind fast gleich häufig als die mit den VGP-en. Die Konkordanzen beziehen sich: 1. auf die Verneinung (S— 0) und Bejahung (S + 0) der Liebe; 2. auf die Gutmachung kainitischer Affekte (P E +)> 3. auf die ethischen Zweifel (P A 0) und 4. auf den Drang, ein neues Objekt zu suchen (C + •—). Konkordanytabelle %ttm Fall 9 VGP

ThKP

EKP

Neuorientierungen in den EKPen

Sexnalvektor: ü 0 —

S — 0 J + 0

S — 0 SO — S + 0

S- + S ± ± S ± 0

Affektvektor:

P + — (viermal)

p + P ± + P ± 0

Ich-Vektor: Sch + + Sch h! !!

p ± + P ± 0

p p p P

- - \ + + / +11 — + 0 (zweimal)

Sch + ! + Sch — + Sch Sch Sch Sch

± + —! 0 zir 0 + 0 (zweimal)

Kontaktvektor: C + —

C

C + -

C

C — ± CO — C 0 —!

III. Auffallend oft liefert die Patientin Neuorientierungen in EKP-en, d. h. Schicksalsmöglichkeiten, welche vielleicht in der Vergangenheit schon vorhanden waren und die in der Zukunft %/t erwarten sind. Diese neuen Existenzmöglichkeiten sind : 1. Aggressionen mit Unterdrückung der Zärtlichkeit (J 1-); 2. Bisexuelle Regungen (J =k =l=, d= 0); 3. Sprunghafte Umdrehungen von Panik (P — •—) in Affektflut (P -fdie einen hysteriformen, heboiden Zu g ihrer Persönlichkeit aufdecken; 4. Schuld- und Straf angst, d. h. quantitativ übermäßiges Gewissen (P -f- ! ! —); 5. Gesteigerte Habmacht (Sch + ! +, Sch +0) mit Narzißmus; 6. Versuch, die erotomanische Inflation mit Zwang zurückzuhalten (Sch ± +, rk 0 ) ; 7. Entwertung aller Werte bis %ur Selbstdestruktion (Sch — ! 0); 8. Verwahrlosung (— ! m, — m), nachdem die Anklammerung an das Objekt, an dem sie klebt (— d), unsicher geworden ist (C— i).

253


D. Die Schicksalsgeschichte des 30jährigen Mädchens kann nun auf Grund der dreidimensionalen stereo­ skopischen Analyse wie folgt dargestellt werden : Das Mädchen war über alle Maßen inzestuös an ihren Vater gebunden. Da er sich aber wegen seiner vermeintlichen Deplacierung in seinen Gram völlig ver­ graben hatte, blieb seine Tochter - trotz ihrer inzestuösen Bindung (Cyi — ! 0) - verwaist und verwahrlost, von allen Beziehungen mit der Welt abgeschnürt (VGP Cm — •—)• So wuchs sie in einer Hingabe (VGP S 0 —) auf, die schon an Masochismus grenzt (Ln !). In ihrer Isoliertheit wurde sie ein Opfer einer Erotomanie (VGP -)-!!! p), gegen die sie mit Gewissensbissen (VGP P -\ ) kämpfte. Und nun kommt die Übertragung der inzestuösen Liebe auf den Arzt, der sie behandelte. Sie wurde von der Liebe überschwemmt und erlebte zum zweiten Male in ihrer Liebe eine Enttäuschung, als der Arzt heiratete. Diese Enttäuschung (ThKP: C + —, + ±) wirkte wie ein Schock. Ihre Trieb- und Ich-Bühne drehte sich um, und plötzlich erschien auf der Bühne ihr Schatten: eine aggressive (ThKP d'il + + !) Furie, die in Wut und Haß, Neid und Eifersucht (P )-) autistisch undiszipliniert (ThKP Sch + —!!!) tobt, die Umgebung beschuldigt, sich verfolgt fühlt (ThKP — ! !! p). So wurde sie nun wegen des projektiv-paranoiden Verhaltens interniert. Kaum wurde sie aber aus der Anstalt in ihr Land­ haus zurückversetzt, verfiel sie wieder ihrem Inflationswahn (VGP: + ! ! ! p, — ! s), onanierte in ihrer Erotomanie bis zur Erschöpfung und quälte sich wieder mit ihrem Gewissen ab. Ihr Schicksal pendelte somit zwischen diesen zwei krankhaften Existenz­ formen, zwischen dem erotomanischen, masochistischen, inflativen und dem aggressiven, kainitischen, autistisch-undisziplinierten projektiven Paranoid hin und her. E. Die Schicksalsprognose ist auf Grund der experimentellen Komplementprofile sehr ungünstig. Wir müssen für die Zukunft damit rechnen, daß ihre hysteriforme (EKP: P T fiund P ), vielleicht auch erblich-hehoide Grundstruktur immer wieder sprung­ hafte Umdrehungen hervorrufen wird, vom Masochismus zur Aggression, von abelischer, religiöser Gewissenhaftigkeit zum kainitischen Autismus, von eroto­ manischer Inflation zur krankhaften Projektion, von klebriger Beharrung zur un­ treuen Sucherei und Haltlosigkeit. Mit der Zeit könnte ihre Mannstollheit (EKP : Sch + ! -f- ; S fi ; C + —) sie wieder von der Wirklichkeit «verrücken» und hernach besteht die Gefahr, daß sie die Selbstdestruktion (EKP: — ! k) in ihrem grauenhaften Alleinsein (— ! m) dadurch besiegelt, daß sie sich selbst das Leben nimmt (VGP: Cjjj , EKP: Gyn )• Fall 10 (von K. KERN und A. BEELI): Kleptomanie lOj ähriger Gymnasiast Vorgeschichte: Der Junge paßt sich seit frühester Kindheit sehr schwer an. Wenn das Thema ihn nicht interessiert, ist er konzentrationsunfähig. Auch wenn

254


Interesse vorhanden ist, ermüdet er rasch und ist stets zerstreut. Er kann körper­ liche Schmerzen - so bei Eingriffen wie Zahn- und Ohrenbehandlung - nicht er­ tragen. Litt sehr oft an Mittelohrentzündung, man mußte bei ihm bis zum 17. Lebensjahr fast monatlich eine Parazentese durchführen. Nach dem 4. bis 5. Lebensjahr war dies nur unter Gewaltanwendung möglich. Er vernachlässigt die Zahnreinigung und wehrt sich gegen Zahnbehandlung. Noch heute benimmt er sich dabei wie ein Kleinkind. Auch andere, wenn auch geringere, körperliche Schmerzen (Schuhdrücken usw.) kann er nicht ertragen. Der 19jährige Junge kann sich überhaupt nicht beherrschen. Er ist auffallend unordentlich, schmeißt abends seine Kleider einfach hin; verlegt und findet seine Sachen nicht, sucht sie auch gar nicht, empfindet kein Mangelgefühl, wenn er oft Gebrauchsgegenstände verliert. Seit Anfang der Pubertät wehrt er sich hart­ näckig gegen einfache Erziehungsmaßnahmen. Wird zynisch gegenüber kleinen Strafen. Vagabundiert und wehrt sich öfters mit naiven Lügen. Wenn er störrisch wird, spricht er halblaut %u sich selber; hat charakteristischen, störrischen Gesichtsaus­ druck, im besonderen wenn er hartnäckig wird und lügt; ist sehr unpünktlich. In die Schule kam er dennoch immer pünktlich. Er hat gar keine Ausdauer; be­ ginnt mit 13 Jahren Gitarre zu spielen, verliert nach einigen Wochen jedes Inter­ esse ; will fechten, aber nachdem man ihm den Unterricht ermöglicht hatte, hatte er kein Interesse mehr daran ; will rudern, wird im Club aufgenommen, sagt, er sei öfters dort gewesen, was sich aber als falsch herausstellt; er vagabundierte bloß. Mit 14 Jahren wünscht er sich und bekommt ein Fahrrad, freut sich zwar, hält es aber nicht in Ordnung. Obwohl er zu Sport, Lektüre und Zerstreuung Gelegen­ heit hat, langweilt er sich trotzdem. Liest lieber Gedichte als Romane, episodisch volkstümliche Naturwissenschaft. Er beschäftigt sich mit kleinen Kindern viel und auffallend gut. Bei Gesell­ schaftsspielen ist er unfähig, das Verlieren zu ertragen. Mit Mädchen verträgt er sich immer gut, hatte nie Hemmungen. Von der Volksschule her hatte er einen lahmen Freund, den er in den letzten Jahren noch öfters besuchte. Sein einziger Freund, an dem er heute noch hängt, ist sein gewesener Korrepetitor (Heil­ pädagoge, 25 Jahre alt). Er ist von jeher sanft, ohne A ggression. Hatte ein Gewehr, mißbrauchte es nie. Mit 17 Jahren lernt er leicht und mit Lust Motorradfahren und besteht die Fahrprüfung. Er fährt geschickt, beherrscht und vorsichtig. Er wünschte sich immer eine pelzgefütterte Mütze, die man über die Ohren ziehen kann (wahrscheinlich um seine empfindlichen Ohren zu schützen). In den Revo­ lutionskämpfen in Ungarn ergatterte er sich eine solche Mütze, die eines Geheim­ polizisten. Er konnte sich davon kindisch schwer trennen, trotzdem ihr Besitz zu jener Zeit sehr gefährlich war. Als Grund der Untersuchung gibt der Vater an: 1. Wegen mehrmaliger, teil­ weise größerer Diebstähle war der Junge vor Gericht; 2. er hatte noch kurz vor der Matura die Schule geschwänzt; 3. er hatte sich in Österreich herumgetrieben; 4. die Eltern haben Verdacht, daß er mit Homosexuellen zusammenkam.

.Ergdwün; dkr

l/öar des Probanden war körperlich das

schwächste unter den Geschwistern. Späte Pubertät. Schwierigkeiten in der Mit­ telschule, besonders in Humanfächern. Ist langsam, unordentlich, träge. Guter technischer Sinn. Nach dem 20. Lebensjahr gutes Fortkommen an der Universi­ tät. Interesse an allen Naturwissenschaften, wird diplomierter Ingenieur. Bis zum

255


20. bis 22. Jahre betete er den Vater an, später hatte er stets Konflikte mit ihm. Wenn Interesse vorhanden ist, ist er arbeitstüchtig, bei mangelndem Interesse ist er zur regelmäßigen Tätigkeit unfähig. Befreundet sich schwer. Vatersvater: Erfolgreicher Zahnarzt. Äußerst aktiv und vital bis zum höchsten Alter. Guter Familienvater. Phantast auf wirtschaftlichem Gebiet, leichtsinnig, verschwenderisch. Gesund. Verunglückte tödlich im 86. Lebensjahr. Vatersmutter: War eine etwas einfältig denkende Familienmutter. Phlegma­ tisch, beinahe melancholisch, liebte jedoch Äußerlichkeiten. Vorwiegender Fami­ liensinn. Sie starb mit 56 Jahren an Herzleiden. Geschwister des Vaters: 1. Halbbruder, hochintelligent, zynisch, doch besonders gutmütig, gesund, Chirurg. 2. Halbbruder, Zwilling zu Nr. 1. Sehr intelligent, viel Sinn für Humor, Zahnarzt, gesund. Starb 1944 im Nazi-KZ. 3. Schwester, besonders eitel, viel Sinn für Realität. Gesund. Starb 1944 im Nazi-KZ. 4. Bruder, seit Kindheit neurotisch, Hypochonder, sehr verwöhnt. Überdurchschnittliche Intelligenz, erstklassiger Zahnarzt, der in hemmungsloser, triebhafter Sexualität lebt. Mutter des Probanden war das zweite Kind. Schon als kleines Mädchen war sie sehr wild, aggressiv. Spielte sich als Beschützerin des Bruders auf. In der Schule: gut durchschnittlich. Vielseitige Interessen, kein Talent. Liest auffallend viel, muß über alles Bescheid wissen: lernt Sprachen, Kunstgeschichte. Ihr einziges Kind der Proband - stammt aus der zweiten Ehe. Sie überwindet die Angst vor Kin­ dern und will Kinder haben, doch bleibt der Proband das einzige Kind, weil beide Eltern wegen des Krieges und des Nazismus Angst vor der Zukunft haben. Sie ist keine zärtliche Mutter. Wurde so erlo gen, daß man Gefühle nicht geigen soll. Das ent­ spricht auch wahrscheinlich ihrer Natur. Proband war deshalb von klein auf viel stärker an den Vater gebunden. Sie ist sehr aktiv, energisch, versuchte immer alles richtig zu machen. Muttersvater: Erfolgreicher Bankier. Neigung zur Neurose, sonst gesund. Zeit­ weise heftig aufbrausend, sehr eitel, sich behauptend. Sehr guter Familienvater, er verwöhnte Frau und Kinder. Beging Selbstmord gemeinsam mit seiner Frau im 61.fahr wegen ei nes gegen ihn fälschlicherweise eingeleiteten Gerichtsverfahrens. Muttersmutter: Musterkind, beste Schülerin, pflichtbewußt und pedantisch,

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m", âb* Q/mWf. Gab viel auf äußere Formen,

ohne eitel zu sein. Streng gerechte Familienmutter, hatte zwei Kinder, liebte mehr die Tochter. Vollkommen gesund. Beging Suicid zusammen mit ihrem Gatten mit 50 Jahren. Der Entschluß dazu dürfte von ihr stammen. Zwei ihrer Brüder begingen ebenfalls Selbstmord. Bruder der Mutter: Verspätete körperliche Entwicklung. In seinen Bewegungen bis Lebensende auffallend ungeschickt, überdurchschnittlich intelligent, außer­ ordentliches Gedächtnis, besonders auf humanistischem Gebiet, großes lexika­ lisches Wissen. Hypochonder. Doktorierte in Staatsökonomie, beherrscht vier Sprachen perfekt. Beruflich bewährt er sich nirgends. Zuletzt nimmt sein Vater ihn ins Geschäft, wo er sich episodisch betätigt. Wurde im Gerichtsverfahren des Vaters ebenfalls verurteilt. Sexuelles Interesse von jeher mir für Dirnen. Heiratete - ohne es zu wissen - eine gewesene Dirne, die ihn nicht aus Liebe, sondern wegen des Geldes nahm. Er ließ sich scheiden. Obwohl er ausgeglichen schien, entschloß er sich zu einer Psychoanalyse. Er hoffte dadurch seine Mißerfolge im praktischen

256


Leben zu eliminieren. Während der Analyse ergab sich zehn Monate lang nichts besonderes. Ohne vorherige Symptome und ohne Übergang — nach einem Kinobesuch - trat anstalt gebracht. 48 Stunden später stellte ein Konsilium von Professoren fest, daß akute Schizophrenie vorlieg e. Innerhalb einer Woche starb er - 32 Jahre alt - an akuter Schizophrenie, ohne früher andere als die obenbeschriebenen Symptome gehabt zu haben. Proband hat keine Geschwister. Ein Cousin und zwei Cousinen väterlicherseits gesund. A. Analyse des Vordergängers, der VGP-e VGP

h

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0 + ± +

VGP: Tendenzspannungstabelle z11 den Vordergrundprofilen

z,um F all 10

I. Analyse des Randes : Die Stufe, auf der dieser 19jährige Gymnasiast in der Sexualenhvicklung fixiert blieb, wird durch die folgenden außergewöhnlichen Sexualbilder fest­ gestellt: 1. Am, iv, VII + 0: ist das bekannte infantile Bild, welches nach der Pubertät nach H. WALDER als ein Indiz für polymorph -perverse A nlage im besonderen bei Kriminellen auszulegen isth 2. J%x 0 ! : ist ein weiterer Anhaltspunkt zur Annahme eines perversenSadismus. 3. Die xi, vi: 0 0 -Reaktionen können als Indiz einerseits für die kindliche Sexualität, anderseits für eine relativ häufige Onanie ausgelegt werden. Neben diesen diagnostisch gewichtigen Sexualbildern weist das legierte Sexual­ bild S\[, vin, x ~\—h : auf die schon erreichte Legierung der Sexualfaktoren hin; diese Legierung wird aber nach dem Testverfahren von infantilen, polymorph1 WALDER, H.: Triebstruktur und Kr iminalität. Fall 9, S. 42. 17

Szondi, Triebdiagnostik

257


perversen, sadistischen Regungen immer wieder unterbrochen. Die Legierung im Sexualraum ist somit noch nicht «betonfest» geworden. II. Im Kontaktleben scheint zwar der Junge die seinem Alter entsprechende Reifestufe der Anklammerung an ein fremdes Objekt erreicht zu haben: £vii> vin, IX 0 +, doch wird auch diese immerfort von infantilen, inzestuös gefärbten Kontaktregungen gestört. So: a) C\\ h : ist die klassische Form einer Inzestbindung; b) Cm, vi, X =b +: heißt Inzestbindung (C — A) mit der Tendenz des Su­ chens eines neuen Objektes (+ d), da die Inzestbindung mißglückte. Dies wird durch das Kontaktbild : c) C\ 0 ± bestätigt: er lebt in einer unglücklichen 'Elternbindung und darum: à) Civ, v + 0: sucht er andere Bindungsobjekte. II. Analyse der Mitte: 1. Das Affektleben des 19jährigen Gymnasiasten ist voll von moralischen Zweifeln (A hy) : Soll er sich so zeigen, wie er im Hintergrund ist oder aber sich verbergen ? a) A vi + =l=i : zeigt die heuchlerische (A hy) Gutmachung (P -j ); b) PyIi, ix: — A: die Verbergung (—hy) seiner kainitischen groben Affekte c) P\\ -) !: ist wieder ein Zeichen seiner Verbergungstechnik (—! hy), mit Heuchelei der Gutmachung (+ e) ; d) Piv A —: deckt den ethischen Zweifler auf (A e), der sich zu verbergen sucht (— hy)\ e) Am, x — •—: beweist, daß der Junge seine kaini tischen groben Affekte (—• e) v erbirgt (— hy) ; so gerät er nun in eine panische Angst ; f) Py 0 —: legt die sensitive Beziehungsangst eines Menschen dar, der sich von den Mitmenschen beobachtet fühlt (paranoides Affektleben). 2. Die Ich-Analyse des Vordergängers bestärkt die Vermutung, daß bei dem Probanden die kriminelle Tat aus einem inneren Zwan g vollführt wurde. Wir er­ wähnten ja s chon: das moralische Zweifeln (A hy), d ie Suchzwänge (A d). Nun zeitigt er in der ichhaften Stellungnahme zu den Randproblemen eine Zwangs­ haltung (± k), die er viermal in zehn Profilen wiederholt: a) Sehn ± 0; Schiy, y Ai +. In diesem letzten Ich-Bild wird durch die Stärke der Negation (— ! k) nicht nur seine destruktive Haltung gegen sich selbst und die Gesellschaft freige­ legt, sondern es wird durch die Quantumspannung im Faktor k die Deutung des Ich-Bildes Sch Ai + in der normalen Richtung eines gut arbeitenden Ichs verun möglicht. b) SchyH A —: macht die Fluchtreaktion sichtbar, die ebenfalls durch Zwang (A k) die Projektionen auf die Eltern (— p) zurückhält. Daher das Ausreißen. Daraus schließen wir, daß seine Diebstähle %wangshaft durchgeführt wurden. Er war unfähig, gegen sie zu kämpfen. Die Benennung seiner Diebstähle als Klepto­ manie wird durch den Zwang gerechtfertigt. Die tiefste und unbewußte Begrün­ dung seiner zwangshaften Kleptomanie erblicken wir aber in der Selbstdestruktion, der Selbstsabotage. Testologische Indizien für die Richtigkeit dieser Annahme sind : a) Schi —! A : Selbstdestruktion (—! k) mit Inflation (A p)\

258


b) Sch\\j, y ±r + : Selbstdestruktion (— ! k) mit dem Drang, alles zu sein und zu haben (Seh |—-). Z*a*gj%,/ar, 2.^, 3. <&', akan&yfdûcA, und 4.d%g W dkr Äübßfoayam,* sichtbar. Und weil sein Ich diesen krankhaften Störungen unterlegen ist, wird es verständlich, warum seine Versuche der Anpassung, Schm, vin, IX, X , wie auch die der Verdrängung, Schyi— 0, ihn von der Verwahrlosung nicht zurück­ halten konnten. Betrachten wir die Mitte in ihrer Ganzheit, d. h. Vektor P und Sch zusammen, so kommt die pathologische Natur des Jünglings noch mehr zum Vorschein. Die Reaktionen der Mitte sprechen:

Profil

e

by

k

p

III X IX

1 .1 1

H- 1 1

I I I

1 1 1

1. Für die Anti- oder Asozialität (Tabelle 9, Rubrik IV) :

2.

Für

den

1 Negative, asoziale Mitte Dasselbe mit Exhibieren ( » hy)

Zwangscharakter (Rubrik

Profil

e

by

k

IV VII

±

il' + ± —

3.

Deutung

±

V) :

p

Deutung Mitte des Zwanges und Zweifeins mit Destruktion Kain, der Zweifler

Für Selbstsahotage, Selbstdestruktion aus Schuld- und Strafangst:

Profil

e

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k

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II

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±

0

Deutung Aus Schuld- und Strafangst wurde er ein Selbstzerstörer

(-14

Dasselbe mit Zwang und Lügenhaftigkeit (— I by)

Aus der Analyse des Vordergängers müssen wir somit folgende Konklusion ziehen : Erstens: der Junge ist ein asozialer Kleptomane. Zweitens : seine Diebstähle sind durch einen inneren Zwang begründet. Drittens : er muß unbewußt sich selbst, die Familie und die Umwelt mit einer kainitischen Aggression zerstören. Viertens : wir müssen noch das Symptom 0 s mit 0 d in den Profilen I und VII hervorheben, d. h. die gleichzeitige Entladung der Aggression (0 s) und des Suchens von Wertobjekten in der Welt (0 d), welches - wie auch das andere Symptom 0 e m it 0 d (Profil VIII) für Diebe charakteristisch ist. *

259


Die Analyse des Hintergängers kann nun zeigen, welche familiär angelegten und persönlich erworbenen Umstände den Jungen zu dieser Art der Selbstdestruktion ge­ zwungen haben. B. Analyse des wirklichen Hintergängers, der ThKP-e T / JKP

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VI VII

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± ±

H-

I

— ±

VIII IX X

± -I

I. Analyse des Randes: 1. Der Sexualvektor spricht eindeutig für eine hintergründige, starke bisexuelle Struktur, welche vermutlich auf einer Unreife fußt. a) i"i, Hi VI zk zk : Bisexualität mit Zweifeln; soll er männliche (S —• + ) oder weibliche Ansprüche (L -| ) hegen ? b) im, iv — zk : macht einerseits seine infantile sadomasochistische (dz s) Per­ version, anderseits die Unterbindung der Liebe und Zärtlichkeit (— h) - vermutlich auf Grund von Enttäuschungen bezüglich der Mutter - sichtbar. e ) S J X zk — !: zeigt die nämliche Ambivalenz im Sexus, nur wird hier die Ambivalenz in der Liebe (d: h), im besonderen aber die masochistische H ingabe (— ! s) betont. Wir schließen daraus, daß der Junge im Hintergrund bisexuellen, sadomaso­ chistischen und masochistischen Regungen von infantiler Natur frönt, die - falls er sie manifest zu befriedigen versucht - ihn vermutlich viel Geld kosten. Von daher könnte man den Zwang zum Stehlen wie auch den Drang, sich und die Eltern zu destruieren (— ! s, i s), verstehen. Sicher spielen somit in der Entste­ hung dieser hintergründigen Sexualstruktur neben dem Erbe auch erlebte Ent­ täuschungen eine Rolle. 2. Im Kontaktvektor: a ) Gm, vi) X 0 —: legt seine hintergründige Anlage %ur Haltlosigkeit und

JwMgW frei; 260


b) CyIi, villi IX ± —: deuten wir als die Vorphase der haltlosen Süchtigkeit, denn aus — wird zumeist C 0 —. Anderseits aber machen die ± d- und 8= tnReaktionen wieder die zwangshaft ambivalente, unsichere Art der Anklammerung und des Objektsuchens sichtbar, die dann schlußendlich zur Haltlosigkeit und Süchtigkeit führen muß, da sein Ich zu schwach ist, alle diese Dilemmen am Rande (h dz,-*" ± , d A, m A) in sich aufzunehmen und zu integrieren. II. Analyse der Mitte: 1. Der Hintergänger entlarvt seine schwere Kainnatur. Er ist mit Wut und Haß, mit Zorn und Rache, Neid und Eifersucht so geladen, daß er nur auf dem Wege eines Deliktes die groben Affekte abreagieren mag: p1

-j- ! } ^Cr ^a*n' der sich zur Schau tragen muß ;

b) A vi •— 0: Aufstauung von groben Affekten (— e) ohne moralische Zensur (04y); c) P\y 0 + 1 sind spiegelbildartige Umdrehungen im Affektleben, Avil) IX + 0 J die einerseits auf den Drang sçum Exbibieren {P\y 0 +), anderseits auf die feige Phobie eines Menschen hinweisen, der in seinem Affekt­ leben gespalten ist. d) Ajii, x H—8 : deckt sein hysteriformes Affektabreagieren auf; e) der Umstand, daß der Junge alle vier Reaktionsmodi im Faktor e im Hinter­ grund geliefert hat: —, -8, 8=) 0> b estätigt seine starke paroxysmale Affektnatur, die wir als die häufigste affektive Grundlage der Kleptomanie auffassen, welche ja bekanntlich als ein seelisches Äquivalent der körperlichen Epilepsie angesehen wird. Die epileptiforme, kaimtische Grundstruktur des Hintergängers entpuppt sich auch durch das sogenannte Totschläger- oder « Kain-E»-Syndrom der tötenden Gesinnung. Profil II, VI V

e

p

m

±

±

±

Deutung — e: Aufstauung der Kainansprüche ± P- Verlassenheit — p: Beschuldigung ± und — m: Unglücklichsein und Verlassenheit

2. Wie immer ist die Ich-Analyse ausschlaggebend für die Beurteilung des Zensursystems der Mitte. Sie entlarvt: a) dieprojektiv-paranoide Ich-Störung im Hintergrund: Schiy, y 0 —; b) die inflativ-paranoide Störung Schy\\ 0 -f- ; V die gleichzeitige projektive und inflative Ich-Störung: Sehn 0 ±, welche auch auf die hintergründige Verlassenheit und Weiblichkeit hinweist; d) das krankhaft gesteigerte autistisch-undisziplinierte Ich: Sch\ -f- ! —, welches alle Ansprüche (— p) durch Erwerbung und Haben (+ ! k) befriedigen möchte ohne die Grenzen der Realität zu achten ; e) das narzißtische, egoistische Streben nach Alles-Haben und Alles-Sein: Schiu, vin, ix, x + +•

261


Diese fünf Arten der Ich-Reaktion zwingen zu der Annahme, daß der Junge genau so wie sein mütterlicher Onkel (siehe die voraufgehende Familiengeschichte) - eine verborgene Anlage zu paranoider Schizophrenie in sich trägt. ZV; ^ & TMP-; &r figuren, d. h. die besondere Konduktornatur des Probanden aufzudecken vermögen, wird auch durch diesen Fall bekräftigt. Darum müssen wir stets die Stammbäume ??iit dem wirklichen Hintergänger vergleichen, denn dieser stammt zumeist aus dem familiären Unbewußten, in dem die zum Durchbruch marschbereiten Ahnenfiguren - quasi wie in einem Wartesaal der Ahnen auf ihren Bühnenauftritt wartend - verweilen. Noch eine Ich-Reaktion des Hintergängers muß hier ausgelegt werden, näm­ lich die: Schvi + ± : sie bedeutet die Annahme der Weiblichhit, die vom Vordergänger verdrängt wird (Sch — 0). Dieses Ich im Hintergrund muß in zwei Richtungen ge­ deutet werden. Erstens bedeutet es, daß der Junge seine eigene Weiblichkeit an­ nehmen möchte, aber sie wird vom Vordergänger verdrängt und in den Hinter­ grund gestellt. Dies entspricht völlig der Auslegung der Sexualbilder. Wir haben ja auf die bisexuelle Struktur bereits hingewiesen. Zweitens hat uns die Erfah­ rung gelehrt, daß das Ich-Bild Sch + ± im Hintergrund bei beiden Geschlechtern den verdrängten Mutterkomplex sichtbar macht. Diese Deutung wurde bei dem Jungen restlos bestätigt. *

C. Konkordanzanalyse der experimentellen Komplementprofile, der EKP-e

d

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H-

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0

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± ± ' ±

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m

0 +-. +

Tendenzspannungstabelle der experimentellen Komplementprofile zum Fall 10 Z u r Feststellung der Übereinstimmungen dient die nachfolgende Kon kördanztabelle :

262


Konkordan^tabelle %um Fall 10 Vordergänger VGP

Wirklicher Experimenteller Hintergänger Hintergänger EKP ThKP

Neuorientierungen in den E KP-en

Sexualvektor: S ± ±

S ±.±

S

i J + 0

S —1 + 1 •f i i l i"+ ± 1;^" + ± S + — •

s- +!

Affektvektor: P 0 —

P 0 —

P — ± P p P P p

0 — + ± +

+ + 0 0 +

p P p p p p

— 0 — + ± +

± + + 0 0 +

P — 0

leb- Vektor:

Sch

Sch 0 — Sch 0 Sz Sch + ±

Sch Sch .5VÄ i'c/j

0 0 4i

— it -j—

Kontaktvektor:

C+ 0 c— + c± + . C0 +

C- ± c + -

c±—

c+

C +! 0 o

c+ — c± — c± +

C —! ± C - +!

C 0 +

Die vergleichenden Untersuchungen der Übereinstimmung der drei Arten von Profilserien (VGP, ThKP, EKP) erlauben folgende Schlußfolgerungen: I. Wir müssen damit rechnen, daß der Junge zukünftig im besonderen im Sexualleben ernste Veränderungen durchmachen wird. Und zwar: 1. Die sadistischen Tendenzen können sich zukünftig gefahrdrohend auf­ stauen (— ! + !) (Neuorientierung), während die heterosexuelle Liebe gleichzeitig stark verdrängt wird (— ! h). Eine sadistisch-perverse Entwicklung ist somit pro­ gnostisch möglich, ja sogar wahrscheinlich (S — ! V ! ; J r ! ; L + ± !> Neu­ orientierung). 2. Auch bisexuelle Tendenzen (d" + ±, + ± !) mit einem sadistischen und masochistischen (S j- 4=,) Einschlag können sich künftig manifestieren. Die Prognose bezüglich seiner weiteren Sexualentwicklung ist demnach ungünstig. II. Die Übereinstimmung zwischen dem wirklichen und dem experimentellen Hintergänger ist im allgemeinen größer als die mit dem Vordergänger. Und zwar sowohl im Affekt, als auch im Ich- und im Kontaktleben. Prognostisch sind fol­ gende Konkordanzen von besonderer Bedeutung :

263


Im Affektleben: 1. die Tendenz, die Kainansprüche zu zeigen (E 0 fl-, 1-); 2. in einer Affektflut zu versinken (P + +); 3. ethische Dflemmen und Unsicher heiten zu erleben (A ± 0) ; 4. sich einer Phobie (P + 0) völlig auszuliefern. Folgende Affektreaktionen des Vordergängers in der Gegenwart sind so über­ mäßig stark, daß man sie auch in der Zukunft zu erwarten hat : 1. die paranoide, sensitive Besjehungsangst (PO —); 2. die Verbergung der kainitischen Regungen Im Ich-Leben: 1. werden zukünftig die Projektionen (Beschuldigungen, Beein­ trächtigungsideen usf.) zur Manifestation kommen, und zwar a) teils in Form der totalen Projektion (Sch 0 —); b) teils in der inflativen Projektion (Sch 0 i), die einerseits seine Verlassen­ heit, anderseits aber auch das weiblich-passive Ich in den Vordergrund stellen und somit den Jungen in die Gefahr der homosexuellen Inversion drängen könnte. c) auch Anfälle von Ausreißen (Sch ± —), die sich schon im Vordergrund wie auch im Vorleben des Jungen gemeldet haben, werden sich zukünftig wieder­ holen. Die Prognose in be^ug auf die Ich-Funktionen ist äußerst ungünstig. Eine Paranoidisierung des Krankheitsbildes ist nicht auszuschließen. Im Kontaktleben: 1. Es ist möglich, daß sich die Paradoxic seiner Beziehungen zur Familie und zu den Werten der Welt künftig steigern wird. Einerseits kann er das Suchbedürfnis nach Wertobjekten krankhaft auf die Spitze treiben (Neu­ orientierung: C + ! 0), anderseits kann sich die Beharrungstendenz in der Inzest­ bindung kräftiger denn je manifestieren (Neuorientierung: C— ! T und C 1- !). 2. Die spiegelbildartige Umdrehung von Suchen (VGP C + 0, EKP C -f 0) in restlose Anklammerung (VGP 0 +, EKP 0 +) bekräftigt die Prognose eines möglichen Spaltungspro^esses schizoformer oder beholder Natur. Dies um so mehr, als in den ThKP- und EKP-Serien auch eine andere Art von übereinstimmender Umdrehung feststellbar ist; die Reaktion C — jz (ThKP) dreht sich in C — um, d. h. die unglückliche Inzestbindung (C — ±) verwandelt sich in den Ab­ lösungsversuch mit Unsicherheit im Suchen eines neuen Haltobjektes. Als eine Zwischenphase dieses Umdrehungsvorganges fassen wir die übereinstimmenden Reaktionen VGP: C jz und EKP: -f auf, bei denen die Inzestbindung (C j-) mit einer Ambivalenz im Suchen (i d) einhergeht. Eben diese Paradoxic und Umdrehungsbereitschaft macht die Prognose im Kontaktraum ungünstig. *

D. Die Schicksalsgeschichte des 19jährigen Gymnasiasten können wir nun auf Grund der plastischen drei­ dimensionalen Analyse wie folgt nachzeichnen : I. Der Junge zeigt am Rande seines Trieblebens im Vordergrund schwere Ent­ wicklungshemmungen: 1. spiegelbildartige Umdrehungen von Liebe (S 0) in Aggressionen (70 -f- !); 2. von Inzestbindung (C h und (70 -f-) in Loslösungs­ versuche und freies Suchen von Wertobjekten (C + 0). Die Mitte im Vorder­ grund ist asozial (— e, — hy, •—• k, — p), stark destruktiv (•— ! k) und %wangshaft (± k) versteift. Seine Zwänge sind Diebdelikte (0 s, 0 d oder 0 e, 0 d).

264


II. Im Hintergrund steht eine bisexuelle, sadistische und masochistische Figur, die sich von den gehaßten Eltern loslösen will (— ni), aber nach der Befreiung ambi­ valent und unsicher im Suchen neuer Objekte wird. Diese hintergründige Figur bedroht das Schicksal des Jungen fast noch mehr als der Vordergänger. Denn diese Ahnenfigur t rägt das Schicksal eines autistischen (Seh -f- ! —), projektiven (Sch 0 —) und inflativen (Sch 0 +) Paranoids, der in seiner narzißtischen Affektion (depressive Schizophrenie oder läppische Hebephrenie) Alles sein und Alles haben möchte. Bei der Zusammenschau des Vordergängers mit dem wirklichen Hintergänger kann man die Vermutung schwer loswerden, daß der Jüngling das zwangshafte Schicksal seines mütterlichen Onkels wiederholen muß, der nach einer Haft, we­ gen unerlaubter Devisenmanipulationen, plötzlich paranoid schizophren wurde. Eine andere Zwangsschicksalsmöglichkeit ist für den Jungen die Selbstzerstörung, der Selbstmord (VGPj: Sch —! -)-, ThKPiv, v 0 k, •—p, — d, i m)> a lso die zwangshafte Wiederholung des Schicksals des mütterlichen Großvaters und der Großmutter, die sich beide das Leben nahmen. III. Die Konkordanzanalyse hat in allen vier Gebieten des Trieb- und Ich-Lebens eine maximal ungünstige Prognose aufgedeckt. Diese ungünstige Prognose wird im besonderen durch zwei Umstände seiner seelischen Struktur begründet: Erstens wäre eine Umdrehung der Persönlichkeit noch ungünstiger als der jetzige Zustand. Sein wirklicher Hintergänger ist ja ein paranoid-inflativer, autistischer Schizophrener. Darum kann bei ihm keine der üblichen Umdrehungstherapien (wie z. B. Insulin-, Elektroschock- oder Psychoschocktherapie) in Präge kommen. Zweitens hat die einzig mögliche Therapie, die Integrationstherapie, bei dem Jun­ gen gar keine Chance, da seine Mitte im VGP negativ, d . h. asozial, im ThKP eine kainitische, autistische, im EKP ebenfalls eher eine paroxysmale, kainitische, zwangshaft ausreißende Porm darstellt. Unsere Prognose muß somit äußerst schlecht ausfallen. Als Rettungsversuch haben wir den Eltern eine psychoanalytische Nacherziehung und eine völlige Neugestal­ tung des Familiennestes empfohlen. Ob aber das Urvertrauen zu den Eltern bei dem Jungen noch wiederherstellbar ist, bezweifeln wir. *

In der Triebpathologie Band I (Triebanalyse) kann die Auslegung der Fälle Nr. 12-15 (S. 209ff.), in Band II (Ich-Analyse) die der Fälle Nr. 1 (S. 84ff.) und Nr. 49 (S. 380ff.) dem Leser weitere Beispiele zur Anwendung der Komplement­ methode geben. Abschnitt VIII

DIE QUANTITATIVEN DEUTUNGSMETHODEN Ein gemeinsamer Zug der vorausgehend behandelten qualitativen Methoden ist der, daß der Testdeuter die Ergebnisse der Wahiprofile vor allem auf Grund von tiefenpsychologischen Kenntnissen und Überlegungen quasi kombinatorisch aus­ legen und die dynamischen Geschehnisse im Trieb- und Ich-Leben des Probanden durch Einfühlung beurteilen muß. Je verläßlicher also die tiefenpsychologische

265


Denkart und je stärker die Einfühlungskraft des Psychologen in die Wahlprozesse ist, um so größer sind auch seine Chancen, daß er die unsichtbaren Vorgänge in der Seele seiner Versuchspersonen auf Grund des Testes richtig auszulegen vermag. Seine Deutungsarbeit ist somit mit der der psychoanalytischen Tätigkeit eines Therapeuten vergleichbar. Fehlt aber dem Testdeuter diese besondere tiefen­ psychologische Denkweise und die dazu gehörende Einfühlungskraft, so kann er in der Testdeutung des öfteren versagen. Daß diese Versager ihr persönliches Ver­ sagen auf das Testverfahren abschieben, ist eine sehr menschliche Reaktion bei nichtanalysierten Psychologen, für die man Verständnis und Toleranz aufbringen muß. Man kann ja nicht das «Analysiertsein» von jedem praktischen Psychologen als conditio sine qua non des Testens verlangen. Deshalb war die Notwendigkeit von Anfang an gegeben, das Testdeuten - obvpvar es im Prinzip rein tiefenpsjchologisch aufgebaut wurde - dennoch auch für nichtanalysierte Psychologen anwendbar zu machen. Eine rein bewußtseinspsychologische Auslegung der Profile kam nie in Frage, da ja d ie Struktur des Testes von tiefenpsychologischer Natur ist. Aus dieser Notwendigkeit entstanden die sogenannten quantitativen Deutungs­ methoden, die auf empirischer Basis fußen, und bei denen die leicht zusammenzähl­ baren Quanten bestimmter Wahlakte auf Grund der Erfahrungen die Deutung den­ noch ermöglichen. Erwähnenswert sind die folgenden Versuche:

SUSAN DÉRI, M. ACHTNICH, J. UNGRICHT und U. MOSER ve rsuchten für die Anwendung des Testes in der Berufsberatung eine sogenanntc Quantenverrechnung auszuarbeiten, bei der für jeden Triebfaktor und Triebvektor die Summe der posi­ tiv und negativ gewählten Bilder einfach zusammengezählt wird. Derjenige Faktor bzw. Vektor, auf den in einer Serie die meisten Wahlen - unabhängig von der Wahlrichtung - fallen, soll im Wahlleben der Person, im besonderen in den Berufs­ wünschen, eine besondere Rolle spielen. Da diese Berechnungsmethode - trotz Hunderten von vorliegenden Anwendungen - bisher noch nicht zum Abschluß gekommen ist, müssen wir auf ihre genauere Erörterung derzeit verzichten. Damit möchten wir aber die Zukunft dieser einfachen Quantenberechnungen in der Berufsberatung nicht in Frage stellen. Wir müssen aber die ausführliche Publika­ tion vorerst abwarten.

II. Die Inkonstan^jnethode Diese Methode meines frühverstorbenen Mitarbeiters, des ungarischen Psychiaters GEORG B ÖSZÖRMENYI, w urde 1939-1940 unter meiner Leitung aus­ gearbeitet und hat zur Aufgabe, den G rad der Veränderlichkeit, der Inkonstanz, bei den einzelnen Faktorreaktionen im Test zßMenmäßig a uszudrücken. Die Arbeit erschien posthum 1953 in den Szondiana I1. Wir empfehlen dem Leser dort nach­ zulesen. Hier sei nur auf die wichtigen Anwendungsgebiete der Inkonstanz­ methode hingewiesen : 'BÖSZÖRMENYI, G.: Bestimmung der faktoriellcn Schwankungen im SzoNDi-Test. Szondiana I. Huber, Bern und Stuttgart, 1953. 5. 199-210.

266


1. Sie stellt diefaktorielle Veränderlichkeit ira. Zeitablauf an denSerienaufnahmen einer Person fest. Je höher die Inkonstanzziffern von mehreren Faktoren bei einer Person ausfallen, um so größer ist der Verdacht auf Präpsychose oder Psychose. Die veränderlichsten, d. h. inkonstantesten Faktoren avisieren die Art der mani­ festen Symptombildungen. 2. Die besondere Natur der unveränderlichen Reaktion der «konstanten» Faktoren, soll - nach G. BÖSZÖRMENYI - auf die spezielle Art der seelischen E rkrankung hin­ weisen. Wenn z. B. in der Rangreihe der Inkonstanzziffern die der Faktorenp und h die kleinsten sind, wenn also diese zwei Faktoren die relativ konstantesten Reaktio­ nen zeitigen, so soll dies auf eine Dominanz der paranoiden (p) und homosexuellen (h) Triebstruktur im Schicksal der Person hinweisen. G. BÖSZÖRMENYI dehnt seine Methode auch auf Gruppenuntersuchungen von homogenen Erkrankungen aus und teilt auch die Berechnungstechnik der Ver­ änderlichkeit der einzelnen Faktoren bei Gruppen mit. Wegen der Umständlichkeit des Verfahrens wird die Inkonstanzmethode in der Diagnostik kaum gebraucht. Ihre Anwendung sollte unseres Erachtens aber überall dort in Frage kommen, wo das Inkonstanz-, bzw. Konstanzproblem im Zentrum einer wissenschaftlichen Forschung steht.

Kapitel XX

DIE LINNÄUSMETHODE Von allen quantitativen Deutungsmethoden hat sich die von mir 1942 publi­ zierte Linnäusmethode am meisten bewährt1. Als Leitmotiv der Linnäusmethode diente uns die bekannte Aussage FREUDS: «Das Symptom sei Anzeichen und Ersatz einer unterbliebenen Triebbefriedigung, ein Erfolg des Verdrängungs­ vorganges 2. » Auf Grund dieser Aussage stellten wir die Frage : Welche Reaktionsarten im Test entsprechen den Symptomen und welche den unter­ drückten und somit unterbliebenen Triebbefriedigungen ? So entstand die Idee der Triebformel.

1. Die Triebformel Auf Grund der obigen Fragestellung können wir je nach der psychodiagnostischen Bedeutung yvei Gruppen der Faktoren unterscheiden : 1. sy?nptomatiscbe, 2. charakterbestimmende, bzw. krankmachende Triebfaktoren. Symptomatische oder kurz Symptomfaktoren sind jene, auf deren Photos die Vp ambivalente oder AV/reaktionen abgibt. Die ständig, oder fast ständig ambivalenten Reaktionen zeigen uns im Triebbereich eines Faktors die inneren, subjektiven Symptome auf; die Vp ist sich ihrer Ambivalenz gegenüber einem Triebbedürfnis 1 SZONDI, L. : Die Bestimmung des Menschen im empirischen System der Triebe. Der Trieblinnäus. (Ungarisch.) Hochschulvorlesungen, Budapest, 1942. Deutsch erschienen in der I. Auflage dieses Buches, 1947. Huber, Bern. 2 FREUD, S.: Ges. Sehr. XI. S. 28.

267


bewußt geworden, aber das Symptom kann noch nicht nach außen hin in Er­ scheinung treten, sich objektivieren. Die äußeren, objektiven S ymptome hingegen werden durch die 7V»//reaktionen gekennzeichnet, bei denen das kritische Bedürf­ nis in irgendeiner Form nativ, d. b. in genotypischer Form oder auf einem Umwe­ ge, also operotropistisch in Erscheinung tritt und so objektiv diagnostizierbar wird h Die ständig oder fast ständig ambivalenten und Nullreaktionen ermöglichen es uns, diejenigen Triebfaktoren zu bestimmen, die das subjektive und objektive Erscheinungsbild des Charakters, bzw. einer Krankheit darstellen. Diese Fak­ toren nennen wir «symptomatische» Faktoren. Die symptomatischen Faktoren ver­ raten aber nichts oder fast nichts über die unbewußten Triebprozesse, die eigent­ lich die Symptome verursachen. Die charakterbestimmenden, bzw. die krankmachenden Faktoren, die Kon­ duktor- oder Wurzelfaktoren, werden im Experiment durch die ständig oder fast ständig positiven und negativen Reaktionen gemeinsam diagnostiziert. Die stän­ dig positiven und ständig negativen Reaktionen repräsentieren nämlich die unbefriedigten Bedürfnisse und die Konduktornatur der Person. Ein Bedürfnis ist unbefriedigt: 1. Wenn äußere Mächte die Befriedigung nicht erlauben, das Ich selbst aber den Triebanspruch bejaht; dies ist der Fall bei den positiven Reaktionen. 2. Wenn das Ich selbst das Bedürfnis verneint; dies wird durch die ständig negativen R eaktionen diagnostiziert. 3. Wenn das Quantum eines Bedürfnisses zu groß ist; das ist z. B. der Fall bei manischen Kranken, die das ihnen innewohnende, quantitativ zu große sadi­ stische Bedürfnis nicht befriedigen können, obwohl das Ich diesen Anspruch bejaht. (Die ständig positive Reaktion s ist ein wichtiges Merkmal in dem experi­ mentellen Syndrom der Manie.) Wir müssen hier betonen: Erstens, daß die negative Reaktion nicht immer auf Verdrängung eines Triebanspruches zurückzuführen ist. Sie kann auch ein Anzeichen für Verzicht und Anpassung an die Umwelt sein. Zweitens : nicht nur die negativen, sondern auch die ständig positiven Reak­ tionen kündigen das Unbefriedigtsein des kritischen Bedürfnisses an, d. h. ein Bedürfnis kann trotz der Bejahung des Ichs auch ohne Verdrängung unbefriedigt sein. Wenn wir also nach Durchführung einer Serienuntersuchung bei jedem ein­ zelnen Triebfaktor die Summe der Null- und ambivalenten Reaktionen bestim­ men, dann bekommen wir eine Größe, mit Hilfe deren wir die symptomatischen Faktoren von den Wurzelfaktoren leicht absondern können. ZV, Jamwf abr dmWwüWw W AW/rW/Maw *mur ab« GW abr Vwawwg abr 6g/r#wb» Fiat/orr Unter Tendenzspannung (Tsp) verstehen wir diejenige Triebspannung, die durch die genetisch doppelgerichteten Tendenzen desselben Bedürfnisses zustande kommt. Die symptomatischen Faktoren beinhalten den höchsten, die Wurzelfaktoren hin­ gegen den niedrigsten G rad der Tendenzspannung (TspG). Wir müssen noch kurz bei dem Begriff Tendenzspannung verweilen. Die schicksalsanalytische Trieblehre nimmt bekanntlich an, daß in jedem ein­ zelnen Triebbedürfnis eigentlich zumeist einander polar entgegengesetzte Triebstrebungen um ihre Manifestation kämpfen. Jedes Bedürfnis ist - wie es 1 Genotypisch: dem angelegten, nativen Erbbild entsprechend. Operotropistisch: in einer Werktätig­ keit sozialisiert; z. B. in einem Beruf. (Vgl. hiezu: «Schicksalsanalyse», B. Schwabe, Basel, S. 81 ff. und 275 ff.)

268


Wahlreaktionen : I

II

III

A. SymptomFaktoren

IV

unbefriedigte Bedürfnisse = B. Wur^tloder Konduktor-Faktoren

Schema 2. Schema der Symptom- und Wurzelfaktoren

bereits erörtert wurde - von einer Doppelanlage, also von einem Genpaar be­ dingt; es ist also auf zwei Strebungsanlagen aufgebaut, von denen die eine Stre­ bung von mütterlicher, die andere von väterlicher Seite stammt. Die zwei Stre­ bungen, die mütterbche und väterliche, wirken zumeist in polar entgegengesetz­ ten Richtungen. Die eine z. B. in der Richtung: Sadismus-Aggression-Aktivität, die andere hingegen in der Richtung: Masochismus-Wendung gegen die eigene Person-Passivität. Die beiden einander polar entgegengesetzten Strebungen stecken hinter dem Faktor j. Dieser Kampf der in vei entgegengesetzten Richtungen wirkenden Strebungen verursacht demnach die Tendenzspannung in jedem Bedürfnis bei jedem Triebfaktor. Sehr deutlich kommt die Tendenzspannung zum Vorschein bei den doppelgerichteten, ambivalenten Reaktionen. Wir nehmen an, daß die ambi­ valente Reaktionsform der Urform aller Triebbedürfnisse entspricht. Diese Annahme wird experimentell dadurch gerechtfertigt, daß auch bei den positiven Wahl­ reaktionen sehr oft wenigstens eine negative, bei den negativen hingegen wenig­ stens eine positive Wahlhandlung in Erscheinung tritt («Remanenz der Opposi\ v n • , . + 3 +1 T 2 T 1. tion»). Zum Ueispiel : 13 12 In den meisten Fällen ist aber der Prüfling nicht imstande, diese Tendenz­ spannung auf die Dauer aufrechtzuerhalten. Die entgegengesetzten Strebungen paralysieren einander, und in diesem Moment entlädt sich das Bedürfnis. Im Experiment wird die Entladung durch die Nullreaktion gekennzeichnet. Darum nennen wir die Null- oder Entladungsreaktion auch ^/-ambivalente Reaktion.

+1

Die postambivalente Natur der Nullreaktionen entpuppt sich oft in der Form —^. Dieser Umstand rechtfertigt aber unser Verfahren, nach welchem wir den Grad der Tendenzspannung nicht bloß mit der Summe der ambivalenten, sondern mit der Summe der ambivalenten und der postambivalenten, also der Nullreaktio­ nen, messen. *

Haben wir nun den Grad der Tendenzspannung für die einzelnen Triebfakto­ ren bestimmt, dann können wir die acht Tendenzspannungsgrade (TspG) nach

269


ihrer Stärke in einer Reihe aufstellen. Auf Grund dieser Reihe der TspG ist es leicht, die symptomatischen Faktoren von den Wurzelfaktoren zu unterscheiden. Die Reihenfolge der Tendenzspannungsgrade ermöglicht uns, die aktuelle Triebformel der Vp aufzustellen. Die Triebformel ist eine «Bruchformely>; an der Stelle des Zählers stehen die Leitbuchstaben der symptomatischen, am Ort des Nenners die der Wur^elfaktoren. Neben dieser einfachen, abgekürzten Form, die nur zur raschen Orientierung dient, bedienen wir uns zumeist der vollständigen Form der Triebformel. Die vollständige Triebformel ist eine mehrfache Bruchformel, in der wir in der ersten Linie die Leitbuchstaben derjenigen zwei oder drei symptomatischen Fak­ toren eintragen, deren Tendenzspannungsgrade die größten sind. In der mittleren Linie tragen wir die Leitbuchstaben jener Faktoren ein, deren TspG eine mittlere Stärke aufzeigen. Diese sind die snbmanifesten, bzw. sublatenten Faktoren, die mei­ stens das Thema des Interesses bedingen. In letzter (dritter) Linie kommen die Leitbuchstaben derjenigen Faktoren, deren TspG die schwächsten waren, d. h. die Wurzelfaktoren. Man schreibt diejenigen Faktoren in die selbe Linie der Triebformel, bei denen die Differenz der TspG-« nicht größer als 2 ist. Analyse eines Falles zur Triebfornieldeutung Im folgenden wollen wir an einem Beispiel die Technik der Aufstellung und Analyse der Triebformel demonstrieren.

Pr ofil

p

S Datum

h

I

1939 5. 7.

II

10. 7.

III

14. 10.

IV

28. 10.

V

15. 12.

VI

1942 14. 4.

VII

16. 4.

VIII

s

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e

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3

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2

2

4

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3

2

5

16. 4.

±

0

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+

+

0

2

1

3

IX

18. 4.

0

+

+

±

0

0

3

1

4

X

18. 4.

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0

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0

3

1

4

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£

0

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1

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5

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19

£

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2

1

0

1

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0

4

12

Faktorieller TspG

2

1

4

2

5

4

5

8

31

270


Fall 11 :Die Vp ist eine 30jährige Apothekerin. Zwischen der Aufnahme der ersten und zweiten fünf Triebprofile vergingen drei Jahre. Rangreihe der Tenden^spannungsgrade %um Fall 11 Reihenfolge:

I

II

III

IV

V

VI

VII

Faktoren :

m

d.

k

P

e

by

h

Faktorieller Tendenz­ spannungsgrad, TspG:

8

5

5

4

4

2

2

1

0

0

±

0

±

±

+

+ .

+

-'(+)

—1

—1

Symptomatische Reaktionen:

± 4

Andersartige und Wurzelreaktionen :

H

o 4

0 1

±. 1

+ (-)

VIII s

Auf Grund dieser Reihentabelle können wir leicht die abgekürzte und die vollständige Triebformel aufstellen. Die abgekürzte Triebformel

Die vollständige Triebformel ±0 mt

" + 0 di

+ 0 ki

+ ± . Pi

+

—'

Ifft

h

Symptomatiseber Leitfaktor — 0_ Submanifeste ei Faktoren — 11 s1

Krankmachende iF»r%«/faktoren und Konduktor­ faktoren

Versuchen wir, klinisch und triebpsychologisch, die beiden Triebformeln zu analysieren. In der abgekürzten Triebformel steht der Faktor m allein als symptomatischer Faktor. Die Vp muß also hypomanische C harakterzüge, bzw. manische K rankheits­ symptome aufweisen. Was ist die Ursache der manischen Symptome? Die Ant­ wort gibt uns der in der abgekürzten Formel alleinstehende Wurzelfaktor, der Faktor s. Das bedeutet, daß hinter der Manie eigentlich das unbefriedigte sadi­ stische Bedürfnis steckt; dieses Bedürfnis kann sich aber im Unbewußten der Patientin auch als der Anspruch : Mann-zu-sein verstecken. Nun wollen wir den Versuch machen, die vollständige Triebformel zu analy­ sieren. Als symptomatischer Faktor steht natürlich auch in der vollständigen Trieb­ formel der Faktor m. Dies bedeutet, wie gesagt, daß im klinischen Erscheinungs­ bild der Patientin hypomanische psychotische oder zykloide neurotische Sym­ ptome die führende Rolle einnehmen. Wir müssen aber auch an die paroxysmal auftretenden Äquivalente der Manie denken, also an Suchterscheinungen, ins­ besondere an Narkomanie, Alkoholsucht, Dipsomanie, Nymphomanie, ferner an Hochstapelei, eventuell an Schuldenmacherei. Der Umstand, daß der paroxys271


male Faktor e submanifest ist, ist ein Avis darauf, daß die manischen Erschei­ nungen bei der Patientin anfallsattig auftreten, daß also die Natur der Manie einen paroxysmalen Charakter aufzeigen muß. Das heißt: die Patientin mußte oft Wut-, Zorn-, Haß-, eventuell Rachsuchtanfälle haben, und zwar dann, als sie e = 0 Reaktionen zeigte. (Vgl. Triebprofile Nr. VII, VIII, IX und X.) *

Nun wollen wir unser Interesse auf die Analyse der submanifesten Faktoren lenken. Diese sind : d, k,p und e. Auf die Bilder des Faktors d gab die Patientin fünfmal eine Null- und ebenfalls fünfmal eine positive Reaktion ab. Auffallend war, daß sie in der ersten Hälfte der Serie (Profile I-V) ständig eine positive, in der zweiten Hälfte hingegen ständig eine Nullreaktion abgab. Die ständig positive Reaktion in der ersten Halbserie ist ein Hinweis darauf, daß die Vp in dieser Periode submanifest depressiv w ar, d. h. sie hatte unmittelbar vor ihrem aktuellen manischen Zustand eine Depression. Die Tatsache, daß im Triebprofil der Vp der Faktor m der Symptomfaktor, der Faktor d der wirksamste submanifeste, d. h. der stärkste ^symptomatische Faktor ist, weist darauf hin, daß die Patientin kurz vor den Untersuchungen eine Depression durchlebte und zur Zeit der Profilaufnahme manisch wurde. Die Manie ist bei ihr folglich eine Reaktion auf die Depression. Die Depression mußte bei ihr nach Verlust des Urobjektes auftreten. Die zwei folgenden submanifesten Faktoren sind : der Faktor k und p. Auf die /è-Bilder gab die Vp fünfmal eine Nullreaktion und fünfmal eine positive. Auf die ^-Bilder zeitigte sie viermal ambivalente und sechsmal positive Reaktionen. Die submanifesten k- und ^-Reaktionen beweisen, daß die Patientin vor der maniformen Reaktion eine schizoforme Ich-Veränderung aufwies, und zwar teils autistisch-narzißtische, teils inflativ-projektive Störungen. Die üblichsten autistischen Symptome sind: Hypochondrie, konversive Hysterie, schizoide Neurosen mit Verschlossenheit, Apathie und Arbeitsunfähigkeit. Der submanifeste Faktorp läßt darauf schließen, daß die Patientin vor ihrer Manie mit Verfolgungsideen kämpfte oder sich in Größenwahnideen verlor. Der submanifeste Faktor e äu ßerte sich in viermaligen Nullreaktionen und war fünfmal negativ und nur einmal positiv. Merkwürdigerweise fallen alle vier Null­ reaktionen in die zweite Phase der Untersuchungen. Ein Hinweis darauf, daß bei ihr Wutanfälle hauptsächlich in der zweiten Phase ihrer Krankheit vorkamen. Hingegen waren in der ersten Phase die rohen Affekte im Stauungsstadium. *

Wir wollen nun zur Analyse der IFV^/faktoren übergehen. Die latenten, unsichtbaren, krankmachenden Faktoren sind bei der Patientin die Faktoren hy, h und s. Aus dem niedrigen Grad der Tendenzspannung: 2, 2, 1 dürfen wir den Schluß ziehen, daß das Bedürfnis zum «Exhibieren» (by), zur Zärtlichkeit, bzw. Homosexualität (h), insbesondere aber der Drang, Mann zu sein (.r), im Unbewußten als die dynamischsten und unbefriedigtsten Trieb­ ansprüche wirken. Auf die Bilder des Faktors try gab die Patientin siebenmal eine positive Reak­ tion. Dies bedeutet, daß ihr Ich das Bedürfnis, sich zur Schau zu tragen, beinahe

272


ständig bejaht, sie aber ihre exhibitionistischen Ansprüche dennoch nicht befrie­ digen kann. Auf die Bilder der Hermaphroditen, bzw. der Homosexuellen gab die Vp acht­ mal eine negative Reaktion. Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit, bzw. Homosexualität ist bei der Patientin also in hohem Maße unbefriedigt. Die Reaktion ist gleich­ zeitig ein Avis darauf, daß die Vp kulturell hoch steht. Der Umstand aber, daß sie zweimal S = ± —, einmal S = — i als vektorielle Reaktionen gab (vgl. Profile IV, VI und VIII), weist darauf hin, daß die Patientin ihre bisexuellen Be­ dürfnisse mit Zwangsmechanismen zu sozialisieren versuchte, was ihr aber nicht völlig gelang. Die Annahme, daß sie bisexuelle, bzw. homosexuelleTriebansprüche unterdrückt, wird noch durch die viermal ambivalente ^»-Reaktion bekräftigt. Ihre bisexuelle Triebstruktur enthüllt sich klar in dem Triebprofil Nr. VI, wo sie das bekannte Syndrom Bisexueller gab: —s; — by\ ±p. Die vektorieüen Reaktionen Sch 0 (vgl. die Triebprofile Nr. III, VI) und C 0 0 (vgl. die Triebprofile Nr. IX, X) bekräftigen obige Annahme. Der stärkste Wurzelfaktor der Patientin ist der Faktor s. Sie gab neunmal wäh­ rend der zehn Profilaufnahmen negative r-Reaktionen. Die Quantumsspannung des Faktors s ist auffallend groß ; sie gab fünfmal auf die Mörderbilder s — •— 4 und zweimal s = — 5 Reaktion. Die negative Reaktion des Faktors s in einer so starken Quantumsspannung macht eine gefahrliche Triebsituation sichtbar: 1. sie deckt in weiblichen Fällen den enorm großen, unbefriedigten Anspruch, Mann zu sein, auf, 2. sie kann die nahende Ich-Veränderung aufzeigen, besonders wenn die Vp Sch 0 — oder Sch 0 0 oder Sch = 04 Ich-Reaktionen gibt neben I + — Reaktionen. Unsere Patientin zeitigte niemals eine positive ^-Reaktion. Dieser Umstand spricht gegen die Annahme, daß sie eine reine, vollständige Repräsentantin der paranoiden Schizophrenie ist, aber wir müssen dennoch an­ nehmen, daß sich hinter dem sichtbaren manischen Mantel doch eine paranoid­ homosexuelle Triebstruktur verbirgt. Die Manie ist nur ein leicht zu beschreiten­ der Notausgang, aber hinter der Türe lauern schon paranoid-homosexuelle An­ sprüche auf ihr Debüt. Zuletzt müssen wir die Frage beantworten: Ist die Vp nun eigentlich gesund oder triebkrank? Handelt es sich um eine Krankheit, so bleibt offen: ist sie neurotisch, psychotisch oder kriminell? Wenn man die Reaktionen des Vektors S überprüft, entsteht der Eindruck, als ob die Patientin kulturell hoch stünde. Das tut sie auch. Aber es sind Symptome vorhanden, die doch für eine Krankheit spre­ chen. Diese sind: 1. die enorm hohe Quantumsspannung auf den Gebieten der Faktoren s und h, 2. die enorm hohe Tendenzspannung des Leitfaktors m, 3. die gehäuften Nullreaktionen bei den submanifesten Faktoren d, k,p und e, 4. die infan­ tile vektorielle Reaktion C 0 0 bei einer 30jährigen Patientin. Sie ist demnach eine kulturell hochstehende Kranke. Wir müssen in diesem Falle eine paranoid-homosexuelle Triebstruktur annehmen, die sich aber zur Zeit der Untersuchungen hinter einer hypomanischen Neurose versteckte. *

Auf Grund der Triebformel müssen wir den Prozeß, den Erkrankungsmecha­ nismus und die Diagnose wie folgt klarlegen: 1. Unsere 30jährige Apothekerin erkrankte, weil es ihr nicht gelungen ist, ihre 18

Szondi, Triebdiagnostik

.273


unbewußten und unbefriedigten bisexuellen Triebansprüche irgendwie zu soziali­ sieren. Ihr unbewußtes, aber enorm dynamisches Bedürfnis, Mann zu sein, ferner ihr Drang zum Exhibitionismus machen sie krank, also die Wurzelfaktoren s, h, hj. 2. Aus dem Triebwirbel dieser drei dynamisch unbewußten Bedürfnisse ver­ sucht die Patientin durch die Ventile der Depression, der paranoiden Ich-Ver­ änderung, der autistischen Hypochondrie, der paroxysmalen Wutanfälle zu ent­ kommen (submanifeste Faktoren : d, k, p, e). 3. Diese Ventile sichern aber der Patientin nur eine vorübergehende, tempo­ räre Flucht und lösen ihre tiefliegenden Triebprobleme nicht. Sie wird sich dessen bewußt, daß sie das verlorene Objekt nicht mehr finden kann. In der Phase dieses Bewußtwerdens wird sie hypomanisch, dann verliert sie die gesunde Einstellung zu den Wertobjekten der Welt, überspringt die Schranken der Ethik und benimmt sich wie jener Sterbende, der die Werte des Lebens mit dem Maßstab des ZumTode-Bereiten mißt. Sie wird aber trotzdem nicht psychotisch, sie behält auch in ). der manischen Phase ständig die «Kulturbremse» (vgl. die Reaktionen S *

Wir wollen nun die Resultate der Triebformelanalyse mit der Anamnese, mit den klinischen Beobachtungen und endlich mit den Ergebnissen der Familien­ forschungen vergleichen. Der Leitfaktor der Triebformel ist der Faktor m. Wir zogen den Schluß, daß im Krankheitsbild der Patientin Hypomanie, eventuell Suchtsymptome, wie Nar­ komanie, Dipsomanie, vielleicht Nymphomanie oder Hochstapelei, anzunehmen sind. Die ersten fünf Triebprofile wurden an der Patientin 1939 in einer psychia­ trischen Klinik aufgenommen, wo sie mit der Diagnose «Manie» interniert wurde. Sie ist die Tochter eines Universitätsprofessors, war schon als junges Mädchen extravagant und hat das Leben eines wohlsituierten, vornehmen Bürgermädchens gelebt. Nun beginnt sie ein hochstaplerisches Leben zu führen, macht Schulden, raucht ständig, besucht verdächtige Nachtlokale, säuft bis zum Rauschtoben und gibt sich wahllos jedem Manne hin, weshalb sie interniert werden mußte. Der symptomatische Leitfaktor m weist also in der Tat den klinischen Befund auf: Nymphomanie, Suchtkrankheit, hypomanisches Benehmen, Hang zur Schuldenmacherei und Hochstapelei. Der Faktor m wirkte sich bei ihr auch genotropisch aus. Sie sucht ständig Bekanntschaft mit Barsängern, Barmusikern, lebt ständig im Kreise der Künstler-Plalhwelt. Die submanifesten Faktoren d, k, p und e decken ebenfalls genau die bezeich­ nenden Einzelheiten ihrer Vorgeschichte auf. Die Krankheit beginnt mit einer Depression. Als deren Ursache gibt die Patientin an, sich in ihrem Vater getäuscht zu haben. Der Vater, den sie bis dahin vergöttert hat, machte Kartenschulden, ver­ lor einen beträchtlichen Teil des Familienvermögens und wollte Selbstmord be­ gehen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die Patientin, daß der von ihr vergötterte Vater ein leidenschaftlicher Flasardeur war. Damals durchlebte sie die erste De­ pression. Das depressionserregende, verlorene Objekt ist wie wir vermuteten, der Vater. Der Faktor d wirkte aber bei der Patientin auch genotropisch: zur Zeit der Untersuchung verlobte sie sich mit einem Manne, der seine Frau wenige Wochen vorher verloren hatte; sie ging täglich mit dem Verlobten auf den Friedhof, und beide schmückten das Grab der Verschiedenen.

274


Noch bezeichnender ist die Übereinstimmung der Deutungsresultate der sub­ manifesten Faktoren k und p mit den Ergebnissen der Anamnese. Sie war seit ihrem 17. Lebensjahr hypochondrisch. Als sie als Backfisch den ersten Knß be­ kam, quälte sie sich mit einer Syphilophobie. Als junges Mädchen war sie einmal mit einem Ausländer verlobt : Zu dieser Zeit hatte sie die verschiedensten Bezie­ hungswahnideen, besonders im Tram und im Autobus. Sie fühlte sich beobachtet. Plötzlich kam ihr die Wahnidee, ihr Bräutigam sei ein Spion und wolle sie töten. Sie weigerte sich, vor Menschen zu erscheinen, lehnte das Essen ab, verkrümmte sich im Bett und gaffte stumm und stier den ganzen Tag vor sich hin. Die Ärzte dachten damals an Schizophrenie, die sich aber nicht voll entfaltete. Zu der genotropischen Auswirkung der Faktoren k undp können wir folgende anamnestische Daten anführen: Ihr vergötterter Vater.war als Hypochonder be­ kannt, der sich Jahre hindurch mit der Idee abquälte, er leide an Angina pectoris. Objekt ihrer Jugendliebe war ein Mediziner, den ich selbst wegen Hypochondrie behandelt hatte. Auch dieser Mediziner - wie der Vater der Patientin - war fest davon überzeugt, daß er herzkrank sei, obwohl sein Herz völlig gesund war. Auch genealogisch ist der submanifeste Faktor p und k auszuwerten. Ein mütterlicher Onkel wurde wegen einer paranoiden Schizophrenie im Irrenhaus interniert. Die Patientin erklärte mir, daß sie eben diesen Onkel nachahmte, als sie stundenlang schweigend im Bett lag und sich mit Verfolgungsideen abquälte. In der Maniephase zeigte die Patientin ebenfalls paranoide Symptome, aber in Form von Größenwahn, Großtuerei; Grafen, Barone, politische Persönlichkeiten gab sie als ihre Freunde an. Ihre Berufswahl ist auch eine genotropische Auswirkung des Faktors p : sie war Apothekerin h Den submanifesten Faktor e haben wir mit klinischen Symptomen, wie Wut­ anfällen, Trotzperioden, Rachsuchtsanwandlungen, in Beziehung gebracht. Dies stimmt mit ihrem Benehmen in der zweiten Periode der Versuche überein, wo sie fast ständig eine Nullreaktion zeitigte. In dieser Periode lebte sie frei im Eltern­ hause, außerhalb der Klinik, stand wieder am Anfang eines manischen Schubs, und wegen ihres ausgelassenen Benehmens gab es zu Hause ständig Szenen. Nun suchen wir den Zusammenhang der Wurzelfaktoren mit der Anamnese. Was den Wurzelfaktor hj anbelangt, stellte es sich heraus, daß die Patientin ihren Bräutigam einmal völlig nackt empfangen hat. Das war schon am Anfang ihrer Erkranl ung. Das Bedürfnis, zu exhibieren, war aber ständig unbefrie­ digt latent. Dies wird experimentell durch die siebenmal positiven ^'-Reaktionen bewiesen. Der Umstand, daß sie - trotz des Apothekerberufes - Singstunden nahm, sich ständig in Gesellschaft prominenter Schauspielerinnen zeigte, für einige Schauspielerinnen schwärmte, ist triebpsychologisch durch die genotro­ pische Wirkung des Faktors hj2 zu deuten. Diese Schwärmereien hängen aber auch mit dem Wurzelfaktor h innig zu­ sammen. Wir sprachen schon über die experimentellen Beweise, laut welchen die Patientin eine bisexuelle Triebstruktur aufweist. Ihre Schwärmereien für eine Schauspielerin, die bekanntermaßen homosexuell war, bestätigt unsere experi­ mentell begründete Annahme. Eine weitere experimentelle Unterstützung bekam 1 SZONDI, L. : Schicksalsanalyse, II. Aufl. S. 363 (Tab. 17, Berufslösung). " SZONDI, L. : Schicksalsanalyse, II. Aufl. S. 363 (hy).

275


diese Annahme dadurch, daß ihr Bedürfnis, Mann-^u-sein (Faktor r), ihr unbefrie­ digter Triebanspruch war. Mit dem führenden Wurzelfaktor s hängt es eng zu­ sammen, daß, während sie sich Schauspielerinnen gegenüber ritterlich benahm, sie ihre männlichen Gefährten behandelte, als ob sie selber ein Mann wäre. Beim ersten Zusammentreffen duzte sie Männer, führte mit ihnen drastische Gespräche, soff mit ihnen wie ein grober Kumpan.

II. Die Triebklassen 1. Die Tenden^spannungsdifferen^en Die Analyse der Triebformeln ist eine geeignete Methode zur Feststellung des Charakters der gesunden oder kranken Triebnatur. Die Triebformel deckt die Beziehung zwischen dem Symptom und der unterbliebenen Triebbefriedigung auf. Zur Bestimmung eines Menschen im natürlichen Triebsystem bedienen wir uns aber auch eines anderen Verfahrens, und zwar der Feststellung der Triebklasse, der das Individuum angehört. Die zwei Methoden ergänzen einander in der Weise, daß durch die Trieb­ klasse das «genus proximutnv> bestimmt wird, dem die Vp angehört; die Trieb­ formel gibt uns hingegen auch die «differentiae specificae» an, durch welche die Person als ganz individuell und unterschiedlich von anderen Persönlichkeiten der­ selben Triebgattung leicht abzusondern ist. Zuerst bestimmen wir die Triebklasse und nachher die Triebformel. Die bei­ den Bestimmungsmethoden ermöglichen die Festlegung eines <s.Trieblinnäusy>, m it Hilfe dessen wir imstande sind, den Menschen in Triebnatur, Charakter und Krankheitsform zu bestimmen. Beide Methoden beruhen auf dem Gedanken der Tendenzspannung. Die Ana­ lyse der Triebformeln berücksichtigt in erster Linie die intrafaktorielle Tendenz­ spannung, d. h. diejenige Spannung, die durch die polar entgegengesetzten zwei Tendenzen innerhalb desselben Triebfaktors zustande kommt. Bei der Aufstellung der Triebklassen werden diejenigen Spannungsdifferen^en berücksichtigt, welche innerhalb der einzelnen Vektoren zwischen den Tendenz­ spannungen der zugehörenden zwei Faktoren feststellbar sind. Nehmen wir an, daß der TspG des Faktors h = 9, des Faktors s = 2 ist. Die vektorielle Tendenzspannungsdifferenz des L-Triebes ist demnach : TspG h — TspG s = 9 — 2 = 7. Die Größe der intravektoriellen Tendenzspannungsdifferenz im Triebgebiet des Vektors S ist demnach: TspD = 7. Die intravektorielle Tendenzspannungsdifferenz wird somit quantitativ durch die Differenz zwischen den zwei Graden der intrafaktoriellen Tendenzspannungen bestimmt. Ihre Größe wird so festgestellt, daß wir von dem größeren Spannimgsgrad den kleineren subtrahieren. Ist z. B. der TspG des Faktors h = 2, der des Faktors r = 9, so ist die Tendenz­ spannungsdifferenz: TspG s — TspG h = 9 — 2 = 7; also ebenfalls 7, aber in

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diesem Falle zugunsten des Faktors s und zuungunsten des Faktors h. Die Diffe­ renz ist also dieselbe wie im vorangegangenen Beispiel, nur zugunsten des anderen Faktors. Wir können aber die zwei Spannimgsdifferenzen desselben Vektors leicht von­ einander unterscheiden, wenn wir uns eines Zeichens bedienen, mit Hilfe dessen wir den Leitbuchstaben desjenigen Faktors als Index zum Leitbuchstaben des Vektors hinzufügen, der den kleineren Spannungsgrad aufweist und demnach dynamisch der stärkere ist. Die zwei Tendenzspannungsdifferenzen benennen wir also Lr bzw. Sh. TspG h — TspG s = 9 — 2 = 7 = Ss = TspD TspG s — TspG h — 9 — 2 = 1 = Sh = TspD Jeder Vektor kann demnach %wei V ariationen der TspD aufweisen. Insgesamt gibt es also acht Variationsmöglichkeiten der TspD. Diese sind: Sh, Ss, Pe, Pby, Schk, Schp, Cd und Cm.

Die oben angeführten acht Variationen der möglichen vektoriellen Tendenz­ spannungsdifferenzen spielen in der experimentellen Triebdiagnostik eine ganz besondere Rolle. Sie bezeichnen nämlich zugleich auch die aktuelle Haupttrieb­ klasse, welcher die Vp zur Zeit der Untersuchung zugeordnet werden kann. Im schicksalsanalytischen Triebsystem unterscheiden wir bekanntlich vier Vektoren, vier Triebe, und zwar den Vektor S, P, Sch und C. Folglich sind bei der Vp auf Grund einer Serienuntersuchung vier intravektorielle Spannungsdifferen­ zen zu berechnen. Wenn wir die vier Spannungsdifferenzen der Größe nach in Reihen ordnen, so erhalten wir eine gradatim sich abschwächende Folge dieser tiriravektoriellen Spannungsdifferenzen. In dieser Reihenfolge wird eine Spannungsdifferenz als die größte, eine andere als die kleinste sich von der anderen, der mittleren, unterscheiden. Das Individuum M/mw Tri,66km;, tri. Unsere Untersuchungen haben nämlich bewiesen, daß ein Individuum auf dem Gebiete desjenigen Triebes die größte Spannungsdifferenz aufweist, welcher in ihm als der dynamischste wirkt. Dieser Trieb ist derjenige kritische, latente, nur teilweise unbefriedigte Trieb, der die ganz spezifische Wurzel der Konduktornatur, bzw. der besonderen Triebkrankheit repräsentiert. Eben diejenigen Triebe gefährden besonders das Individuum und die Gesellschaft, bei denen das eine Be­ dürfnis des Faktorenpaares irgendwie befriedigt wird, das andere aber unbefriedigt bleibt. Durch das verschiedene Schicksal der Faktoren eines Triebes wird eben ein Trieb gefährlich. Der Vektor, der die größte TspD aufweist, macht eben den gesuchten, gefährlichsten Trieb sichtbar. Auf Grund der größten TspD können wir demnach acht Haupttriebklassen unterscheiden, und zwar die Triebklassen: Sh, Ss, Pe, Phy, Schk, Schp, Cd und Cm.

Jede Haupttriebklasse wird durch dasselbe Zeichen veranschaulicht, wie der Vektor, auf dessen Gebiet wir diet größte Spannungsdifferenz gefunden haben.

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2. Die Proportionen der Latene^grade Die Haupttriebklassen sind demnach auf diejenigen gefährlichsten, kritischen Triebe aufgebaut, in deren Gebiete intravektoriell zwischen den zwei konstituieren­ den Faktoren die höchste Spannungsdifferenz besteht. Man könnte fragen: Warum begründen wir die Trieb blassen gerade auf den größten und nicht z. B. auf den kleinsten intravektoriellen Spannungsdifferenzen? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir von einem praktischen Beispiel aus­ gehen : Bei einer 65jährigen Schauspielerin, Insassin einer Irrenanstalt in Budapest, haben wir 15 Triebprofile aufgenommen. Nach Fertigstellung der Tendenzspan­ nungstabelle (siehe Fall 12) konnten wir in den vier Vektoren folgende Span­ nungsdifferenzen feststellen: I. II. III. IV.

TspG-r TspG k TspG d TspG f

— — — —

TspG h TspG p TspG m TspG hy

=1 = = =

3 4 5 6

— — — —

0=1 0= 1 = 6 =

3 4 4 0

= ^ = Schp = Cm = Pe hy

Die relativen Proportionen der Spannungsdifferenzen geben uns ein Bild von den relativen «Proportionen der Latency, d. h. den dynamischen Kräfteverhältnissen innerhalb der vier Triebe (Vektoren). Die relativen Proportionen der Latenz kön­ nen wir in folgender Formel ausdrücken: Si 13 '

Schp Cm 4

P

' 4 ' 0

Die stärkste Latenz der Spannungsdifferenz (13) herrscht demnach im sexuel­ len L-Vektor, die niedrigste hingegen im paroxysmalen Triebgebiet (0). Eine mitt­ lere Spannungsdifferenz (4) wurde im Vektor des Ichs (Sch) und in dem des Kon­ takttriebes (C) festgestellt. Diese Tatsache können wir in bezug auf die Quantität auch so formulieren, daß die Stärke der Spannungsdifferenz, also der Latenz, auf dem sexuellen Triebgebiete mit 13 Spannungseinheiten größer ist als im Bereiche des paroxysmalen Triebes. Die Patientin gehört demnach aktuell der Haupttrieb­ klasse Sh an. Was bedeutet das ? Auf Grund der Empirie können wir folgendes mitteilen: Derjenige Vektor, der die größte Spannungsdifferenz aufweist, klärt uns über denjenigen Trieb auf, in dessen Triebgebiet die Latenz, das Unbefriedigtsein, d. h. die dynamische Kraft die größte ist. Dieser dynamisch stärkste Trieb spielt die wichtigste Rolle im Zu­ kunftsschicksal der Vp. Wenn jemand also nur das eine fa ktorielle Bedürfnis eines Triebes nativ ausleben kann, das andere Bedürfnis hingegen völlig oder fast völlig unbefriedigt bleibt und infolgedessen in der Fülle seiner dynamischen Kraft in der Tiefenseele still und allein weiterwirkt, dann bildet dieser Trieb für das Zukunfts­ schicksal der Vp den anterograd gefährlichsten Anspruch. Normalerweise bremsen sich nämlich gegenseitig die zwei entgegengesetzten Bedürfnisse (Triebfaktoren) innerhalb desselben Triebes eben durch ihre gleiche oder fast identische Spannungshöhe. Dieses gegenseitige Sichhaltgebieten nennen wir Selbststeuerung der Triebe. Dies ist der Fall z. B., wenn jemand in einer Serie ständig oder fast ständig S + +, oder S , oder S 0 0, S ± ± Reaktionen zeitigt. In diesem Falle ist z. B. im sexuellen Triebgebiet das Schicksal der zwei

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Triebkomponenten der Sexualität identisch und eben deshalb herrscht keine Spannungsdifferenz im Triebgebiet der Sexualität. In den obigen Fällen ist näm­ lich die TspD Null oder sehr klein. Aus diesem Beispiel wird es klar, daß die Spannmgsdifferen% Null^ bedeutet : a) entweder die gemeinsame, gegenseitige Selbststeuerung der zwei Faktoren eines Triebes (-)——• -—); b) oder das gleichzeitige Entladungsstadium der Trieb komponenten (0 0); c) oder die ebenfalls gleichzeitige Ambivalenz des Faktorenpaars eines Vek­ tors (d= i). Das Gemeinsame in den drei möglichen Formen der Spannungsdifferenzen Null ist: der betreffende Trieb ist für die Zukunft ungefährlich geworden, er wurde eben wegen der gegenseitigen Selbststeuerung des Faktorenpaares aus der Reihe der dynamischen Triebe derzeit ausgeschieden. Es ist also der Vp gelungen, aus den zwei polar entgegengesetzten Triebfaktoren eine Trieblegierung zu bilden, d. h. die zwei Triebbedürfnisse in einen Trieb zu­ sammenzuschmelzen. (Zum Beispiel 5-1—f- ist das bekannte Sexualbild des All­ tagsmenschen.).1

Was geschieht aber dann, wenn das Schicksal der zwei Triebkomponenten ganz verschieden verläuft ? Dies ist bei unserer Kranken der Fall. Im Faktor s zeigt die Vp 13 Nullreaktionen bei 15 Wahlen, im Faktor h zeitigte sie hingegen ständig positive Reaktionen, die fast ständig Vollreaktionen waren, d. h. + 6, + 5 und nur 4. Die Spannungsdifferenz im Vektor S war demnach 13 — 0 = 13, einmal also enorm groß. In diesem Falle konnten die zwei Triebkomponenten einander nicht bremsen Der Faktor s'.wurde nicht durch seinen Faktorenpartner, durch den Faktor h ge­ bremst, da die Person unfähig war, die Bedürfnispaare in einer Trieblegierung zu­ sammenzuschmelzen. Es fehlte eben die Selbststeuerung des 5-Triebes. So geschah es, daß der Faktor j sich frei manifestieren konnte, die Patientin lebte ihren Sadis­ mus offen aus; der Faktor h blieb hingegen unbefriedigt und wirkte dynamisch allein in der Tiefe des Triebseelischen. Da aber der Faktor h seinen Gegenspieler, den Faktor j-, als natürliche Bremse verloren hat, kann er jetzt aus der Tiefe unge­ zügelt seine zukunftsformende, dynamische Wirksamkeit fortsetzen. Darum bildet eben der sexuelle Trieb und mit ihm eben das Zärtlichkeits­ bedürfnis (eventuell der homosexuelle Anspruch) die zukunftsformende, morboplastische, treibende Kraft. Es wäre aber falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß wir bei der Diagnosestellung nur den die größte Spannungsdifferenz aufzeigen­ den Vektor berücksichtigen. Wir müssen eben die relativen Proportionen der vier Spannungsdifferen^en analysieren, also die Proportionen der Laten^grade der einzelnen Triebe. Die vergangene und aktuelle Triebsituation können wir aus den schwächsten Spannungsdifferenzen ablesen. Aber eine Schicksalsdiagnose richtet sich beson­ ders auf die Zukunft, sie begnügt sich nicht mit der Bestimmung des vergangenen und gegenwärtigen Zustandes, sie will eben die für die Zukunft gefährlichen Triebe erkennbar machen, um mit Hilfe von Umerziehung, bzw. psychischer Be­ handlung einer Gefahr vorzubeugen. Eben deshalb ermittelten wir die Trieb­ klassen aus den größten Tendenzspannungsdifferenzen; also aus den stärksten 1 Bei den Reaktionen -(- — und —• + kann die TspD auch Null sein; hier sprechen wir aber von Txiebentmischung u nd nicht von Trieblegierung.

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Latenzgraden und nicht aus den kleinsten. Wir betonen aber nochmals, daß bei der Diagnose alle vier Spannungsdifferenzen eine wichtige, spezielle Rolle spielen müssen. Die schicksalsformende Kraft derjenigen Triebe, deren Spannungsdifferehzen in der Reihenfolge eine «mittlere» Stellung einnehmen, hängt davon ab, ob ihre Spannungsdifferenzen den größten oder den kleinsten Differenzen näher stehen. Dieser Umstand bestimmt, ob die «mittleren» Triebe eine anterograde, bzw. eine retrograde morboplastische Wirkung ausüben. Zusammenfassend dürfen wir demnach folgende Richtlinien festlegen: 1. Derjenige Vektor, der die größte Spannungsdifferenz, also den größten Latenzgrad aufweist, zeigt die Stelle der bedrohlichsten Triebgefahr (Gefahrklasse). 2. Der die kleinste Spannungs differenz, den niedrigsten Latenzgrad aufweisende Vektor orientiert uns hingegen über die geläufigsten Notausgänge, über die Ventile, durch die eine Person ihrem Triebwirbel am leichtesten zu entkommen vermag. 3. Die Triebe mit einem mittleren Latenzgrad können im retrograden, bzw. anterograden Schicksal des Menschen eine Rolle spielen, je nachdem, wie groß ihre Spannungsdifferenz im Vergleich mit dem größten und kleinsten Latenzgrad der Reihenfolge ist. 3. Analyse eines Falles %ur Übung der Bestimmung der Triebklasse Fall 12: Kehren wir zu unserer Patientin, der alten Schauspielerin, zurück. Aus der Reihenfolge und der relativen Proportion der vier vektoriellen Spannungs­ differenzen (Latenzen) können wir demnach in bezug auf ihr Triebleben folgendes sagen : 1. Die größte Spannungsdifferenz wies sie im sexuellen Triebvektor auf, und zwar in Form Sh = 13. Sie konnte demnach zur Zeit der Prüfung das sadistische Bedürfnis befriedigen; hingegen blieb ihr Zärtlichkeitsbedürfnis unerfüllt. Eben der von der Selbststeuerung des Triebfaktors s entbremste, unbefriedigte, zügellos dynamische Anspruch auf Zärtlichkeit, eventuell auf Homosexualität, machte sie krank. Das Triebleben der Patientin wird durch die extrem-große, dynamisch­ latente Kraft des Bedürfnisses h gelenkt. Sie lebte also ständig in einem sexuellen Triebwirbel, den der Ausfall der Selbststeuerung hervorrief. 2. Der latenten sexuellen Triebgefahr versuchte die Patientin auf dem Wege eines paroxysmalen, hysterischen oder hystero-epileptischen Ventils zu entkom­ men. Ein experimenteller Beweis dafür ist eben die niedrigste Spannungsdifferenz des Vektors P\ TspD im Vektor P = 0. Einst mußte sie aber auch eine paroxysmale Triebkrise durchmachen. Der­ zeit stehen bei ihr die Triebpforten des paroxysmalen Bedürfnisses weit offen, jetzt lehnt ihr Ich die Befriedigung der paroxysmalen Ansprüche nicht mehr ab; ja, im Gegenteil, das Ich benützt eben die paroxysmalen Ventile zur Abwehr der sexuellen Triebgefahr. Die Patientin hatte demnach früher eben das Bedürfnis, zu exhibieren, sich zu zeigen, ferner Haß, Zorn, Rachsucht in sich hoch aufzustauen. Damals konnten die unbefriedigten paroxysmalen Ansprüche nur auf Umwegen, also genotropisch wirken und so die Wahlhandlungen der Patientin lenken, z. B. die

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Berufswahl. So wurde sie Schauspielerin. Jetzt aber lebt sie schon offen, in nativer Form, ihre paroxysmalen Bedürfnisse aus, d. h. sie exhibiert frei, läßt auch ihrer Wut freien Lauf, hat vielleicht auch hysterisch-epileptische Anfälle. Diese experimentell aufgebaute Prognose wird durch ihre Anamnese bestä­ tigt. Sie wurde schon als junge Frau in ihrem 24. Lebensjahr erstmalig interniert. Ihre Diagnose lautete : Psychosis hysterica. Das Bedürfnis P spielte also tatsächlich in ihrer Vergangenheit eine ausschlaggebende Rolle, sie war Schauspielerin und erkrankte später an hysterischem Irresein. 3. Der Grad der Latenz, also der Spannungsdifferenz im Vektor Sch war: Schp = 4 und im Vektor C ebenfalls Cm — 4 . Die Differenz steht demnach näher dem kleinsten (P = 0) als dem größten Differenzgrad (Sh =13). Aus dieser Sach­ lage können wir folgende Schlüsse ziehen : Die Patientin gebraucht nicht nur Entladungsventile paroxysmaler, sondern auch paranoider (Schp) und manischer (Cm) Natur. In ihrem derzeitigen Krankheitsbilde müssen wir demnach neben den hysteroepileptischen, paroxysmalen Erscheinungen auch paranoide und hypomanische Symptome feststellen können. Diese experimentellen Feststellungen finden in der Krankheitsgeschichte der Patientin ihre Bestätigung. Sie bekommt oft Anfälle, besonders während der ärztlichen Visite, sie wirft sich dann nieder, aber womög­ lich nur auf den Diwan, ihre Glieder werden steif, aus dem Munde fließt Schaum, sie wird ohnmächtig. Der Anfall hat einen hystero-epileptischen Charakter. Nachher aber wird sie hypomanisch, spricht, singt, lacht maß- und zügellos, sie ist motorisch sehr unruhig, läßt ihren Harn unter Gelächter in die Kaffeetasse usw. Während einer Periode ihrer Krankheit hatte sie aber auch Verfolgungsideen und verdächtigte ihre Umgebung, weinte den ganzen Tag und beschmierte die Wände der Zelle mit ihrem Kot. (Paranoid-schizophrene Erscheinung. Näheres siehe später.) *

Die relativen Proportionen geben uns ein klares Bild über die in den vier Vek­ toren herrschenden Triebspannungen, über die Größe der Latenz, d. h. der dyna­ mischen Kraft der einzelnen Triebe. Der die Triebklasse bezeichnende größte Latenz~ grad lokalisiert also genau die Stelle der größten Triebgefahr. An dieser Stelle des Trieb­ lebens muß man mit der Vorbeugung, der Psychohygiene, der Umerziehung und der psychi­ schen Behandlung ansetzen. *

4. Die positiven und negativen Unterklassen Wir müssen uns noch kurz mit der weiteren und feineren Aufteilung der acht Triebklassen beschäftigen. Die schicksalsanalytische Trieblehre vertritt den Standpunkt, daß das Unbe­ friedigtsein eines Triebbedürfnisses zwei Gründe haben kann. Erstens kann eine Trieblatenz die Folge des extrem großen Quantums eines Trieb­ bedürfnisses sein, wobei dieses auch dann unbefriedigt bleibt, wenn das Ich die Befriedigung bejaht. Dies ist der Fall in den Serienuntersuchüngen bei den stän­ dig oder fast ständig positiven Reaktionen, im besonderen bei denen mit Überdruck. Zweitens kann das Unbefriedigtsein eines Bedürfnisses auf Verdrängung be­

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ruhen. Die Verdrängung erfolgt auch auf Wunsch äußerer Mächte - wir sprechen dann von Anpassimg an die Umwelt - oder auf das Drängen des Ichs, bzw. des Uber-Ichs hin; dann sprechen wir - im Sinne der Psychoanalyse - von einem Ver­ zicht. Verdrängung, Anpassung und Verzicht werden somit im Experiment durch die negativen R eaktionen sichtbar gemacht. Nicht nur die ständig negativen, sondern auch die ständig positiven Reaktionen können das Triebleben des Individuums gefährden, besonders dann, wenn gleichzeitig der entspre­ chende T riebpartner, der Gegenspieler, irgendwie s chon Befriedigung gelangt ist; wenn also in einem bestimmten Triebgebiet die Tendenzspannungsdifferenz besonders groß wird. Auf Grund dieser Tatsachen können wir jede der acht Haupttriebklassen in zwei Unterklassen einteilen, von denen die erste das Zeichen der Latenz der posi­ tiven, di e zweite dasjenige der Latenz der negativen Reaktionen aufweist. So entstehen 16 Unterklassen, und zwar: 1. Sh+, 2. Sh~, 3. Ss+, 4. Ar, 5. Pe+, 6. Pe~, 7. Phj+, 8. Phy~, 9. Schk+, 10. Schk~, 11. Schp+, 12. Schp-, 13. Cd+, 14. Cd~, 15. Cm+, 16. Cm~. 5. Einteilung der Triebklassen auf Grund der Triebgefahren und Triebventile Die Hauptklassen wurden auf Grund der Tendenzspannungsdifferenzen, die Unterklassen nach der Positivität, bzw. Negativität der Wahlrichtung der unbe­ friedigten Bedürfnisse, d. h. der Wurzelfaktoren aufgestellt. Somit entstanden acht Haupt- und 16 f/«/«rklassen. Zur leichteren Bestimmung eines Menschen in dem Linnäussystem der Triebe müssen wir aber noch einen weiteren quantitativen Aspekt berücksichtigen, wel­ cher auf die absolute T atenzgröße bezogen wird. Bei einer Zehnerserie können die Latenzgrößen - im Rahmen der Latenzproportionen - zwischen 10 und 0 vari­ ieren. Auf Grund der Erfahrung wurde festgestellt, daß die Latenzgrößen von 5 bis 10 (also 5, 6, 7, 8, 9 und 10) auf die wirklichen Triebgefahren hinweisen. Hin­ gegen sind die Latenzgrößen unter 5 (also 4, 3, 2, 1 und 0) als Triebventile aufzu­ fassen. Je größer also eine Latenzgröße im Raum eines Triebvektors ist, desto größer ist die Triebgefahr, und je kleiner, desto wahrscheinlicher wird die An­ nahme, daß in diesem Triebgebiet das Triebventil, im klinischen Sinne das Symptom, zu suchen ist. Diese Feststellungen ermöglichen es, die 16 Unterklassen in zwei Gruppen zu gliedern. Diese sind: A. Die Gefahr- oder die « Wurzel »-Klassen und B. Die Ventiloder die Symptomklassen. A. Die Gefahr- oder Wurzelklassen (Latenzgrößen über 4) In einer Reihe der Latenzproportionen kann in einem Fall nur eine Latenz­ größe, in anderen Fällen können oder drei, ja sogar alle vier Latenzgrößen über 4 stehen. Um einen aktuellen Fall in den Linnäustabellen leichter auffinden zu können, haben wir die Gefahrklassen so eingeteilt: Eine Gefahr, zwei, drei und vier Gefahren. Folgende Beispiele wollen zeigen, was wir darunter verstehen:

282


Triebschicksale: *

Eine Gefahr: Sb+

Phy~ Schp~

1

1

Eine Gefahr

C

' 0

Ventile

Triebschicksale:

Zwei Gefahren: Sb+ Schp~ Cm P

Das Bedürfnis nach Liebe (Sb+j10) und hypochrondrische Querulant (Schp~/9) sind die Gefahren, während das asoziale Verhalten (Cm/2) und paroxysmale (P/1) Diebstähle als Ventil wirken.

' 2 1

10 Zwei Gefahren

Sh+

Ventile

Drei Gefahren: Cm+ PhySchk~~ 3

6

Ventil

Drei Gefahren

7

*

7

*

6

Triebscbicksale : Wegen Mangel an Zärtlichkeit (.W+/8) ist der Patient schon als Kind ausgerissen (Fugues) {Phy~j5); als Erwachsener wurde er ein haltloser Trinker (Cm+/6). Dies sind seine Gefahren. Er machte mehrere Suicidversuche {Schk~j3) = Selbstdestruktion). Dies ist sein Ventil. Triebschicksale:

Vier Gefahren: C///+ Scbk~\ Phy~

Sb+

Die Triebgefahr besteht im Unbefriedigtsein der Liebe (Sb+18), daher die maniformen (C /0), paranoiden {Schp~j1), epileptiformen {Phy~/l) Symptome.

Wegen Mangel an Zärtlichkeit (Sb+jl) entstehen folgende Gefahren: Eifersucht (Schk—'/6), Epilepsie (Pby~/5) und Akzeptationsangst (Cm+/7).

5

Vier Gefahren

B. Die Ventil- oder Symptomklassen (Alle vier Latenzgrößen sind unter 5) Um das Linnäussystem zu vereinfachen, haben wir hier die Biventilklassen nicht hervorgehoben und nur zwei Gruppen von Ventilklassen aufgestellt: Triventilklasse und Quadriventilklasse. In die Gruppe der Triventilklasse gehören alle Fälle, bei denen die Differenz zwischen den höchsten und niedrigsten Latenzgrößen 3—4 ist. Beispiele : Sb + 4 Grund der Erkrankung

Phy

Sch C

2

'

0

' 0

Drei Ventile

Triebschicksale : 1. Haltlose Psychopathie mit Trunksucht ( C/0), 2. Ich- bzw. Willensschwäche (Sch/0), 3. Antisozial (Phy~/2), nachdem er 4. die Frau verloren hatte (Sh+j4).

Zu der Triventilklasse haben wir auch Fälle folgender Latenzstruktur ge­ rechnet, die - im relativen Sinne - biventiler Natur sind: Sh+ ! ! Schk~! Grund der Erkrankung

Cm+

P

Triebschicksale:,

1

0

1. Trunksucht (Cm+/1); 2. im. Rausch periodisch brutal (P/0); 3. Selbstsabotage (Schkr~1/4); 4. Grund der Erkran­ kung: Mangel an Befriedigung der Zärtlichkeit (Sh+ I '/4 ) und die Selbstsabotage (Schk—1/4):

Ventil

Bei den Tri- und Quadriventilklassen wird die Person in den Linnäustabellen auf Grund der relativ höchsten Latenf_größe bestimmt. (Also im obigen Fall in der Tabelle Sh+ und Schkr^l) Quadriventilklassen sind die, bei denen alle vier Latenzgrößen unter 5 stehen

283


und die Differenz zwischen den höchsten und niedrigsten Latenzgrößen unter 3 steht, also 2, 1 und 0. Zum Beispiel : Sè+1 Pby 3

'

2

Senk— Cm+ ' 2

'

1

Vier Ventile (Die Latenzgrößendifferenz ist 3 — 1 = 2)

Triebschicksale: 1. Trunksucht (Cm+ '/l), 2. mit Suicidversuch {Scbk—J2), 3. paranoide sensitive Beziehungsangst (Pby—jTt), 4. Liebes­ probleme (TA+ '/3). Er glaubt, die Frau wolle ihn vergiften (Pbjr-12).

Für alle Fälle der Ventilklassen ist ihre große Neigung zur Haltlosigkeit und Psychopathie bezeichnend. So die Anlage zu Trunksucht, sexueller Haltlosigkeit, oft homosexueller Art, zur sozialen Abnormität, Kriminalität, haltlosen, epileptiformen Grausamkeit usf.1. *

Noch eine Tatsache müssen wir hier erörtern, die zu einem Mißverständnis führen könnte. Wir finden nämlich Menschen mit der gleichen psychiatrischen Diagnose sowohl in den Gefahr- wie auch in den Ventilklassen. Wie ist das nun möglich? Wir antworten auf diese Frage mit der Erörterung der Diagnose von paranoiden und epileptiformen Störungen. Beide sind Krankheiten episodischer Natur. Der Patient kann in einem Zustand getestet werden, in dem er das krank­ machende Triebbedürfnis (J> od er e) i n sich allmählich aufstaut, aber noch nicht entladen kann. In dieser Aufstauungsphase wird er in der Gefahrkhsse Schp~~ bzw. Pe~~ figurieren2. Wird aber derselbe Kranke kurz nach einem paranoiden, bzw. epileptiformen Anfall serienweise getestet, dann können wir ihn in der Ventil- oder Sjmptomklasse finden. Diese Wanderung seelisch kranker Menschen aus einer Gefahrklasse in eine Ventilklasse und umgekehrt folgt ja dem von uns so sehr betonten Prinzip, daß das Triebleben eines Menschen - im gesunden, im besonderen aber im kran­ ken Zustand - immerfort in Bewegung ist, d. h. die Triebkraft sich zuvörderst auf­ staut und hernach entlädt, sich also stets in einem dynamisch-funktionellen Kreis­ lauf bewegt. Wir können somit aus der Tatsache, daß der Patient einer Gefahr- oder aber einer Ventilklasse zugehört, schließen, daß er sich fur Zeit des Testes vor oder nach einem Ausbruch eines Triebbedürfnisses befand. Die Tatsache, daß die nämliche «klinische» Krankheitsform in den verschie­ denen Trieb Massen zu figurieren vermag, wird dadurch verständlich, daß ja nach unseren Erfahrungen hinter den sogenannten «einheitlichen» klinischen Diagno­ sen - wie Epilepsie, Schizophrenie, manisch-depressives Irresein, Psychopathie usf. - völlig verschiedene Triebvorgänge stehen können; eine Wahrheit, die nur durch tiefenpsychologische Durchleuchtung zu beweisen war. Als Beispiel erwähnen wir das klinische Bild des Paranoiden und der Epilepsie. Hinter einer paranoiden Wahnkrankheit finden wir - nach der Erfahrung der schicksalsanalytischen Therapie - in der experimentellen Triebdiagnostik nicht immer die Verdrängung von Homosexualität, sondern des öfteren die kainitische, 1 Mit dieser neuen Einteilung werden die sogenannten «inäqualen» und «äqualen» Benennungen der ersten Auflage des Buches hinfällig. a De shalb können Patienten, die in der Anstalt als Paranoide oder Epileptiker figurieren, in den interparoxysmalen Phasen der Gefahrklassen Schp— und Pe~ oder auch Pe+ angehören.

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tötende Gesinnung einer latenten Epilepsie. Es gibt demnach eine «Paranoia auf homosexueller» (S. FREUD) und eine «auf epileptischer Grundlage» (BUCHHOLTZ). Diese zwei Formen figurieren aber nicht in den gleichen Triebklassen. Auch die Epilepsie ist nicht einstimmig die Folge einer verdrängten tötenden Gesinnung, sondern des öfteren auch die einer verdrängten Homosexualität, oft sogar einer latenten Paranoia. Ähnliche Differenzen wurden auch in dem Verdrängungsraum zirkulärer Kranker triebpsychologisch festgestellt. Der Entstehungsprozeß eines klinischen Bildes - im Sinne der klassischen Psychiatrie - kann in dem Aspekt dieser Tiefen­ dimension so mannigfaltiger Art sein, daß wir uns entschließen müssen, die Einheit in der Entstehung der psychiatrischen Krankheitsbilder aufzugeben. Eine interessante Aufgabe der zukünftigen Forschung ist, die Differenzen in den Erscheinungsbildern herauszufinden, welche z. B. das Paranoid der Triebklasse Schp~~ von denen der Sh+, Pe~-Klasse klinisch voneinander trennt. *

6. Der Trieb linnäus und die Frage der Zahl der Testpro file Dieses Problem wurde von AVRAHAM SCHAFIR (Tel-Aviv) auf Grund von 120 Testprofilserien zu zehn Profilen in exakter Weise untersucht1. Wir bringen hier die Ergebnisse des Autors wörtlich: «Die konstanten statistischen Kriterien in unserer Untersuchung sind: a) die Wurzelfaktoren, b) die Symptomfaktoren, c) die abgekürzte Triebformel. 1. Die Konstanz dieser Faktoren tritt in den meisten Fällen bereits nach drei Profilen in ^ «ad 9&M fn# «wdaw/r wrämAr«. 2. Die erste führende Triebklasse der Latenzproportion ist in den meisten unserer Fälle bereits nach dem fünften Profil konstant, ohne bis zpm zehnten Profil ihre führende Stellung Zu verlieren. Die zweite Triebklasse erreicht erst nach dem siebenten Profil ihre Konstanz3. 9&OM ylfo/ Ädnwgf« ff#/ ^ Wr w;Wo/f«r rw&w ro« ««fr Versuchsperson haben müssen, wenn wir mit sät?itlichen Kriterien des Trieb linnäus deuten wollen. » Am Schluß dieser Arbeit gibt der Autor dem Praktiker, der keine Möglich­ keit hat, eine Zehnerserie der Vp aufzunehmen, Hinweise zur Anwendung der von ihm gefundenen Ergebnisse. Damit wir den Trieblinnäus oder Teile davon bei der Auswertung der Trieb­ profile verwenden können, brauchen wir mindestens drei Profile. B e i d r e i P r o f i l e n d ü r f e n w i r mi t fo l g e n d e n G r ö ß e n a r b ei t e n : Symptomfaktoren:

Wenn mindestens in einem Faktor drei Symptom­ reaktionen (0, d%) a uftreten. Wurzeljaktoren: Wenn mindestens in einem Faktor drei Wurzel­ reaktionen (-|-, —) auftreten. Abgekürzte Triebformel: Wenn mindestens in einem Faktor zugleich drei Symptom- und mindestens in einem Faktor drei Wurzelreaktionen auftreten. Erste führende Triebklasse: Wenn das bei den Wurzelfaktoren Gesagte eintritt, bleibt die erste Triebklasse konstant. 1 Die Arbeit ist derzeit noch nicht publiziert.

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Bei vier Profilen: Sjmptomfaktoren:

Wenn mindestens in einem Faktor drei Symptom­ reaktionen ununterbrochen auftreten. Wurzelfaktoren: Wie bei den Symptom-, so auch bei den Wurzel­ reaktionen. Abgekürzte Triebformel: Wenn mindestens in einem Faktor in denselben Profilen ununterbrochen drei Symptom- und Wurzelraktionen zugleich vorkommen. Erste führende Triebklasse: Wenn das bei den Wurzelfaktoren Gesagte eintritt, bleibt die erste Triebklasse konstant. Bei fünf Profilen: Sjmptomfaktoren:

Sie sind bei kranken Fällen konstant. Bei Normalen gelten dieselben Regeln wie bei vier Profilen. Wurzelfaktoren: Sie sind konstant in allen Fällen. Bei Fallen konstant. Bei Normalen gelten dieselben Regeln wie bei vier Profilen. Erste führende Triebklasse: In allen Fällen konstant.

Bei sechs Profilen: Symptomfaktoren: Wurzelfaktoren: Abgekürzte Triebformel: Erste führende Triebklasse:

Konstant. Konstant. Konstant. Konstant.

Bei sieben Profilen: Sjmptomfaktoren: Wurzelfaktoren:

Konstant. Konstant. Konstant. Erste führende Triebklasse: Konstant. Zweite Triebklasse: Wird mit der Äqualität konstant.

Bei acht Profilen:

K o n s t a n z des g es a m t en Tri ebli nnäus.

Diese Angaben können nur nach Umrechnung der Ergebnisse folgender Tabelle verwendet werden: Tabelle 13. Zur Umrechnung der Zahlen der Eatenzproportion und der Triebformel Zahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Profil 3

4

5

6

7

8

9

3 7 10

2 5 7 10

2 4 6 8 10

2 3 5 7 8 10

1 3 4 6 7 9 10

1 2

1 2 3 5 6 7 8 9 10

4;

5 6 7 9 10


Tabelle 13 ist zu lesen: «Zahl» horizontaler Reihe = Anzahl der jeweils aufgenommenen Profile. «Zahl» vertikale Reihe = Summe der jeweils erhaltenen Reaktionen pro Anzahl der aufgenommenen Profile. Demnach ist die Summe der vertikalen Reihe in Proportion zur horizontalen Reihe umzusetzen, um jeweils ein konstantes Verhältnis zwischen aufgenommenen Profilen zur angenommenen ZehnerSerie herzustellen, die somit als Basis weiter gültig bleibt, was wir in der vertikalen Reihe unterhalb des Striches erhalten.

Der Tendenzspannungsquotient ist diejenige Größe, die uns angibt, wieviel häufiger die Vp auf die Bilder der acht Triebfaktoren Nullreaktionen als ambi­ valente Wahlen gab. S0 Summe der Nullreaktionen Si Summe der ambivalenten Reaktionen Bekanntlich bedeuten die Nullreaktionen die äußeren, die ambivalenten hin­ gegen die inneren Symptomfaktoren. Mit dem TspQu können wir demnach die quantitative Beziehung zwischen äußeren und inneren Symptomen ausdrücken. Es gelang uns, aus dieser Propor­ tionsgröße auf das Verhalten, auf den Behaviour der Vp wichtige Schlüsse zu ziehen. 1st der TspQu kleiner als 1, so ist das Verhalten der Vp gehemmt, %wangsartig, oft gebremst; so bei Zwangs­ neurotikern, schizoiden Psychopathen, Schizophrenen. Ist der TspQu = 1, 2, 3, so ist das Benehmen der Vp des öfteren unauffällig, sie kann aber dennoch seelisch krank sein. Ist der TspQu größer als 5, ja sogar als 10, so ist das Verhalten der Vp erregt, sie benimmt sich ungebremst, ungezügelt, erethisch, eventuell agiert; so bei hysterischen, epileptischen, maniaco-depressiven Kranken und zykloiden Psychopathen. Bei der Beurteilung des TspQu müssen wir aber stets auch die Frage beant­ worten, ob die Hemmung infolge einer inneren Verdrängung oder aber auf Druck einer äußeren Macht zustande kam. Die Reaktionen — hj, — k oder k sprechen auch dann für Gehemmtheit, wenn der TspQu größer als 3 ist. In diesem Fall ist die Unruhe da, nur gebremst. Hingegen kann die Vp auch bei niedrigem TspQu unruhig sein, falls sie Reaktionen wie C = 0 —, oder 0 by, 0 k zeitigt. Kur%, man darf nie aus der Größe des TspQu allein auf das Verhalten der Vp schliessen.

IV. Die prozentualen Symptomreaktionen (% Sy-Re) Sie geben an, wie groß die Summe der Null- und der ambivalenten Reaktionen ist im Verhältnis zu 100 faktoriellen Reaktionen. Im Falle von zehn Profilen erhalten wir bekanntlich 10x8= 80 faktorielle Reaktionen. Gibt die Person z. B. 33 Symptom­ reaktion en v o n 80, s o ist d i e G r ö ß e d e r % Sy-R e = 4 1 . D i e B e re c h n un g ist ja 33:80 = x:100; 33x100 % = —go— = 41% = % Sy-Re.

287


Bei acht Triebprofilen ist die Summe aller faktoriellen Reaktionen : 8X 8 = 64; bei sieben Profilen 7 X 8 = 56 usf. Hier bezieht man die % Sy-Re also auf 64, bzw. 56 und nicht auf 80. Die allgemeine Formel zur Berechnung der Größe der % Sy-Re ist somit (S 0 Re + S ± Re) X 100

Z aller faktoriellen Re Empirisch wurde die Normalgröße der prozentualen Symptomreaktion vor­ derhand z"wischen 20% und 30% gefunden. quotienten stattfinden. Zwei Beispiele: Bei Zwangsneurosen ist der TspQu kleiner als 1, hingegen die % Sy-Re größer als 30%. Dies wird verständlich, wenn man bedenkt, daß Zwangsneurotiker relativ mehr 3z R e als 0 Re zeitigen; darum muß der TspQu unter 1 liegen; ander­ seits aber liefern eben Zwangsneurotiker relativ viel Symptomreaktionen und somit steigt die Größe der % Sy-Re über 30%. Bei zirkulären Psychoneurosen und Psychosen ist - wegen der Seltenheit der 3z Re - der Tsp Qu relativ groß, d. h. über 3, die Größe der % Sy-Re hingegen des öfteren kleiner als 30%. Natürlich genügen diese Daten zur Aufstellung einer klinischen Diagnose nie. Sie können aber brauchbare Wegweiser sein in bezug auf das allgemeine Verhalten der Person. Eine ausführliche Bearbeitung der TspQu und % Sy-Re für die psychia­ trische Klinik und für die Differenzialdiagnostik soll später ausgeführt werden.

V. Der Trieblinnäus Wir führten in die experimentelle Psychodiagnostik drei neue Termini ein, mit deren Hilfe wir den Versuch wagten, einen Menschen in seiner ganz indivi­ duellen Besonderheit zu bestimmen. Diese Termini sind: 1. Triebklasse, 2. Trieb­ formel und 3. Tendenzspannungsquotient. 1. Die Bestimmung der Triebklasse befähigt uns, darüber ein Urteil zu fällen, in welchem Triebgebiete den Einzelnen aktuell die größte Triebgefahr bedroht. Wir benützen hier absichtlich das Wort: «aktuell». Es iväre nämlich verfehlt, zu denken, daß eine spezielle Trieblatenz - wie z. B. die Latenz Pe oder Schp oder irgendeine andere - sich im Leben des Menschen nie umwandeln könne. Wäre dies so, so wäre ja das Triebleben des Einzelnen ein starres, absolut umweit-stabiles «Merkmal» und nicht ein fließender Prozeß; wie etwa ein Fluß unter gewissen Umständen sich in eine starre Eismasse verwandeln kann, aber zur Schmelzezeit doch weiterfließt. Die Triebklasse gibt im allgemeinen die aktuell virtuellste Konduktornatur der Vp an. Der Mensch ist aber Überträger mehrerer Anlagen, von denen einmal die eine, ein anderes Mal die andere dynamisch die stärkste ist. Das Individuum ist somit in der Lage, seine Zugehörigkeit zu einer Triebklasse zu wechseln und aus einer Klasse

288


in eine andere überzutreten. Die Zugehörigkeit zu einer Triebklasse bedeutet dem­ nach eine relative umweltlabile und nicht eine absolute umweltstabile Triebsituation. Die relative Umweltlabilität wird durch äußere Umweltveränderungen, z. B. durch Schockwirkungen, bedingt. Bei dieser Sachlage konnte man mit Recht die Frage stellen : Sind wir eigentlich berechtigt, von einer Klassenzugehörigkeit zu sprechen? Man versteht ja unter Klassenzugehörigkeit im allgemeinen etwas Angeborenes, etwas absolut Umwelt­ stabiles. Wir haben versucht, die Sachlage auf dem Wege entsprechender Unter­ suchungen aufzuklären. BARTHOLOMEUS MINDSZENTI ve rdanken wir die Durch­ führung folgender Experimente: An mehr als 100 Soldaten - also an einer kör­ perlich-geistig normalen Menschengruppe von ungefähr gleichem Alter und aus der gleichen Gesellschaftsschicht - machte er zuerst Eintags- und nachher an den­ selben IndividuenEnz/w/MA-Serienuntersuchungen, und zwar mit demselbenTestapparat. Er führte die Untersuchungen in folgender Art aus: Zuerst machte er zehn Profilaufnahmen an jedem Soldaten im Laufe eines Tages, d . h. stündlich eine Aufnahme. Dann änderte er die Zeitabschnitte so ab, daß die nächste Serie (beste­ hend aus weiteren zehn Profilaufnahmen) einen ganzen Monat beanspruchte. So be­ kam er zwei Proportionsreihen der Trieblatenzen und bestimmte gesondert die Triebklasse des Eintags-, bzw. des Einmonatsexperiments. Die Ergebnisse dieser vergleichenden Untersuchungen können wir wie folgt zusammenfassen : 1. Ein Teil der Vp behält ihre Zugehörigkeit zu derselben Klasse, ein anderer Teil hingegen wechselt seine Triebklasse. 2. Der Klassenwechsel kommt aber nicht fallsweise eitstände, sondern er folgt gan%

WrmmAw Äfgf/h. Man kann nämlich nicht aus einer Klasse in eine x-beliebige Klasse übertreten, sondern die zwei möglichen Klassen hängen miteinander trieb­ psychologisch und vermutlich auch genbiologisch eng zusammen. Die Breite des Klassenwechsels ist also beschränkt, und die Qualität des Klassenwechsels ist triebpsycholo­ gisch fest bedingt. 3. Am meisten wechseln sich gegenseitig ab: a) die Klassen mit den größten und kleinsten Latenzgraden; b) die zwei biäqualen oder fast biäqualen Latenzgrade; c) die Klasse des größten Latenzgrades mit der zweitgrößten Klasse. Ein Beispiel zu Variation a) : Die Latenzproportionen: bei dem Eintagsvcnsuch.:

Py Schk

Sh

C_

6

0

Cm Schk Sh

P

10

0

1 0 '

7

'

VI

T-..

,

bei dem riin??jonatsvtrsx\.Q\\ : j

1

6

— •— 5

Die Vp tritt aus der Klasse Pe in die Klasse Cm, also in diejenige Klasse, die im Eintagsversuch den kleinsten Latenzgrad aufwies. 19

Szondi, Triebdiagnostik

289


Beispiel zu Variation b), das zugleich auch die Variation c) repräsentiert. . . ,

.

bei dem hintagsversuch:

bei dem Finmonatsversuch :

Cm

Ss

Phy

Sch

5

4

2

0

Ss

Cm

Pe

3V/;

6

5

3

0

Cm

SM

—:—

Beispiel zu Variation c) : bei dem Eintagsversuch : i • 1 c , 1 bei dem bmmonatsvzisuch :

10 SM ùcofz 8

P

3

3 ' 0 ' 0

Cm bw 5

Pe ne

S j

• —• — 1 ' 0

Dieselben Erfahrungen machten wir an unseren Kranken, bei denen wir im Laufe einer Behandlung zweiwöchentlich oder monatlich die Triebklassen be­ stimmten. Fall 13: Hundert Testaufnahmen bei einer Schi^omanie (?) Im Falle 13 handelte es sich um ein 23jähriges Mädchen, bei dem nach einer sadomasochistischen Bindung (Klasse Ss~) zu ihrem Schwager eine Nymphomanie (Cm—) sich einstellte; nachher kam eine Periode des «sich Reinwaschens» (Pe+) und eine Depression (Cd+). Die zehn Serien, insgesamt 100 Profilaufnahmen, wurden vom Anfang bis zum Abbruch der Behandlung wegen Abfahrt der Patientin, vom 13. 11. 1941 bis 13. 10. 1942, d. h. beinahe ein Jahr hindurch aufgenommen. Aus der Tabelle 14 geht folgendes klar hervor: Patientin wechselte zuerst die Klasse Lr mit der Klasse Cm~, d. h. die Klasse des größten Latenzgrades mit derjenigen, die den kleinsten Latenzgrad auf­ wies (Serie 1-2). Nachher behielt sie die Zugehörigkeit der Klasse Cm— während drei Serienuntersuchun­ gen (Serie 2, 3, 4). In dieser Phase wird sie hypomanisch, oft nymphomanisch. Dann wechselt sie wieder die Klasse des größten Latenzgrades (Cm—) mit der Klasse Pe+, die inzwischen den kleinsten Latenzgrad einnahm. Sodann rückt der Latenzgrad des Bedürfnisses Cm— vom ersten Rangplatze (Serie 4) zum letz­ ten (5) und der des Bedürfnisses Pe+, d. h. das des «sich Reinwaschens, sich Reinigens», vom letzten zum ersten (Serie 5). Die Latenz Cm— bleibt aber nur vorübergehend am letzten Platze der Latenzgrad reihe ; in der näch­ sten Versuchsperiode (Serie 6) sehen wir sie wieder am ersten Platze; sie übernimmt neuerlich die füh­ rende Rolle in der Latenzgrad reihe. Die Patientin wird wieder hypomanisch. In der Serie 7 wechselt die Patientin die biäqualen Latenzgrade; in der Serie 6 war die Rangordnung: — ; —, in der Serie 7 wird die Rangordnung ^ i y . Es handelt sich also nicht nur um Wechsel der biäqualcn Klassen untereinan­ der, sondern aus der Latenz Cm~ wird eine Latenz Cd+. Eine Wandlungsform, der wir bei zirkulä­ ren Kranken oft begegnen, und die eben den besten Beweis dafür darstellt, wie streng die Richtung der Wandlung des Trieblebens beim Menschen genbiologisch bedingt ist. In der folgenden Serie drängt sich die zweitgrößte Latenz (Cd+) an den führenden Rangplatz; die Patientin gehört in die CW+-Klasse; sie ist stark depressiv, die Latenz des Bedürfnisses S rückt wieder zum letzten Rangplatz zurück (Serie 8). In dieser Serie gehört aber die Patientin in die biäquale — ; — Ventil-Klasse, d. h. sie will sich in der Depression reinwaschen vom Schmutz der Nymphomanie. Tat­ sächlich: sie hat die Absicht, in ein Kloster einzutreten. In der vorletzten Serie verliert die Vp die Biäqualität; die Latenz des Pe+-Bedürfnisses bleibt weiter an dem ersten führenden Rangplatz, sein Partner aber rückt auf den letzten zurück, und zwar in Form von

, d. h. die Tendenzspannungsdifferenz zwischen Cm und Cd ist minimal groß (1); die zwei Be­

dürfnisse, die Manie und die Depression, steuern sich gegenseitig. In der letzten, zehnten Serie drängt sich die Latenz Li™ wieder, wie am Anfang der Untersuchungen, auf den ersten Rangplatz vor, wobei die Latenz des Bedürfnisses C zum letzten Rangplatz zurückkehrt. Die Patientin zeigt also bereits dieselbe Rangordnung der Latenzgrade der vier Haupttriebe, wie vor einem Jahre.

290


Diese Wandlung wurde von uns vorerst als Zeichen einer Unhèilbarkeit ausgelegt. Erst die Katamnese, die wir 16 Jahre später, 1958, eingeholt haben, klärte die seelische Situation völlig auf. Die Patientin wurde nämlich Zahnarztgehilfin, heirate einen Zahnarzt und arbeitet mit ihrem Mann - ohne Rückfall- in einer Zahnpraxis. Die Rückkehr in die Klasse Ss— weist somit auf die Soyjalisierung der Aggression in dem Beruf und nicht — wie zur Zeit ihrer Krankheit — auf die Wendung des Sadismus gegen die eigene Person hin. Der Fall kann auch als Beweis dafür dienen, wie ernst man in der Berufsberatung die stärksten Triebgefahren, d. h. die Triebklassen nehmen sollte.

n

13. XI.—22. XI. 25. XI.—4. XII. 6. XII.—27. XII. 30. XII.—10.1. 17.1.—19. V. 26. V.—11.VI. 13. VI.—2. VII. 21. VII.—18. VIII. 20. VIII.—14. IX. 16.

IX—13. X.

15 — 14 — 13 —

Hypomanie

12 —

4%,

11 — 10 — 9— 8— 7— G— 5— 4—

Lib

3— 2— 1— —

i. SJ—

II. Cm~

III. Cm~

IV. Cm~

V. Pe+

VI. Cm~

VII. VIII. Ss—\i.Cd+ Cd+u.Pe+

IX. X. Pe+ Ss—\i.Schk+

Abb. 20. Jahreskurve der Triebklassen und Tendenzspannungsquotienten bei einem 23iährigen Mäd­ chen (Fall 13)

Wir könnten noch eine Menge ähnlicher Beispiele aus der Praxis vorführen, die die allgemeine These bestärken, nach der die Wandlung des Trieblebens eines Men­ schen ganz spezielle Regeln befolgt , die wir etwa so formulieren können : Im Trieb leben des Menschen kämpfen zumeist spvei Triebe um die führende Rolle sowohl in der Tatenz wie auch in dem Erscheinungsbild, und die s(wei Gegenspieler des Trieblebens wechseln sich in der Führung zeitweise ab. Die Gegenspieler sind aber so­ wohl genbiologisch wie triebpsychologisch fest aneinandergekoppelt, sie können einander nicht verlassen. Die Koppelung der Triebgegenspieler kann sich ent­ weder in Form einer Biäqualität in der Latenz, bzw. in der Erscheinung ent­ puppen, meistens aber in einem antagonistischen Triebschicksal. Das heißt: spielt ««, ZW,6 ZW, ro dkm Ar ab T#rungin dem Erscheinungsbild zu. Die Regelmäßigkeit in der Wandlung der Trieb­ situationen besteht nun darin, daß die %wei G egenspieler des Trieblebens ihre Rolle zeit­ weise wech seln: derjenige Trieb, welcher in der Latenz die Führung hatte, übergibt seinen Posten dem Gegenspieler, der bis dahin die Leitung im Erscheinungsbild hatte. Man bekommt den Eindruck, daß der Mensch dem Gegenspiel der Dialektik seiner Triebe kaum entkommen kann. Die antagonistischen Triebe repräsentieren im Trieb­ leben des Einzelnen die zwei in entgegengesetzten Richtungen wirkenden Kräfte einer Triebturbine, eines Triebwirbels, aus dem der Mensch selbst ohne Hilfe

291


Tabelle 14. Wandlung der Triebklassen während eines Jahres. Zehn Serienuntersuchungen eines 23jährigen Mädchens. Diagnose: Schi^omanie (?) Serien­ untersuchung Nr. 1. 1941 Profile: I.-X. vom 13. 11. bis 22. 11. Nr. 2 XI.-XX. vom 25. 11. bis 4. 12. Nr. 3 XXI.-XXX. vom 6. 12. bis 27. 12. Nr. 4 XXXI.-XL. vom 30. 12. bis 10. 1. 1942 Nr. 5 XLI.-L. vom 17. 1. bis 19. 5. Nr. 6 LI.-LX. vom 28. 5. bis 11. 6. Nr. 7 TXL-LXX. vom 13. 6. bis 2. 7. Nr. 8 LXXI.-LXXX. vom 21. 7. bis 18. 8. Nr. 9 LXXXI.-XC. vom 20. 8. bis 14. 9. Nr. 10 XCI.-C. vom 16. 9. bis 13. 10.

292

Reihe der Latenzgrade

Triebklasse

Tricbformcl

Ss —

p by; b

!

Drei-VentilKlasse

k d m e s

P

Cm —

0

Eine Gefahr

Ss Pe Schk Cm 4

Cm

2

2

Ss Schk

5 ' 1

1

Cm Schk

Pe Ss

Cm —

5 ' 4

10

Eine Gefahr

Cm Schk

S

10 '

3

00

Pe Schk

Ss Cm

3

10

2

P

d p m k hy e

Cm — Eine Gefahr

Pe + Drei-VentilKlasse

P d k m hy e h s d ~y m b s e hy k d m p by k e b s h k p d

f

Eine Gefahr

by s e m

Ss Cd Pe Sch

Tz — u. Cd +

6

Zwei Gefahren

5

4

5

2

3

O

-Cd Pe Schk _ Sh 4 ' 4

2

1

Pe Schk

Ss Cm

4

11

2

Ss Schk 4

4

Pe

C

10

b m by s k p

Cd + u. Pc T

e d by m e p

Zwci-VentilKlassc

s d h k

Pe +

d m hy

Drei-VentilKlasse

p h k s e

Ss — il. Schk T Drei-VentilKlasse

£ 0

9

£ ± ~ 14 ~ '

16 V = 1'8

b s

Cm —

Cm Ss Phy Sch

Tendenzspannungs­ quotient

h P by d m e s k

20 6

12 1

16 6

19 12

12 18

9 8

21 13

18 13

= 3,3

= 121

= 2,6

= 1,6

= 0,66

= 1,1

=1,6

=1,3


kaum herauszuschwimmen vermag - oft auch dann nicht, wenn ihm jemand die Hand zur Rettung hinstreckt. Es ist eben sein mitgebrachtes Zwangsschicksal, sein Leben von der Geburt bis zum Tode in diesem von den ganz individuellen Triebgegenspielern verursachten Triebwirbel zu verbringen. Oft vermögen wir diesen Triebwechsel genau so wenig aus unserem Seelenleben auszuschalten, wie es etwa ein vergeblicher Versuch wäre, den Wirbel in einem Flußstrom zu besei­ tigen. Für den Menschen gibt es nur eine Lösung: die Kraft des Triebwirbels auf einer höheren Lebensebene zu sozialisieren. Diese Sozialisierung des dem Men­ schen innewohnenden Triebwirbels ist aber eine schwere Aufgabe; wir können uns nicht wundern, daß so viele in diesem Triebwirbel untergehen. Nur wo das Ich und seine Verbindung mit dem Geist genügend stark ist, kann die Person aus ihrem Zwangsschicksal ein Freiheitsschicksal gestalten. Diese Erörterungen dienten dem Zweck, zu begründen, warum wir trotz Klassenwechsel doch berechtigt sind, den Einzelnen einer Triebklasse des mensch­ lichen Triebsystems einzureihen. Die Triebklasse gibt uns wirklich das genus proximum an, dem die Vp anlagemäßig angehört. *

2. Die Triebformel hilft uns, in der Bestimmung des Einzelnen noch weiter­ zukommen, eben dadurch, daß sie schon die «differentiae specificaer> an gibt, durch welche die Person als ganz individuelle von anderen Persönlichkeiten derselben «Triebgattung» abzusondern ist. Die Triebklasse orientiert uns über die Wurzelfaktoren, d. h. über die Konduktornatur, also diejenigen Triebbedürfnisse, die, wegen ihres Unbefriedigtseins, die drohende Triebgefahr, den Triebwirbel verursachen. Die Person kann ja aber ganz verschiedene Notausgänge, Triebventile, dazu benützen, um sich aus der Triebgefahr zu retten. Die Triebklasse orientiert uns nicht über die Qualität der «ausgewählten» Notausgänge. Die Triebformel hingegen gibt uns nicht nur die krankmachenden, charakterbestimmenden Wurzelfaktoren an, sondern sie benach­ richtigt uns in exakter Form über diejenigen Notausgänge, die der Vp anlage­ gemäß zur Verfügung stehen, um im Triebwirbel nicht zu versinken. An der Stelle des Zählers stehen ja in der Triebformel die Leitbuchstaben der Symptom­ faktoren, die eben die möglichen Triebventile angeben. Die Besonderheit des Einzelnen entpuppt sich eben darin, daß er aus derselben Triebgefahr, die auch die anderen Mitmenschen bedroht, gerade durch diesen und nicht durch einen anderen Notausgang zu entfliehen vermag. Die Spezifität der individuellen Notausgänge, die wir an Stelle des Zählers in der Triebformel ablesen können, sind eben diejenige «differentiae specificae», welche die feinere, schon ganz individuelle Bestimmung des Menschen ermöglichen. Durch vergleichende Familienuntersuchungen wurde festgestellt, daß auch die «Auswahl» der geläufigsten Notausgänge (der Triebventile) familiär ist. Das heißt: diejenigen Individuen gebrauchen am leichtesten die epileptischen, hysterischen, narzißtischen, autistischen und andere Notausgänge, in deren Familie manifeste Epileptiker, Hysteriker, katatone Individuen gehäuft vorkommen. Die Triebformel eines Menschen kann sich aber im Laufe der Zeit genau so

verändern, wie die Tricbklasse selbst. 293


strengen Regeln, genau so, wie die der Triebklassen. Triebklasse und Triebformel hängen ja i nnig miteinander zusammen, sie werden von dem gleichen Spiel der Triebfaktoren bedingt. Hier sollen nur diejenigen Regeln erwähnt werden, welche in der Wandlung der Triebformeln leicht aufzufinden sind. a) Aus dem Symptomfaktor wird ein Wur^elfaktor, d. h. ein bis dahin befriedigtes Bedürfnis wird vorübergehend unbefriedigt. In der Triebformel der erwähnten Patientin (siehe Tab. 14, Serie 1-2) wird aus dem Symptomfaktor/' in der zweiten Serie ein Wurzelfaktor. In den nachkommenden Serien 3, 4 und 5 bleibt der Faktor h in der Reihe der Wurzelfaktoren, bis er plötzlich in Serie 6-7 wieder Symptomfaktor wird. Die Patientin be­ friedigt demnach wieder ihren homosexuellen Zärtlichkeitsanspruch. Eine ähnliche Wandlung ist festzustellen im Triebschicksal des Faktors d. In der Serie 2, 3, 4, 5 und 6 figuriert der Faktor d ständig in der Reihe der Symptomfaktoren, d. h. die Patientin befriedigt ihr anales Bedürfnis, und zwar — wie wir es aus der Krankheitsgeschichte erfahren — in Form von zeremoniellen Zwangsklistieren (Einspritzungen zwecks Darmreinigung) und analer Onanie. In der Behandlungs­ phase der Serie 7 wird die Patientin depressiv und gibt die Zwangsmanipulationen mit den Klistieren vor­ übergehend auf, infolgedessen wird aus dem Symptomfaktor d plötzlich ein Wurzelfaktor; in der Serie 9 sehen wir aber den Faktor d wieder in der Reihe der Symptomfaktoren: sie befriedigt wieder ihre analen Ansprüche.

b) Die Wandlung der Triebfaktoren kann eine entgegengesetzte Richtung ein­ schlagen : die Patientin kann einen bis dahin unbefriedigten Anspruch plötzbeh befriedigen, d. h. es wird aus dem Wuraplfaktor ein Symptomfaktor. Der Faktor m ist in Serie 6 der dynamischste Wurzclfaktor. Die Patientin ist völlig vereinsamt, sie ist unfähig, sich an irgendein Objekt zu klammern. In der nächsten Serie (7) beginnt sie sich schon an ein Objekt anzuklammern, der Faktor m wird submanifest, um dann in der folgenden 8. Serie schon als Symptomfaktor zu figurieren.

c) Eine oft vorkommende Form des Faktorenwandelns ist diejenige, bei der aus dem Symptomfaktor ein submanifester, oder umgekehrt aus dem submanifesten ein Symptomfaktor wird. Der Faktor p ist in Serie 1 der leitende Symptomfaktor, wird aber schon in der zweiten Serie sub­ manifest, in der Serie 3 übernimmt er wieder seine führende Rolle, um in der Serie 4 wieder submanifest zu werden (Fall 13).

Trotz dieses Faktorenwandelns im Laufe der Zeit, haben wir den Eindruck gehabt, daß die T riebformel eines Menschen doch ziemlich umweltstabil ist. Die Umwelt­ stabilität bezieht sich nämlich erstens auf die möglichen Richtungen, zweitens auf die Qualität der Wandlung. Denn erstens sind es immer dieselben Faktoren, die ständig oder fast ständig Wur^elfaktoren bleiben; z. B. in dem obigen Falle der Faktor .r, wel­ cher von zehn Serienuntersuchungen dc/iAwa/ Wurzelfaktor blieb und nur zweimal sublatent war (Serie 6 und 7). Zweitens sind es immer dieselben Faktoren, die einer

IPW&qg M2,

djar/'/ow/akor (W wwgaWr/,) /äkg JvW. (In unse-

rem Beispiel die Faktoren h, m, hy, d.) Eben die individuelle Triebstruktur der Patienten sichert die relative Umweltstabibtät der Triebklassen und Triebformeln. Wir betonen hier die Relativität der Umweltstabilität; die Stabibtät ist nicht so absolut, wie etwa die der Zugehörigkeit zu einer Blutgruppe. Die Triebklasse und Triebformel des Individuums können in der Kontinuität der Zeit eine Wandlung erfahren, aber - und das ist eben das Wesentliche - die Richtung der Wandlung und die Qualität der sich wandelnden Faktoren scheinen dennoch stabil %// bleiben. Wäre es anders, so wäre es wirklich ein vergeblicher

294


Versuch, einen Trieblinnäus des Menschen aufstellen zu wollen und den Menschen zu erziehen oder therapeutisch umzuerziehen. *

3. Der Tenden^spannungsqiwtient dient bekanntlich zur experimentellen Bestim­ mung des Verhaltens, der Lebenshaltung, des Behaviours der Versuchsperson. Bei Triebgesunden ist der TspQu relativ umweltstabil, er zeigt eine Schwan­ kungsbreite 1-3. Die starte Größe des TspQu unter 1, wie die enorm große Schwankungsbreite z. B. von 0,5 bis über 10, ja sogar bis oo ist psychodiagnostisch gut zu verwenden. Die Starrheit der TspQu ist bekanntlich bezeichnend für Zwangsmechanis­ men, katatone Erscheinungen, schizoide Lebenshaltung. Die zu große Schwan­ kung hingegen ist ein Hinweis auf hysteriformes, epileptiformes, zirkuläres Be­ nehmen. Als Beispiel führen wir in Abb. 20 die Jahreskurve des TspQu der vorigen Patientin vor, deren zehn Serienuntersuchungsergebnisse die Tabelle 14 be­ inhaltet. Die Kurve demonstriert: 1. die große Spannungsbreite des TspQu bei der Patientin (von 0,6 bis 12), 2. die tiefwurzelnde Beziehung des TspQu zu der entsprechenden Triebklasse. Die Größe des TspQu erreicht ihren Gipfel (12) in derjenigen Phase, in wel­ cher die Hypomanie kulminiert. Hingegen sinkt sie unter die Größe 1 in der Phase der Zwangsmechanismen und des Sadomasochismus (Serie I und VII). *

Es gibt noch eine Wandlung im Trieb leben des Menschen, die unsere Auf­ fassung bezüglich der relativen Umweltstabilität, bzw. relativen Umweltlabilität der Triebklassen, Triebformeln und Tendenzspannungsquotienten bekräftigt. Es ist die Wandlung der Triebklassen und Triebformeln mit den Jahren. Tabelle Nr. 15 gibt uns eine Übersicht über diese physiologische Wandlung. Auf Grund dieser Tabelle können wir auf die Beziehung ^wischen Alter und Trieb­ schicksal folgende Schlüsse ziehen : Unter normalen Verhältnissen gehört der Mensch von der ersten, infantilen Pubertät, d. h. vom dritten Lebensjahr bis zum Greisenalter (90 Jahre) im allge­ meinen nur zwei Triebklassen an, und zwar der Trieb Masse Cm und Sb. In die Klasse Cm~, also in die der «Verlassenen, der Vereinsamten» gehören: 1. Kinder in der Trotzperiode, also die 3—4jährigen; 2. Kinder im Einschulungs­ alter, also die 7-8jährigen; 3. Kinder in der Präpubertät, also die 9-12jährigen; 4. Kinder am Anfang der zweiten, juvenilen Pubertät, d. h. zwischen 13-16 Jahren. In die Klasse Cm+, also in die der «Sich-Anklammernden», gehören: 1. Ju­ gendliche am Ende der zweiten Pubertät, also die 17-18jährigen; 2. Erwachsene im Familiengründungsalter, also die 30—40jährigen; endlich 3. Erwachsene zu Beginn des Alterns, also die 60-70jährigen. In die Klasse Sh+ gehören 1. Kleinkinder von 5-6 Jahren; 2. Jünglinge von 19-20 Jahren; 3. Erwachsene in den Wechseljahren, also 41-60jährige und 4. Alternde und Greise zwischen 70 und 90 Jahren.

295


Tabelle 15. Wandlung der Triebklassen und Triebformeln mit dem Lebensalter

Lebensalter

Trieb­ klasse

Erste Pubertät Trotz­ periode. 3-4jährige Kinder n = 75

Cm —

Kindergartcnalter Latenzperiodc (Freud). 5-6jährige Kindel n = 150

Sb +

Reihe der Latenzgrenze

Cm

Sb

Pby Sch

6,5 ' 3,8 ' 3 Sb

Cm

0

Pe Scbp

17,5 ' 8 ' 5,7 ' 5,5

Tendenzspannungsquotient abgekürzte vollständige Trietbformel

e d

e d by s

p k

b m p k

by_ b

Einschulungs alter 7—8jährige K inder n = 100

Cm —

Präpubertät 9-12jährigc Kinder n = 125

Cm — Pby —

Anfang der zweiten Pubertät 13-16 jährige n = 200

Cm —

Ende der zweiten Pubertät 17-18jährig n = 175

Cm -[-

Alter der Berufswahl 19-20jährige n = 100

Sb + Pby —

Sh

Pby

Schk

C

« P

11

11

8

O

b

Jugendalter 21-30jährig n = 300

Sb + Cm -f

Sb

Alter der Familicngründung 31-40jährig n = 300

Cm +

Wechselalter, Klimax, das «gefähr­ liche Alter» 41-60jährig n = 250

Sb +

Anfang des Alterns 61-70jährig n = 250

Cm + S h+

In den Jahren des Alterns. 71—80jährig n = 84

Sh +

Das (3reisenalter. In­ volution. 81—90jährig n = 45

Sb +

296

Cm

Sb

Pe Scbp

m b

20,0 ' 14,0 ' 5,0 ' 1 Cm

Pby

Sb

14,5

Cm

d

d e k p by m s b

' 4,5

b

Pby

Ss

Sch

d s

Cm Pby Schk 6

e d b

Pby Scbp

d

19

10 ' 5 ' 1,4

b

Sb

Pby Schk Cm

e

22

10

5,6 ' 2,8

h

Sb

Scbp

Pby

e d

19,6 ' 17,8 ' 11,5 11,6

P b

Sb

Scbp

Pby

Cm

33,5 ' 27 '16,6 ' 14 Sb

Pby

29 ' 24,4

Scbp

C

22 ' 0

ds ~P~ e ~T

2,0

m h e dp

Sb

21,6 ' 9,7 ' 3,4 ' 0

Cm

e ds

e

5

Cm Sb

h

m h

9 '

1,6

by k p

7

Pby Scbp

17 ' 15 ' 12

by d k ep s m

Schk

21,6 ' 20 ' 17,6 ' Cm

by

1,7

k by s

1,6

m b 1,7

d e p k m hy b s

1,6

ep m d by

1,6

s k h e d p s by k m

1,77

b d e s by k p

1,8

m k e d m s hy p k

2

h e d s by k

1,5

m p b d s e k m hy

2,5

h p e s k d m by h p

2,0


In biäquale Triebklassen gehören: 1. Kinder in der Präpubertät: Cm Phj~~; 2. Jugendliche im Alter der Berufswahl (19-20 Jahre) = Sh+ Phy~. Ist jemand Vertreter einer der übrigen Triebklassen, so bedeutet dies, daß er entweder Konduktor von krankhaft starken P-, W-Tricbanlagen ist, die in irgendeiner Form sozialisiert werden; oder aber, daß er krank ist. Es sind also nur zwei Bedürfnisse, die unter normalen Zuständen eine perio­ dische, umweltstabile Triebgefahr für den Menschen bedeuten: 1. das Bedürfnis nach gleichgeschlechtlicher Zärtlichkeit (Homosexualität), 2. das Anklammerungsbedürfnis. Beide Bedürfnisse sind die phylo- und ontogenetisch ältesten Triebansprüche des Menschen, die auf dem Wege der Menschwerdung und der ontogenetischen Entwicklung in die Latenz verdrängt werden, von wo aus sie das Triebleben des Menschen lenken und ständig gefährden können. Einen weiteren Beweis für die relative Umweltstabilität des menschlichen Trieblebens liefert uns die Wandlung der kollektiven Triebformeln mit den Jah­ ren. Die Tabelle Nr. 15 zeigt uns klar, daß zwei Triebfaktoren, und zwar die Fak­ toren d und e, in den Triebformeln das ganze Leben hindurch als Symptom­ faktoren fungieren. Aus derselben Tabelle geht ferner klar hervor, daß der Ten­ denzspannungsquotient vom 3. bis zum 90. Lebensjahr fast dieselbe Größe behält, von 1,6-2,5.

VI. Die Bestimmung des Individuums mit Hilfe des Trieblinnäus 1. Metbode des Trieblinnäus Die erörterten Tatsachen gaben uns den Mut zur Aufstellung eines Trieb­ linnäus des Menschen. Die einzelnen Schritte der Bestimmung des Individuums auf Grund des Trieb­ linnäus sind demnach die folgenden : 1. Wir verfertigen zuerst minimal 8-10 Triebprofilaufnahmen. 2. Wir übertragen die Ergebnisse der einzelnen Triebprofile mit Richtungs­ zeichen (+, —, 0) in die Tendenzspannungstabelle (siehe Fall 12). 3. In dieser Tabelle wird sowohl für jede Aufnahme (horizontal) wie. für jeden Faktor (vertikal) die Größe der S 0, S ± bestimmt, ferner die tägliche (horizontale) und faktorielle (vertikale) Größe 2 0 und 2 A, d. h. der tägliche, bzw. faktorielle Tendenzspannungsgrad. 4. Dann bestimmen wir die vier vektoriellen Tendenzspannungsdifferenzen und 5. die Rangreihe der Latenzgrade. 6. Auf Grund der Latenzgradreihe wird die aktuelle Triebklasse festgestellt. 7. Auf Grund der acht Tendenzspannungsgrade können wir die abgekürzte und vollständige Triebformel aufstellen. 8. Sodann stellen wir die Größe des Tendenzspannungsquotienten fest. 9. Im Besitz obiger Resultate bestimmen wir die Vp auf Grund der Triebklasse und Triebformel in der entsprechenden «Trieblinnäustabelie».

297


Aus technischen Gründen erscheinen die Linnäustabellen Nr. I-XXXII separat unter dem Titel: «Menschenbestimmung mit Hilfe der Linnäustabellen auf Grund von 5086 Fällen.» (Huber, Bern und Stuttgart, 1959, Band III.) 10. Die einzelnen Tabellen des Trieblinnäus wurden für jede Triebklasse empi­ risch zusammengestellt und beinhalten: a) horizontal: die sieben Variationsmöglichkeiten der in der betreffenden Triebklasse möglichen Triebformeln, und zwar in abgekürzter Form; b) vertikal: die speziellen Variationen der Triebformeln mit der empirisch gefundenen Krankheits-, bzw. Charakterdiagnose. Das Leben eines Menschen ist zu kurz, um alle Schicksalsmöglichkeiten der normalen und kranken Triebstrukturen in ihrer Besonderheit erfassen zu können. Das ist die Ursache, warum die Trieblinnäustabellen derzeit noch so unvollständig zusammengestellt sind. Wir konnten bisher nur die am häufigsten vorkommenden Triebkrankheiten (Neurosen, Psychosen, Verbrechen) und Altersgruppen in den Trieblinnäustabellen verzeichnen. Die Lücken können nur durch geduldige Wei­ terforschung langsam, allmählich ausgefüllt werden. Eben auf diesem Gebiete erwarte ich von den nachfolgenden Forschern wichtige Ergänzungen. Die praktisch wichtigsten Trieblinnäustabellen sind in dem erwähnten Band III (Nr. I-XXXII) zu finden. Sie geben eine Übersicht über die häufigsten Schick­ salsmöglichkeiten der Triebklassen. Bei der Auswahl dieser Tabellen führten uns zwei Gesichtspunkte. Erstens: wir bringen derzeit nur jene Trieblinnäustabellen, die in der pathopsychologischen Diagnostik eine wichtige Rolle spielen. Zweitens: wir bringen nur jene Tabellen, die wir mehrere Jahre hindurch in der Praxis tagtäglich über­ prüfen konnten. Wir betonen hier, daß auch diese Trieblinnäustabellen nicht voll­ ständig sind. Sie beinhalten eben nur diejenigen pathologischen Schicksalsmög­ lichkeiten, welche für die praktizierenden Psychiater und Psychologen wichtig sind, die sich mit Neurosen und Psychosen beschäftigen. Von den normalen Schicksalsmöglichkeiten beinhalten diese Tabellen nur die Altersklassen, ohne Angabe jeglicher Charakterunterschiede. Im nächsten Kapitel werden wir die Triebklassen ausführlich beschreiben. Vorher wollen wir aber ein Beispiel geben, wie man den einzelnen Menschen im Triebsystem mittels der Methode des Trieblinnäus bestimmen kann. 2. Beispiel zur Anwendung der Trieblinnäusmethode in einem Fall j?iit einer Gefahr Fall 12. 65jährige Schauspielerin, über die wir bei den Erörterungen über die Triebklasse schon kurz referierten. Wenn wir die verfertigten 15 Triebprofile in Richtungszeichen in die Tendenz­ spannungstabelle übertragen, so bekommen wir folgende Tabelle:

298


Tenden^spannungstabelle einer 65jübrigen Schauspielerin Aufnahmen Nr. Datum

J h

J

p

Sch

e

hy

k

P

d

c

m

I

1940 24. 1.

+ !!! 0

0

+

—1

II

25. 1.

+!

0

+

+

III

26. 1.

+n

0

+

±

0

IV

27. 1.

+

0

±

±

0

V

31. 1.

+

!!! 0

+

0

VI

10.2.

+ 11!

0

0

0

VII

15. 2.

+

ü

0

VIII

22. 2.

+

11

0

IX

27. 2.

+ 11!

0

X

28. 2.

+

XI

29. 2.

+ !!!

XII

4. 3.

XIII

Fall 12 Tägliche TspG S 0 S db S 0 u. ± 0

2

1

0

1

2

1

3

+

2

2

4

0

3

0

3

+

±

3

1

4

+

+

1

0

1

0

+

— II

+

2

0

2

0

0

0

+

4

0

4

+

+

1

0

1

0

0

0

—!

+

3

0

3

+ !!

+

0

+

M

0

2

0

2

30. 3.

+ !!!

0

0

+

2

0

2

XIV

9. 4.

+ II!

0

+

0

2

0

2

XV

10. 4.

+

— II

0

1

0

1

s

0

2 Tendenzspan­ nungsgrad : TspG

!!! 0

+ !!! +

0

13

5

5

3

0

5

0

0

0

1

1

1

0

0

1

0

13

6

6

4

0

5

1

2

31

. 4

35

Tendenzspannungsquotient = —= 7,7

A. Die Bestimmung der Triebklasse geschieht auf Grund der Rangreihe der Latenzgrade : s — h = 13 — 0 = 13 Sh+ (J — m — 5 — 1= 4 Cm" k — p = 4 — 0 = 4 Schp ~ e — hy = 6 — 6 = 0 Pe hy Die Rangreihe der Latenzgrade gestaltet sich demnach wie folgt: Sh+ ' ' ' Cm~\ 13

4

Schp—1 1

Pe hy

4

0

Die Patientin ist demnach Vertreterin der Triebklasse |Sb+ \ mit einer Gefahr.

299


Auf Grund dieser Feststellung müssen wir an folgende triebpsychologische Situa­ tion denken: 1. Bei der Patientin wird die Triebgefahr durch das latente, dynamische, ontogenetisch ältere, bisexuelle (bzw. homosexuelle) Bedürfnis bedingt. 2. Bekanntlich sind die geläufigsten Triebventile der Klasse SA: a) die Uberbetonung der Männlichkeit; b) die Aggression; c) eventuell Wen­ dung gegen die eigene Person; e) in krankhafter Form: Hysterie,Hysteroepilepsie, paranoide Wahnideenbildung. (Siehe Beschreibung der Triebklasse SA.) D a die Patientin der Triebklasse SA+ angehört, so müssen wir an folgende Schicksalsmög­ lichkeiten denken (siehe Beschreibung der Klasse SA+) : 1. Normale Alternde und Greise; 2. Sich selbst beschuldigende, sich quälende, ständig lamentierende paranoide Depressive; 3. Angstneurotiker; 4. Pyromane; 5. Kleptomane, die sich in ihrer Einsamkeitsangst für den Objektverlust durch Diebstahl entschädigen ; 6. Hysteriker, Hysteroepileptiker, eventuell Psychosis hysterica; 7. paranoide Schizophrene, Schizomane, d. h. im zirkulären Mantel erschei­ nende paranoide Schizophrene; 8. Raubmörder; 9. Homosexuelle; 10. Süchtige usw. Welche von den oben genannten Schicksalsmöglichkeiten betrifft nun unsere Patientin? Eine Frage, die wir nur mit Hilfe der Triebformel entscheiden können. B . A uf s t e l l u n g d e r T r i e b f o r m e l Um die Triebformel der Patientin aufstellen zu können, müssen wir zuerst auf Grund der Tendenzspannungstabelle die Rangreihe der faktoriellen Tendenz­ spannungsgrade bestimmen. Awgrf/A; ^r/aé/or/g/Aa Rangordnung

W g,/;gr dj/ä^g« JaWj/wg/gr/,, I

H

III

IV

V

VI

VII

VIII

s

e

by

d

k

m

P

b

Tendenzspannungsgrade

13

6

6

5

4

1

0

0

Symptomatische Reaktionen

0

0

0(±)

±

Andersartige, bzw. Wurzel­ reaktionen

(+)

+

— !!

+ ! ! !

Die abgekürzte Triebformel:

0 ( ± ) 0 (±) —

+

!

Die vollständige Triebformel :

s

b

n..,0

c„°

ds' k,? />«-'1 b0+ : ! !

300


Im Besitz der zwei Triebformeln ist es nun leicht, auf Grund der Trieblinnäustabelle Nr. Ia Gefahrklasse Sh+ die Diagnose der Patientin zu bestimmen1. In der Trieb Unnaustabeile der Klasse Sh+ suchen wir zuerst in der horizon­ talen Rubrik die abgekürzte Triebformel y auf, nachher in der vertikalen Rubrik die vollständige Triebformel. (Hier sei erwähnt, daß die Triebformeln in den Trieblinnäustabellen immer ohne die mittleren, submanifesten, bzw. sublatenten Themafaktoren figurieren.) In der Rubrik I y unter Nr. 4 steht die gesuchte Trieb­ formel der Patientin mit der Diagnose: Psychosis hysterica, hysteroepileptica, paranoide Schiyomanie. Der Tendenzspannungsquotient = ^

— = 7,7, also hoch. Die Größe des

TspQu ist ein Hinweis darauf, daß die Patientin unruhig ist. Ein Kurzreferat über die Kranke lautet wie folgt (Auszug aus der Krankheits­ geschichte des staatlichen Königl. Ungarischen Irrenhauses in Budapest-Lipötmezö) : «Patientin wurde seit ihrem 24. Lebensjahr mit kürzeren Unterbrechungen in verschiedenen Asylen behandelt. Eine Tante und zwei Schwestern der Patientin starben im Irrenhaus. Die Kranke war Schau­ spielerin, versuchte oft Selbstmord zu begehen. Sie war Insassin obigen Asyles zum ersten Male vom 4. 10. 1919 bis 30. 5. 1921. Damals war sie 45 Jahre alt. Nach ihrer bereits vor 23 Jahren geschrie­ benen Krankheitsgeschichte hatte die Patientin im Asyl Halluzinationen, Visionen, in denen sie sich von Mör­ dern verfolgt fühlte. Sie schrie ständig: ,Dort kommt er...' (nämlich der Mörder). Sie beschimpfte ihre Umgebung ständig mit schmutzigen Worten. Vorübergehend beruhigte sie sich, und man konnte sie mit Hausarbeit beschäftigen. Im Mai 1921 ging sie nach Hause, aber schon am 1. 2. 1923 mußte man sie wegen Verworrenheit wieder ins Asyl aufnehmen. Damals war sie unruhig, mürrisch, sprach viel und spielte oft mit ihrem Kot (d = 0). Sie beklagte sich, daß sie vom Schicksal verfolgt wäre. Am 12. 8. 1923 wird sie porioman, entflicht aus dem Asyl, vagabundiert und kommt erst am 29. 11. 1923 ins Asyl zurück. Lacht lustig über ihr Ausreißen und spricht einen .Wortsalat'. Stimmung sehr bedrückt, Gedächtnis schwach. Im Jahre 1924—25 arbeitet sie wieder und ist ruhiger. Der Tod der Mutter (1. 4. 1925) löste bei der Patientin wieder Verworrenheit aus, sie sang und weinte abwechselnd. In dieser Zeit verdächtigt sie stark ihre Umgehimg (Schp~] 1 ). Man war gezwungen, sie in eine Einzelzellc zu sperren, wo sie oft einnäßte und die Wände ihrer Zelle mit Kot verschmierte (Schp). Dieser Zustand verschwand nach sechs Wochen. Im März 1926 verschlimmerte sich ihr Zustand wieder, sie zeigte ähnliche Symptome, wie vor einem Jahre. Ist oft verworren, sehr laut, stiehlt Geld und kauft sich Süssigkeiten dafür. Im Jahr 1935 verspürt sie, daß ihre Brüste wunderlich zu wachsen beginnen; sie glaubt, sie sei gravid (Jiy!). Ruhige und unruhige Zu­ stände wechseln ab. Im 1938 arbeitet sie wieder, schläft ruhig. Hie und da ist sie aber wieder zu laut und beschimpft die anderen Kranken (Cm—\Schp-'-1 ).Bis 1938 hateteihceDiagriose: Psychosis hysterica. Erst im November 1939 wurde die Diagnose auf Psychosis maniacodepressiva u mgeschrieben. Sie schwatzt ständig, lobt sich selbst, sagt, daß in ihrer Familie viele Künstler seien; sie selbst war Schauspielerin, da sie aber ,plump' wurde, wurde sie Schneiderin. Ihr Reden ist,Wortsalat', verwechselt die Daten der Vergangen­ heit, ist aber im Zustand der Hypomanie noch ziemlich orientiert. Am 26. 1. 1942 zeigt sie dem Arzt ein blutiges Taschentuch und sagt, sie hätte einen Blutsturz gehabt. Sie wird in das Spitalzimmer eingeliefert. Bei der ärztlichen Visite wirft sie sich nieder auf den Divan, ihre Glieder werden steif, aus dem Munde fließt Schaum, sie wird ohnmächtig. (Der Anfall hat einen hystcro-epileptischen Charakter.) Kommt rasch wieder zum Bewußtsein, wirft die Augengläser zu Boden und zerreißt ihre Decke (Pe hy). In den nächsten Monaten ist sie überlaut, putzt sich auf (Sh+ Cm— l). Dann ist sie zeitweise ruhig, zeitweise zän­ kisch, spricht, singt, lacht maß- und zügellos, läßt ihren Harn unter Gelächter in die Kaffeetasse. In­ zwischen arbeitet sie. Den 10. 9. 1940 wird sie aus dem Asyl entlassen.»

Die experimentelle Diagnose stimmt also mit den klinischen Beobachtungen und der Diagnose des Asyls völlig überein. Es ist erstaunlich, daß die Patientin beinahe alle Schicksalsmöglichkeiten der Klasse Sh+ teils in Wirklichkeit, teils in ihren Wahnideen durchlebte. Sie war Schauspie'Siehe Band III: «Menschenbestimmung mit Hilfe der Linnäustabellen ». Huber, Bern und Stutt­ gart, 1959.

301


lerin, ein Beruf aus dem Erbkreis hj, hatte, wie wir aus der Krankengeschichte sahen, hysteroepileptische Anfälle, wurde vorübergehend porio- und kleptoman, hatte Angstzustände, in denen sie ein Mörder verfolgte, hatte auch andere VerfolgungsWahnideen, hat sich oft wie eine paranoid Schizophrene benommen und zeigte dabei die Symptome einer Manie. Unseres Erachtens handelt es sich bei ihr um eine Schizomanie, d. h. um eine im Mantel der Manie verborgene paranoide Schizophrenie, die, als sie jünger war, als Psychosis hysterica diagnostiziert wurde. (Cm~\ Schp~~x 1 als Ventil). Die Ursache der Erkrankung war aber die unbefriedigte Zärtlichkeit (Sh+]UI13). Das ist die übliche Art, wie wir mit Hilfe der Trieblinnäusmethode die mögliche Diagnose aufstellen können. Diese Diagnose ist aber nur eine der möglichen Schicksalsformen. Kapitel XXI

BESCHREIBUNG DE R WICHTIGSTEN GEFAHRKLASSEN I. Hauptklasse Sh Klasse der in der Liebe Zu-kur^-Gekommenen Klasse der latenten Bisexuellen Bei Vertretern dieser Klasse finden wir im allgemeinen zwei Quellen dieser besonderen Triebgefahr: Erstens die unbefriedigte Liebe, e in Zustand, der die häu­ figste Not in jeder Bevölkerung der Erde darstellt. Zweitens: die unbefriedigte Bisexualität, welche als ontogenetisch älteste Form der Sexualität in jedem Men­ schen latent lebenslänglich vorhanden ist. Bei normalen Individuen dient als Triebventil die Überbetonung der Männlichkeit, Aktivität und Aggression; sel­ tener die Wendung gegen die eigene Person. Sozialisierte Personen zeigen Charak­ terzüge von Ritterlichkeit, Selbstaufopferung. Kranke Individuen versuchen sich aus dieser Triebnot durch die Notausgänge der hysteriformen, epileptiformen paranoiden Anfälle zu retten. 1. Triebklasse Sh+

Klasse der latenten Bisexuellen und kindisch Gewalttätigen Das Triebschicksal der Vertreter dieser Klasse wird durch das unbefriedigte Zärtlichkeitsbedürfnis und die Bisexualität bestimmt. Für den Verlust des Objektes, von dem sie bis dahin Zärtlichkeit empfingen, versuchen sie sich gewalttätig zu entschädigen. Ein Bedürfnis allerdings, welches wir mit Recht als einen alltäglichen menschlichen Anspruch anerkennen müssen. Es ist also nicht erstaunlich, daß nebst der Klasse Cnr~ eben die .W+-Klasse auch von den Normalen am stärksten besetzt ist. Wir können den Triebmechanismus dieser Klasse wie folgt charakterisieren:

302


Nach Verlust des Urobjektes, der Mutter, bzw. des alten Objektes, geraten Menschen dieser Klasse in den düsteren Zustand der Vereinsamung. Sie vertragen die Einsamkeit schwer und gehen auf Suche nach einem neuen Objekt, um ihre Zärtlichkeitsbedürfnisse befriedigen zu können. Daher die fast ständige -f- h- un d -f- ^/-Reaktion bei den Vertretern dieser Klasse. Auf der Suche nach einem neuen Objekt können sie aber sehr gewalttätig auftreten, daher die Reaktion 0 s. Gesunde Individuen linden ein neues Objekt und verlassen die Klasse Sh+. Krank werden diejenigen, die das Zärtlichkeitsobjekt im Laufe des Lebens nie finden können. Sie bleiben an das Triebschicksal des unbefriedigten Zärtlichkeitsbedürfnisses lebenslang gebunden. Die normalen Lebensphasen, in denen die Menschen in der Klasse Sh+ verweilen, sind die folgenden: 1. Kleinkinder von 5-6 Jahren; 2. Jünglinge von 19-20 Jahren; 3. Erwachsene in den Wechseljahren 41-60, 4. Alternde und Greise zwischen 70 und 90 Jahren (Trieblinnäustabelle Nr. Ic, Rubrik II, im Band III «Menschenbestimmung...»). Die kranken Schicksalsmöglichkeiten dieser Klasse sind im besonderen: 1. Beklemmung, Angst; 2. Poriomania, Vagabundieren; 3. Stehlen, wobei das Stehlen - besonders bei Kindern und Jugendlichen eine Entschädigung für das verlorene Zärtlichkeitsobjekt ist; 4. Einbrechen und Mord; 5. Epilepsie, bzw. Hysteroepilepsie ; 6. Paranoide Depression; 7. Paranoide Schizophrenie, bzw. Schizomania; 8. Sucht; 9. Homosexualität; 10. Sublimierung der Einsamkeit und des Zärtlichkeitsverlustes auf dem Wege von « Homo-sacer»-Berufen, wie Mönch, Nonne, Pfarrer, oder in sadohumanistischen Professionen, wie Kritiker. Aus dieser Aufzählung wird klar, daß der Mensch nach Verlust des Zärtlich­ keitsobjektes aggressiv wird. Die Aggression wird entweder gegen die eigene Per­ son gewendet (Angst, Epilepsie, paranoide Depression), oder gegen die Mitmen­ schen (Stehlen, Einbrechen, Mord). Nur die Auserwählten sind sublimierungsfähig (Homo sacer). Der Umstand, daß fast die Hälfte der Menschen in einzelnen Abschnitten ihres Lebens der Triebklasse Sb+ angehören, hat aber auch eine andere Ursache. Der Faktor h - wie wir wissen - bedeutet in unserem Triebsystem auch das ontogenetisch ältere bisexuelle Bedürfnis. Nun eben das bisexuelle Bedürfnis, welches lebenslang unbefriedigt im Menschen lebt, verursacht es, daß so viele die ontogenetisch alte Klasse Sh+ nicht verlassen können. Um diese Klasse verlassen zu können, muß ein anderes Triebbedürfnis in seinem Unbefriedigtsein noch stärker, noch dynamischer werden als der ontogenetische Anspruch auf Bisexualität. Zu­ meist ist dieses stärkere Bedürfnis: der Drang, sich anzuklammern. Darum ist nebst der Klasse Sh+ eben die Klasse Cm~ die am dichtesten besetzte Klasse un­ ter den Normalen (siehe Tabelle 15). Die Verteilung der Kranken in den Triebklassen ist eine andere. Von den neu­ katalogisierten 969 schweren Fällen gehörten 536 den Gefahr- und 433 den Ventil­ klassen an. Unter den Gefahrklassen führen: Phy~ (100 Fälle), Sh+ (73 Fälle),

303


Schk (49 Fälle) und Cm+ (48 Fälle). Die Häufigkeitsrangreihe der Ventilklassen ist die gleiche: Phj~ (67 Fälle), Sh+ (66 Fälle), Schk~ (39 Fälle), Cm+ (32 Fälle). Die übrigen Fälle figurieren

in den hier nicht angeführten Klassen mit niederen Häufigkeitswerten.

2. Triebklasse Sh~ Klasse der aktiven, militanten Humanisierten Eine seltene, extreme Menschenvariation. Sie sind die Beschützer von allem, was «human» ist. Ihre Aufgabe ist die Humanitas militans: Missionare, Missions­ ärzte, Missionsschwestern, Mönche, humanistische Schriftsteller, Hygieniker, Psychologen, Psychiater, Psychobygieniker usw. Ihre Krankheitsformen: das Paranoid, inflative Neurose, Depression. In der Jugend: Verwahrlosung.

II. Hauptklasse Ss Klasse der Sadisten und Masochisten Die Triebgefahr ist durch das unbefriedigte Männlichkeitsbedürfnis, nicht sel­ ten durch den Sadismus, bedingt. Die Vertreter dieser Klasse stellen den Anspruch, mit dem Partner eine unzertrennbare Doppeleinheit, eine sogenannte «.Dual­ union» zu bilden, wie einst mit der Mutter: In dieser Dualunion spielen sie einmal die Rolle des Sadisten (ir+), ein andermal die des Masochisten (dir-). Die Beziehung der Dualpartner zueinander weist ständig einen sadomasochistischen C harakter auf. Die Dualpartner quälen einander bis zum Tode, und doch können sie sich nicht trennen. Sie sind durch eine unzerbrechliche Kette miteinander verknüpft. Ver­ treter dieser Klasse gehen vorübergehend leicht in die Triebklasse Cnr~ oder Cd+, eventuell in die P<?+-Klasse ü ber; dann werden sie hypomanisch, bzw. depressiv oder Puristen. Die Anlage zu Triebkrankheiten ist groß. 3. Triebklasse Klasse der «lammfrommen Henker» Faiseure, Charmeure ; hinter ihrem Charme versteckt sich aber Gewaltsamkeit und Aggression. Unter ihnen finden wir viele geschlechtlich mangelhaft entwikkelte Menschen. Sie schwärmen oft für Ringkämpfe, überhaupt für Sport. 4. Triebklasse Ss~ Klasse der Dualunionisten, Masochisten, Metatropisten1

Bei Vertretern dieser Klasse spielt das unbefriedigte Bedürfnis: «Mann zu sein», bzw. der unbefriedigte aggressive, eventuell sadistisch-masochistische Anspruch die Rolle des charakterbestimmenden, bzw. krankmachenden Wurzel­ faktors. Die Triebgefahr wird durch die unbefriedigte Männlichkeit, bzw. durch Aggression und Sadomasochismus, aufrechterhalten. 1 Mctatropismus nennt man das abnorme Verhalten, in dem die Frau die aktive, der Mann die passive Rolle spielt. M. HIRSCHFELD, Sexuelle Zwischenstufen. Bonn, Marcus und Weber, 1918. S. 229.

304


Die Form der Gescblechtlichkeit bei den Repräsentanten dieser Klasse ist der Intersexualismus1. Die Frauen zeigen in ihrer körperlichen Erscheinung maskuline Merkmale. Andere sind von infantiler Erscheinung, aber bei der ärztlichen Unter­ suchung kommen dennoch intersexuelle, ja sogar hermaphroditische Stigmen zum Vorschein (z. B. Peni-clitoris). Auch die Männer dieser Klasse sind von inter­ sexueller Körperverfassung im Sinne von P. MATHES. Sowohl die Frauen wie die Männer bestreben, mit dem Partner in einer sadomasochistischen Dualunion zu le­ ben. In ihrer Beziehung zum Partner führt sie der Drang, vom Partner über­ rumpelt, besiegt, vergewaltigt zu werden (—r). Trifft das nicht ein, so gehen sie selbst zum Angriff über und provozieren, daß der Partner sie sadistisch behandle. Das sadomasochistische Triehefei ist die Kette, die sie an den Partne r bindet. Sie werden ohne den Partner arbeits- und lebensunfähig. Sie können nur mit dem Partner oder in unmittelbarer Nähe des Partner arbeiten. Zerfällt die Dualunion, so kann die verdrängte Aggression aus der Latenz zum Vorschein kommen; sie werden rachsüchtige Amazonen. (Im Experiment geben sie dann eine positive Reaktion in Faktor s und treten in die Klasse 8t+ über.) Die Rache wird nicht selten bei Frauen in Form von Nymphomanie ausgelebt, bei Männern im Kokettieren mit Homosexualität. Es wäre aber falsch, daran zu denken, daß hinter der Nympho­ manie eine Hypersexualität stecke. Die Nymphomanie ist bei diesen Frauen nur eine entsprechende Form der hypomanischen R eaktion. Nach der Katastrophe der Dualunion werden sie krankhaft vereinsamt, sie trennen sich von der ganzen Welt ab, greifen her und hin, hasten und haschen, eben wie hypomanische Menschen. Im Experiment geben sie in diesem Zustand oft die Reaktionen der Triebklasse Cnr~. (Ein Beispiel findet der Leser in der Tabelle 14 und Abb. 20.) Die 8r~- und Cm~~'-Klassen hängen triebpsychologisch eng zusammen. Für den Verlust des Dualpartners versuchen sich die Vertreter der Jj—-Klasse auch durch maßloses Essen, Trinken, Sprechen, Rauchen, oft sogar durch Narko­ manie zu entschädigen. Sie leben ihren Anklammerungsdrang in oral-sadistischer Form aus. Andere versuchen, sich aus der dualunionistiscben Triebgefahr durch anale Praktiken (wie anale Onanie, anale Darmeinspritzungen in zeremonieller Form) zu retten. In dieser Phase treten sie oft nach der 8r- und Cm~-Klasse in die Klasse der «Puristen», der «Sich-Reinwaschenden», also in die Pe+Klasse über. Finden sie aber wieder einen entsprechenden Dualpartner, so keh­ ren sie sofort in die sadomasochistische Klasse Ss~ zurück. Diese Klasse ist ihre urbedingte Triebklasse. Die Cm~- und /-V'"-Klassen benützen sie nur als Not­ ausgänge aus der mißlungenen sadomasochistischen Dualunion. Hinter der Dual­ union steckt oft der inzestuöse Triebanspruch, oder die latente Homosexualität, die sich oft in Schwärmereien für eine Freundin, Lehrerin entpuppt, der sie sich völlig unterwerfen. Männer invertieren dennoch selten ihr Triebziel, welches sie stets in masochistische Triebrichtung führt (Metatropismus). Die charakteristischen Sexualbilder dieser Klasse sind: 8 0 —, 8 dn —, seltener 8 -| , 8 0 dz> $ + 0. Das Sexualbild 8 0 — geben diejenigen, die ihren Maso­ chismus zu sozialisieren versuchen. Bei Kindern und Erwachsenen ist die Reak­ tion 8 0 — ! ein schlechtes Zeichen. Das Sexualbild 8 -| oder 8 i 0 ist für jene Masochisten charakteristisch, die Zwangsmechanismen gebrauchen. 1 MATHES, P.: Die Konstitutionstypen des Weibes, insbesondere der intersexuelle Typus. HALBANSEITZ: Biologie und Pathologie des Weibes. 1924. 20

Szondi, Triebdiagnostik

305


Das Affektleben der Mitglieder der Klasse Al— wird durch das Bestreben nach Sozialisierung und Sublimietung gekennzeichnet. Sie wollen in extremer Form gütig, gerecht, charitativ, oft fromm sein. Sie sind oft sehr schamhaft, gehemmt. In der Phase der Hypomanie exhibieren sie oft. Zumeist kämpfen sie aber mit Min­ derwertigkeitsgefühlen. Sie möchten sehr ethisch leben, können es aber nur in der negativen A-Phase. In der Hypomanie (Cm~) werden sie aggressive Teufel, oft kriminell, oder sexuell haltlos (0 e, 0 d, — k). Ihr Affektbild ist P A A, also der sich zur Schau tragende Abel. Die mit Zwangsimpulsen Behafteten geben das Bild die Sozialisierenden hingegen das Bild des reinen Abels : P -\ . Die schwersten Kranken zeitigen Reaktionen P A ± oder P -\—; die Rachsüchtigen: P — ADas Ich-Bild wechselt je nach Vermögen der Sozialisierung. Gesunde Vertreter der Klasse Ss~ sind imstande, die sexuellen Dllemmen (A h, —r) im Ich zu lösen; sie geben dann Ich-Bilder Sch + + oder Sch + ± und werden Hyperrationalisten, die alle ihre irrationalen Strebungen und Regungen zwangshaft besprechen, interpretieren, und oft der Schrecken ihrer Umwelt werden. Die Frauen werden durch ihr narzißtisches Hab-Ich unerträglich. Die mit Zwangsimpulsen Kämpfenden geben oft das Ich-Bild Sch A 0 oder Sch — 0; die narzißtischen Berufsmenschen das Sch A O-Bild. I n der Phase der hypomanischen Reaktion zeitigen sie Ich-Bilder der Inflation: Sch 0 +, Sch [-• Auch das Bild des Ich-Wechsels : Sch 0 0 kommt vor, besonders bei latent homo­ sexuellen Frauen. Diejenigen, die ihr Ich in schizoformer Richtung abbauen, ge­ ben das autistische Ich-Bild Sch -j . Ihr Kontaktschicksal wird durch das Bedürfnis der Dualunion bestimmt. Ist jemand imstande, seine Ansprüche im Beruf zu sozialisieren, so bleibt er gesund. Diese Menschen kleben aber so an der Arbeit, am Arbeitgeber oder Arbeitsführer wie eine Schlingpflanze am Stock. Sie wählen sich zu oft aggressive, draufgän­ gerische Arbeitgeber, von denen sie stets unterdrückt, beschämt, vergewaltigt K Die kranken Individuen versinken arbeits­ werden. Ihr Kontaktbild ist C unfähig, untätig in ihrem Unglück. Andere übergeben sichdem unerfüllten Wunsch, ständig im Schöße des Partners zu sitzen; sie geben das C 0 0-Kontaktbild. Für die Hypomanischen ist das Bild C 0 —, für Analerotiker C A 0, C + — be­ zeichnend. Charakteristische Berufswahlen bei Vertretern der Ar--Klasse sind die folgenden : Erzieherin, Kindergärtnerin, Kinderpflege, soziale Fürsorgerin, Kinderarzt, Kin­ derpsychologe, Kinderpsychiater, Heilpädagoge usw. Die Dualunion, aus der sie vertrieben wurden, versuchen sie in der Bindung zum Kinde in sozialisierter Form wiederherzustellen. Sie lassen sich von nun an von den Kindern wie einst von ihrem untreuen Dualpartner quälen, oder sie selbst quälen die Kinder. Sie wählen auch exhibitionistische Berufe, wie Tänzerin, Sängerin, Musiker. Die krankhaften Schicksalsmöglichkeiten sind: Zwangsneurose, paranoide Neurose, Anlage zu Nymphomanie, Hypomanie, Frigidität, Impotenz, Anal­ erotik, in schwersten Fällen: paranoide Schizophrenie, Schizomanie.

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III. Hauptklasse Pe Klasse der latenten Kainnaturen Die Triebgefahr wird durch die Nichtbefriedigung der Kainansprüche, durch die Stauung von Wut-, Haß-, Zorn-, Rache-, Neidansprüchen und von Eifersucht bedingt. Das häufigste Triebventil ist bei ihnen die anale ^-Pforte. Daher der Drang, alles zu «reinigen». Sie purifizieren Stil, Sprache, Begriffe, Literatur, Wissenschaft, Kunst, Ethik usw. Sie besitzen einen inneren Drang, alles zu kriti­ sieren und zu moralisieren. Ein anderer, oft benutzter Notausgang ist bei ihnen das /è-Ventil; daher der Narzißmus, die Steifheit im Benehmen und Denken. 5. Triebklasse Pe+

Klasse der Puristen und Moralisten. Klasse der «Sich-Reimvaschendenv> Unter den Triebklassen ist die AA-Klasse sowohl in bezug auf die Abstam­ mung wie auch auf die klinische und charakterologische Erscheinung ihrer Repräsentanten die einheitlichste. Unter den Verwandten der Mitglieder dieser Klasse finden wir zumeist Individuen epileptoiden, paranoid-epileptoiden Charak­ ters, eventuell mit genuiner Epilepsie. Die Klassenmitglieder selbst sind aber nur Konduktoren von Epilepsie und Paranoid. Die Wurzel des Charakters, bzw. der Trieberkrankung bei den Vertretern der /V+-Klasse, finden wir in dem unbefriedigten epileptiformen Bedürfnis. Die äußere Erscheinung enthüllt kaum etwas über die epileptiforme Konduktornatur der Klassenmitglieder. Sie sind Menschen mit feinen, linearen Zügen, sowohl im Gesicht wie auch in der Körperverfassung, die eher asthenisch, lepto­ som und nur selten pyknisch oder grobathletisch ist. Diesen grazilen, oft femini­ nen, schönen Körperbau verdanken sie vermutlich nicht der verdrängten epilepti­ formen, sondern der meistens manifesten /^-Struktur. Der innere Triebwirbel wird durch den epileptiformen Kern hervorgerufen. Es gibt einige, die aus diesem Triebwirbel epileptiformer Natur den Ausweg in «heilige» Berufe suchen (Mönch, Richter, Arzt usw.), andere hingegen kleben an Kot und Dreck. Die Hochsozialisierten werden Moralisten, Purifikatoren und sind vom Drang besessen, alles zu reinigen. So werden sie Sprach« ausfeger», Kunst-, Literatur-, Stil- und Moralreiniger, Menschen- und Gesellschaftsverbesse­ rer. Der Reinigungsdrang führt Individuen dieser Klasse auf niedriger Stufe zu Berufen, wie Straßenkehrer, chemische Reiniger, Darmputzer, Fensterputzer usw. Der Reinigungsdrang stammt vermutlich davon, daß der geläufigste Notausgang aus dem epileptiformen Triebwirbel eben das anale ^-Ventil ist. Der Drang, zu reinigen, ist nämlich erfahrungsgemäß die beste Form der Sozialisierung analer Bedürfnisse. In ihrer äußeren Erscheinung sind sie dabei lammfromm, peinlich-reinliche Abelnaturen, die der Menschheit aufopferungsvoll zu dienen streben; sie erwar­ ten aber für ihre «reinen» Bestrebungen hohe Ehren und Belohnungen, zum min­ desten eine Büste oder ein Relief an ihrem Geburtshaus. Einige Mitglieder der Pe+ -Klasse sexualisieren die aus der unbefriedigten epileptiformen Wurzel stammende Aggression so, daß sie ihr Geschlechtsleben in analsadistische, analerotische Richtung lenken.

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So leben sie auf sexuellem Wege die remanenten Energien ihrer epileptiformen Kainnatur aus, die sie auf sozialem Wege der « Reinigung » nicht befriedigen können. Aus der Bevorzugung des analen Notausganges wird klar, warum Frauen der Pe+ -Triebklasse so oft Klistiere (Darmeinspritzungen) machen. Im Jugend­ alter sind sie oft Analonanisten, nicht selten üben sie koprophile Praktiken aus, wie Koprohagie, Enkoprose usw. Oft sind sie im Schulalter schwere «Drucker». Hinter dem «Schuldruck» müssen wir auch ihren analen Charakter suchen. (Das «Drücken» hängt wörtlich und physiologisch mit der Analität eng zusammen.) Aus dem Hang zur Analität verstehen wir auch den Drang zur Reinlichkeit, zur Purifizierung. Aus dem analen Charakter der Pe+ -Klassenmitglieder folgt ihre Pedanterie, ihre strenge Zeit- und Geldeinteilung, strikte Lebensordnung. Sie verachten alles Obszöne. Eine ganz sonderbare «Feierlichkeit» strömt aus ihrem Benehmen aus, eine Feierlichkeit, bei der man aber immer etwas Unreines auch mitspürt. (Dies hängt vermutlich mit der triebpsychologischen Beziehung zwischen den Faktoren e und d zusammen.) Eine enge Beziehung besteht noch zwischen der Klasse Pe+ und Schk. Diese zwei Klassen lösen sich oft ab. Nicht selten gehört jemand gleichzeitig beiden Klassen an. (Biäquale Pe+- und iVAGKlasse.) Einige Züge der /VKlassenmit­ glieder müssen wir demnach aus den jVM-Klassenmerkmalen ableiten, so z. B. die bizarre Körperhaltung, Zwangsimpulse, sonderbare Sprechart und eine ganz eigenartige pastorale Musikalität der Sprache. Die enge genbiologische Beziehung zwischen Epilepsie und Paranoid erklärt uns, warum die Mitglieder der A+-Klasse oft auch ^-Konduktoren sind. Das Be­ dürfnis der Ich-Ausdehnung, der Inflation, manifestiert sich aber leichter als der epileptiforme Faktor. Charaktereigenschaften, wie der Drang, ein «großer Mann» zu sein, etwas Neues zu erfinden, etwas Unsterbliches zu vollbringen, sind bei ihnen Züge paranoider Natur. Oft sind sie auch Hypochonder (= Zeitparanoiker). Über die vier Vektorreaktionen können wir folgendes mitteilen: I. Die häufigsten SexualhWdet sind: S 0, besonders bei Männern dieser Klasse; F fi , ± — bei Frauen; F + + bei «Schuldruckern». Sie sind latente Analonanisten, Analerotiker, Analsadisten, seltener koprophile Individuen. Wegen der unbefriedigten Analerotik sind sie oft impotent oder frigid. II. Im ethischen Vektor dominiert der Abel: A + ±, + 0, -j ; sie wollen gut, rein, gerecht, fromm, oft heilig sein; sind sentimental, leben auch in einer Affekt­ ; P — 0. Oft entladen flut: P -\—)-> P + i : andere in Panik und Angst: P sie völlig ihre Affekte : P 0 0. III. Das Ich benützt oft Verdrängung und Hemmung zur Abwehr der epileptiformen und analen Bedürfnisse: Sch — 0 oder Sch 1- sin d die häufigsten IchBilder. Kinder, die unter «Schuldruck» leiden, geben Sch oder Sch fi; — -Reaktionen. Nicht selten zeitigen sie das Ich-Bild des Ich-Wechsels: Sch 0 0. IV. Das Kontaktbild hängt vom Alter und vom Sozialisierungsgrad der Mit­ glieder ab. Kinder und auf inzestuöserTriebstufe fixierte Erwachsene geben oft das inzestuöse C b-Kontaktbild. Sie sind wirkliche Klebenaturen, unfähig, ein Objekt zu verlassen, welches sie einmal in Besitz genommen haben, sei das Objekt eine Person (wie Mutter, Vater, Mann, Frau, Freund), oder ein Ding. Am liebsten möchten sie alle Menschen und alle Wertobjekte stets besitzen, an die sie sich ein­

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mal angeklammert haben, und an denen sie lebenslang weiter kleben. Das Kleben an dem Objekt ist ein Hauptmerkmal der /VKlassenmitglieder, hängt aber mit dem (/-Bedürfnis zusammen. Zur Zeit der unglücklichen Abtrennung zeitigen sie das Kontaktbild: C ± 0; sind sie völlig vereinsamt, so geben sie das C 0 — hypo­ manische Bild. Nur die «Drucker» und Kleptomanen pflegen das C -j- — Kontaktbild zu geben. Die Schicksalsmöglichkeiten der Pe+ -Klasse sind: 1. Purifizierende Morali­ sten, 2. paranoide Angstneurotiker, 3. «Schuldrucker», 4. Hypochonder, 5. Kon­ versionshysteriker, 6. Kleptomane, Poriomane, Stotterer, oft Thanatomane, als Äquivalente der Epilepsie, 7. Homosexualität, 8. inflatives Paranoid, Querulanz. 6. Triebklasse Pe~~ Klasse der latenten Epileptoiden und der Analerotiker Anlage zu folgenden Krankheiten: Psychopathie, Suicidgefahr, Sucht, anale Homosexualität, Päderastie, Koprophilie, paranoide Angsthysterie (paroxysmale Tachykardie), Zwangsmechanismen, Poriomanie, Kleptomanie und andere Äqui­ valente der Epilepsie, Depression. Mit Überdruck im e (— ! e, — ! ! e) ist die epi­ leptiforms Abstammung fast sicher. IV. Hauptklasse Phy Klasse der latenten Exhibitionisten Die Triebgefahr wird durch den Drang bedingt, ständig auf der Bühne zu sein, sich zur Schau zu tragen, zu exhibieren, Weib zu sein, sich in Kleidern des anderen Geschlechtes zu zeigen (Transvestismus), die Umwelt, oft sich selbst zu überraschen. Die häufigsten Triebventile sind: passive Homosexualität und Paranoid. 7. Triebklasse Phy+

Sie sozialisieren als Seelsorger, also als Mönch, Nonne, Samariter und über­ haupt als « homo sacer» ihren Drang, sich zur Schau zu tragen, Weih oder Mutter zu sein; auf niedriger Stufe suchen sie Bedienerberufe, wie Friseur, Herren- und Damenschneider, Pediküre, Maniküre, Kammerdiener, Kammerzofe usw. Krank­ hafte Existenzformen: Größenideen, schizophrene Macht- und Habsucht, Epi­ lepsie, Sucht, Homosexualität. 8. Triebklasse Phy~ Klasse der latenten Homosexuellen, Hysteroepileptiker und Paranoiker Mitglieder dieser Klasse leben in einer Triebgefahr, weil sie unfähig sind, ihren Drang, sich in der Rolle des anderen Geschlechtes geigen, völlig zu befriedigen.

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Der unbefriedigte Faktor hy be stimmt sodann ihren Charakter und die Form ihrer Erkrankung. Vertreter der Klasse Phy~ sind zumeist Abkömmlinge manifester Hysteriker; sie selbst können zwar auch in ihrem Leben vorübergehend hysterische oder hysteroepileptische Anfälle produzieren, das Bedürfnis aber, die Rolle des ande­ ren Geschlechtes zu spielen, der Drang zur sexuellen Triebzielinversion ist so groß, daß sie ihn nie völlig befriedigen können. Die männlichen Mitglieder der Phy~-Klasse sind geborene Metatropisten, Masochisten. Das stellungnehmende Ich bejaht oft die sexuelle Triebzielinversion, nicht selten leben sie offen ihre homosexuellen, sadomasochistischen Bedürfnisse aus, aber das genügt ihnen nicht; sie wollen körperlich und seelisch vollkommene Frauen sein, als wirkliche Frauen auf der Bühne des Lebens erscheinen. Und da dies unmöglich ist, verändern sie das Ich und werden nicht selten paranoide Neurotiker, eventuell paranoide Schizophrene. Bei den schwerkranken Repräsen­ tanten dieser Klasse finden wir nebst paranoiden Ich-Veränderungen auch paro­ xysmale, kriminelle Symptome, wie Wandertrieb (Poriomanie) oder Kleptomanie, auch epileptiforme Anfälle. Die vier Vektorreaktionen spiegeln getreu die Triebgeschehnisse der Klassen­ mitglieder Phy- wider. Auf dem Gebiete der Sexualität geben sie am häufigsten das klassische Sexual­ bild der Triebzielinversion, des Metatropismus : S -\ ; S -f- E (Männer); J 0 (Jugendliche); S 1- (F rauen). Lehnt der Partner die homosexuelle Annäherung ab, so werden sie aggressiv: S 0 -f-. Die zwei Hauptmerkmale der Sexualität: die Triebpielinversion u nd den Sadismus behalten sie auch in der paranoiden Phase. Die häufigsten Affektbilder sind: P 0 —, also das paranoide Affektbild oder P ± —-: das zwangshafte Affektbild. Dies letztere P-Bild weist, trotz Vorhanden­ •), auf die sadistischen Bedürfnisse (—e) hin; der sein des Abelanspruches (P -| Kranke lebt gleichzeitig in Panik (P ). Auf Grund des Ich-Bildes kann man die zwei führenden Schicksalsmöglich­ keiten leicht voneinander unterscheiden. Beide geben oft das Bild des verlassenen Ichs Sch 0 E- Paranoide regredieren aber oft auf die Stufe des Früh-Ichs und geben dann das Ich-Bild: Sch -| , oder sogar Sch 0 —. Das Bild des Ich-Wechsels Sch 0 0 kommt bei beiden Schicksalen vor. Oft versuchen sie die paranoide Inflation mittels Negation zu händigen : Sch fi, oder Sch — 0. Das präparanoide Ich entpuppt sich aber eben durch das Erscheinen der Ich-Bilder Sch 0 ±, H , 0 0. Das Kontaktbild ist bei passiv homosexuellen Mitgliedern der Phy~-Klasse : C + C T E, also das bilaterale, bisexuelle Bindungsbild. Psychologische Schicksalsformen : Psychopathie, Lügenhaftigkeit, Kriminalität, Konversionshysterie, Stottern, Epilepsie, passive Homosexualität, Paranoidie, Heboidie, Sucht, Suicidgefahr. Juvenile Präparanoiker geben das Bild: C , C E E , oder C [-• Die sadistischen Homosexuellen, die in ihrer paranoiden Ich-Veränderung mit Mord­ gedanken kämpfen, zeitigen das untreue Kontaktbild C -1 . Die Richtung der Berufswahl wird teils durch den Faktor hy b estimmt (Schau­ spieler, «heilige» Berufe) oder durch die Faktoren h undp (Schneider, Kürschner, Friseur, Maniküre usw.). Die Schicksalsmöglichkeiten dieser Klasse sind in der Trieblinnäustabelle

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Nr. VIII zu finden. In dieser Tabelle figurieren folgende Triebkrankheiten: 1. passiv-feminine Homosexualität; 2. juvenile Paranoia, bzw. paranoide Schizo­ phrenie, episodische Hysterie und Hysteroepilepsie, Kriminalität.

V. Hauptklasse Schk Klasse der latenten Ich-Einenger Die Triebgefahr wird bei Vertretern dieser Klasse durch unbefriedigte IchEinengung, Egosystole, durch die latent gebliebenen egosystolischen, katatonoiden Ansprüche bedingt. Sie sind unfähig, dieses Bedürfnis in nativer Form auszu­ leben, sich von der Welt hermetisch abzusperren und ständig im Kerker des eige­ nen Ichs ihr ichhaftes Leben zu verbringen. Statt dessen benützen sie oft die Not­ ausgänge des Narzißmus, der Habmacht, der Depersonalisation, Entfremdung, des Schweigens, oder sie verstecken sich hinter einem manisch-depressiven Mantel mit paranoidem Einschlag. In den meisten Fällen finden wir eine inzestuöse Bindung (Dualunion) zwischen Sohn und Vater, Tochter und Mutter, eventuell unter gleichgeschlechtlichen Geschwistern. Eben diese inzestuöse Bindung stört sie in der normalen Identifizierung. Die abwegige Identifizierung macht sie zu Sonder­ lingen, Einzelgängern, Narzißten und Schweigern. Die gesunden Personen dieser Klasse werden oft narzißtische Pharisäer, Heuchler. 9. Triebklasse Schk+

Klasse der Narzißten und Habmachtmenschen Hauptmerkmale ihres Charakters sind: peinliche Pedanterie, Nüchternheit, Ratio­ nalismus, starrer Formalismus, Steifheit, Unbeugsamkeit, Schroffheit, Wortkargheit, Gefühlskälte, Habmachtsucht, Unfähigkeit, in anderen aufzugehen, sich mit anderen zu identifizieren, narzißtische Objektwahl, autopsychische Resonanz, ichhaftes, ichparteiisches Benehmen, Narzißmus, Egozentrizität, Egoismus, Ich-Dienst statt Objektdienst, Wurzellosigkeit, Trotz, Pharisäertum. Die bevorzugten Berufe sind : Professoren, kühle Logiker, theoretische Mathematiker und Physiker, steife Ethiker, formale Denker und Ästhetiker, «seelenlose» Psychiater und Psycholo­ gen, Erzieher mit Zwangsmitteln, Soldaten, Polizeiangestellte, Parteiführer. Als Kranke weisen sie autistische Perversionen auf: Sadismus, Masochismus, Exhibi­ tionismus, Narzißmus, Fetischismus, Schizophrenie usf. 10. Triebklasse Schk~ Klasse der Tagträumer, der Zerstörer und Selbstzerstörer, Schweiger und Depersonalisierten und der ewigen Nein-Sager Mitglieder dieser Klasse sind Abkömmlinge katatonoider Personen, nicht selten katatoner Schizophrener. Unter den Familienmitgliedern finden wir oft ego­ zentrische, egoistische Schizoide, kühle Narzißten, undisziplinierte, verschlossene Autisten, asoziale Zwangsneurotiker, Hypochonder, manierierende Sonderlinge, irreale, lebensfremde Traumgestalten.

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Vertreter der Klasse Schk~ sind nicht selbst Schizoide, aber Konduktoren des krankhaften egosystolischen Bedürfnisses. Im Kindes- und Jugendalter zeigen sie selbst nicht selten schizoide Züge; sie sprechen wenig, sind verschlossen, w ollen (oder können) in der Schule nicht antworten und leben in einer irrealen Traumwelt. M it den Jahren aber treten sie aus dieser Traumwelt heraus und zeigen entweder konver­ sionshysterische, oder noch öfters «.scheinbar» zirkuläre, maniacodepressive Er­ scheinungen. In den depressiven Phasen sind sie paranoid, menschenscheu, in den manischen hingegen megalomanisch hastig. Die nähere Analyse dieser Menschen zeigt uns, daß sie eigentlich auch als Er­ wachsene Tagträmier geblieben sind. Wie scheue, lebensfremde, timide Kinder suchen sie ihren Platz im Leben, aber vergeblich. Sie ziehen sich zurück und blei­ ben Wochen hindurch in ihrem Zimmer, oft sogar im Bett und verweilen in einer völlig kindisch-irrealen Traumwelt. Wie Kinder klammern sie sich an jeden an, der sich um sie kümmert. Der Kliniker macht oft die Diagnose: Depression, und sie sind doch keine zirkulären Melancholiker, denn sie leben in dieser «Schein­ melancholie» in einer autistischen Phantasiewelt, in der sie all die kindischen Be­ dürfnisse autistisch befriedigen, die sie im realen Leben nie erfüllen konnten. Trotz­ dem werden sie selten manifeste Schizophrene oder Zwangsneurotiker. Nach einer gewissen Zeit verlassen sie das Bett und damit die irreale, autistische Traumwelt, treten wieder in die reale Welt hinaus, verdienen wieder Geld, machen sogar oft großzügige Handelstransaktionen, bis sie dann wieder in ihrer inaktiven, irrealen Traumwelt versinken1. Die reale Welt, in der sie bis dahin hastig hin und her haschten, wird ihnen plötzlich fremd. Aber nicht nur die Welt, sondern ihr eigener Körper, ihr «vori­ ges Ich» entfremdet sich ihnen. Sie ziehen sich in eine «depersonalisierte», andere Welt zurück und leben ein phantastisches, autistisches «fremdes» Leben, fern von dem Lärm des Alltags, weiter. Bei oberflächlicher Beobachtung machen sie tatsächlich den Eindruck eines zirkulären Menschen. In der Tiefenanalyse und experimentellen Triebanalyse entpuppt sich aber ihre autistische, schizoforme, icheinengende, egosystolische Natur und besonders die starke Anlage zu periodischer Depersonalisation. Die totale Entfremdung des alten Ichs ist für die Vertreter der Klasse Schkr charak­ teristisch. Sie verneinen die reale Welt. Die Sexualität dieser Menschen ist ernstlich gestört. Oft sind sie auf der in­ zestuösen, frühinfantilen Triebstufe fixiert. Andere zeigen Anlage zu sexueller Triebzielinversion; sie werden dennoch fast nie manifest homosexuell, sie leben ihre homosexuellen Ansprüche zumeist projektiv in der Weise aus, daß sie andere zu leicht der Homosexualität beschuldigen. Männer dieser Klasse spielen gerne die Rolle der «mütterlichen» Fürsorgerin. Frauen hingegen halten sich nicht selten Lust jungen. Ihnen gemeinsam ist die kindische Neugierde, mit der sie die sexuel­ len Beziehungen-ihrer Umgebung beobachten. Sie stehen fast stets auf der Lauer und belauern die intimsten Beziehungen ihrer Mitmenschen. Das sexuelle «Aufder-Lauer-Stehen» befriedigt sie völlig. Sie geben oft das Sexualbild S -j- ! + ! mit hoher Quantumsspannung und mit dem eifersüchtigen, neidischen Sch — Ich-Bild. 1 Vgl. hiczu: Ich-Analyse, Komplementäre Ich-Schicksale, 5. S. 305-311.

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Die kultivierten Varianten der Klasse Schkr geben S , oder L Sexualbilder; oft zeigt aber die negative ^ -Reaktion auch bei den Hochkultivierten eine extreme Quantumsspannung (r = •—4, — 5), zumeist in Begleitung des ver­ lassenen Ichs (Sek O d:). Dieses Ich-Bild entlarvt erstens die Sehnsucht nach der verlorenen Dualunion, zweitens das Einbauen der Bisexualität in das Ich (i p). Lehrer und Professoren dieser Klasse geben auch das Sch -|- 0- oder Sch -J- -(--Bild . Sie sind pseudo-charmante, latent-sadistische Erzieher. Das Ich-Bild -f 0 ent­ hüllt auch ihre intime Beziehung zu den Wertobjekten der Welt: sie sind «Inter­ esse-Menschen». Auch ihre Bindungen beweisen dies. Junge Mädchen dieser Klasse heiraten oft reiche, ältere Männer, hingegen bezahlen sie die Jungen, die sie lieben. Männer binden sich oft an Prostituierte oder leben illegitim mit verheira­ teten Frauen zu dritt und besorgen den ganzen Haushalt der geliebten Frau. Die Stufe der Affektbilder hängt von dem Grad der Sozialisierung ab. Die Kultivierten leben oft in Affektflut: P + ; klinisch produzieren sie nicht selten hysterische Weinkrämpfe, Wendungen gegen die eigene Person, masochistische Selbstbeschuldigungen, Selbstmordversuche. Einige versuchen ein frommes Leben zu führen. Die vulgären Variationen (S + +) leben zumeist in Angst und Panik: P , oder P 0 —. Dies letztere P-Bild weist auf die paranoid-homosexuelle Triebziel­ inversion hin, die sie im Sexualbild selten verraten. Die Scheinfrommen zeitigen Affektbilder: P -1 ; P-± — oder P ± ±. Im allgemeinen können wir fest­ stellen, daß Vertreter der Klasse Schk das P-Ventil als den geläufigsten Notaus­ gang benützen. Der Ich-Zustand wird von der Inversion der Identifizierung bestimmt. Mädchen identifizieren sich nicht mit der Mutter, sondern mit dem Vater, der oft ein aus­ schweifendes Leben führt. Männer bauen nicht den Vater als Ich-Modell ein, son­ dern die zumeist narzißtische, egoistische, undisziplinierte Mutter, die oft das Leben eines Backfisches nachahmt. Es kommt vor, daß sie sich gleichzeitig mit beiden Eltern identifizieren, und dann erleben sie in ihrem Ich denselben Kampf, welchen die Eltern in ihrem Eheleben vor den Augen der Kinder führen. Der Kampf zwischen den zwei Ich-Idealen bringt es mit sich, daß sie das F- und MEgo1 stets wechseln. Am Rande des Trieblebens finden wir selten Dilemmen, desto größer ist aber der Kampf an der inneren Front des Ichs. - Eben die Ich-Dilemmen, die Kämpfe zwischen F- und M-Ego, machen diese Menschen für das reale Leben unbrauchbar. Darum ziehen sie sich in eine irreale Traumwelt zurück. Die Realität des Lebens ist ihnen periodisch oder ständig fremd. Wie schlechte Schauspieler lungern sie im Leben herum, die von den begabten, berufenen Kolle­ gen abgucken, wie man sich auf der Bühne benehmen, schwärmen und lieben muß. Sie sind wahrlich Schattengestalten, schlecht maskierte Lumpenschauspieler auf der Bühne des Lebens. Sie sind sich selbst dessen bewußt, werden decoura­ giert, verstecken sich in ihrem Zimmer und Bett und verbringen ihr irreales, autistisches Traumleben.fern vom Drum und Dran des Alltagslebens. Müssen sie dennoch unter den Menschen erscheinen, so empfinden sie alles, was sie tun und sagen, als fremd. In der Phase der Depersonalisation haben sie Angst, daß sie ver­ rückt werden. Ihr wirkliches Ich ist das verborgene -f- £-I ch, welches sich vor der 1 F = feminines 1 M = maskulines J

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Realität versperrt; und eben dieses Ich können sie in Wirklichkeit nicht realisieren. Darum flüchten sie so oft wie möglich in die Schattenwelt dieses verborgenen Ichs vor dem «fremden» Ich, welches auf der Bühne handelt, agiert, Geld ver­ dient, liebt und haßt. Mit diesem Ich können sie sich nicht identifizieren. In der Phase der Depersonalisation sind sie gehemmt, geben das Ich-Bild Sch p. Ihr häu­ figstes Ich-Bild ist aber das Sch — welches ihre Eifersucht, ihren Neid, die Ver­ neinung der Verlassenheit und die Wendung gegen die eigene Person so getreu widerspiegelt. Dieses Ich-Bild ist aber auch das Ich-Bild der in ihrer Verlassenheit verzweifelten Mörder, die ebenfalls in die Klasse Schk~ gehören. Das häufigste Ich-Bild der kultivierten, humanisierten Vertreter der Klasse ist das der IchGefahr Sch H—p, oder Sch + 0, und so gehören sie in die Klasse der Schk+. Diese Klasse, die wir «Klasse der Narzißten und Habmachtmenschen» nennen, wird hauptsächlich von versteiften, irrealen, autistischen Lehrern und Professoren, weltfremden Psychologen und Psychiatern bevölkert. Ihre Kontaktbilder entsprechen der niedrigen Stufe, auf der sie fixiert bleiben. Das Kontaktbild C 0 0 ist ein Hinweis darauf, wie gerne sie noch im Schöße der Mutter glücklich sitzen möchten, C + + avisiert die Anlage zur Bisexualität, bzw. zur Triebinversion. Der Umstand, daß sie das «erwachsene» Kontaktbild C 0 -p fast nie geben, unterstützt all das, was wir über die irreale, autistische Bindung zur Welt wiederholt sagten. Dies kommt aber im Kontaktbild C , d. h. im Bilde des irrealen Kontaktes mit der Welt am klarsten zum Ausdruck. Die Kultivierten zeitigen das Kontaktbild der Unglücklichen C Od:, die Asozialen geben das hypo­ manische C 0 —Bindungsbild, die paranoid Depressiven das C -j ; C fl- +, die Angstneurotiker C + 0, C -| , C 0 0, selten das C + +-Kontaktbild. Ihre Berufswahl trägt den Charakter von hj-, k- oder k-, h-Faktoren. Sie möch­ ten gerne Schauspieler, Professoren, Soldaten, Heilanstalts-, bzw. Hoteldirektoren werden; wählen Berufe wie Drogist, Kosmetik. Fast alle gewählten Professionen geben ihnen die Möglichkeit, ihren narzißtischen Habdrang zu befriedigen. Die Schicksalsmöglichkeiten dieser Klasse: Hypochondrie mit fast völliger Arbeitsunfähigkeit; Konversionshysterie; Pseudomanien (Nymphomanie), zu­ meist mit Asozialität (Pseudologia phantastica, Kleptomanie usw.); Katatonie, paranoide Depression; Epilepsie; Affekt- und Raubmord; hysteriforme Selbst­ mörder; paranoide Angstneurotiker, Alkoholisten und andersartige Selbst^erstörer.

VI. Hauptklasse Schp Klasse der latenten Ich-Erweiterer, der Inflativen Die Triebgefahr ist durch die unbefriedigte Ich-Erweiterung, durch die Infla­ tion bedingt. Da die Vertreter dieser Klasse unfähig sind, die verspürte Genialität, Megalomanie, Machtsucht zu verwirklichen, geraten sie oft in einen paranoiden Triebwirbel, aus dem sie sich auf dem Wege von paroxysmal auftretenden, oft rasenden, hysterischen Anfällen mit Hilfe von Zwangsgedanken, ja sogar von periodischen Dämmerzuständen, hysteriformen Selbstmordgedanken zu retten versuchen. Einige von ihnen werden süchtig, narkoman, andere kleptoman. Die Art des Ventils, wie wir sehen, ist besonders oft hysteroepileptischer Natur. Die

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Geisteskranken sind Inflationswahnbildner: Erotomane, Mégalomane, Queru­ lanten und Religionswahnsinnige1: 11. Triebklasse Schp+

Klasse der verkannten Größen mit Tötungsgesinnung Vertreter dieser Klasse sind Konduktoren des Paranoids. Da sie aber unfähig sind, ihr extrem-großes egodiastolisches, inflatives Bedürfnis entweder im Beruf zu sozialisieren oder in Form einer Krankheit nativ zu befriedigen, versuchen sie, sich aus der p-Triebgefahr auf anderen Wegen zu retten. Diese sind: 1. hjsteriformes, bizarres Benehmen mit periodisch auftretender Bewußtseins­ dämmerung, mit Streit- und Krachmachen; 2. Tötungsgesinnung, die sie mit Hilfe von Zwangsmechanismen abwehren; zu­ meist wollen sie den Vater oder die Mutter oder deren Vertreter töten; 3. furibunde, rasende hysteroepileptische Tobsuchtsanfälle; 4. hysteriforme Wendung gegen die eigene Person: Selbstmordversuche, bei denen sie z. B. ihre Kleider anzünden, Gift schlucken, womöglich vor einer Ge­ sellschaft usw.; 5. Narkomanie; 6. Kleptomanie. Sie bestehlen den, der sie «verfolgt», also zumeist ihre Eltern oder deren Vertreter; 7. Erotomanie, Megalomanie, Querulanz und Religionswahn; 8. Logorrhoe; 9. inflative Psychopathie. Das Paranoid kommt bei ihnen nicht immer manifest zum Vorschein, auch die erwähnten Triebventile werden von ihnen nur vorübergehend benützt. Der latent paranoide Kern ihrer Seelenstruktur ist aber nur scheintot, er arbeitet ver­ borgen fast von der Geburt an bis zum Tode und macht seinen Träger und dessen Umgebung unglücklich. Konduktoren des Faktors p sind fast alle antifamiliär, asozial, oft auch antisozial. Sie sind völlig unfähig, sich in den Rahmen einer Familie und Gesellschaftsklasse einzufügen. Sie finden immer ein Familienmitglied, von dem sie vermuten, daß es sie absichtlich hemmt, ihre Genialität zu entfalten, das sie dann « deswegen» hassen und töten könnten. Kaingestalten, bei denen die Rache aus dem krankhaften Gefühl der Eifersucht, des verletzten Narzißmus, der entzo­ genen Zärtlichkeit, oft auch aus der Wahnidee entspringt, daß man sie in ihrer Kar­ riere tückisch hemmt. Ihren inneren Kampf leiten Motive, die den e- und p-, s- und ZTriebbedürfnissen entstammen. (Paranoia auf epileptischer Basis. BUCHHOLTZ.) Einige Vertreter dieser Klasse leben das Bedürfnis e m anifest aus und verdrän­ gen die paranoiden Ansprüche. Diese Varianten der Klasse Schpmachen oft rasende hysteroepileptische Szenen, geraten zeitweise in Dämmerzustand. Ihre Trieb­ formel ist j. Andere hingegen verdrängen sowohl das Bedürfnis e wi e den An­ spruch p und wehren die paranoid-epileptiformen Ansprüche mittels Zwangs­ mechanismen ab. Ihre Triebformel lautet: . Es ist wirklich schwer, ihren Zu­ stand mit der Diagnose einer bekannten psychiatrischen Krankheit zu bezeichnen. 1 Vgl.: Ich-Analyse. Inflationswahn. S. 436—439.

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Sie denken zumeist mit messerscharfer Logik, erwecken oft den Eindruck eines genialen Menschen. Merkwürdig ist, daß sogar die subnormalen, fast schwach­ sinnigen Vertreter dieser Klasse auf irgendeinem Gebiete (Rechnen, Musik, Zeichnen usw.) Scheintalente sind. Zeitweise bekommen sie aber rasende Haß-, Zorn-, Rache-, Mordanfälle, und man muß sie internieren. Im Asyl werden sie mit der Diagnose: Präparanoid, hysteroepileptische Psychopathie, paranoide Pseudoimbezillität bezeichnet. Aber keine dieser Bezeichnungen ist richtig, weil sich hin­ ter dem hysteroepileptischen, pseudodebilen Benehmen in der Tiefe das unbe­ friedigte, ichausdehnende, egodiastolische Bedürfnis p verbirgt. Dasselbe gilt aber auch für ihre epileptiforme Triebstruktur, die sich auch fast nie in Form einer wirklichen Epilepsie manifestieren kann. Das Geschlechtsleben ist zumeist gestört; oft sind sie geschlechtlich spätreifende, eventuell bisexuelle Individuen, exzessive Onanisten oder Analsadisten. Die Frauen entpuppen ihre latente Homosexualität in den Vektorenbildern S — 0 —|-, p. Die^Zwangsneurotiker^zeitigen Reaktionen: S d: 0; i •— oder 0 —; die Sadisten: i" 0 Der Haß, mit dem sie sich gegen einen der Elternteile wenden, ist ein Hinweis darauf, daß sie inzestuös gebunden sind. Hier erwähnen wir, daß die Gruppe der Sexualverbrecher in der Klasse Schp figuriert. (Fälle von vorsätz­ licher Tötung, Körperverletzung, Brandstiftung und Sachbeschädigung1.) Das Affektleben wird vom Kainanspruch beherrscht. Der Sohn will den Vater, die Tochter die Mutter töten. Die Affektbilder: P p, — — 0 weisen auf die Kainansprüche hin. Sie leben oft in Panik und Angst : P , 0 —. Selten treffen wir sie im Stadium des Abelanspruches : P -\ , î —. Obzwar sie auch fromme Abels sein möchten und außerhalb der Familie liebevolle, hyperreligiöse Persön­ lichkeiten sein können, sind sie im Kreise ihrer Familie Kreaturen des Teufels. Ein hysteroepileptisches, pseudodebiles Mädchen z. B. lebte Jahre hindurch mit dem Gedanken, wie sie die Mutter vergiften könnte. Ein wirklich begabter, jun­ ger Mathematiker wollte den Vater erwürgen. Eine Schauspielerin quält sich mit dem Zwangsgedanken, sie müsse die Mutter töten und getraut sich deswegen nicht, eine Minute mit der Mutter allein zu bleiben. Diejenigen, die dem Schicksal des Selbstmordes, Mordes und des Paranoids entkommen, kehren später, wenn sie die Dreißiger- bis Vierzigerjahre schon überschritten haben, nicht selten mit maß­ loser Zärtlichkeit und Liebe zum Partner zurück (Mutter, Vater, Schwester usw.), den sie in ihrer Jugend töten wollten. Die Unerträglichsten sind die ewigen Queru­ lanten. Der Ich-Zustand dieser Klassenmitglieder wird durch das Ich-Bild Sch 0 + (oft mit Überdruck) experimentell sichtbar gemacht. Sie sind besessen und leben ständig unter dem Hochdru ck einer psychischen Inflation. O bjekt der Besessenheit ist zumeist: die Größe ihres eigenen Ichs. Ein anderes bezeichnendes Ich-Bild dieser Klasse ist das «Alles-Haben-und-Sein-Ichy>\ Sch —p, also das total narzißtische Ich. Die zwei Ich-Bilder lösen sich zeitweise ab. Die Gehemmten geben Sch p-Reaktion. Die Kontaktbilder C P, — ±, — 0 enthüllen aber die inzestuöse Bindung, die sich hinter der Rache Kains verbirgt; sie kleben an der Mutter oder am Vater mit untrennbarer, inzestuöser Treue. Schwere Fälle zeitigen das irreale Kontakt­ bild : C , oder das kindische Bindungsbild C 0 0. Das Bild der unglücklichen 1 WALDER,

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H.: Triebstruktur und Kriminalität. Huber, Bern und Stuttgart,

1952. S. 29ff.


Bindung :| C jk 0^ 0 ± wird hauptsächlich von\Zwangsneurotikern iund Sub­ paranoiden gezeitigt. Im Grunde sind sie in ihrer Urpartiçipatipn und im_Erbe gestört. _ Das Unbehagliche in ihrem Kontaktleben besteht darin, daß sie unfähig sind, mit dem Einzelding und der Einzelperson in Kontakt zu treten, da sie ja a n ihrem eigenen Ich hängen. Das eigene Ich ist ihr Gefängnis. 12. Triebklasse Scbp~ Klasse der latent Paranoiden und Participationsdurstigen Menschen dieser Klasse wollen aus dem paranoiden Triebwirbel besonders durch Benützung der Triebventile von Zwangsmechanismen und hysterischen Abwehrmechanismen entkommen. Sie geraten oft in Dämmerzustände oder ver­ suchen, durch die Flucht ins Kriminelle auszuweichen. Das Paranoid wird bei ihnen durch Zwangsmechanismen in Latenz gehalten. Kranke Formen: Homo­ sexualität, paranoide Neurosen, Hysteroepilepsie. Ein Teil dieser Menschen wird manifest paranoid. Bei primitiven Naturvölkern weist diese Klasse auf die Hyperparticipation mit dem Totem hin.

VII. Hauptklasse Cd Klasse der latenten Wertenverber, der «Ewig-Suchendenv> und «-Klebenden» • Die Triebgefahr ist durch das unbefriedigte Bedürfnis, das Urobjekt zu erwer­ ben, bedingt. So wurden sie ewige Sucher. Die gemeinsamen Züge der Vertreter dieser Klasse sind die folgenden: Sie suchen stets dasjenige Objekt, welches sie in Wirklichkeit schon verloren haben, oder zu verlieren fürchten. Das Bedürfnis der Anklammerung an dieses Urobjekt ist krampfartig, aber unerfüllbar und unstillbar. Selbstverminderung, Selbst­ beschuldigung, Vergrößerung der Werte verlorener Objekte, extrem großes Ver­ mögen der Identifizierung mit dem verlorenen Objekt, dem sie in ihrem Ich einen Altar aufbauen, wobei sie sich von dem Idealbild des Verlorenen zu Tode quälen lassen. Wendung gegen die eigene Person, gesteigertes Zärtlichkeitsbedürfnis, das aber schon des Quantums wegen nicht befriedigt werden kann. Wenn die Person das latente Bedürfnis des Objektsuchens sozialisiert, dann haben wir das Bild des «ewigen Rivalen», bzw. des «entsagenden Plumanisten». 13. Triebklasse Cd+

Klasse der «Ewig-Suchenden», der Depressiven Die Triebgefahr der Mitglieder dieser Klasse wird durch das Bedürfnis des Suchens verursacht, welches sie nie imstande sind zu befriedigen. Bei näherer Analyse dieser Menschen stellt sich heraus, daß das ewige Suchen die Folge einer Überfunktion der Idealbildung, einer in das Pathologische gesteigerten Introjektion (+ k)

317


des verlorenen Objektes ist. Das Suchen des ersehnten Objektes kann die Person des­ halb nie einstellen, weil sie es auf Grund eines Modells sucht, welches sie nie finden kann. Sie könnte wohl Objekte finden, die sich dem Idealbild, dem Modell, im großen und ganzen annähern, aber sie ist an ein ganz bestimmtes, spezielles Introjektionsbild gebunden, welchem die Objekte der Welt nie haargenau entsprechen können, und zu einem Kompromiß ist sie unfähig geworden. Sie sucht also ver­ geblich rastlos weiter. Das gesuchte Bild ist des öfteren Folge einer Ad-hocIntrojektion (+ k). Triebpsjcbologisch steht also hinter der Triebgefahr dieser Klasse eigentlich an erster Stelle nicht das Su chbedürfnis (d), sondern eine gesteigerte Idealfunktion (k). Das ewige Suchen manifestiert sich bei «relativ gesunden» Mitgliedern dieser Klasse in rast­ losem Rivalisieren. Sie sind an das Rivalisieren mit dem Urobjekt (Vater, Mutter, Schwester, Meister) fixiert, so daß sie durch Übertragung auf ihrem weiteren Lebensgang mit jedem Menschen rivalisieren, der auf irgendeinem Gebiete als «Erfolgsperson» figuriert. Sie rivalisieren eben, weil sie das Urobjekt im ersten Rivalisierungskampf verloren haben und das verlorene Objekt im Ich als Imago einbauten. Der Rivalisierungskampf geht nun weiter, gelenkt vom Idealbild, welches sie nun durch Erfolge auf anderem Gebiete zu erobern versuchen. In die­ sem Kampf zersplittern sie ihre Talente, vergeuden vergeblich ihr geistiges, oft auch materielles Gut und Haben, aber sie geben den Kampf dennoch nicht auf, bis sie sich dann in einer schweren Depression gegen sich selbst wenden und sich zu Tode martern. Die Depression ist aber nur eine R eaktion auf das ewige Suchen. Die experimentellen Merkmale der Cd+-Klassen sind die folgenden: Auf dem Gebiete der Sexualität dominieren die Sexualbilder : S -| , ^ —, also Bilder der Triebentmischung und der Wendung gegen die eigene Person (— s, — \s). Sie sind passive Selbstquäler, Masochisten, werden auch oft Selbstmörder. FREUD nimmt an, daß die Wendung gegen die eigene Person durch die Rigorosi­ tät des Uber-Ichs zustande käme. Oft zeitigen sie kindische Sexualbilder in Form von S 0 0. Auch auf dem Gebiete des Affektlebens geben sie Reaktionen, die wir als Affektentladungen deuten müssen (P 0 0). Oft leben sie in Panik (P ), oder in projektiver Angst (P 0 —) ; das lamentierende Affektbild P 0 i ist für sie ebenfalls bezeichnend. Ihr Ich ist ein Früh-Ich : Sch -j , Sch A — entlarvt die Anlage zum Autismus. Nur in der späteren Phase der Depression bzw. der Hypomanie geben sie Ich-Bil­ der: Sch ; Sch —! —; Sch ! (U. MOSER). Das obligate Kontaktbild ist C -| oder + ±,4-0. In der Berufswahl werden sie vom Faktor d gelenkt und wählen mit Vorliebe «Sammler»-Professionen: Magaziner, Markenhändler, Antiquitätenhändler, Auk­ tionator, Kritiker. (Die zwei letzten Berufe sind Beispiele zur Sozialisierung des Rivalitätsbedürfnisses.) Die Schicksalsmöglichkeiten der Klasse Cd+ : 1. paranoider Größenwahn, bzw. Minderwertigkeitsgefühl, in Form von ewigem Rivalisieren, oft mit ge­ schlechtlicher Minderentwicklung. 2. Intersexuelle, latent homosexuelle Hasar­ deure (Karten, Börse, Turf). 3. Zwangsneurotiker mit paranoider Depression. 4. Paranoide Melancholie bei Kranken mit Schizomania. 5. Paranoide Klepto­ manie. 6. In den schwersten Fällen: Psychosis melancholica.

318


14. Triebklasse Cd~ Klasse der Entsagenden, der Beharrenden, Unveränderlichen und Analen Vertreter dieser Klasse sind «Klebenaturen». Sie kleben am Objekt, besonders dann, wenn sich das Objekt von ihnen schon längst abgelöst hat, ja so gar wenn das Objekt für die Person schon längst verloren ist. Sie sind die sich verzehrenden Liebespartner. Auf einer höheren Schicht lieben sie in gleicher Weise das gei­ stige Deckobjekt, eine Objekttreue, die ewig dauert. Für das Objekt sind sie stets bereit, auf andere Wertobjekte der Welt zu verzichten. Sie sind die großen Ent­ sager unter den Menschen. Ihre Häufigkeit ist aber äußerst beschränkt. Die Kran­ ken dieser Klasse sind: Analerotiker, epileptoide Charaktere, paranoide Depressive, Süchtige.

VIII. Hauptklasse Cm Klasse der Manischen Die Triebgefahr bei Vertretern dieser Klasse wird durch die Latenz des Be­ dürfnisses, sich an das Objekt zu klammern, bedingt. Sie sind des Gefühls unfähig, das Objekt sicher besitzen. Sie s ind sogar dann unsicher in der Objektbesetzung, wenn das Objekt in Wirklichkeit fest in ihrem Besitz ist. Das Bedürfnis, sich an das Objekt zu klammern, ist unstillbar und quantitativ zu groß, wie es einst gegen­ über der Mutter gewesen war. In bezug auf dieses Bedürfnis bleiben sie ewige Säuglinge, ewige Oralsadisten. Die Notausgänge aus dieser Triebgefahr sind zu­ meist oralen Charakters, daher die Anlage zu Sprechsucht (Logorrhoe), zum Sin­ gen, Trinken, Essen und Rauchen. Daher die Berufe, wie Koch, Kellner, Gastwirt, Cafetier, Barmixer, Weinkoster, Musiker auf Blasinstrumenten, auf einer höheren Schicht: Sänger, Sprachlehrer, rednerische Berufe, wie Dozenten, Parlaments­ abgeordnete, Vertreter von Fabriken usw. Das sentimentale Bedürfnis, sich anzu­ klammern, macht aus einigen lyrische Dichter. Die Krankheitsbereitschaft zur Manie, Hypomanie, hypomanisch-irritativen Neurasthenie ist hoch.

15. Triebklasse Cm+

Klasse der Ewig-sich-Anklammernden, der Akspptationsneurotiker und Trinker Vertreter dieser Triebklasse neigen am ehesten zu Angstzuständen; es ist die besondere Angst, das Haltobjekt zu verlieren. Das unbefriedigte Bedürfnis ist hier: das Angenommensein. Daher auch die große Neigung dieser Menschen zu Partizipationsstörungen. Die kranken Existenzf' rmen sind: Sucht, im besonderen Trunksucht (+ ! m) ; Narkomanie, sexuelle Haltlosigkeit bei jungen Mädchen, orale Homosexualität, manisch-inflative Psychopathie. Seltener: epileptiforme Psycho­ pathie mit Suicidgefahr, Mischpsychosen, Kriminalität mit Sucht. In die Klasse Cm+ gehören auch normale Jugendliche und Erwachsene. (Linnäustabelle XV).

319


16. Triebklasse Cm~ Klasse der Ewig- Verlassenen, der Hypomanischen und Haltlosen Charakter und Krankheitsbild wird bei den Vertretern der Klasse Cm~ durch das unbefriedigte Anklammerungsbedürfnis bestimmt. Das phylogenetisch uralte Bedürfnis «sich anzuklammern» wirkt als der dynamischste latente Faktor im Triebleben dieser Menschenvarianten. Das latente, unbefriedigte Anklamme­ rungsbedürfnis treibt sie dazu, sich irgendwie zu entschädigen, da sie das Grauen der Vereinsamung, die Qualen des Abgetrenntseins von der Welt nicht aushalten. Normale Kinder in der Trotzperiode, in der Präpubertät, normale Erwachsene zwischen 60 und 70 Jahren, Erwachsene in der Regression gehören dieser Trieb­ klasse an. Wir finden unter ihnen Kinder, die unter «Schuldruck» leiden, Angstneurotiker, Stotterer, schwererziehbare, dekonzentrierte, hastige, haschende Jugendliche, Hypochonder, hypomanische, bzw. manische Erwachsene, Transvestiten, Poriomane, Kleptomane, Einbrecher, Defraudanten, Affektmörder, Süchtige, maniforme Hebephrene, Epileptiker und Homosexuelle. So bunt ist das Arsenal der Notausgänge, über die der Mensch aus der Triebgefahr des Abge­ trenntseins sich zu retten versucht. Aber im Hintergrund all dieser phänomenolo­ gisch verschiedenen klinischen Bilder verbirgt sich stets dieselbe Gefahr, die durch das Unvermögen, sich an jemanden anzuklammern, hervorgerufen wird. Das klinisch-experimentelle Merkmal des Unvermögens «sich anzuklammern », ist die sogenannte «hypomanische Reakti on» (C 0 —•). Was wir unter «hypomani­ scher Reaktion» verstehen, deckt sich nicht mit dem psychiatrischen Bild der «Hypomanie», bzw. der «Manie». Im Hintergrund der Hypomanie steckt zwar ebenfalls dasjenige tiefenpsychologische Geschehnis, welches wir « hypomanische Reaktion» nennen, aber diese Reaktion ist nicht nur an das klinische Bild der Hypo­ manie gebunden, sondern wir finden die hypomanische Reaktion bereits in jedem Alter vom 3. bis 4. Lebensjahr bis zu den Wechseljahren (40-60 Jahre). Aus tiefenpsychologischem Gesichtspunkte gesehen ist die hypomanische Reaktion eine Reaktion der Person, die sie dann zeigt, wenn sie: 1. vom Objekt abgetrennt wird (— m); 2. ziellos hin und her greift nach Wertobjekten der Welt (0 d), ohne aber diese Objekte auf die Dauer behalten zu können; 3. infolgedessen dekon­ zentriert, unstet, unruhig wird und 4. weiß, daß sie ihr Anklammerungsobjekt auf ewig verloren hat. So wird sie aggressiv und wendet ihren Sadismus gegen die Umwelt, in der sie zur Anklammerung unfähig wurde (+ r, -j- ! s). Wir haben das Syndrom der hypomanischen Reaktion aus folgenden Merkmalen zusammengestellt : — m: Abgetrenntsein vom Objekt; 0 d : hin und her greifen, haschen, hasten; Haltlosigkeit, Inkontinenz des Erwerbungsdranges. — k: Verlust des Vermögens pjir Idealbildung; sie haben kein «Objektideal» mehr, und so wissen sie nicht, was sie «haben» möchten. Oder sie ent­ werten alle Ideale. + s: Aggression gegenüber der Umwelt. Dieses Syndrom kann in jedem Alter vorkommen und wird im Kindesalter

320


klinisch anders ausgewertet als in den Wechseljahren, aber die tiefenpsychologische Deutung und Bedeutung bleibt immer die gleiche. Für die Psychosis maniacalis bezeichnende experimentelle Merkmale sind die folgenden : 1. Die Person gehört in die Klasse Cnr~, d. h. die Nichtbefriedigung des Anklammerungsdranges führt in der Latenzreihe der Faktoren. (Bei Melancholikern führt zu Beginn der Erkrankung bekanntlich die ^-Latenz: Cd+.) 2. In der Triebformel figurieren unter den Symptomfaktoren e un d d, eventuell noch hy. 3. Die Quantumsspannung im Faktor s, eventuell auch im h, ist enorm groß (s = + 5, -f- 6, h = + 4, + 5) ; die Person ist unfähig, ihre Aggressionslust und ihr Zärtlichkeitsbedürfnis zu entladen. 4. Ort des Konflikts ist das Gebiet des Kontakts mit der Umwelt. Hier finden wir spiegelbildartige Hinwendungen in den Reaktionen (z. B.C 0 •—• wird C — 0). 5. Das Ich-Schicksal wird durch die Ich-Bilder: Sch ; — ! —; ! und Sch 0 •— charakterisiert. 6. Affekte werden leicht und oft entladen : P 0 0. 7. Das Kontaktbild CO — kommt am häufigsten vor. *

Wir haben die allgemeine Beschreibung der 16 Gefahrklassen somit beendet. Die besonderen Schicksalsmöghchkeiten dieser Klassen sind in den Linnäustabellen Nr. I-XVI zusammengestellt1. Eine eingehende Erörterung der 16 Ventilklassen ist darum überflüssig, weil wir ihre Linnäustabellen Nr. XVII-XXXII sowieso auf Grund der klinischen Diagnosen aufgestellt haben. (Näheres siehe Band III).

Kapitel XXII

ÜBUNGEN ZUR MENSCHENBESTIMMUNG MIT HILFE DES EMPIRISCHEN TRIEBLINNÄUS Fall 14: Beispiel pur Triebklasse Lr~ mit einer Gefahr. Fall eines 30jährigen Gymnasiallehrers. Die Tendenzspannungstabelle zum Fall 14 wurde auf Grund von 15 Trieb­ profilen aufgestellt. 1 Bd. III: «Menschenbestimmung mit Hilfe der Linnäustabellen ... ». Huber, Bern und Stuttgart, 1959. 21

Szondi, Triebdiagnostik

321


Aufn ahme

S

Scb

P

Tages-Ts PG

C

Datum

h

s

e

by

k

P

d

m

I

1940 3. 9.

+

±

+

0

0

2

1

3

II

11. 9.

0

+

±

+

j-

1

2

3

III

16. 9.

0

+!

+

±

0

0

3

1

4

IV

16. 9.

±

±

0

+

0

+

2

2

4

V

18. 9.

±

+

0

+

0

±

+

2

2

4

V,

18. 9.

+

+

0

±

±

0

2

2

4

VII

20. 9.

+

0

0

+

—1

+

2

0

2

VIII

20. 9.

+

+

±

0

±

0

2

2

4

IX

23. 9.

0

+

0

:

±

0

0

4

2

6

X

23. 9.

+

+

±

0

0

2

1

3

XI

25. 9.

+

+

0

±

0

2

1

3

XII

25. 9.

+

0

+

0

±

+

2

1

3

XIII

27. 9.

0

±

±

+

±

+

1

3

4

XIV

27. 9.

0

+

±

0

±

±

+

2

3

5

XV

30. 9.

+

+

±

0

±

1

2

3

0

5

1

3

7

0

7

0

7

30

s ±

2

1

4

3

8

0

6

1

S 0 und ±

7

2

7

10

8

7

6

8

Nr.

S

S 0 12

2 0 u. ±

±

'

25 55

30 I enclenzspannungsquotient = —

=1*2

A. Bestimmung der Triebklasse h—s hy — e k—p m—d

= 7—2 = 10 — 7 = 8—7 = 8 —6

= = = =

5 3 1 2

= = = =

Ss~ Pe+ SchpCd~

Reihe der Latenzgrade i 1 kH ,P<+ .Cd- .Sebp3 Eine Gefahr

2

l

Ventile

Patient ist demnach Vertreter der jj—-Klasse. Allgemeine Merkmale dieser Klasse sind : 1. Das Unbefriedigtsein des «männlichen» Bedürfnisses (—s) ; latente Aggres­ sion, Masochismus. 2. Vertreter dieser Klasse erheben den Anspruch, mit dem Partner eine unzer­ trennbare Doppeleinheit, eine Dualunion zu bilden.

322


3. In dieser Dualunion spielen sie die Rolle des Masochisten. Die Beziehung der Dualpartner zueinander weist stets einen sadomasochistischen Charakter auf. Sie sind mit der Kette des Sadomasochismus aneinandergebunden. 4. Objekt der Berufswahl ist zumeist das Kind, also die Pädagogik. 5. Pathologische Formen: Zwangsneurose, paranoide Neurotiker; bei Män­ nern: Impotenz, Analerotik; in schweren Fällen: paranoide Schizophrenie. B. Bestimmung der Triebformel

Rangordnung

by

m

k

P

h

e

d

s

Tendenzspannungsgrad

10

8

8

7

7

7

6

2

±

0

0(±)

± u.O

±

±,0

+

—, +

0(±)» 0 (±)

Symptomatische Reaktionen Andersartige, bzw. Wurzelreaktionen

—, +

+

Triebformel :

Triebfbrmel :

by

by„•+ m*±- k,±

s

p b , ° ± e7±° d , ±

Nach Angabe der Trieblinnäustabelle Nr. IVb, Rubrik III, sind die Erschei­ nungsbilder -y- der Klasse Ss~, Variation 1, die folgenden: 1. Hysterie, 2. latente Homosexualität, 3. sexuelle Störungen, wie Impotenz, Frigidität, 4. latente Epi­ lepsie, 5. Analität, 6. Hemmungen, Arbeitsunfähigkeit. Berufe: Unterricht, Musik, Mathematik, Philosophie, Kunstgewerbe. Auf Grund der vollständigen Triebformel müssen wir unsere Diagnose auf Hysterie, latente Homosexualität und sexuelle Störungen stellen2. C. Der Tendenzspannungsquotient (TspQu) ist: r|= 25- =1>2; also notma1' Dieser Umstand spricht gegen Hysterie und für sexuelle Störungen. (Bei der Hysterie ist der TspQu größer als 3.) Die Krankheitsgeschichte des Patienten Der 30jährige Mathematiker suchte mich in der Sprechstunde wegen sexueller Störungen auf: er empfindet keine Libido, keinen Orgasmus, kann sich an Frauen überhaupt nicht binden. Als Wissen­ schaftler unterschätzt er sich selbst und seine Erfolge. Desto höher bewertet er aber die Erfolge seines Bruders, den er für ein Genie hält, und für den er schwärmt. In der Schicksalsanalyse stellte sich folgende Sachlage heraus: Der Vater ist im ersten Weltkriege verschollen, als der Proband etwa 3-4 Jahre alt war. Die zwei Brüder lehnten sich in einer Dual union 1 Die Reaktionen in den Klammern kommen seltener vor. 2 Siehe «Menschenbestimmung».

323


eng aneinander an, in welcher der Patient die passive, feminine Rolle spielte, sich dem jüngeren Bruder in allem unterwarf und aufopferte. Dieser Bruder war ein sehr aktiver, begabter Schriftsteller, der den älteren Bruder - unseren Patienten - auf allen Gebieten des Lebens unterdrückte, ihn fast despotisch behandelte. Auch unser Proband wollte Schriftsteller werden, die Erfolge seines Bruders entmutigten ihn aber, und so wurde er Mathematiker. Die Führung und Unterdrückung durch den jüngeren Bruder nahm er demütig auf sich, fühlte sich in dieser masochistischen Situation überglücklich. Er liebte den Bruder. Die Katastrophe stellte sich in der Dualunion ein, als ihn der jüngere plötzlich verließ, heiratete, und unser Patient mit der Mutter allein blieb. Es bildete sich rasch eine neue Dualunion zwischen Mutter und Sohn, ebenfalls unter der Flagge des Sadomasochismus, aber mit dem Unterschied, daß die sadistische Rolle von nun an der vom jüngeren Bruder verlassene Patient übernahm. Mutter und Sohn quälten sich zu Tode, öfters versuchte unser Patient dieser unglücklichen Doppeleinheit ein Ende zu machen, die Mutter zu verlassen, aber vergeblich. Die Mutter zahlte dem Sohn die Quälereien mit höchst erstaunli­ chen hysterischen Szenen zurück. Auch unser Proband produzierte einmal einen hystero-epileptiformen Anfall. Sie blieben aber weiter zusammen, da sie die Kette des Sadomasochismus, durch die sie aneinander gebunden waren, nicht brechen konnten. Traute sich der 30jährige Sohn, einem Mädchen den Hof zu machen, so desillusionierte die Mutter ihren Sohn unter Schmähungen. In der Behandlung wurde er mit der Störung seiner Ich-Entwicklung, besonders mit der falschen Idealbildung, konfrontiert. Er konnte sich nicht mit dem Vater identifizieren, der verschwand, als der Patient noch ein Kleinkind war; er identifizierte sich also mit der Mutter, und liebte erotisch den jüngeren Bruder. In dieser Dualunion befriedigte er seine latenten homosexuellen Bedürfnisse auf dem Wege des Masochismus. Nach dem Zerfall der gleichgeschlechtlichen Dualunion identifizierte er sich mit dem Bru­ der und fing an, die Mutter in solcher sadistischer Art zu behandeln, wie einst der Bruder ihn. Die Mutter, die selbst eine intersexuelle, männliche Frau war, hemmte aus Eifersucht alle heterosexuellen Beziehun­ gen des Sohnes. Daher die Unfähigkeit zur Liebe, die Impotenz. Nach etwa einjähriger Behandlung ist es dem Patienten gelungen, sich von der Mutter zu trennen und zu heiraten.

Die Aufnahmen stammen aus dem Zustand des Patienten, als er noch mit dem Bruder in einer masochistischen Dualunion lebte. Daher die Zugehörigkeit zur Klasse Ss~. Beispiel

Bestimmung der Person in der Triebklasse mit opvei Gefahren

Als allgemeine Regel gilt hier, daß man die Person in beiden K lassen bestimmt und beide Existenzformen als Schicksalsmöglichkeiten in Betracht zieht. Fall 15 (von E. STUMPER) : Der 53jährige Beamte liefert auf Grund von 13 Profilen folgende Latenzproportionen und Triebformel: Latem^proportionen: 7

Triebformel:

Cm—H

Scb

1

0

6

2 Triebgefahren

-<

>•

Ventile

j\a+., kf, pt°, by-,*, di'+. 4

b3+11 ± g

1

I +

Zuvörderst bestimmen wir den Mann in der 3*Z>+-Gefahrklasse: T rieblinnäustabelle Ib, zwei Gefahren, Rubrik I. j, Variation 37 J k % 'f d Suicidgefahr. Para­ noides, depressives Irresein. Hernach in der iV~-Klasse. Trieblinnäustabelle Nr. Via, zwei Gefahren, Rubrik III. , Variation 1, Pe~ Sh+. Suicid bei schwerem manischdepressivem Irresein. Die beiden Ventile: Cm und Scb avisieren die schon manifestierten Schicksals­ möglichkeiten der Manie und der schizoformen Ich-Störungen. Für die manische Phase sprechen die Kontaktbilder CO — (zweimal) und C (einmal); für eine ernste, schizoforme, paranoide Ich-Störung die Ich-Bilder: Sch 0 — (viermal) mit spiegelbildartiger Umdrehung in Sch — 0 (viermal). Auf den Verlust des Be­ wußtseins in einer Affektstauung weist das Ich-Bild Sch 0 0 (viermal) hin. Er muß

324


somit auch paroxysmale Anfälle haben. Die testologische Auslegung des Falles lautet somit: Mischpsychose von manischdepressive/n Irresein mit paranoid-querulatorischen IchDie Diagnose der Klinik (Ettelbrück, Luxemburg)1 lautet : «Suicid bei schwe­ rem manisch-depressivem Irresein (Erhängen). Unzählige, gewaltsame Suicidversuche. Schwerer Stotterer. In der manischen Phase: Exhibitionist.» Der Fall wurde von uns in die Trieblinnäustabelle Nr. Ib eingereiht. Diskussion: 1. Die Stottereranfälle sind durch die Pe~ (epileptiforme) Klasse bedingt. 2. Die sadistische Art des Selbstmordes ist ebenfalls durch die epilepti­ forme Triebstruktur begründet. 3. In der klinischen Diagnose fehlt die Erwäh­ nung der paranoid-querulatorischen Ich-Störung, ohne die ja der Selbstmord - trotz Depression - nie hätt e durchgeführt werden können. Fall 16. Beispiel %ur Triventilklasse Es handelt sich um einen 13jährigen Jungen, bei dem wir gezwungen waren, die experimentelle Psychodiagnose nur auf Grund der zehn Profilaufnahmen, ohne ihn überhaupt sehen, aufz ustellen. Die Tendenzspannungstabelle, die der untersuchende Arzt mir übermittelte, sah wie folgt aus : Tenden^spannungstabelle %um F all 16 Aufn ahme Nr.

Datum

p

h

s

c

by

k

Scb

c

Tages-Ts pG

p

d

±

±

+

1

2

3

Ii 0 j S i

Ï0 u.i

I

1942 25.6.

+

0

II

25. 6.

+

+

0

+

—1

1

0

1

III

27. 6.

+

+

±

-

+

0

1

1

IV

27. 6.

+

+

0

+

—1

1

0

1

V

29. 6.

+

+

0

+

1

0

1

VI

29. 6.

+1

+

0

+

1

0

1

VII

30. 6.

0

+

+ .

1

0

1

VIII

30. 6.

+

+

0

+

1

0

1

IX

2. 7.

+

+

0

0

+

2

0

2

X

2. 7.

+

+

0

0

+

2

0

2

s 0

1

1

6

3

0

0

0

0

H

liiijiüiiiij I:-':::-:!

s

0

0

1

0

1

1

0

0

3

1

1

0

0

±

TspG

1

1

7

!

1

i l l

3

j

Tendenzspannungsquotient =

1 STUMPER,

E. : Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Huber, Bern und Stuttgart, 1956.

14 = 3,6

S. 104,

Fall 19.

325


A. Bestimmung der Triebklasse h —s e •—• hj k —p d—m

= 1—1 = 7 —3 =1 — 1 = 0 —0

= = = =

0 4 0 0

= = = =

dAr Phy~ Schkp Cdm

Rangreihe der Latenzgrade: I Phy-

S

Scb

c

0

0

0

Drei Ventile

Patient ist Vertreter der Ventilklasse Phy~ mit drei Ventilen. B. Bestimmung der Triebformel Rangreihe der faktoriellen Tendenzspannungsgrade zum Fall 16 Rangordnung

Tendenzspannungsgrad Symptomatische Reaktionen Andersartige, bzw. Wurzclreaktionen

Die abgekürzte Triebformel: e

e

d

m

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

e

hy

b

r

p

k

d

m

1

3

1

1

1

1

0

0

0 (±)

0

0

0

±

±

+

+

+

Die vollständige Triebformel:

byr~ ^1+I A+ P\~~ k\~

do+] m— I Wir können nun die Persönlichkeit der Vp auf Grund der Trieblinnäustabelle Nr. XXIVa, Variation 26, wie folgt feststellen: Homosexualität, Paranoid. Die Krankheitsgeschichte, die ich nach meiner Diagnosestellung von dem behandelnden Arzt bekam, lautete wie folgt: Zuerst wurden bei dem Jungen Charaktcrdefcktc festgestellt; insbesondere ist er ein leidenschaft­ licher Lügner. So war er imstande, die Existenz eines Faches im Stundenplan seinem Korrepetitor fast zwei Semester hindurch völlig abzuleugnen und zu behaupten, daß das kritische Fach im Stundenplan überhaupt nicht vorkomme. Die Ursache der Verlogenheit sei Rache; nach seiner Angabe will er sich an dem Vater, den er haßt, auf diese Art und Weise rächen. Er gibt an, der Vater sei «unlieb» zu ihm. Der Vater ist ein strammer Mann, sehr beschäftigt, erzieht seinen Sohn streng, militärisch. Der Junge haßt aber Strenge und alle Befehlshabereien. Er will so sein wie die Mutter. Ist überempfindlich, leicht verletz­ bar, fühlt sich sofort beleidigt und reagiert auf Beleidigung stets mit Aggression. Lebt völlig allein, ist vereinsamt, hat keine Freunde, dabei unendlich faul. Er schwärmt für Gedichte, fabriziert selbst Verse; lernt leicht Sprachen. Er ist aber in seinen Schwärmereien unstet. Mit dem jüngeren Bruder zankt er sich viel. Der Jüngere ist stramm, spricht über den Probanden sehr schmähend, «will aus ihm einen Sklaven machen». Unser Proband ist aber nicht imstande, auf den jüngeren Bruder länger als fünf Minuten böse zu sein, er küßt ihn sofort, und alles ist wieder gut. - Hingegen haßt er das Fräulein seines Bruders. Sein größtes, unstillbares Bedürfnis ist: Schauspieler werden, ständig auf der Bühne zu leben. Will die Haupt­ rolle in Shakespeares Coriolan darstellen. Er selbst hat schon ein kleines Schauspiel verfaßt. Er schwärmt für Schauspieler. Leidenschaftlich sammelt er die Autogramme von berühmten Schauspielern, etwa so, wie ein Backfisch. (Sonst ist er kein Sammler.) Er ist imstande, die Schauspieler in ihrer Wohnung auf­ zusuchen, um von ihnen ein Autogramm zu erbitten. Läßt sich die Haare bei dem Friseur schneiden, dessen Geschäft von berühmten Schauspielern besucht wird. (Darin ahmt er die Mutter nach.) - Er spielt

326


leidenschaftlich «Damcnrollemt, so die Rolle einer Königin oder einer Krankenpflegerin. Diese Rollen spielt er womöglich in Frauenkleidern. - Ist voller Verdächtigungen, sehr mißtrauisch. Bei den Trieb­ profilaufnahmen mußte man die Tür mit dem Schlüssel zusperren, die Fenster verhängen, weil er Angst hatte, daß das Fräulein des jüngeren Bruders allerlei über ihn tratschen wird. Verschließt sich oft in sein Zimmer; fühlt sich nur in verschlossenem Zimmer allein. Die Mädchen interessieren ihn nicht. Musik liebt er sehr. Möchte gerne in einem chemischen Laboratorium arbeiten. Macht eine neue Spr ache. Laut Angabe des Fräuleins soll er Lach- und Weinkrämpfc haben. Er beschäftigt sich oft mit Vatermord­ gedanken, will das Herz des Vaters mit einem Dolch durchstechen. Bilder, die Grausamkeiten darstellen, wirken auf den Proband erregend. Oft fand ihn das Fräulein im Zustand der höchsten Erregung im Zimmer vor Bildern sitzend, die Szenen der Inquisition abbildeten. Der behandelnde Arzt teilte mir ferner mit, daß der Junge in der Stunde ihn oft zu umarmen und küssen versucht. Seiner Meinung nach ist der Proband homosexuell und hat die Anlage zur paranoiden Schizophrenie.

Die experimentelle Triebdiagnose deckt sich völlig mit dieser Diagnose des behandelnden Arztes. Beispiel opi den Triebklassen mit drei Triebgefabren Fall 17 (von H. ELLENBERGER). 56jähr iger Mann. Er wurde wegen Depression in der Heil- und Pflegeanstalt interniert. Auf Grund einer Zehnerserie ergaben sich bei ihm folgende Laten^proportionen: Cd+ 11 Pby- _ Scbp-'

T/>+ 3

Drei Triebgefahren

Ven­ til

Triebforme/: 'f0I0> ß010> ^°7J ^—7 ^±-6, />— 1 0>

1 'o

Den Fall haben wir in die Trieblinnäustabelle Nr. XIIIa, Gefabrkhsse Cd+, Rubrik II y, drei Gefahren, Variation 6, eingereiht. Die klinische Diagnose lau­ tete: Depression (Cd+n), Betrügereien (Phy-), Mißbrauch minderjähriger Mäd­ chen, Asthma, Hypochondrie, schwache Potenz. Beispiel %itr Ventiltriebklasse mit vier Ventilen Fall 18: 18jähriges Mädchen. Ihre sechs Profilaufnahmen sind in der Tendenz­ spannungstabelle zum Fall 18 verzeichnet. Wir konnten bei der Patientin nicht mehr als sechs Aufnahmen machen, da man sie internieren mußte. A. Bestimmung der Triebklasse

h

s = 1—0 = 1 = jj— e — hy = 2 — 2 = 0 = Pehy k — p = 5 — 4 = 1 = Schpcl

m

= 3

3 = 0

Cdm

R e i h e d e r L a t e n z g r a d e: ss~ Schp- P C \ 1 'o '0 y-er yentjie

327


Tenden^spanmngstabelle %um F all 18 Aufr ahme

P

Datum

h

I

1938 1.4.

+

II

23. 4.

III

s

Sch

e

hy

k

P

d

+

±

+

— I!

+

+

0

10.6.

+

+

±

IV

1940 17. 1.

+

+

0

V

19. 5.

±

0

VI

20. 5.

+

0

2 0

0

0

±

1 1

Nr.

2

TspG

c

1"ages-TspG m

S 0

0

0

2

1

3

±

0

+

2

1

3

±

±!

0

±

1

4

5

0

0

+

±

3

1

+

0

+

+

2

1

3

0

2

0

2

2

1

3

2

3

1

12

0

0

1

2

2

0

2

8

|:::::::Y:Y:7:Y

0

2

2

5

4

3

3

! !!

S ± jSOu. ±

• 1

J

4

20

B. Bestimmung der Triebformel Rangreihe der faktoriellen Tenden^spannungsgrade im Fall 18 Rangordnung

k

p

m

d

by

e

h

s

Tendenzspannungsgrad

5

4

3

3

2

2

1

0

0

±; 0

0

±

+;—

+; —

+ (-)

+

Symptomatische Reaktionen Andersartige, bzw.Wurzelreaktionen

Abgekürzte Triebformel:

0; ± +

± > ; 0 ± (0) —

+; —

—11!

Vollständige Triebformel

k

kp

A,'+ pt'+

s

hs

w3+- d2+— hy2+— e2+—

J"o~[n

Den Fall haben wir demnach in der Trieblinnäustabelle Nr. XX, Quadriventilklasse als Variation 13 eingereiht. Diagnose: Latente Homosexualität, Paranoid. Der Krankheitsverlauf ist ein klassisches Beispiel zur Schicksalsgeschichte eines Dualpartners nach Zerfall der Doppeleinheit. Patientin ist Tochter eines reichen Kaufmanns in Ungarn. Mutter ist herz­ krank, ständig bettlägerig, und so wurde die Patientin von ihrer älteren Schwester erlogen. Sie gibt an, daß sie sich an den Vater kaum mehr erinnern kann, als «hätte sie keinen Vater gehabt». Sie wollte stets bei der Schwester bleiben, ließ sie nie weggehen. So wurde sie ein egoistisches, verwöhntes, schwieriges Kind. Als Neunjährige fing sie an, Märchen zu lesen und verlor sich in deren Phantasiewelt. Zeigte gar kein Interesse für die Schule, für die Schulkameraden. Verachtete sie als untreue, falsche Menschen. Später schwärmte sie doch für eine Lehrerin, die Nonne war, und für eine Schulkameradin, die die anderen Mäd­ chen genau so verachtete, wie sie. Als sie 15 Jahre alt war, ging der Vater finanziell zugrunde, die Mutter starb, und die Familie mußte in die Hauptstadt ziehen, um dort das Nötige mit schwerer Arbeit zu ver­ dienen. Und jetzt beginnt die Katastrophe. Die Schwester, mit der sie bis dahin in engster Dualunion

328


lebte, die ihr Leben völlig der Patientin widmete, mußte sie verlassen, um Brot zu verdienen. Patientin fühlte sich von nun an zu Hause überall fremd. Sie konnte sich der neuen Situation — in der sie ohne Schwester den Tag verbringen mußte - nicht anpassen. Verliert ihre Stellung und beginnt ein nutzloses ständiges Lesen, beginnt Verse zu dichten, lebt ein völlig irreales, einsames Leben. Sie findet die Men­ schen hohl und eifersüchtig, verabscheut und meidet sie. Wird mißtrauisch, glaubt, daß man über sie Schlechtes spricht, sie sei «eine Hure», sucht Beweise dafür, daß nicht nur sie diese Schmähungen höre. Sie verliert alle Beziehungen zu der Familie, will nichts arbeiten, denkt nur an schöne Kleider, spricht über ihre außerordentliche Begabung, begeht unverständliche Handlungen, denen sie eigentümliche Bedeutung gibt. So steckt sie z. B. den Finger in den Mund und behauptet, das sei ein Zeichen, daß sie gescheiter ist als alle anderen. — Als sie eine Urticaria bekam, behauptet sie, die Schwester wollte sie ver­ giften. Ein anderes Mal wollte ein Arzt ihre Mandeln anschauen, die Schwester brachte zur Untersuchung einen Löffel, da behauptete die Kranke, die Schwester wolle mit dem Löffel dem Arzt ein Zeichen gegen sie geben. Spricht ständig darüber, daß die Schwester «Zeichen gegen sie» gibt, sie will sie töten. Behauptet, daß die Schwester, die bisher wie eine Mutter zu ihr war, jetzt alle Menschen gegen sie auf­ stachelt. Ein Arzt gab der Schwester den Rat, das Mädchen zu einer Tante zu schicken, vielleicht würde sie sich dort beruhigen. Hier vermehrten sich aber ihre Wahnideen. Sie behauptet, daß der Onkel sie ver­ führen wolle, die Kusine soll über sie gesagt haben, sie sei homosexuell, alle Menschen, die sie verfolgen, gehören zusammen, machen ein Komplott gegen sie. Sie erzählte uns, daß sie vor einigen Tagen plötz­ lich den Eindruck hatte, daß sie wahnsinnig würde; sie bekam einen Schwindclanfall, konnte nicht den­ ken, hatte Angst vor sich selbst. In diesem Zustand beginnen wir die Testaufnahmen. Nach der dritten Aufnahme wurde sie so unruhig, daß man sie internieren mußte. Im Asyl beruhigte sie sich, hörte auf von Verfolgungen zu sprechen, und nach zwei Monaten wurde sie entlassen. Ich sah die Patientin erst nach sechs Monaten wieder. Dann wurde sie wieder aggressiv, sprach ständig von Verfolgungen, lief in der Nacht aus der Wohnung fort, wurde konfus, so daß man sie wieder internieren mußte. In diesem Zustand gibt sie das IV. Triebprofil mit dem Syndrom des Irrewerdens (s: —III; Sch = 0 0). Seither sahen wir die Patientin noch zweimal. Bei der letzten (VI.) Aufnahme gab sie schon das Profil einer dementen schizophrenen Patientin. Bei dieser Gelegenheit spricht sie folgendes : «Ich habe Strom im Mund. Man hat den ganzen Winter hindurch elektrischen Strom in meinen Rücken geführt, eine Flure und ihr Geliebter machten das mit mir. (Da denkt sie an die Schwester.) Ich gab ihr 10 000 Pengö, Herr Doktor, ich kann Ihnen beweisen, daß ich noch Jungfrau bin... Ich stamme aus einer vornehmen Familie, die ganze Stadt gehört meinem Großvater, ich hatte auch sechs Häuser..., bitte schenken Sie meiner Schwester nicht Ihr Vertrauen. Man lügt Ihnen... die Menschen sind alle schwach­ sinnig, ich verstehe die Welt nicht mehr...»

Obzwar wir bei der Patientin nur sechs Aufnahmen machen konnten, kommt die ganze Tragödie dieses 18jährigen Mädchens im Experiment klar zum Vor­ schein. Auch ohne Anwendung der Methode des Trieblinnäus kann man mit Hilfe der qualitativen Analyse dieser sechs Profile die Schicksalsgeschichte des Mädchens richtig erfassen: Die zwei ersten Profile sagen folgendes aus : Profil

c

P

I

+

+

±

0

0

II

+

—! !

+

+

0

±

0

+

Paranoide Person, lebte in einer Dualunion (S -j , Sehn 0 i), wurde von der Partnerin verlassen, will jetzt flüchten (Sch\ A —), weil man sie verfolgt (— p). Wendet ihre Aggression gegen die eigene Person (— ! ! s). S

Profil III

+

P

+

Scb ±

±

±1

C 0

±

Sie ahnt schon die Katastrophe {Seh ± ±), versucht mit größter Kraft, die Bremsen ihres Bewußtseins zu ziehen und ist unglücklich (C 0 i).

329


Profil IV

f

+

-! ! !

+

c

Ja» 0

0

0

+

±

Sie steht vor dem Ausbruch des Irreseins : — ! ! !s, Sch 0 0. Man muß sie inter­ nieren.

V

p

S

Profil

±

0

c

Sch —

+

0

+

+

Sie war zwei Monate in der Anstalt, introjiziert (Seh -)- 0), aber die Reaktion PO —• zeigt ihre paranoide Angst. Sie versucht, durch Introjektion (+ k) vor der Krankheit zu flüchten. Resultat: paranoide Depression: —s, -f- k, -|- d.

VI

p

,y

Profil

+

0

Sch +

0

C —

Das traurige Bild der Verblödung. Sch 0 —: Regression des Ichs, Projektion mit Verblödung. C : Kontaktirresein: sie klebt an einem Objekt, von dem sie schon längst abgetrennt ist; Diagnose: Dementia paranoides. *

Zum Schluß müssen wir der Darstellung der Linnäusmcthode noch folgendes hinzufügen: 1. Die Linnäusmethode dient dem Ziele eines Archivs in Tabellenform. Es werden alle Fälle, denen wir bisher begegneten, auf Grund von Triebklassen und Triebformeln geordnet und mit den Diagnosen der Klinik versehen. So entstanden die mitgeteilten sogenannten «Unnäustabellen» Nr. I-XXXII. Diese sind somit rein empirischer Natur. 2. Die Linnäustabellen weisen aber heute noch ernste Lücken auf, die in der Zukunft allmählich ausgefüllt werden müssen. Zu diesem Zweck wurde in der «Stiftung S^ondi-Institnl», 8044 Zürich, Krähbühlstraße 30, ein «Internationales Archiv» errichtet1. 3. Damit werden aber die qualitativen Methoden, im besonderen die von Rand und Mitte und die Vorder- und Hintergängeranalyse niemals überflüssig werden, da ja die Linnäusmethode nur eine rasche Orientierung über die Schicksalsmöglichkeiten erlaubt. Eine Diagnose ist stets nur eine der möglichen Existenzformen. Die qualitativen Verfahren hingegen haben das Ziel, die individuellen, tiefenpsjchologischen Gründe des seelischen Krankseins von Fall zu Fall diskret aufzudecken. Diese tiefere Zielsetzung war und bleibt die Plauptaufgabe der experimentellen Trieb- und Ich-Diagnostik 1 Wir bitten auch an dieser Stelle alle ausländischen Kollegen, ihr Material zur Kopierung und EinOrdnung in dieses Archiv uns zusenden zu wollen. So hoffen wir, in einigen Jahrzehnten das Linnäusarchiv so vervollständigen zu können, daß es möglich wird, die klinisch wichtigen Fälle hier aufzufinden.

330


auch dann, wenn wir einmal über vollständige Linnäustabeilen verfügen werden. Man kann demnach sagen : Die qualitativen Deutungsmethoden dienen dem Zweck einer Aufdeckung der persön­ lichen tiefenseelischen Prozesse, welche hinter den klinischen Diagnosen individuell variabel ablaufen. jSknüWMW/ag akt Aff/rmbw Akt fk/Ajr www

Wat/ war dkr #wr«W% MwWß Graß/,f.

4. Oft wurde uns die Frage gestellt, ob man die Menschen in der Tat - wie Pflanzen und Tiere - linnäusartig zu bestimmen vermag ? Nach 25jähriger Anwen­ dung der Linnäustabellen müssen wir dies bejahen. Von den zahllosen Fällen, die für die Möglichkeit und Richtigkeit unserer Bestrebungen zur Bestimmung des Menschen in einem Linnäussystem auf Grund des Trieb- und Ich-Testes plä­ dieren, stehe hier nur ein Beispiel. Zwei Mädchen (A und B) von 25, bzw. 23 Jahren gehören der gleichen Trieb­ klasse (Phy~) mit den fast gleichen Triebformeln an :

Triebklassc

Tricbformcl

A 25jahrig 2

B 23jahrig 2

Pby—

Phy-

ek;hps

e k ; b p ?)i

by d m

d by s

Die Triebklasse Phy~ ist für Paranoide, Epileptoide charakteristisch. Die Triebformel T- spricht für die führende Rolle des epileptiformen F aktors in der Er­ krankung. Da beide Faktoren des Ichs (k und p) als Symptomfaktoren figurieren, müssen wir (Sch 0 0 oder Seh F. zk) an Dämmerzustände, Absencen denken. Das Mädchen A zeigt manifeste Aggression (s als S ymptom), das Mädchen B verborgene Gewaltsamkeit (s als Wurzelfaktor). Von acht Faktoren zeitigen sechs das nämliche Triebschicksal. Wenn also die Linnäusmethode in der Tat brauchbar ist, so müßten diese zwei Mädchen in der Wirklichkeit das nämliche Schicksal aufweisen. Das ist in der Tat der Fall. Das 25jährige Mädchen A ist von mir noch in Ungarn im Jahre 1939-1940 untersucht worden. Sie litt an einer schweren genuinen Epilepsie. Sie lebte mit ihrer Mutter zusammen, die eine charmante, aber krankhaft masochistische, hysterische und periodisch depressive P erson war. Die Dualunion zwischen Mutter und Toch­ ter trug einen sadomasochistischen Charakter. Die Tochter, die in dieserDualunion die sadistische Rolle spielte (s als Symptomfaktor), machte ernste Vorbereitungen, die Mutter mit Luminal, das man ihr gegen die epileptischen Anfälle verordnet hat, zu vergiften. Man mußte sie zeitweise wegen ihres paranoiden Wahns internieren. Das 23jährige Mädchen B (Fall 4) habe ich fünf Jahre später in der Schweiz in einer privaten psychiatrischen Klinik untersucht. Sie kam aus Frankreich und obzwar sie einer völlig anderen Nation, Religion und Gesellschaftsklasse ent­ stammte - zeitigte sie die nämliche Phy~-Klasse mit fast der gleichen Triebformel. Ihr Schicksal war das nämliche wie das ihrer ungarischen Schicksalspartnerin.

331


Auch sie war eine genuine Epileptikerin mit paranoiden Zügen, sie wollte ebenfalls die Mutter, die Insassin derselben Klinik war, erwürgen; auch ihre Mutter war hjsteriform und zeitweise depressiv und deswegen interniert. (Bei beiden sind Faktor hj und d Wurzel-, d. h. Konduktorfaktoren.) Zwei Mädchen, die klinisch das gleiche Bild der paranoiden Epilepsie und des Sadismus zeigen und erbbiologisch die gleiche Konduktornatur der Hysterie und Depression tragen, gehören im Linnäus derselben Triebklasse mit fast der glei­ chen Triebformel an. Jemandem, der wie wir täglich solche erschütternde Ähn­ lichkeiten im Zwangsschicksal der kranken Menschen erlebt, wird der utopisch anmutende Satz von F. SCHILLER aus dem Werke «Der Verbrecher aus verlorener Ehre» nicht unsinnig erscheinen: «Stünde einmal, wie für die übrigen Reiche der Natur, auch für das Menschen­ geschlecht ein Linnäus auf, welcher nach Trieben und Neigungen klassifizierte, wie sehr würde man erstaunen, wenn man so manchen, dessen Laster in einer engen bürgerlichen Sphäre und in der schmalen Umzäunung der Gesetze jetzt ersticken muß, mit dem Ungeheuer Borgia in einer Ordnung beisammen fände! U> *

Abschnitt IX

DIE PROPORZMETHODEN Die Grundzüge der Proporzmethoden fassen wir im folgenden zusammen: Erstens: Die Proporzmethoden stellen nur ein partielles und kein totales Deu­ tungsverfahren dar. Mit ihrer Hilfe wird somit die Vp nicht in ihrer Gesamt­ persönlichkeit, ihr Schicksal nicht als das Gesamtschicksal erfaßt, sondern die Per­ son wird nur in einer besonderen Entnncklungsrichtung experimentell durchleuchtet. So z. B. hinsichtlich der Psychosexualität oder der Soziabilität. Die Proporz­ methoden liefern demnach wichtige Einsçeldaten zum Gesamtplan der Person, nie aber den vollständigen Schicksalsplan selbst. Zweitens: Die partielle Erfassung einer besonderen Entwicklung der Person geschieht stets auf dem Wege der Bestimmung von Proportionen von Wahlhand­ lungen zwischen polar entgegengesetzten Entwicklungsmöglichkeiten. Es handelt sich hier also in der Tat um eine «Verhältniswahl», d. h. um einen «Proporz». Bei der Dur-Moll-Methode wird das Verhältnis der Wahl von harten, männ­ lichen, sogenannten _D//rreaktioncn und der der weichen, weiblichen, sogenannten dfö//reaktionen bestimmt und prozentual ausgedrückt. Bei dem Sozialindex bestimmen wir nach der Methode von Dr. jut. X.Y. das prozentuale Verhältnis der sozialpositiven Reaktionen zu den sozial negativen. Drittens: Die prozentualen Proportionen werden auf Grund von Vektorenund nicht von Faktorenreaktionen bestimmt. Dieses Prinzip bedeutet eine nach­ trägliche Korrektur der faktoriellen Dur-Moll-Methode von 1952. Es hat sich in­ zwischen herausgestellt, daß in Fällen mit extre?n weiblicher, bzw. männlicher 1 SCHILLERS s ämtliche Werke.

332

Leipzig, Max Hesse Verlag. 10. Band.

S. 55.


Entwicklungsrichtung die faktorielle Verrechnungsmethode zwar brauchbare Ergebnisse zu liefern vermag \ bei «ormaA* aber die Proportionen - wegen der Zerlegung des häufigsten Sexualbildes S -\—|— in der Moll­ richtung verschoben werden. Das ist der Grund, warum wir die Dur-MollMethode vektoriell neu aufgebaut haben. Viertens: muß noch der rein empirische Charakter der beiden Proporzmethoden hier betont werden. Die vektoriellen Wahlreaktionen mußten ja an Hunderten von Profilserien auf ihre Dur- oder Mollnatur, bzw. auf die Sozialpositivität, bzw. -negativität geprüft und erst hernach konnte die Bewertungsskala aufgestellt wer­ den. Ferner mußte man auch die Gruppenindices entgegengesetzter Menschen­ gruppen bestimmen und auf diesem mühsamen Wege die Methoden eichen, um ihre Brauchbarkeit zu bekräftigen. Beide Proporzmethoden verwandeln sich, wenn die Zeitmoral sich verwandelt.

Kapitel XXIII

DIE PSYCHOSEXUELLEN PROPORTIONEN DIE DUR-MOLL-METHODE DER SEXUAL-INDEX 7. Die physiologische Geschlechtsentwicklung beim Menschen wird bekanntlich durch drei biologische Instanzen organisiert. Und zwar: durch 1. die Geschlecbtschromosomens 2. die Gonaden und 3. die Keimdrüsen. 1. Die erste Instant^: die Geschlechtschromosomen u nd Geschlechtsgene Bekanntlich besteht der Zellkern aus einer innerhalb jeder Art gleichbleibenden Anzahl von Kern­ fäden, sogenannten Chromosomen. Die Körperzellen enthalten 46, die reifen Keimzellen - durch die Hal­ bierung bei der Reifung - 23 Chromosomen. (Früher wurden 48, bzw. 24 Chromosomen gezählt). «Das Geschlecht des Menschen wird im Augenblick derBefruchtung bestimmt, und zwar als weihlich, wenn eine Samenzelle mit %-Chromosom zur Befruchtung gelangt, und als männlich, wenn eine Eizelle durch eine Samenzelle mit K-Chromosom befruchtet wird. Bei der Reifung der Keimzellen werden Spermatozoen mit dem A'-Chromosom und solche mit dem K-Chromosom in gleicher Häufigkeit gebildet.» Das Ge­ schlecht wird somit erbbiologisch von demjenigen Chromosom bedingt, welches die Frau paarig, der Mann unpaarig in den reifen Keimzellen enthält. Die Genetik nennt dieses Chromosom X- oder Ge­ schlechtschromosom. Individuen mit %wei X -Chromosomen werden weiblich, solche m it X-Y-Chromosom männ­ lich2. Man spricht in der Genetik auch von Weiblichkeits- oder F-Gcnc und Mannlichkeits- oder M-Gene, die a ber beide stets in jedem Individuum auffindbar sind, wie die s von R . GOLDSCHMIDT experimentell festgestellt wurde*. Eine bisher psychologisch nicht genügend beachtete Tatsache ist die, daß in den GeschlechtsChromosomen nu r die F-Gene und keine M-Gene liegen. Die männlichen AI-Gene sollen in den Autosomen ge­ nannten Chromosomen gelagert sein, d. h. dort, wo auch alle anderen Gene liegen, welche bestimmte Körpereigenschaften bestimmen. Auf Grund dieser Annahme erhält der weibliche G eschlechtsgenotypus die Formel: FFMM; der männliche: MMF. Die Durchschlagskraft, die Penetranz, der -F-Gene ist stets größer als die der M-Gene: F > M; FF > MM; MM > F. 1 Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, Kapitel V, S. 184ff. 2 v. VERSCHUER, O.: Genetik des Menschen. Urban und Schwarzenberg, München und Berlin, 1959, S. 67ff. 3 GOLDSCHMIDT, R.: Einführung in die Vererbungswissenschaft. Engelmann, Leipzig, 1923.

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Diese biologische Ein richtung spricht eindeutig für die größere Durchschlagskraft (Penetrant) der weiblichen F-Gern. Das ist eben der biologische Umstand, dem die Psychologie und Soziologie der Geschlechter unseres Erachtens zu wenig Beachtung geschenkt haben. Nach der Lehre von R. GOLDSCHMIDT (u nd anderen) besitzt also jedes Individuum sowohl F- wie il/-Gene. Das Geschlecht ist genbiologisch also bisexuell angelegt. Das manifeste Geschlecht wird hernach von dem Stärke Verhältnis der F:M- Gene begründet. Ist das Stärkeverhältnis eines zugunsten der f-Gene, so entsteht eine Frau; ist die Stärke der M-Gene größer, so wird ein Mann matrikuliert. - Wenn aber F:M gleichstark sind, so entsteht nach R. GOLDSCIIMIDT die Intersexualität, bei der also die Proporzformel F:M =1:1 gilt. 2. Die zweite Instanz der Geschlechtsbestimmung: Der Entwicklungsmechanismus der Gonaden Als Gonaden faßt die Entwicklungsmechanik die Organanlagen der Eierstöcke und der Hoden unter einem Namen zusammen. In dem geschlechtlich «indifferenten Zustand» des Embryos sind alle Individuen noch mit beiden CwWman lagen versorgt, d.h. auch geschlcchtsorganisch doppelt und somit ijwgeschlechtlich (hermaphroditisch) organisiert. Die Gonaden tragen in diesem indifferenten Stadium MarkSubstanz, aus der sich später die Hoden entwickeln und A/W<?«substanz, aus der die Eierstöcke entstehen. Beide Anlagen, sowohl die zum männlichen Samenleiter (WoLFFscher Gang) wie auch die zum Eileiter und zur Gebärmutter (MüLLERScher Gang), sind zu dieser Zeit nebeneinander in jedem Individuum noch vor ­ handen. Somit haben diese Geschlechtsorgane die Möglichkeit, von einem bestimmten Entwicklungs­ punkt an entweder die weibliche oder aber die männliche Organentwicklungsrichtung einzuschlagen. Diese zweite Entwicklungsrichtung der Geschlechtsorgane wird aber von einem bestimmten Zeit­ punkt an genbiologisch, d.h. von den F:A/-Proportioncn bestimmt. Sind die .F-Gene dominant, so werden die Organanlagen der Männlichkeit (Mark und Woi-FFscher Gang) zurückgebildet. Bei Domi­ nanz der AI-Gene werden die Organanlagen der Rinde und des MüLLi-Rschen Ganges, d.h. die der weiblichen Geschlechtsorgane rudimentär, v. VERSCHUER schreibt: «Dieser erste wichtige Entwicklungs­ schritt aus dem indifferenten Zustand heraus wird durch die Geschlechtsgene in den Chromosomen aus­ gelöst (determinierende Stoffe erster Ordnung). Diese erzeugen in der Gonade ein neues Zentrum der Ent­ wicklung, das die Führung übernimmt durch die Produktion von determinierenden Stoffen veiter Ordnung,». 3. Die dritte Instant der Geschlechtsentwicklung sind: die Keimdrüsen Die Keimdrüsen (Hoden und Eierstöcke) entwickeln sich aus den Gonaden. Erst diese bilden die Sexualhormone, deren Aufgabe ist: a) die äußeren Genitalien, b) die sekundären Geschlechtsmerkmale und c) die psycbosexuellen Charaktere Z"r Entwicklung Zu bringen. Die geschlcchtsdifferenzierenden Stoffe der Keimdrüsen sind somit die Hormone dritter Ordnung*. Zu dem genbiologischen und ontogenetischen Zweigeschlechterwesen eines jeden Individuums gesellt sich aber noch eine hormonale Doppelgeschlechtlichkeit. Man hat sowohl im Hoden wie im Harn und im Blut des Mannes - bei Tieren und bei Menschen — weibliche Hormone (Folliculin) nachweisen kön­ nen (LAQUEUR, DOHRN, HIRSCH, SEEMANN und viele neuere Autoren) und auch umgekehrt3. Physiologisch ist also der Mensch - wie das Tier - als ein Zweigeschlecbterwesen angele gt. Die vitalen Propor­ tionen der F- und M-Gene bei der Befruchtung sorgen später dafür, daß aus dem ursprünglich bisexuell, also doppelt angelegten Wesen ein heterosexuelles Eingeschlechterwesen sich entwickelt. Die Geschlechtsformel der Frau: FFMM bedingt die Neigung der Frau zur Bisexualitnt.

II. Die psycbosexuellen Proportionen. Der Sexualindex Wenn der Mensch genbiologisch durch die/CAf-Gene, ontogenetisch durch die F: Af-Organanlagen und hormonalisch durch die F:Af-Hormone proportional doppelt, als ein Zweigeschlechterwesen angelegt ist, so müßte man mit Hilfe des Trieb- und Ich-Testes, der ja ein biologischer Test ist, auch seine psycbosexuellen Mann-Frau-Proportionen durch die Wahlhandlungen experimentell feststellen kön­ nen. Diese Konklusion hat sich in der Tat als richtig erwiesen. Auf Grund von dreißigjährigen Erfahrungen ist es nun nach ausgedehnten Voruntersuchungen gelungen, den männlichen, bzw. weiblichen Charakter der VERSCHUER, O .: Ebenda, S. 68. VERSCHUER, O . : Ebenda, S. 68, Abb. 49. 8 ZONDEK, H. : Hormone des Ovariums und des Hypophysenvordcrlappens. Wien, Springer, 1935.

1 v. 2 v.

S. 79, 122ff.

334


einzelnen vektoriellen Wahlreaktionen zu bestimmen. So entstand die sogenannte vektorielle Dur-Moll-Methode und der Sexual-Index. Z?wstrebungen nennen wir die harten, kühlen Af-Strebungen der Seele und stellen ihnen die iW<?//strebungen als die weichen, warmen, weiblichen f-Strebungen gegen­ über1. Wir wählten diese Benennungen «Dur» und «Moll», weil die Worte «männ­ lich» und «weiblich» eher eine tnatrikuläre, somatische N ote haben. Wir betonen hier, daß sich die dialektische Bewegung zwischen Dur- und Molltendenzen auf alle vier Vektorenräum e des Triebsystems ausdehnt, also nicht nur auf den Raum des Sexualvektors S beschränkt. Denn das Seelisch-Geschlechtliche, d. h. die Psychosexualität eines Wesens ist nicht allein im Sexualleben auffindbar, sondern es schlägt auch im Affekt-, im Ich- und im Kontaktleben kraftvoll durch. Darum mußten wir den Sexual-Index für alle vier Vektorenräume erarbeiten. Die vektorielle Dur-Moll-Methode Die Aufgabe, die wir uns bei dieser Methode stellen, war die : Alle 64 Vektoren­ bilder der vier Vektoren (J, P, Sch, C) sollen auf ihren männlich-harten Dur­ charakter, bzw. auf ihre weiblich-weiche Mollnatur geprüft werden. Die Ergeb­ nisse dieser psychosexueilen Auswertung der 64 Vektorenbilder haben wir in for­ maler Anlehnung an das Protokollschema des Sozialindexes in einem Tableau dar­ gestellt (siehe Abb. 21).

I. Wir verfertigen eine Achter- oder Zehnerserie. II. Dann werden im Protokollschema des Dur-Moll-Indexes für jedes von der Vp gelieferte Vektorbild in den vier Vektorenräumen folgende Daten eingetragen : 1. Die Häufigkeitszahlen der einzelnen Vektorreaktionen in der vertikalen Rubrik £ Re. 2. Im Tableau (Abb. 21) sind die 16 möglichen Vektorreaktionen von 0 0 bis der Reihe nach aufgezählt; daneben ist die Moll- (M), bzw. Dur- (D) Natur der Vektorreaktionen im Sexual- (S), Paroxysmal- (P), Ich- (Sch) und Kon­ taktraum (C) angegeben. Die Protokollierung geschieht somit nach dem Cha­ rakter M oder D. Um Fehlleistungen bei der Protokollierung zu vermeiden, sind im Tableau nur die entsprechenden D-, bzw. AI-Räume für die Einzelreaktionen weiß gelassen, die anderen hingegen schwarz markiert. 3. a) Nachdem wir in den vier Vektorenräumen die gelieferten Reaktionen in dieser Art vermerkt haben, wird unten die Summe der Reaktionen (2 Re) verti­ kal zusammengezählt. Bei acht, bzw. zehn Profilaufnahmen müssen natürlich die Größen der £ Re in allen vier Vektorenräumen acht, bzw. zehn sein. Auf diese Art kontrolliert man die Richtigkeit der Protokollierung. b) Dann zählen wir die £ D- und £ M-Reaktionen in vertikaler Richtung zu­ sammen, deren Summe wieder acht, bzw. zehn sein muß, je nach der Zahl der Profilaufnahmen. 1 Vgl. hiezu: Ich-Analyse, S. 276.

335


4. Sowohl bei den Dur- wie bei den Mollreaktionen vermerken wir noch separat die Summe der Ausrufezeichen, d. h. die Größe der Quantumspannungen im Dur-, bzw. Mollraum. Jedes Ausrufezeichen wird als eine Einheit (1) ver­ rechnet. Ein Beispiel: Gibt jemand im Vektor S die Reaktion F + ! -j- !, so wer­ den sowohl die Ausrufezeichen im Faktor h wie auch die im Faktor s ^usammengewählt und die Summe der Ausrufezeichen wird in der Rubrik 2 ! Dur (_£>) ver-

NAME:

CO

ALTER:

IM

ID * 100 (10 + IM)

%0UR %M0LL

BERUF: DIAGNOSE:

z Abb. 21. Sexual-Index

merkt, da ja das Bild S -)—|- von Durcharakter ist. Bei S + ! — ! werden die hund s-Quantumspannungen in der Rubrik 2 ! Moll (M) verrechnet, trägt doch das Sexualbild F -| einen Mollcharakter. Und so fort. 5. In der nächsten horizontalen Rubrik, bezeichnet mit «Dur-Moll-Proporz», führen wir die Summen der (2 Re + 2 !) addiert ein. Denn durch die Addition der Quantumspannungen zu der Summe der Dur-, bzw. Mollreaktionen werden die psychosexuellen Proportionen weit schärfer betont als ohne diese. Diese horizontale Rubrik gibt somit die psychosexuellen Proportionen (D:M)

336


in den einzelnen Vektorenräumen S, P, Sch und C an. Wir nennen sie die vektoriellen Dur-Moll-Proportionen. 6. Hernach addieren wir in den vier Vektorenräumen sämtliche Dur-, bzw. Mollreaktionen und protokollieren sie in der untersten Rubrik des Tableaus 2 D, bzw. 2 M. Dann wird auch die absolute Größe (2 D -f- 2 Af) aller Reaktionen fest­ gestellt (2). 7. Der prozentuale Sexual-Index wird nun nach der Formel: 2 D + 2M = 0/° D ur verrechnet Nach Subtraktion der % Durgröße von 100 ergibt sich die Größe der % Molltendenzen. *

2. Bei Gruppenuntersuchungen benützen wir dasselbe Protokollschema, nur werden natürlich die Gesamthäufig­ keiten der Gruppe der verschiedenen Vektorreaktionen summarisch nac h D- und Af-Natur in die entsprechenden Rubriken eingetragen. Die weitere Verrechnung ist die nämliche wie bei den individuellen Protokollen (vgl. hiezu Fälle 19 24 bis

29).

3. Die Kriterien der Eichung der Dur-Moll-Metbode I. Die normalen Dur-Moll-Proportionen des Mannes sollten sein: D:M = 2:1. Wir mußten die Auswertung der psychosexuellen Aspekte der Vektorenbilder so lange eichen, bis bei normalen Alltagsmenschen, z. B. bei Bergarbeitern, die obigen D-M-Proportionen experimentell festgestellt werden konnten. Die Vor­ aussetzung dieser Eichung ist, daß nach derGcschlcchtsgentheorie der Geschlechtsgenotypus des Mannes : MMF oder in unserer Formel DDM ist. II. Die normalen Dur-Moll-Proportionen der Frauen tragen zwar eine inter­ sexuelle Note, aber die Af-Reaktionen sollten doch größer sein. Der Geschlechtsgenotypus der Frau ist ja FFMM, wobei FF > MM. Wenn demnach der Dur-Moll-Index im Experiment den genbiologischen Pro­ portionen bei Männern und Frauen entspricht, so ist unsere Methode biologisch validiert. Das hat sich in der Tat erwiesen. Ob es gegenwärtig noch gilt, müßte man untersuchen. Die Richtigkeit der Dur-Moll-Skala des Testes mußten wir aber noch durch weitere Kriterien bekräftigen. Diese sind: III. a) Bei passiven homosexuellen Männern sollte der Sexual-Index das Phänomen der sexuellen Inv ersion klar aufdecken. D as heißt : hier sollte der Dur-Moll-Index falls er gut funktioniert - zwei- bis dreimal mehr Molltendenzen aufweisen als Dur­ ansprüche. Der Dur-Moll-Index bewährte sich auch hier vollständig (Fälle 21-22). b) Ferner müssen Hermaphroditen folgende Proportionen liefern: F:M = 1:1 (Fall 23 b). c) Bei lesbischen Frauen sollte der Dur-Moll-Index eine Verschiebung in Richtung Dur aufweisen oder - da diese Frauen des öfteren bisexuell sind - mindestens in der Richtung einer Intersexualität verschoben sein. Auch dieses Kriterium konnten wir experimentell feststellen (Fall 23). IV. Bei seelischen Krankheiten, bei denen die Tiefenpsychologie den weiblichen 22

Szondi, Triebdiagnostik

337


Charakter der Triebansprüche betont - wie z. B. bei paranoiden Männern -, sollte der Dur-Moll-Index sowohl in Einzelfällen wie bei Krankengruppen die Ver­ schiebung in Richtung Moll oder wenigstens eine Vermehrung der Mollreaktionen im Vergleich zu den Normalproportionen des Mannes (2 M:1 F) aufweisen. Hin­ gegen sollte der Dur-Moll-Index bei Gewalttätern ( Totschlägern und Mördern) hohe Durund verminderte Mo liefffern liefern. Dieselbe Durverschiebung sollte sich bei den aggressivsten Frauenberufen - so an erster Stelle bei Prostituierten - einstellen. Die nachfolgenden Beispiele dienen zur Beantwortung der Frage, inwieweit der Dur-Moll-Index diesen Kriterien empirisch-experimentell entspricht. Empirische Prüfung der Kriterien 4. Fälle %ur Übung der Dur-Moll-Methode fur/M ZnAnAWJ

Beispiel 19 stellt die Ergebnisse der Dur-Moll-Proportionen bei 25 gesunden Bergarbeitern im Ruhrgebiet dar (Abb. 23). Die Testaufnahmen stammen von H. DREYER (Nürn berg)1, der an 100 Bergarbeitern je eine Zehnerserie verfertigt und sein Material unserem Internationalen Archiv in Zürich zur Verfügung ge­ stellt hat. Aus diesem Material wählten wir nun diejenigen 25 Fälle aus, welche im Alter von 30-40 Jahren standen, denn über 40 Jahre könnten schon Alterserschei­ nungen die Ergebnisse verfälschen. Die Abb. 23 f gibt die Gruppenproportionen des Dur-Moll-Indexes an. Diese lauten: 67.2% Dur :32.7% Moll = 2 D:1 M. Da diese Bergarbeiter gesund und im besten Mannesalter waren, ist es nahe­ liegend, sie als Prototyp des kräftigen, hartarbeitenden Mannes zu bewerten. Die vollständige Übereinstimmung der experimentellen Proportionen D:M = 2:1 mit den genbiologisch zu erwartenden erlaubt es, diese Proportionen als die Norm des Mannes zu erachten, der mit seiner Muskelkraft sein Brot verdient. Liefert ein Mann die Proportionen 2 D:1 M, so erachten wir ihn in seiner Psjchosexualität als normal. Da aber die Psychosexualität nur einen Sektor des Daseins darstellt, dürfen wir die psychosexuelle Normabtät nicht - ohne Untersuchung auf andere Gebiete übertragen, da ja ein sexuell normaler Mensch in einem ande­ ren Sektor des Lebens abnormal sein kann (vgl. hiezu den Dur-Moll-Index bei Mördern, Abb. 23 g). Der Umstand, daß die experimentellen psychosexuellen Pro­ portionen mit den genbiologischen völlig übereinstimmen, ist ein weiterer Beweis für die Annahme, daß unser Test eigentlich ein genbiologischer T est ist, der auf genischer Basis fußt. Eben darin unterscheidet er sich von allen anderen Testverfah­ ren in der Psychologie. Prüfung des ^weiten Kriteriums Das^weite Kriterium verlangt, daß der Dur-Moll-Index bei Frauen mehr Momals Durreaktionen aufweist. Dabei müssen bei Frauen die Proportionen nicht genau 2 M: 1D sein, sondern sie können etwas meh r D-Reaktionen liefern, da ja der Geschlechtsgenotypus der Frau FFMM (= 2 $ 2 cf Gene, oder in unserer 1 DREYER, H.: Triebstruktur und Berufseignung. Triebdiagnostische Untersuchungen im Bergbau. Szondiana I. Huber, Bern und Stuttgart, 1959. S. 156ff.

338


Sprache MM DD) ist, wobei aber FF ( Ç ) stets penetranter sein muß als MM (f). Fall20 (Abb. 22c). Als Beispiel stehe hier der Dur-Moll-Index einer 33jährigen sexuell normalen Hausfrau : 39% Dur:61 % Moll = / Dur:1.5 Moll. Die Frau besitzt demnach mehr Durtendenzen als die Hälfte der Mollstrebun­ gen, die aber dennoch stärker sind als die Duransprüche. Diesem Kriterium nach sollten homosexuelle Männer einen invertierten Index geben. Das heißt: zweimal oder sogar mehrmals so viel Moll- als Durreaktionen. Wir geben als Beispiel die Fälle 21 und 22. Fall21 (Abb. 22a). Der 35jährige Schneidergeselle, der seit der Jugend mani­ fest homosexuell ist1, liefert folgenden Index: 77% Dar/&?% m// = 7 Dar/4.f m//.

Fall22 (Abb. 22b). Ein 32jähriger Jurist, der mit Frauen nie geschlafen hat, sich nur für den männlichen Körper interessiert und in seinen Träumen und Onaniephantasien ausschließlich mit Männern «ringt», somit submanifest homo­ sexuell ist, liefert folgenden Index : 24.4% Dur:75.6°/0 Moll = 1 Dur:3 Moll. Lesbische Frauen, die fast immer ein bisexuelles Leben führen, sollten inter­ sexuelle Proportionen (1 D : 1 M) liefern. Fall 23a. Eine 25jährige, bisexuelle Fürsorgerin gab den Index (Abb. 22d): J2.J% Dar/47.J% AW/= 7.7 Dar.- 7 AW.

23 b. Eine 50jährige Frau (Abb. 22 e), die somatisch und psychisch hermaphro­ ditisch angelegt ist, lieferte: 50.9% Dur- und 49.1 % Mollreaktionen. Das heißt: 1 cT : 1 Ç. Dies entspricht völlig den biologischen Proportionen der Intersexuali­ tät. Die vier Fälle sollten hier als klinische Beispiele zur Feststellung der auf breiter Basis geprüften Tatsache stehen, daß der Dur-Moll-Index auch dem dritten Kri­ terium entspricht. Prüfung des vierten Kriteriums Das vierte Kriterium verlangt, daß die Verschiebung der psychosexuellen Pro­ portionen bei seelisch kranken Menschen, ferner bei Berufsgruppen und Krimi­ nellen stets derjenigen Geschlechtsverschiebung entspreche, die von der Tiefen­ psychologie her zu erwarten ist. Wir prüfen dieses Kriterium : 1. an 40 männlichen Paranoiden (Beispiel 24); 2. an 9 weiblichen Paranoiden (Beispiel 25)2; 3. an 25 «normalen» Lehrern (Beispiel 26); 4. an 25 «normalen» Lehrerinnen (Beispiel 27); 5. an 19 Prostituierten von Paris (Beispiel 28) und 6. an 13 Affektmördern aus Budapest (Beispiel 29). Beispiel 24: stellt wieder einen Gruppenindex von 40 männlichen paranoid Schizo­ phrenen dar (Abb. 23 c): ' 39% Dar/47% m/7 = 7.4 Dar/7 m/7. 1 Siehe die Testaufnahmen: Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse. S. 186-187, Abb. 19 (Fall 5). 2 Die Bezugsziffer ist bei dieser Gruppe nicht 9, sondern 9 x40 = 360 Reaktionen (d. h. 9 Zehner­ serien geben 9x40 Vektorenbilder).

339


Die normalen Proportionen sind bei gesunden Männern: 2 Dur:1 Moll. Die Verminderung der Dur- und die Erhöhung der Mollreaktionen bei männlichen Paranoiden decken sich mit der von S. FREUD betonten Tatsache, daß bei para­ noiden Männern die weibliche Komponente, als Anlage zur Homosexualität, in der Latenz zu stark ist. Daher die Verschiebung in den psychosexuellen Propor­ tionen. Bei paranoid schizophrenen Frauen soll hingegen nach der psychoanalytischen Er­ fahrung die männliche (Dur-) Komponente stärker sein. Diese psychoanalytische Fest­ stellung wurde in der Tat experimentell bestätigt. Beispiel 25 (Abb. 23 d) liefert den Dur-Moll-Gruppenindex von neun pa ranoiden, schizophrenen Frauen: 65% Dur:35% Moll = 1.8 Dur: 1 Moll. Der Überschuß an Männlichkeit bei paranoiden Frauen kommt, hier experi­ mentell klar zum Vorschein. *

Mit den nachfolgenden zwei Beispielen versuchen wir, die Anwendung des Dur-Moll-Indexes in der Triebpsychologie de r Berufe zu demonstrieren. Als Material wählten wir aus der Sammlung der Frau SUAREZ und des Herrn ROLLO (Alexandrien) 25 Profilserien von Lehrern im Alter von 25-36 Jahren und gleichfalls 25 Serien von Lehrerinnen im gleichen Alter. Beispiel 26: Der Dur-Moll-Gruppenindex von 25 Lehrern (Abb. 23 b) : 48.6% Dur:51.4% Moll = 1.4 Dur: 1 Moll. Beispiel 27: Der Dur-Moll-Gruppenindex von 25 Lehrerinnen hingegen: 42.4 Dur:57.6 Moll = 1 Dur: 1.3 Moll (Abb. 23a). Der Lehrerberuf scheint demnach einer Verschiebung der Psychosexualität in der Richtung der Intersexualität zu bedürfen. Die Lehrer weisen tnehr Moll-, die Lehrerinnen relativ ?nehr Durnatur auf als in der A.lltagsbevölkerung. Beispiel 28: Der Dur-Moll-Gruppenindex von 19 Prostituierten (Abb. 23 e). Die Anwendbarkeit des Dur-Moll-Indexes zur Feststellung der Berufstriebstruktur demonstriert am besten der Index von 19 Prostituierten aus Paris, den EDWIN FANCHER (N ew York) aufgenommen und SUSAN DÉRI (New York) publiziert hat1. Der Gruppenindex der Prostituierten ist: 67% Dur:33% Moll = 2 Dur: 1 Moll. Ein Teil der Prostituierten ist demnach psychosexuell männlich, d. h. invertiert. Diese experimentelle Feststellung deckt sich gut einerseits mit der draufgängeri­ schen Aggression, anderseits mit den lesbischen Ansprüchen der Prostituierten. Es ist bemerkenswert, wie weitgehend die Dur-Moll-Proportionen dieser Gruppe von Prostituierten sich mit denen der Bergarbeiter decken. Beide Berufe sind harte Durprofessionen. Fall 29: Ein 49jähriger Arzt, der auf dem Gebiete der Psychohygiene als ein militanter Humanist wirkte2, gab folgende Dur-Moll-Proportionen (Abb. 22f): 72.3"% Dar.-27.3 AW/ = 2.3 Dar; 7 AW.

Dieser Arzt konnte somit seinen Überschuß an Durnatur auf dem Wege seines 1 DÉRI, S. : Differential Diagnosis of Delinquents with the SZONDI. Journ. of Projektive Techniques. Vol. 18. Nr. 1. 1954. S. 36. 2 Vgl. hiczu Fall 4, Abb. 17 der Triebpathologic. S. 183.

340


Kampfes für die Humanisierung der Menschen richtig sozialisieren. Diese Tat­ sache wird auch - wie wir es im nächsten Kapitel ausführen werden - durch seinen hohen Sozialindex: 85% bestätigt. = Moll 83 75,5

--- Dur 61

52,5

49,1

27,5

~|

23,4

17 124,4 139 147,5

150,9

172,5

a) b) 35jährigct 32jähriger passiv submanifest homosexuellet "homosexueller Schneider Jurist

c) 33jährige sexuell normale Hausfrau

% 25jährige bisexuelle Fürsorgerin

V 50j ähriger Zwitter 5?

J)

49jähriger Arzt Psychohvgienikcr

176,6

g) _ 23jähriger epileptiformer Mörder, Bergarbeiter (Fall von F. JAHN, Westfalen)

Abb. 22. Der Sexual-Index in Einzelfällen

Zum Schluß geben wir noch den Dur-Moll-Gruppenindex von 13 Affekt­ mördern aus Budapest, den wir auf Grund der Gruppenteste von S. DÉRI be­ rechnet haben1. Beispiel 30a: Der Dur-Moll-Gruppenindex von 13 männlichen Affektmördern

(Abb. 23g): #4.4% Dar.AW/ = J.4 Dar; / vWo//. Wenn man bedenkt, daß der hartarbeitende normale Alltagsmann Propor­ tionen von 2 Dar;1 Moll liefert, hingegen die Affektmörder 5.4 Dar ! ; / Moll1 DÉRI, S.: Zitierte Arbeit. S. 35.

341


Proportionen aufweisen, dann muß man in der Tat die außerordentliche Emp­ findlichkeit des Dur-Moll-Indexes anerkennen. Fall 30b: Als individuelles Beispiel stehe hier der Dur-Moll-Index eines epileptiformen Affektmörders: 76.6% Dur:23.4% AMI = 3.2 Dur:1 Moll (Abb. 22g).

• • .,57,6

Moll

= Dur

-51,4 ,41

142,4

-35

33

32,7

165

167

167,2

148,6 159

'•)

25 Lehre­ rinnen zwischen 25-35 Jahren

b)

c)

d)

25 Lehrer 40 männliche 9 weibliche zwischcn paranoide paranoide 25-36 Jahren Schizophrene Schizophrene

e)

19 Prostituierte von Paris

j)

£)

25 gesunde 13 männliche Bergleute Affekt­ zwischen mörder 30-40 Jahren

Abb. 23. Der Scxital-îndex bei Gruppen

Die Abb. 22 stellt die wichtigsten individuellen, die Abb. 23 die Gruppenindices bei Normalen und Kranken bildlich dar. *

Der Dur-Moll-Index gibt aber auch Antwort auf die Frage, in welchem Vektorraum sich ein Individuum, bepw. eine Gruppe in Moll und in welchem i n Dur gestaltet. Ein Blick auf die Tabelle 16 genügt, um diese besondere Fähigkeit des DurMoll-Indexes zu erkennen.

342


Tabelle 16. Vektorielle Dur-Moll-Proportionen Bei­ spiel

Klinische Diagnose

Nr.

s

P

Sch

c

D:M

D:M

D:M

D:M

146:165

238:122 2:1

152:134

«7:54 8:1

19

25 gesunde Bergarbeiter

20

Normale Hausfrau

7:3

8:4

1:8

0:10

21

Manifest homosexueller Schneider

1:12

1:10

5:5

2:12

22

Submanifest homosexueller Jurist

1:10

8:2

2:8

0:14

23 a

Bisexuelle Fürsorgerin

4:6

4:6

7:3

6:4

23 b

Hermaphroditin

20:2

1:9

2:8

4:7

24

40 paranoid schizophrene Männer

536:215

181:295

303:189

290:215

25

9 paranoid schizophrene Frauen

145:43

41:52

81:29

70:46

26

25 gesunde Lehrer

243:143

113:191

'140:154

148:193

27

25 gesunde Lehrerinnen

118:177

42:255

174:107

179:155

28

19 Prostituierte von Paris

30:4

4:15

15:6

14:6

29

49jähriger Psychohygieniker

30a 30 b

7:3

7:3

8:2

7:3

13 Affektmörder (Männer)

17:0

11:2

7:6

14:1

23jähriger epileptiformer Mörder

14:0

9:1

12:0

1:10

Die Lehre dieser Tabelle: Im Beispiel 19: Die gesunden Bergarbeiter liefern im Sexualraum achtmal mehr Dur- als Mollreaktionen. Im Ich ist der Our-Moll-Index fast genau 2 D:1 M. Im Affekt- und Kontaktleben ist das Verhältnis D:M = 1:1. Wir schließen daraus, daß die harte Männlichkeit sich im besonderen im Sexual- und Ich-Raum manifestiert. Im Fall 20: Bei der normalen Hausfrau ist zwar die Dursexualität und Duraffektivität fast zweimal so groß wie die Mollnatur, im Ich und im Kontakt dominiert aber die Frau. Im Fall 21: Der manifest homosexuelle Schneider ist im Sexus, im Affekt und im Kontaktleben in extremer Weise eine Frau. Im Ich ist er intersexuell. Im Fall 22: Der submanifest homosexuelle Jurist zeitigt im Sexual-, Ich- und

343


Kontaktleben fast nur weibliche Mollreaktionen. Nur im Affektleben ist er ein Dur­ mensch. Im Fall23a: Bei der bisexuellen Fürsorgerin kommt die Intersexualität in allen vier Sektoren des Daseins zum Vorschein. Die Durnatur ist im Ich und im Kontakt der relativ stärkste Zug ihrer Persönlichkeit. Im Fall23b: Die 50jährige Hermaphroditin (Fall M. WEBB) ist im Sexus maxi­ mal männlich (20 D : 2M), hingegen im Affekt- und Ich-Leben weiblich (1 D : 9M, bzw. 2 D:8 M). Im Kontaktleben fast intersex. Im Beispiel 24: Es ist auffallend, daß die 40 paranoiden Männer nur im Affekt­ leben eine Mollnatur aufweisen, ansonsten sind sie eher Durnaturen. Im Beispiel 25: Die neun paranoiden Frauen hingegen sind im Affektleben inter­ sexuell, im Sexual-, Ich- und Kontaktleben ausgesprochen Männer, d. h. invertiert. Im Beispiel 26: Die 25 Lehrer sind weiblich im Affekt- und Kontaktleben, inter­ sexuell im Ich und behalten nur im Sexus die Dominanz der Männlichkeit. Im Beispiel 27: Die 25 Lehrerinnen hingegen sind männlich im Ich und teils im Kontakt und weiblich im Sexus und im Affektleben. Im Beispiel 28: Die 19 Prostituierten aus Paris sind Durnaturen im Sexus, Ich und Kontakt und behalten nur im Affektleben ihre Mollnatur. Im Fall 29: Der Psychohygieniker ist in allen Vektoren eine dominante Dur­ natur. Im Fall 30a: Die 13 Affektmörder sind extreme Durmenschen im Sexus, Affektund Kontaktleben, ihr Ich aber scheint von intersexuellem Charakter zu sein. Im Fall30b: Der 23jährige epileptiforme Mörder trug eine extreme Durnatur, war aber - zur Zeit der Untersuchung - im Affektleben weich. Diese Tabelle erlaubt derzeit noch nicht, über bestimmte Berufs- und Krank­ heitsgruppen in bezug auf die Dur-Moll-Proportionen endgültige Behauptungen aufzustellen. Sie zeigt aber den Weg, auf dem man in der Zukunft in den verschie­ denen Trieb- und Ich-Räumen den Proporz zwischen Dur und Moll festzustellen hat. Noch eine Mahnung muß hier ausgesprochen werden: Niemals darf man allein den Dur-Moll-Index zur sozialen Wertbestimmung einer Person oder Gruppe anwenden. Dies ist nur dann möglich, wenn der Sexualindex mit dem Socfalindex zusammen syno ptisch beurteilt wird. Denn: ein Mann mit hohem Durprozent und hohem Sozialindex ist — trotz seiner Durnatur — in der Menschwerdung soweit fortgeschritten, daß er als «militanter» Humanist auch seine Durstrebungen zu­ gunsten der Gemeinschaft ausleben kann (vgl. dazu Fall 29). Gibt hingegen eine Person bei hohem Durprozent einen extrem niedrigen «Sozialindex», dann müs­ sen wir natürlich an eine seelische Krankheit oder Kriminalität denken (vgl. hiezu Beispiel 30a und 30b in der Tabelle 18).

344


Kapitel XXIV

DIE SOZIALPOSITIVEN UND SOZIALNEGATIVEN PROPORTIONEN Der Sozialindex

I. Allgemeines über die experimentelle Diagnostik des socialen Verhaltens Es ist ein altes Streben der experimentellen Triebdiagnostik, auf Grund der Wahlreaktionen auch auf das sociale Verhalten einer Person oder Gruppe schließen zu können. Als Grundlage dieser Bestrebungen erachten wir die 1952 publizierte allge­ meine Methodik der Analyse von Rand und Mitte. Bei der Begründung dieser Methode schrieben wir: Am Rande des Trieblebens stehen die selbst- und art­ erhaltenden Bedürfnisse, d. h. die Faktoren h, s, d und m. D ie Rand- oder margi­ nalen Triebe bauen sich aus den Gegensätzen der animalen, lustsuchenden Strebungen (+ h, r, -)- d, -f- tri) u nd der humanen T endenzen (— h, — s, — d, — m) auf. Beide Strebungsgruppen, sowohl die animale wie auch die humane, sind in jedem Menschen a priori in individuell variabler Stärke anlagemäßig vorhanden. Welche von beiden in den Vordergrund drängt, hängt von der Funktion der Mitte ab. Die Mitte repräsentiertja das Zensursystem im Trieb leben. Sie besteht im Test ebenfalls aus einer und Strebungsgruppe, die wir im Kapitel XVIII erörtert haben. Es wurde auch darüber berichtet, daß die animale Gruppe des Randes im Triebleben die Übermacht gewinnt, wenn in der Mitte die sozialnegative Zensur die Herrschaft hat. Übernimmt hingegen die sozialpositive Gruppe die Herrschaft, so kommen damit die humanen S trebungen zur Macht1. Das erörterte Grundprinzip der sozialen Bewertung einer Person oder Gruppe ist heute noch das führende Prinzip bei der Rand-Mitte-Methode. Dasselbe Prin­ zip diente auch als Grundlage bei der Ausarbeitung des Sozialindexes. *

Der Sozialindex versucht nun die Wahlproportionen syrischen den s ozialpositiven und sozialnegativen Vektorenbildern quantitativ in einem Prozentsatz auszudrücken. Je größer der Prozentsatz der sozialpositiven Vektorenreaktionen ist, um so größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß die Person sich im Leben sozialpositivj|verhalten wird. An einem großen Archivmaterial prüfte ein Mitarbeiter2 die 64 Vektoren­ bilder der S-, P-, Sch- und C-Räume, und es gelang ihm in der Tat, 32 sozial­ positive und 32 sozialnegative Vektorenbilder empirisch zu agnoszieren. Auf Grund dieser Vorarbeit stellte der Autor hernach sein Auswertungstableau her 1 Triebanalyse, Triebpathologie. Bd. I. S. 151-152. 2 Der betreffende Mitarbeiter will anonym bleiben.

345


(Abb. 24) und übergab es uns zur Überprüfung. Die Nachprüfung hat die Brauch­ barkeit des Sozialindexes bestätigt. Bevor wir aber die Auswertungsart und die Ergebnisse der Forschungen von unserem Mitarbeiter mitteilen, müssen wir den besonderen Testbegriff des sozialen Ver­ haltens auslegen. Trieb- und ichpsychologisch können wir bei der Beurteilung des sozialen Verhaltens einer Person oder Gruppe die gleichen Kriterien anwenden, die HERBERT MARCUSE auf Grund der soziologischen Literatur über die Familie zusammengestellt hat1. Es sind - fast wörtlich zitiert - die folgenden: A. Natürliche Funktionen:

1. Fortpflanzung, Erhaltung und Vermehrung der Gattung, bz}v. der A.rt. Hierzu gehört auch die Pflege und Sorgefür die Nachkommenschaft. Darum war es richtig, die Reaktion S + + sozialpositiv zu bewerten, hin­ gegen die L -j und S 1- soz ialnegativ. Homosexuelle Männer und lesbische Frauen, die sich der Fortpflanzung der Gattung entziehen, sind asozial. 2. Natürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes, der sich in der Familie als «NaturZweck » und auf naturgemäße Weise erfüllt. Sexuell perverse Individuen sind des öfteren asozial (Abb. 24). B. Soziale Funktionen: 3. Sorge für Erhaltung und Vermehrung des Eigentums als des Familiengutes. Nach dem Sozialindex sind nur diejenigen Individuen als sozialpositiv zu erachten, die berufstüchtige Erwerberfür ihr eigenes Dasein undfür das der Fatttilie sind. Damit hängt auch das vierte Kriterium zusammen: 4. Produktionsgemeinschaft im Rahmen der Familie und im erweiterten Sinne in dem der Gesellschaft. 5. Konsumtionsgemeinschaft. Die Kriterien 3-5 faßte der Autor als «Ökonomische Kooperation» zusammen. Individuen, die sich im Rahmen der Familie und der Gesellschaft dieser ökono­ mischen Kooperation entziehen, sind asozial. 6. Pflege der religiösen Tradition und Übernahme religiöser Funktionen. 7. Muße und Freizeitgemeinschaft. Menschen, die sich in ihrer Freizeit von der Familie und der Gemeinschaft ständig zurückziehen, sind asozial. 8. Sicherung, Erhaltung und Fortschritte der Kultur. Besonders wird in diesem Sinne von dem Autor die Funktion der Erziehung betont, ferner die Vermittlung des traditionellen moralischen und geistigen Erbgutes. In diesem Sinne wurden die Vektorenreaktionen S , Sch i, de +, als sozialpositiv bewertet. Natürlich würde man von dem Einzelnen zuviel verlangen, wenn man das Postulat aufstellte, die Person müsse alle acht Kriterien des sozialen Verhaltens in glei­ chetn M aße positiv erfüllen. Der Mensch steht ja immer noch am Anfang seiner sozialen Entwicklung. 1 MARCUSE, HERBERT: Autorität und Familie in der deutschen Soziologie bis 1933 im Sammelbuch «Autorität und Familie». Studien aus dem Institut f. Sozialforschung. Bd. V. F. Alcan, Paris, 1936, S.745.

346


Von hier aus gesehen, scheint die Behauptung des Autors der Wirklichkeit zu entsprechen, daß nämlich der Sozialindex, d. h. die prozentuale Größe der sozialpositiven Reaktionen des Alltagsmenschen zjvis chen 40 und S0% liegt und daß Sozialwerte über 80% als extreme Seltenheit gelten müssen. *

II. Die Protokollierungs- und Verrechnungsmethode beim Social-Index I. Aufnahme von acht bis zehn Profilen. II. Eintragung der Häufigkeit der einzelnen Vektoren- (J-, P-, Sch-, C-) Reaktionen in die vertikale Rubrik SR und in die entsprechende «soz +», bzw. «soz —» Rubrik.

z soz -1-

(SOZ+) « (S0Z+) +

100

(soz-)

%

Abb. 24. Der Sozialindex

III. Die horizontale S R muß der Zahl der Profilaufnahmen entsprechen. Die­ ses Verfahren dient somit zur Kontrolle der Protokollierung. IV. In der horizontalen Rubrik S ! werden alle Ouantumspannungen als sozialnegativ

347


protokolliert, da ja jede Triebquantumspannung unter Umständen gemeingefähr­ lich sein kann. V. In der horizontalen Rubrik (2 soz + und soz —) werden die gelieferten «2 soz + und 2 soz —» und «2 !» addiert eingetragen. (Wir betonen hier noch­ mals, daß die 2 ! zu den «2 soz —» addiert werden müssen.) Durch diese Verrechnungsart werden für jeden Vektor die Wahlproportionen der «soz +» und «soz —» Reaktionen sichtbar gemacht. Man kann somit genau aussagen, in welchem Vektorraimi die Person so^ialpositiv, b%iv. so^alnegativ reagierte. VI. Die unterste Rubrik faßt alle « 2 soz -]- und 2 soz — » Reaktionen zu­ sammen, und der Sozialindex wird nach der Formel (soz -)-) x 100 (soz +) + (SOZ -) = % ausgedrückt (Abb. 24).

III. Die Ergebnisse der Untersuchungen mit dem Social-Index bei Normalen und Kranken Bei der Feststellung des Sozialindexes ist der Autor von den bekannten theore­ tischen Durchschnittsprofilen des Alltagsmenschen ausgegangen, die ich 1937 bei der Eichung der Testbilder aufgestellt habe1: P a) Der angsterfüllte Alltagsmensch

+

+

b) Der grobe und böswillige Alltagsmensch

+

+

Rand

Sch

Mitte

C +

+

Rand

Individuen mit diesen Durchschnittsprofilen zeitigen einen Sozialindex von 50%. Sie sind nach der Abb. 24 in den Vektoren S und Sch sozialpositiv, in den Vektoren P und C hingegen sozialnegativ. Der «gutmütige, gerechte» Alltagsmensch mit dem Profil S

+

I + I

P

+

Sch

c

I

I

+

erreicht schon den Sozialindex von 75%. Hernach berechnete der Autor die Sozialindices aller Fälle aus der Trieb­ pathologie, Band I, und der Gruppen aus dem Internationalen Archiv, Zürich. Insgesamt wurden 333 Fälle geprüft. (25 Lehrerinnen, 25 Lehrer, 85 Bergarbeiter, 50 Tuberkulotiker, 88 Kriminelle, 30 Geisteskranke und 30 Glaukomkranke in hohem Alter.) Wir bringen hier die Tabelle 17, in der die Ergebnisse zusammen­ gestellt sind. 1 Siehe das Schlußkapitel dieses Buches.

348


Tabelle 17. Ergebnisse der Untersuchungen mit dem So^ialindex bei Normalen und Kranken Fall Nr. im Bd. I der Triebpathologie

Krankheit

Beruf

Totaler So%.~ Index

Vektoriclle, partielle Sonpalindexe S P Sch C

Tormale Psychohygieniker Schlosserlehrling Hausfrau Ingenieur VGP Ingenieur EKP Ingenieur ThKP Hilfsarbeiter

\

80 Jahre alt

85.0 44.0 50.0 50.0 53.3 45.8 17.8

10 6 4 3 7 8 1

0 11 6 12 3 7 17

9:1 5:5 0:10 10:1 2:9 1:11 3:7

8 10 9 '2 8 :8 4

2 0 1. 8 4 2 12

7:3 1:12 7:3 9:3 7:5 6:6 2:10

— — — — —

hi^opbrene Uhrmacher Hausfrau Organistin Uhrmacherin Stud. med. Gymnastiastin, « Romandichterin » Mechaniker Schlosser Zuschneider Hausfrau

paranoid paranoid-depr. suicid maniform-paranoid depr. paranoid katatoniform-paranoid

14.3 22.0 18.9 21.1 30.7

2 0 2 2 1

12 10 24 11 16

4:8 7:3 7:3 7:3 5:5

0 4 2 1 10

11 6 9 11 3

0:12 0:18 0:11 1:16 0:12

inflativ-paranoid Katatonie heboid-paranoid suicid manisch-heboid heboid und paranoid

44.4 31.6 26.2 23.8 30.7

8 8 10 7 10

3 21 47 24 35

4:7 1:9 0:17 3:9 0:11

0 9 9 3 10

13 1 6 7 2

8:2 1:10 7:3 2:8 4:6

Verwaltungsbeamter

Bazillophobie, Neurose psychotische Hypochondrie

63.4 31.2

6 3 1 9

8:5 4:14

4 6 10 0

8:1 0:10

Gutsbesitzer

Depersonalisation

46.8

10 11

0:11

10 0

5:5

Hausfrau

Melancholie

9.8

1 10

1:11

3 11

0:14

Hausfrau

Manie

36.2

10 22

5:5

9 5

1:12

Schneider Fabrikfürsorgerin Sozialfürsorgerin Kunstmaler Student Student

homosexuell homosexuell bisexuell Masochismus Masochismus Fetischismus

19.5 22.2 47.3 30.9 15.0 33.3

0 10 6 17 0 0

12 17 4 14 21 14

2:8 4:7 5:5 8:2 4:6 5:1

7 0 3 2 2 0

3 10 7 8 8 7

0:14 0:15 4:6 0:14 2:10 6:0

Gendarmerie-Oberst

Kriegsverb reche r homosexueller Raubmörder

30.3 29.8

7 13 6 16

2:8 1:9

3 12 9 4

5:6 1:11

Bäcker (Hinterganger)

Kindsmörder

24.1

4 2

1:5

1 7

2:8

Buchdrucker Büroleiter

Psychopathie Trinker

11.7 30.3

22 10 4 11

1:9 2:4

3 7 0 6

0:19 4:2

Schauspielerin Bildhauer

paranoide Zwangsneurose Zwangsneurose Konversionshysterie Epilepsie Phobie

60.0 62.5 60.0 59.1 75.0

0 3 3 9 10

1 0 4 3 1

5:1 2:8 2:10 8:3 9:1

Hypochondrie

Depersonalisation )

elancholie

xitelle Perversionen

riminelle —

sychopathien l i hurosen

S

) l

— —

Mediziner

6 7 9 1 0

4:2 10:0 9:1 5:11 3:7

6 10 6 7 9

349


In der Abb. 25 stellt der Autor die Ergebnisse der Sozialgruppenindices gra­ phisch dar. In der Abb. 26 gibt der Autor eine graphische Darstellung der Verteilung der sozialpositiven und sozialnegativen Reaktionen im Verhältnis zu der sozial­ kritischen Größe: 40%. %

Fassen wir nun auf Grund der Arbeit des Autors unsere derzeitigen testologischen Kenntnisse in bezug auf das soziale Verhalten zusammen: I. Die Normalzone des Sozialindexes scheint zwischen 40-50% zu stehen. II. Kriminelle, perverse Psychopathen, Geisteskranke und in hohem Alter stehende Menschen, die zwar noch sehen, aber im Sehen gefährdet sind (Glau­ kom), liefern asoziale Indices, d. h. solche, die unter 40% stehen. Aus einem Sozialindex unter 40% darf man somit noch nicht auf eine kriminelle, antisoziale Tat, sondern nur auf ein asoziales Verhalten schließen. III. Neurotiker hingegen erreichen die Höhe von 60-75% beim Sozialindex. Das ist somit eine Bestätigung der bekannten pREUDschen Annahme, daß bei Neurotikern die Über-Ich-Zensur übermäßig streng ist. IV. Menschen, die die schwerste Körperarbeit für die Gemeinschaft leisten wie Bergarbeiter - liefern einen Sozialindex von 46.9. V. Das soziale Verhalten der Lehrer ist im Lichte des Sozialindexes gleich hoch einzuschätzen (47%) wie das der Bergarbeiter (siehe Abb. 26). VI. Relativ hoch ist der Sozialindex bei den Lehrerinnen: 55.3%. VII. Den höchsten individuellen Sozialindex fand der Autor bei einer Lehre­ rin: 95.2% und bei einem Psychohygieniker: 85%.

350


VIII. Chronische somatische Erkrankungen, insbesondere die Tuberkulose, schwächen die soziale Zensur; somit liegt ihr Sozialindex bei der kritischen Größe: 40%.

= Sozialpositiv

= Sozialncgativ

31,8 20,5

ï

I 68,2

1 79,5 LEHRERINNEN

GEISTESKR.

GLAUCOM

Abb. 26. Graphische Darstellung der Verteilung der sozialpositiven und sozialnegativen Reaktionen im Verhältnis zur kritischen Zahl: 40%

Nun wollen wir einige Beispiele bringen aus einem Material, an dem wir die Methode überprüft haben. Fall 31 (von E. STÜMPER, Et telbrück, Luxemburg). Der Sotjialindex eines Lust­ mörders. Der 25jährige J. N., ein Arbeiter, zeitigte 1951 den Sozialindex: 25.4%, sechs Jahre später 33.3%. Beide stehen unter der kritischen Soziallinie: 40%. Ein Auszug aus der Krankengeschichte bekräftigt die Aussage des Sozial­ indexes : nämlich, daß der Mann asozial ist. J. N. stammt aus einer erblich belasteten Familie: Der Vater war Alkoholiker; zwei Brüder mit antisozialem Benehmen. N. wurde in armem, asozialem Milieu erzogen. Er war kein schlechter Schüler in der Volksschule, wurde einfacher Arbeiter, der die Stelle einige Male wechselte. Sein Kontakt ist ziem­ lich gut, aber oberflächlich. Die Affektivität scheint flach zu sein; es besteht Amoralität, undN. hat keinerlei höhere oder extrapersonale Interessen. Er hatte Umgang mit einer Prostituierten, lebte mit einer Witwe zu­ sammen und hatte zuletzt eine Freundin. Anscheinend keine Perversität. Der Strafauszug von N. enthält sieben Verurteilungen: Diebstahl, Schlägereien mit Verwun­ dungen, Betrug usw. Besondere Verurteilungen: 1946:1. Versuch, mit Gewalt einem 16jährigen Mädchen das Fahrrad abzunehmen. Daß N. die Absiebt hatte, das Mädchen mißbrauchen, konnte nicht bewiesen werden, ersc heint aber sehr wahrscheinlich. 1951. II. Gewaltsamer Angriff auf die Schamhaftigkeit eines 14jährigen Mädchens; öffentliche Sitten­ verletzung; öffentliches Tragen einer Uniform, die ihm nicht gehörte; zwei Diebstähle. III. Augenblicklich ist N. in Untersuchungshaft wegen Notzucht an einem 12jährigen Mädchen und Ermordung desselben.

351


Die gefährlichen Zonen seiner Antisozialität kann man aus den vektoriellen Proportionen leicht ablesen: Vektoren

P

Sch

C

Total

soz + : soz —

soz + : soz —

soz + : soz —

soz + : soz —

soz +

I. Serie (1951)

0:241

10:0

0:11 1

4:6

25.4

II. Serie (1957)

0:/4l

6:4

4:6

5:6

33.3

Soziales Verhalten

Der Mann ist somit im Sexualleben und auch im Ich stark asozial. Er ist in der Tat ein Sexualverbrecher. Die Erhöhung des Sozialindexes in der zweiten Serie hängt - erfahrungs­ gemäß - mit der Untersuchungshaft zusammen. Für die besondere Zuverlässigkeit der Methode sprechen : Erstens der Umstand, daß er nach sechs Jahren (1957) - nach der Lustmord­ tat - immer noch eben im Sexualvektor 0:14 sozialnegative Reaktionen zeitigte. Zweitens, daß dieser Lustmörder auch nach der Tat einen asozialen Gesamtindex lieferte (33.3%). *

Beispiel 32: gibt den Sozialgruppenindex der 13 Affektmörder aus Budapest (S. DÉRIS Material). Vektoren Soziales Verhalten Proportionen

S

p

Scb

C

Total

soz + : soz —

soz + : soz —

soz 4- : soz —

soz + : soz —

soz +

5:121

1:72 !

9:4

0:751

25.8%

Der vektorielle Sozialindex deckt somit folgendes auf: 1. Die Affektmörder sind im Kontaktlehen am stärksten geschädigt (C = 0:15). 2. Außerdem ist ihre antisoziale Gefährlichkeit im Affektlehen (P = 1:12) enorm groß. 3. Auch das asoziale Sexualleben vergrößert ihre Antisozialität. Der totale Sozialindex: 25.8% sagt an sich schon genug über die antisoziale Verhaltensmöglichkeit dieser Gruppe. Wenn der Sozialindex bei Delinquenten, die während der Untersuchungshaft ge­ testet werden, paradoxerweise einen sehr hohen sozialpositiven Wert (70-90%) aufweist, so steht der Psychologe vor der Frage, ob die kriminelle Tat nicht doch von dem Hintergänger der Person ausgeübt wurde. In diesen Fällen muß man zu­ vörderst die ThKP-e auf die Möglichkeit eines Deliktes mit der Rand-MitteMethode prüfen, und hernach den Sofialindex des Hintergängers berechnen. Liefern die Hintergängerprofile (ThKP) Indizien für Autismus {Sch -j- —), Hab- und Raffsucht (Sch -)- 0, -|—b) oder Verwahrlosung (CO — !, -| !) usf. und sinkt

352


der Sozialindex im ThKP unter 50% oder 40%, so ist der Hintergänger der wahr­ scheinliche Täter. Der Hintergänger muß ja nicht in allen Fällen zwangsläufig einen niedrigen Sozialindex liefern, wenn der Vordergänger sozialpositiv ist. (Siehe Tabelle 17, Fall 15a, b, c). Acht Vektorbilder (von 64) sind nach Schema des Autors (Abb. 24) sowohl im VGP wie im ThKP gleichwertig sozialpositiv bzw. sozialnegativ. Diese sind: VGP

ThKP

r

,

,

r

P

0

±

P

S H • C+ +

S C

±

1

Beide

0

J

MP°sitiv

h

1 J

Beide soz\a.\nega/iv

Nach A. FRIEDEMANN (Biel) kann auch die Starrheit der sozialpositiven Vor­ dergänger als Indiz für die Simulierung und somit für die Täterschaft des Hinter­ gängers aufgefaßt werden. *

IV. Vergleichende Untersuchungen über den Sexual- und den Sosfal-Index Es wurde bereits erwähnt, daß die soziale Beurteilung der Durgefahr einer Person nur durch die gleichzeitige (synoptische) Betrachtung des Sozialindexes möglich sei. Wir prüften diese Behauptung, indem wir in den bereits mitgeteilten Fällen 19-30 neben den Dur-Moll-Indices auch die Sozialindices berechneten. Die Tabelle 18 weist auf die vorläufigen Ergebnisse dieser vergleichenden Untersuchungen hin. Tabelle 18. Vergleichende Untersuchungen über den Sexualindex und den Socfalindex Fall Beispiel 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 a 30 b

Beruf, bzw. klinische Diagnose 25 Bergarbeiter 33jährige normale Hausfrau 35jähriger manifest homosexueller Schneider 32jähriger submanifest homosexueller Jurist 25jährige bisexuelle soziale Fürsorgerin 40 männliche paranoid Schizophrene 9 weibliche paranoid Schizophrene 25 Lehrer 25 Lehrerinnen 19 Prostituierte 49jähriger Psychohygieniker 13 männliche Affektmörder 23jähriger epileptiformer Affektmörder

Durindex 67.2% 39.0% f7.0% 24.4% 52.5% 59 % 65 % 48.6% 42.4% 67.0% 72.6% 84.4% 76.6%

Sozialindex 46.9% 47.5% W.f%l 24.4%; 50 % 33.9%1 60.6% ; 47 % 55.3% 52.1% 66.0% 1 26.6% 1

# %;

Diese Tabelle kann nicht dazu dienen, die korrelativen Beziehungen zwischen dem Sexual- und dem Sozialindex endgültig fe stzustellen. Dazu benötigt man ja viele Hunderte von Serienaufnahmen von gesunden und kranken Menschen. Folgende Schlüsse glauben wir dennoch aus der Tabelle ziehen zu dürfen: 23

Szondi, Triebdiagnostik

353


1. Männer mit äußerst niedrigem Dur- und niedrigem Sozialindex sind auf Homosexualität verdächtig (Fälle 21 und 22). 2. Männer und Frauen mit relativ hohem Dur- und niedrigem Sosnalindex können seelisch erkrankte Individuen sein (Beispiele 24, 25). 3. Männer mit extrem hohem Dur- und extrem niedrigem So^ialindex können affektiv geladene Gewalttäter (Totschläger) sein (Beispiele 30a und 30b). 4. Männer mit relativ hohem Dur- und hohem So^ialindex können militante Huma­ nisten sein ( Fall 29). *

Erfahrungen über die Auslegung der Proporzmethoden bei den Hintergän­ gern (ThKP) stehen uns derzeit noch nicht zur Verfügung. Die Anwendung bei­ der Methoden an großen Gruppen von gesunden Berufsmenschen und von ver­ schiedenen seelisch kranken Patienten und Kriminellen bleibt der Zukunft vor­ behalten. Abschnitt X

DIE FAKTORIELLE ASSOZIATIONSMETHODE DIE EINFÄLLE AUF DIE BILDER DES TESTES Die vorausgehend erörterten qualitativen, quantitativen und proportionalen Deutungsmethoden weisen in ihrem Charakter den gemeinsamen Zug der Averbalität auf. Als Grundlage dieser Methoden dienen ja «wortlose» Wahlhand­ lungen. Das heißt somit, daß nicht die wörtlichen Aussagen der Vp, sondern ihre averbalen Wahlhandlungen gedeutet werden. Dieser Zug unterscheidet unseren Wähltest prinzipiell von den bekannten «Aussage»-Testen und eben darum nen­ nen wir ihn einen «Wurzeltest» im Gegensatz zu den « Morstellungstesten », bei denen die ausgesprochenen Vorstellungen ausgelegt werden. Dieser Grundunterschied schließt aber nicht die Möglichkeit aus, daß die Bil­ der des Testapparates nach dem obligaten averbalen Wahlverfahren 7jisätsfich auch noch als Reizobjekt zu Assoziationen, d. h. zu unbewußten Einfällen - im Sinne der FREUDSchen E infallsmethode bei den Traumdeutungen - verwendet werden können.

Die Kriterien der Anwendung der Einfallsmethode bei den Bildern sind die folgenden: I. Die Methode des faktoriellen Assoziationsversuches habe ich bereits 1947 beschrieben1. Von den zwölf sympathischen und zwölf unsympathischen Bildern werden je vier - eben die am meisten sympathischen bzw. unsympathischen - der Vp mit folgender Instruktion wieder einzeln vorgelegt: «Schauen Sie sich dieses Bild nochmals gut an, und sagen Sie mir, was Sie dabei fühlen, an was oder an wen Sie dabei denken.» Bei Erwachsenen fragen wir noch: «Welches, glauben Sie, dürfte das Schicksal dieses Menschen gewesen sein ?» Wir erwarten unbewußte Einfälle %u den abgebildeten Personen und begnügen un s nicht mit rein sac hlichen Obe rflächenasso^iationen. Die Versuchszeit ist eben deshalb nicht 1 SZ'ONDI, L.: Experimentelle Triebdiagnostik, I. Aufl. Huber, Bern, 1947. S. 29ff.

354


begrenzt. Im Notfall wird die Vp zu weiteren Assoziationen aufgefordert, wobei man aber die Assoziationen nicht durch Fragen willkürlich lenken darf. Die ge­ lieferten Assoziationen werden dann nach dem unter III. mitgeteilten Schema geordnet. II. Die Methode wird auch zur Bestimmung des spezifischen Aufforderungscharakters der einzelnen Bilder ve rwendet und dient mehreren Zwecken : .Erj/wu erhalten wir - wie in der Psychoanalyse - wichtige

.Zi&wwmü,

welche die traumatische Genese der seelischen Störungen aufzudecken vermögen. Zweitens schildert die Vp sehr oft ihre eigene Lage in der Familie, in der Gesell­ schaft. Sie stellt uns unbewußt des öfteren ihr eigenes Schicksal dar. Drittens zeigen sich bei diesem Verfahren Symptome, die man zpr Trennung der Neurosen vo n de n Präpsychosen oder mani festen Psychosen ben ützen kann. Diese Anwen­ dung ist im besonderen bei Grenzfällen wichtig, bei denen wir keine Achter- oder Zehnerserie aufnehmen können. III. Einteilung der faktoriellen Assoziationen zp den Bildern. A. Objektive Oberflächenassoziationen. 1. Sachliche Beschreibung des Bildes: a) Ganzheits-, b) Teilbeschreibungen. 2. Sachliche Bewertung der Person: a) auf Grund des Ästhetischen (schön, häßlich usw.); b) auf Grund der Intelligenz (dumm, gescheit usw.); c) auf Grund des Gemütszustandes (gutgelaunt, traurig usw.); d) auf Grund der krankhaften Symptome (schizophren, manisch usw.). B. Rein triebfaktorielle Assoziationen, die dem Aufforderungscharakter der Bilder entsprechen. Wir nennen sie faktortreue Assoziationen. C. Subjektive, faktoruntreue Assoziationen. Die Bilder verlieren hier ihren faktoriellen Aufforderungscharakter; dû

1. Durch Komplexe oder Wahnideen bedingte Assoziationen:

a) vordergründige Komplexassoziationen; b) hintergründige Komplexassoziationen; c) invertierte Komplexassoziationen (z. B. homosexuelle Assoziationen zu Bildern von Sadisten und umgekehrt, oder paranoide Assoziationen zu den Bil­ dern von Katatonikern). 2. JWrxwgM w <6r

a) die Grenzen zwischen der Wirklichkeit und dem Experiment verschwinden. b) Illusionen und Fehlauffassungen. 3. Störungen des Verstandes: a) inadäquate, unverständliche Assoziationen;

b) Perseverationen; c) Konfabulationen. 4. Störungen der Identifizierung: a) Behauptungen der Identität von Bild und Proband; b) Behauptungen der Identität von Bild und einem Bekannten des Probanden.

355


5. Störungen im affektiven Verhalten des Probanden gegenüber bestimmten Bildern: a) Sperr- und Schockreaktion; b) Wut- und Zornreaktion; c) Weinen-Lachen; d) Ohnmachtreaktion. IV. &

aar

dkr

Tat unbewußtes Material liefern. Die Oberflächenassosfationen sind diagnostisch unbrauch­ bar. Leider wurde dieses Kriterium von einigen Nachuntersuchern nicht respek­ tiert und so kamen sie deswegen zu völlig falschen Konklusionen in bezug auf die assoziative Wirkung der Einzelbilder. unseres Erachtens die, bei der die Bilder ihren faktoriellen Aufforderungscharakter verlieren und die Vp auf die faktoriell verschiedenen Bilder immerfort mit dem gleichen Komplex reagiert. Eben diese faktoruntreue, monosymptomatische Reaktionsart deckt oft die verborgene Erkrankungsart der Person auf. Im Kapitel XXVI werden wir lehr­ reiche Beispiele anführen. Zuvörderst müssen wir aber die sogenannten faktor­ treuen Einfälle darstellen.

Kapitel XXV

FAKTORTREUE EINFÄLLE ZU DEN TESTBILDERN

Fall33. Die Vp ist ein 28jähriger Gymnasiallehrer. Zur Zeit der Untersuchung war ihm die faktorielle Bedeutung der Bilder unbekannt. Rufbild: 1. III (d. h. Bild Nr. 1 der Gruppe III). Das Bild stellt einen Transvestiten dar. Aus der Asso­ ziationsreihe der Vp zitiere ich folgenden Teil: «Sehr abscheulich, ekelhaft, spcichelig, schleimig, aggressiv, arrogant, zu starkes Selbstvertrauen, jung, terroristisch; ich habe Angst vor ihm, ich fühle mich nicht genügend geschützt gegen Angriffe seinerseits; gruselig, ich habe Angst... ein Lager... homosexuelle Dinge drängen sich jetzt in mein Ge­ dächtnis ein; er kann ein Fußballspieler sein, oder eher ein Trainer, der die Jungen verführt. Jetzt fällt mir GrrcWA, m&NWa/b*

Wir sehen, daß das Bild der Kategorie h seine spezifische Wirkung prompt ausgeübt hat. In wenigen Minuten führte das Bild die Vp in die Vorstellungswelt von Homosexualität. 2. Die Assojiationswirkung von M örderbildern Fall 34. Vp ist eine Psychologin, die sich in einer psychiatrischen Klinik hauptsächlich mit Irren beschäftigt. Zur Zeit des Assoziationsversuches waren ihr die Aufforderungscharaktere der einzelnen Bilder noch unbekannt. Rufbild: 2, I, ein Mörder. Assoziationen:

356


Platz­ nummer

Gruppe I

Gruppe II

Gruppe III

Gruppe IV

Gruppe V

Gruppe VI

k

hy

h

P

e

m

1

Weygandt p. 380 Fig. 153

Binswanger p. 379 Fig. 20

Szondi

Weygandt p. 361 Fig. 145

Szondi

Weygandt p. 320 Fig. 113

s

m

e

hy

d

h

2

Strobl Stockholm

Weygandt p. 329 Fig. 121

Weygandt p. 278 Fig. 85

Weygandt p. 250 Fig. 78

Weygandt p. 314 Fig. 109

M. Hirschfeld II. p. 54. Abb. 5 Taf. II

P

e

r

d

hy

k

3

Weygandt p. 360 Fig. 144

Weygandt p. 276 Fig. 84

Strobl Stockholm

Weygandt p. 344 Fig. 139

Weygandt p. 253 Fig. 79

Weygandt p. 381 Fig. 156

d

h

m

k

P

3

4

Scholz p. 160 Fig. 119

M. Hirschfeld II. p. 105 Taf. IV

Weygandt p. 344 Fig. 138

Weygandt p. 439 Fig. 196

Kirchhoff p. 168 Abb. 42

Strobl Stockholm

h

d

k

m

s

P

5

M. Hirschfeld II. p. 171 Taf. VI

Weygandt p. 340 Fig. 131

Weygandt p. 396 Fig. 170

Weygandt p. 303 Fig. 95

Strobl Stockholm

Weygandt p. 444 Fig. 200

e

P

d

r

k

by

6

Weygandt p. 274 Fig. 82

Weygandt p. 359 Fig. 143

Weygandt p. 327 Fig. 120

Strobl Stockholm

Weygandt p. 398 Fig. 171

Szondi

m

r

hy

e

h

d

7

Weygandt p. 339 Fig. 130

Strobl Stockholm

Weygand t p. 249 Fig. 77

Weygandt p. 275 Fig. 83

Szondi

Weygandt p. 228 Fig. 71

hy

k

P

h

m

e

8

Binswanger p. 383 Fig. 22

Weygandt p. 419 Fig. 189

Weygandt p. 531 Fig. 252

M. Hirschfeld II. p. 145 Taf. V

Weygandt p. 298 Fig. 88

Weygandt p. 279 Fig. 86

A. Deutscher Ursprung:

WEYGANDT W. : Psychiatrie. Lehmann. München, 1901 2. HIRSCHFELD, M.: Sexuelle Zwischenstufen. Bonn, 1918 3. BINSWANGER, O.: Die Hysterie. Holder. Wien, 1904 4. KIRCHHOFF, TH.: Der Gesichtsausdruck. Springer. Berlin, 1922 5. SCHOLZ, FR.: Lehrbuch der Irrenheilkunde. E. H. Mayer. Leipzig, 1892 .... Schwedischer Ursprung (von ST. STROBL) Ungarischer Ursprung (von L. SZONDI) 1.

B. C.

30 Bilder '

4 2

» »

1 1

» »

6

»

1

4

»

J

357


«Ein Sadist, ein Mörder, ein Sexualsadist... Kriminalpsychologie, sexueller Kindermord, er hat sein Opfer in den Wald gelockt und dort getötet... Proletarier, Chauffeur, oder Metzger... Eine Dame geht auf der Straße, plötzlich bekam sie einen Nervenanfall, nach vier Wochen stellt es sich heraus, daß sie gemordet hat... Leierkasten, Ringelspiel... Karbidgeruch... Luftballon... Clown... Direktor eines Wanderzirkus, träumt von Löwen... er benimmt sich gegenüber Hasen, als wäre er der Löwe...»

Das Mörderbild lockte die Vp in den entsprechenden Gedankenkreis : Mörder, Sadist, Metzger, Löwe. 3. Die Asso^iationswirkung von Epileptikerbildern Es ist bekannt, daß der Faktor e mit dem Faktor hj neben den groben Affekten wie Zorn, Haß, Wut, Rachsucht, besonders die ethischen, sozialen Bedürfnisse des Menschen bestimmt. Recht und Unrecht, Güte und Bosheit, Schuld und Sühne, Teufel und Engel, Kain und Abel sind diejenigen Gegensatzpaare, bei denen die Wahl von dem jeweiligen Zustand des Faktors e abhä ngig ist. Fall 35. Vp ist wieder der 28jährige Gymnasiallehrer, wie in Fall 33. Ruf bild : 7, IV, Epileptiker. Assoziationen: «Ein sozialer Mensch, fand seinen Platz in der Gesellschaft... sein Vater könnte Richter sein... er selbst Richter-Praktikant. Er kann aber auch das Gegenteil sein: Revolutionär... Ich muß intensiv an russische Figuren denken, z. B. an Dostojewski. Hinter seiner äußeren Erscheinung steckt Anarchie. Ein Wissenschaftler mit geladenem Revolver. Interessant ist das Schicksal dieses Anarchisten. Ich fühle die Spannung in ihm, nicht so, wie bei dem ersten Bilde (vgl. die Assoziationen derselben Vp auf Rufbild 1. III., Transvestit, Beispiel 1). Man vermöge nur dann etwas Großes zu vollbringen, wenn die Tat aus einer großen Spannung entspringt. Ja: gelingt ein Attentat, das beruhigt ihn noch nicht, er wünscht den Angriff und etwas, was bisher noch nicht dagewesen war. Wesen des Attentates ist ja nicht das Morden, sondern das Sprengen einer Situation, ein Attentat durchgeführt mit Hilfe einer Höllenmaschine, er ver­ abscheut Gift. Dieser Mensch mordet dynamischer...»

Das Bild eines Epileptikers mobilisierte demnach klassische epileptoide Asso­ ziationen: «Revolution, Attentat, Sprengen einer Situation» usw. Die Erfolge der sogenannten « Krampf»-Therapie, wie die der Insulin-, Cardiazol-, Elektroschockbehandlungen bei paranoiden Schizophrenen beruhen unserer Meinung nach auf einem Dominanzwechsel der Bedürfnisse: p und e. Bei den paranoiden Schizophrenen ist das Bedürfnis p manifest, das Bedürfnis e latent. Nun wird durch die krampferregende Schockwirkung künstlich ein Domi­ nanzwechsel hervorgerufen; der Patient bekommt epileptiforme Krämpfe und verliert - allerdings nur vorübergehend - seine paranoid-schizophrene Trieb­ natur. Es war also von Interesse, einmal experimentell festzustellen, wie ein Paranoiker auf die ^-Bilder unmittelbar nach einer Cardiazol-KrampfBehandlung reagiert. Fall 36. Vp war der 28jährige Gymnasiallehrer, dessen Diagnose: paranoide Präschizophrenie war. Rufbild: 6, I, Epileptiker. «Der Mann ist mir jetzt nicht unsympathisch, trotzdem er mir vorher sehr antipathisch war. Er sieht mir ähnlich... aber doch nicht... er ist härter als ich... Vielleicht ist er ein Psychotiker... ein Schizo­ phrener.. . er leidet an Spaltung des Ich-Bewußtseins... er mußte eine Periode mit Verblödung haben... Jetzt fühle ich mich genau so, als bekäme ich eine Cardiazolinjcktion... ich habe Angst... ich fühle, die Krämpfe kommen...

Das Bild der Kategorie e wirkte bei dem paranoiden schizophrenen Kranken etwa so, wie die Cardiazolbehandlung selbst, er fühlte «die Krämpfe kommen». Könnte man mehr von einem f-Bild erwarten ?

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4. Die Assospationswirkung von Hysterikerbildern Die sozialisierten Manifestationserscheinungen des Bedürfnisses hy s ind: sich zur Schau zu tragen, z. B. in Wohltätigkeitsvereinen, überhaupt in charitativen Betätigungen, ferner die Rolle der «Mutterkönigin» zu spielen in der Familie, ganz allgemein das «Sich-:Zeigen» in der Gesellschaft und auf der Bühne. Nach­ stehendes Beispiel zeigt uns klar, daß die Bilder der Kategorie hy die Vp in das Gebiet des Exhibitionierens lockten. Fall37. Vp ist ein Gymnasiallehrer, etwa 30 Jahre alt. Rufbild: 1, II, Hysteri­ ker. Assoziationen: «Oh weh» (er wirft das Bild weg). «Ich erinnere mich an meine schlechte Tante, die ständig als Stütze der Gesellschaft repräsentiert... Sie ist immer tätig, hat gute Erfolge, strebt in der Familie die Machthaberin zu sein... Spielt eine große Rolle in Wohltätigkeitsvereinen und Heimen...»

5. Die Asso^iationswirkung von Katatonikerbildern Der Faktor k repräsentiert im schicksalsanalytischen Triebsystem das egosystolische, das Bedürfnis der «Ich-Einengung». Manifestationsformen: Uber­ empfindlichkeit, Mimosenhaftigkeit, Verschlossenheit, Weltfremdheit, Narziß­ mus, Egoismus, Autismus usw. Fall 38. Vp ist eine 50 Jahre alte Psychologin. Rufbild : 8, II, Katatonikerin. Assoziationen: «Eine einfache Frau, sie hat sich verschlossen. Kann sein, daß sie ihr Kind verloren hat. Eine Pfle­ gerin in einer psychiatrischen Klinik. Lebt ganz allein, drin im Irrenhaus... Das Erlebnis ist nicht groß, für sie ist es aber dennoch groß... Liebe, ein schwerer Liebhaber... sie hat ihn zu ernst genommen, wurde beleidigt... ich habe viele solche Patienten in der psychiatrischen Klinik...»

Die Hauptmerkmale der katatonoiden Triebnatur, so die Verschlossenheit, das «Sich-Zurückziehen» vom Drum und Dran des Lebens (ja sogar in einer ge­ schlossenen Anstalt), die Verletzlichkeit wurden im Assoziationsbereich der Vp wachgerufen. Das Krankheitsbild der katatonen Schizophrenie wird besonders durch die Spaltung (Schizis) des Ich-Bewußtseins, bzw. der ganzen Persönlichkeit durch den Zustand der «Zwei-Ichheit» hervorgerufen. Die Vp hat z. B. nur ein Katatonikerbild vor sich, spricht aber ständig von %wei Per sonen; oder sie spricht von einem Spiegel, der die Person verdoppelt. Es kommt vor, daß die Vp - allerdings nur Kranke - das Gesicht am Bilde vervielfacht wahrnehmen, Erscheinungen, die eben auf den. Zustand der verdoppelten und vervielfältigten «Ichheit» hinweisen. 6. Die Asso^iationswirkung von Pa ranoikerbildern Der Faktor p bestimmt bekanntlich das Bedürfnis der «.Ich-Erweiterungy>, der Egodiastole. In das Triebfeld dieses Bedürfnisses gehören: Machtsucht, Besessen­ heit von einer Idee, Verfolgungswahnideen, besonders Vergiftungsideen, Grö­ ßenwahn, Megalo- und Mikromanie, erfinderische Großtuerei, Prophetentum usw. All diese Ideen können in Assoziationen durch Paranoikerbilder wachgeru­ fen werden. Fall39. Vp Psychologe, Rufbild: 8, III, eine alte Paranoikerin. Assoziationen: «Eine alte Giftmischerin. Arsen... Grausames Tigergesicht. Abscheulich. Was ich bei Dostojewski las, paßt sehr gut auf diese Frau. Ich glaube, daß eine solche Frau einen wahren Aufforderungscharakter

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besitzt, sie zu ermorden. Es ist die Ironie des Schicksals, daß Dostojewski eben Raskolnikow zur Ermor­ dung eines solchen abscheulichen Wesens auswählte. Jetzt muß ich an den Freund denken, von dem ich zuerst den Roman ,Raskolnikow* bekam... Er war ein älterer Herr... ,Was für Schlüsse werden Sic dar­ aus ziehen4, fragte er mich, ,daß ich so viele ältere Freunde hatte?' Ich denke jetzt an den Kreis, in wel­ chem dieser alte Freund Objekt des Hohnes war. Er erzählte uns nämlich allerlei großtuerische Dinge über seine Erfindungen. Er war ein notorischer Lügner. Er dichtete Erzählungen, in welchen große Er­ finder ihn baten, er solle sie aufsuchen; er erzählte, daß er im Ausland ein großes Gut habe. Er litt an Größenwahn. Er behauptete, er sei auch ein großer Komponist, und ich habe alles für wahr genommen. Eine peinliche Beziehung.»

In dieser durch ein Bild aus der Kategoriep gelenkten Assoziation sind beinahe alle Manifestationsformen der Paranoia aufzufinden: Giftmischerin, Arsen, para­ noider Mörder (RASKOLNIKOW), Größenwahn, Erfinder, Pseudologia phantastica. Während der Assoziation bekam sogar der Prüfling selbst einen «Verdächtigungs­ anfall». Er ängstigte sich, daß ich ihn wegen seiner älteren Freunde der Homo­ sexualität verdächtigen werde. (Er hatte wirklich Grund dazu, da er früher tat­ sächlich homosexuelle Beziehungen mit älteren Männern anknüpfte.) Wir mach­ ten die Erfahrung, daß Bilder der Kategorie p Versuchspersonen mit paranoid­ homosexueller Anlage oft und leicht im Assoziationsversuch in das homosexuelle Triebfeld locken. Wir dürfen darüber nicht staunen. Die enge triebpsychologische Beziehung zwischen Paranoid und Homosexualität ist doch schon längst be­ kannt (FREUD). Wir selbst lieferten in der «Schicksalsanalyse» die genbiologische Grundlage dieser Beziehung (vgl. Fall 26, Stammbaum 26 a, b, c, S. 161, 175, 176, 188 und 189. III. Aufl.). 7. Die Asso^iationswirkimg von Melancholikerbildern In das Manifestationsgebiet des Faktors d gehören folgende Erscheinungen: Trauer über das verlorene Objekt, Todesgedanken, Lebensmüdigkeit, Unglück­ lichsein, das Ankleben an den Familiengliedern, Objekttreue, aufopfernde Objektliebe, oft inzestuöser Natur, ferner: das Kleben an Wertgegenständen, Leichtsinn und Kargheit. Hieher gehört noch der Drang zurMagie, zu m Okkulten. Fall 40. Vp ist eine homosexuelle, paranoid schizophrene Musiklehrerin, die sich in Theosophie, Metaphysik und Spiritismus verloren hat. Rufbild : 2, V, eine Depressive. Assoziationen: «Grotesk. Ich denke an eine Theosophin, die gestorben ist.»

Fall 41. Vp ist ein homosexueller Zuckerbäckergehilfe. Rufbild: 7, VI, eine Melancholikerin. Assoziationen: « Die Kleider der Frau erinnern mich an eine Patronage... Auferstehung... Diesen Roman habe ich einmal einem blinden Freund vorgelesen... Der Held des Romans hat ein Mädchen verführt, die dann eine Prostituierte wurde. Als man sie wegen Mord verurteilt hat, treffen sie sich wieder, und das Mädchen sagte: ,Ich habe gelernt, ohne Glück zu leben.' Dieser Satz wurde mein Zauberspruch, ich sage ihn mir vor, wenn ich mich unwohl fühle.»

Das Photo der Kategorie d erweckte also Bilder von Verwaisten, von Ver­ lassenen, von Patronage. Eine typische //-faktorielle Umgebung. Aber es er­ schien ihm das Bild der «Auferstehung», also eine Assoziation, die mit dem Tode eng zusammenhängt. Die Situation der Depression ist im Satz: «das Leben ohne Glück» leicht aufzufinden.

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8. Die Assoziationswirkung von B ildern manisch Erkrankter Das psychische Wirkungsfeld des Faktors m beinhaltet: das Bedürfnis des Sich-Anklammerns an Lustobjekte der Welt, den Hedonismus, Witzelsucht, die Anlage zu Scherzen, zum Jubel, zur Manie, ferner: die Vereinsamung, das «SichAblösen» vom Objekt, ferner die Oralität, d. h. Essen, Trinken, Sprechen usw. Fall 42. Vp ist Psychologin. Rufbild : 8, V, ein alter manischer Mann. Asso­ ziationen : «Er ist so scherzhaft... sitzt in seinem Bureau, schreibt Ziffern; dann nimmt er sein Brot aus der Tasche, schneidet es in vier Teile und ißt sie der Reihe nach. Seine Hauptsorge ist: alles in Ruhe zu ge­ nießen. Er kennt alles Gerede. Ist bei Begräbnissen immer anwesend, aber des Trinkens wegen... Seine Nachbarn haben ihn gern, obwohl er ein schlauer Fuchs ist. Oft spricht er Dinge, womit er sie abschreckt. Zum Beispiel, daß die Tochter des Herrn F. - er will wirklich nichts Böses über sie aussagen - aber er sah sie mit zwei jungen Leuten — kann sein, daß er sich irrte und es nicht zwei waren, sondern nur ein Jung­ geselle — sie war mit ihm im Kino... Genießt geheime pornographische Bücher und wenn er Bier trinkt, so wird sein Schnurrbart naß. »

Die Assoziationen verlaufen also in einer oralen Lustwelt; Essen, Trinken, Scherzen, Tratschen usw. Es ist bekannt, daß die Manie eine Reaktion auf die Depression ist. Die Bezie­ hung der Manie zu der Depression kommt klar zum Vorschein in den folgenden Assoziationen: Fall 43. Vp ist ein Psychologe, 35 Jahre alt. Rufbild: 1, VI, ein zirkulärer Mann in manischem Zustand. Assoziationen: «Finstere, kummervolle Augen und dennoch gelingt es mir leicht, sie als strahlende Augen vorzu­ stellen, eine Betrübtheit, die plötzlich ins ,himmelhoch Jauchzende' übergeht, um dann wieder ins Depressive zu versinken. »

Das Bild der Kategorie m hat Assoziationen mobil gemacht, die dem Krank­ heitsbilde der maniaco-depressiven Psychose völlig entsprechen. *

Die angeführten Beispiele bekräftigen also die psychologische Tatsache, daß jedes B ild des Testapparates einen ganz besonderen Aufforderungscharakter hat, dank dessen die Bilder auf den Assoziationsgang der Vpfaktoriellspezifisch wirken.

Kapitel XXVI

FAKTORUNTREUE ASSOZIATIONEN Es wurde bereits erwähnt, daß der diagnostische Wert der Einfallsmethode für die Testbilder erst dort beginnt, wo die Bilder ihren faktoriell verschiedenen Auffor­ derungscharakter verlieren und die Person monosymptomatische Komplexreaktionen oder andersartige krankhafte Einfälle liefert oder in pathologische Affektzustände (z. B. einen paranoiden Anfallszustand) gerät. Im folgenden geben wir nun klinisch leicht verwendbare Beispiele, wobei wir dem Einteilungsschema der faktoriellen Assoziationen nach Punkt C folgen.

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Beispiele komplexbedingter Tiefenassoziationen Fall 44. Die 35jährige sprachbegabte Bürolistin suchte uns in der Sprechstunde wegen diffuser ner­ vöser Beschwerden auf: Zittern, Herzklopfen, Schwindelgefühle, leichte Ermüdbarkeit. Der somatische Befund wies auf eine leichte Schilddrüsenüberfunktion hin, zur Zeit der Menstruationen treten bei ihr Ohnmachtsanfälle mit Erbrechen auf. Sie muß diese Anfälle mit Tee und Rum coupiercn, wobei sie zu­ gibt, daß sie mehr Rum als Tee trinkt. Seelisch: subtil, überempfindlich, sehr mißtrauisch. Uber die per­ sönlichen Ursachen ihrer Nervosität will sie nichts aussagen. Sie teilt uns aber mit, daß sie in diesen ge­ spannten Zuständen immer zeichnen muß. Das beruhigt sie. Dieser Zeichnungen wegen schämt sie sich aber und sie war erst nach vielen Monaten bereit, uns einige Kopien davon zu geben. Was diese Zeich­ nungen für sie bedeuten, wollte oder konnte sie uns nicht mitteilen. Die Zeichnungen, die sie leidenschaft­ lich, fast zwangshaft zeichnete, haben alle dasselbe Motiv in den verschiedensten Variationen : Ein großes Tier verfolgt ein kleines und steckt seine lange, aggressive Zunge nach dem verfolgten aus. Die räum­ liche Ausführung der Zeichnungen erinnert uns an die von Zwangsneurotikern oder von Schizophrenen (Abb. 27). Da wir von dieser distinguierten Dame fast gar nichts über die Quellen ihrer Nervosität und der episodischen Dipsomanie erfahren konnten, machten wir bei ihr einen faktoriellcn Assoziationsversuch, der uns nun zu der richtigen Diagnose führte:

Einige charakteristische Assoziationen: Reizbild II, 5, d (depressive Frau): «Das ist sehr schwer! Sie ist vom Lande. Eine Magd. Nicht eben gescheit. Stets schweigsam, still..., aber sie ist zu über­ raschenden Taten fähig... Zum Beispiel ist sie fähig, wenn sie liebt, den Geliebten mit Arsen ^u vergiften. Nicht aus Bosheit, sondern aus Fanatismus... ach, lassen wir das. Sie ist ruhig und still, aber doch zu manchem fähig... Genug!... Nehmen wir an, sie hat jemandem Arsen eingegeben. Sie wird dem Richter die Arbeit sehr erschweren, denn diese Frau ist sehr sonderbar; nicht schlecht, aber man kann aus ihr die Wahrheit sehr schwe r herausholen. Aber, Herr Doktor, jetzt ist es wirklich genug!» (Sie bricht die Assoziationen ab.) Assoziationen zum Bild III, 5, k (eine Katatonikerin) : «Eine alte Bauersfrau... Ist sie eine Frau oder ein Mann ?... Ach, helfen Sie mir doch. Ich ertrage es nicht, daß sie alles aufschreiben, was ich sage... Sie lebt in der Tretmühle des Alltags­ lebens, hat viele Kinder gehabt, hat geschuftet, sich abstrapaziert... Damit ge­ nug!... Solche findet man oft unter alten Frauen.» Jetzt geht ihre Stimme in Flüsterton über und sie sagt folgendes: «Ach, ich kann nicht weiter: Soll ich über tßwf fra* aw/, grawnd,/ W ?... Ich weiß wirklich nicht, zu was allem diese Frau fähig wäre... Ich halte sie fähig ^u Grausamkeiten. Sicher konnte sie wunderbar Hühner abschlachten! Ich weiß es nicht, ob sie dazu Gele­ genheit hatte. Aber sicher war sie fähig, eine Leiche in Stücke zu schneiden...» (Probandin wirft das Bild weg.) Nun legen wir ihr das Bild II, 8, k (auch eine Katatonikerin) vor: «Diese Frau würde ich nie als Dienstmädchen aufnehmen... Ich weiß nicht..., vermutlich ist sie eine Frömmlerin, aber... ich kann mich nicht richtig ausdrücken... Sie ist nicht bös... Hat aber ein Kind zur Welt gebracht und es erwürgt... Schluß ! Genug, genug! Jetzt werde ich Ihnen Witze erzählen... Hm, hm... Ich kann nicht weiter...» Assoziationen zum Bild eines Mörders, III, 3, r: «Ja, der ist schon zu allem fähig; er politisiert. Charakterlos in Frauengeschichten. Sicher gibt es solche Män­ ner. Stets treiben sie ihre Frauengeschichten. Schwach von Charakter, aber doch gut zu seiner Mutter. Er ist grob, überlaut, ein Straßendemonstrant, eingebildet, arbeitet schlecht... Er entschließt sich mit der Frau zusammen zum Selbstmord. Er schießt die Frau tot, bleibt aber selber am Leben... Herr Doktor ! Ich will nicht über einen jeden M enschen a ussagen, daß er ein Mör der ist !... »

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Zum Bild eines homosexuellen Mannes, V, 7, h, des schönen hermaphroditi­ schen Jünglings, liefert die Probandin folgende Einfälle: «EinScheusal, gemein..., kann sein, daß ich ihn falsch beurteile. Es ist schon möglich, daß er Greueltaten ver­ übt hat. .., aber die äußeren Umstände zwangen ihn dazu. Es muß nicht unbedingt wahr sein, daß er Grausamkeiten vollbrachte... Sehr unsympathisch. Genug!» *

Wir haben hier Assoziationen zu fünf Bildern vorgeführt, die depressive und katatone Personen, einen Mörder und einen Hermaphroditen darstellten. Der Inhalt aller fünf Assoziationenreihen ging in der Richtung: Vergiften, Morden, Abschlachten, Zerstückeln, Erwürgen, Selbstmord, Mord, Greueltaten.

Abb. 27 a

Die zartgebaute, filigrane, übersensitive Dame wählte im Testverfahren alle sechs Mörderbilder als unsympathisch aus (— ! ! !s). Dies spricht für eine über alle Massen aufgestaute Aggression im Hintergrund und Masochismus im Vorder­ grund. Die Bilder haben bei dem Einfallsversuch den spezifischen Aufforderungscharakter verloren. Ihre Einfälle fließen aus demQuell einer paranoiden Angst, jemand könnte sie ver­ giften, erwürgen, ermorden. I hre Zeichnungen erhalten somit einen Sinn: Eine stär­ kere Person will sie zugrunde richten. Auf Grund dieser Konfrontation stellte sich folgende Situation heraus : Die Probandin lebt mit ihrer alten Mutter, einer Witwe, in einer unauflösbaren sadomasochistischen Dualunion, in der die Mutter die Rolle des «grausamen gro­ ßen Tiers » spielt, deren Opfer sie selbst ist. Sie kann die Mutter einfach nicht ver­ lassen, weil sie sie liebt und haßt. Sie hat lesbische Phantasien, die sie aber ver-

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drängte und die jetzt in verstellter Form als Vergiftungs- und Ermordungsideen erscheinen. Natürlich projizierte sie ihre eigenen Ansprüche auf die Reizbilder. Ihr Mutter-Haß-Komplex lenkte ihre Gedanken im Assoziationsversuch und ihre Hand bei den Zeichnungen. Abb. 27 zeigt zwei Kopien dieser Zeichnungen.

Abb. 27 b

In den folgenden Assoziationen kamen Störungen in der Auffassung des Bildes zum Vorschein, was auf eine Psychose hinweist. a) Beim Assoziationsversuch werden die Grenzen zwischen der Wirklichkeit und dem Bild völlig verschwommen. Die Kranken erkennen im Bild lebende Per­ sonen, Bekannte oder sich selbst. Fall 45. Eine 50jährige Ausländerin, eine projektiv-paranoide Frau, die wegen Fehlen ihres Passes und Verdacht auf Spionage in Budapest verhaftet wurde, hatte vorher ein homosexuelles Erlebnis mit einem jungen Mädchen, mit der sie in einer Fabrik zusammenarbeitete und die mit ihr im selben Bett schlief. Eine somatische Beziehung entstand aber nicht. Die Frau wurde psychotisch und entwickelte Beziehungs- und Beeinträchtigungswahnideen : Ihre Verfolger hatten geheim eine Antenne in ihrem Kopf aufgestellt und horchten nun in dem Zimmer, das über dem ihrigen liegt, alle ihre Gedanken ab. Sie hört auch ihre Befehle, sie müsse unverzüglich Ungarn verlassen. Man konspiriert gegen sie, weil sie so wun­ derschön ist. Das Mädchen, das sie liebt, gehört auch zur Bande ihrer Feinde; sie hätte ihren Namen miß­ braucht und ihre Erbschaft mit diesem gefälschten Namen zu sich genommen. Diese projektiv-paranoide Frau lieferte folgende Einfälle zu den Bildern :

Bild VI, 2, h (ein Hermaphrodit): «Kränklich, traurig konnte der Mann mit den blauen Augen sein. Nicht sicher, sehr traurig. Etwas fehlt ihm (weint). Er

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scheint zu leiden. (Will das Bild weglegen.) Ich habe Mitleid mit ihm, er ist sehr traurig, hat viel gelitten. Was, das kann ich nicht sagen. Ein großes Leid. Mir tut es sehr weh für ihn, er leidet sehr. » In diesem Bild eines Hermaphroditen erkannte sie einen jungen Mann mit schönen blauen Augen und erzählte uns die völlig irreale Geschichte, daß sie mit ihm am hellen Tag irgendwo in einem Park coitiert hätte. Sie verabredete mit ihm für den nächsten Tag ein Rendez-vous, da stellte sich aber an Stelle des blauäugigen Jünglings das geliebte Mädchen ein. Hier muß also der Hintergänger (der frauensüch­ tige Mann) im Spiele sein. b) Illusionen und Fehlauffassungen des Bildes sprechen ebenfalls für Psychose und sind des öfteren als die Kontrastwirkungen des Hintergängers aufzufassen. Die Kranken sagen aus, daß die Person, die das Bild darstellt, seit ihrem letzten Zu­ sammensein sich ernstlich verändert hätte. Fall 46. Eine schizophrene Frau sagt aus : Bild I, 3, p (ein paranoider Mann) : «Wie glücklich schaut er aus ! (Das Bild zeigt den Paranoiden in einem mißtrauisch-depressiven Zustand.) Wie dick ist er geworden!Alle, die sie mir hier zeigen, sind mit mir in der Anstalt. Wie groß ist die medizinische Wissenschaft, daß sie fähig ist, alle diese Menschen zu heilen!» Das Hinter-Ich, das ja Be scheid weiß, daß sie schwer krank ist, projiziert hier den Wunsch, daß die Psychiatrie so mächtig sein möge, daß man sie und alle ihre Mitinsassen heilen könne. Dieselbe Patientin reagiert wie folgt auf das Bild V, 5, s (ein Mörder aus einer schwedischen Anstalt) : «Der war auch schwach. Aber er sieht jetcf besser aus. Der gefällt mir am wenigsten, aber ich möchte niemanden beleidigen. » Diese Art von Assoziationen ist für das projektive Paranoide sehr typisch. Bild VI, 8, e (eine infantil heitere Epileptikerin): «Ist die eine glatte Nummer! Jetzt ist sie aber schon älter. Dieses Bild stammt aus ihrer Kindheit. Was für ge­ scheite Augen! (In Wirklichkeit ist diese Epileptikerin etwas schwachsinnig.) Sie war Insassin unserer Anstalt... Alle die sind krank. (Ein richtiges Urteil des Hin­ tergängers.) Ihr Gehirn ist schwach - aber sie ist stämmig und hat breite Schul­ tern.» *

Das nächste Beispiel demonstriert das irreale Erlebnis der Kranken, daß das exponierte Bild sich während der Exposition zu verändern vermag. Fall 47. Ein 35jähriger Agent, stark paranoid. Bild I, 2, j- (ei n nackt aufgenommener, lächelnder Mörder): «Der da ist ein Bösewicht. Ich bin jetzt nicht sicher, ob er es war, den ich vorher sah. Vorher war er ja angekleidet undjet^t ist er nackt. Nicht das Bild zählt bei der Sympathie, sondern die Tat.» (Mit Ärger legt er das Bild weg.) Bild III, 1, h (ein homosexueller Transvestit): «Also den habe ich vorher sicher nicht gewählt!» Fall 48. Ähnliche körperliche Veränderungen wähnte ein schwachsinniger Epileptiker auf dem Bild III, 8,p (eine alte Paranoikerin) wahrzunehmen: «Ist die aber alt geworden! Sie hat ja k leine Ausschläge im Gesicht und ist böse geworden. Man kann sie ja n icht mal anschauen.» Zu dem Bild V, 7, des hermaphroditischen Jünglings sagt derselbe schwach­

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sinnige Epileptiker: «Schöner Junge. Anständig, guterzogen. Er ist mein guter Freund, mit dem ich zu spazieren pflege - aber nur in Gedanken. » Hier lenkt sicher das Hinter-Ich die Assoziationen. Es selbst weiß, daß alles nur ein Wunschgedanke ist. Die Störungen des Verstandes melden sich in unverständlichen Associationen, im besonderen bei paranoider De­ menz, Hebephrenic und Oligophrenie. Fall 49. Eine schizophrene Frau sagt zum Bild V, 6, k (zu einer katatonen Frau in einer bizarren Haltung): «Auch sie kenne ich. Sie ist, Gott sei Dank, auch mit den anderen in der Anstalt. Der eine stellt den ergänzenden Teil des anderen dar. Ich kann da nicht wählen, ich brauche alle !» Wenn wir an die zwei komplementären Ich-Existenzen ihres eigenen Ichs den­ ken, so dünkt uns dieser Einfall vielleicht doch nicht so unverständlich. Um so mehr aber die folgende Assoziation zu dem Bild VI, 6, hj (eine schlaue Hysterikerin, Bettlerin): «Dieses Bild ist samt der Schrift schön.» (Es ist keine Schrift auf dem Bild.) Interessant sind eine andere Handlung und ein anderer Einfall bei der näm­ lichen schizophrenen Frau : Sie nimmt aus der Serie zwei Bilder heraus, stellt sie «^«einander und sagt : « Sie sind nur dann schön, wenn sie dicht nebeneinander lie­ gen.» Hier kommt ihr dualunionistischer Anspruch auf Partizipation zum Vor­ schein. Dann fährt sie fort: «Jetzt will ich Ihnen alle (Bilder) zeigen. Es könnte mir ja schaden. Wenn ich alle Bilder kaufe, wird jemand was dagegen haben? Ich darf aber meine Seele nicht an Bilder vergeuden. Es muß eine Aufsicht herrschen. Sie fahren sonst einander in die Haare.» (Vermutlich erzählt sie hier von der An­ stalt, in der sie interniert war. Die exponierten Bilder führen sie somit in diese Gedankenwelt zurück.) Zum Bild IV, 4, k (ein Katatoniker) : «Ich finde unter diesen Bildern kein einziges fremdes Gesicht. Nur dieses Bild (sie zeigt auf das Bild VI, 3, k, ein Katatoniker), aber der ist mir auch bekannt. Petöfi oder Kossuth. Ich habe sie alle gerne. Ich möchte oft ein Vöglein haben; ich möchte mich von allen anderen abwenden; der Mensch braucht den Menschen, auch wenn es ein böser ist...» Bild 1,6, e ( ein Epileptiker) : « Es gibt keinen schöneren Mann. Ich wohnte bei ihm. Wie geht der Witz : Der Pfarrer ist nur so lange Pfarrer, bis er vor dem Altar steht. » Fall50. Ein paranoides Mädchen liefert folgende Einfälle: Zum Bild IV, 7, e: «Er ist sehr sympathisch. Ist kein weltberühmter Mann, doch könnte er ein großer Mann sein, hatte große Ideen, viel gelesen. Die Idee ist größer als er selbst. Kämpft für das Wohl anderer; er könnte Politiker oder Jour­ nalist gewesen sein. Ich bin ein Egoist, bin aber bestrebt, Gerechtigkeit und Auf­ geklärtheit für die Menschen zu schaffen. Ich möchte meine großen Ziele völlig verwirklichen. Besonders strebe ich danach, politische Gerechtigkeit zu schaffen. Ich habe Sinn dafür. Ich habe das Gefühl, daß ich groß werden könnte... Bin ich in einer Kirche, so spüre ich an dem Geruch, daß etwas Hohes von oben nach mir langt. Wer unten ist, soll sich in die Höhe schwingen. Der Mensch hat kein Recht, über den anderen zu richten. Das Beste wäre, wenn niemand gezwungen wäre, sein Leben unten zu verbringen. Ist das nicht wahr? Ich könnte es erreichen, daß keiner

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• von den Menschen sein Leben unten zu verbringen müßte. Dazu bin ich berufen. Möchte Politiker, Journalist oder Musiker werden. Höre ich Musik, so bringt sie mir Verständnis. Ich kann meine Gefühle nicht in der Musik ausdrücken. Ich bin Kritiker.» Ähnlich dringen ihre inflativen Größenideen in den Einfällen zum Bild III, 7, hy durch (ein mönchartiger düsterer Hysteriker, der am häufigsten als unsym­ pathisch gewählt wird): «Der ist mir am meisten sympathisch. Er ist gläubig. Ich glaube auch an Gott. Ich habe meinen Stern und meine Sendung. Ich fühle, daß mein Stern weiß, was aus mir geworden ist. Er führt mich. Mein Stern ist ein richtiger. Ich probiere meinen Stern aus. Wenn ich lüge, verläßt mich mein Stern. Auch wenn ich jemandem schmeichle. Mein Selbstvertrauen wird durch meinen Stern riesengroß. Mein Stern flüstert mir zu, was ich zu tun habe. Verläßt er mich, so verläßt mich auch Gott, und mein Leben wird leer. Der Stern sagt uns, wir müssen uns so gut benehmen, daß wir ins Paradies zurückkehren können. - Mein poli­ tisches Prinzip ist, daß die ganze Welt sich vereinigen sollte, auch die Kapitalisten. Das Ziel ist das wichtigste. Ohne Zielsetzung würden sich die Menschen gedanken­ los töten.» Diese ausgeprägt paranoid-inflativen Einfälle wurden demnach durch Bilder von einem Epileptiker und einem Hysteriker ausgelöst. Die Bilder haben ihren spezifischen Aufforderungscharakter teilweise verloren. Die Assoziationen fließen aus dem paranoiden Quell. Dieses 18jährige paranoid-schizophrene Mädchen gab im ersten Triebprofil das klinische Ich-Bild des paroxysmalen Ausreißer-Ichs {Seh + —). Sie war zu jener Zeit in der Tat aus dem Familienkreis ausgerissen und wohnte bei einem Onkel. Beide Reizbilder gehörten dem paroxysmalen Triebkreis an (Faktor e und hy), beide haben aber bei ihr im besonderen das inflativ-paranoide Hinter-Ich (Seh 0 -f ) mobilisiert, und so erschien in den Assoziationen ihr hintergründiger Größen­ wahn. In beiden Assoziationsreihen spricht die Kranke aber von Kirche und Gott. Die Reizbilder (e u nd hy) wirkten also auch spezifisch-faktoriell. Dieser Assoziationsversuch bestätigt somit auch 1. die Richtigkeit der These von der Spezifizität der Faktorbilder in bezug auf ihren besonderen Aufforde­ rungscharakter; 2. die Richtigkeit der These von der Lenkung der Azossiationen durch die sitnultane Kontrastwirkung des Vorder- und Hinter-Ichs. *

Perseverationen in den Associationen Fall51. Ein 20jähriger Schizophrener. Bild II, 7, J" (M örder): «Den hasse ich, weil er mein Feind ist.» (Er denkt an den Bruder, den er in der Tat haßt.) «Er will mich zugrunde richten, beneidet mich. Ich mag ihn nicht, weil er mein Feind ist. Habe Angst vor ihm, weil er mein Feind ist. Ich meide ihn, erkenne ihn auf der Straße nicht, gehe an ihm vorbei, ich will ihm nicht begegnen, ich vermeide, ihn zu treffen, ich erkenne ihn auch auf diesem Bild nicht, weil er mein Feind ist. Darum will ich ihm nicht begegnen, um nicht mit ihm sprechen zu müssen. Ich würde es nicht ertragen, daß er - der mein Fe ind ist - meine Verblödung verursacht hätte. Darum meide ich ihn, um nicht verblöden zu müssen, um zu verhindern, daß ich hinunterfalle... Ich will im Leben tüchtig arbeiten, damit ich Erfolg habe und da­

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mit ich mich nicht daran hindern lasse, denn dann könnte ich ja n icht die Fehler ausschalten. Ich könnte dann hinunterfallen und nicht wieder aufstehen. Ich habe darum Feinde; um tüchtig arbeiten zu können und um Erfolge zu erreichen, um nicht hinunterfallen zu müssen. Und will ich im Leben vorwärtskommen, dann darf ich nicht viele Feinde haben, denn so würde ich viele Male stolpern und hinunter­ fallen und könnte nicht wieder aufstehen. Um das zu vermeiden, darf ich nicht zu viele Feinde haben... Als ich das Bild anschaute, wußte ich schon, daß er nichts Gutes mit mir vorhat. Er sagte zu mir: ,Wenn du fällst, gib acht, damit du auf­ stehen kannst.'» Das Bild eines Mörders (s) mobilisierte somit die paranoiden Wahnideen eines schizophrenen Jungen. Er konnte sich aus dem Banne des Feindes nicht lösen. Dieses Kreisen in dem Gedankenwirbel des Verfolgtseins drückt sich in den perseverativen, fast reimartigen Wiederholungen «Er ist mein F eind» aus. *

Fall 52. Die eigene Traurigkeit, der Kummer und die Sorgen werden von der paranoiden Ausländerin, die ihre homosexuellen Ansprüche verdrängt hat, auf alle Bilder perseverativ hinausverlegt. Bild IV, 1,p: «Traurig. Sorge hat er. Kummer und Sorgen. Kummervoll, aus­ gehungert, arm. Sympathisch, wenn auch traurig, er scheint gut zu sein, er scheint viel gelitten zu haben, er scheint nicht krank zu sein. (Sie schließt die Augen.) Er tut mir leid. Er ist so jung, abgemagert, vielleicht ist er ohne Arbeit.» Bild VI, 6, hj\ «Diese Frau hat viel gelitten, ist unglücklich, krank, müde, traurig; unglücklich, aber sympathisch, gut.» Bild I, 6, e: «Viele Sorgen, kummervoll, krank, ein wenig traurig, leidend, ist nicht unsympathisch, scheint gut zu sein.» Bild I, 1, k: «Diese Frau scheint arm, traurig, verärgert, mißhandelt zu sein, sehr gereizt, noch jung und kummervoll, krank, unglücklich.» Bild III, 5, k: «Diese scheint mißhandelt zu sein, sehr traurig, unglücklich, müde, sehr jung, nicht unsympathisch. Ich würde ihr helfen, wenn ich könnte.» Bild III, 2, e: «Kränklich, sehr viele Sorgen, sehr müde, kränklich, er leidet, hat viele Sorgen, nicht unsympathisch, sehr jung.» Bild V, 1, e: «Ein älterer Herr, viele Sorgen, Kummer und Not, er scheint gut zu sein, er ist nicht unsympathisch. Sehr müde, kummervoll, sehr abgeplagt.» Die nämliche Klagelitanei wurde demnach - völlig unabhängig vom Charakter des Bildes - monoton, perseverativ immerfort wiederholt. Die Bilder haben ihren besonderen Aufforderungscharakter völlig verloren. Die innere eigene traurig­ düstere Stimmung lenkt alle Einfälle in einer Art von Perseveration, die wir bei Depressiven, Paranoiden und Schwachsinnigen des öfteren antreffen. Fall 53. Das 14jährige schwachsinnige Mädchen liefert zu vier Bildern des Faktorkreises h folgende perseverative Assoziationen: Bild II, 4, h\ «Schön, gut, reich, hat Geld.» Bild V, 7, h: «Schön, gut, reich, hat Geld.» Bild VI, 2, fr. «Arm, häßlich, hat kein Geld, sein Vati und seine Mutti sind ge­ storben. » Bild III, 1, h: «Häßlich, nicht schön, nicht reich, wäscht sich nie, hat kein Brot, ist sehr arm, geht nicht in die Schule.»

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Konfabulationen Fall 54. Ein 18jähriger epileptischer Schwachsinniger gibt zu den Bildern fol­ gende Erzählung: Bild VI, 1, m (ein manischer Mann): «Armer, alter Mann, trägt Sträflings­ kleider. Er hat etwas Schlechtes getan und wurde eingesperrt. Hat einen großen Schnurrbart und verlangt von seinem Wärter, er solle ihn freilassen. Schreibt sei­ nen Eltern, daß sie ihn besuchen sollen. Er ist ein bißchen krank, die Ärzte haben seine Herzkrankheit geheilt, er hatte immer Anfälle, aber ihn konnte man nicht heilen, weil er schon erwachsen war. Die Herzkrankheit kann man überhaupt nicht heilen.» (Unter «herzkrank mit Anfällen» verstehen Leute dieser Schicht die Epilepsie. Der Junge gibt also bei Ansicht eines Bildes von Manie eine Erzählung über sein eigenes Leiden. Das Bild wirkt somit faktor-unspezifisch, aber person-spezifisch.) Störungen der Identifizierung In diese Kategorie reihen wir Einfälle ein, bei denen der Proband mit erstaun­ licher Sicherheit behauptet, a) daß das vorliegende Bild ihn selbst oder b) jemanden aus seinem Familien- oder Freundschaftskreis darstellt. Fall 55. Der 20jährige schizophrene Junge sagt zum Bild VI, 2, h: «Als ich dieses Bild sah, wußte ich sofort, daß ich h ier photographiert wurde. Der Photo­ graph wußte, daß er mich aufnahm, und sagte, ich solle lächeln, der Apparat könne mein Gesicht aufnehmen. Dieses Bild hier kann nur mich und keinen ande­ ren darstellen.» Fall 56. Eine paranoide, hysteroepileptische, latent-homosexuelle Schneiderin sagt zum Bild VI, 6, hj (eine hysterische Frau): «Unbehaglich. Habe Angst vor dem.» (Sie glaubt, das Bild stelle einen Mann dar!) «Er ist derjenige, der stets hinter meinem Rücken steht.» (Also ihr Hinter-Ich.) «Solche Gesichter erscheinen mir oft. Ich habe Angst vor ihnen. Sie erscheinen mir auch mit Totenmasken. Sie sind bösartig.» Das Bild einer hysterischen Frau wird demnach von einer latent-homosexuellen Patientin als Mann aufgefaßt. Die Patientin leidet in der Tat unter ihrem hinter­ gründigen Anspruch, ein Mann sein und Frauen %u liebe n. Si e fühlt sich demnach von ihrem männlichen H inter-Ich verfolgt, das sie auf das Bild einer hysterischen Frau projiziert. Ihre Ohnmachtsanfälle traten des öfteren beim Kleideranproben eben derjenigen Frau auf, die sie liebte. Störungen des affektiven Verhaltens Sperr- oder Schockreaktionen Der Proband wird vom Bild so schockiert, daß der Gang seiner Einfälle ge­ sperrt wird. Er kann zum Bild einfach nichts sagen. Die affektive Wirkung des Bildes äußert sich - im besonderen bei Paranoiden - darin, daß sie aufspringen, flüchten oder weinen und den Versuchsleiter anflehen, er möge sie entlassen, sie seien ja u nfähig, die Bilder anzuschauen. Des öfteren schauen diese Kranken de­ monstrativ vom vorgelegten Bilde weg. Man muß den faktoriellen Charakter des 24

Szondi, Triebdiagnostik

369


Bildes, welches so schockierend wirkt, genau protokollieren, denn dieser Schock­ faktor kann uns des öfteren auf das verborgene, hintergründige Bedürfnis, bzw. auf das Hinter-Ich hinweisen. Fall 57. Die erwähnte Schneiderin, die latent lesbisch war und stets dann in Ohnmacht fiel, wenn sie der geliebten Frau Kleider anprobte, bekam eine Sperre in den Assoziationen : Bei BildI, 5, h, also bei dem Bild eines homosexuellen Transvestiten, sagte sie: «Ah, abscheulich. Er ekelt mich an», und von d a an konnte sie kein Wort ?nehr sagen. Die Schockwirkung war somit faktorspezifisch. Es kommt vor, daß die Schockwirkung eines Bildes nicht unmittelbar ein­ tritt, sondern erst später. Dies geschah bei einem Zwangsneurotiker, der später als paranoider Schizophrene interniert wurde. Wir bringen seine Assoziationen in der genauen Reihenfolge. Fall 58. Bild VI, 2, b\ «Ruhig, anständig, nicht sehr willensstark, hat hohe Stirne.» Bild V, 7, h: «Chauffeur oder Student.» BildI, 5, h: «Unsympathischer Bürolist. Ich mag ihn nicht.» BildI, 6, e: «Ich weiß nicht, wer er ist. Lindbergh?» Der berühmte Flieger er­ scheint also in faktorspezifischer Form (e). Bild III, 2, e: « Ein Arbeiter ; einfache Seele... (Sperre !) Es fällt mir ?>iein Onkel ein; er war ein Sonderling mit Religionswahn ...er ist in einer Irrenanstalt gestorben...» Hier beginnt eigentlich die Schockwirkung. Dennoch nimmt er sich zusammen und kann sogar zum nächsten Bild IV, 7, e, assoziieren: «Ein Typ aus dem vergangenen Jahrhundert, er sieht niemande??2 in meiner Familie ähnlich. » Aus dieser Bemerkung wird evident, daß er noch weiter bei der Erinnerung an seinen paranoiden Onkel verweilt, der in der Irrenanstalt gestorben war. Die Schockwirkung kommt aber erst bei der Exposition der zwei nächsten Bilder in Form von Sperrung klar zum Vorschein. Der Kranke, der zu sechs voraufgehenden Bildern prompt assoziiert hat, wird plötzlich beim Anschauen der Bilder IV, 2, hy und V, 6, k völlig gesperrt und unfähig, weiter zu assoziieren. derholen würde. Die 15 Jahre dauernden Zwänge hatten die Aufgabe, seine paranoi­ den Inflationen - also die Verrücktheit - abzuwehren. Erst im zweiten Weltkrieg brach dieser Zwangsmechanismus plötzlich zusammen, und man mußte ihn für mehrere Monate internieren1. Interessant ist aber, daß die Schockwirkung durch ein Bild eines Epileptikers ausgelöst wurde, und eben dieses Bild erinnerte ihn an den internierten Onkel, der Äf%oarwahnideen entwickelt hatte. Die Schock­ wirkung hat somit faktorspefifischen Charakter und stammt aus dem Hinter-Ich des Probanden, von seinem Schatten, welcher eben dieser inflativ-paranoide Onkel war. Dieser Zwangsneurotiker gab im VII. Profil das paroxysmale Ich {Sch ± —) als Vorder-Ich, dessen Hinter-Ich aber eben das Inflations-Ich: (Sch 0 -j-) ist, von dem wir wissen, daß es des öfteren Verdoppelungs- und Religionswahnideen zu entwickeln vermag. Der Proband entwickelte Verdoppelungsideen erst, als er 1 Triebpathologie, Bd. I. Fall 40, S. 475ff.

370


nach Zusammenbruch der Zwangsmechanismen schicksalshaft in derselben An­ stalt interniert wurde, in der sein Onkel als Paranoider bis zu seinem Tod gelebt hatte. *

Wut- und Zornreaktionen Der Kranke fühlt sich durch die Aufforderung zum Assoziieren beleidigt und gerät in einen Zorn- und Wutanfall. Zumeist sind es wieder die Paranoiden, die so reagieren. Fall59. Ein Paranoider sagt zum Bild/, 6, e: «Herr Doktor, ich bin kein Bild­ fanatiker!» (Er gerät in Wut.) «Ich bin schon längst weit weg davon. Ich sage Ihnen offen: Ich bin m ißtrauisch; es gibt auf dieser Welt niemanden, der mißtraui­ scher wäre als ich. Ich glaube nicht, daß jemand mir mein Geld gestohlen hat, aber

06/„mW möd&'f BWrM/ jagf. I ch bin sogar zu mir selbst mißtrauisch!...» Seine Wut steigert sich immerfort und erreicht den Höhepunkt bei Bild III, 8, p, bei dem Bild einer alten paranoiden Frau: «Sie ist mir weder sympathisch noch unsympathisch. » Patient wirft das Bild wütend weg und fügt noch hinzu: «Ich habe sie nicht darum gewählt, weil sie mir gefällt. Ich kann Ihnen jetzt offen sagen : Kein einziges Bild gefiel mir ! » (Ist sehr empört.) Der Wutanfall stellte sich hier in adäquater Weise bei den e- und /»-Bildern ein. Der Proband hatte in der Tat episodische, paroxysmal auftretende paranoide Anfälle. Weinen als Schockreaktion Fall60. Die paranoid-homosexuelle Frau, die in ihrem Kopf eine Antenne zu tragen wähnte, welche von ihren Feinden einmontiert worden sei, fing eben bei dem Bilde eines Hermaphroditen zu weinen an: Bild VI, 2, h: «Kränklich, traurig, könnte der Mann mit den blauen Augen

sein... Etwas fehlt ihm...» f Zk

a«,

Ww«.J Aus den voran-

gehenden Erörterungen wissen wir, daß der «Mann mit den blauen Augen» eine Deckfigur ihrer Freundin ist, mit der sie im selben Bett schlief. Die unterdrückte lesbische Liebe zu diesem Mädchen machte sie krank. Das Weinen wurde somit faktorspezifisch (h) durch das Hinter-Ich ausgelöst. Ohnmacht als Schockreaktion Die durch die Bilderassoziationen bedingten Affektwirkungen können sich wenn auch nur selten - bis zur Ohnmacht steigern. Fall 61. Die Probandin war Jahre hindurch Mitglied einer Einbrecherbande und deren Chef hörig. Nachdem sie fünf Jahre im Zuchthaus verbracht hatte, kam sie durch das Fürsorgeamt in unser damaliges Laboratorium, wo wir sie ärztlich, psychiatrisch und sozialhygienisch betreuten. Wir fanden für die Patientin eine Stelle in einer Schokoladefabrik, und sie wurde allmählich ruhiger. Zwei Ange­ legenheiten störten aber ihre Ruhe. Erstens, daß sie - wie sie glaubte, aus finan­ ziellen Gründen - eine lesbische Beziehung einging. Zweitens, daß sie noch unter polizeilicher Aufsicht stand und ihre alten Bandengenossen sie des öfteren auf­ suchten, um sie in die Bande zurückzulocken. Deshalb lebte sie in einer sensitiven paranoiden Beziehungsangst. A uf die Bilder reagierte sie wie folgt : Bild V, 1, e: «Nichts.» (Macht mit dem Kopf verneinende Bewegungen.)

371


Bild I, 8, hy: «Ein alter Mann mit einem sehr bösen Gesicht. Als ob er eine ähn­ liche Vergangenheit hätte wie ich. » Bild IV, 4, k: «Auch der nicht!... Nichts...» Bild III, 5, k: «Auch der nicht!» (Schaut vom Bilde weg.) BildI, 1, k: «Mir scheint, das Gesicht habe ich schon einmal gesehen. Ich sehe es, wenn ich ohnmächtig werde. Es ist wie mein eigenes Gesicht. Alles, was in mir bös ist, dasfühle ich... ein schlimmes Gefühl... Ich könnte es nicht sagen, was ich dabei fühle, aber als ob er mein eigener böser Geist wäre, ein Schatten, der mich verfolgt... » Bild II, 6,p: «Nein!» (Verneint es mit dem Kopf.) Bild III, 8, p (das Gesicht der Patientin wird plötzlich grau und sie sagt noch :) «Ich fühle mich unwohl! - Nichts ! » Bild VI, 5,p: Sperrung. Bild V, 4, p (Probandin fängt an zu weinen, macht verneinende Bewegungen mit dem Kopf:) «Ich bin nervös! Ich fühle mich unwohl!» Sie fällt in der Tat in Ohnmacht. Die vorgeführten Beispiele sprechen klar für die Anwendbarkeit des Bilder­ assoziationsversuches in der Psychodiagnostik1.

Kapitel XXVII

ÜBER DAS FUNKTIONIEREN DES TESTES Wie und warum funktioniert der Test ? Diese beiden Fragen wurden in den letzten 25 Jahren (1947-1972) des öfteren aufgeworfen und zumeist nicht richtig beant­ wortet. Es ist somit berechtigt, unsere Stellungnahme zu ihnen hier mitzuteilen. A. Die Frage nach dem Wie

I. Die qualitative Wahl der Bilder durch Associationen auf Grund ihres spezifischen Aufforderungscharakters fedes Bild im Testapparat besitzt einen besonderen Aufforderungscharakter, der dem­ jenigen spezifischen Bedürfniskreis entspricht, zu dem das abgebildete Individuum in seinem Leben de facto gehörte. Die faktorielle Assoziationsmethode, die wir in Kapitel XXV bereits erörtert haben, diente uns auch zur Prüfung und Eichung des Aufforderungscharakters der einzelnen Testbilder2. Mit Hilfe dieser faktoriellen Assoziationsmethode an nor­ malen, gebildeten und zu Tiefenassoziationen fähigen Individuen gelang es uns zu be­ weisen, daß durch die Bilder des Faktors h die Vp in der Tat in den bisexuellen, bzw. homosexuellen, durch die des Faktors r in den sadomasochistischen Bedürf­ niskreis gelenkt wurde. Und so wirkten auch die Bilder der anderen Faktoren. 1 SHAFIH, AV.: Spontane Assoziationen zu einem Testbild während der analytischen Behandlung und Aufdeckung seelischer Traumata. Huber, Szondiana VI, S. 137ff. 2 Experimentelle Triebdiagnostik, 1. Aufl., 1947. S. 30ff.

372


Die mitgeteilten Fälle Nr. 33-43 in diesem Buche (Kapitel XXV) bestärken diese spezielle Wirkungsart der faktoriellen Einzelbilder. Verlieren die Bilder diesen Aufforderungscharakter, so handelt es sich zu­ meist um Störungen der Wahrnehmung und Auffassung bei schwer dementen, psycho­ tischen oder komplexbeladenen präpsychotischen Individuen (Kapitel XXVI). Wir konnten ferner zeigen, daß die Sperr- und Schockreaktionen auf die expo­ nierten Bilder eben bei denjenigen Faktorbildern sich einzustellen pflegen, an deren Bedürfnissen die Person bereits erkrankte (Fälle 57, 58, 59, 60, 61). Auf diesen Erfahrungen fußt somit unsere Behauptung, daß man die Testbil­ der mit Hilfe der faktoriellen Assoziationsmethode auf Valenz und Qualität des besonderen Aufforderungscharakters experimentalpsychologisch quasi zu «titrieren» vermag. Denselben Untersuchungen entstammt die zweite Behauptung, daß nämlich die Wahl der Bilder durch unbewußte, halbbewußte - seltener durch bewußte — Erinnerung an Personen der Familie oder des Bekanntschaftskreises der Vp begründet ist (vgl. hiezu die Fälle 36, 37, 38, 39, 41, 45, 46, 48, 49, 51, 56 im Kapitel XXV und XXVI). Nicht selten wird aber ein Bild nicht anlehnend, anaklitisch, sondern durch eine, narzißtische Einstellung gewählt, d. h. die Vp wählt sich selber in ihm (Fall 54 55). Die Richtung der Wahl in bezug auf Sympathie und Antipathie wird - so nehmen wir an - durch die unbewußte - seltener durch bewußte — Stellungnahme des Ichs der Vp Zu der durch das Bild angeregten Person, bzw. Eigenschaft begründet. Auf Grund dieser Erfahrungen antworteten wir schon 1947 auf die WieFrage: Die Wahlhandlungen im Test sind assoziativ durch den spezifischen Aufforderungs­ charakter der Einzelbilder und durch die Stellungnahme des Ichs bedingt.

II. Die quantitative Wahl der Bilder durch die aktuellen Spannungszpstände Um aber die Wirkungsweise der Bilder weiter analysieren zu können, müssen wir uns mit dem Begriff des «Aufforderungscharakters» näher beschäftigen. Er wurde von uns im Sinne K. LEWINS verwendet. Er schreibt: «Ein an sich bereits bestehender Spannungszustand, der etwa auf eine Vornahme, ein Bedürfnis oder eine halberledigte Handlung zurückgeht, spricht auf einen bestimmten Gegenstand oder Ereignis, das z. B. wie eine Lockung erlebt wird, an, derart, daß gerade die­ ses gespannte System nunmehr die Herrschaft über die Motorik erhält. Von sol­ chen Gegenständen wollen wir sagen, sie besässen einen ,Aufjorderungscharakter'1. » Wenden wir nun diesen LEwiNschen Begriff des Aufforderungscharakters auf die seelischen Geschehnisse in unserem Testverfahren an, so kommen wir zu fol­ genden Behauptungen: Die Gegenstände, auf welche die Vp im Testverfahren reagiert, sind die expo­ nierten Bilder des Testapparates, die acht verschiedene Aufforderungscharaktere besitzen. Die Spannungszustände, mit welchen die Vp auf die Bilder - als Gegenstände mit Aufforderungscharakteren - anspricht, sind die inneren, verborgenen Spannungszustände der Vp in ihren Bedürfnissen, d. h. in den acht Triebfaktoren. 1 LEWIN, K. : Vorsatz, Wille und Bedürfnis. Berlin, Springer, 1926, S. 28.

373


Die Quantität der Bilderwahlen in den einzelnen Faktorräumen hängt von der Größe der Bedürfnisspannungen in den Räumen der Ein^elfaktoren ab. Da jeder Mensch alle acht Triebbedürfnisse zwar mit fluktuierenden Spannungsgrößen, aber doch ständig in sich trägt, sprechen ihn die Bilder aller acht Faktoren an. Die Stärke der An­ sprechbarkeit ist aber von der aktuellen Größe der Spannung in den einzelnen Bedürfnis­ feldern abhängig. Und da hier die Spannungsgrößen verschieden sind, wählt die Vp von den Bildern eines Faktors mehr, von denen eines anderen Faktors iveniger. Die Vp wird von den­ jenigen Faktorenbildern am stärksten angesprochen, in deren Bedürfnisgebieten in ihr selbst aktuell die größte Spannung herrscht. Aus der Reihe der Bilder dieser überspannten Faktoren wird die Vp wiederholt die meisten Bilder wählen. Die Zahl der Ausrufe­ zeichen im Test entspricht bekanntlich der Größe Atz Quantumspannungen des be­ treffenden Bedürfnisses. Die Person ivählt hingegen überhaupt nicht, oder nur in äußerst geringem Maße diejeni­ gen Bilder eines Triebfaktors, in deren Bedürfnisfeld die Spannung aktuell die geringste ist, d. h. bei den Nullreaktionen. *

Als Beispiel sollen hier folgende zwei Fälle stehen: Fall 62. Ein Kriegsverbrecher1 (Fall von Dr. L. NOSZLOPI, Budapest). Der 53jährige Gendarmerieoberst lieferte im Gefängnis - kurz vor seiner Hinrichtung - folgende Reaktionen: (Siehe Abb. 28). Auf Grund der Ausführungen über den Aufforderungscharakter, nach LEWIN, können wir über die Spannungsverhältnisse in den verschiedenen Triebbedürf­ nissen folgendes aussagen: 1. Den Gendarmerieoberst sprechen die Bilder der Mörder, d. h. die des Faktors s am meisten an. In den Profilen II, VIII wählte er alle sechs Mörderbilder, einmal als antipathisch, ein anderes Mal als sympathisch (— ! ! !s, + ! ! !r). In dem Profil VI hat er fünf von den sechs Mörderbildern (+ ! !) als sympathisch gewählt. Diese Größe der Quantumspannung im Faktor s ist S 8! Wir müssen somit annehmen, daß bei diesem Manne im Gebiet des Sadismus die größte Span­ nung herrschte, «die auf eine Vornahme, ein Bedürfnis, oder eine halberledigte Handlung zurückgeht» (LEWIN). 2. Im Gebiet der Egodiastole des Laktors p zeitigt der Mann 5!, und zwar Profil II: + ! !p, Profil VII, IX und X: -f ! p. Das heißt: Auch auf dem Gebiete der Ich-Ausdehnung (Größenwahnideen) herrscht eine große Spannung und darum werden die Bilder der Paranoiden - nach denen der Mörder - am häufigsten ge­ wählt. 3. Auch im Gebiet der Liebe besteht ein erhöhter Spannungszustand (Profil VII, VIII: ± !» + ! /*); die Größe der Quantumspannung ist aber nur 2. 4. Im Bedürfnis der Abtrennung von der Welt ist die Quantumspannung: 1 ; Profil III: — ! m). In den Bedürfnisgebieten r, p, h und m bestanden somit bei diesem Kriegs­ verbrecher die größten Spannungszustände. Die Bilder der Mörder, der Paranoiden (Größenwahnsinnigen), der Hermaphroditen und manisch Haltlosen besitzen für ihn den stärksten Aufforderungscharakter. Dieser Gendarmerieoberst war im Zivilleben ein 1 Triebpathologie, Bd. I. S. 387, Abb. 51 (Fall 34).

374


Auer: 53

Szondi-Test

Kriegsverbrecher

1945! ! Nr.

1.x: i :

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n

% Sy • R = 43.7 % 1. Tendenzspannungsquotient

£ 0

23 12

=1.9

2. Triebformel:

—1

+1.0.

6:3 1 6 5 i 1 s Latenzgritsse = .3 p = .5 Sch =4. T. sp. G.

Beruf: Gendarmerieoberst

0!2 3:4

#12# ••35

Symptomatische :

dß:

Submanifeste bzw. s ublatente: Wurzel-Faktoren :

s3ieîiPÏ"

3. Latenzproportionen :

Pe~ 5

Cm"*" S ch p +~ S s-1 5 4 3

4. Triebklasse:

c = .5

Abb. 28. Fall 62. Ein Kriegsverbrecher, 53jähriger Gendarmerieoberst


sexuell Pervertierter. Zur Zeit des Naziregimes hatte er in Ungarn - auf eigene Verantwortung - anläßlich einer politischen Untersuchung in Südungarn mehrere Tausende von Serben und Juden am Ufer der Donau aufstellen und einen nach dem anderen niederschießen und die Leichen in die Donau werfen lassen. Der­ selbe Mann wurde später mit der Durchführung der Deportation der Juden nach Auschwitz beauftragt, wobei er durch seine Grausamkeit bekannt wurde. Die Spannungszustände im Gebiet des Sadismus und der Ich-Erweiterung (Größenwahn) waren bei diesem Mann so abnorm groß, daß sie sogar noch nach den Greueltaten, im Gefängnis, immer noch vorhanden waren. Die Liebesspan­ nungen deuten vermutlich auf die Liebe zu seinem Vaterland und Volk, die Span­ nung in der Abtrennung auf die Vorbereitung zum Tode hin. *

An diesem Beispiel versuchten wir einerseits klarzumachen, was man nach K. LEWIN u nter der Beziehung zwischen den Aufforderungscharakteren der Gegenstände (hier Bilder der Faktoren) und den Bedürfnisspannungen in der Per­ son zu verstehen hat, anderseits wie die Zahl der gewählten Bilder durch die Größe der faktoriellen Spannung bedingt ist. Fall 63: ist ein Beispiel für die Richtigkeit der Annahme, daß die Vp die Bilder derjenigen Bedürfnisse nicht wählt, die sie - kurz vor den Wahlhandlungen - be­ reits befriedigt hat, d. h. in denen aktuell keine Spannung besteht. Ein Psychologe machte an einem Ehepaar post coitum folgende Profile: P

Scb

C

Der Mann

0

0

+

±

—! —

0

+

Die Frau

0

0

±

-1

+

+!

0

Post coi tu m war somit bei beiden Personen die sexuelle Spannung erloschen (S 0 0). Die völlige Entspannung im Sexualleben verursachte, daß die Partner keine A-Bilder wählten. Hingegen zeitigte der Mann im Faktor k eine Spannungs­ erhöhung, die an den indiskreten Psychologen adressiert sein könnte. Er ent­ wertete (— ! k) dessen Tätigkeit. Die Frau reagierte in derselben Situation mit er­ höhter Tendenz des Sich-Verbergens (— ! hy). In einem anderen Fall gab ein Mann vor dem Coitus L -)—|- !, nach dem Beischlaf S 0 0. Die Nicht-Wahl der Bilder von bestimmten Faktoren weist also auf die Entjpawmqg, d/; I/o/W/,/

d/; frMwwg d;r Tßaawm# M dkm

f;d%r/),A-

gebiet hin. Tausende von Profilaufnahmen haben diese These bestätigt. B. Die Frage nach dem Warum A;m;rAa«g;a

frag; dkr l/d/wbraag d;r 7W;j

Aus der qualitativen und quantitativen Antwort auf die Frage, wie der Test eigentlich funktioniert, können wir aber die zweite Frage noch nicht beantworten. Warum funktioniert der Test als ein psycbodiagnostisches Verfahren ?

376


Die Feststellung, daß wir die größten Bedürfnisspannungen in denjenigen Faktoren suchen müssen, in denen die Vp die meisten, hingegen die Entspanntheit dort, wo sie die wenigsten oder keine Bilder gewählt hat, weist zwar einen gangbaren Weg zur Bestimmung der aktuellen Gefahrzonen im Triebleben des Einzelnen, für ein feineres Psychodiagnostikum genügt dies aber noch nicht. Der Test mußte Bedingungen auch anderer Art erfüllen, um in der Praxis gut funktionieren zu können. Hier seien nur die vier wichtigsten Arten dieser Bedin­ gungen kurz erwähnt : I. die strukturellen, II. die statistischen, III. die genetischen und IV. die tiefenpsycho­ logischen Bedingungen.

I. Die strukturellen Bedingungen Wir bauten den Testapparat nach einem bestimmten Plan auf, der die nach­ folgenden Probleme - so gut wie möglich - lösen sollte: 1. Der Alltagsmensch von der Straße sollte im Test ein mehr oder weniger «allgemeines» Alltagsprofil liefern, welches der Alltagspsychologie des Durchschnittsmenschen tatsächlich entspreche. Mit dieser Bedingung steht oder fällt ja d ie Brauchbarkeit aller Teste. 2. Die Profile der seelisch kranken Menschen sollten sich eben in denjenigen Faktoren von dem Alltagsprofil merkbar abheben, an deren Bedürfnissen diese Menschen - laut dem Ergebnis der Tiefenpsychologie - erkrankt waren. Der Testapparat mußte somit so aufgebaut werden, daß die faktoriellen Bilder mit einer gan^ bestimmten Planung von Sympathie- b^w. Antipathietönung in ihm figu­ rieren. Denn nur auf diese Art ist es möglich, die eben erwähnten zwei Struktur­ bedingungen zu erfüllen. Folgende Regel hat sich nun im Aufbau des Testes bewährt : Die sechs Bilder der Einzelfaktoren mußten aus einer großen Sammlung von Bildern mit spezifischem Aufforderungscharakter (h, s, e, hy us w.) so ausgewählt und als Standardbildet in dem endgültigen Testapparat aufgenommen werden, daß etwa die Hälfte der Faktorenbilder - im allgemeinen - anziehend, die andere Hälfte aber abstoßend wirken sollte. Die Begründung dieser Aufbauart des Testapparates ist die: Stellen alle sechs Bilder äußerst schöne Menschen dar, die alle im allgemeinen den Alltagsmenschen anziehen, dann wird zwar das Alltagspröfil richtige positive Reak­ tionen aufzeigen, die negativen Funktionen (wie %.B. die der Angst, der Anpassung usw.) werden dagegen im Alltagsprofil diagnostisch unsicher sein, da die Vp von den ihr eigentlich nicht antipatbischen Bildern syvangshaft sQvölf Bilder als antipathisch wählen mußte. Setzen wir hingegen in jedem Faktorenraum nur ausgesprochen häßliche, abstoßende, ja sogar schockierende B ilder in den Testäpparat, so werden alle positiven Funktionen diagnostisch unsicher sein. Die pathodiagnostischen Möglichkeiten des Testapparates sind dann die größten, wenn von den sechs Bildern eines Faktors etwa die Hälfte anziehend, die andere aber äbstoßend auf den Alltagsmenschen wirkt. Diesen Plan haben wir in der Tat durchgeführt. Man könnte mit Recht die Frage stellen, warum liefern im Test bei dieser äqualen Aufbauform der Sympathie- und Antipathietönung die Alltagsmenschen keine Profile, in denen nur ambivalente Reaktionen figurieren ? Unsere Antwort ist die: Erstens, weil der Mensch seine mitgebrachten ambivalenten Ganztriebe -(-) im realen Leben auf Vorder- und /-/A/rrtriebfunktionen aufteilen muß. Und

377


zwar darum, weil die Penetranz, die Durchschlagskraft, der vier Elementarfunk­ tionen fast in allen Triebräumen aus genetischen Gründen ungleich ist. Zweitens, weil wir ja zuvörderst nur 24 von den 48 Bildern wählen lassen. Die starken Ten­ denzen drängen somit in den Vordergrund, die schwächeren verweilen im Hinter­ grund, bleiben aber dennoch dynamisch tätig. Deshalb mußten wir seit 1952 durch diese Einsicht gezwungen - das Testverfahren in %wei Phasen abwickeln. So erhalten wir nun ein Vordergrundprofil (VGP), ein theoretisches Komplement­ profil (ThKP) und ein Zwischenprofil (EKP). Die Vordergrund- und die theo­ retischen Hintergrundprofile ergeben aber zusammen die Ganztriebprofile 4=), welche somit sowohl den physiologischen Teilungsprozessen wie auch der fast äqualen Natur der Sympathie-Antipathie-Tönung der Testbilder entsprechen. *

Das Triebprofil des Alltagsmenschen haben wir vorsätzlich wie folgt aufgestellt : p s

+

+

h

e

Sch by

k

C p

d

m

0 + oder + +

Der Alltagsmensch ist ja ein Wesen, das : 1. in seinem Sexualleben mit legierten marschbereiten Bedürfnissen stets be­ laden ist: A — (—h ; 2. in Angst lebt {P ), weil es gezwungen ist, die groben Affekte (— e) zu verbergen (— hy)\ 3. sich stets anpassen muß: Sch , d. h. auf die in die Welt hinausverlegten Triebansprüche (— p) verzichtet (— k) ; 4. und sich mono- (C 0 +) oder bilateral (C + +) an Objekte anklammert. Um die - vorsätzlich angenommene - marschbereite und legierte Sexualität des Alltagsmenschen in unserer Kultur (J + +) auch durch die experimentelle Wahl von Bildern der Kategorie h und s im Profil nachzuweisen, mußten wir die Bilder der Hermaphroditen und Mörder in bezug auf ihre Sympathietönung so auswäh­ len, daß wenigstens drei Bilder dieser Kategorien h und s im allgemeinen anziehend wirken konnten. Bei der Auswahl der Bilder in der Kategorie k undp hingegen mußten wenig­ stens drei Photos abstoßend, und nicht mehr als ein Bild — zumeist aber keines — an­ ziehend auf den Alltagsmenschen wirken. Denn nur auf diese Weise sicherten wir im Alltagsprofil das Anpassungs-Ich-Bild: Sch . Der Paralleltest von M. BALINT (London), den wir vor einigen Jahren parallel mit den Originalbildern ausprobierten, funktionierte deshalb nicht, weil BALINT ZU viele anziehende (schöne) Photos von den kranken Personen aller acht Kategorien in seinen Parallel-Testapparat aufgenommen hat. (Siehe Anhang IV.) Die zwei japanischen Parallelteste, die Photos japanischer Kranken beinhalten, scheinen den erörterten Kriterien besser zu entsprechen. Der erste wurde von Dr. med. RYUZO SATAKE und Dr. med. YUKIO YAMADA, de r zweite von Dr. med. M AS ARU YOSHIDA zusammengestellt. Diese empirisch gewonnene Einsicht in den notwendigen Strukturaufbau des

378


Testapparates war das Ei des Kolumbus. Solange wir damit experimentierten, daß die sechs Bilder des gleichen Faktors neben dem gleichen Aufforderungscharak­ ter auch die gleiche Sympathietönung aufweisen sollten, hat der Test nicht funk­ tioniert. Sein richtiges Funktionieren begann erst in dem Moment, als wir das Prinzip der Gleichheit in der Sympathietönung der sechs Bilder des gleichen Fak­ tors aufgegeben hatten. So wurde nun die Ungleichheit der Sympathietönung der Einzelbilder desselben Faktors mit der Aufrechterhaltung des Gleichheitsprinzips des Aufforderungscharakters die test­ strukturelle Bedingung des richtigen Funktionierens des Testapparates. *

Es war sicher ein Fehler, daß wir diese Strukturbedingung des Testappara­ tes in der ersten Auflage dieses Buches nicht mitgeteilt haben. Wir hätten damit vielen Autoren, welche sich mit der Frage des « Stimuluswertes» und der «Popula­ rität» der Bilder beschäftigten, eine Mühe ersparen können1. Auch die völlig un­ richtige Kritik hätten wir somit vermeiden können, die eben auf Grund der Un­ gleichheit der Sympathietönung der sechs Bilder des nämlichen Faktors unseren Test als unbrauchbar erklärt hat. Wir möchten hier nur einige Beispiele anführen zur Demonstration der Tat­ sache, daß das Funktionieren des Testes eben auf dem Prinzip der Ungleichheit'der Sympa­ thietönung der Bilder beruht. Fall 64. Ein homosexueller Mann (aus der Sammlung H. P. DAVID, P ittsburg, USA)2 lieferte folgende sechs Triebprofile: P

ProfilNr. I II III IV V VI

b

s

e

by

+

—1

+

+ +

—I —1 —! —1

0 — 0 — 0 —

— ± ± ± ± ±

+ +

k

c

Scb p

d

m

0

+

+

+ — ± + ± +

— 0 0 0 0 0

+ + + +

0 0 0 0

Ein normaler heterosexueller Alltagsmensch gibt in der Regel folgende Profile : P

S e

Scb by

k

b

s

+

+

oder

+

+

0

oder

+

+

+

C d

m

0

+

0

+

0

+ usw.

p

Alltagsmensch mit Angst Alltagsmensch mit dem Kain Alltagsmensch mit dem Abel

1 Wir erwähnen hier nur die Arbeiten: a) NARROWER, M. R. : Analysis of stimulus Value of Photographs in each category 315 subjects. Szondi Newsletter. b) SCHUBERT, J. : The stimulus Value of the Szondi Pictures. J. of Projective Techniques. Vol. 18. Nr. 1. 1954. 8 P OLJAK,L. und DAVID, H. P.: Vergleichende Syndromanalysc bei 100Epileptikern und 100Homo­ sexuellen. Szondiana II. Huber, Bern und Stuttgart, 1955. S. 81.

379


Vergleichen wir die Profile des homosexuellen Mannes mit denen des hetero­ sexuellen, so fallen folgende Differenzen der Wahl ins Auge : A . Der Homosexuelle gibt: 1.

2. 3. 4.

B. Der Heterosexuelle gibt:

1. 2. 3. 4.

—!s 0 k + p (oft auch ±) + oder ± d

+ s — k — P 0 d

In bezug auf die Sympathietönung der Bilder bedeuten diese Differenzen: 1. Der homosexuelle Mann empfindet die sadistisch-aggressiven Bilder der Kate­ gorie r, die der Alltagsmensch halbpart anziehend findet, als stark abstoßend, also antipathisch (— s sechsmal von sechs Profilen). Darum ist der Alltagsmensch im Sexus legiert (S -j- +), der Homosexuelle hingegen invertiert (P -| !). 2. Während der Homosexuelle keine ^-Bilder wählt, werden dieselben ^-Bilder vom gesunden Alltagsmensch antipathisch gewählt. Dieser paßt sich also an, hin­ gegen dem Homosexuellen fehlt die Anpassung an sein matrikuläres Geschlecht; er ist hier asozial. 3. Der homosexuelle Mann wählt die Bilder von Paranoiden als sympathisch (+ p); der Alltagsmensch hingegen als antipathisch. Wir sagen: der Homosexuelle ist - ohne seine matrikuläre Männlichkeit aufzugeben - von dem Wunsch be­ sessen, eine Frau zu sein, darum gibt er die Reaktion der weiblichen Inflation (—! r, p). Der gesunde Alltagsmensch hingegen verzichtet (— k) auf viele Wunschprojektionen (— p). 4. Der Homosexuelle sucht immerfort sein gleichgeschlechtliches, d. h. inver­ tiertes Objekt (-|- d und ± d); der Alltagsmensch stellt das Suchen ein (0 d) und klammert sich an das bereits gefundene, einmal gewählte alte Objekt an (+ ///). *

. Wir können somit die Inversion bei der Homosexualität mit dem Test nur darum diagnostizieren, weil die Sympathietönung der Bilder h, p und d für den Homosexuellen der beim Alltagsmenschen polar oder fast polar entgegengesetzt ist. Das war ja eben das zu lösende Problem im Funktionieren des Testes. Fall 65. Ein etwa 40jähriger Artist, der ein Pseudohomosexueller ist und nie eine Frau sein wollte, sucht immerfort brutale Partner, die ihn ermorden könnten. Dies gibt er offen zu. Auf Grund eines frühkindlichen Erlebnisses, das bei ihm zu einer Adhoc-Introjektion des Fast-ermordet-Werdens in einem Sexualgewaltakt führte, wurde er zu einem pathologisch-pervertierten Masochisten, der seinen Mörder sucht1. (Siehe nachfolgende Tabelle). Bilder der Kategorie k. Unser Masochist wählte dreimal von zehn Profilen vier Bilder der Kategorie k als sympathisch und gab in der Zehnerserie niemals eine reine nega­ tive (— k) Reaktion. Ein einziges Mal gab er - im Profil III - eine ambivalente 1 Näheres siehe: Ich-Analyse. S. 202f., Fall 8.

380


Reaktion k), aber auch hier wählte er vier /è-Bilder positiv und nur zwei als negativ (±0Aus seiner Zehnerserie sollen hier die drei charakteristischen Profile Nr. III, VIII und IX stehen in Vergleich mit den Alltagsprofilen: P

S

m VIII IX

— ±

0 o

0 — •±

— ± ' +

Der JLIltagsmensch

+ + +

+ + +

±1 +1 +1

1

p

d

m

0

+ 0 +

o 0 —

0 0 0

+ + +

1

I +

oder oder

k

1 1

hy

e

1

s

Der Masochist

c

Sch

h

Der Test funktioniert in diesem Fall von masochistischer Perversion nur darum so •.signifikant, weil wir die Bilder der Kategorie k im Testapparat im allgemeinen so abstoßend ausgewählt haben. Wären die ABilder im allgemeinen anziehend, so könnte man den ausschlaggebenden Prozeß der Ad-hoc-Introjektion (+ ! k), d. h. das Symptom nie mit dem Test diagnostizieren. Aus der Tabelle 7 wissen wir ja, daß die -f ! AReaktion für sexuelle Perver­ sionen (Masochismus, Sadismus, Fetischismus, Exhibitionismus) bezeichnend ist. Wählt also ein Mensch vier oder sogar mehr Bilder der Kategorie k als sympa­ thisch, hebt er sich somit in einer speziellen Weise - eben im Faktor k - von dem Alltagsprofil ab, so wissen wir, daß er in seiner Introjektionsfunktion krank ist. Er findet Bilder anziehend, die der gesunde A lltagsmensch zumeist als antipathisch empfindet. Auf diese Weise funktioniert der Test nicht nur bei den Pervertierten gut, sondern auch bei den Melancholikern, bei denen die Hyperintrojektion (Narzißmus) ein führendes Symptom ist. *

Diese zwei Beispiele müssen hier genügen, um dem Leser zu zeigen, warum der Test so diskret bestimmte Krankheitsgruppen von den Alltagsmenschen abzu­ heben, sie auszulesen vermag. Die ganze testologische Syndromlehre, die wir in der Triebpathologie mitgeteilt haben1, fußt auf diesem Prinzip. Denn wie wir be­ reits betonten: 1. nur auf Grund dieses Prinzips im Aufbau des Testapparates konnten wir zur Aufstellung eines Alltagsprofils gelangen; 2. nur dank der besonderen faktoriellen Umdrehungen der Alltagssympathien und -antipathien war es möglich, für die verschiedenen Krankheitskategorien spezi­ fische Symptomkomplexe, Syndrome aufzustellen. Diese besonderen testologischen Syndrome sind aber alle nur für die akuten Prozesse einer Erkrankung bezeichnend; sie verschwinden, wenn der akute Prozeß (%. B. bei der Melan­ cholie, Manie, Schizophrenie usw.) vorbei ist und sich entweder eine Gesundung oder eine 1 Triebpathologie, S. 237-509.

381


Defektheilung eingestellt hat. Die Nichtbeachtung dieses Umstand es hat manche Autoren zu Fehlschlüssen geführt1.

Von allen Bedingungen, die man zur Validität des Testes aufgestellt hat, wurde eben die statistische Validität am häufigsten untersucht. Ein großer Teil dieser statistischen Untersuchungen stellt auf Grund der Mathematik die «statistische In-Validität» des Testes fest. Ein kleinerer Teil der Kritiker - eben derjenige, welcher auch klinisch-psychologisch cçu denken vermag - war gnädiger und behauptete, der Test sei zwar statistisch invalid, klinisch funktioniere er dennoch gut (M. HARROWER). In dieser Kritik kommt die bekannte stets vorhan­ dene Diskrepanz -eben der statistischen und der klinischen Validität aller tiefenpsycholo­ gischen Teste (RORSCHACH, T.A.T. USW.) kl ar zum Vorschein. Es ginge zu weit, hier auf Einzelarbeiten einzugehen2. Wir müssen uns begnü­ gen mit folgenden Behauptungen: 1. Von allen gegenwärtig gebrauchten Testverfahren stellt unser Wahltest zweifelsohne dasjenige Verfahren dar, welches am tiefsten in die unbewußten Schichten der Psyche eindringt. Der Wahltest deckt ja e inerseits unbewußte, er­ erbte, aber noch nie gelebte Schicksals- und Existenzmöglichkeiten auf, anderseits unbewußte persönlich-verdrängte Triebschicksale und Ich-Existenzen, die also teils im familiären, teils im persönlichen Unbewußten dynamisch-funktionell, aber ver­ borgen da sind. Nun fragen wir: Ist irgendeine statistische Methode fähig, diese unbewußten Ganzheitsfiguren der Schick­ salsmöglichkeiten mathematisch z» erfassen ? Wir machen kein Hehl daraus, daß wir dies kategorisch verneinen. A.uf Grund einer oder mehrerer Zehnerserien erlaubt der Test hin­ gegen, auf psychologischem Wege die persönlichen Ganzheitsschicksale — als individuelle Existenzmöglichkeiten — von einem Pr ofil zum anderen fortschreitend aufzudecken. Diese Schicksalsmöglichkeiten kann man aber weder in ihren faktoriellen noch in den vektoriellen Reaktionen addieren, subtrahieren oder dividieren. Man darf sie nur in ihrer Ganzheit psychologisch analysieren und hernach miteinander vergleichen. Wir geben zu, daß dieser Weg weit schwerer zu gehen ist als die Anwendung irgendeiner mathematischen Formel - z. B. das heute so häufig gebrauchte y2-Verfahren. Leider wurde das kasuistisch-psychologische Denken in den letzten Jahrzehnten aus der Psychologie an manchen Orten von einem statistischen Denken verdrängt und fast völlig ausgemerzt. Eben darin sehen wir das Krebsübel der heutigen Testologie und Testomanie. Hält dieser Zustand noch lange an, so geht eben «das Psychologische» in der Psychologie zugrunde. *

Da wir aber vermuten, daß in der Zukunft etliche Psychologen - anstatt jede Zehnerserie individuell nach den angegebenen Deutungsmethoden auszulegen — 1 Vgl. die kritischen Arbeiten zu dieser Frage von MOSER, U.: Validierung, Biinddiagnosc und die Problematik des Krankheitsbegriffes a) im Szondi-Test. Szondiana II. S. 35ff; b) BEELI, A.: Bemerkungen zur Arbeit von L. RAUHALA «Über die Validität von Szondis Syndromatik der Schizophrenic. Schw. Ztscb. f. Psych. Bd. 17, l ieft 3, 1958. 2 Vgl. hiezu: DAVID, H. P.: A Szondi-Test Bibliography, 1939-1953. Journ. of Projective Techni­ ques. Vol. 18. Nr. 1. 1954.

382


sowohl mit den faktoriellen wie auch mit den vektoriellen Reaktionen bei Grup­ penuntersuchungen Statistik treiben werden, sind wir gezwungen, hier dennoch zwei statistische Bedingungen zu erwähnen, die man bisher bei der statistischen Validierung vernachlässigt hat. Die erste ist die Anwendung der grundlegenden teststrukturellen Wahrschein­ lichkeitsrechnungen von M. ACHTNICH (W interthur)1. Die zweite Bedingung ist der Vergleich der Gruppenergebnisse mit den regionalen oder völkischen Durchschnitts^iffern. 1. Die teststrukturelle statistische Bedingung

M. ACHTNICH stellte fest, daß die Struktur des Testes und die besondere Wahlform von je spvei sympathischen und antipathischen Bildern aus 48 an sich schon eine berechenbare Wahrscheinlichkeitsgröße für die faktoriellen und vektoriellen Reaktionen begründen, die aber von der speziellen Qualität der untersuchten Gruppe unabhängig ist, da sie nur auf dem Aufbau des Testes beruht. Der Test ermöglicht ja (n ach der Tabelle 3) vier Null-, neun positive, neun nega­ tive und sechs ambivalente Reaktionen. Diese Ungleichheit in der Verteilung der vier Arten der faktoriellen Reaktionen (0, +, — und dr) bringt es mit sich, daß die vier Reaktionsarten ab ovo, teststrukturell, schon mit verschiedenen Wahrschein­ lichkeitsgrößen starten; ein Umstand, den alle Statistiker des Testes vernachläs­ sigt haben. M. ACHTNICH hat nun diese strukturbedingten Wahrscheinlichkeiten der faktoriellen und vektoriellen Reaktionen berechnet. (Die Formeln und Zahlen wurden von Herrn Prof. SAXER, ETH, Zürich, überprüft; siehe die Original­ arbeit in Szondiana I.) M. ACHTNICH gibt die Größen der Wahrscheinlichkeiten und Streuungen für die faktoriellen 0, +, •—, ± Reaktionen und auch diejenigen für die 16 vekto­ riellen Reaktionen an. Die teststrukturelle statistische Bedingung bei Gruppenuntersuchungen ist somit die, daß man jede empirisch gefundene Häufigkeitszahl zuv°rderst mit den strukturbedingten Wahrscheinlichkeitsziffern vergleichen und feststellen muß, in welchem Maße die empirischen Häufigkeiten über d en teststrukturellen Wahr­ scheinlichkeitsziffern liegen. Damit ist aber den statistischen Bedingungen immer noch nicht Genüge getan. Man muß hernach die empirischen Gruppenhäufigkeiten mit den soge­ nannten regionalen, b%w. völkischen Durchschnittshäufigkeiten vergleichen, bevor man irgendeine Häufigkeit für eine besondere Gruppe für signifikant erachten darf. 2. Die statistische Bedingung des Vergleiches aller empirischen Häufigkeitsziffern mit den regionalen, völkischen Durchschnittshäufigkeiten Diese Bedingung zu erfüllen ist heute noch quasi unmöglich, da ja in der Lite­ ratur insgesamt nur für Ungarn (der Verfasser), Navarreser (SOTO F. YARRITU, Spanien) und teilweise für Holländer (VAN SOLT) regionale Durchschnittshäufig1 ACHTNICH, M.: Grundlegende Wahrscheinlichkeitsrechnungen zum Szondi-Test. Szondiana I.

S. 21 Iff.

383


Kelten zu finden sind. Für die Altersgruppe der Pubertät gab in Deutschland G. HEINELT die altersspezifischen Reaktionen. Wir heben hier die Arbeit von SOTO YARRITU im besonderen hervor, weil er die vektoriellen Durchschnittsgrößen von 750 gesunden Einwohnern der spani­ schen Provinz Navarra mit unseren Daten von 1000 gesunden, erwachsenen Ungarn verglichen hat1. Aus dieser Arbeit gehen zwei wichtige Erkenntnisse hervor (siehe Abb. 29-32). Vergleichende Untersuchungen der Häufigkeiten der 16 Vektorenreaktionen (S, P, Sch, C) von SOTO YARRITU, Navarra

\

\\

L

, y

\1 y

\

\y \

\ \ *

y

\k

\>

\t *

1 t

h

\

s s

\

v o

+ - — + + - *•

-

o- - o o + -

+ +

+- o o + o

+ +

0+

Abb. 29. Vektor S

Erstens: Bei 62 der 64 Vektorenbilder wurde eine unerwartete Übereinstimmung der Durchschnittshäufigkeit der Navarreser mit der der Ungarn festgestellt. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch VAN SOLT bei Holländern2. Da wir die Vektorenbilder als erblich bedingte Teilungsformen des aus vier Elementarfunktionen bestehenden Ganztriebes auffassen, könnte man auf Grund dieser vergleichenden Unter­ suchungen annehmen, daß bei bestimmten europäischen Völkern die Durch­ schnittsziffern für das Gros der vektoriellen Trieb- und Ich-Schicksale die glei­ chen, d. h. genisch verankert sind. 1 SOTO, YARRITU, F.:

a) El dcstino humano como problcma cicntifico. (Nuestros rcsultados con la prueba de Szondi.) Navarra,

l?)

1953; Validierung des Szondi-Testes durch eine Gruppenuntersuchung von 2352 Fällen. Szondiana II. 1955. S. 65 ff. 2 Mündliche Mitteilung und ungedruckte Manuskripte.

384


Darum wäre es richtig, künftig auf anderen Kontinenten die gleichen Unter­ suchungen durchzuführen. Zweitens: Signifikante Differenzen können teils auf spezifisch-rassische, teils aber auch auf erzieherische, religiöse und kulturelle Unterschiede zurückgeführt werden. Nach SOTO YARRITU geben die Navarresen bedeutend mehr C 1- Reaktio­ nen der Treue und weniger C -\ Reaktionen der Untreue als die Ungarn (vgl. hiezu Abb. 32). Dies könnte durch die außerordentliche Treue der Navarreser zur katholischen Kirche begründet werden. Wenn dem so wäre, so wäre die Annahme Vergleichende Untersuchungen der Häufigkeiten der 16 Vektorenreaktionen (6% P, Scb, C) von SOTO YARRITU, Novarra

u v

jb

ft

Abb. 30. Vektor P

möglich, daß Erziehung, Religion und Kultur die Häufigkeiten der erbbedingten Bausteine der menschlichen Trieb- und Ich-Schicksale unter Umständen zu ver­ ändern vermögen. Im besonderen scheint es wichtig zu sein, auffällige Ergeb­ nisse bei Gruppenuntersuchungen, z. B. an Naturvölkern, zuvörderst mit deren eigenen rassischen Bevölkerungsziffern zu vergleichen und nicht mit denen anderer Völker. Vergleicht man z. B. die Resultate bestimmter Gruppenteste von Busch­ negern aus Französisch-Äquatorialafrika (Untersuchungen von E. PERCY) nicht mit ihren eigenen rassischen Häufigkeiten, d. h. mit anderen A&gfrtesten, sondern mit europäischen Testen, so könnte man die falsche Konklusion ziehen, daß diese Gruppe von Buschnegern paranoid schizophrene Menschen darstelle1. Vergleicht 1 Ich-Analyse, Huber, Bern und Stuttgart, 1956, S. 524 und Schlußkapitel dieses Buches. 25

Szondi, Triebdiagnostik

385


Vergleichende Untersuchungen der Häufigkeiten der 16 Vektorenreaktionen (S, P, Scb, C) von SOTO YARRITU, Navarra

1

V +-

-l1 i 1 l 1

1 1 1 T -f

\.

1 1 1

t

\

-4 7

/

1

\

\

f (

/ /

\

\

s / —;

> \

1

-o o ++-

±

+ o + +O O ± O

1+ o

-f O - -

± +±±+ ±

Abb. 31. Vektor Seb Vergleichende Untersuchungen der Häufigkeiten der 16 Vektorenreaktionen (S, P, Seb, C) von SOTO YARRITU, Navarra

1

1 /

\

S.

\

1 s

\

I

X

\

1

1

1 1

S

\\

;\

\

*

\

/'

\

\

s

"J

'

0* Yarritu

0

- - *

+ +

00

00

+

-

0-

Abb. 32. Vektor C

+

+0

-

rv.-

+ + + + -

+


Tabelle 20. Vergleichende Testuntersuchungen an paranoiden Schizophrenen und Buschnegern I 19..

Nr.

p

S

Sch

C

h

s

e

by

k

P

d

m

I

+

+

±

0

+

±

II

+

-

0

0

—1

+

0

11

III

+1

+

—I

0

+

±

IV

+

±

0

—I

0

+

V

+

±

0

0

+

VI

+

±

+

0

+

+1

±

0

0

+

VIII

+

±

+

0

+

IX

+

±

0

0

+1

X

+

+

0

+1

VII

S 0

s ±

IOU. ±

2 0

S ±

E Ou. ±

Schp~

Triebklasse

10 Paranoid Schizophrener, 44jährig çf (Solothurn)

II Nr.

19..

I

p

J h

+

111

Sch

C

s

e

hy

k

p

d

m

—1

0

±

0

+

—1

+

0

II

+ 11

— 11

0

+

III

+ 11

±

0

±

0

+

IV

+ 11

—1

0

0

—1

+

0

V

+ 11

0

0

+

VI

+ 11

—1

0

+

0

—1

+

VII

J

VIII IX

+

111

—1

0

+

—1

+

+

1

—I

+

+

0

—!

+

0

+ 111 — I

0

+

0

—!

+

0

0

±

0

—!

+

0

+ 11

X

— 11

Schp~ 1 ricDKiasse

8

Afrique Equatoriale Française. Btuchneger (Apuidji), 25jährig (spricht gut französisch)

387


Fortsetzung der Tabelle 20 III Nr.

19..

p

S

Sch

C

h

s

e

by

k

P

d

m

+

+

0

0

+

II

+1

0

+

±

0

III

+!

+

0

IV

+ 11

0

0

0

V

+ 11

0

±

0

0

VI

+ 1!

0

0

0

+

VII

+ 1!

+

0

0

VIII

+ 11

+

-

0

0

IX

+ 11

0

+

0

0

X

+ 11

0

+

0

0

—1

0

I

. —

Scbp~

Cm

7

8

Triebklassc

2 0

2 ±

2 0 u. +

2 ±

2 0 u. ±

!

Paranoid Schizophrene (maniform.), 29jährige Organistin (Tübingen) IV

Nr.

19..

p

J

Scb

C

b

s

e

by

k

P

d

m

+1

0

+

0

0

—!

+

—!

II

+

+

±

0

0

+

-M

III

+

+

±

+

0

—1

0

IV

+I

.0

±

+

— Il

+

V

+1

+

+

0

— Il

+

+

0

0

0

0

±

+

—1

+

+

0

0

+

VIII

+!

+

+

0

±

—!

IX

+1

0

+

0

0

—!

±

—!

X

+!

0

0

+

I

VI VII

*

+

2 0

Scbp—

Triebklasse

8

Buscbnegerin (Akele). Afrique Equatoriale Française. 22jährige Analphabetin (spricht französisch)

388


man sie aber untereinander, so bekommt man den Eindruck, daß diese Buschneger­ gruppe in extremem Grade zu partizipieren vermag, und zwar mit den Totem­ ahnen, -tieren und -pflanzen. Das heißt: Was bei den Europäern für die paranoide Schizophrenie testologisch signifikant ist (—! !p, diagonale Spaltung im Ich und in anderen Faktoren), das bedeutet bei den Naturvölkern eine religiöse Form der Partizipation und keine krankhafte schizpforme Spaltung (vgl. hiezu Tabelle 20). Die Lehre dieser Beispiele ist die: man darf nie eine vektorielle oder faktorielle Reaktion für eine Gruppe signifikant erachten, ohne ihre Häufigkeit mit der der regional und Da aber diese Daten - abgesehen von den erwähnten - derzeit noch fehlen, müssen wir die meisten statistischen Ergebnisse in bezug auf die Validität des Testes in Frage stellen. Das nämliche gilt auch für sogenannte «altersspezifische» Erhebungen, die ebenfalls noch fast völlig fehlen. Auf die wertvollen Untersuchungen von G. HEINELT1 in bezug auf die Pubertätsperiode von Mädchen und Jungen in Deutschland werden wir im Schlußkapitel zurückkommen.

III. Die genetischen Bedingungen Von den praktischen Psychologen, die den Test heute anwenden, denken nur wenige daran, daß die Grundlegung der Schicksalspsychologie geschichtlich dem Aufbau des Testes vorangegangen ist2. Sie benützen den Test als ein «Geschütz in ihrer Testbatterie» und glauben, daß sie die Grundlagen der Schicksalspsychologie bei der Deutung des Testes nicht benötigen. Und da irren sie. Hätten wir auf Grund der sogenannten genotropischen Stammbaumuntersuchungen3 das «fami­ liäre Unbewußte» nicht als die Urstätte der menschlichen Wahlhandlungen erkannt, so wäre der Wahltest nie zustandegekommen. In der ersten Abhandlung der Schicksalspsychologie wurde ja z uerst die Gentheorie der Objektwahl und deren Regel, der Genotropismus, mitgeteilt. Die Schicksalsanalyse versucht bekanntlich das Schicksal der sogenannten menschlichen Konduktoren, der Überträger von latenten rezessiven Genen, zu erforschen. Die psychische Wirkung dieser verbor­ genen Gene - im familiären Unbewußten - besteht unseres Erachtens eben in der unbewußten Lenkung von Wahlhandlungen in Liebe, Freundschaft, Beruf, Krankheits­ art und Todesform. Unter Genotropismus verstehen wir ja die Erscheinung, daß zwei Menschen, die Konduktoren der gleichen oder verwandten Erbanlage, d. h. miteinander «genverwandt» sind, sich wechselseitig zwangshaft anziehen. Als Beweismaterial für diese Wahlregel benützten wir Hunderte von Stamm­ bäumen von sich wechselseitig anziehenden Liebes- und Berufspartnern und such­ ten die genetischen Symmetrien in den Ahnenfiguren der beiden Familien. Der Test hatte - in derselben Form wie er heute noch vorliegt - zuerst die Aufgabe, mit1 HEINELT, G. :

a) Altersspezifische Entwicklungslinien im Szondi-Tcst. Inaugural-Dissertation der Universität Frei­

burg i. Br., 1951 ; Vortrag am I. Internationalen Kolloquium für Schicksalspsychologie. Zürich, 1958. 2 SZONDI, L.: Contributions to Fate Analysis. Analysis of Marriages. An attempt at a theory of choice in love. Acta Psychologica. Vol. III. No. 1. The Flague, Martinus Nijhoff, 1937. u Schicksalsanalyse, Benno Schwabe, Basel, I. Aufl., 1944. II. Aufl., 1948. S. 86ff., III. Aufl., 1965, S. 82 ff.

b)

389


tels der Wahl von Bildern der Personen, welche an einer der acht möglichen Erb­ krankheiten gelitten haben, der experimentellen Familienforschung dienen. Wir nann­ ten ihn - diesem Zweck entsprechend - 1939 noch « Genotest» und bestimmten mit ihm die individuelle Konduktornatur der Vp. Erst später entdeckten wir, daß der Geno­ test sich nicht nur zur Bestimmung der besonderen individuellen Konduktor­ natur, sondern auch als klinisches Psjchodiagnostikum eignet. Es ist zu bedauern, daß der Test - abgesehen von meiner Zürcher Schule (im besonderen U. MOSER, U. STUDER-SALZMANN, A. BEELI usf.) - als ein Verfahren zur Bestimmung der un­ sichtbaren Konduktornatur der Person im Ausland kaum angewendet wurde. Der Grund ist unseres Erachtens nicht darin zu sehen, daß der Test seine Funk­ tion als Genotest nicht zu erfüllen vermocht hätte, sondern eher darin, daß nach dem zweiten Weltkrieg der Widerstand gegen jegliche Familienforschung aus menschlich verständlichen Gründen zu groß war. Der Test funktioniert aber eben darum richtig, weil die Wahl der Bilder - neben den bereits erwähnten Bedingun­ gen - auch v on der spezifischen Konduktornatur, d. h. von der Erbnatur der Vp abhängig ist. Unsere erste Bedingung für den Test war eben deshalb die genetische Bedingung. Diese schrieb vor, daß die in der Triebformel figurierenden sogenannten « Wurgelfaktoren », also die ständig positiven oder negativen Faktoren, die die Vp der Hochspannung wegen schwer %u b efriedigen vermag, im Stammbaum der Person die krank­ haften Ahnenfiguren der Familie aufzeigen sollten. Wir nennen ja die Wurzelfaktoren heute noch oft die «Konduktorfaktoren». Entsprechend dieser Bedingung war somit unsere erste Validisierungsprobe genetischer Natur. Wir verglichen nämlich die Wurzelfaktoren in der experimentellen Triebformel mit den Ergebnissen der Stammbaumforschungen. Mit zwei Beispielen versuchen wir hier diese genetische Validierungsmethode zu demonstrieren. Fall 66. 25jähriger Apotheker. Im Stammbaum, Abb. 1, sind die mütterlichen und väterlichen Blutsverwandten des Probanden (im Stammbaum figuriert er selber als Nr. 63), im Stammbaum, Abb. 2, seine Partnerwahlen in Liebe, Beruf und Freundschaft eingeführt1. Die Blutsverwandten wie die Wahlverwandten gehören nach diesen geneti­ schen Untersuchungen im besonderen zwei Erbkreisen an: dem epileptischen (e) und dem paranoid-schizophrenen (p). Die Prüfung der Validität des Testes im Sinne der genetischen Bedingung bestand nun darin, daß wir auf Grund einer Zehnerserie die Triebformel und die Triebklasse des Apothekerprobanden be­ rechneten. Die Triebformel ist laut der Linnäusmethode: Symptomfaktoren

k±p by+,0 d\±

Sublatente Faktoren

=

m+j b+12 s+1 j

Wurzel- oder Konduktorfaktoren =

' 1 p—1

Der Test hat also die besondere epileptiforme (— ! e) und paranoide (— p) Konduktornatur des Probanden experimentell mit einer unglaublichen Genauig­ keit aufgedeckt. Fall 67. Bei der Erörterung der Trieblinnäusmethode haben wir die Famiiienund Krankengeschichte, ferner die Triebformel zweier Epileptikerinnen (A 251 Der Fall wurde in der Ich-Analyse (1956) genetisch und triebpsychologisch ausführlich behandelt. S. 84-100.

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jährig, B 23jährig) bereits mitgeteilt. Die Mütter von beiden manifestierten kli­ nisch 1. hysterische (hy) und 2. depressive (d) Symptome. In den Triebformeln der Töchter waren die Wurzel- oder Konduktorfaktoren: hy, d. Für die gleichzeitige Anwendung des Testes als « Gen- undPsychodiagnostikumy> sprechen aber im beson­ deren die experimentellen Ergebnisse, nach denen bei beiden manifesten Epilep­ tikerinnen zur Zeit des Testens der Faktor e als der führende Symptomfaktor in den Triebformeln figurierte. Diese Art von Validierung des Testens auf Grund der genetischen Bedingun­ gen haben wir unzähligemal durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten, daß der Wähltest in der Tat zur Bestimmung der besonderen Konduktornatur der Vp fähig und somit - als Genotest - auch zur experimentellen Familienforschung tauglich ist. Auf Grund dieser Untersuchungen antworten wir auf die Frage, warum der Test funktioniert, wie folgt: Weil er - durch die spezifische Aufforderungs­ charaktere der Bilder - assoziativ der spezifischen latenten Erb-, bzw. Konduktor­ natur der Vp entspricht. Diese Mobilmachung der verborgenen Erbanlagen durch die Bilder kann so weit gehen, daß die Vp während der Bilderassoziationen einen paranoiden oder präepileptiformen Anfall bekommt (Fälle 36, 59). Erst damit wird es nun verständlich, warum die Paranoiden am Anfang des Prozesses die Bilder von Paranoiden mit Quantumspannung (— !) zu wählen pflegen, hingegen die Bilder der Katatonen liegen lassen. Das Ich-Bild des akuten paranoiden Anfalls ist ja: Sch 0 — !. Vom Aspekt der Erhlatenzen aus gesehen, will das sagen, daß die Spannungsyus fände im Gebiet des Projektionsbedürfnisses so groß sind, daß die Vp dieses Bedürfnis nicht restlos p/c befriedigen vermag. In ähnlicher Weise müssen wir die Erfahrungen deuten, daß Katatone oft der Klasse Scbk~] angehören, d. h. daß ihr Wur^elfaktor — ! k ist. Denn: wegen der ererbten Spannungserhöhung im Bedürfnisgebiet der Nega­ tion (— ! k) wählen Katatone des öfteren die Bilder von Katatonen mit Quantum­ spannung1. Dasselbe gilt auch für die Entstehungsart der (G/+-Klasse der De­ pressiven und für die der Uw-Klasse der Manischen. Natürlich ist die spezifische Bedürfnisspannung (p, k, d, m) durch die erhöhte Baten^ dieser Erbfaktoren bedingt. Sie wirkt so lange, bis die Person de facto in der akuten Procyßphase weilt. Verschiebt sich aber die verborgene Spannung durch äußere oder innere Umstände in den acht Erblaten^en, so ändert sich auch die W ahl der Bilder im Experiment. Eben diese Möglichkeit von Ver­ schiebungen in den Spannungsbedürfnissen verursacht ja die klinische Tatsache, daß ein Epileptiker unter Umständen ein Paranoider, dieser später ein Katatoner oder ein Depressiver und dieser wieder ein Manischer sein kann. Mit dem Test sind wir imstande, eben diese unsichtbaren Verschiebungen der innersten Erb­ spannungen im familiären Unbewußten treu zu verfolgen. Damit wird nicht be­ hauptet, daß die urgründige E rbkonstitution der Vp sich verändert. Diese bleibt ja von der Befruchtung bis zum Tode die gleiche, aber die Proportionen der latenten Erb­ faktoren in Hinsicht ihrer aktuellen Eatenb%w. Penetrans, kur^ die Spannungsverhält­ nisse sind durch endogene oder exogene Momente im Leben des Einzelnen verschiebbar. Sicher spielt das Ich und seine Verbindung mit dem Geist in diesem Wandlungs­ prozeß eine eminente Rolle2. 1 Ich-Analyse. S. 423 und 442 ff. 2 Ich-Analyse. S. 514ff.

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IV. Die tiefenpsychologische Bedingung Diese verlangt vom Test, daß er auch die persönlich erworbene Triebnatur und die persönliche Art der Ich-Abwehr aufdeckt. Man darf sagen, daß das vorliegende Buch durch die Darstellung der Psycho­ logie der acht Triebfaktoren, der 64 Vektorenbilder, durch die Sichtbarmachung der Ich-Abwehrmechanismen im Test, ferner durch die Deutungsmethoden von Rand und Mitte, des Vorder- und Hintergängers, der psychosexuellen und sozia­ len Proportionen und die faktorielle Assoziationsmethode im Prinzip auch auf der

Jkr FREUDJfÄM

Wir glauben nicht zu übertreiben,

wenn wir behaupten, daß der Test in der Tat eine experimenteile Trieb- und Ich-

.D/agwuVW: W jww/

ZVagmwÄt

Alle sogenannten

Blinddiagnosen mit dem Test fußen darauf1. Der Umstand, daß wir das ursprüng­ liche Triebsystem der Psychoanalyse weit ausgedehnt und auch neue Formen von Ich-Abwehrmechanismen gefunden haben, ändert gar nichts an dieser Tatsache. Dies wird verständlich, wenn wir bedenken, daß ja d ie Dechiffrierung der Test­ ergebnisse quasi gleichzeitig in zwei Richtungen durchgeführt wurde. Erstens haben wir - wiewir es bereits aufzeigten - die Wurzel- und Symptomreaktionen im Test mit den Ergebnissen der Familienforschungen verglichen. Zweitens kontrol­ lierten wir die Testresultate durch die Ergebnisse der lege artis durchgeführten Psjcho-

aWjwM

Bevor wir jemanden in eine tiefenpsychologische Be-

h and lung genommen haben, ließen wir ihn regelmäßig testen, oder wir testeten ihn selbst. Hernach kontrollierten wir während und nach der analytischen Be­ handlung die tiefenpsychologischen Ergebnisse der vorangehenden Zehnerserien des Testes mit den Ergebnissen der psychoanalytischen Behandlung auf der Couch, im besonderen mit denen der Traumdeutungen. Auf diese Weise haben wir den Sinn mancher Testreaktionen mit den Jahren den psychoanalytischenBehandlungsergebnissen angepaßt, oft sogar neu formuliert. Diese Kontrollarbeit des Testes auf Grund der tiefenpsychologischen Couchtherapie wurde im besonderen in den Jahren 1947-1958 systematisch durchgeführt. Dies war auch der ausschlaggebende Grund dafür, daß wir dieses Buch für die vorliegende zweite Auflage völlig neu bearbeiten mußten. Es wäre eine überflüssige Wiederholung der mannigfaltigen Ergebnisse dieser zweiten Auflage, wenn wir hier all die Argumente der Reihe nach wieder auf­ zählen würden, welche bestätigen, wie weitgehend der Test die unbewußte, per­ sönlich erworbene Triebnatur und ihre Abwehrart aufzudecken vermag. Es ge­ nügt hier die Feststellung, daß der Test alle Arten der Trieb- und Ich-Schicksale, die S. FREUD aufgedeckt ha t, in der Tat restlos sichtbar macht. Daraus müssen wir zwei Konklusionen ziehen: Erstens: Der Test funktioniert darum richtig, weil er imstande ist - nebst den wirksamsten Erbfaktoren des familiären Unbewußten - auch die persönlich-verdrängten Bedürfnisse des persönlichen Unbewußten, welche die chronischen und aktuellen Symptome einer Neurose oder Psychose bedingen, sichtbar zu machen. Der Test ist somit nicht nur ein experimentelles Verfahren zur Aufdeckung der Erbnatur, nicht nur ein GtfÄodiagnostikum, sondern auch ein Epv/wdiagnostikum für die Aufdeckung der persönlich erworbenen Trieb- und Ich-Schicksale. 1 MOSER, U. : Validierung, Blinddiagnose usw. Szondiana II. S. 42ff.

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Zweitens: funktioniert der Test nur in den Händen solcher Psychologen, die sich in der Deutungskunst sowohl auf die Erb- wie auch auf die persönlich er­ worbene Natur der Vp synchron einzustellen vermögen. Versäumt ein Analytiker die Störungen der Erbnatur im Trieb- und Ich-Schicksal eines Analysanden zu beobachten und sie zu überwinden, so macht er in seinem Heilverfahren nicht nur dem Patienten gegenüber einen Kunstfehler, sondern er handelt auch gegen die letzten Erkenntnisse S. FREUDS, d ie dieser 1937-1938, also kurz vor seinem Tode (1939), an zwei Stellen betont hat. Die eine Stelle haben wir anderenorts bereits zitiert. Sie lautet: «Wenn wir von archaischer Erbschaft sprechen, denken wir gewöhnlich nur an das Es und scheinen anzunehmen, daß ein Ich am Beginn des Eigenlebens noch nicht vorhanden ist. Aber wir wollen nicht übersehen, daß Es und Ich ursprünglich eins sind, und es bedeutet noch keine mystische Über­ schätzung der Erblichkeit, wenn wir für glaubwürdig halten, daß dem noch nicht existierenden Ich bereits festgelegt ist, welche Entwicklungsrichtungen, Tenden­ zen und Reaktionen es später zum Vorschein bringen wird1.» In «Endliche und unendliche Analyse» (1937), woraus dieses Zitat stammt, wurde somit die Ver­ erbung der Abwehrmechanismen und die ererbte Verschiedenheit der Ich-Entwicklung von S. FR EUD selbst anerkannt und betont. Die zweite Stelle finden wir in dem unvollendeten «Abriß der Psychoanalyse» von 1938, wo er von den Beweisen für den Anteil des unbewußten Es an der Traumbildung spricht. Diese Stelle muß die «erbfeindlich» eingestellten Epigonen S. FREUDS no ch mehr schockieren als die erste Stelle. Wir zitieren: «Darüber hinaus bringt der Traum Inhalte zum Vorschein, die weder aus detn reifen Leben noch aus der vergessenen Kindheit des Träumers stammen können. Wir sind genötigt, sie als Teil der archaischen Erbschaft anzusehen, die das Kind, durch das Erleben der Ahnen beeinflußt, vorjeder eigenen Erfahrung mit sich auf die Welt bringt2. » Diese Behauptung entspricht aber völlig dem Grundprinzip der Schicksalsanalyse. *

Auf die Frage, warum funktioniert der Wahltest als Psychodiagnostikum, geben wir nun die zusammenfassende Antwort: Der Test funktioniert, weil die Refbilder des Apparates spezielle Aufforderungscharaktere besitzen, welche auf assoziativem Wege Up (W dB

TYf/raWf datpfwW, o// rogar roW/üf ff«, wo

mitgebrachte Erbnatur und die persönlich verdrängte Triebnatur die inneren BedürfnisSpannungen aktuell erhöht haben.

Schlußkapitel XXVIII

DIE ANWENDUNGSGEBIETE DER EXPERIMENTELLEN TRIEBDIAGNOSTIK Wir beschränken uns hier auf die Darstellung derjenigen Anwendungsgebiete, auf denen durch wichtige Publikationen oder Standardwerke bereits bewiesen 1 FREUD, S.: Gesammelte Werke. Bd. XVI. S. 86. 2 FREUD, 5.: Gesammelte Werke. Bd. XVII. S. 89.

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wurde, daß die experimentelle Triebdiagnostik auf ihnen besondere Probleme zu lösen vermochte1. Die Anmerkungen IV-IX fassen diejenigen Arbeiten zusam­ men, die von 1961 bis 1971 erschienen sind.

I. Entwicklungspsychologie, Kinderpsychologie, Kinderpsychiatrie und Kinderspieltherapie Das Testverfahren verlangt bei der Bilderwahl von den Versuchspersonen: 1. die Fähigkeit y/r ruhigen Betrachtung aller Einzelbilder der Reihe nach; 2. die Reife Z{/r Komparation, d. h. zur vergleichenden Beobachtung der Bilder von dem Aspekt der Anziehungs- und Abstoßungskraft her, 3. die Reife z/ir Wahl auf Grund des Super­ lativs. Im Testverfahren können nur diejenigen Wahlhandlungen psychologisch ausgelegt werden, welche auf Grund einer ruhigen Beobachtung, Komparation und Superlativen Auswahl vollzogen wurden. 1939 haben wir Frau

DÉNES

MADELEINE

den Auftrag erteilt, festzustellen, in welchem Lebensalter die Kinder zur

Erfüllung dieser Wahlbedingungen reif werden. Die Autorin ermittelte auf Grund von Untersuchungen an 140 Kindern aus wohlhabendem Milieu in Budapest fol­ gende Entwicklungsstufen der Wahlarten:2

1. Entwicklungsstufen des Wahlaktes Erste Stufe: Inadäquate Wahl ohne Betrachtung der Einzelbilder (3-3fßährige). Die Bilder werden nicht als Einzelgegenstände mit besonderem Charakter, sondern als homogene Elemente eines Spiels wahrgenommen. Hierher gehören - unter anderen - folgende primitive Handlungen: 1. Randwahlen: die Vp wählt stets Bil­ der, die am Rande stehen, und zwar des öfteren diejenigen, welche nebeneinander oder an den vier Ecken der Achterserie exponiert werden. 2. Rhythmische Wahl­ handlungen: das Kind singt ein Lied oder sagt einen Vers auf und wählt dasjenige Bild, welches auf den letzten Ton oder die letzte Silbe des Verses fällt. Die unter­ schiedlichen Merkmalscharaktere der Einzelbilder werden also noch nicht wahr­ genommen. Auf dieser Entwicklungsstufe des Wahlaktes stehen: 76% der 3-3%-, 22% der 4-5- und 1.5% der 6-7jährigen. Die Randwahlen fanden wir selber gelegentlich bei erwachsenen Schizophre­ nen und Heboiden, von denen einige unfähig waren, je ein B ild allein zu wählen; sie mußten stets ein Bilderpaar wählen. Bei dieser Wahlart drückt sich vermutlich die Anlage zur Hyperpartizipation symbolisch aus. Auch einige Kranke mit seniler Demenz regredieren im Alter auf diese primitive Wahlstufe. Zweite Stufe: Sprunghaft betrachtende Wahl ohne jegliche superlative Komparation (4-5jährige). Der Wahlakt beruht noch nicht auf dem Akt des Vergleichens der Bilder in bezug auf den Höchstgrad der Sympathie bzw. Antipathie, sondern das Kind wird von bestimmten Merkmalen eines Bildes (Bart, Haare) so sehr faszi­ niert, daß es - des öfteren - die anderen Bilder kaum betrachtet. Nach M. DÉNES gehören dieser zweiten Wahlstufe 51% der 4-5-, 20% der 3-3%- und 26% der 1 Diesem Problem wurden auf dem I. Internationalen Kolloquium, Zürich 1958, die Hauptreferate gewidmet. 2 DÉNES, MADELEINE: Recherches sur l'évolution du choix chez des enfants normaux de 3 à 7 ans. Arch. d. Psychol. Tome 28, no 109. 1940.

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6-7jährigen an. Im Alter von 4-5 Jahren begreift das Kind demnach nur selten relative, komparative Begriffe, wie schön, schöner, am schönsten. Bei senilen oder schizophrenen Dementen fanden wir hie und da eine ähnliche Wahlart. Dritte Stufe: Sorgsame Betrachtung aller Bilder und Wahl auf Grund einer Super­ lativen Komparation (6-7jährige). Auf dieser Wahlstufe finden wir schon zögernde, korrigierende Wahlhandlungen mit Wiederholung der Betrachtung aller acht Bil­ der. Das Kind vergleicht die Bilder und versteht schon, was Höchstgrad ist. Nach der Autorin wählen in dieser reifen Art : 72 % der 6-7-, 26 % der 4-5- und 3 % der 3-3%jährigen. Hier fällt auf, daß 3% der 3-3%jährigen dennoch imstande sind, richtig zu wählen. Die Testergebnisse dieser frühreifen Kleinkinder wurden in der ersten Auflage dieses Buches mitgeteilt.

2. In der ersten Auflage der experimentellen Triebdiagnostik haben wir die Häufigkeitswerte von ungarischen K indern für die faktoriellen, vektoriellen Reak­ tionen, für die Triebformel und Latenzptoportionen und separat für die IchEntwicklung tabellarisch angegeben1. Obzwar dort insgesamt 825 Kinder zwi­ schen 3 und 18 Jahren, getrennt nach der ersten Pubertät (n = 75), der Latenzperiode (n = 150), dem Einschulungsalter (n = 100), der Präpubertät (n = 125), dem Anfang (n = 200) und dem Ende der Pubertät (n = 175) figurierten, haben wir uns doch entschlossen, diese Tabellen mit den altersspezifischen Reaktionen aus der zweiten Auflage wegzulassen, und zwar aus nachstehenden Gründen: Die altersspezifischen Merkmale der ungarischen Kinder kann man nicht auf Kinder anderer völkischer Regionen übertragen, wie dies leider des öfteren ge­ schah. Die Folge war natürlich der Fehlschluß: der Test hat wieder einmal ver­ sagt. Daß man auf Grund von großangelegten Massenuntersuchungen regionale und völkisch-rassische spezifische Altersmerkmale aufstellen sollte, geht aus den im Kapitel XXVII behandelten statistischen Bedingungen hervor. Wir müssen zuvörderst von den einzelnen Völkern die regionalen al tersspezifischen Merkmale feststellen, bevor wir - auf Grund vergleichender Untersuchungen - über allge­ meine Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung der Sexual- und Kontakttriebe, der ethisch-moralischen Zensur, der allgemeinen Ich-Entwicklung, des Linnäus, des Sexual- und Sozialindexes, der Quantumspannungen bei Kindern etwas End­ gültiges auszusagen vermögen. Derzeitfehlen aber diese Daten fast völlig. Die Grün­ dung einer «Internationalen Forschungsgemeinschaft für Schicksalspsychologie» (Zürich, 1958) wird uns - so hoffen wir - auch auf diesem Gebiet weiterhelfen. Auf Wunsch mehrerer Forscher haben wir uns entschlossen, die «Ich-Stufen und Lebensalter»Beziehungen - abgekürzt - in dieser dritten Auflage wieder aufzunehmen (An­ hang III). Von diesem Aspekt aus halten wir die Gruppenuntersuchungen von G. HEINELT2 (d amals Privatdozent an der Universität München) an 1300 Jungen 1 Experimentelle Triebdiagnostik. I. Aufl., 1947. Tab. 26, 27, 39, psychodiagnostische Tabellen 1I-VII und XXII-XXIII. 'HEINELT, G.: Altersspezifische Entwicklungslinien im Szondi-Test. Inaugural-Dissertation der Albert-Ludwigs-Universität (Prof. R. HEISS), Freiburg i. Br., 1951.

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und Mädchen im Alter von 11-15 Jahren für wichtig, da der Autor eine relativ homogene, süddeutsche Kindergruppe untersuchte und versuchte, Differenzen zwischen Mädchen und Knaben, ferner zwischen den verschiedenen sozialen Schichten in der Pubertätsperiode festzustellen. G. HEINELT kon nte nachweisen, daß das Entwicklungsgeschehen im Trieb- und Ich-Leben der Jugendlichen von drei Merkmalen geprägt wird. Erstens: durch die Herausbildung der ethisch­ geistigen Steuerung (e und p), d. h. durch die Mitte. Zweitens: durch die Ein­ ordnung der individuellen Zärtlichkeit (h) in den aktuell werdenden Prozeß der Sexualität. Drittens: durch Herstellung der treuen und reifen Beziehung zur mit­ menschlichen Umwelt (d und Die Ich-Entwicklung folgt, nach den Untersuchungen dieses Autors, unseren 1947 mitgeteilten Feststellungen1. Obzwar die Entwicklungsr/cA///«^ bei Jungen wie bei Mädchen die gleiche ist, konnte G. HEINELT bei Volksschulmädchen im 13. Lebensjahr eine Regression nachweisen, hingegen bei den Mädchen des Gym­ nasiums einen beträchtlichen Vorsprung in der Entwicklung. Das Krisenjahr des 13. Lebensjahres hält der Autor für die Mädchen aus der Volksschule für charak­ teristisch und führt es auf die sozialen Umwelteinwirkungen zurück (siehe Anmer­ kung IV). 3. Kindliche VerbaItenstypen im Test Einen anderen Anwendungsweg schlug die Dozentin der Universität Amster­ dam, RITA VUYK2, ei n, indem sie mit Hilfe des Testes die Triebstrukturen sucht, welche sich in den besonderen Verh altensarten des Kindes zu Hause und in der Schule manifestieren. Welche Trieb- und Ich-Situationen begründen es z. B., daß sich das Kind langweilt, daß es sich infantil verhält, daß es lügt, rivalisiert oder verein­ samt lebt? Mit dieser Fragestellung hat die Autorin für den Test ein besonderes Anwendungsgebiet erschlossen, nämlich das der Beziehungen zwischen dem Ver­ halten im Vordergrund und den Trieb- und Ich-Vorgängen in der Tiefenseele des Kindes. Das Doppelleben des Kindes, mit dem sich TH. WAGNER-SIMON3 in ihrem Buch beschäftigt hat, konnte experimentell verfolgt werden. 4. Einführimg des Testes in die Spieltherapie der Kinder ist das Verdienst des Genfer Kinderpsychologen und Pädagogen H. J. RINGGER4. D er Autor machte vor und nach den spieltherapeutischen Stun­ den Testaufnahmen und untersuchte den Zusammenhang, der zwischen den Trieb­ profilen des Kindes und dem Inhalt und der Form des Agierens im Spiel mit Kasperlefiguren besteht. Die Tendenzen und Bedürfnisse, wie sie im Vorder­ grund-, im theoretischen und experimentellen Hintergrundprofil erscheinen, wer­ den nun im Vergleich mit dem Spielgeschehen jeder Stunde als die den Spielverlauf

Arä/b

H. J.

RiNGGER

betont, daß sich der Test als ein

nützliches Hilfsmittel für den Psychotherapeuten erwiesen hat, das ihm erlaubt, 1 Experimentelle Triebdiagnostik, 1947. S. 175-184. 2 VUYK, RITA: Vortrag, gehalten am I. Internationalen Kolloquium in Zürich, am 17. Juli 1958. 2 SIMON, THERESE: Das Doppelleben des Kindes. Rotapfel Verlag, Zürich, 1937. 4 RINGGER, H. J. : Der Szondi-Test im psychotherapeutischen Spiel. Schw. Ztsch. f. Psych. Bd.XVI. Nr. 4. 1957.

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Diagnostik und Therapie auf eine sichere Grundlage der Beobachtung und Ein­ führung zu stellen. In Zürich kam CHARLOTTE SPITZ Z U ähnlichen Resultaten.

Die Beziehungen %wEfAm dk* JfWAüfAwgm W ab, 2Inw6- WA^J/r*/b%rM

wurde in Budapest 1940 von GABRIEL ERVIN untersucht. LWITZIG, P rofessor der experimentellen Pädagogik an der Universität Zürich, bearbeitete die Ergebnisse einer groß angelegten Untersuchungsreihe an Zürcher Schulkindern, bei denen die Trieb- und Ich-Entwicklung im Test auch unter dem Aspekt des Intelligenzquotienten und der Schulleistungen betrachtet wurden. Die Anwendung des Testes in der Heilerykhung wurde zuerst bei taubstummen Kindern 1949 von N. SNIJDERS und S. SNIJDERS mit positiven Ergebnissen ange­ bahnt1. Eine monographische Behandlung erlangte die Anwendung der Schicksals­ psychologie und der experimentellen Triebdiagnostik auf dem Gebiete der Heil­ erziehung durch Vikar KARL KERN2 (siehe Anmerkung V). vdawfMbwg ab; wmbwg j&r H/wr

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dbr 2r/f6-

wurde 1958 von FRIEDHELM BELLINGROTH (Bonn)

durchgeführt3. Diese Pionierarbeit ist nicht nur eine Grundlegung der analytischen Filmpsychologie auf der Basis der experimentellen Triebdiagnostik, sondern auch ein Wegweiser zur Psychohygiene der Jugendlichen auf dem Gebiete der Triebwirkung des Films.

III. Charakterologie Die Anwendung des Testes zur Bestimmung gefahrdrohender Charakter­ anomalien wurde vom Verfasser selbst sowohl in der ersten Auflage dieses Buches4, im besonderen aber in der Ich-Analyse5 ausführlich behandelt. P. H. ESSER6 hat seine Charakterlehre - neben der von KLAGES - insbesondere auf die der Schicksalspsychologie und des Testes aufgebaut. Auch E. SCHNEIDER (Basel)7 sucht Beziehungen zwischen dem Triebsystem des Testes und der Cha­ rakterologie. Im besonderen räumen wir dem Test in der Charakterologie eine gewichtige Rolle ein, wenn die Ergebnisse des Testes mit denen der familiär bereits vorhandenen oder vorausgehenden Charakterstrukturen verglichen wer­ den. Nach unserer Begriffsbestimmung ist ja Charakter dasjenige Element des 1 SNIJDERS, N. und J.: Karakteronderzoek van Doofscommen. Doofstommenonderwijs. 1949. 2 KERN, K.: Das familiäre Unbewußte und die Heilerziehung. Dissertation aus der philosoph.

Fakultät der Universität Freiburg, Schweiz. 1956. 3 BELLINGROTH, F.: Triebwirkung des Films auf Jugendliche. Abh. z. experim. Triebforschung und Schicksalspsychologie (Hrg. : L. SZONDI). Nr. 3. Huber, Bern und Stuttgart, 1958. 4 Experimentelle Triebdiagnostik, 1947. Charakterologische Syndrome. S. 113-119. 5 Ich-Analyse, 1956, S. 369-397. 6 ESSER, P. H. : Karakterkennis en Neurosenleer. Kampen, 1952. 7 SCHNEIDER, E. : Der Szondi-Versuch, Huber, Bern und Stuttgart, 1952.

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Schicksals, welches das Ich sich selbst bereits eingeprägt hat1. Das Ich baut sich aus den vom Erbe vorgelegten Charakterzügen der Familienmitglieder auf. Der persön­ liche Charakter entsteht durch Einprägung eines Stückes der unbewußt oder be­ wußt einverleibten familiären Charaktere in das Ich. Einprägung heißt ich­ psychologisch Introjektion. Die dynamische Charakteranalyse - wie wir sie an einem Beispiel in der Ich-Analyse demonstriert haben - muß folgende Gesichtspunkte berücksichtigen : 1. Analyse des Vordergängercharakters des Probanden, seiner Eltern, Geschwister, Tanten, Onkeln, Vettern und Basen, Großeltern usf. 2. Analyse des Hintergängercharakters des Probanden, seiner Eltern usf. 3. Analyse der Dialektik zwischen dem Ich und den Randtrieben, ferner Be­ stimmung der Sexual- und Sozialindices und im besonderen Analyse der Dialektik zwischen den Charakteren des familiären Vorder- und Hintergängers2.

IV. Kriminologie. Kriminalpsychologie. Forensische Psychiatrie Schon in der ersten Auflage des Buches wiesen wir auf dieses wichtige An­ wendungsgebiet hin. Der Test ist ja quasi dazu berufen, alle die verborgenen Triebgefahren aufzudecken, die zu einer kriminellen Tat führten oder führen könnten. Diese Hoffnung hat H. WALDER, B undesanwalt, Bern, glänzend erfüllt. In seiner Standardmonographie «Triebstruktnr und Kriminalität»3 hat er nicht nur die Anwendungsmöglichkeit des Testes bei der Feststellung der Triebstruktur von Verbrechern bewiesen und die Rolle des Testes im Untersuchungsverfahren als Fahndungsmittel beim Verhör der Delinquenten, bei der Prognosestellung der bedingten Entlassung betont, sondern eine kriminalbiologische Typologie auf Grund unserer Trieblehre mit einer brauchbaren Syndromatik aufgestellt. Auf Anregung von H. WALDER hat JOSEF LITTMANN (Adjunkt des Institutes für Gerichtliche Medizin in Zürich) den Test in die Gerichtliche Psychiatrie bei Gutachten von Delinquenten eingeführt4. Dasselbe taten E. STUMPER in Luxemburg5, Prof. W. LEIBBRAND in Deutsch­ land, R. PRUSCHY-BEJARANO (Paris) und A. FRIEDEMANN (Biel) bei jugendlichen Kriminellen und E. WEINMANN (Florgen). In den Vereinigten Staaten haben SUSAN DÉRI6 die differentialdiagnostischen Merkmale von 13 Affektmördern, 19 Prostituierten, 25 jugendlichen Kriminellen, 50 Dieben (aus Ungarn), MOLLY HARROWER7 die von 18 verwahrlosten und 83 kriminellen Kindern aus New York im Vergleich mit 77 nicht kriminellen Kin­ dern publiziert. Beide Autorinnen betonen einerseits die Möglichkeit einer 1 Ich-Analyse, S. 369-397. 2 Ich-Analyse, S. 378-397. 3 WALDER, H.: Nr. 1 der Abhandlungen zur exp. Triebforschung und Schicksalspsychologie (Hrg.: L. SZONDI). Huber, Bern und Stuttgart, 1952. Englisch: Ch. C. Thomas, Springfield, USA, 1959. 4 LITTMANN, J.: Drei Notzuchtdelikte in psychiatrischer Sicht. Kriminalistik. 11. Jg., H. 9, 1957. 6 STU MPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Nr. 2 der Abhandlungen zur exp. Trieb­ diagnostik. Huber, Bern und Stuttgart, 1956. 8 DÉRI, S. : Differential Diagnosis of Delinquents with the Szondi-Test. Journ. of Projective Tech­ niques. Vol. 18. Nr. 1. 1954. 7 HA RROWER, M. : A Study of juvenile Delinquents by the Szondi-Test. Szondi Newsletter (Editors : M. O. JAKOB and J. R. MORRIS). Vol. VI. Nr. 3. 1958.

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brauchbaren Differentialdiagnostik im Test auch für jugendliche Kriminelle, an­ derseits das sich tragisch auswirkende Unbefriedigtsein der kriminellen Jugend auf dem Gebiete der Zärtlichkeit (+ b) und Anklammerung (— m). Das Internationale Archiv für Schicksalspsychologie (Zürich) wurde von H. ELLENBERGER1 durch Testserien von kriminellen Psychopathen, von SWEN WAALROSS d urch 100 Mörder- und 100 Betrüger-Testserien, von H. P. DAVID2 durch 100 Homosexuellenprofile aus einem Gefängnis bereichert. Es ist noch eine neue Monographie über die Schicksalsanalyse von 22 Raubmördern von dem Psychiater L. WURMSER3 ZU e rwähnen, dem es gelang, auf Grund von forensi­ schen Gutachten und katamnestischen Untersuchungen - teils auch mit Test­ aufnahmen - die Rolle des Erbes, der Triebnatur, der sozialen Umwelt, der Intelli­ genz und Weltanschauung, der Ich-Funktionen und deren Beziehung zur Reli­ gion getrennt und global in der Schicksalsstruktur von Raubmördern klar dar­ zustellen. In den sexualpathologischen und forensischen Fällen (Exhibitionismus, Feti­ schismus, Transvestitismus, Sadismus, Lustmord usf.) hat sich der Test gut be­ währt (WALDER, LITTMANN, BÖHM4, M. WEBB5 usf.). Auf die Rolle des Sozial­ indexes wurde bereits hingewiesen (siehe Anmerkung VI). *

V. Allgemeine Psychiatrie und Neurosenlehre Auf diesem Gebiet konnte sich die experimentelle Triebdiagnostik - als Psychodiagnostikum - bedeutend schwerer durchsetzen als in der Kriminologie. Im Rahmen dieses Buches wurde auf die Ursachen dieses Tatbestandes bereits hingewiesen. Die Hauptgründe fassen wir hier nochmals zusammen: Der Test macht - neben den vergangenen und künftigen Schicksalsmöglich­ keiten - auch die aktuellen seelischen Pr ozesse - quasi in statu nascendi - sichtbar. Die psychiatrischen Diagnosen in einer Anstalt werden hingegen oft im Laufe der Jahre nicht den akuten seelischen Prozessen angepaßt, sondern die erste Diagnose klebt des öfteren - wie eine Etikette - weiter an dem Kranken, auch dann, wenn er schon längst Prozesse eines anderen Krankheitskreises erlebt oder aber schon völlig dement geworden ist. Sicher ist das nicht in allen Anstalten der Fall, aber in den meisten. Die Trieb Vorgänge wie auch die Ich-Funktionen bei Psychosen und Neurosen sind des öfteren keine starren, ewig uniformiert vorhandenen, son­ dern wandelbare Zustände innerhalb eines ständig in Fluß befindlichen seelischen Kreislaufes. Die experimentelle Triebdiagnostik mußte sich somit auch auf dem Gebiete der Diagnostik von Psychosen und Neurosen auf die Wandelbarheit des fließenden Trieb1 ELLENBERGER, H.: Psychose, Neurose oder Schicksalskreis? Szondiana I. Huber, Bern und Stutt­

gart, 1953.

2 DAVID, H. P. mit L. POLJAK: Vergleichende Syndromanalyse bei 100 Epileptikern und 100 Homo­ sexuellen. Szondiana II. S. 72-87. 3 WURMSER, L .: Raubmörder und Räuber. Kriminalistik. Hamburg, 1959. 1 BÖHM, E. : Ein Fall von masochistischem Transvestitismus. Szondiana I. 1953. S. 9-43. 3 a) WEBB, M. W.: Die klinische Bedeutung von Ergebnissen der Dur-Moll-Methode im SzondiTest. Szondiana II. Huber, Bern und Stuttgart, 1955. S. 88—111. b) SZONDI, MOSER, WEBB, The Szondi Test in Diagnosis, Prognosis and Treatment. Lippincott, Philadelphia, Montreal 1959, p. 172-245.

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und Ich-Lebens einstellen und nicht auf die - leider immer noch weit verbreitete - Auffassung von stationären, starren Krankheitseinheiten. Deshalb haben wir die Diagnostik von kli­ nischen Krankheitseinheiten aufgegeben und stellen nicht Diagnosen, sondern ermitteln die aktuellen Proportionen der krankmachenden Triebkreise. Wir beobachten somit durch fortlaufende Testaufnahmen den fließenden Gang des Prozesses, d. h. wie von Mal zu Mal in einem Kranken die Latenzproportionen seiner Erbanlagen sich ver­ ändern. Denn mit der Verschiebung der Latenzproportionen verändert sich stets auch das klinische Krankheitsbild (siehe Abb. 20). Der Anstaltspsychiater ist abgesehen von seltenen Fällen - schon aus Mangel an Zeit nicht in der Lage, diese Wandlungen der Trieb- und Ich-Prozesse im Schicksal der Einzelkranken zu ver­ folgen. Und so haftet die einmal aufgeklebte Etikette an dem Kranken so lange, bis er stirbt. Dem entspricht auch das Verhalten der gesunden Umwelt gegenüber Menschen, die einmal interniert oder verhaftet waren. Wir konnten aber zeigen, daß jeder Psychotiker die Anlage allen vier Krank­ heitseinheiten, d. h. zu den sexuellen, hysteroepileptiformen, schizoformen und zir­ kulären Kreisen in sich trägt wie auch die zu einer gesunden Existenz. Die Stärke­ verhältnisse der vier Anlage-, bvpv. Triebgruppen sind von Individuum %ii Individuum und auch bei dem gleichen Kranken von Zeit %ii Zeit verschieden. Die These von der Wandelbarkeit und der Inkonstanz aller vier sogenannten Krankheitseinheiten bekam eine Unterstützung durch die Erbpsychiatrie. «Es ist möglich» - so schreibt H.LUXEM­ BURGER - «daß ein Schizophrener neben dem vollen schizophrenen Genotypus manisch-depressive oder epileptische Teilanlagen besitzt und umgekehrt. Ich bin sogar der Ansicht, daß ein und derselbe Mensch querst epileptisch, dann schizophren und schließlich noc h manisch-depressiv werden kan n. Es besteht nach dem heutigen Stande der Erbforschung keine Veranlassung anzunehmen, daß die Erbpsychosen sich gegenseitig ausschließen.» Zu dem gleichen Resultat kamen wir auf Grund von Testuntersuchungen an 2671 Psychotikern. Wir erwähnen hier kurz den Fall eines 32jährigen Verwaltungsbeamten aus der Psychiatrischen Uni­ versitätsklinik Tübingen, der eben diesen Tatbestand klassisch demonstriert. Der Mann hatte als Kind einige M ale Krämpfe gehabt. Vor der ersten Aufnahme in die Klinik Tübingen war er zuerst in gedrückter Stimmimg, mit Minderwertigkeitsgefühlen und Arbeitsunfähigkeit. Dann kam ein plötzlicher Umschlag in Erregimg; er war dauernd in gehobener Stimmung, zeigte Größenwahn und hatte illusionäre Vorstellungen. In der Anstalt hegte er lange Zeit unkorrigierbare paranoide Ideen, hatte magische Fernwirkungserlebnisse und akustische Sinnestäuschungen. Die Klinik nahm bei dem Kranken bei der ersten Aufnahme eine Mischpsychose an; später wurde die endgültige Diagnose auf paranoid-halluzinatorische Schizophrenie, noch später auf Psychose mit manischen Zügen gestellt. Bei der z'"e'tel> Aufnahme wurde derselbe Mann mit der Diagnose Depression bezeichnet.

Im Test, der bei der zweiten Aufnahme in der Klinik aufgenommen wurde, gab er folgende Latenzproportionen : Cd +

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Die aktuelle Depression wurde durch den Test in Form des größten Latenzgrades EL± sichtbar gemacht. Auf Grund der /^--Latenz mußten wir aber auch auf eine epileptiform-paranoide Erkrankung schließen. In unserer Blind­ diagnose stand wörtlich: «.Das Paranoide in seiner Triebstruktur spielt aber die zweite Geige und wird von dem ständigen Depressiven überdeckt. » ; -Z=) Dieser Fall könnte als Paradigma dienen erstens; für die Wandelbarkeit der

400


klinischen Diagnosen; zweitens:/^ a&k nwk yp rowo^/ 9Är

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nen, in denen alle Diagnosen, mit denen der Kranke jeweils etikettiert wurde als Schicksals­ möglichkeiten - sogar den aktuellen quantitativen Proportionen entsprechend - sichtbar ge­ macht werden können1. Testsyndromatik, daß man Testsymptome, welche ausschließlich für akute Prozesse der Ayf/Wa AW&fg/z wo ßg/aka gÄro«Wg« Zraa/ba, o/f9k%d mgAy^^rB/k/G/ro-, /%w96*^ig4oa66gAa%d%w,gcwkr ;w ZiwZrAadÜMPdkr l^rmdbagMf^

dw/gg/M*ak« W . Schizophrene im Stadium der völligen Verblödung oder im Zustand der Heilung mit Defekt leben in einer völlig anderen seelischen Verfassung als 2u der Zeit, in der bei ihnen der Prozeß mit Wahnbildungen und Halluzinatio­ nen begonnen hat. Dies weiß jeder Psychiater nur zu gut. Und dennoch sucht man bei diesen chronischen Kranken im Test diejenigen Symptome, die nur für den akuten A.nfangspro^eß aufgestellt wurden2. Auch Epileptiker nach einer langjährigen Luminalbehandlung oder mit Hirnsymptomen geben andere Profile als Anfallskranke zu Beginn ihrer Krankheit. Es wäre unseres Erachtens in der Tat höchste Zeit, solch grobe Verwechslungen zu vermeiden. Aus dem Gebiet der Neurosenlehre erwähnen wir die Möglichkeit der Fehl­ diagnose bei der Zwangsneurose. Diese Kranken geben anfangs das klassische Zwangs-Ich : Sch i 0. Wird aber ein Zwangsneurotiker psychoanalytisch behan­ delt und werden ihm die vorausgehenden und verdrängten analsadistischen An­ sprüche in der Analyse bewußt gemacht, so kann später derselbe Zwangsneuroti­ ker das Ich-Bild : Sch -+- 0 andauernd liefern. In diesem Ich-Bild fehlt - eben wegen der Bewußtwerdung - das Zeichen der Verdrängung (— k) im Test, hingegen die Reaktionsbildungen im Ich - d. h. die Introjektion der Gegenansprüche von Milde, Reinheit und Güte - bleiben unverändert in seinem Charakter und somit auch im Test (+ k). Wenn dem so ist, so könnte man fragen, warum man den­ noch Psychotiker und Neurotiker testen soll? Unsere Antwort lautet: Sicher nicht, um eine klinische Diagnose %u bestärken. Sondern erstens, um die klinisch unsicht­ baren und unbewußten seelischen Vorgänge bei Geisteskranken durch laufende Serienauf­ nahmen sichtbar %u machen; zweitens, um die dem seelischen Zustand entsprechende TherapiedhüVkmj,

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wandte Therapie gewirkt hat und viertens - last but not least - um in die individuelle Psychologie der Psychosen und Neurosen - auch ohne eine Psychoanalyse - Einblick be­ kommen. Im besonderen müssen hier zwei Autoren erwähnt werden, die in dem oben angeführten Sinn den Test in den psychiatrischen Anstalten eingeführt haben. Prof. F. SOTO YARRITU, derzeit Präsident der spanischen Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie, hat auf Grund von Untersuchungen an 2352 Kran­ ken festgestellt, daß der Test in 85-90% aller seiner Fälle dem klinischen Verlauf 1 Der Fall wurde in der Triebpathologic als Fall 28, S. 319-326, ausführlich testologisch und klinisch ausgelegt. 2 Als Beispiel erwähnen wir die Arbeit eines finnischen Psychologen: RAUHALA, L.: «Über die Vali­ dität von SZONDIS Syndromatik der Schizophrenie» und die Kritik dieser Arbeit von A. BEELI : «Bemer­ kungen zur Arbeit von L. RAUHALA.» Beide erschienen in der Schw. Ztsch. f. Psychologie, Bd. 17, Heft 3, 1958. Ferner: VUYK, RITA: De Waardc van de Szondi-Tcst. Nederlands Tijdschrift voor de Psychologie, XI, 6, 1956. 26

Szondi, Triebdiagnostik

401


der Psychosen völlig entsprochen hat1. ERNEST STUMPER, Direktor der Heil- und Pflegeanstalt in Ettelbrück, Luxemburg, hat auf Grund von über 400 Fällen die Rolle der Triebe in der Pathogenese der Psychosen untersucht und die Leistungen der Testdiagnostik und Syndromatik mit einem absolut positiven Endergebnis überprüft2. Wir erwähnen hier noch unsere eigenen Untersuchungen an 180 Wahnkran­ ken3, die zu folgenden Ergebnissen führten: 1. Die Art der Wahnbildung wird durch die Art der Ich-Funktion bestimmt. 2. Wir unterscheiden sechs Arten von Wahnbildungen (Projektions-, Inflations-, Introjektions-, Négations-, Désintégra­ tions- und Integrationswahn), welche im Laufe des Krankheitsprozesses inein­ ander übergehen können; der Inhalt des Wahns wird aber stets von der Funk­ tionsphase bedingt, in der das Ich für eine Weile stehen blieb. Wir kamen in der Ich-Analyse zu folgendem Schluß : Eine Psychiatrie ohne die Anwendung der experimentellen Ich-Analyse steht auf derselben antiquierten Stufe, auf der die innere Medizin vor der Anwendung der Radiologie stand. Diese Psychiatrie - falls sie nicht eine analytische Behand­ lung im Sinne von ROSEN, B ENEDETTI, MME SECHEHAYE usf. durchführt - tastet unsicher in einer kranken Seele herum, deren Prozesse aber heute experimentell genau so sichtbar gemacht werden können, wie man die Lunge, das Herz, den Schädel oder die Niere mit Hilfe der Radiologie zu durchleuchten vermag. Bei den Neurosen hat der Test die Aufgabe, vor der Behandlung festzustellen: 1. welche Trieb- und Ich-Störungen hinter der Neurose stehen; 2. ob es ratsam ist, eine tiefenpsychologische Behandlung zu riskieren, d. h. ob durch das Wegschaf­ fen der neurotischen Symptome (z. B. bei einer bestimmten Form der Zwangs­ neurose) zum Schluß nicht doch die verborgene Schizophrenie in den Vordergrund dringen könnte; 3. während der Behandlung sind die Ursachen desNichtträumens, der Lochbildungen in den Assoziationen, der Widerstände zu eruieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß eine einmalige Konfrontierung des Neurotikers mit den Ergebnissen des Testes während der Analyse oft schlagartig, von einer Stunde auf die andere, den Fluß des Träumens und der Einfälle bewirken kann. Wir ivarten

testen. Der Test leistet auch gute Dienste bei der Differenzierung zwischen Psycho­ pathie und Neurose4. VI. Der Test im Dienste der Psychosomatik Im besonderen sind zwei Anwendungsformen hier zu erwähnen: Die Erforschung der seelischen Gründe und Schicksalsstrukturen bestimm­ ter sotnatischer Erkrankungen. Mit der Erwähnung von vier Arbeiten soll hier diese Anwendungsmöglichkeit dargestellt werden: 1 SOTO, YARRITU, F.: EI dcstino humano como problema cientifîco. Nucstros rcsultaclos con la prucba de SZONDI. Diputacion Foral de Navarra, Institucion principe de Viana, 1953, p. 259. 2 STÜMPER, E.: Triebstruktur und Geisteskrankheiten. Abhandlungen z. exp. Triebforschung und Schicksalspsychologie. Nr. 2. Huber, Bern und Stuttgart, 1956. 3 Ich-Analyse, 1956, S. 408—464. 4 Triebpathologie, Bd. I. Triebanalyse, S. 355ff.

402


1. Triebstrukturanalyse bei Lungenkranken1 von Dr. med. GERTRUD PETZ, Graz. In dieser Arbeit wurde experimentell auf die seelische Striikturverivandtschaft zwischen der Tuberkulose und der paranoiden Schizophrenie hingewiesen und ebenso wurden die Unterschiede herausgearbeitet. Diese Ergebnisse decken sich mit den Annahmen der Erbforschung und mit den Testexperimenten von Dr. med. HANS KILIAN, München. 2. Trieb- und Erbstruktur der Glaukomkranken von Dr. med. ULRIKE STUDER-SALZMANN, Augenärztin, Zürich. Die Autorin hat an 50 Kranken mit primärem Glaukom (grüner Star) Untersuchungen durch­ geführt mit zwei Fragestellungen. Erstens: kann man bei den Glaukomkranken eine gemeinsame Struk­ tur im Trieb- und Ich-Leben mit Hilfe des Testes feststellen? Zweitens: gehören die Glaukomkranken einem bestimmten Erbkreis an? Auf Grund der musterhaft durchgeführten Trieb- und Ich-Analysen der Kranken konnte die Auto­ rin mit Hilfe des Testes feststellen, daß «der Glau ko mkranke einen Menschen darstellt, der enttäuscht ob seines unbefriedigten Zärtlichkeitsgefühls und seiner konfliktuösen Beziehungen zu seiner Familie, zu den Mitmenschen, sich anscheinend dadurch zu helfen sucht, daß er sich vom Leben lossagt, dieses als wertlos, als ein Objekt der Enttäuschung ansieht, im Grunde aber seine eigene Schuld fühlt und sich am eigenen Leibe straft in Form von Krankheit, die ihn plötzlich oder allmählich des Anblickes der Welt ent­ hebt8». Auf Grund von genealogischen Untersuchungen an 1932 Blutsverwandten und 1534 Wahlverwand­ ten der Glaukomkranken ist es STUDER-SALZMANN gelungen - auch durch die Methode der Wahr­ scheinlichkeitsstatistik bestätigt - festzustellen, daß die Glaukomkranken dem epileptiformen, paroxys­ malen Erbkreis angehören. 3. Triebstruktur und schielende Kinder. Ein anderer Augenarzt, G. W. H. M. VAN A LPHEN, suchte mit Hilfe des Testes die Antwort auf die Frage, ob das Schielen (Strabismus) der Kinder — nebst somatischen Gründen — nicht auch eine psychische Grundlage habe. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren: 1. Schielende Kinder scheinen eine bedeutend größere Mutterbindung zu haben als ihre Altersgenossen. Sie leben in der Angst, die Mutter zu verlieren, und klammern sich krampfhaft an sie an. Sie sind Ak^eptationsneurotiker. 2. Als Folge des Gefühls, von der Mutter nicht angenommen zu werden, steigert sich bei schielenden Kindern die Projektionsbereitschaft (— ! />), sie erleben Minderwertigkeitsgefühle, werden miß­ trauisch und beschuldigen leicht die Umwelt. 3. Sie neigen zu paroxysmalen Wutausbrüchen. Der Autor macht einen genbiologischen und tiefenpsychologischen Zusammenhang zwischen dem Schielen und der paroxysmal-paranoiden Triebstruktur höchst wahrscheinlich. 4. Psychosomatik der neurotischen Hypochondrie von Dr. med. DIETRICH BLUMER, Zürich3. Der Autor hat mit dem Test und mit den auf Grund der Testergebnisse angeschlossenen Kurztherapien das alte Hypo­ chondrieproblem wieder in Angriff genommen. Er bestätigte völlig unsere schon 1947 in der ersten Auf­ lage dieses Buches publizierte Auffassung, daß hinter der Hypochondrie stets eine schwere Schuld- und Strafangst (+ e oder 0 e, — by, — k, + p oder 0p) steckt. Diese Schuld- und Strafangst bewirkt die Vor­ stellung, man könnte, als Strafe einer höheren Instanz, frühzeitig sterben. Hinter dieser Schuldangst steht die Haßliebe gegenüber einem sehr harten Elterntcil, zumeist gegenüber der Mutter. Das übermächtig gewordene narzißtisch geliebte Organ tritt an die Stelle der Haßliebe zur Mutter. Als eine weitere Folge der Introjektion des gehaßten Elternteils entsteht die Depression (FREUD).

Bei allen psychomatischen Erkrankungen sind die seelischen Faktoren nur Auslöser von erblich bedingten Reaktionen. Der Test hat in der allgemeinen Praxis des A rztes die Aufgabe, festzustellen, ob der Patient nicht doch auch aus seeli­ schen Gründen die somatisch vorhandenen loci minoris resistentiae seines Kör­ pers (Herz, Lunge, Magen, Darm usw.) aktuell dazu verwendet, sich aus einer un­ behaglichen Lebenssituation in die Geborgenheit und Unverantwortlichkeit des Krankseins zu flüchten. Dasselbe bezieht sich auch auf Unfallskranke. Wir hegen die Hoffnung, daß mit dem Fortschritt des psychosomatischen Denkens in der Medizin der Testapparat immer häufiger als Instrument der inneren Diagnostik verwendet werden wird. (Anmerkung VII weist auf weitere Arbeiten mit dem Test auf dem Gebiete der Psychosomatik hin.)

1 PETZ, G.: Szondiana I. 1953. S. 134-155. 2 SALZMANN (-STUDER) ULRIKE: Schicksalspsychologic und Glaukom (grüner Star). Szondiana II.

Huber, Bern und Stuttgart, 1955. 5. 129ff. 3 BLUMER, D.: Beitrag zur Psychologie der neurotischen Hypochondrie. Benno Schwabe, Basel, 1957.

403


VII. Die Anwendung des Testes %ur Kontrolle der Schocktherapien und der pharmako-psychodjnamischen Wirkungen y.

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Schocktherapie wurde schon in der ersten Auflage dieses Buches erörtert. Im Fall 3 stellten wir einen 49jährigen Maler vor. Der Patient kam in eine Privatklinik wegen Arbeitsunfähigkeit, Angstzuständen und Depression. Die erste Aufnahme (Abb. 16) entdeckte die Trieb­ gefahr im Masochismus (— 1 I j). Die zweite Aufnahme (Abb. 17) wurde nach einem Elektroschock ge­ macht. Dieses Profil beweist klar, daß die Elektroschocktherapie den Masochismus zum Verschwinden gebracht hat (0 s). Der Patient wurde wieder aktiv und fing an zu arbeiten.

Fall 67 demonstriert die merkwürdigen Wandlungen im Trieb- und Ich-Leben einer schizophrenen F rau. Es handelt sich um eine 24jährige Sprachlehrerin, die kurz nach ihrer Heirat in katatoner Form schwer schizophren wurde: völliger Negativismus, antwortet auf Fragen seit etwa anderthalb Jahren nichts, steht mehrmals täglich 15-20 Minuten regungslos in katatoner Stellung in der Ecke, halluziniert, monologisiert leise für sich unverständliche Sätze usw. Die Untersuchungen wurden so durchgeführt, daß wir kurz vor jeder Elektroschockeinwirkung und 25-30 Minuten nach Erwachen aus dem Schlaf, d. h. nach dem epileptischen Anfall, eine Triebprofil­ aufnahme verfertigten. Wir wiederholten in dieser Weise die triebpsychologische Untersuchung bei fünf Schockwirkungen. Die Resultate sind in Abb. 33 bildlich dargestellt. Die Lehre dieser Untersuchungen lautet: Auf dem Gebiete des sexuellen Vektors stellt sich 25-35 Minuten nach einem Elektroschock eine Wendung in das Gegenteil ein. Die Kranke gab in der schizophrenen Phase vor der Elektroschockwirkung ein vulgäres Sexualbild mit krankhafter Steigerung des Sadismus: S + +111 (siehe Abb. 33 Profilaufnahme I). 25 Minuten nach dem Krampfanfall gibt dieselbe Kranke schon das humanisierte Sexualbild, welches ihrer Kulturstufe entspricht. Aus der krankhaft positiven Reaktion + ! 1 ! s (sie wählte also alle sechs Mörderbilder aus, und zwar in sympathischer Richtung) wird 25 Minuten nach dem Krampfanfall — 1 s. Auch die Reaktion h macht eine Wendung in die kulturifizierte Richtung, aber in Vergleich mit der Reaktion s in geringerem Grade. Auch auf dem Gebiete der Kontakttriebe, also in der Beziehung zur Welt, sind wichtige Veränderun­ gen festzustellen. Vor den einzelnen Schockbehandlungen gab die Patientin viermal das irreale Kontakt­ bild C : sie klebt also an einem Objekt, vielleicht an einer Objektwelt, die sie schon verloren hat, von der sie schon völlig abgetrennt worden ist. 25-35 Minuten nach dem Krampfanfall gab sie dreimal (Profil II, IV, VIII) das Kontaktbild des Suchens eines neuen Objektes (+ d, + d). Die auffallendste Wandlung der Persönlichkeit ist aber auf dem Gebiete des Ich- Vektors festzustellen. Vor den Krampfanfällen gibt die Patientin das Ich-Bild des gehemmten, katatoniformen Zivangs-Ichs = Sch — 0, eine Reaktion, die uns klar zeigt, daß die Patientin in ihrer katatonen Phase mittels Verdrängung die paranoiden Bedürfnisse aus dem Bewußtsein zu evakuieren versucht. Daher die katatone negativistische Reaktion. Nach dem Krampfanfall zeitigte sie das entgegengesetzte Ich-Bild Sch + 0, also das Ich-Bild der Introjektion. Diese ganz eindeutige Wandlung der Persönlichkeit stellte sich bei vier Elektroschockbehandlungen ein. Die fünfte Behandlung war unwirksam (vgl. Abb. 33, Profil IX, X).

daß hei nicht zu alten Schizophrenen das gesunde Ich völlig intakt bleibt; es lauert nur im Hintergrund, um gelegentlich wieder auf die Bühne treten zu können, von der es durch das andere Ich, eben das «schizophrene» Ich verjagt worden ist. Aber wäh­ rend dieses schizophrene Ich auf der Bühne seine grauenhafte Rolle spielt, geht das gesunde Ich nicht zugrunde, es zerfällt nicht, sondern bleibt völlig unversehrt und unverändert im Hintergrund und wartet auf die Gelegenheit, wieder aufzu­ treten. Diese Behauptung konnten wir durch eine Serie von ähnlich angestellten Triebuntersuchungen bekräftigen. Nach dem Krampfanfall - durch Elektrizität oder Insulineinspritzung hervorgerufen - kam immer dasjenige Ich vorübergehend zum Vorschein, welches der Kulturstufe und dem Beruf der Patienten entspricht. Die erwähnte Patientin bekam - wie wir sahen - ihr Berufs-Ich zurück. Eine

404


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andere Patientin, die vor dem schizophrenen Schub Nonne war, bekam das be­ sessene, prophetenhafte Nonnen-Ich (Sch 0 -f ) zurück. Die Triebuntersuchungen unterstützen demnach folgende Auffassung: Zu Beginn der Erkrankung verursacht die Schizophrenie vermutlich keine organische, sondern nur eine funktionelle Störung im Ich. Diese Auffassung schließt die Möglichkeit nicht aus, daß nach vielen Jahren, vielleicht auf chemi­ schem Wege oder auf dem eines noch nicht bekannten Mechanismus, organische Folgen im Gehirngewebe - ähnlich wie bei der Epilepsie (SPIELMEYER) - sich ein­ stellen. Aber zu Anbeginn der Krankheit ist noch das alte Ich, die alte Persönlich­ keit unversehrt vorhanden, man kann sie sogar vorübergehend - auf dem Wege der Schocktherapie - auf die Bühne zurückholen. Etwas fehlt uns noch: die entsprechende Methode, mit Hilfe deren wir das alte Ich zwingen könnten, ständig auf der Bühne zu bleiben und seinen Platz nie dem kranken Ich der schizophrenen Persönlichkeit, das jahrzehntelang im Unbewuß­ ten lauern kann, zu überlassen. Die therapeutischen Erfolge von ROSEN, B ENEDETTI, Mme SECHEHAYE us w. sind vielversprechend. Auf diesem Forschungs­ gebiete prophezeien wir der experimentellen Triebforschung für die Zukunft eine wichtige Rolle.

Dieses aussichtsreiche Anwendungsgebiet wurde vom Verfasser 1947 er­ schlossen. Die Frage, auf welchem Gebiet des Trieb- und Ich-Lebens ein Schlaf-, Beruhigungs- oder Weckaminmittel eine psychische Wirkung auszuüben vermag, kann man mit dem Test leicht beantworten. Ein paranoider Mathematiker bekam eine Schlaf kur mit Somnifen-Injcktioncn. Wir machten bei ihm Triebprolilaufnahmen vor und nach der Schlafkur. Die Aufnahmen während der Schlafkur wurden natürlich in den Stunden verfertigt, in denen der Kranke während des Tages vorübergehend erwachte. vor

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Abb. 34a, Profil IV, durchleuchtet die Triebsituation vor der Behandlung. Das Triebprofil macht die paranoide egodiastolisebe, i chausbreitende Triebgefahr sichtbar: + !!/>. Die Aufnahme V, in der Abb. 34b durchleuchtet die Wirkung der Schlaf kur: die egodiastolisebe Triebgefahr ist verschwunden. A n der Stelle der krankhaft starken positiven Reaktion des /»-Faktors sehen wir eine negative /»-Reaktion, und zwar in Form . Der Kranke ist demnach schon im Drillstadium; er verlor völlig sein krank­ einer Anpassung: Seh haft ausgedehntes, besessenes, paranoides Ich. Die Schlaf kur wirkte demnach gefahrabwehrend, indem sie eben das gefahrbringende Triebbedürfnis, den /»-Anspruch zum Verschwinden brachte. Der Wert einer Therapie hängt aber von ihrer Dauerhaftigkeit ab. Nun, die Aufnahme VI (Abb. 34c), die etwa eine Woche nach der Beendigung der Schlaf kur gemacht wurde, schützt uns vor optimistischer Beurteilung der Schlafkur bei diesem Patienten. Dieses Profil zeigt uns klar, daß die egodiastolisebe Triebgefahr (in Form einer totalen Ich-Gefahr, Sch + + !) nach der Schlafkur zurückkehrte. Die Schlafkur wirkte demnach nur so lange, wie der Patient Somnifen-Injektioncn bekam.

Ähnliche Experimente mit Largaktil wurden von S. KULCSAR1 (Isr ael) und G. ELTZ2 (Zürich) mitgeteilt. Aus den USA hat J. L. MCINTIRE (Narberth, Pennsyl­ vania) am ersten «Internationalen Kolloquium über experimentelle Triebdia­ gnostik und Schicksalspsychologie» über seine Testuntersuchungen in der phar­ mazeutischen Industrie referiert3. In einigen Fällen von Schizophrenen und heboiden Kranken nach Lobotomie konnten wir in den Testprofilen nur im Randgebiet, im besonderen in bezug auf die Verminderung des Sadismus, eine Besserung feststellen, ansonsten aber blieb das Ich unverändert schizoform. *

VIII. Die Anwendung des Testes in der Berufsberatung Die Ergebnisse der Testuntersuchungen von F. MÉREI (Budapest, 1939 bis 1941) an mehreren tausend Arbeitern (von verschiedenen körperlichen, bedienen­ den und intellektuellen Berufen) konnten nicht publiziert werden, da bei der Bom­ bardierung von Budapest das Material zugrunde ging. Dieser Schaden konnte bis heute nicht ersetzt werden. Ein brauchbares Untersuchungsmodell zur Anwendung des Testes in der Be­ rufsberatung lieferte H. DREYER ( Nürnberg) 1953 mit seiner Arbeit «Triebstruk­ tur und Berufseignung. Triebdiagnostische Untersuchungen im Bergbau4». Der Autor stellte die Frage: Gibt es Menschengruppen mit spezifischen Triebstrukturen, die mehr oder weniger dazu neigen, Untertagearbeit zu leisten? Auf Grund von Serien Untersuchungen an 36 sehr guten, 51 durchschnittlichen und 13 schlechten Bergarbeitern stellte DREYER fest, daß die sehr guten Bergleute der Klasse Phy~ angehören, d. h. zu den paroxysmalen epiieptiformen Charakteren zählen. «Das Sicb-verbergen-Wollen scheint also bei den besten Bergleuten ein unbewußter Triebdrang sein.» Für die Berufstüchtigkeit der Bergarbeiter spricht auch die relative Stabilität des Tricblebens. Dafür erwähnt er den Umstand, daß die PA*1-"Klasse auch nach d er Arbeit fast die nämliche Häufigkeit erlangte wie vor­ her. Der Drang «sich zu verbergen» scheint somit bei den besten Bergleuten so groß zu sein, daß die Untertagetätigkeit nach mehreren Stunden dieses latente Bedürfnis nicht zu erschöpfen vermag. DREYER folgert daraus, daß je umweltlabiler das Trieblebcn einer Person ist, desto schlechter ihre Arbeitsleistung ist. Der Autor hat erstmals mit Hilfe des Testes auch Müdigkeitsfaktoren als Anhaltspunkte für eine M üdig­ keitsmessung (d. h. für die seelische Seite der Ermüdung) gefunden. 1 KULCSAR, S.: Recherches sur le Test de Szondi au cours du Traitement par la chlorpromazine. L'Encéphale, no 2, 1957, p. 140—145. 2 EL TZ, G. : Die psychodynamischen Auswirkungen von Largaktil, dargestellt an der i riebstruktur von sieben psychotischen Frauen. Vortrag, gehalten in der Arbeitsgemeinschaft für exp. Triebforschung und Schicksalspsychologie, am 28. November 1957. 2 MCINTIRE, J. L. : Possible relations of Szondian psychology to industrial and community pro­ blems. 4 D REYER, H. M. : Szondiana I. Huber, Bern und Stuttgart, 1953. S. 156ff.

407


Er glaubt ferner, daß für die verschiedenen Berufe klare, abgrenzbare Trieb­ klassen, d. h. Konduktorfaktoren bestimmt werden können, in ähnlichem Sinne also, wie wir es auf genealogischem Wege in der Schicksalsanalyse bereits festgestellt habenh DaEYER

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Arbeitsvorgesetzten und Arbeitern jiir die Ermittlung der Zusammensetzung beständig hartnonischer Arbeitsgruppen und für die kontaktfähiger Arbeitsvorgesetzter durch den Test brauchbare Hinweise für die richtigen « human relations » ausgearbeitet werden können. Dieses Programm zu verwirklichen wird künftig eine der wichtigsten Aufgaben der Internationalen Forschungsgemeinschaft bilden (siehe Anmerkung VIII).

IX. Die Rolle des Testes in der Eheberatung Die Hei rats kategorien in unserer Kultur beruhen nach der Schicksalspsycho­ logie - nebst Vernunftehen - auf der Regel der extrafamiliären Wahlverwandt­ schaft, d. h. auf der Regel des Genotropismus2. Diese Heiratsregeln unterscheiden sich von denen der Naturvölker darin, daß bei den sogenannten Primitiven das Inzesttabu sich nur auf die Clanverwandtschaft der Mutter bezieht, da ja in einem matriarchalen Dorfstaat die Kinder beiden Geschlechts dem Clan der Mutter an­ gehören. Nach der Meinung der Naturvölker hat der Vater an der Zeugung keinen Anteil, deshalb ist die sogenannte Vettern-Basen-Heirat (cross-cousins-marriage) aus dem «fremden» Clan des Vaters erlaubt (MALINOWSKI)3. Nun wissen wir, daß mit Hilfe des Testes die führenden Konduktornaturen der Ehekandidaten experimentell feststellbar sind. Somit ist der Test auch ein Instru­ ment zur Bestimmung des Grades von Genverwandtschaft zwischen den Ehe­ kandidaten. Der Verfasser und seine Mitarbeiter, U. MOSER4, A. BEELI, A. FRIEDEMANN, sammeln seit vielen Jahren Testmaterial von glücklichen, unglücklichen und ge­ schiedenen Ehepartnern. Zur Publikation der endgültigen Ergebnisse kam es bis­ her nicht, da das Eheglück und -unglück ein kompliziertes Phänomen von meh­ reren bedingenden Faktoren darstellt, die alle noch nicht genügend analysiert werden konnten. Nach S. F REUD g ibt es zwei Hauptkategorien der Partnerwahl. Und zwar: 1. die narzißtische Form, bei der also die Partner sich selbst in ihrer eigenen Charakterverfassung wählen; 2. die anaklitische Partnerwahl, bei der die Partner sich an das Idol eines Elternteiles anlehnen. Diese letztere Form der Ehe kann als ergänzende, komplementäre Partnerschaft aufgefaßt werden5. Auf Grund der Regel des Genotropismus wählen sich eigentlich die Partner auch dann narzißtisch, wenn sie kraft einer unbewußten Gleichheit der verborgenen Konduktornaturen in eine Partnerschaft treten. In diesem Sinne sind die Partnerwahlen unseres Erachtens entweder manifest-narzißtisch, d. h. der Partner wird auf Grund 1 Schicksalsanalyse. III. Aufl., 1965, S. 338-342. 2 SZONDI, L. : a) Analysis of Marriages. Acta Psychologie«, III. Nr. 1. The Hague, Martinas Nijhoff, 1937; b) Schicksalsanalysc. Benno Schwabe, Basel. I. Aufl., 1944, II. Aufl., 1948, III. Aufl., 1965, S. 137-260; c) Ich-Analyse. Huber, Bern und Stuttgart, 1956. S. 238ff. 3 a) MALINOWSKI, B. : Das Geschlechtsleben der Wilden. Grcthlcin et Co., Leipzig; b) Ich-Analyse. S. 236-246. * MOSER, U. : Psychologie der Partnerwahl. Huber, Bern und Stuttgart, 1957. 5 Vgl. hiezu: Ich-Analyse, S. 236ff., Abb. 7.

408


der eigenen manifesten und bewußten Eigenschaften gewählt, oder aber latent narzißtisch, d. h. die Partnerwahl wurde auf Grund der unbewußten G leichheit der • Konduktornaturen durchgeführt. Die genotropistische Analyse1 der Familien der Sich-Wählenden kann nur die Gleichheit bzw. Ungleichheit der Familien in bezug auf Erbkrankheiten feststellen. Sie ist aber unfähig, mit absoluter Bestimmtheit zu behaupten, ob die Liebenden selbst in der Tat genverwandt, d. h. gleichsinnige Konduktoren derselben Erbanlagen seien. Der Test hingegen — wie wir dies be­ reits in dem vorangehenden Kapitel erötert haben - ist dazu fähig. Wir sagten, daß im besonderen die Wurzelfaktoren die besondere Konduktornatur der Person aufdecken. Bei der Eheberatung sollte die Prognose in zwei Richtungen aufgestellt wer­ den. Erstens : Werden die Partner auf Grund ihrer Charaktere auf die Dauer zjtsammen-

/Ww« &WW« ? Zweitens: IPWf« ab ZWer ww BrMnm&MAw wrrfAw/ &Ä/W,yàAk die Eltern homologe Konduktorpersonen darstellen ? Während aber auf die zweite Frage mit Hilfe der erbstatistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung derzeit eine Antwort unter bestimmten Umständen — doch gegeben werden kann, können wir die erste Frage heute noch nicht mit Sicherheit beantworten, da uns die Erfahrung von Hunderten und abermals Hunderten von Eheanalysen gegenwärtig noch fehlt. Dennoch sind die bisherigen Ergebnisse für die Zukunft vielversprechend. Mit einem Beispiel versuchen wir dies zu belegen2. Fall 69. Beispiel zur Eheanalyse mit Hilfe des Testes. Es handelt sich um ein Ehepaar aus Ungarn, beide Psychiater; nach einem 15jährigen Zusammenleben wurde auf Grund der Untreue des Mannes und der zerrütteten Ehe die Scheidung offiziell ausgesprochen. Wir geben hier die Tendenzspannungstabellen beider Ehepartner, und zwar die VGP-e und die ThKP-e, ferner die Latenzproportionen, die Triebformeln und die Dur-Moll-Indices. Die Testaufnahmen wurden vier Jahre vor der Scheidung angefertigt. Wir be­ schränken uns hier nur auf die Erörterung derjenigen Testergebnisse, welche als Hinweis auf die tiefenpsychologischen Grundlagen der Scheidung aufgefaßt wer­ den können. I. Analyse der psychosexuellen Proportionen mit Hilfe der Dur-Moll-Methode 1. Die Totalproportionen: Der 38}ährige Mann zeitigt 34% Dur- und 66% ( !) ü/o/Zreaktionen, die 34jährige Frau 56% (I) Dur- und 44% Mollreaktioncn. Der Mann ist demnach seelisch invertiert (1 Dur zu 1.9 Moll), die Frau intersex (1.2 Dur zu 1 Moll) mit Überschuß an Männlichkeit. Die Ehe wurde somit zwischen einem äußerst femininen, invertierten, vermutlich latent homosexuellen Mann und einer bl­ öder intersexuellen Frau geschlossen. Beide waren also sexuell ebeunfähig.

2. Die vektoriellen Dur-Moll-Proportionen:

s

P

C

Sch

Dur: Moll

Dur: Moll

Dur: Moll

Dur: Moll

Der Mann

2:11

3:8

3:9

8:3

Die Frau

7:4

7:3

4:6

5:5 Intersex

1 Schicksalsanalyse. III. Aufl. S. 82-119. 3 SUGG-BJZLLINI, B.: Ehcpathologic und Eheberatung im Lichte der «Schicksalspsychologie». Szondiana VIII. Huber, Bern, 5. 96 ff.

409


Tabelle 21. Beispiel s>ur Eheanalyse aptm Fall 69 A. 38jähriger Mann Profil

Vordergrundprofile P Scb

J

Profil

c

I

±

±

+

0

0

0

0

I

II

+

+

+

0

0

—!

0

II

+

+

0

0

±

0

+! +

0

S

Theoretische Hintergrimdprofile P Sch

0

+

+

III

0

+

0

IV

0

+

0

c

±

±

±

±

±

±

+

±

±

±

0

±

+

±

+

±

III

±1

IV

±

-

V

±

±

+

J-

0

0

V

0

0

0

+

±

+

±

VI

+1

+

+

0

0

VI

+

±

-j_

+

+

VII

+!

-

0

0

±

±

VII

+

±

0

±

+

0

0

VIII

+

+

0

+

VIII

+

+

+

±

+

IX

+

0

0

+

— 1! +

+

IX

±

±

+ !! —

+

X

+

+

+

±

X

+

+

0

+

+

B. 34jährige Frau Profil

Vordergrimdprofile P Scb

s

Tbeoretische Hi ntergrtmdprofile

Profil

c

S

P

Sch

1

c

I

±

+

±

+

I

0

+

0

+

+

+

II

+

+

H-

H-

0

0

II

0

0

+

±

+

±

III

±

+

0

0

+

+

±

III

0

±

±

+

0

IV

0

+

0

±

+

+

IV

+

±

±

0

+

V

+

+

0

+

0

±

V

+

±

+

±

0

VI

+

±

+

0

+

0

±

VI

+

0

±

±

0

VII

+

0

±

0

+

VII

±

+

0

+

±

+

VIII

+

±

0

0

+

VIII

0

±

±

+

+

+

IX

0

0

± ±

+

±

+

IX

±

±

+

0

0

0

X

+

+

+

±

X

+

+

+

+

0

haten^ Proportionen beim Mann : 6 Scbk—" Cd— S'j— P 2

2

" 2

' 0

Triebformel des Mannes : pS w„»± ks b±,+ d+ —

410

Pe—

4

Cd— Sb + ! Schp+

*

2

'

1

1

Triebformel der Frau : by8±°

34% Dur

»s±° e,—±° j,»±+

66% Moll e+i~ by+, J—;

Laten^proportionen bei der Frau :

4i—

%+ p2+

56% Dur 44% Moll

9


Der Mann ist im Sexual-, Affekt- und im Ich-Leben extrem weiblich; im Kontakt aber ist er ein Mann, d. h. er sucht Frauenbeziehungen. Die Frau ist im Sexus und im Affektleben männlich, hingegen ist sie im Ich und im Kontakt intersexuell, sie sucht also Männer- und Frauenbeziehungen. Die Ehepartner hätten sich somit im Sexual- und Affektleben gut ergänzen können, aber mit vertauschten Geschlechts­ rollen. Im Ich und im Kontakt mußte sich zwischen ihnen eine Kluft einstellen, da hier die wechselseitige Ergänzung strukturell unmöglich war. Das intersexuelle Ich und die bisexuellen Kontaktbeziehungen der Frau müssen den weichen Mann ernst gestört haben. Er suchte ja d ie Beziehung zu einer Frau, die im Kontakt als Vollweib gelten sollte. Das heißt: Der Mann suchte ein weibliches Wesen, das er selbst zu sein wünschte, aber nicht sein konnte. Praktisch ausgedrückt: der Mann kann nur mit einer Frau glück­ lich sein, die in der Gesellschaft als Vollweib erscheint. Denn nur mit einer solchen Frau kann er seine Männlichkeit zur Schau tragen. Die Frau war in ihrer Erscheinung in der Tat von einer ausgeprägten intersexuellen Konstitution: klein, zum Fettanlegen neigend, im Gesicht und an den Extremitäten stark behaart; sie hatte enge Beziehungen zu Freundinnen. Als Frau war sie also das Gegenteil von dem, was im gesellschaftlichen Kontakt, d. h. repräsentativ eine schöne Frau darstellen konnte. Der Mann aber benötigte diese repräsentative Frau, um nach außen seine Inversionsneigungen zu tarnen. Und daran mußte diese Ehe zugrundegehen. II. Die Analyse der Triebformeln

Diese Analyse überzeugt uns davon, daß die Konduktor- und Symptomnaturen der Ehepartner so weitgehend verschieden sind, daß schon diese Diskrepanz das glückliche Zusammenleben stören musste. Die Triebformcln : des Mannes

Symptomfaktoren Sublatente Faktoren

der Frau

|/J°7|; wt°6+

Symptomfaktoren Sublatente Faktoren

h±t+ ; d+t—

Wurzel-, KonduktoriSk.x.ors.sY e+3—; |hy+ 31; s

2

Iv ' g"| m+f; e~4±0 ,r01+ +

Wurzel-, Konduktoriaktoren d~3; k 3; h+3; 1 />" 2 1

Die Schicksale der Erbanlagen der Eheleute weisen vier Jahre vor d er Scheidung folgende Diskre­ panzen auf: 1. Der führende Symptomfaktor des Mannes ist der Faktor p, den er zumeist entlädt (Sch I, II, III, VI: 0 0, viermal), vermutlich durch den Ich-Wechsel eines Invertierten, wobei er das männliche Ver­ drängungs-Ich {Sch IV, V, VIII) aufgibt, um einem feminin-projektiven Ich {Sch VII0 —) Platz zu geben. Ist er aber von der Ambitendcnz eines geschlechtlichen oder ichausdehnenden Bedürfnisses besessen (-)- p), dann negiert er diese — fast bis zur Selbstdcstruktion {Sch IX — ! ! +). Er benimmt sich negativistisch {— ! 1 k) im besonderen gegen die weiblich-invertierten Ansprüche (+/>)• Bei seiner Gattin ist das Schicksal des egodiastolischen Faktors p ein anderes: Die Frau trägt die Ich-Erweiterungstendenz unbefriedigt als Wurzelfaktor in sich; sie ist eine Konduktorin des paranoiden, machtausdehnenden Bedürfnisses.

2. Dieser Unterschied läßt verstehen, daß die Frau ihren Geltungsdrang zuungunsten des Mannes manifest auslebt (der Faktor hy is t bei ihr Symptomfaktor); der Mann hingegen muß seinen Geltungs­ drang in Form einer Hysterieanlage {P + +) als Wurzelfaktor in sich verbergen. 3. Beim Manne wendet sich die Aggression gegen ihn selbst, und zwar in Form von Passivität, Maso­ chismus bis zur Selbstdestruktion. Der Faktor s ist ja bei ihm Wurzelfaktor {s —). Hingegen ist die Aggression bei der Frau in Form von Aktivität und Männlichkeit sublatent, d. h. sie wird periodisch aggressiv. Dem Triebschicksal entsprechend gehört der Mann in die Klasse der depressi­ ven, masochistischen Selbstzerstörer {Schk ' ', Cd ,Ss ), die Frau hingegen in dieparoxysmale-epileptiforme Pe~-Triebklasse, in der man fast immer auch die Ich-Erweiterer und Machtmenschen findet.

Auf die Frage: warum mußten sich die Eheleute scheiden?, antwortet der Test: Erstens, weil beide wegen ihrer sexuellen, affektiven und ichhaften Verfassung eheunfähig waren. Der Gatte war ja weiblich-invertiert, die Gattin intersexuell. Zweitens, weil die Triebschicksale in bezug auf Erweiterungstendenz, Geltungs­ drang und Aggression vertauscht wurden. In dieser Ehe strebte die Frau nach Großsein, Macht und Geltung, sie war die aktive Partnerin in der Ehe. Der Gatte hingegen lebte seine inflativen Ambitendenzen durch den Ich-Wechsel von Mann-Frau-sein aus {Sch 0 0), mußte seinen Geltungsdrang unterdrücken und hatte gegenüber Ehe und Leben eine negativistische Einstellung. Drittens, weil

411


der invertierte Mann zu Anbeginn der Ehe die Frau vermutlich dazu benötigte, um sich selber zu beweisen, daß er als «Mann» ehefähig sei. Zu diesem Zweck diente ihm die Frau anfangs als das beste Objekt, da sie ja M ann-Frau, d. h. intersexuell strukturiert war. Die Ehe war aber nur eine «Transitehe». Nachdem der Gatte sich von seiner Manneskraft überzeugt hatte, ging er nun weiter und suchte sich die repräsentative Voll-Frau, die er unbewußt selber sein wollte. Er fand diese Frau und hat die Transitgattin verlassen. *

Mit der Analyse dieses Eheschicksals versuchten wir ein einfaches Schema für die testologischen Eheanalysen darzustellen. Nicht alle Partnerschaften sind aber nach diesem Schema zu verstehen. Bei bestimmten Eheberatungen müssen wir im besonderen der Analyse der Hintergänger der P artner eine ausschlaggebende Rolle beimessen. Man muß nämlich bei der Eheberatung stets auch die Frage beant­ worten, oh die Ehekandidaten den Hintergänger des Partners ertragen vermögen, falls diese «.Schatteny>-Seite epis odisch im Vordergrund der Persönlichkeit erscheint. Nach un­ seren Erfahrungen gibt es eine bestimmte Ehekategorie, bei der das Zusammen­ leben immer wieder eben durch das plötzliche Erscheinen des Flintergängers auf der Vorderbühne unmöglich wird. Bei der Eheberatung soll man demnach stets auch die wechselseitige Ertragbarkeit des Flintergängers der Kandidaten prüfen und sie mit dem Schatten des Anderen konfrontieren. Das Schicksal einer Ehe gestaltet sich unseres Erachtens nur dann günstig, falls die Partner nicht nur den Vorder-, sondern auch den Hintergänger ihres Lebensgefährten zu ertragen ver­ mögen. Und weil dies oft so schwer ist, leiden manche viel unter ihrer Ehepartner­ schaft, denn sie lieben ja n ur den Vordergänger und hassen den Hintergänger des Anderen. Sie vergessen, daß dieser Andere stets die andere Hälfte der Person ist1.

X. Der Test im Dienste der Genetik 1. Experimentelle Familien-, Konduktor- und Schicksalsforschungen Im Kapitel XXVII haben wir im Rahmen der Erörterungen der genetischen Bedingungen des Testes die Beweise dafür bereits gebracht, daß der Test auch pi'r experimentellen Familienforschung, im besonderen %ur Aufdeckung der spezifischen Konduktomatur der Vp gebraucht werden kann. Hier bleibt uns noch die Aufgabe übrig, zu zeigen, wie weitgehend man mit Hilfe der Latenzproportionen und der Triebformel das ganze Wahlschicksal eines Menschen und seiner Familie, also die Wahl in Liebe, Freundschaft, Beruf, Krankheit und die der Todesart zu bestim­ men vermag. Fall 70. Schicksalsanalyse eines Priesters. Ein 40jähriger katholischer Priester gab folgende Resultate in der Triebunter­ suchung : 1 BETTSCHART, W. und A. FRIEDEMANN fanden eine VerschränkungsmÖglichkcit der Wurzelfakto­ ren zwischen den verschiedenen Partnern in guten Gruppen. (Vortrag, gehalten auf dem ersten Intern. Kolloquium für Schicksalspsychologic, Zürich, 1958.)

412


Latetr^proporiionen: \Pe+\ A

Ss Scbk

'

-1 '

o

Triebformel:

C

n e, p, s

Auf Grund der Ergebnisse der experimentellen Triebdiagnostik können wir folgendes sagen: 1 Dieser Priester — wie die meisten unter den «Berufenen» — stammt aus einem epileptiformenparoxysmalen Erbboden (Klasse Pe+). Seine Triebformel gibt die Faktoren e, p und r als Wu^elfaktoren an. Wir müssen demnach: 1. unter seinen Verwandten, 2. unter seinen Freunden, 3. m der Berufstätig­ keit 4. in den familiären Erkrankungen, eventuell 5. in «Todesartwahlen» solche Schicksalsmerkmale finden, die aus der Quelle des epileptiformen-paroxysmalen (e), des icherweiternden-egodiastolischen (p), und endlich des sadistisch-aggressiven (s) Bedürfnisses stammen. Bei den näheren Familienuntersuchungen stellte sich folgendes heraus: A. Schicksahmerkmale des epileptiformen e-Kreises a) Krankheitswahl (Morbotropismus) :

1. A/ijraœkrank sind der Vater, eine mütterliche Großmutter und der Großvater; 2. Asthmatiker: die mütterliche Großmutter; 3. Enuretiker: der Bruder des Probanden; 4. Linkshändig: der Proband. b) Berufswahl (Operotropismus) :

Priester: der Proband. c) Freimdschaftswahl (Idealotropismus) :

1. Epileptisch ist der Vater eines Freundes, der wegen Psychosis epileptica interniert wurde; 2. Absenden hat ein zweiter Freund des Probanden; 3. Stotterer ist ein dritter Freund des Probanden; 4. Asthmakrank ist ein vierter Freund des Probanden. d) Todeswahl (Thanatotropismus) :

Zur Zeit des Nazi- und Pfeilkreuzlerterrors in Ungarn hat er sich mit der Mutter, die jüdischer Ab­ stammung war, und mit den Juden überhaupt völlig identifiziert. Er hat seine Mutter bei sich verborgen und - als man sie entdeckte - ist er mit ihr zusammen in den Märtyrertod gegangen. Beide wurden erschössen. Die Zugehörigkeit des Priesters zu der Klasse Pe+, d. h. der «Klasse der Gerechten und Frommen», hat somit auch seine Todesart als Märtyrer bestimmt. B. Schicksalsmerkmale des p-Kreises

1. Dementia paranoides war die Diagnose bei seiner Urgroßmutter. 2. In sozialisierter Form kam das ^-Bedürfnis bei dem Probanden in dem Drang zu Philosophie und Prophetentum zum Vorschein. Er schrieb ernste philosophische Werke und war ein Vorkampfer des Neokatholizismus in Ungarn. C. Schicksalsmerkmale des s-Kreises

1. Metzger war ein mütterlicher Urgroßvater; 2. Chirurg ist ein mütterlicher Onkel.

Die Wurzelfaktoren geben demnach genau diejenigen Richtungen an, in wel­ chen man die familiären Krankheits-, Freundschafts- und Berufswahlen zu suchen hat. 2. Die Anwendung des Testes in den Zwillingsforschungen Diese Anwendungsart war unsere erste Bemühung mit dem Test. In der 1939

413


publizierten ersten ungarischen Arbeit1 über den Test versuchten wir die Frage der Beziehungen zwischen der Umwelt und dem Erbe in der Erziehbarkeit der Triebe und des Ichs zu beantworten. Auf Grund von Testuntersuchungen an 36 eineiigen, 36 gleichgeschlechtlichen zweieiigen und 25 verschiedengeschlechtlichen zweieiigen Zwillingspaaren (insgesamt 97) kamen wir zu folgenden Behauptungen: a) Die Elementarfunktionen des Ichs, die Faktoren k und p, sind mehr erb- als umweltbedingte seelische Funktionen. Die umweltstabilste Funktion ist die Stellungnahme des Ichs den Trieben, also Faktor k. Da aber auch hier die Umwcltfaktoren mitspielen, ist die Möglichkeit einer Ich-Erziehung nicht völlig ausgeschlossen. b) Relativ erfolgreicher ist die Bildung einer sozialen Schranke gegen die tötende Gesinnung Kains (Faktor «); dann gegen die Aggression (r) und die analen Ansprüche (d).

Abb. 35. Profile eineiiger Zwillinge (A und B) 1 SZONDI, L.: a) Trieb und Erziehung (ungarisch) Lélektani Tanulmânyok III. Psych. Inst. d. Uni­ versität Budapest, 1939. S. 79-111. b) Deutsch: Schw. Ztsch. für Psychologie und ihre Anwendungen, 1946. Bd. 5.

414


c) Bei den Faktoren hy u nd m, d.h. bei dem Geltung:- und Anklammcrungsdrang halten Umwelt und Erbfaktoren die Waage im Gleichgewicht1 (Abb. 35). Diese ersten Ergebnisse an Zwillingen wurden später durch andere Autoren bestätigt, so von IRENE RÜEGG-MARTON durch Untersuchungen an Drillingen. Die Autorin konnte mit dem Test die Eineiigkeit zweier Drillinge und die Fremdartigkeit des dritten in exakter Weise feststellen. Die klinischen und die experimentell-testologischen Ergebnisse stimmten iiberein2. ANTI-ION Y R. KRAUS (Chief Clinical Psycho­ logist, New Hampshire State Hospital and Consultant to the New Hampshire Mental Hygiene Clinics for Children) fand, daß ein lOjähriges eineiiges Zwillingspaar von 48 Bildern 44 (!) gleichartig wählte und daß die diskordanten Wahlen alle auf den EKP-Versuch fielen.

Damit wurde die genbiologische und erbpsychologische Natur des Testes auch durch die Zwillingsuntersuchungen bestätigt. Eben darin unterscheidet sich ja der Test von allen anderen Testverfahren. Nach A. R. KRAUS hab en z. B. dieselben eineiigen Zwillinge im Rorschach-Test völlig verschieden reagiert3.

ZV, .X/wWw# ^ TWw

W

Die erste Auflage dieses Buches, 1947, haben wir mit folgendem Satz beendet: «Gelänge es jemandem gelegentlich einer Forschungsreise, das Triebleben der sogenannten ,Wilden' und ,Primitiven' mit Hilfe der experimentellen Trieb­ diagnostik zu durchleuchten, so müßten wir vielleicht auf dem Gebiete der Ethnopsychologie manches Wissen und manchen Glauben revidieren. Würde sich bei diesen vergleichenden Triebuntersuchungen an ,Wilden' und ,Kulturmenschen' herausstellen, daß die sogenannten ,Wilden' in bezug auf das Triebleben eigentlich nicht wilder sind als die sogenannten Kulturmenschen, wie sehr würde man er­ staunen4.» Nun hat inzwischen Dr. med. E. PERCY, der jahrelang im Albert-Schweit^erSpital in Lambarene als Oberarzt tätig war, an 136 gesunden Buschnegern - die ihre kranken Familienmitglieder aus dem Urwald in das Spital begleiteten - Serien­ untersuchungen mit dem Test durchgeführt, und zwar an Mitgliedern der Fang, Galoa, Akele, Massango, N'komi, Eshira und anderer Negerstämme von Französisch-Äquatorialafrika. PERCY hat nun das Material dem Internationalen Archiv in Zürich zur Verfügung gestellt. Eine ausführliche Darstellung der Triebstruktur dieser «Wilden» steht noch aus. Hier stellen wir nur kurz einige auffällige Ergebnisse dar, um die Brauch­ barkeit des Testes in der Ethnopsychologie zu prüfen. Von den insgesamt 136 Eingeborenen-Testserien wählten wir 95 mit Zehner-, einen mit Achter- und vier mit Sechserserie aus, um auf Grund von 100 Serien zu einer Orientierung zu ge­ langen. Der einzige psychotische Fall unter den 136 wurde ausgeschieden. Von den 100 Fällen gehörten 50 dem männlichen und 50 dem weiblichen Geschlecht an. Das Alter der Männer lag zwischen 15-60, das der Frauen zwischen 15-50 Jahren. Nur drei Männer und zwei Frauen gehörten der Alterskategorie von 65-70 Jahren an. Das hier berücksichtigte Material umfaßt insgesamt 928 Einzel­ teste. 1 In der « Ich-Analyse » findet der Leser die ausführliche Darstellung dieser Zwillingsuntersuchun­ gen, 1956, S. 375-378. 2 RÜEGG-MARTON, IRENE: Triebstrukturanalyse bei Drillingen. Szondiana I. S. 180—198. 3 KRAUS, A. R.: (New Hampshire, USA) Different Layers of Personality explored by the Szondi and Rorschach Tests. A study of a pair of identifical twin brothers. 41. Aufl., S. 256.

415


I. Die Verteilung der faktoriellen Triebspannungen Die Tabelle 22 gibt Auskunft über die Rangfolge der Größen der Quantum­ spannungen in den verschiedenen Faktorenräumen. Tabelle 22. Rangreihe der faktoriellen Ouantumspannungen bei 100 Buschnegern aus Französisch-Â quatorialafrika Rangplätze Faktoren

1

2

3

4| 5 I 6

+ 1 b —•! P — 1 m — I r l +

Größe der Quantum­ 1161 26g spannungs­ zahl der 1

170

117 j 72

7

8

9

10

11

12

13

U+ \bj — \e — ld — \hy + ! / — \k + \k + le 40

30

15

12

11

11

8

5

14

+ '/> 4

15

16

+ ! m — 1b 2

Nach der Tabelle 22 ist demnach bei den Buschnegern der Drang nach Liebe und Zärtlichkeit über alle Massen aufgestaut. Eine ähnlich große Quantumspannung im Gebiet der Liebe und Zärtlichkeitfanden wir bisher nirgends. ( In den 982 Testprofilen lieferten diese Eingeborenen 1161 Ausrufezeichen.) Zwei Deutungsarten sind zum Ver­ ständnis dieser Tatsache möglich. Erstens, daß diese Eingeborenen ab ovo ein quantitativ enorm großes Zärtlichkeits- und Liebesbedürfnis angeboren in sich tragen, welches - schon der Größe wegen - praktisch nie befriedigt werden kann. Die zweite Annahme wäre die, daß die besondere Art des Familienlebens und der Erziehung in einem matriarchalen Dorfstaat, wo ja d ie Grenzen der inti­ men Familie durch die «klassifikatorische» Verwandtschaft ausgedehnt werden, schon frühkindlich die natürlichen Wege der Zärtlichkeitsbefriedigung versperrt. Eine endgültige Antwort auf diese Frage könnte man nur durch vergleichende Untersuchungen an anderen Primitiven gewinnen. Zwei weitere Ergebnisse machen es aber wahrscheinlich, daß hier an erster Stelle der soziale Aufbau der Familie (Mutterrecht und Vaterliebe), ferner das Tabu des Clan-Inzestes, welches zur Ein­ schränkung der Wahlmöglichkeit der Liebe führt, diese immense Spannung im Liebesleben der Eingeborenen verursachen. Diese Ergebnisse behandeln wir unter 2. und 3. 2. Die Quantumspannungen auf dem Gebiete der Projektion stehen auf dem ^weiten Platz der Rangfolge. Wir deuteten dies in der «Ich-Analyse»1 als ein Zeichen der Steigerung des Partizipationsbedürfnisses der Eingeborenen, welches sich in dem religiösen Einssein mit den Totemahnen, in der Solidarität mit dem Clan und mit der klassifikatorischen Verwandtschaft2 manifestiert. Das Ich dieser Einge­ borenen ist des öfteren das archaische, primär-projektive, partizjpative Ich, welches wir bei den Europäern nur im frühesten Kindesalter oder bei erwachsenen paranoiden Schizophrenen finden {Sch 0 — !, 0 — ! !, 0 — !!!). Mit diesem Ich könnte ihre prälogisch-okkulte Denkart zusammenhängen. Die Fixation dieser Eingeborenen auf der primitivsten Partizipations- und Projektionsstufe konnte tiefenpsycholo1 Ich-Analyse, S. 524f. Die unwichtige Differenz zwischen den Daten der Tab. 29 der «IchAnalyse» und der Tab. 22 dieses Buches kommt davon, daß wir hier die 95 Zehnerserien mit anderen Achter- und Sechserserien des Alters wegen zu 100 ergänzt haben. 2 Siehe Ich-Analyse, S. 241 f.

416

0


gisch ebenfalls - wie die Stauung der Liebe und Zärtlichkeit - auf die besondere soziale Umwelt und Erziehung der Kinder zurückgeführt werden. 3. Diese Annahme scheint im besonderen dadurch bekräftigt zu werden, daß die Quantumspannung im Raum des Abgetrenntseins von der Mutter (— ! ni) den dritten Platz in der Rangfolge einnimmt. Das sogenannte Abtrennungsbild (C + •—) ist bei Buschnegern äußerst häufig (188:442). 4. Auf dem vierten Platz der Quantumspannungsreihe steht: die Hingabe, die Passivität, die Wendung der Aggression gegen die eigene Person, d. h. die Reaktion — 1 j, im besonderen bei erwachsenen Mä nnern. Dieses Ergebnis wirft alle vorgefaßten Meinungen über die vordergründige Wildheit der Primitiven um. Man hatte erwartet, daß bei den «Wilden» im Bedürfnis der Aggression und des Sadismus die größte Triebspannung herrsche. Die Testbefunde beweisen aber das Gegenteil. Während die Größe der Spannung im Raum der Aggression nur 11 !ist, erreichen die Hingabe, die Passivität und die Wendung der Aggression gegen die eigene Person die Größe 117! Wir müssen somit annehmen, daß sich diese passive Hingabefähigkeit erst in Kriegsbeilen in eine Aggression ?nit derselben Spannung verwandelt, also dann, wenn der aggressive Hinter­ gänger auf die Bühne tritt (+ ! 11 s). Für die Richtigkeit dieser Ergebnisse spricht trieb- und ichpsychologisch die bekannte korrelative Beziehung, welche zwischen dem Drang nach Zärtlichkeit (-f- ! h) und dem Bedürfnis nach Partizipation (— ! p) und nach Hingabe (— ! r) im allgemeinen be steht, im besonderen dort, wo man frühzeitig abgetrennt wurde (—! m). Die enge Beziehung, die zwischen den vier (-f- ! h, — ! p, — ! >n un d — ! r) in der faktoriellen Spannungsreihe füh­ renden Bedürfnissen bei den Buschnegern besteht, spricht allein schon genügend gegen die Annahme, daß die Wahlhandlungen dieser Primitiven den erörterten Bedingungen der Bilderwahl nicht entsprochen hätten. Wir fanden ja in den Ein­ zelprofilen und in denen der Gruppen so oft diesen wiederkehrenden ViererSymptomenkomplex, daß man an eine Unbrauchbarkeit ihrer Bilderwahl nicht den­ ken kann. *

Die Tatsache, daß die primitiven Männer - wenigstens im Vordergrund des Alltagslebens in einem matriarchalen Dorfstaat - doch nicht so wild sind, wie sich das die Weißen früher vorgesteht haben, beweisen auch die Ergebnisse der DurMoll-Indices. II. Die psjchosexuellen Proportionen bei Buschnegern Die Ergebnisse der Dur-Moll-Proportionen werden in der Tabelle 23 aufge­ zeigt. (Die sechs Jugendlichen unter 15 Jahren figurieren hier nicht.) Tabelle 23. Dur-Moll-Proportionen bei Buschnegern von Französisch-Äquatorialafrika Vektoren

—».

Gruppen

|

P

Sch

C

Dur: Moll

Dur: Moll

Dur: Moll

Dur: Moll

45 Männer (15-60 Jahre)

521:560

310:165

309:258

451:91

59,7% : 40,3% = 1.4 D : 1M

49 Frauen (17-50 Jahre)

521:432

339:192

390:239

513:113

64,3% : 35,7% = 1.8 D : 1 M

27

Szondi, Triebdiagnostik

Total Dur % : Moll %

417


1. Die Frauen der Buschneger sind im hohen Grade männlich, ja sogar männlicher als ihre Männer. Die Dur-Moll-Proportion der Frauen ist 1.8 Dur zu 1 Moll, die der Männer nur 1.4 Dur zu 1 Moll. 2. Die Frauen zeitigen in allen vier Vektoren eine invertierte Verschiebung in der Richtung der Männlichheit, die im besonderen im Affekt- und Kontaktleben groß ist. Die Buschmänner hingegen sind im Sexualleben in der Richtung Moll leicht verschoben und nur im Affektleben sind sie starke Durmenschen. Man könnte die Buschmänner im Sexus und im Ich mit Recht sogar als psychisch intersexuell bezeichnen. (Im Vektor J: 1 Dur: 1.06 Moll; im Vektor Sc/r. 1 Dur: 1.1 Moll.) Wir betonen, daß diese «Intersexualität» der Buschmänner rein psychischer und nicht somatischer Natur ist. Die Genetik hält es ja fü r wahrscheinlich, «daß Erbanlagen, die beim Menschen Intersexualität bedingen, nicht aus der Erbmasse normaler geographischer Rassen stammen, sondern daß es sich um abnorme, durch Muta­ tion entstandene Erbanlagen handelt»1 (F. LENZ). Demnach ist die Annahme wahr­ scheinlich, daß 1. die Stauung der Liebesansprüche, 2. die enorm große Partizi­ pationstendenz, 3. das Abgetrenntsein von der Mutter, 4. die passive Solidarität mit dem Clan, 5. die enorm starke Männlichkeit der Buschfrauen und 6. die see­ lische Intersexualität der Buschmänner im Sexual- und Ich-Leben Folgen des familiären und sozialen Dorfstaates sind, in dem die seelischen Konflikte an erster Stelle zwischen dem Mutterrecht und der Vaterliebe2, zwischen den kollektiven Ehegesetzen und den natürlichen Liebesneigungen, zwischen der klassifikatorischen und der Blutsverwandtschaft im engeren Sinne entstehen. *

Diese Beispiele aus dem Triebleben der Buschneger aus Französisch-Äquatorialafrika sollen genügen zur Festigung der Behauptung, daß der Wahltest in der Ethnopsychologie den Ethnologen einen außergewöhnlichen Dienst zu leisten vermag. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ja der Test wortlos, ohne Sprache, eben die­ jenigen Kenntnisse über das Unbewußte der Primitiven kundgibt, die ein Ethno­ loge durch einen Gewährsmann, durch Frage und Antwort auch bei mehrjähri­ gem Aufenthalt bei den Primitiven niemals gewinnen kann (siehe Anmerkung IX).

1 BAUER-FISCHER-LENZ: Menschliche Erblchrc. Lehmanns Verlag, München, 1936. IV. Aufl. S. 403. 8 MALINOWSKY, B.: a) Sex and Repression in savage Society, London, Kcgan Paul and Co. New

York, Harcourt Brace and Co., 1927;

418

b) Sitte

und Verbrechen bei den Naturvölkern. A. Francke, Bern.


ATLAS

DIE WICHTIGSTEN PATHOLOGISCHEN UND PHYSIOLOGISCHEN SYNDROME



A. Testsyndrome von pathologischen Processen Unter Testsyndrom verstehen wir einen Komplex von faktoriellen Reaktionen, der für den beginnenden Prozeß und nicht für die «klinische Diagnose» charakteristisch ist. Dasselbe Testsyndrom kann somit bei den verschiedenen «klinischen» Diagnosen vorkommen.

S ?... Sch C h : s e'hy k i p d :m

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Abb. 36

Abb. 37

Abb. 38

Abb. 39

Syndrom der Trauerarbeit nach Verlust des Objektes

Syndrom des Abgetrenntseins mit Destruktion und Aggression

Syndrom des Ich-Verlustes mit Selbstzerstörung

Syndrom der Spaltung

S P Sch C h : s e;hy k : P d i m

s P Sch C his ehy kip dim

p Sch C S h 6 e+iy k : P dm

1 ••I

ili

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Abb. 40

Abb. 41

Syndrom der Schuldangst und Strafangst

Syndrom des Zwangs

Abb. 42

Abb. 43

Syndrom der Paroxysmalität a) Das post-

b) Das interparoxysmalc Syndrom paroxysmale Syndrom (e =0) (e = -)

421


Pathologische Syndrome (Fortsetzung)

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S

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b)

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1 ÉP1 Abb. 44

Abb. 45

Syndrome der tötenden Gesinnung Das «Kaiii En

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S P Sch c h : s e h y k i p d:m

s P Sch C h s e ny kïp dm

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Abb. 48

Syndrome einer Dualunion

422

w 3i11 Abb. 46 Syndrom der sexuellen Inversion

S . p Sch C h : s e h y k P d im

0&

WL

Abb. 47

p Sch C S h s ehy k P dim

a) Syndrom des sich abtrennenden, verlassenden

b) Syndrom des abgetrennten, verlassenen

Partners

Partners

Abb. 49 Syndrom der Verneinung des Lebens Der negative Block (MILREI)


B. Testsyndrome von physiologischen Processen

s I P ]S . ç h H : 8 m JüP.

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J.sNI

S P Sch c h i s efiy k P d i m

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Abb. 50

Abb. 51

Abb. 52

i) Syndrom der Trieb angst z. B. bei Onanisten

,b) S yndrom der Straf­

Syndrom der «Torschlußpanik»

P Sch c S h i s e*y k i p d i m

angst z. B. bei Onanistcn

A

Abb. 54

Abb. 53

Syndrome der Senilität a) Paranoide Form

b) Infantile, regressive

Form

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Sch e h y k i P dim !

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c.

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Abb. 55

Abb. 56

Abb. 57

Abb. 58

Syndrom des Unglücklichseins

Syndrom des «Sich-zur-SchauTragens»

Syndrom der Ich-Verstellung in der Vereinsamung

Syndrom des Rivalisierens

423


Humanisationssyndrome

S P Sch C h; s e Jiy k P d im

S P Sch C h : s ehy k;P dim

0

0

Abb. 59

m

Abb. 60

Abb. 61

Syndrome der Humanisierimg der Triebe: Klassische Form

Die aktive, männliche Humanität. Humanitas militons

Die passive, weibliche Humanität. Humanitas feminina

S P Sch h :8 e hy k : P

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424

Abb. 62

Abb. 63

Die gottsuchende Humanität. Humanitas religiosa

Die antike, hellenistische Humanität

C dm


INHALTSVERZEICHNIS DER ANHÄNGE I-IV Vorbemerkungen Allgemeines über die Methoden zur Bestimmung der experimentellen Existenzskala (EES)

428 429

ANHANG I

Methodik der Indikationsstellung zur Psychotherapie auf Grund der Skala der Existenzformen (nach SZONDI) 432 ANHANG II

Die Psychotherapie-Prognose mit Hilfe der «Experimentellen Triebdiagnostik» nach A.BEELI . . .

441

ANHANG III

Stufen der Ich-Entwicklung

447 ANHANG JV

Die Frage der Para Ilei -Bi I dcrserien zum Szondi-Test

450

Anmerkungen I-1X Sachregister

459 465

425



ANHANG I-IV


ANHANG I-IV

VORBEMERKUNGEN

Wir möchten vermeiden, die Einheitlichkeit der Deutungsmethoden, welche sich durch Jahrzehnte bewährt haben und im Text des Buches behandelt wurden, zu stören; und zwar durch Darstellung solcher Methoden, deren praktische An­ wendung in der alltagspsychologischen Praxis große Schwierigkeiten bereitet oder deren theoretische Grundlage zur Zeit noch diskutabel ist. Als solche erach­ ten wir folgende Methoden: Erstens: diejenigen, welche auf der Basis der sogenannten «Existeiryjnöglichkei/,//» aufgebaut wurden. Also: E die Methode der AryaW/brapie nach !.. SZONDI; 2. die Methode der Prognose- und In dikationssielhmg einer Psychotherapie n ach A. BEELT. Zweitens: die Methode y tir Analyse des Ich-Schicksals und Triehschicksa/s, welche auf deM St/fengang der Ich-Entwicklung (A,B,Ç,D,E,F) fußt. Zur ersten Gruppe möchten wir betonen, daß sowohl unsere Methode zur Indikationsstellung wie auch die zur Prognosestellung nach A. BEELI praktisch brauchbare Methoden darstellen, aber ausschließlich in den Händen eines «einge­ fleischten Schicksalsanalytikers», der sich in die Test-Syndromatik und in die schicksalsanalytische Denkweise vollständig eingearbeitet oder auf diesem Ge­ biete mehrere Jahre hindurch Forschungen durchgeführt hat. Diese einengenden Bedingungen waren wir aufzustellen gezwungen, da die Erfahrungen mit den Psy­ chologen der Alltagspraxis ungünstig ausfielen. Denn: die Einreihung der Einzel­ profile in eine oder zwei Kategorien der Existenzmöglichkeiten setzt eine außer­ ordentlich große, differenzierte psychiatrische, psychopathologische und testsyndromatische Erfahrung voraus, über die ein Alltagspraxis ausübender Psycho­ loge nicht verfügen kann. Die Folge war, daß das gleiche Profil von mehreren Psychologen in die ver­ schiedensten, oft sogar polar entgegengesetzten Kategorien der Existenzmöglich­ keiten eingereiht und somit die Verläßlichkeit der beiden Methoden in Frage gestellt wurde. Auch die «subjektive Note» des Psychologen spielt bei der Ein­ reihung der Profile in die Skala der Existenzmöglichkeiten eine so gewichtige Rolle, daß die Resultate unbrauchbar wurden. Wie so oft, haben wieder die Men­ schen und nicht die Methoden versagt. Darum mußten wir uns entschließen, die Anwendung der Indikations- und Prowr d"/ /G/fWf C r#,, 9&r zw/ riger Erfahrung yti beschranken. In deren Händen funktionieren aber diese Methoden meisterlich. Zum zweiten: In der ersten Auflage dieses Buches (1947) haben wir im Kapi­ tel XXII die Phasen- und Variationsformen in der Entwicklung des Ichs «Ich­ stufen und Lebensperioden» ausführlich behandelt (S. 175-207). In der zweiten Auflage (1960) haben wir aber diese Methode weggelassen. Und zwar, weil das durchschnittliche Tempo wie auch die «Marschroute» der Ich-Entwicklung in den verschiedenen Ländern wegen des Klimas und der verschiedenen Rassen ver­ schieden ist. Folglich führten die Untersuchungen auf jeder Altersstufe in den ver-

428


schiedenen Ländern zu verschiedenen Ergebnissen. Dieser Umstand wurde aber auf die negative Rechnung der Validität des Tests gebucht. Mehrere Forscher, besonders jene, die gerade in der Frage der Forschung der Unterschiedlichkeit und Variabilität der Ich-Entwicklung nach Rasse, Klasse usw. interessiert waren, baten uns, die Ich-Stufen (A-F) in der nächsten Auflage wieder aufzunehmen. Nun haben wir diesem Verlangen - zwar abgekürzt - Genüge ge­ tan und auch diese Methode im Anhang III dargestellt. Wir ersuchen nun den Leser, diese Vorbemerkungen bei den nachfolgenden Methoden zu berücksichtigen. Im letzten Anhang (IV) werden wir die häufig aufgeworfene Frage der Parallel-Bilderserien zum Szondi-Test behandeln.

ALLGEMEINES ÜBER DIE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER EXPERIMENTELLEN EXISTENZSKALA (EES)

Obwohl wir von der Möglichkeit einer Existenzbestimmung mit dem SzondiTest erstmals im Jahre 1960 sprachen1, ist der Grundgedanke der Methode nicht neu. Er kam zum erstenmal in der Form zur Anwendung, daß wir mehrere, mög­ lichst 10, und nicht ein oder zwei Profile, aufnahmen. Wir gingen dabei von der Annahme aus, daß fast jedes Profil über eine andere Schicksalsmöglichkeit derselbe n Person K unde gibt. Die klinische Anwendung des Tests zwang uns aber, vorder­ hand solche Deutungsmethoden zu entwickeln, die dem klinischen Psychologen, der an erster Stelle auf die Diagnostik eingestellt ist, Hilfe leisten. So entstan­ den die bekannten Methoden: I. Rand und Mitte, II. Komplementmethode, III. Linnäusmethode, IV. Proporzmethode, V. faktorielle Assoziationsmethode, im besonderen aber VI. die Syndromatik2. Erst die schicksalsanalytische Thera­ pie3, die ja im besonderen auf der Vertauschung «ganzer» Existenzformen der Person fußt, brachte die Notwendigkeit mit sich, alle angeborenen Existenzformen der Person in einer Skala darzustellen, die uns in der Therapie als Wegweiser bei der Vertauschung der Existenzformen dienen sollte. Zur Zeit arbeiten wir mit 17 Existenzformen (siehe Tabelle 24). Die Definition der «Existenz» in der Experimentellen Existenz-Analyse (EEA) entspricht nicht der Ht.iDEGGERSchen Bestimmung. Sie hat mit der Existenzphilo­ sophie nichts zu tun. HEIDEGGER sa gt: «Das Stehen in der Lichtung des Seins nenne ich die Ex-sistenz des Menschen». In der Schicksalsanalyse bedeutet hingegen «Existent» einerseits «ek-sistentia», das Vorhandensein, das Zum-Vorschein-Ko?nmen, jene A.rt, wie etwas vorhanden ist, anderseits den Fortgang des Menschen im Werden. Nach dieser futuristischen Bestimmung hat also jeder Mensch mehrere Existenzmöglich­ keiten, die er - auf Grund des Erbes - mit sich bringt und unter denen er zu wäh­ len, bzw. die er selber zu vertauschen vermag. Eine Existenzform darf somit nie als eine klinische Diagnose aufgefaßt werden. Jede Existenzform ist nur ein Geleise, in dem das Schicksal des Einzelnen in einer bestimmten Periode des Daseins fahren kann. Im Laufe der Zeit fährt aber das Schicksal meistens auf verschiedenen Geleisen. 1 SZONDI, L.: Die Existenzformen im Szonditest. (Litographiert) 1960. A SZONDI, L. : Triebpathologie. Huber, Bern und Stuttgart, 1952. a SZONDI, L. : Schicksalsanalytischc Therapie. Huber, Bern und Stuttgart, 1963.

429


Das Schicksal des Ei nzelnen nennen wir somit die Summe, also die gan^e Garbe aller wählbaren und vertanschbaren Existensynöglic hkeiten. Die Bestimmung der Experimentellen Existenzskala (1960) fußt auf den

Kenntnissen der Syndromatikh Da n'g abr &%/,g M«Wg D/agmof, rWgr« w/r Dx-/Vg^w%A'gA/k//g«)gr/J/g//g/; W//, Ag rA A a;c6/ ro r/rg^g aa /4aa„nvwh%/ a //,r Testsymptome eines klinischen Syndroms halten. Um eine bestimmte Existenzwög/PAAgP anzunehmen, genügt es, wenn wir nur ein, zwei oder drei der ausschlaggebenden Symptome einer Existenzform im Profil entdecken. Diese einzelnen Testmerkmale

a//örga aAgr aaWfag/ foa aa^/a&§f6Wfr

Dx-fr/g^rw rg/a. Dazu

braucht man aber eine große psychiatrische und psychopathologische Erfahrung. Einige Beispiele:

1. DÄj6ro/^Ac^araaa;Wg DxP/g,^wôg/ygMg;/ kann unter Umständen nur auf Grund von Seh 0 — ! oder Seh !! angenommen werden. Ausschlaggebend ist also die Anwesenheit des Überdrucks in der Projektion. Zur Diagnose der para­ noiden Schizophrenie genügt die noch nicht, wir brauchen dazu noch die Neigung zur diagonalen Spaltung in anderen Vektoren {S -] , P -| usw.). 2. Die inflativ-paranoide Existen^möglichkeit wird — in ähnlicher Weise — allein durch Sch 0 -|- ! oder Sch -\—\- ! festgestellt.

3. D;g g^//g/,/y/bra/g^,aroxyra/a/g Dxw/ga%a/ög//fAW/ wird a) durch — ! g oder + ! e, b) Sch E — oder — E oder 0 0 aufgestellt, und so fort (siebe Tabelle 25). Diese Beispiele beziehen sich auf die sogenannte [//«-Existenzform eines Pro­ fils. Es gibt aber des öfteren bi-, seltener sogar triexistenzielle Profile, in denen ausschlaggebende Testmerkmale zweier oder sogar dreier Existenzformen aufzu­ finden sind. Die biexistenziellen Profile werden als Halbeinheiten in beiden Rubri­ ken der entsprechenden Existenzgeleise des Skalaformulars aufgeführt (siehe spä­ ter). Bei Tri-Existenzen wird diejenige, die am schwächsten ausgeprägt ist, nicht, hingegen werden die zwei ausgeprägten Existenzformen als Halbexistenzen pro­ tokolliert. Beispiele zu Bi-Existenzmöglichkeiten: 1. Bei einem Mann: Protokolliert werden:

S

P

Sch

C

E —

+0

0 E

+ +

a) die Inversion: S -] , Sch 0 ^ (A) b) die Phobie: P E 0 (A)

2.

P +

Sch

+

+

0

0

-1-

C +

+

Hier könnte man a) die Depression (-|- d, E k, — s) als die eine und b) die Hysterie (P + -j- oder 0 0) als die andere Existenzmöglichkeit als halbe E xistenz­ form protokollieren. Es ist aber kein Fehler, wenn man hier nur die depressive Existenzform allein als Ganzeinheit protokolliert, da ja diese bekanntlich mit Affektflut (P + -1-) oder Affektebbe (P 0 0) einhergeht. 1 SzoNDi, L. : Triebpathologie. Huber, Bern und Stuttgart, 1952, S. 237-509.

430


Man unterscheidet 1. eine individuelle (BEELI1) u nd 2. eine kollektive (SATAKE) Existenzskala. Bei den letzteren werden die Existenzformen einer homogenen Krankengruppe festgestellt. Bisher beschäftigten sich RYUZO S ATAKE2 (Japan), R. SEIDEL3 (Zürich), U. STUDER-SALZMANN4 (Zürich), E. SPRINGER5 (Wil), F. BESOLD6 (Hohenasperg), C. STAHL7 (Stuttgart) mit der Aufstellung von kollek­ tiven Existenzformen der verschiedenen Krankheitsgruppen. Mit der individuel­ len Existenzskala haben sich besonders BEELI und HUSMANN (Luzern) beschäftigt. 2%

;

1. In der schicksalsanalytischen Therapie zur Feststellung der Richtung der Ver­ tauschung von Existenzformen. 2. Falls man während einer Therapie mehrere Zehnerserien aufgenommen hat, kann man die seelischen Geschehnisse während der Behandlung im Längsschnitt auswerten. 3. Die Anwendung der EES in der Pro­ gnostik ist - neben der Therapie - die wichtigste. Die soziale Bewertung der Exi­ stenzformen in der Prognostik und die Aufstellung einer «Prognostischen S kala» stammt von A. BEELI (1965). Sein Verdienst ist es, daß die Schicksalsanalyse heute eine brauchbare Prognostik besitzt, die sich in 83% der Fälle mit den therapeuti­ schen Erfolgen deckt (Anhang II). (Siehe das Schrifttum von A. BEELI, Lu zern). 4. Auch in der Diagnostik hat die EES eine besondere Rolle, in dem sie die in Frage kommenden Möglichkeiten der Diagnosen quasi quantitativ anzugeben vermag. 5. Über die Anwendung der EES für die Indikationsstelliing wird hier ausführlich berichtet werden (Anhang I). Zum Schluß wiederholen wir zwei mahnende Bemerkungen: 1. Nur der­ jenige Psychologe soll mit der Methode des EES arbeiten, der die Syndromatik des Tests vollständig beherrscht. 2. Bei der existentiellen Beurteilung eines Pro­ fils muß jegliche Subjektivität ausgeschaltet werden, da der Wunsch, das erzielte Resultat zu erlangen, die Objektivität leicht verfälschen kann.

1 BEELI, A. : Psychotherapie-Prognose mit Hilfe der «Experimentellen Triebdiagnostik». Huber,

Bern, 1965. 2 SATAKE, R. : Vergleichende Untersuchungen über Existenzformen mittels der Experimentellen Triebdiagnostik. Szondiana III. Huber, Bern, 1962. 3 SEIDEL, R. : Experimentelle Existenzformenanalyse an einem Krankengut von 126 Epileptikern. Juris Verlag, Zürich, 1962, und Szondiana V. Huber, Bern, 1963, S. 202 ff. 4 STUDER-SALZMANN, U. : Schicksalsmöglichkeiten Hysteriekranker verglichen mit denjenigen von Epileptikern. Szondiana V. Huber, Bern, 1963. S. 253ff. 5 SPRINGER, E. : Existenzformenanalyse bei Alterspatienten. Vortrag, gehalten in der Schw. Ges. f. Experim. Triebdiagnostik und Schicksalsanalyse. 6 BnsoLD, F. : Vom Mörder E zum antisozialen Index (As. I.). Szondiana VIII. Huber, Bern, und Nauwelaerts, Louvain, 1971. S. 197ff. 7 STAHL, C. : Der SzoNDi-.Tcst bei Enurctiker-Kindcrn. Szondiana VIII. Huber, Bern, und Nauwe­ laerts, Louvain, 1971. S. 147 ff.

431


ANHANG I METHODIK DER INDIKATIONSSTELLUNG ZUR PSYCHOTHERAPIE AUF GRUND DER SKALA DER EXISTENZFORMEN (NACH SZONDI)

Seit 1960 arbeiten wir an der Aufstellung einer sogenannten «Therapeutischen Indikationsskala der Existenzformen» (Tabelle 24). In dieser Skala werden auf Grund der Symptomatik des Szondi-Tests beim Analysanden die absoluten Pro­ portionen: A. Zwischen den Ge fahr-Existenzen1 und B. den Schutz-Existenzen in der Vorunter­ suchungfestgestellt. Ferner werden die Stärkenverhältnisse zwischen den Triebge­ fahren und dem Ich schätzungsweise bestimmt, und zwar auf Grund der Ergebnisse von 30 Triebprofilen des Analysanden (10 Vordergrund-, 10 experimentelle Kom­ plement- und 10 theoretische Komplementprofile). Aus dem Schema (Tabelle 24) wird ersichtlich, daß wir 12 Existenzformen als gefahrbringend und 5 als schutz­ gewährend erachten. Zu den Schutzexistenzen gehören jene, die als Folge des Ge­ wissens, Überichs und Ichs entstehen. Diese können zwar auch klinische Sym­ ptome erzeugen (Hypochondrie, Phobie oder Zwang) - dennoch gewähren sie Schutz gegen gefährlichere Existenzformen, so gegen das Paranoid, die Perver­ sionen, die Epilepsie usf. Die Tabelle 25 gibt eine Übersicht der ausschlaggeben­ den Testsymptome für alle 17 Existenzformen {Ef — Existenzform). Zum richtigen Verständnis der Indikationsskala müssen wir noch folgende vier Voraussetzungen anführen. Zum ersten: Jede Existenzform der obigen Skala stellt keine Diagnose, son­ dern eine selbständige, in sich - wie in Gußeisen - geschlossene Seinsform dar. Und zwar mit einem spezifischen Erbe (1), einer spezifischen Trieb- und Affekt­ natur (2), einer besonderen sozialen Lage (3), Weltanschauung, Mentalität (4), mit einem besonderen Ich (5) und einer speziellen Beziehung zum Geist, zur Religion, Humanisierung (6). Somit wird jedwelche Existenzform als eine ganzheitliche Figur im Leben erscheinen, bei der die sechs schicksalsbedingenden Faktoren zt,sammen die Spezifität des Soseins, der existentia, bestimmen. Die Benennung der Kate­ gorien als die «sexuelle», «affektanfällige», «ichhafte» und «stimmungsbedin­ gende» will nur so viel sagen, daß unter den Schicksalsfaktoren eben der im Titel genannte Faktor das klinische Bild prägt. Zum zweiten: Auf Grund der Genetik nehmen wir an, daß alle 17 Existenz­ formen - falls man die Organneurose, wie A. BELLI, von der Hypochondrie trennt - im Erbgut eines jeden Menschen vorhanden sind. Wenn also eine Exi­ stenzform in der Existenzskala leer erscheint, so ist dieses Fehlen immer nur im Vergleich zu der Größe der anderen, d. h. relativ zu bewerten. Zum dritten: Die individuellen Differenzen zeigen sich nur in den Proportionen der Ef. Es werden deshalb in jedem Falle folgende Proportionen berechnet: I. Gefahrproportionen untereinander: Sexual-Ef. : Affekt-Ef. : Ich-Ef. : Kontakt-Ef. 1 Die Gehhr-Exis/enzen darf man nicht mit den Gefahr- Vektoren verwechseln. Denn in den GefahrVektoren sind die existenziellen Gefahren von den existenziellen icW^mcchanismcn nicht getrennt.

432


II. Schlitzproportionen untereinander: Schuld-Ef. : Zwang-Ef. : Anpassungs-Ef. : Humanisierungs-Ef. III. Totalproportionen = Gefabr-Ef. : Scbut^-Ef. = Gefahrindex Die Dynamik des Seelenlebens wird stets nur auf Grund der Proportionen der Gefahrenund S chutzexistenzen festgestellt, niemals nur auf dem der Totalproportionen! Zum vierten: Bei der Aufstellung der Proportionen wird die Größe der einzel­ nen Existenzformen stets als die Summe ihrer vorgefundenen Häufigkeit sowohl in den Vordergrund- wie auch in den theoretischen und experimentellen Kom­ plementprofilen zusammen dargestellt. Und zwar darum, weil auch die komple­ mentären Profile als Möglichkeiten einer Schicksalsform auszuwerten sind. *

Die Indikationsmethode versucht demnach auf folgende Fragen zu antworten : Erstens : Ist die Person gegenwärtig in einer seelischen Notgefahr, die irgend­ eine Psychotherapie für sofort notwendig macht ? Zweitens : In welchem Gebiet des Seelenlebens ist die Gefahr bedrohlich ? Drittens: Wird diese Gefahr durch entsprechende und genügende Schutz­ mechanismen durch die betreffende Person selber abgewehrt ? Viertens : Wenn nicht, welche Art von Psychotherapie ist den Umständen am besten angemessen? Bei der Indikationsfrage soll man also nur entscheiden, ob man sofort psycho­ therapeutisch eingreifen soll oder nicht. Auf jene Frage, ob das Eingreifen für die Zukunft eine gute oder schlechte Voraussage ermöglicht, antwortet die Progno.r///è-Methode von BEELI und nicht unsere Indikationsmethode. Diese Differenz zwischen «Indikation» und «Prognose» sollten auch die Psychologen und nicht nur die Ärzte beachten. Fünftens: Die therapeutische Indikationsmethode bestimmt zwar die Häufig­ keit der Testprofile, welche den verschiedenen Existenzformen anzugehören scheinen, sie benützt aber diese Häufigkeitszahlen nie als absolute quantitative Größen, mit denen man «statistische Akrobatien» treiben kann, sondern nur zur beiläufigen Schätz ung einer R elation bsQv. Propo rtion der Existenzmöglichkeiten. Unsere Methode ist demnach nur eine schätzende, deutende und keine exakte, quantitative Methode. W er gegen diese einschränkende Anwendung handelt, muß zu falschen Ergebnissen gelangen, wie es bei A. BÜRI.T geschah1 (siehe später). Die experimentelle. Bestimmung der E xistenz formen Diese besteht aus folgenden Schritten: 1. Aufnahme von 10 Vordergrund- (VGP), 10 theoretischen (ThKP) und 10 experimentellen Komplementprofilen (EKP) nach dem üblichen Verfahren. 2. Jedes Profil der drei Kategorien (VGP, ThKP und EKP) wird der Reihe nach im einzelnen darauf geprüft, in welche der 17 Existenzformen es auf Grund der vorgefundenen Testsymptome am ehesten einzureihen ist. 1 BÜRLI, A . : Indikation zur analytischen Psychotherapie mit Hilfe der «Experimentellen Trieb­ diagnostik». Verlag H. Lang & Cie., Bern, 1970. 28

Szondi, Triebdiugnosiik

433


Die empirische Tabelle 25 dient als Wegweiser zur Einreihung der einzelnen Profile in eine bestimmte Existenzform. 3. Jedes Profil erhält im Skalaschema (Tabelle 24) ein Quadrat. Falls ein Pro­ fil Testsymptome für zwei Existenzformen aufzeigt, so wird für beide «Halb-Ef.» je e in halbes Quadrat im Schema ausgefüllt. Eine eventuelle dritte Existenzform wird nicht in der Skala eingeführt. Falls aber in den Profilen die Testsymptome dieser dritten Ef. wiederholt vorkommen, so kann man bei einem Profil die zweite und bei einem anderen Profil diese dritte als zweite Ef. in dem Skalaschema mit einem halben Quadrat einführen. 4. Die Vordergrundprofile werden in den Quadraten mit horizontalen Strichen . die theoretischen in solchen mit schrägen HHH und die experimentellen Komplementprofile in solchen mit Punktierung :::::::: eingeführt. 5. Die vorletzte Rubrik des Skalaschemas (siehe Tabelle 24) gibt die Summe der möglichen Einzelexistenzen, die letzte Rubrik die Summe der Gruppen­ existenzformen nach sexuellen, affektanfälligen, ichhaften und Kontaktexistenz­ formen an. 6. Danach stellen wir durch Addition separat die Summe der Gefahr- und die der Schutz-Existenzformen fest. Gefahr-Ef. 7. Durch die Division: = -r— t— = Gefahrindex = Gl Schutz-Ef.

kann man den «Gefahrindex» bestimmen. Zkr G7»w %//r

W /Wa-

tion, wie vielmal die Gefahr größer ist als der Sehnt£ im Seelenleben der Person und nie allein %ur Indikationsstellung, wie es A. Bürli tat, der die Deutung der Gefahr- und Schut%proportionen kasuistisch vollständig vernachlässigt hat. Für uns war von Anfang an klar, daß der Gefahrindex niemals allein als Indi­ kator für eine Psychotherapie angewandt werden darf. Dies wurde von uns bereits 1966 betont. Nur die tiefenpsychologischen Analysen und die kasuistische Deutung der Pro­ portionen von den Ge fahr- und Schut^existen^formen können Brauchbaresfür die Indikation

99*99 **d/y/99ob* TWwßw *//99*g9*. Aber auch diese Aussagen fußen **9 *9,/ JoW%**gen u nd nicht auf absoluten Zahlengrößen. Die Schätzungen sind natürlich um so brauchbarer, je mehr psychiatrische und tiefenpsychologische Erfahrungen der «schätzende» Psychologe besitzt. Die psychiatrischen und tiefenpsychologischen Kenntnisse sind also die Kriterien der richtigen Deutung der Proportionen von

Gefahr- und Schutzexistenzformen. Zbraw Www* w/r 90 99 ^9 ob *9/99^^9^*9/9 Rolle der Kasuistik und nicht der Statistik bei dieser Methode. Es ist bedauerlich, daß A. BÜRLI in seiner zitierten Dissertationsarbeit, die mit einer großen Akribie bewerkstelligt wurde, trot^ meinen Ratsc hlägen, die h ier einzig

*^/w/9^M9/;99&^w9;9/*W,*g WA/äm&g/gmrW/ Wund die Indikationsstellung zur Psychotherapie nur durch statistische Rechenmethoden einzufangen versuchte. Dieser Versuch mußte mißglücken. Er schreibt 1970: «Es ist unverkennbar, daß SZONDI (U . a. i960, S. 22) möglicherweise in Ein­ sicht der Unzulänglichkeit des Gl (Gefahrindexes) immer mehr den Gefahr- und Schutzproportionen Gewicht beimißt, für deren Interpretation er aber selber keine präzisen Kriterien zu vermitteln imstande ist. Dafür nähert er sich der rein kasuistischen Beweisführung1. Die Indikationsskala wird dadurch trotz ihres sta1 Siehe oben die Kriterien des Autors.

434


THERAPEUTISCHE PROPORZ

SKALA DER EXISTENZFORMEN

A. GEFAHR - EXISTENZEN : PSYCHOLOGISCHE FORMEN

NR.

(NACH L.SZONDI]

NAME !

r EINZEL-

KLINISCHE

KLINISCHE DIAGNOSE :

FORMEN

I. EXTREME SEXUELLE EXISTENZFORMEN : WEIBLICHE MANNER MÄNNLICHE FRAUEN

INVERTIERTE

WIDERNATÜRLICHE

PERVERTIERTE C^JSCHE

ET

T. GRUPPEN -

EXISTENZE EXISTENZFORM

DER GEFAHR

-

EXISTENZFORMEN :

z

10 9

II. EXTREME AFFEKTANFÄLLIGE EXISTENZFORMEN : UBERGERECHTE, ZORNIGE, RACHSUCHTIGE

EP,LEFT,FORME

13

SCHAUSPIELERISCHE, SICH - VERBERGENDE

HYSTERI FORME

14

III. EXTREME ICH - EXISTENZFORMEN : WELTFREMDE, IRREALE

PRA EPS YCHOT ISCHE

1

ICHBEZOGENE. MISSTRAUISCHE

PROJEKTIV - PARANOIDE

2

BESESSENE NARZISSTISCH - HOCHMÜTIGE

INFLATIV - PARANOIDE

3

SPRUNGHAFTE, PATHETISCH - THEATRALISCHE

HEBOIDE

U

ALLES VERNEINENDE DESTRUKTIVE

KATATONIFORME

5

?

IV. EXTREME STIMMUNGS-u. KONTAKTEXIST.-FORMEN : 6

TIEFVERSTIMMTE

MELANCHOLISCH - DEPRESSIVE

HOCHJAUCHZENDE

MANISCHE, HYPOMANISCHE

7

SOZIALABNORME, SONDERLINGE

PSYCHOPATHISCHE

8

.

B. SCHUTZ - EXISTEr\IZEN :

Z

SCHULD - UND STRAFBEDÜRFTIGE

HYPOCHONDRISCHE

11

SICH - BEZWINGENDE

ZWANGSNEUROTISCHE

12

SICH— ANPASSENDE

AU TAGSMENSCHEN

HUMANISIERTE

EXISTENZFORM

DER

* NUMMERIERUNG ENTSPRICHT OER EXISTENZSKALA IM TESTTABLEAU

-

[XI ST E:NZ FO 3M EN

16 17 PROPORZ.

Ln

SCHUT Z

GEFAHR

SÖ­ UT z

=

z


tistischen Ausgangspunktes immer mehr zu einer intuitiv-interpretativen Deu­ tungsmethode. Damit entzieht sie sich aber weitgehend der statistischen Nach­ prüfbarkeit1.» Wir nehmen gerne an, daß unsere Indikationsmethode nur eine « intuitiveinterpretative» Deutungsmethode und keine statistische darstellt. Das war ja wie wir es sagten - von Anfang an unsere Zielsetzung. Die Prophezeiung BÜRLIS von 1970 ist also eine vatitinatio ex eventu. Denn wir haben 1960 nur Kasuistik und keine Statistik gebracht. Wir haben die Indikationsmethode für Tiefenpsycho­ logen und analytischen Therapeuten entworfen und nicht für Bewußtseinspsycho­ logen, die gewohnt sind, die Seele mit « Psychometric zu messen». Zur Psychowo/r/o agww 9&0 W ww&oWf* Pro^rro t&r Der Ausgangspunkt der Indikationsskala war nie statistischer Natur. Denn das ein­ fache Zusammenzählen der Testprofile in den einzelnen Existenzformen ist noch nicht höhere Statistik. Sie dient einzig und allein dem Ziel eines beiläufigen Schätzen-Könnens und nicht einer exakten statistischen Nachprüfbarkeit z. B. durch irgendeine Korrelationsrechnung. Sowas wäre in der Tiefenpsychologie des Un­ bewußten ein Absurdum. Plier ist - ivie in der Psychoanalyse Freuds - nur die Kasuistik und nur die intuitive Interpretation die einzig adäquate Forschungsart. Das ist ja auch die Ursache, warum wir den Kreis deren, die sich mit der Existenzanalyse beschäfti­ gen sollen, so sehr eingeengt haben. *

Wir wollen die Indikationsmethode durch einige kasuistische Fälle demon­ strieren. Kasuistik Zur Anwendung der Indikationsmethode bringen wir hier zwei Beispiele. Im Fall 71 war die analytische Psychotherapie indiziert, im Fall 72 kontraindiziert. Weitere Beispiele sind in der Szondiana VI zu finden -. Ein Fall, bei dem die Analyse in diziert war. TW 7/. Pw

TßrdfMt&vr, TrdamwvV/.

Der Mann trägt ständig Damenunterhosen. Will eine Frau sein und wünscht sich eine Vagina. Dieser Wunsch war bis zum 27. Lebensjahr so massiv, daß er sich viermal mit einem Messer entmannen wollte. Er fügte sich mehrmals stark­ blutende Schnittwunden zu. Seine Lebensgeschichte und der Ablauf seiner Schicksalsanalyse wurde in der «Schicksalsanalytische Therapie» (1963, S. 392-400) ausführlich mitgeteilt. In diesem Fall werden wir die Proporzanalyse vor u nd nach d er Psychotherapie ver­ gleichen (Tabellen 24 und 25). 1. Analyse der Gesamtproportionen: Gefahr-Ef. : Schutz-Ef. = Gefahrindex Vor (1949) 14,5 : 5,5 = 2,6 : 1 Nach (1951) 9,5 : 10,5 = 0,9 : 1 1 BÜKLI, A .: Zit. Arbeit, S. 82. a SZONDÏ, L. : Ursprung und Hintergrund der Krise in den analytischen diana VI 1966, S. 27 —46.

436

Psychotherapien. Szon­


-

Klinisch -psychiatrische Formen

a

I. Sexuelle Existenzformen Weibliche Männer

Inversion. Homosexualität.

Männliche Frauen

Transvestitismus

Widernatürliche Sexualcharaktere

10

b c a b

Perversion. Sadismus Masochismus . Sadomasochismus

9

I

1

Charakterologische Formen

Nummer der Existenz formen

1

A. Gefahr-Existenzformen

s= + -(!!) (±~) -(!) * ? 0 + o - (!!) ± f ' ±t ±s od v ±h t t *!!h. -!!h I-s + 11s [0 +.0->L ] -Ils iS

In1 ParoxysmalP= l/cïktor *

I

lrri Ich-Vidktor Scf i= • 0+

± ±

0

f +

l+A/l

l-A/l

00

I I IC-! +]

t-ol Ph + 0

]

1

c

» r

+

+ , ~t.-0,0+J [00.+-] + - +-.-+. -!i. -!+. -lo + 0 .0+.00, +C.Ü-.0-,-(!)-(!) '

[ -

M. Affektanfallige Existenz 'ormen Übergerechte , Zornige.

Totende Gesinnung,

Räch -und Eifersüchtige.

Epileptitorme

Et.

Neidische

Schauspielerische. Sich-Verbergende.

-Hys teriforme

Lügnerische. Sich-zur-Schau-Stellende

13 14

m. Kn-tAisrenzrurmen Weltenttremdete, Irrealt

Praepsychotische.ev. Suicidale

Lebensverneinende

Ich-bezogene. Misstrauische.

Projektiv

Besessene. Hochmütige.

2 3 Heboide

Pathetisch - theatralische Sonderlinge

Alles-verneinende. Destruktive, Selbstzerstorer

d

I-/I

a

[+!s. +HS.O+.-I+J

b

-s. -!s.-!!s. os. ±s

[ 0+. 0±. 0-] -*!. ~±. ±± o-(!)J ±+. o± ]^-+C!),-o,-±,oo.o+.± + - +

c d e a b c

-+ -o

-!e,+!e 1

++.oo,—!,+±, ±+,o + CPhobie)

l+o 1

4

Katatonitorme

5

'

£>-, +± J fo-J

okl

Co-)

+-

FH

Ï3

^

[00.++.- +J

-!hy

[+!h. +»hJ

-!hv +!hy 0-1 (!/)

E-Hs.+HsJ

l-o 1

+!+!!, (oH)

-!o

+-,o+.+o

C-D) 1

-o.-+.-±1 C-!±.oo.++3 -o.-+.-m±.±-.o-.oo ±±,±+, oo 1 [+±.+-,±-3 Ar p C-)

•h

b c d n h c d a h c. d

oo ,±±.±-k

+//)/. -//»/I (Konv.Hy.)

a b c d a b c d

-+,-±, ±-,o+.o±, ++!.±*

—+/-,-/+

a

InMètiv Paranoide

Narzisstische

Sprunghatte.

1

Paranoide

Sündenbocksuchende

Testsymptome zur Bestimmung der 17 Existenzformen

Testsymptome zur Bestimmung der 17 Existenzformen 1

L. Szondi

3

Tabelle 25

!rm Kontakt--Vektor -Vektor C= [± +.0+.+ t.+ol

Lustsyndrom und d mi HD HD ± ± Variationen 0 0 , ' h/dl [+Ils.-Ils] +m

CEpi -Milte) l-mliunpuftiq

[ +!m, -/m] CHistero - Epil.J d

+

-

-

-!o

c-l±)

Hypomanische, Manische

y

,

Überaktive

Soziatabnorme Sondertinge

Psychopathnche

8

(Mörder E. )

m ± unciultia

Ubergewiuenhafte.

Hypochondrische.

Schuld -irtd Strafbedürftige

Organneurotische

os

+ü)k, C±k)

d

+/S.OS

-h.-l+,-!±

a b c a b

++Ü

c

+!h. C-!s). C+!s)

+ +!. +

0 .

Ct s]

C-+. o+, ooJ

+!+!! oo, -+(+-). oCoe) \ohy\ -!hy ohy E00.-+]

Zwengùrpth*. Hyperpedantiich e ,

Zwangshandlungen .

Sich - Bezwingend*

Zwangsneurotische

Steh - Anpenende, Verzichtende

Geil tig

humanisierend*

l+-, +/-I

a

1U 15 d a b

V

c

Sozialisierende Alttagsmenschen

Menschen

b c

i=i C-sJ Zwanosimpulse Zwangshandlungen •

h +l

d e

±-,-±

+o,+!+. ++!, + t + . + ± . - + !

(00.0+)

2 oder3 ± Reaktionen idem

- -

++, + +.+o. +±

a

E3

c

t-.-±

b

+!!-. 0-. + -

+-(!).+ -.o-

a b

c

17

CProjektive MitteJ : h- 1 Oo-J CKIass.Sydrom)

-0

, ~!0

diese Testsymptome bestimmen die Existenzformen

00.— 00. — --I

oo-

(Katatonif. Miite) 1 —1 CSuic.) —.00 CKIass.Syndrom)

1 +(!)k 1

l-f/Js 1

-!k . -h. -!o \ok\ (op) f*P ok Auch I±p ohne 1 op -/Ar Lustsvndrom l mit EZ3 -

l+(l)d. CKIass.Syndrom ) +(/)d. ±d 1+!!d.+!üd 1 +-.00 C U.Moser) chronische Depression lo-, 0-/(11) 1 —CO o- (auch ohne!) — o -, — (Klas s. Syndrom) ++ 1 Lustsyndrom +± 1 und\ -(!)+ J Variationen 00 J 1 Hm 1 fSucht)

B. Schutz - Existenzen

16

|-+,o-| CKIass.Syndrom)

Im Ich- Vektor Im Kontakt-Vektor C= Sch-

0

d

Eauch +m oder om]

-

-i}-\

Hochjauchzende. Überfröhliche ,

/n1Sexual-Vektor l'm ParoxysmalS= Vektor P-

b c

6

Depressive . Melancholische

-m.

-

Co-.—.3

TT Gfimm/tnn*-Wnntnirt - rrtt+onrfnrmon

p + ± 0

-

[-±.o-,o± J

Klinisch -psychiatrische Formen

Nummer de r Existenz­ formen

I + +I (Klass Syndrom)

-

\-!k 1 C-!p) -!-(!) (Heb.-MUte) -no. -!0. -n± -!k -!!k\ Cop)

Charakterologische Formen Tiefverstimmte, Selbst - Ankläger

0

\-!p. -DP I [ auch allemJ +-. o- (ohne .0 mit diagona­ len SpaltunaenC*-)in loa.2 Vektoren +/o - (auch ohne!) fCo-) +!D. +!!D. +!HD 1 [auch allein] ++!, ++//, ++/ o+(ohne!),+ + m it diagonalen Spaltungen in1-2 Vektoren -•h. o+ 0+ (Inflative Milte} -!k

A. Gefahr - Existenzformen

(Fortsetzung)

C

J

diese Testsymptome sind nicht unbedingt bestimmend-

-Wo, —+|

-c/A

Orqanneurose ( 15) --71 1+!m.+!!m \Akzeatationsneur. C-±.-+.-!±, -F.oo) auch ohne ±k |+ol mit 1-2 ± Reaktionen in den andern Vektoren +o C chronisch) Co+) I—1 -+.-0. -!o idem idem idem ++1 (Zwangsarbeiten ± ± . ++I ++ idem idem


Patient war in den Gesamtproportionen der Existenzmöglichkeiten nicht auf­ fällig. Der Gefahrindex hat die obere Grenze der Normalität (1 bis 3,3 nach A. BÜRLI) n icht überschritten. 2. Analyse der Gefahrproportionen: Sexual-Ef. : Affckt-Ef. : Ich-Ef. : Kontakt-Ef. Vor 7,5 : 4,0 : 3,0 : 0,0 Nach 4,0! : 3,0 : 2,5 : 0,0 Nach der Analyse ist die Sexualgefahr fast auf die Hälfte zurückgegangen. 3. Analyse der Schiityexistenyen: Schuld-Ef. : Zwangs-Ef. : Anpassungs-Ef. : Humanisierungs-Ef. Vor 1,0 : 2,0 : 0,0 : 2,5 Nach 0,0 : 9,0 : 0,0 : 1,5 4. Analyse der Psychodynamik: a) Vor der Analyse bestand die Gefahr hauptsächlich in der Homosexualität, die ihn zum Transvestitismus, zum Frau-sein-Wollen verführte. Diese Inversions­ gefahr schätzten wir so groß, daß wir eine schicksalsanalytische Behandlung emp­ fohlen haben. Diese sexuelle Gefahr konnte durch die Analyse reduziert werden, b) Vor der Analyse konnte der Patient seine transvestitischen Ansprüche kaum be­ zwingen (6 Inversionen zu 2 Zwangsexistenzen; Tabelle 26). Nach der Analyse hat sich die Dynamik zwischen dem Trieb (Inversion) und dem Ich (Zwang und Männlichkeit) vollständig umgekehrt. Während die Inversion nach der Behand­ lung von 6 auf 3 fiel, ist der Zwang - d. h. auch die Männlichkeit - von 2 auf 9 ge­ stiegen. c) Die Indikationsstellung war also richtig, obwohl vor der Analyse die Gesamtproportionen in der Normalzone standen. Erstens, weil er wegen des Transvestitismus fast keine Schuldgefühle hegte (1). Zweitens, weil die Schick­ salsanalyse eine besondere Ich-Analyse entwickelte, die fähig ist, Zwänge gegen die Triebe aufzurichten1 (Tab. 27). Ein Fall, bei dem die Analys e kon/raindi^iert ist. Fall 72. Ein 35jähriger Zwangsneurotiker, Bildhauer. In diesem Fall fand ich eine analytische Behandlung - trotz Gegenmeinungen seitens mehrerer Psychoanalytiker - völlig kontraindiziert. Patient war im beson­ deren wegen seiner Ankleidungszwänge, die ihn oft bis spät nachmittags in allen Lebenstätigkeiten hemmten, völlig arbeitsunfähig. Tabelle 28 gibt die Ergebnisse der Proporzskala. 1. Analyse der Gesamtproportionen: Gefahr-Ef. : Schutz-Ef. = 12,5 : 7,5 = 1,7 : 1 2. Analyse der Gefahrenexistenyen: Sexual-Ef. : Affekt-Ef. : Ich-Ef. : Kontakt-Ef. 2,0 : 2,5 : 6,5 : 1,5 Es dominiert demnach beim Patienten das projektive ( 2,5)und inßative ( 4,0)Paranoid. Die Ich-Störung überragt mit der Gefahrgröße 6,5 alle anderen (siehe Tabelle 28). 1 Vgl. hiezu: SchicUsalsanalytische Therapie. Huber, Bern und Stuttgart, 1963. S. 116f. und 392ft.

437


00

THERAPEUTISCHE PROPORZ - SKALA DER EXISTENZFORMEN A. GEFAHR - EXISTENZEN : PSYCHOLOGISCHE FORMEN

|

KLINISCHE FORMEN

0 N ' B

WEIBLICHE MANNER MÄNNLICHE FRAUEN

[NVERTIERTE C

WIDERNATÜRLICHE

PERVERTIERTE

NAME : Vor der Analyse (1345) BERUF : Romanist ALTER • KLINISCHE DIAGNOSE'- Tfa VIS V ßS"H"H S m U S

*

Z

I. EXTREME SEXUELLE EXISTENZFORMEN :

10

=

9

(N A C H L. s z o n d i ] 30

DER GEFAHR - EXISTENZFORMEN :

¥

%

r GRUPPEN EINZEL EXIS TENZE EXISTENZFORM

z

14,5"

6,0 7,5

45"

II. EXTREME AFFEKTANFÄLLIGE EXISTENZFORMEN: UBERG£RECH1E. ZORNIGE. RACHSÜCHTIGE SCHAUSPIELERISCHE. SICH - VERBERGENDE

EP,LEFT,FORME

13

HYSIERIFORME

14

III. EXTREME ICH - EXISTENZFORMEN : WELlFREMDE.

IRREALE

ICHBEZOGENE. MISSTRAUISCHE BESESSENE NARZISSTISCH - HOCHMÜTIGE SPRUNGHAFTE. PATHETISCH - THEATRALISCHE ALLES VERNEINENDE DESTRUKTIVE

PRAEPSYCHOTISCHE

1

5,0

%

4,0

1,0

I

PROJEKTIV - PARANOIDE

2

2,0

INFLATIV - PARANOIDE

3

1,0

HEBOIOE

4

KATATONIFORME

5

3,0

IV. EXTREME STIMMUNGS-u. KONTAKTEXIST-FORMEN : TIEFVERSTIMMTE

MELANCHOLISCH - DEPRESSIVE

HOCHJAUCHZENOE

MANISCHE. HYPOMANISCHE

7

SOZIALABNORME. SONDERLINGE

PSYCHOPATHISCHE

8

6

B. SCHUTZ - EXISTENZEN :

0,0

Z

DER

5,5

Z

HYPOCHONDRISCHE

11

1,0

SICH - BEZWINGENDE

ZWANGSNEUROTISCHE

12*%

2,0

SICH - ANPASSENDE

ALLTAGSMENSCHEN

16

HUMANISIERTE EXISTENZFORM

17

%% ¥

PROPORZ.

#

SCHUTZ - EXISTENZFORMEN :

SCHULD - UND STRAFBEDÜRFT IGE

NUMMERIERUNG ENTSPRICHT DER EXISTENZSKALA IM 7ESTTABLEAU

5,5

1 0,0 1 2,5 GEFAHR : SCHUTZ = 2,6 : 1= 114-,

! v G p [10] U m K P [10]

5: 10

5,5

?


THERAPEUTISCHE PROPORZ - SKALA DER EXISTENZFORMEN A. GEFAHR - EXISTENZEN : PSYCHOLOGISCHE FORMEN

|

KLINISCHE FORMEN

*

Z

I. EXTREME SEXUELLE EXISTENZFORMEN : WEIBLICHE MANNER MÄNNLICHE FRAUEN

INVERTIERTE

WIDERNATÜRLICHE

PERVERTIERTE C^C'^|CHE

JÄ^TI T ^HE

1U 9

(NACH L. SZONDI )

NAME : Nach cl er Analyse (4951) BERUF : Romanist ALIER KLINISCHE DIAGNOSE : Trans vestiti s mu s

:32

1 R 1 EINZEL­

GRUPPEN |EXISTENZF EXISTENZFORM

DER GEFAHR - EXISTENZFORMEN : |

%

%

Z

9,5

3,0

4-,0

1,0

II. EXTREME AFFEKTANFÄLLIGE EXISTENZFORMEN: ÜBERG£RECHIE . ZORNIGE. RACHSÜCHTIGE SCHAUSPIELERISCHE. SICH - VERBERGENDE

EPILEPTI FORME M™«

13

HY5TERIF0RME

14

%Y

B

1,5"

3,0

-1,5

III. EXTREME ICH - EXISTENZFORMEN : WELTFREMDE. IRREALE

PRAEPSÏCHOTISCHE

1

ICHBEZOGENE . MISSTRAUISCHE

PROJEKTIV - PARANOIDE

2

NARZISSTISCH - HOCHMÜTIGE SPRUNGHAFTE. PATHETISCH - THEATRALISCHE ALLES VERNEINENDE DESTRUKTIVE

INFLATIV - PARANOIDE

3

HEBOIDE

4

KATATONIFORME

5

%

-1,0

Y

2,5;

-1,5

IV. EXTREME STIMMUNGS-u. KONTAKTEXIST.-FORMEN ;

6

TIEFVERSTIMM IE

MELANCHOLISCH - DEPRESSIVE

HOCHJAUCHZENDE

MANISCHE, HYPOMANISCHE

7

SOZIALABNORME. SONDERLINGE

PSYCHOPATHISCHE

8 T

B. SCHUTZ - EXISTENZEN : SCHULD - UNO STRAFBEDÜRF TIGE

HYPOCHONDRISCHE

SICH - BEZWINGENDE

ZWANGSNEUROTISCHE

SICH - ANPASSENDE

ALLTAGSMENSCHEN

HUMANISIERTE EXISTENZFORM

DER

11 12 : 16 17

%%

» NUMMERIERUNG ENTSPRICHT DER EKISTENZSKALA IM TESTTABLEAU

§

: 1 2=

189,0 Sg

-10,.5".

1,5

Y PROPORZ.

O

SCHUTZ - EXISTENZFORMEN

GEFAHR : SCHUTZ

VGP[10]

^T~h KP [10]

=0,3:1= L9,5

: AO , 5 . 2.0


THERAPEUTISCHE PROPORZ - SKALA DER EXISTENZFORMEN A. GEFAHR - EXISTENZEN : PSYCHOLOGISCHE FORMEN

|

KLINISCHE

NR. FORMEN

*

INVERTIERTE

WIDERNATÜRLICHE

PERVERTIERTE

10

9

F., BILDHAUER

klinische DIAGNOSE •.

Z

I. EXTREME SEXUELLE EXISTENZFORMEN : WEIBLICHE MANNER MÄNNLICHE FRAUEN

NAME : beruf J

(NACH LSZONDI]

R alter :55

£

EINZEL-

ZWANGSRIEUROSE+PANANOID

GRUPPEN -

EXISTENZE EXISTENZFORM

z

DER GEFAHR - EXISTENZFORMEN :

%%

12,5" 2,0

2,0

II. EXTREME AFFEKTANFÄLLIGE EXISTENZFORMEN: UBERGERECHTE, ZORNIGE. RACHSÜCHTIGE

EPILEPTIFORMS

SCHAUSPIELERISCHE. SICH - VERBERGENDE

HYSTERI FORME

^r5lRNTUENNG0ER

13

0,5

14

2,0

2,5

III. EXTREME ICH - EXISTENZFORMEN : WELTFREMDE. IRREALE

PRAEPSYCHOTISCHE

1

ICHBEZOGENE. MISSTRAUISCHE

PROJEKTIV - PARANOIDE

2

BESESSENE NARZISSTISCH - HOCHMÜTIGE

INFLATIV - PARANOIDE

3

SPRUNGHAFTE. PATHETISCH - THEATRALISCHE

HEBOIOE

4

ALLES VERNEINENDE DESTRUKTIVE

KATATONIFORME

5

2,5

% %%

4-.0

%Y

1,5

6,5

IV. EXTREME STI MMUNGS-u. KONTAKTEXIST.-FORMEN : TIEFVERSTIMMTE

MELANCHOLISCH - DEPRESSIVE

HOCHJAUCHZENDE

MANISCHE. HVPOMANISCHE

SOZIA LABNORME,' SONDERLINGE

PSYCHOPATHISCHE

6 7 8

Z

B. SCHUTZ - EXISTENZEN : SCHULD - UND STRAFBEDÜRFTIGE

HYPOCHONDRISCHE

SICH - BEZWINGENDE

ZWANGSNEUROTISCHE

SICH- ANPASSENDE

ALLTAGSMENSCHEN

HUMANISIERTE

EXISTENZFORM

DER SCHUTZ - EXISTE"NZ FO RM EN

11 17 16

2J.

I

§ 7,0 7,5

1 °'5

17

1 PROPORZ.

# NUMMERIERUNG ENTSPRICHT OER EXISTENZSKALA IM TESTTABLEAU

<5

B 1 8 z

GEFAHR : SCHUTZ = 1,7:1=1-12,5" :

I VGP [10] #ThKP [10]

=

zo

7,5


3. Analjse der Schiitsgxisteύen: Schuld-Ef. : Zwangs-Ef. : Anpassungs-Ef. : Idumanisierungs-Ef.

0,0

:

7,0

:

0,5

:

0

Patient benützt demnach von den vier Schutzexistenzformen fast nur den Zwang (7), der gegen das Paranoid die adäquate Schutz-Ef. darstellt. 4. Dent/mg der Psychodynamik: Unser Zwangsneurotiker ist ein latenter Paranoiker, der aber diese Ich-Störung (d. h. die Halluzinationen und Wahnideen) in adäquater Weise mit Zwang überwindet. Die Stärke der Zwänge ist etwas größer (7,0) als die der paranoiden Gefahr (6,5). Diese Pro­ portion ist so auszulegen, daß die Person ihre krankhaften Ich-Störungen mit Zwang in Wir hielten in diesem Fall eine Analyse deshalb für kontraindiziert, weil die even­ tuelle Redukti on der Zwangsmechanismen dem P aranoid sicher z ur Manifestation verhelfen würde. Wir beschäftigten den Patienten deshalb mit Karteiarbeit, durch die wir seine Zwangsexistenz teilweise operotropisierten. Die Richtigkeit unserer Stellung­ nahme gegen eine seelische Belastung des Patienten durch die Analyse wurde nach 15 Jahren bestätigt. Die Bombardierung von Budapest im zweiten Weltkrieg zerbrach die Kraft der Zwänge, und er mußte wegen paranoider Schizophrenie interniert werden. D iese klang nach 3 Monaten ab, und er begann sich wieder mit den alten Zwängen zu schützen. *

ANHANG II DIE

PSYCHOTHERAPIE-PROGNOSE MIT HILFE DER TRIEB DIAGNOSTIK»

«EXPERIMENTELLEN

NACH A. BEE LI1

Meinem Mitarbeiter, A. BELLI, is t es 1965 gelungen, bei 140 ihm nur durch Testserien bekannten Fällen den richtigen Ausgang einer Psychotherapie mit Hilfe seiner Methode in 83% aller Fälle vorherzusagen. Die Methode besitzt dem­ nach einen hohen Wert in der Prognosestellung. Die Methode fußt einerseits auf der «Individuellen Existenzskala», anderseits auf der «Sozialskala» (Tabelle 29)2. Die individuelle Existenzskala dient dazu, die Einzelprofile, die man im Testprotokoll nach Existenzformen ana­ lysiert und in prognostischen Punkten bewertet, in dem Schema einzutragen. Jede Existenzform hat eine Ordnungsnummer (1-17). In der Existenzskala von BEELT sind die Gefahrexistenzen von den Schutzexistenzen nicht getrennt. 1 BEELI, A.: Psychotherapie-Prognose mit Hilfe der «Experimentellen Triebdiagnostik». Huber, Bern und Stuttgart, 1965. 3 BEELI, A.: S. 99, Tabelle 15.

441


Tabelle 29 Individuelle Existenzskala.

Prognostik nach A.Beeli.

Name:

Beruf:

Existenzform

Alter:

Häufigkeit (Anzahl Profile)

l.Praepsychot. 2.Proj.-paranoid 3 Infi - paranoid A.Hebo orm S.Katatoniform 6.Depressiv 7.Maniform 8. Psychopath. 9.Perversion 10.Inversion 11 Hypochondrie 12 .Zwangshaft 13 .Epi-paroxysm. 14.Hy-paroxysm. 15 .Oraanneuröt. 16. Alltaasexistenz

|ProgTOSt. Pun kte YGil*

Z* 2x Z>2x

Anzahl bewerteter 1 Profile, im VG P:

11 1U

1 5 ThKP.

IL lb EKP:

2Π|

+

E^lx

2:= P

Sozial - Skala. Sozialwert 0 Punkte -1 Punk -2 Punk e -3 Punk e -4 Punk te - 5 Punk e -6 Punk te -7 Punk e -8 Punk e - 9 P unk e -10 Punk ;ç L der negativen Sozialwerte im: VGP: iThKP: PROGNOSE: g u

t

schlecht

442

Häufigkeit (Anzahl Profile)

Sozi«il Pun <te +

-

r>5x -F22X . 1 5 EKP: fctaL

10

20 15 a90= -1 < 70= + 1 1 I:

P.

Sozial Skala:

+1P. +2 P *1 bis -2 P. 0 3 -3P. -6P J 5 -1Pb5-4P

A.B.


Entsprechend dem zahlenmäßigen Vorkommen einer Existenz werden gleich viele Quadrate des Schemas eingefärbt (bzw. schraffiert). Der Übersicht halber werden dabei die VGP rot oder waagrecht schraffiert, die ThKP blau oder schräg schraffiert, die EKP grün oder senkrecht schraffiert. Zum Schluß wird die Ge­ samtzahl der in den einzelnen Profilgruppen (VGP, ThKP, EKP) bewerteten Pro­ file eingetragen. Profile, denen zugleich zwei Existenzformen zugeteilt wurden, werden an beiden entsprechenden Orten durch je ein halbes diagonal geteiltes Quadrat notiert. BEELI suchte nun jene Existenzformen aus, welche grundsätzlich geeignet scheinen, prognostische Hinweise zu liefern. Er fand, daß am eindeutigsten aus jenen Existenzformen prognostische Schlüsse zu ziehen seien, die entweder nur bei den therapeutisch ungünstigen (1, 4, 5, 8) und bei den günstigsten Fällen (12, 17) vorkamen. Nun drückte er den prognostischen Wert dieser Ef. in positiven und negativen «Prognostischen Punkten» aus. Diese prognostische Wertung wird mit der So­ zialwertung in der Tabelle 29 zusammengefaßt. Die Soyialskala Analog der Existenzskala stellte BEELI auch eine «Sozialskala» auf, in der dar­ gestellt wird, welche negative Sozialwerte in einem Testprotokoll vorkommen, wie häufig und in welcher Verteilung auf VGP, ThKP und EKP. Hier ist BEELI vo n der üblichen Protokollierung des Sozialindexes (siehe in «Lehrbuch», Abb. 24) abgewichen, indem er im Testtableau den Sozialwert für jedes Testprofil separat feststellt und nur die negativen Werte berücksichtigt. Diesem Vorgehen entspre­ chend gibt die Sozialskala (Tabelle 29) durch die gefärbten oder geschafften Qua­ drate an, wie viele negative Sozial werte in Punkten ausgedrückt in den Testprofilen vorkamen. Die Zeilen des Sozialwertes sind: 0 Punkte, — 1 Punkte, — 2 Punkte und so weiter bis — 10 Punkte. Die drei Profilgruppen (VGP, ThKP und EKP) werden durch verschiedene Farbe oder Schraffur im Schema der Sozialskala erkennbar gemacht. Am Fuß des Schemas wird noch die Summe der sozialnegativen Werte einge­ tragen, und zwar gesondert für die einzelnen Profilgruppen, und schließlich noch die Gesamtsumme für den ganzen Test.

Tabelle 30 zeigt die Bedingungen für die prognostische Wertung der Existenz­ formen und der Sozialwertung in prognostischen Punkten ausgedrückt. Zur endgültigen Prognosestellung zitieren wir BEELI: «Methodisch ist hiezu noch folgendes zu bemerken: Es erwies sich als unrich­ tig, die aus der Existenzskala gewonnenen Prognosepunkte einfach mit denen aus der Sozialskala zu summieren. (Auf diese Weise hätten z. B. auf Tabelle 14 die Fälle 8 und 13 einen insgesamt negativen, also ungünstigen, Prognosewert erhal­ ten.) Vielmehr scheint der Sozialwertung die Rolle eines ,Züngleins an der Waage' zuzukommen. Die Sozialskala bildet eine zusätzliche und relativ unab­ hängige Skala (cf. S. 77), die prognostisch bedeutsam wird in jenen Fällen, die auf

443


Tabelle 30. Bedingungen und prognostische Wertung de r .Existenzformen und die Sozialwertung nach A. BeeIi Prognostische Wertung

Bedingung

Die Existenzformen:

1. Zwangshaftc Existenz 2. 3. 4. 5. 6.

mindestens 2x im (=3x10 Profile) mindestens 1 X im mindestens 1 X im mindestens 1 X im mindestens 2x im mindestens 2 X im

Sozialisiert/Humanisierte Existenz Präpsvchotische Existenz Heboforme Existenz Katatonifbrmc (selbstdcstruktivc) Existenz . . Psychopathisch (-asoziale) Existenz

Gesamttest + 1 +1 -1 -1 -1 -1

Gesamttest VGP VGP

Gesamttest Gesamttest

Punkt Punkt Punkt Punkt Punkt Punkt

Die Sozjnhvcrtnng:

1. Profile mit 6 und mehr sozialnegativcn Werten 2. Profile mit 5 sozialnegativen Werten 3. Summe der sozialnegativen Werte im Gesamt­ test (= 3x10 Profile)

a) mindestens 1 X im VGP b) mindestens 2X im Gesamttest mindestens 5X im Gesamttest

- 1 Punkt - 1 Punkt - 1 Punkt

= -70 und weniger = -90 und mehr

-1- 1 Punkt - 1 Punkt

Grund der Existenzskala nicht eindeutig prognostiziert werden können. Praktisch heißt das, daß die Sozialskalaprognostisch immer dann m itberücksichtigt werden muß, wenn ans der Existenzskala der Prognosewert ,0' hervorgeht. Tabellarisch ergäbe sich also folgende Kombination der Jirgebnisse aus Exi­ stenz- und Sozialskala (die wir von nun ab ,Prognostische Punkte' und ,Sozial­ punkte' - im Unterschied zum ,Sozialwcrt' des einzelnen Profils - nennen werden) : Prognostische Punkte (aus Existenzskala) Positive Werte Wert Null Wert Null Negative Werte

+ 1, + 2 0 0 — 1/— 4

Sozialpunktc (aus Sozialskala)

Die Prognose ist

beliebig + 1, 0, - 1, - 2 -3,-4 beliebig

gut gut schlecht schlecht»

Die Prognose wird demnach nur durch — 3 und — 4 Sozialpunkte bei 0 pro­ gnostischen Punkten und bei negativen prognostischen Punkten (— 1 bis — 4) bei beliebigen Sozialpunkten als schlecht gewertet. Hingegen beeinträchtigen Sozialpunkte von -)- 1 bis zu — 2 bei 0 prognostischen Punkten die Prognose nicht, und die Prognose wird auf «gut» gestellt. Die Tabelle 29 gibt das Formblatt nach BEELI an, auf dem alle zur Testprognose nötigen Rubriken enthalten sind: d. h. die Existenzskala, die Sozialskala und die Prognoseskala. Tabelle 31 zeigt uns ein vollständig ausgewertetes Tableau einer 30jährigen Handarbeiterin mit einer «guten» Prognose nach A. BEELI. *

In Ermangelung hinreichender statistischer Unterlagen wird gegenwärtig die Deutung und Bewertung der individuellen Existenzformen stets nur auf Grund von absoluten Häufigkeiten durchgeführt und somit die Proportionen unter den

444


Vordergrunaprollle ^

Nr 1 2

SOL-

Wert 5

3 3 3 4 3

5

2

6

1

7

2

<

2 S 2. 2 P i i Schi­ + C4 t ï. h 9 g hy lt P D m ? 4 Sp + + o -M + + O + — + + •O + — I Ol ; +

+ — + o + o I + O +'o + + -} + i + -h t + + O o L Mv O

o o

o

+ — -I 2 o — 2/24 o 10 t 0 5 -1 Ï + Tend. Sp. Gr. s 1 UUANI. Sp, G<\ 3 Our -1 9 + !I 6

9

+

+

+

+

+

o ± 0 + 5 -1

-h

o

— —

4 ? 4

o p + _ Ü o o o +1 o 0 Î! 0 6

1

g

0

6 r? ? rf

? 1

L

26

11

9

3

9 30j.

AO 11

Handarblehrenn

11 14 9 12 6 14 14

Ss— !

*Pe +_ , C m —+ Sc hp4-

Dur

11 -10 + • 4- + 6 + Moll S So i 49 + 6 + 7 0 Soi. Indei ï Soi — 1S-_ I 1 6 4 Theoretische Komplementärprofile p c Sch s Nr Soz foim We •t h s g hv k p d 1 m + +M — - 4- 4- - - M A 40 1 4— + — - + o + f ± L M 6 10 2 4 — 4- — ± o — t 4 2 43 3 3 — A O 12 +! + o + - o + _4_ 2 — 4 f o O 4- o o L 3 5 A 4- + ± o o £ i j- M± 43 6 1 + + o ± £ 01 + L "10 13 7 1 — 4 — o o + + l± LM 6 13 8 4 + + 4 o + O l ± LM110 43 9 2 O l ± LMiiO 43 10 2/24 + 4- £ o + : ± ^45"% Empir ische Kom^lêmentärpr 4 P 4 2 Sch 3 2 C 3 25" E( .. 4-9 4 S 3 Soz.Nr I Wert h g e hy k P d m J, Form __ J 4- — 4] M+5 A A h 11 2 4 0 410 2 9 2 'o + 4- + ' + - 0 + 3| 9 3 + O — + 0 — + + / 2 13 ± 4 4' L 41 13 4 ? 2 — 0 4-! — 5 6 3 + — •t O 0 4-! + -J 3 6 6 4 2 + o — 0 — +• + 4 LI 0 13 7 î 5 + ! ! — — 0 — ± 0 — M10 13 £ 4 + LMvfc 44 8 9 4 _1 + OQ + 0 + L 14 9 7 h _ f 0 + 0, 10 du 2 — !Q + 0 - 1 4- 0 ± LM±10 44 S 0 9 • 36 ï +• Tend Sp. Gr. 35 1 1 A Quant. Sp. G r. 5 Dur _9_d' iVî-1- ff MaO < Soz + 6 + S + * 4- 4 ^M-2% î> " 6 - 4 9* Set — Moll

14-

L 1 2 4 28 , 1* 5 1 46' s,1,5/5% t 7 s si 6/ 3

5 8

?

L

Fi - 2.4 foim

^ = 2 , 3 ?

Triebklasse:

3-Ventil-KUSSe

Individuelle Existenzskata. lost, Existenzform Häufigkeit (Anzahl Pr ofile) Progr Puni cte VTÂI* I.PraeDsychot. ff f f

5.Katatoniform 6.D<?pressiv H 7 Maniform 8 Psychopath 1 |0 Inversion W

V(bk 1

X f o Eni-aaroxvsm. ts nmanneurot. U Ix T7 Sorial /Humams. Anzahl b ewerteter Profile, im VGp. 1 0 ThKP. 4 0 EKP: 4 0 Z : + 1 P Sozial - Skala. Häufigkeit ( Anzahl Profile) Sozial Punkte

- 5 Punkte

•Z^2 L der negativen Sozialwerte i m. —,

IVGP: 2+ iThKP: 2.4-lEKP:

2.8 mL

-76

I

T O P.

PROGNOSE: %g u £ HP.0+2PP dbk-2P K 0 P JP. -4P schlecht

445


ermittelten Existenzformen auch nur in absoluten Zahlen ausgedrückt. A. BÜRLI meint, daß dies statistisch nur möglich sei, wenn man voraussetzen kann, daß die 17 Existenzformen in einer Durchschnittsbevölkerung ungefähr mit gleicher Häu­ figkeit aufzufinden wären und somit jede das gleiche diagnostische Gewicht tragen würde. Doch trifft diese Voraussetzung nicht zu. Deshalb hat BÜRLI, aus gehend von BEF.LIS u nd eigene??/ Untersuchungsmaterial, «eine der Durchschnittspopulation ähnliche oder wenigstens eine möglichst durchmischte Stichprobe» durchgeführt und eine vorläufige Normierung der «Individuellen Existenzskala» aufgestellt. Diese soll «die Gewichtung der Existenzformen im Verhältnis ihrer Grundhäu­ figkeit» gestatten1. Tabelle 32 enthält die normierte Existenzskala nach A. BÜRLI (1971). Tabelle 32. Normierte Existen^skala. Gerundete Erwartungswerte aus 30 Profilen 70 KG?, 7MT?, ^ X. Existenzform

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Prapsychot Proj.-paranoid Infi.-paranoid Heboform Katatoniform Depressiv Maniform Psychopath Perversion

Normierte Häufigkeiten

Existenzform

0,5 2,5 2,5 0,5 0,5 2,5 0,5 1 1

10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

Inversion Hypochondrie Zwangshaft Epi-paroxysm Hy-paroxysm Organneurot Alltagsexistenz Sozialis.-/Humanisierung

Normierte Häufigkeiten 2 2,5 2,5 4,5 3 1 1,5 0,5

Es ist zu hoffen, daß BÜRLI di ese «vorläufige» Normierung in Zukunft zu einer «endgültigen» ergänzen kann. Allerdings müßte man bei der Normierung ein sehr großes, homogenes M aterial für jede Altersstufe, für jede soziale Klasse, Rasse, Nation, Religion usw. aufstellen. Ferner darf man bei der Normierung Fälle mit manifesten neurotischen, psychosomatischen, psychopatischen und latenten oder manifesten psychotischen Komponenten nicht anwenden wie es A. BÜRLI bei der «vorläufigen» Normierung vorgenommen hat3. *

Rückblickend auf die bestehenden Fehlerquellen und auf das lückenhafte Ma­ terial auf dem Gebiete der Forschung nach den Existenzformen, wird meine Stel­ lungnahme, mit der ich den Kreis jener Psychologen so streng eingeengt habe, die mit dieser Methode arbeiten können, vielleicht überzeugender.

1 BÜRLI, A. : Häufigkeit der Existenzformen im SzoNDi-Test. Psychologie, Bd. 30,1971. H. 2. S. 102.

a Eb enda : S. 106. 8 Ebenda: S. 105.

446


ANHANG III STUFEN DER ICH-ENTWICKLUNG

Es wurde bereits erwähnt, daß wir uns - auf Wunsch einiger Leser - ent­ schlossen haben, die Stufen der Ich-Entwicklung, die in der ersten Auflage dieses Buches (1947) figurierte und in der zweiten (1960) weggelassen wurde, wieder aufzunehmen. Auf einer entwicklungsgeschichtlichen Grundlage wurden die 16 Ich-Bilder in sechs Hau ptstufen eingeteilt, welche mit den großen Buchstaben des Alphabets : A, B, Ç', D, E und F bezeichnet wurden. Innerhalb dieser sechs Hauptstufen werden die entsprechenden Unterstufen mit den arabischen Nummern 1-4 und mit den kleinen Buchstaben k und p als Indices signiert. Die sechs Hauptstnfen der Ich-Entwicklung sind: Stufe der frühkindlichen (infantilen) und der rückbildenden ( involutiven) IchA Funktionen. B

Stufe der Ich-Funktionen in der zweiten Pubertät (13- bis 20jährig).

Ç : Stufe der Ich-Funktionen des sich anpassenden Durchschnittsmenschen. D

Stufe der Ich-Funktionen der Narzißten, die alles haben (k) und alles sein (p) möchten ; mit S , oder S — 0 auch So^jalisiertmg und Sublimiertmg.

E : Stufe der Ich-Funktionen der Identifizierung, So^ialisier/mg und Sublin/ierung. F : Stufe der Ich-Funktionen der Integration und Desintegration. Die Tabelle 33 gibt eine Übersicht über die Unterstufen der Hauptstufen im ABÇ-Ich-System. Die Brauchbarkeit des MÛÇTStufen-Systems in der Entwicklung der IchFunktionen wird durch die Tabelle 34 bestätigt, in der die prozentualen Häufig­ keitsproportionen der Haupt- und Unterstufen der Ich-Entwicklung im Laufe der Altersjahre zusammengestellt wurde. Zu dieser Tabelle benützten wir die Tests von 2154 Individuen aus Ungarn (1947), die unauffällig und somit zur Normierung geeignet waren. Die Lehre der Tabelle 34 lautet: Entwicklungsgeschichtlich kann man die Ich-Funktionen im Laufe des Lebens in drei große Perioden zerlegen. I. Die erste oder die A-Periode dauert (vermutlich) vom Säuglingsalter bis zum Schuleintrittsalter (7-8 Jahre). In dieser Lebensperiode dominiert die Haupt-IchStufe A, d. h. die in fantile, totale Projektion, also die Hinausverlegung der Trieb­ ansprüche in die Außenwelt, die P artizipation mit der Mutter und das Mißtra/ien gegenüber allem, was «Nicht-Mutter», also fremd ist. Das Ich neigt zum Autismus. 1 Ç = das dritte Ich-Bild in der Entwicklung, das vom C = Kontaktvektor durch Ç unterscheidet wird.

447


Tabelle 33. Übersiebt über die 6 Haupt- und 16 Unterstufen der Ich-Entwicklung Nr.

Unterstufe

Signiert k p

0

-

3

B, B,

Erscheinnngsmöglicbkeiten

Totale Projektion

a) Partizipation b) Das Paranoid

Introprojektion

Autismus

Negation

Verdrängung

Negierte Inflation

Hemmung

- > -

Negation > Projektion

Anpassung = Drill

- < -

Projektion j> Negation

Anpassung mit Anklage

+ 10

lch-Funktioncn

-

0 +

D,

+ > +

Introjektion j> als Inflation

Mehr haben a ls sein

D

+ < +

Inflation > als Introjektion

Mehr sein als haben Identifizierung (Beruf usw.)

+

0

Totale Introjektion

0 -h

Intro-Negation

Zwang, Männlichkeit

Mit Zwang wird die Inflation gehemmt

Z. B. Arbeits-Zwang

Mit Zwang wird die Projektion gehemmt

Flucht-Ich, Ausreißer-Ich

7

:t=

14

±

12

^k4 — ^2 (r ± 0

+

Totale Inflation

Besessenheit, Ich-Vergrößerung

>2

0

±

Inflation + Projektion

Verlassenheit, Weiblichkeit

13

Ep3 = A, D

+

±

Introjektion + Inflation -jProjcktion

Annahme der Frustration (Kastration)

11

Ep4 = B2 Ç

-

±

Negation fl- Inflation + Projektion

Entfremdung, Depersonalisation

Totale Integration aller 4 Ich-Funktionen

Katastrophenahnung, Pontifcx-lch

Desintegration

Ich-Wechsel, Ich-Verlust, Dämmerzustand

15

16

0

0

II. Die zweite oder die B-Periode dauert vom Schuleintrittsalter bis zum Alter der Berufswahl (von 7-8 Jahren bis inklusive 21-30 Jahren). In dieser Periode führen die Ich-Funktionen der Negation — k, (z. B. die Verdrängung) und der In­ flation (-)- p), die aber negiert wird. Es dominiert die Hemmung. Während die /i-Ich- Funktionen in der Vorpubertät und am Ende des Rei­ fung s a Iters (17-20 Jahre) die maximale prozentuale Häufigkeit erlangen, gehen die Häufigkeitswerte der H-Ich-Funktionen zurück. III. Die dritte oder die Ç-Periode der Ich-Entwicklung dauert vom Alter der Familiengründung (31-40 Jahre) bis zum Greisenalter. Diese Periode des Drills, bzw. der Anpassung wächst mit den Jahren ständig. Anpassung heißt, daß die Per­ son auf die in die Außenwelt hinausverlegten Ansprüche zu verzichten vermag.

448


Tabelle 34. Häufigkeitsproportionen der zusammengefaßten Ich-Bilder Ich-Stufen in den ver schiedenen Perioden des Lebens Fälle n= —

Jahre

0-1

Die Häufigkeitsproportionen

Lebensperioden

Ai, Ep2

Säuglingsalter von der Geburt bis zur Trennung:

(theoretisch angenommen)

A

Ep2 (theoretisch angenommen)

-

1-2

Babyalter nach der Trennung:

75

3-4

Die infantile, erste Pubertät, Trotz­ periode: %

A 37,3

B Ç E 18,6 18,6 18,6

4

Kindergartenalter: %

A 32,7

B 26,7

20,0

E 14,1

F 4,7

D 2,0

Alter des Schul­ % antritts:

A 38,0

Ç 25

B 16

E 7,2

F 4

D 0

B

Ç 18,6

E 15,3

F 5,3

0 0,7

150

5-6

100

7-8

125

9-12

200

13-16

%

35,3

Juvenile, zweite Pu­ %

B 25,5

Ç A 22,5 22,5

E 17,5

F 7

D 5

B 39,6

Ç

%

22

A 14,4

E 12,1

F 9,6

D 2,3

D 7,1

F 6,7

B 25,1

A 23,1

E 16

F 4,5

D 2

Reifungsalter:

275

17-20

300

21-30

B Ç Alter der Berufs­ wahl und des Kar­ 29 28,3 rierebaus: %

300

31-40

Alter der Familien­ gründung: %

41-60

Das Klimakterium: %

250

61-70

Ç

D 2,7

A 24,6

Die Vorpubertät:

bertät:

250

F

Anfang des hohen Alters: %

A 15

Ç

29,1

E 15

Ç

B

40,3

23,7

A E 15 15

F 4,4

D 1,7

Ç

A 23

B 14

E F 9 9

D 2

A 34,7

B 7

E 4,7

F 0

0

B 12

E 4

F 2

D 0

43 66

84

71-80

Ç

Das hohe Alter: %

54,2

D

88,9 45

81-90

Ç

Das Greisenalter: %

A 30

52 V

82 2154 29

Szondi, Triebdiagnostik

449


Die prozentuale Häufigkeit erreicht: in den Jahren 31-40: 29,1 % in den Jahren 41-60: 40,3% in den Jahren 61-70: 43,0% in den Jahren 71-80: 54,2% Es fällt auf, daß die .H-Ich-Funktionen vom 60. Lebensjahr an die zweite Stelle einnehmen und die TI-Ich-Funktionen an die dritte Stelle gedrängt werden. IV. fällt auf, daß die Ich-Stufen F und D in allen Lebensperioden ohne Aus­ nahme die seltensten sind. Dieser Befund hat eine sozialpositive und eine sozialnega­ tive Bedeutung. Die Tatsache, daß die Katastrophenahnung und Desintegration (-F2) wie auch der totale Narzißmus (79) in der Alltagspopulation relativ selten an­ zutreffen sind, kann positiv gewertet werden. Hingegen weist derselbe Befund in­ sofern auf den sozialnegativen Tatbestand hin, daß die höhere Integration (T^J) und die höhere intellektuelle Sozialisierung und Sublimierung des Dranges alles zu haben und alles zu sein (79) keine häufige Erscheinung in einer Durchschnitts­ bevölkerung darstellt. *

Bisher wurden die ABÇ-Entwicklungsstufen in den anderen drei Vektoren J, P und Cnoch nicht aufgestellt. Dies sollte noch in der Zukunft nachgeholt werden! Denn mit einem viervektoriellen ABÇ-Entwicklungsstufensystem könnte man leichter die tiefliegenden Beziehungen zwischen Ich-Schicksalen und Triebschick­ salen transparent machen.

ANHANG IV DIE FRAGE DER PARALLEL-BIEDER SERIEN ZUM SZONDI-TEST

Im Kapitel XXVII (S. 378) wurde bereits erwähnt, daß von Dr. med. M. BALINT (London), von Prof. Dr. med. R. SATAKE und Dr. med. J. JAMADA (Tokio), fer­ ner von Dr. med. M. JOSHIDA (Japan) je eine Parallel-Bilderserie zum Test zusam­ mengestellt wurde. Dazu kommen noch zwei weitere Parallelserien, und zwar eine von LAPIDUS (New York) und eine von J. G. BORG (Universität Tampere Finn­ land). Am V. Kolloquium der Internationalen Forschungsgemeinschaft für Schick­ salspsychologie (1969) in Löwen hat Frau Prof. Dr. E. MEISTERMANN-SEEGER (Köln) über die Balintsche Parallelserie einen vorläufigen Bericht abgegeben. Es wurden mit den 90 Bildern von BALINT 395 Versuche an 150 Versuchspersonen ausgeführt. Das Ziel dieser Untersuchungen war: einerseits meine Grundtheorie zu verifizieren, andererseits «eine zweite Serie des Tests als Substitut» zur Verfü­ gung zu haben. Die Ergebnisse der Referentin waren - ihrer Ansicht nach - sehr befriedigend1. Mich befriedigten diese Resultate weniger. 1 MEISTERMANN-SEEGER, E. : Bericht über Untersuchungen mit einem Parallel-Test zum SZONDITest-Verfahren. Szondiana VIII. Verlag H. Huber, Bern und Stuttgart. S. 221-237.

450


An demselben Kolloquium habe ich bei der «Diskussion zur Frage der ParallelBilderserien zum Szondi-Test»2 Stellung genommen. Ich wiederhole hier meine Argumente. In seinem bekannten Buch «Testaufbau und Testanalyse» schreibt GUSTAV daß die Paralleltests im besonderen für die standardisierten Papierund Bleistiftgruppenteste den Vorzug haben, daß sie bei ein und derselben Vp. wiederholt w erden können.

A. LIENERT,

Nun ist aber der Szondi-Test ursprünglich weder ein Papier- noch ein Bieistiftgruppentest, und die Wieder holung ist bei ihm obligat. Wozu dann - könnte man fragen - eine Parallelserie zum Szondi-Test ? Bereits 1947 hat eine Psychologie-Studentin an 20 Jugendlichen (16-20 Jahre) die damalige BALiNTsche S erie synchron mit den Originalen geprüft. Seither hat BALINT in dieser Serie einige Bilder umgetauscht und auch die Anwendung der Serie auf die Bestimmung und Kontrolle der Faktoren^rWzhz/, bzw. auf den Auf­ forderungscharakter eingeschränkt. Über die Erfassung der totalen Persönlichkeit hörten wir nichts. Wir betonen also, daß sich unsere Bemerkungen auf die BALiNTsche Bilderserie vom Jahre 1947 beziehen. Die Diskordanz war maximal groß. So war die Diskrepanz in den Faktoren k und /) grob-empirisch 85%, in den Faktoren d und r 75%, in den e un d ^'-Fakto­ ren 65%, im Faktor m 60%, im Faktor h 50%. Die gleiche Diskordanz fand 1971 auch Frau MEISTERMANN bei dem Vergleich der Testprofile mit den SzoNDischen und den BAEiNTschen Bildern. (Mündliche Mitteilung nach dem Kolloquium.) Wir deuteten diese Diskordanz damit, daß der Aufforderungscharakter der BALiNTSchen Bilder nicht groß genug ist, um die Vp zu schockieren. BALINTS Stre­ ben war aber, womöglich Photos von « schönen » K ranken in seine Serie aufzuneh­ men, da er meine originalen Bilder zu gräßlich und schockierend fand. So blieb aber die notwendige Schockwirkung weg. Ohne Schockwirkung sind aber Photos zur Prüfung des Trieb- und Ich-Lebens unbrauchbar. Nun hat 1969 mein Mitarbeiter Dr. A. LÜSCITER ( Königsfelden) unter der Kontrolle von Prof. A. LINDER (Do zent für mathematische Statistik an der Uni­ versität Genf und an der ETI! Zürich) eine Àquivalen^probe ausgearbeitet, mit der er che damaligen (1947) 200 originalen und 200 parallelen Profile statistisch mit Hilfe der Chi-Ouadrat-Metbode nachgeprüft hat. LÜSCHERS Verfahren war kurz das Folgende: 1. Als Nullpunkt der Chi-Quadrat-Methode wählte er jene Reaktions/vo/w/z'onen, di e aus der Aufbaustruktur des Szondi-Testes mit Wahrscheinlichkeit zu er­ warten waren und unabhängig von der Art der Probandengruppe sind. Prof. LINDER hat die Untersuchung der gesamten Reaktionsproportionen und nicht der einzelnen Reaktionsarten vorgeschlagen. Diese wahrscheinlichen Reaktionspropor­ tionen hat M. ACIITNICH 1953 unter Kontrolle von Prof. SAXER (E TH Zürich) in der Szondiana I publiziert. Diese kommen dadurch zustande, daß der Test struk­ turell 4 Null-Reaktionen, 9 Positive, 9 Negative und 6 Ambivalente Reaktionen erlaubt. Die durch den Testaufbau bedingten wahrscheinlichen Reaktionspropor2 Ebenda, S. 238-246.

451


Honen sind für die Wahrscheinlichkeit (w) der 4 Reaktionsarten nach die folgenden: w 0 Reaktion: 0,22656 w -f- Reaktion: 0,30738 w — Reaktion: 0,30738 w Reaktion: 0,15869

ACHTNICH

1,00001 In der Praxis brauchen wir einfach die Reaktionsproportionen : 0 : + : — : ± = 22 : 30 : 30 : 15. 1. L ÜSCHER hat für jeden T riebfaktor separat die Chi-Ouadrate derAbweichungen von diesen wahrscheinlichen Reaktionsproportionen (= vom Achtnichschen Nullpunkt) berech­ net. So konnte er entscheiden, ob eine empirisch gefundene Verteilung der Reak­ tionsproportionen einer sogenannten Parallel-Test-Serie signifikant ist oder nicht. Bei demVergleichen der zwei Bildserien war dieseMethode also auch als ein Äqui­ valent-Kriterium aufzufassen. Bekanntlich sind Äquivalenzkriterien «Kennwerte da­ für, daß zwei Parallelteste mit Recht als äquivalent angesprochen werden dürfen» Diese Äquivalenzkriterien der BALiNTSchen Parallelserien hat LÖSCHER in Kurven dargestellt und mit den Kurven meines Testes verglichen. Mit seiner Er­ laubnis bringe ich hier die Kurven LÖSCHERS, die er in seiner Arbeit «Über die Anwendbarkeit der statistischen Methoden bei den Projektionstesten, insbeson­ dere bei dem Szondi-Test» mitgeteilt hat2.

!00.. 90. GO.

60

50.

30

l \ \ \ \ \ \ \ \ \ \

1

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\ 10

\ '

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j 11 1 \ 1 1 1 \ —/-

1 1 1 1 1 1 1

\

I \ t

»/ /»

Szondi

/ I / 1 r 1

\

\ Balint Faktoren

hy

Abb. 64

Abb. 64. Während im Szondi-Test die größten Werte der Chi-Quadrate der Ab­ weichungen der Reaktionsproportionen von den wahrscheinlichen Proportionen beim Faktor «by» gefunden wurden, war bei der Balint-Serie gerade in diesem 1 DIENERT, G . A.: Testaufbau und Testanalyse. Weinheim und Berlin. Verlag Julius Beltz. S. 348. 2 LÜSCHI-R, A. : Über die Anwendbarkeit statistisch-mathematischer Methoden bei der Auswertung, insbesondere bei der Validierung des Szondi-Testes. Druck: Gebr. Villigcr AG, 5643 Sins.

452


Faktor fast der kleinste Wert vorhanden, hingegen im Faktor «d» der größte Ah r weichungswert zu finden, wobei im Szondi-Test gerade da die Chi-Quadrate der Abweichung fast die niedrigsten waren.

Faktoren h

s

e

hy

k

p

d

Abb. 65

m

Die Abb. 6 5 demonstriert, daß diese Ergebnisse dominierend durch die + und Reaktionen und nicht durch die A und 0 Reaktionen bestimmt sind. Zahl dor Umschlagsreaktionen —/l /

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Balint

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Abb. 66 spricht ebenfalls für die /«-Äquahtät der zwei Bilderserien, weil die 6,/&yj%6r

453


Auf Grund dieser statistischen Ergebnisse von LÖSCHER kann man die damalige BALiNTSche Bilderserie (1947) nicht mit der originalen Szondi-Serie als äquale Paral­ lelserie erachten. Diese Tatsache wurde von Frau MEISTERMANN (1971) mündlich bestätigt. *

Nun könnte man einwenden, daß die Chi-Quadrate der Abweichungen der Reaktionsproportionen (0 : + : — : ±) von den AcHTNiCHSchen wahrscheinli­ chen Proportionen (22 : 30 : 30 : 15) nicht geeignet wären, die Äquivalenz zwi­ schen zwei Bilderserien zu bestimmen. Gegen diese Einwendung sprechen aber die empirischen und statistischen Er­ gebnisse mit einer zweiten Parallelserie, mit der japanischen Parallel-Bilderserie, die Prof. Dr. RYUZO SATAKE und Dr. JUKIO J AMADA in Tokio nach meinen Vor­ schriften zusammengestellt haben.

Abb. 67

Abb. 67 zeigt die III. Serie der japanischen Bilder. Abb. 68 vergleicht die Chi- Quadrate der Abweichungen von den wahrschein­ lichen Reaktionsproportionen im Szondi-Test und in den japanischen Bilderserien in den 8 Triebfaktoren. Es fällt auf : a) daß die größte Abweichung bei beiden Serien in Faktor h und k, also in un­ serem «Eisenbeton»-Faktor, zu finden ist. Dieser statistische Befund entspricht

454


Abb. 68

völlig den Ergebnissen, die ich 1939 bei den eineiigen Zwillingen fand (siehe Lehr­ buch, S. 414). b) In der japanischen Parallelserie sind die Chi-Quadrate der Abweichungen größer als im Szondi-Test, doch die Richt/mg d er Abweichung bleibt bei 7 Faktoren die gleiche. LÖSCHER meint, daß dies von der Rigidität (Stabilität) der japanischen gegen­ über der Elastizität des Szondi-Testes herstammt. Das heißt, daß die Wahl mit den Originalbildern den jeweiligen Zuständen im Trieb- und Ich-Leben treuer, elasti­ scher folgt als die mit der japanischen Bilderserie. Abb. 69 beweist wieder, daß nur die + und — Reaktionen die Größe der Ab­ weichungen der Reaktionsproportionen von den wahrscheinlichen bestimmen, denn - wie wir sehen — folgen diese genau dem Ablauf der Gesamtabweichungen. Die Chi-Quadrat-Abweichungen der =|= und O-Reaktionen sind bedeutend kleiner und folgen der Laufbahn der Gesamtabweichungen nicht. Dies scheint mir eine wichtige Feststellung LÖSCHERS für die Projektionsteste zu sein. Abb. 70 spricht am meisten für die annähernde Äquivalenz der japanischen Bilderserie mit der meinen. Denn die Zahl der Umschlagreaktionen ist bei 7 Fak­ toren fast gleich groß; am wenigsten noch beim Faktor h, der bei der japanischen Serie sehr rigid, d. h. am wenigsten elastisch ist. Kurz : Die Chi- Quadrat-Methode spricht bei den BALiNTschen Bilderserien aus dem Jahre 1947 gegen die Äquivalenz, bei den SATAICE-JAMADA-Serien für die Brauchbarkeit als Parallel-Bilder-Serien.

455


Abb. 69 Zahl der Umschlagreaktionen

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j i\ / i \\ // \ f/i /&

\

\\ \

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u

h

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e

hy

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Abb. 70

LÜSCHER hat stärkt.

456

auch mit Hilfe der Korrelationsrechnung diese Ergebnisse be­


DIE KORRELATIONSKOEFFIZIENZRECHNUNG BEIM VERGLEICH DER BALINTSCHEN SERIEN MIT MEINEN ORIGINALBILDERN IST negativ AUSGEFALLEN. S IE BETRÄGT NACH A. LÖSCHER DEN KORRELATIONSKOEFFIZIENT FÜR DIE CHI-QUADRATE DER ABWEICHUNGEN: — 0,31 UND FÜR DIE UMSCHIAGREAKTIONEN: — 0,11. Hingegen bei den SATAKE-jAMADA-Serien sind die Korrelationskoeffizienten sowohl für die Chi-Quadrate der Abweichungen wie auch für die Umschlag­ reaktion 0,91, also maximal groß. Die dritte Parallelserie, die von LAPIDUS (New York), hat schon in der empiri­ schen Nachprüfung durch Prof. Dr. U. MOSER SO katastrophal versagt, daß wir eine statistisch-mathematische Überprüfung für diese Serie unverdient erachteten. Die vierte Parallelserie wurde an der Universität Tampere (Finnland) von J. G. BORG (1968) zusammengestellt1. Die Zielsetzung dieser Untersuchungen war, die Verläßlichkeit des SzondiTestes mit Hilfe eines Parallel-Test-Verfahrens zu beurteilen. BORG stel lte nun eine moderne B ilderserie von zeitgenössischen Abnormalen zusammen, da er meine Bilderserie, die überwiegend aus der Jahrhundertwende stammt, für antiquiert er­ achtete. Er war der Überzeugung, daß nur mit Hilfe des Parallel-Test-Verfahrens die Verläßlichkeit beurteilt werden könne. Zwei Jahre später referierte er über vier verschiedene Versuchsanordnungen, die bei normalen Versuchspersonen (N — 30 und 40) durchgeführt wurden. Die diesbezüglichen praktischen Ergebnisse Borgs waren sehr gering. D er Autor betont aber, daß keiner dieser vier Versuche bei den Korreiationsrechnungen der Äquivalenz der zwei Bilderserien durchgehend Nullreaktionen ergab; «vielmehr trat in fast allen der 8 ,Triebfaktoren' Szondis bei wenigstens einem der vier Versuche ein signifikanter Äquivalenzkoeffizient auf». In dieser späteren Arbeit (1970) schreibt BORG wörtlich: «Nach der Begegnimg auch in den früheren Parallelvers/ichen (vgl. Z- B- Szprtdi et al., 1959, S. 12-13J - die Für dieses Geständnis muß man BORG loben. Denn, er ist der erste, der zugab, daß er die von mir 1960 mitgeteilten Eichungskriterien «âd/ W. Die niedrigen Äquivalenzkorrelationen weisen meines Erachtens auf die mangelhafte Eichung der Parallel-Bilderserie und nicht auf die mangelhafte Verläßlichkeit meiner Serie hin. *

Zum Schluß möchte ich noch zur Frage der Anwendung der Statistik bei Projektionstesten im allgemeinen meine Stellungnahme mitteilen: Die Projektionsteste funktionieren dann gut, wenn sie die ständigen Verwand­ lungen der unbewußten, fließenden Prozesse, ferner die Neuorientierungen des unbewußten Ich elastisch und treu - wie ein Radarapparat - anzeigen. Die Ver­ wandlungen werden in meinem Test durch die Entladungen (= 0-Reaktionen) und durch die Vorentladungen (= ± Reaktionen) sichtbar gemacht. Gerade die 0 und ± Reaktionen geben aber in den Lüsci-iERschen Rechnungen die kleinsten Chi1 BORG, J. G. : On Perception of Photoportraits of Abnormal Individuals. A Study of the Szondi Collection by Parallel-Series, Julkaisija Tampereen Yliopisto, Tampere, 1968. 2 BORG, J. G.: Zum Problem der Réhabilitatsmessung mit Parallelverfahren beim SzoNDi-Test. Psychologie, Band 29, 1970, Heft 4. H. Huber, Bern und Stuttgart, 1970. S. 504.

457


Quadrat-Abweichungen. Statistisch heißt das, daß gerade die 0 und + Reaktionen am wenigsten signifikant in bezug auf die Abweichungen von den Zufallszahlen sind. Tiefenpsychologisch hingegen sind gerade diese 0 und d= Reaktionen die wichtigsten Geschehnisse im Triebleben. Sie sind ja unsere sogenannte «Sym­ ptom »-Reaktionen. Die + und — Reaktionen, also die «Gefahr-Reaktionen» lie­ fern nach LÖSCHER relativ sehr große Chi-Quadrat-Abweichungen von den wahr­ scheinlichen Proportionen. Statistisch sind also diese am meisten signifikant - und zwar unseres Erachtens für die relativ konstanten Gefahren im Triebleben. (Dar­ um wählten wir ja di e Triebklassenbenennungen auf Grund derjenigen -|- und — Reaktionen, die sich am seltensten entladen.) Das heißt also, daß mit dieser Methode leerimgen der Triebbedürfnisse signifikante Werte liefern. Darum glauben wir, daß man die Validität eines Projektionstestes statistisch kaum in to to erfassen kann. Wobei ein Test dann valid ist, wenn die Stärke der Reaktionen mit der Stärke der Ausprägung der Merkmale bzw. der Funktionen wächst bzw. sinkt (G. A. LIENER t). Die statistisch-mathematischen Methoden können nach LÖSCHER bei den ReliabHitätsprnfungen gut angewandt werden. Also dann, a) wenn die Reaktionen im Test bei den Wiederholungen gleicherweise erfolgen wie bei der erstmaligen Vorgabe (G. A. LIENERT); b) wenn bei Halbierung des Testmaterials die Ergebnisse der zwei Halbgrup­ pen übereinstimmen; c) wenn die Äquivalenzfrage bei zwei Parallelserien zu beantworten ist. Zur Zeit fehlt noch eine Parallelserie, die den oben erwähnten drei Kriterien entspricht.

458


ANMERKUNGEN I-IX


ANMERKUNG 1 (Zur S. 49)

Betreffend die Ausstattung des Testapparates und die Expositionsweise der Bilder haben A. BEELI und A. FRIEDEMANN folgende Modifikation empfohlen: 1. Die 48 Testbilder sollen nicht als Einzelbilder in den sechs Fächern der Test­ schachtel aufbewahrt und auch nicht als Einzelbilder in einer Achtergruppe der Versuchsperson gezeigt werden. Man soll die sechsmal acht Bilder auf sechs Acbtertafeln zusammen fotografieren (siehe Abb. 1) und diese Achtertafeln der Reihe nach exponieren. 2. Die Achtertafeln werden mit verschiebbaren Leder- oder farbigen Plastik­ deckeln in der Größe eines Testbildes ausgestattet und die gewählten zwei sym­ pathischen und zwei antipathischen Bilder jeweils mit diesen Deckeln zugedeckt. 3. Die Vp kann also die Bilder nie einzeln oder zu zweit in die Hand nehmen und diese miteinander vergleichen. Diese Modifikation scheint technisch verlockend einfach zu sein, psychologisch hat sie aber große Nachteile, besonders bei psychotischen und grübelnden, ambi­ valenten Versuchspersonen, so bei Zwangs- oder Angstneurotikern. Wir pflegen diesen nach der vorgeschriebenen Exposition zu sagen, sie könnten die in Frage kommenden zwei oder drei Bilder ruhig in die Hand nehmen oder an einem andern Platz des Versuchstisches sie sich nochmals vorlegen und hernach wählen. Es sind meistens Kranke, die jene Bilder, welche in der Wahl nicht in Frage kommen, spontan weglegen.

Die affektive Beziehung der Vp zu den EV/^/bildern kann demnach bei der er­ wähnten Modifikation ernstlich leiden. Der Umstand, daß man ein Bild in der Hand halten und sich in die abgebildete Person einleben kann, ermöglicht, daß die Vp zu bestimmten Bildern in eine enge affektive Beziehung zu treten vermag. Diese enge Beziehung hat z. B. einen Geisteskranken von S. DÉRI so aufgeregt, daß er das Bild eines Epileptikers gestohlen hat. Er gab das Bild erst zurück, als man ihm eine Kopie des gestohlenen Bildes schenkte. Diese Erfahrung spricht klar für die gewichtige Rolle der engen affektiven Beziehung zu den Einzelbildern, die nur durch die von uns vorgeschriebene Exposition gefördert werden kann. Außerdem kann die Bilderassoziationsmethode nur bei Einzelexposition der Bilder durchgeführt werden. Hier sei noch die falsche Gewohnheit der Psychologen erwähnt, den Test­ apparat dem Patienten nach Hause mitzugeben und dort durch die Vp 8 oder 10 «Se/bstproßle» aufnehmen zu lassen. Dieses Verfahren ist unerlaubt. Erstens: weil die Vp sich die die Krankheit bezeichnenden Buchstaben auf der Rückseite eines jeden Bildes (/', s, e, hy, k,p, dund m) merken, ja sie gelegentlich er­ lernen kann und somit einige «Wunschprofile» von sich selbst aufnehmen kann. Besonders dann, wenn die Vp von Beruf Psychologe oder Arzt ist und das Lehr­ buch über den Test bereits gelesen hat. Zweitens: Man kann diese «Selbstprofile» nicht in eine Zehnerserie einreihen, in der auch andere Profile figurieren, die ein fremder Versnchsleiler mit der Person auf­ genommen hatte. Man kann sie höchstens als Forschungsthema handhaben, und zwar zur Feststellung der Abweichungen zwischen den Selbstaufnahmen und den durch einen Versuchsleiter aufgenommenen Profilen.

460


ANMERKUNG II (Ergänzung zur S. 208)

Fünfter LeitsatÜber die Trennung der Funktionen der Radikale von den Inhalten Bei der Deutung darf man nicht den Fehler machen, daß man die Einzelfunk­ tionen mit irgendeinem relativ häufigen Inhalt verwechselt. Dies geschieht beson­ ders häufig bei der Auslegung der vier Elementarfunktionen des Ichs. Oft spricht man anstelle von Projektion (Seh — 0 —) von Paranoid, anstelle von Inflation (Sch = 0 +) von Größenwahn, anstelle von Introjektion (Seh = -f 0) von De­ pression, anstelle von Negation (Seh — — 0) von Verdrängung. Diese Art von Deutung ist aber eine Pars-pro-toto-Deutung. Denn alle vier Elementarfunktio­ nen des Ichs können auch andere als die oben erwähnten Inhalte bearbeiten. Man darf also die Funktionen des Ichs (Projektion, Inflation, Introjektion und Nega­ tion) niemals mit den Inhalten dieser Funktionen verwechseln. Die Ich-Funktionen sind erblich an gelegt. Sie arbeiten ständig in der gleichen Richtung. Sie verlegen etwas in die Welt hinaus (Projektion), oder verdoppeln und vergrößern etwas (Inflation), oder sie verleiben etwas ein (Introjektion), oder negieren etwas, was als Inhalt ihnen von innen oder von außen her angeboten wird (Negation), bzw. sie entwerten etwas. Die Inhalte aber hängen teils von den Aktualitäten der Umwelt ab und werden des öfteren vertauscht, sogar dann, wenn die Funktion dieselbe bleibt. Das gleiche gilt für die Funktionen der anderen Vektoren (j, P , C ) .

ANMERKUNG III (Ergänzung zur S. 209)

Die Komplementmethode ermöglicht für den Deuter eine tiefe Einsicht auch in die mitgebrachten Spaltrmgsformen der Person und deckt die Formen der Über­ windung der Gegensätzlichkeiten auf. Mit dieser Methode konnten wir die Spal­ tungstheorie EUGEN B LEULERS bek räftigen, nach welcher nicht nur der schizo­ phrene, sondern auch der normale Mensch wie die andersartigen Seelischkranken spalten. Die Komplementmethode deckt ferner jene Hälfte der Persönlichkeit auf, welche die Person abgespalten hat. Somit stellen die Vordergrundprofile (VGP) und die theoretischen Hintergrundprofile (ThKP) %ivei Spaltnngsteile der Gesamtper­ sönlichkeit dar, die einander ergänzen. Beide sind konstituierende Teile der Person. Darum muß man beide lege artis deuten.

ANMERKUNG IV (Zur S. 394)

Zu den alte rsspesflfischen Merk malen (1961-1971) In der S%ondiana VII, Huber Bern, 1967, erschienen: 1. SPRINGER, E. (Wil): Statistik zur Rolle des tcstologischcn Ichs im Schicksal des alternden Menschen in der Anstalt. 5. 286 ff. 2. HEDRI, A. (Zürich): Alter und Schicksal. S. 209ff.

461


3. LESTER, M . (New York): Development aspects of the dialectic between instinct and education as reflected in different vectors of the Szondi-Test. S. 198 ff. 4. RINGGER, H .J. (Genf): Die Rolle des Erbes und der Umwelt in der Kinderpsychotherapie. S. 192ff. Aus der Clinique Médico-Psychologique de l'Université de Liège, Belgique : 5. MELON, J . : Enquête sur les Immigres à Laude du test de Szondi. Communication présentée au XVIIe

Congres Internat, de Psychologie Appliquée, Licge, 28 juillet 1971.

ANMERKUNG V (Zur S. 397)

Zur Anwendung der Schicksalsanalyse und des Testes in der Pädagogik und Heiler^iehung, Ethik und Moral In der Szpndiaw VII erschienen 1967 : 1. MOIIR, P. (Königsleiden) : Erziehung als Schicksal. S. 126ff. 2. FÜRSTENAU, P . (Glessen) : Erziehung als Schicksal vom psychoanalytischen Standpunkt aus gesehen. S. 145 ff. 3. BEELI, A. (Luzcrn): Erziehung vom religiösen Aspekt aus gesehen. S. 136ff. 4. MEiSTERMANN-SEEGER, E. (Köln): Sprachgestörte Kinder im Szondi-Test. 5. 242ff. 5. VERGÜTE, A . : Ethik und Tiefenpsychologie. Vergleichende Untersuchungen über den Kains- und den Ödipuskomplex. S. 212ff. In der S^ondiana VIII, Huber, Bern, und Nauwelaerts, Louvain, 1971, erschienen: 6. STORA, R. (Paris) : Une pédagogie curative fondée sur la socialisation des pulsions. S. 105ff. 7. HUSMANN, W . (Luzcrn): Modell einer pädagogischen Testinterpretation, dargestellt am Szondi-Test. S. 113 ff. Als Buch erschienen : 8. HUSMANN, W. (Luzern): Gruppenpädagogik und Gruppenunterricht in der Hilfsschule. Huber, Bern, Stuttgart und Wien, 1970. 9. AMMANN, L . (Zürich): Der Verwahrlosungsbcgriff in Heilpädagogik und Schicksalsanalyse. Huber, Bern, Stuttgart und Wien, 1970. 10. Als Li\en^arbeit: VAN R EETII, CL.: Die Probleme von Ethik und Moral. Kath. Universität, Löwen, 1969.

ANMERKUNG VI (Zur S. 399)

Zur Kriminalität In der Szondiana VII, Huber, Bern, 1967 erschienen: 1. WALDER, H . (Bundesanwalt, Bern): Kriminalbiologie und Schicksalspsychologic. S. 36ff. 2. CORBOZ, R . J. (Prof., Zürich): Jugendkriminalität und Jugendpsychiatrie. S. 47ff. 3. WEINMANN, E. (Jugendanwalt, Morgen): Anlage und Umwelt als Schicksal in der Kriminalität der Familie «Markus». 58ff. 4. FRJCK, M. R. (Luzern): Eigentümlichkeiten der Ich-Struktur bei einer Gruppe von 21 Halbstarken. S. 74 ff. 5. ACHTNICH, M . (Winterthur) : Autofahrer (Autoraser) im Szondi-Test. S. 80ff. 6. HUSMANN, W . (Luzern): Kriterien zur Beurteilung der Fahrsicherheit eines Autofahrers. S. 86ff. 7. SATAKE, R . (Prof., Tokyo): The basic study concerning the objective measurement of the effects of correctional education. S. 150ff.

462


In der S^pndiana VIII, 1971, erschienen: 8. BESOLD, F. (Hohenasperg): Vom Mörder-E zum antisozialen Index (As. I.); Triebpsychologische Untersuchungen an Mördern. S. 197ff.

A N M E R K U N G VI I

(Zur S. 403)

Zur Psychosomatik In der S^ondiana VII, Huber, Bern, 1967, erschienen: 1. WEBB, M.W. (Florida): Predicting surgical results in intractable duodenal ulcer. S. 252ff. 2. BLUMER, D. (Baltimore): The temporal lobes and paroxysmal behaviour discordera. A study of patients with temporal lobectomy for epilepsy. S. 273ff. In der S^ondiana VIII, Fluber, Bern, und Nauwelaerts, Lou vain (1969-1971), erschienen: 3. VAN MASSENHOVE, J., und GUISSARDS, J. (Louvain) : Contribution à l'application des théories et du Test de Szondi en médecine psychosomatique et en psychologie clinique. S. 162ff. 4. WEBB, M. W. (Florida): Comparison of electrocorticographic and electromyographic activity with behavioural patterns portrayed in the Szondi Test during normal states and during regression in the hypnotic state. S. 129 ff. 5. STAHL, C. (Stuttgart): Der Szondi-Test bei Enuretiker-Kindcrn. S. 147ff. 6. ABSIL, D. et VAN MEERBEEK, J. P. (Louvain) : Etude comparative de l'asthme et l'énurésie à l'aide du diagnostic expérimental des pulsions. S. 156 ff. 7. SAPIN, M. EL. et FETTER, E. : L'épilepsie à la lumière du diagnostic expérimental des pulsions du Docteur Szondi. Université Catholique de Louvain, 1967. Arbeiten aus der Clinique Médico-Psychologique de l'Université de Liège : 8. MELON, J. : L'anorexie mentale au test de Szondi. Annal, médico-psych., Paris, 129e année n° 5 p. 759 a 767, 1971. 9. MELON, J., M. DONGIER et S. BOURDOUXHE: Le profil psychosomatique au test de Szondi. Réflexions sur les concepts de normalité et de spécificité. Annal. Médico-psych., Paris, 129, 2 p. 261-271. Juillet 1971. 10. MELON, J. : Psychopathologie de la t ransplantation. Les Feuillets Psychiatriques de Liège, 3/3, 1970. 11. MELON, J.: L'intérêt du test de Szondi en recherche psychosomatique. Les Feuillets Psychiatriques de Liège, 4/2, 1971. 12. KÖHLE, K. : Psychosomatische Untersuchungen an Patienten mit Gliedmassenarterien. München 1969.

A N M E R K U N G V II I (Zur S. 408)

Zur Berufsberatung In der Ssqmdiana VIII, 1971, erschienen: 1. BÖHM, E. (Zürich): Der Anteil der Ixothymen an den Anwärtern für die Pilotenlaufbahn. S. 173ff. 2. ACHTNICH, M. (Winterthur): Schicksalsanalytisch orientierte Berufsberatung an Hand des Berufs­ bilderwahl-Testes. S. 178 ff. -Arbeiten aus der Kath. Universität Löiven, Belgien:

3. VAN REETH, CL. : Feuerwehrleute und Missionsschwester. 4. VERESS, Z.: Etude du phénomène contemplatif à travers le Schéma théorique de la pensée de Szondi. Lizenzarbeit 1967.

463


ANMERKUNG IX (Zur S. 418)

In der S^ondiana VII, 1967, erschienen: 1. Soro YARRITU, F. (Pamplona): Der Beitrag der Schicksalspsychologic zur Kenntnis des Menschen. S. 6 ff. 2. SZONDI, L. (Zürich): Die Dialektik «Ich/Erbe» und «Ich/Trauma» im Schicksal des Einzelnen. S. 15 ff. 3. DÉRI, S. (New York): Changing concepts of transference in depth-psychology. S. 114ff. 4. BALKEN, J. (Prof.) et KREBS, M. (Montevideo): La réaction de « shock » dans le test de Szondi. ' S. 303 ff' 5. BALKEN, J., et KREBS, M.: Etude sur la variabilité dans le test de Szondi. S. 314ff. 6. COTTINGHAM, A. L. (New York) : The Szondi-test and defensive organization of personality. S. 330 ff. 7. STUDER-SALZMANN, U . (Zürich): Zur Psychologie des faktoriellen Umschlages im Test. Das « KainAbcl »-Schicksal. S. 343 ff. In der S^ondiana VIII, 1971, erschienen: 8. MEISTERMANN, E. (Köln): Bericht über Untersuchungen mit einem Parallel-Tcst zum Szondi-Tcst. S. 221 ff. 9. SZONDI, L. (Zürich): Diskussion zur Frage der Parallel-Bildcrserie zum Szondi-Test. S. 238ff. 10. THOREN, A. (Göteborg) : The statistical analysis of the Valence quality of the Szondi pictures. S. 247 ff. 11. VAN REETII, C . (Louvain): Le déroulement temporel des profils comme méthode d'interprétation du test de Szondi. S. 259ff. 12. Il UT H, W. (München): Sprache und Ich-Entwicklung. S. 269. 13. ZENONI, A. (Louvain): Catégories szondiennes du vecteur Sch et aspects du langage. S. 283ff. 14. DE WAELHENS, A . (Louvain): Sujet et système dans la p ensée de Szondi. S. 301 ff. 15. BEELI, A . (Luzern): Die Schicksalsanalyse und die Integration der heutigen Psychologie: Illusion oder Wirklichkeit? S. 314ff. 16. SCHOTTE, J . (Louvain-Gent) : Psychoanalyse und Schicksalsanalyse. S. 326ff. 17. JONCKHEERE, P. (Louvain): Quelques réflexions sur l'apport de la psychologie du destin à la psych­ iatrie clinique. S. 342 ff. 18. SZONDI, L . (Zürich): Rückblick und Ausblick. S. 344ff. Als selbständige Biicber erschienen:

19. BEELI, A. (Luzern): Psychotherapie-Prognose mit Hilfe der «Experimentellen Triebdiagnostik». Huber, Bern und Stuttgart, 1964. 20. SZONDI, L. (Zürich): Freiheit und Zwang im Schicksal des Einzelnen. Huber, Bern und Stuttgart, 1968. 21. SZONDI, L. (Zürich): Introduction à l 'analyse du destin, Pathei Mathos, Bibliothèque de Psychologie Clinique, Psychoanalyse, Phénoménologie. Dirigée par Jacques Schotte, Nauwclacrts, LouvainParis, 1971. 22. SZONDI, L. (Zürich): Tratado del Diagnostico Experimental de Los Instintos. Tradusciôn par F. Soro Yarritu, Biblioteca Nueva, Madrid, 1970. 23. BÜRLI, ALOIS: Indikation zur analytischen Psychotherapie mit Hilfe der «Experimentellen Trieb­ diagnostik». H. Lang & Co., Bern, 1970. 24. PAINTON, M. B. : A clinical validation of the Szondi-test. The University of Oklahoma, Norman, 1970 (Dissertation).

464


SACHREGISTER BEARBEITET VON

LILI

SZONDI

(psa = psychoanalytische, scha = schicksalsanalytischc Auffassung)

A Abel (s. auch Faktor e)

-

der lammfromme 118, 124 /^T-Gcfahrklasse 308 scha Triebsystem 38, 39, 40 stellt sich zur Schau 121, 125 Ablösimg (s. auch Sich-Abtrcnncn, Faktor m) - scha Triebsystem 38, 39, 41 Absence (s. auch Epilepsie) 42 - Ich-Bild 170 - Fall 9. Inflative und paranoide Ich-Störung 246 - Triebprofil einer Epileptikerin 222 A bwebrmechanismen 34 - Desintegration 170, 172 - erbbedingte 127 - Inflation, totale 149, 171 - - negierte 160, 172 mit Zwang zurückgehalten 165, 172 - inflative Projektion 157, 171 - Integration 167, 172 - Introprojektion 158, 172 - Introjektion, totale 148, 171 - inflaprojektive Introjektion 164, 172 - Introinflation 153, 171 - Intronegation, Zwangsmechanismus 156, 171 - Projektion, totale 151, 171 - Projektion, gehemmte 161, 172 mit Zwang zurückgehalten 163, 172 - projektive Negation 155, 171 - Verdrängung 150, 171 Ad-boc-Introjektion 134, 148, 217 Affekt,~e (s . auch Paroxysmal-, P-Vektor) - ausbrach 106 - Entladung 123, 125 - flut {by) 1 10, 124 Integration 122 - grobe, Faktor e 40, 103 - - Aufstauung 106 - labilität im Ich-Bild 165 - mord, Schk~-Gcfahrklasse 314 - - C;;/~-Gefahrklassc 320 - mörder und Sexualindex 339 und Sozialindex 352 - tötende Gesinnung, Test Syndrom 422 - totschläger im Ich-Bild 150, 153, 157, 163, 169, 170 - zarte, Entladung 110 - affektives Verhalten. Störungen bei der faktoricllcn Assoziationsmethode 369 Aggression (s. auch Faktor x, Sa dismus) - Dominanz 90 - scha Triebsystem 38, 39, 40 30

Szondi, Tricbdiagnostik

- Ss~-Gcfahrklasse 304 A-Ich-Stife 446 Aktivität (s. auch Faktor s, Sadismus)

- scha Triebsystem 38, 39, 40 Ak^eptation-, s- (s. auch Faktor ///) - Begriff 176 - neurose 176 - - im Kontaktbild 189 - - Beispiel zu Rand und Mitte 213 - neurotiker und Projektion 152 - - CTv^-Gcfahrklasse 319 Alkobolismns (s. Dipsomanie) Alltagsmenscb

-

Ausgangspunkt des Testapparates 377 f. ethischer Kampf 107 Kainit 106 Sexualleben 83 Testbild der Mitte 218 f. Triebprofil 378 Alles-Sein (Faktor p) 41, 43, 140 - Beispiele 229ff., 247, 374, 379 - Ich-Bild 149, 153 - JV/j/H-Gefahrklasse 316 Allelic, multiple 32 Allmacht (Triebklasse Scbp) 41, 43, 138, 314f. Allodiasiole (s. Partizipation, Projektion) 138 Altersspeififiscbe Entnnckhingsmcrkmale 395, 461 Ambitenden^ (s. auch Faktor p) - Ich-Bild 149 - nach BLEULER 159 - scha Triebsystem 38, 39 Ambivalent ambivalente

-

Anklammerung 193, 196f., 201 Bindung 185 Inzestbindung 196, 201 Suchen nach der Ablösung 196, 201 Stellungnahme des Ichs 137 Wahlrcaktion 59, 267 als Vorphase der Nullrcaktion 58 Anal-, analer, Analität (s. auch Faktor d) - Charakter im Kontaktbild 189, 200 - crotik. Ss~~-Gcfahrklasse 306 - erotiker. Cd~-Gefahrklasse 319 - Kontaktbild 176, 179 - Sadisten. Gefahrklasse 308 Tx/^H-Gefahrklasse 316 - scha Triebsystem 39, 41 Anfallskranke (s. Epilepsie, Faktor e) 103 Angst (s. auch Phobie) - Hysterie. /^"-Gcfahrklasse 309 - Ich-Bild 156 - Kontaktbild 200 - Mitte 218 - mit 0 m 183

465


- neurose, paranoid. Schk -Gefahrklasse 314 /^-Gefahrklasse 309 - panische 106 - 3/>+-Gefahrklasse 303 Anklammerung (s. auch Sich-Anklammern, Faktor m) - scha Triebsystem 38f., 41 Anpassung. Ich-Bild 136 - = Drill, Ich-Stufe C 448 - mit Anklage, Ich-Stufe C 448 Anwendungsgebiete des Testes 393ff., 462ff. - Berufsberatung 407, 463 - Charakterologie 397 f. - Eheberatung 408 - Entwicklungspsychologic, Kinderpsycholo­ gie, Kinderspieltherapie 394 - Ethnologie, Ethnopsychologie 415 - Ethik und Moral 462 - Genetik 412 - Kontrolle bei Schocktherapien 404 - Kriminologie, forensische Psychiatric 398f., 461 - Pädagogik und Heiicrziehung 397, 462 - Pharmako-psychodynamische Wirkungen 406 f. - Psychiatric und Neuroscnlehrc 399 f. - Psychosomatik 402f., 463 Arbeitsvorgesetzte und Gruppen. Triebuntersncbungen und «human relations» (s. auch Dekonzen­

tration) 408

Associa lionsméthode, faktorielle 354 ff.

-

Faktortreue Einfälle. Beispiele 356 ff. Faktoruntreue Einfälle. Beispiele 361 ff. Komplexbedingte Einfälle 362f. Störungen der Identifizierung und des affektiven Verhaltens, Schockreaktionen 369 ff. Aufforderiuigscbarakter der Testbilder 372 ff. Auf-Suche-Geben (s. auch Faktor d) 41, 174, 178 - Kontaktbild 188, 194, 200 - mit Depression 194 - nach I. HERMANN 186 - Zweifel im Suchen. Kontaktbild 193 Aufstauung der Kainanspriicbe 116, 124 Ausreisser-Ich

-

Ich-Bild 150, 163, 172 Ich-Stufe Ek 448 Kontaktbild 189 Testbild der Mitte 216

Autismus, autistisch

-

Ich-Bild 158, 172 Ich-Stufe A 448 magisch denkende Schizophrene 160 nach BLEULER 158 scha Triebsystem 39 undiszipliniert 143 undiszipliniertes, okkultes Denken 160 Autodeslruktion (s. auch Sclbstsabotage, Selbstdestruktion, Faktor k) 41, 75, 76, 136, 150, 155,167,171, 213, 311

B Bedienermturen. P/jy+'Gefahrklasse 309

466

Bedürfnis

- Begriff 26, 27, 39, 40-43 - nach Faktoren. Schema 1. 38 - Spannung, Beispiel 374ff. und ihre Verschiebung 391 Beeinflußbarkeit. Ich-Bild 157 Beharrung (s. auch Faktor d) - extreme im Kontaktbild 189 - Kontakttrieb 174, 200 - scha Triebsystem 38, 41 Beispiele

-

Alltagsmensch, Rand und Mitte 218f. Akzeptationsneurose. Rand und Mitte 213 Destruktionsdrang 78 Eheanalyse mit Hilfe des Testes 409 ff. Eineiige Zwillinge 414 f. Epilepsie. Rand und Mitte 222 Epileptiker. 12 Profile 56 Erotomanie. Komplementmethode 246 f. Faktortreue Assoziationen 356ff. Faktoruntreue Assoziationen 361 ff. Hcboidc Schizophrenie. Rand und Mitte 229 Humanisierungstcndenz. Rand und Mitte 220 Infiative und projektive Schizophrenie. Rand und Mitte 225 - Kleptomanie. Komplementmcthodc 254 - Komplexbedingte Assoziationen bei einer sadomasochistischen Dualunion 363 - Kontrolle der Schocktherapie 404 - Masochismus. Rand und Mitte 221 - Masochismus. Komplementmcthodc 241 - Masochistische Perversion 380 f. - Normale und seelisch Kranke und Sozialindcx 349, 351 - Präschizophrener Zustand 57 f. - Sadismus. Komplementmethode 238 - Seelisch Kranke, Berufsgruppen und Krimi­ nelle im Sexualindex 339f. - Selbstsabotage. Rand und Mitte 213 - Sexuell Normale und Abnorme im Scxualindex 338 f. - Schicksaisanalyse eines Priesters 412ff. - Schizomania, 10 Zehncrscrien 290 - Triebprofile von physiologischen und patho­ logischen Prozessen 421 ff. - Wandlung der Triebklasse 292 zur Anwendung des Tricblinnäus 298f. - zur Aufstellung der Triebformel 270 - zur Menschenbestimmung mit Linnäus - - Ss~-Klasse mit einer Gefahr 321 SIA-Pe—-Klasse mit zwei Gefahren 324 - - zur Triventilklasse 325 zu den Triebklassen mit drei Triebgefahren 327 zur Vcntiltriebklasse mit vier Ventilen 327 Zwei Epilepsiefälle aus der gleichen Trieb­ klasse 331 - zur Triebklasse 278 - zu den Quantumspannungen 374f., 376 - zur Wandelbarkeit der Krankheiten 400f. - Zwangsneurotiker. Triebprofil 60 Beklemmung

- Affektbild 117 - 3"/>+-Triebklasse 303


Berufe, Berufs-

- Bergarbeiter. Sexualindex 338 Sozialindex 350, 351 Testergebnisse 407 - beratung als Anwendungsgebiet 407 - Ich 148 - Faktor k 85 - Lehrer. Sexualindex 340f. Sozialindex 350, 351 - Richter 43 - Toxikologe 43 - Sozialisierung nach den 8 Triebfaktoren 40-43 - Triebklassen 303 ff. - - Sb+, Sh- 303f. - - Ss~ 306 - - Pe+ 307 - - Pby+, Phy- 309 f. - - Scbk+, Scbk- 31 Iff. - - Cd+ 318 - - Cm 319 - wähl durch Introjektion 135 Bssesseube.it (s. auch Inflation, Faktor p) - Beispiel 246 ff. - Ich-Bild 149, 171 - als Ich-Stufe Ep 448 - Liebe, Bisexualität 140 Betrüger, Ich-Bild 165 Bewegungssturm {by) 109 Beziehungsangst 217/218 Bindung

-

doppelte im Kontaktbild 190, 200 irreale 180, 192, 200 Klassifizierung 177 treue im Kontaktbild 195 untreue im Kontaktbild 194 Bisexualität (s. auch Homosexualität, Faktor h und p) - Ich-Bild 170 - Klasse der latenten Bisexuellen 302 - Test 95 - 577/)+-Gefahrklasse 316 Bizarrerie

- Sadomasochisten 81 - 3r7/)T-Gcfahrklassc 315 ^//^-Introjektion (s. Ad-hoc-Introjektion) Böse, das (s. auch Kain und Faktor e) - scha Triebsystem 38, 39, 40 Buschneger (s. auch Primitive) - und paranoide Schizophrenie 387 Charakter

^

131 - Charakterologie als Anwendungsgebiet 397 - dialektischer im Ich-Bild 169 - Erscheinungsart 173 - Züge bei Scb + 0 148 377 O -h 150 377 — 0 151 377 0 — 153 377 + + 154 377 155 377 0 156 377 0 d: 157 - bildung

377 -J 377

160 h 161 Seh — ± 163 377 ± —164 ~ Scb -f- 2h 165 377 ± + 166 Scb ± ± 169 Scb 0 0 170 C-Vektor (s. auch Kontakttrieb) - Begriff 28, 173ff. - Cd+- und Cd--Gefahrklassen 317ff. Cm+- und Cm -Gefahrklassen 319 ff. - scha Triebsystem 38, 39, 41, 43 - Chi-Quadrat-Methode 454, 457f.

D Dämmerzustände (s. auch Faktor e und Epilepsie) 42, 113 {by) '

- als Ich-Stufe F 448 Deflation mit Zwang im Ich-Bild 165 Defraudanten, Cm~-Gefahrklasse 320 Dekonzentration

- Arbeitsstörung 188, 190, 191, 192, 198 - Cm~-Gefahrkiasse 320 Depersonalisation

- Ich-Bild 161 - als Ich-Stufe Ep 448 - Schk -Gefahrkiasse 311 f. - Sozialindex 349 Depression, depressiv (s. auch Faktor d, manisch' depressives Irresein, Melancholie) - Auf-Suche-Gehen 194 - Beispiel zur Menschenbestimmung 327 - Bedürfnis 41 - C'd+-Gcfahrklassc 317, 318 - Erbkreis 37 - faktoricll 174 - Ich-Bild 148, 163 - Kontaktbild 180, 197, 200, 201 - paranoid Depressive. CV/--Gefahrklassc 319 - paranoide. Schk—-Gefahrklasse 314 - Per*--Gefahrkiasse 309 - Symptombildung 43 - Testbild der Mitte 216 Desimagiuation (Faktor k) 136, 171 Desintegration

-

Begriff 96 Ich-Bild 170, 172 als Ich-Stufe F 448 Ich-Entwicklung 447 Kontaktbild 199

Destruktion, -s, destruktives

-

AUodestruktion 136 drang, Beispiel 78 hypertonic 79 Ich-Bild 155 ichhafte 131, Psychologie 136 negativistische 75 scha Triebsystem 38, 136, 171 - Scbk -Gefahrklasse 311 - Selbst D. 217 - wahn im Ich-Bild 163 Deutungsmetboden 205 ff. - Aufteilung 209

467


- Inkonstanzmethode 266 - Komplementmethode 232 ff. - Linnäusmethode 267 - Proporzmethoden 332 - Quantenverrechnung 266 - quantitative 265 ff. - Rand und Mitte 211 ff. - Sexualindcx, die Dur-Moll-Mcthodc 333ff. - Sozialindex 345 ff. Deutimgsprhr^ipien

- bei VGP, ThKP und EKP 237 - Entwicklungsstufen 394 - Leitsätze 205ff., 399, 400, 401, 402 d-Faktor 39, 41, 43, 174 - ambivalente Reaktionen 181 - negative Reaktionen 180 - Nullreaktionen 179 - positive Reaktionen 179 Dialektik der Triebe 291 Diebe (s. auch Kleptomanie) - Beispiel 254 ff. - Ich-Bild 151, 155 Dipsomanie

- Bedürfnis 43 - Ich-Bild 164 - Scbk~-Gefahrbild 314 Don-Juanismus. Kontaktbild 179 Drehbühne, seelische 68 Drill-Ich

- Charakterologie 155 - Ich-Bild 155 Dualismus der Triebgegensatzpaarc 30 Dualunion

- Begriff 75, 138 - Tcstsyndrom 422 Dur-Moll (s. Sexualindcx) - Methode 334 ff. - Strebungen 335 Durchschnittsmensch, Ich-Entwicklung 447 f.

E Ebbe im Affcktleben 104 e-Faktor (s. auch Epilepsie)

-

ambivalente Reaktionen 107 Bedürfnis 39, 41, 43 Beziehung zur Ethik 107 negative Reaktionen 106 Nullreaktionen 104 positive Reaktionen 105 Wahl der Bilder 53 Wesen und Psychologie 103 f. Egodiastole (s. auch Faktor p) - Beispiel 246ff. - scha Triebsystem 39, 41, 43 Egoismus

- Ich-Bild 148, 149, 165 - scha Triebsystem 39, 41 - jVM+-Gefahrklasse 311 Egosystole (s. auch Faktor k) - Begriff 132 - Hypertonie 134 - scha Triebsystem 38, 39, 41, 43 - unbefriedigte. jVA£-Gefahrklasse 311

468

Egozentrismus

- Ich-Bild 148, 160, 165 - scha Triebsystem 39 - JrM+-Gefahrkiassc 311 Ehe

- analyse mit Hilfe des Testes 409ff. - Beratung als Anwendungsgebiet 408 Eifersucht, -s (s. Faktor e) 39, 40, 103 - psychose im Ich-Bild 149 Eigentumsdelikte. Ich-Bild 149 Einbrecher - Cm -Gefahrklassc 320

- Ich-Bild 151, 156, 160 - 57j+-Gefahrklasse 303 Einfälle auf die Testbilder

- Die faktorielle Assoziationsmethode 354 ff. Einfühlen, intuitives im Ich-Bild 157 Einsamkeit

- Faktor m 41 - Ich-Bild 157 Eitelkeit. Ich-Bild 156 Elektroschock (s. auch Schockbehandlung) - Testprofile vor und nach E-Schock 405 - Triebexperiment nach E-Schock 34 Elternbindung 180 Empfindsamkeit 41 - Ich-Bild 156 Entfremdung 109 - Abwehrmechanismus 161 Eifersucht 227 - Ich-Bild 161 - als Ich-Stufe Ep 448 - Kontaktbild 192 Entladung als 3. Phase der Nullreaktion 58 Entwertung aller Werte (Faktor k) 136 Entwicklungs-

- geschlebte der Ich-Bilder 148, 149, 150, 152, 154, 155, 156, 157, 159, 160, 162, 164, 165, 166,169, 170 - psychologie als Anwendungsgebiet 394 Epilepsie, epileptoid (s. auch Faktor e) - Assoziationsversuch mit Epileptikerbildern 358 - Bedürfnis 39, 40, 42 - Beispiel bei Rand und Mitte 222 - Beispiel zu faktoruntreuen Assoziationen 365, 369 - Charakter, Cd~-Gefahrklassc 319 - Cm--Gefahrklassc 320 - Erbbeziehung zur Hysterie 114 - Erbgang 114 - Erbkreis 37 bei einem Priester 413 - Etymologie 103 - und Hysteroepilepsic, J7j+-Triebklasse 303 - Ich-Bild 148, 164 - Konduktoren der A+-Gefahrklasse 307 - Kontaktbild 201 - paroxismale Existenzmöglichkeit 430 - />/jy+-Gefahrklassc 309 - /7j)r--Gcfahrklasse 310 - Sexualindex eines epileptischen Mörders 341 - Symptombildung 42 - Schk~-Gefahrklasse 314 - und Tendenzspannungsquotient 287


- Vergleich mit Migräne und Stottern im Trieb­ profil 54 - Zwei Fälle mit derselben Triebklasse 331 - Zwölf Triebprofile eines Epileptikers 56 Epileptiforme Äquivalente

- Beispiel (Kleptomanie) 254 - Testbild der Mitte 218 Erb

~ bedingtheit der Abwehrmechanismen nach FREUD 127

- bedingtheit der Ich-Entwicklung nach FREUD 127 - Faktoren. Verschiebung 391 - genese und Psychogencsc. Integration 146 - kreis; der schizoforme 35 - - der zirkuläre 35 - - der epileptiforme 35 der T-Erbkreis (sexuelle Triebkrankheiten) 35 - Stammbaum der Person und Wurzelfaktoren. Beispiele 390 f. Eros (s. auch Faktor b) - Bedürfnis in Dominanz 92 - Definition 66 - Diskrepanz zwischen Eros und Ich 75 - Faktor, Wechselbeziehungen mit Faktor p 75 - hermaphroditischer 72 - Hypertonie 70 - scha Triebsystem 39, 40, 42 - scha Trieblehre 83 Erotomanie (Faktorp) - Beispiel mit Komplementmethode 246 - Kontaktbild 195 - 3V/>/>+-Gcfahrklasse 315 Erwerbung und Veränderung (s. auch Faktor d) - Tendenz im Kontaktbild 176 - scha Triebsystem 38, 39, 41, 43 Essen, ?naßloses

- ik^-Gefahrklasse 305 Ethik, ethische, ethischer Faktor (s. auch Faktor e)

103 Doppelnatur 104 hyperethische Verhaltensart 156 Kampf beim Alltagsmenschen 107 scha Triebsystem 38 Zensur in Dominanz 118, 124 Zweifler 121 f., 125 Ethnologie, Ethnopsychologie - Testergebnisse von 136 Buschnegern 415 ff. Exaltiertheit. Ich-Bild 150 Exhibitionismus (s. auch Faktor hy) - Ich-Bild 134, 155, 163 - latenter. /^y-Gefahrklasse 309 - P-Vektor 104, 111 - Testbild der Mitte 218 - scha Triebsystem 38, 39, 40, 42 Existenz (s. auch Schicksal) 428 - Definition, nach HEIDEGGER 429 d. Scha 429 - möglichkeiten 20, 37, 53, 236 - panik bei Gesunden 106 -

- Beispiele 430 - Indikationsmethode zur Psychotherapie (SZONDI) 432-433

Gefahrenexistenzen 432, 434 Gefahrindex 433 Kasuistische Deutung 434 Kasuistik und keine Statistik 434f. Kasuistik 436 Transvcstit 436 Zwangsneurotiker 437 keine klinische Diagnose 429, 430 Proportionen 432-433 Schutzexistenzen 432 zur Psychotherapie 432-433 - Methode zur Bestimmung der Psychodynamik 437, 441 - Psychometric und Prozeß des Unbewussten 436 - Uni- und Bi-Existenzformen und Halbeinheiten 430 Existenz/Möglichkeiten (s. auch Existenzformen) - Bestimmung 433-434 - Basis für Deutungsmethoden 428 Indikationsmethode (SZONDI) 428 Prognostikstellung (BEELI) 428, 441 Sozialskala (BEELI) 442-443 Prognostische Bewertung (BEELI) 443-445 Subjektive Note 428 Existenzskala (EES) 429, 441 - Allgemeines 429 - Anwendung 431 Diagnostik 431 Indikationsstellung 431 Längsschnitt 431 Prognostische Skala (BEELI) 431 Therapie 431 - Bestimmung 430 - individuelle (BEELI) 431 - kollektive (SATAKE) 431 - Normen, vorläufige (BÜRLI) 446 - Syndromatik 430 Experimenteller Komplementprofil (EKP) 47, 49, 233 - Bedeutung 238 - Vergleich mit VGP und ThKP 236 Extraversion

- Bedürfnis 41 - Ich-Bild 148

F Faktor (s. die 8 Faktoren) 38, 39, 40-43

-

submanifeste und sublatente 270 submanifeste. Beispiel 272 Symptomfaktoren. Beispiel 271 Wurzelfaktoren. Beispiel 272 Faktorielle A.ssoziationsmethode 354 ff. - faktortreue Assoziationen 356ff. - faktoruntreue Assoziationen 361 ff. familiäres Unbewußte 128f., 389 Familienforscbung

- experimentelle 390 Beispiel 412 Fanatismus

- Ich-Bild 150 Fetischismus 134

469


- Ich-Bild 148, 171 - Testbild der Mitte 217, 218

Geldsucbt id) 176 Geltungsdrang (s. auch Faktor by) 40, 42

Film

-

- Triebwirkung auf Jugendliche 397 Freiheitsdrang. Kontaktbild 182 Frigidität

- 37"-Gefahrklasse 306 Forensische Psychiatrie

- als Anwendungsgebiet 398 Frustration 41

- Annahme als Ich-Stufe Ep 448 Frömmigkeit (s. Faktor e) 40, 42, 103 Fugue = Flucht - Ich-Bild 163, 172 - Ich-Stufe Ek 448 - Testbild der Mitte 216 Funktionsinhalte 461

G Geduld (s. Faktor e) 40, 42, 103 Gefahrklasse

- Begriff 282 ff. - Beispiele 283, 321, 324 , 327 - 3V;+ und Sb~~ 302ff. und Ss~ 304 ff. - Pe+ und Pe~ 307 ff. - Pby+ und Pby~ 309 ff. - Schk+ und Schk~ 31 Iff. - Schp+ und Schp~ 314ff. - Cd+ und Cd~ 317 ff. - Cm+ und Cm~ 319 ff. Gefahremxistm^en 432, 434 - Proportionen 432 Geistestätigkeit nach Triebfaktoren 42 Geisteskranke

- Assoziationsversuch 358, 359, 360, 364ff., 367, 358, 369, 371 f. - Dementia paranoides 327 ff. - Dcpcrsonalismus 311 - Depression, Melancholie 317 ff., 327 - Elektroschock 404 ff. - heboidc Schizophrenie 229 - hypomane Schizophrenie 270, 283 - inflative und projektive Schizophrenie 225, 246 - inflatives Paranoid 314ff., 327 - Manie 319ff. - Mitte 217 - paranoide Depression 324 - Partizipationstendenz 34 - projektives Paranoid 317, 327ff., 387f. - Psychiatrie 399 ff. - Psychosis hysterica 280, 298 ff. - Querulanz 283 - sensitiver, paranoider Beziehungswahn 284 - Scxualindcx 337, 339f., 342, 343f., 353 - Sozialindex 349, 350, 351, 353 - Schizomania 290 ff. - Schlafkur 406 - Tendenzspannungsquotient 287 f. - Testsyndromatik 421, 422 Gei% (s. auch Faktor d) 41, 176, 178 - Kontaktbild 190

470

Dominanz 116, 124 Faktor by 1 09 Ich-Bild 165 scha Triebsystem 38, 39 Gefüblskälte, 3V/>£+-Gefahrklassc 311 Gemütskälte, Ich-Bild 148 Gen, Gene - einfache und Volldosis 35 f. - genetische Bedingungen des Testes 389 ff. - letale 35 - Test im Dienste der Genetik 412ff. - Theorie der Triebe 29, 129 Gerechtigkeit (Faktor e) 103 - Ich-Bild 156 Geschlecht

- bestimmung 334 - Chromosomen und Geschlcchtsgene 333 - entwicklung 334 Gesunde, -er, - Alltagsmensch 219, 377, 378 - Individuen 34 Gewissen, -s (s. Faktor e) 40, 42,103 - Angst als Faktorreaktion e 105 - Dominanz 115, 124 - haftigkeit im Ich-Bild 156 Glaukomkranke

- Sozialindex 350, 351 - Triebstrukturanalyse 403 « Globetrotter» , Ich-Bild 163 Glücklichsein, im Kontakttrieb 176 Größenideen, Größenwahn (Faktor p) 140 - Bedürfnis 39, 41, 43 - 67^-Gefahrklasse 318 - 77jy+-Gefahrklasse 309 - 37/^-Gefahrklasse 315 - Testbild der Mitte 216 Großtuerei (s. auch inflatives Paranoid und Megalomanie) - Ich-Bild 165 Grübelei, Ich-Bild 156 Grundversuch mit dem Test 46 Gutey das - Faktor e 39, 40, 42, 103 - scha Triebsystem 38, 39 Gutmachenwollen 40, 42 - als f-Faktorrcaktion 105

H Haben (s. auch Faktor k und Egosystole)

-

Alles-Haben im Ich-Bild 153 Bedürfnis k 41 Drang zum Haben 129 mehr H. als Sein, Ich-Stufe D 448 Habsucht im Ich-Bild 149, 165 - /7jy+-Gefahrklasse 309 und Sein 126 ff. Wesen 130-133 Habgier (s. auch Geiz) - Bedürfnis k 41 - Bedürfnis d 41, 178 - Ich-Bild 148


Habmachtsucbt (s. auch Habgier, Geiz) - Ich-Bild 148 - Tf/^+-Gefahrklasse 311 Halluzination (— p) 143 Haltlosigkeit (s. auch Psychopathie) - Bedürfnis 41, 43 - Ctf/+-Gcfahrklasse 319 - Cm~--Gefahrklassc 320 - Kontaktbild 190 - Testbild der Mitte 216, 217 Hasardeure

- intersexuelle, CV/+-Gefahrklasse 318 Haschen und Hasten (s. auch Manie) - Bedürfnis m 41 - Cm~-Gefahrklassc 320 - Kontaktbild 190, 197 Haß (s. auch Faktor e) - Bedürfnis e 39, 40, 42 - Wesen des Faktors e 103ff. Härte (s. auch Dur) - Ich-Bild 148 - Scxualindex 335-344 Hebephrenic

- Beispiel 229 ff. - maniforme, Cw~-Gefahrklasse 320 Heboidie

-Gefahrklasse 310 - sprunghafte, im Ich-Bild 157 Heilerziehung als Anwendungsgebiet 397 He?nmung

-

als Negation 131 Ich-Bild 136, 160, 166 Ich-Stufe B 448 Testbild der Mitte 217

Herniaphroditismus

- AssoziationsWirkung von Hermaphroditenbildcrn 356 - Erbkreis 37 - Eros des H. 67 - Faktor des Fl. 67 - Ich-Bild 154 - psychischer 82 - Symptombildung 42 Heterozygote Konduktoren 35 - Heterozygote, Heterose 36 h-Faktor (s. auch Homosexualität) - ambivalente Reaktionen, Analyse 72 - auf geistiger Ebene 76 - Bedürfnis 39 - Berufe 85 - Energie = Libido 67 - Erscheinungsformen 40 - - Erwachsene 40 Friihkindlichc 40 - - Krankheitsformen 42 Kriminalität 42 - - Sozialisierung im Charakter 40, 42 Sublimicrung 42, 70 - - Symptombildung 40 - kollektive und persönliche Liebe 67 - konstitutionelle Schwäche 70 - negative Reaktionen, Analyse 71 - Nullreaktionen, Analyse 69 - positive Reaktionen, Analyse 70 - Psychologie 66

- Wechselbeziehungen mit Faktor p 75 - Wesen des Erosfaktors 66-69 - und Zweigcschlcchterwesen 67 Hingabe bei Faktor b 80 - Dominanz 90 Hintergänger (Hintergrund, Komplcmcntprofil) - Analyse 232ff. - Begriff 87 ff. Hintergrnndprofil, experimentelles (EKP) s. Experimentelles Komplcmentprofil - theoretisches s. Theoretisches... (ThKP) Hinterlistigkeit, Ich-Bild 150 Homo sacer (s. Epilepsie) - Berufe. 37>~ETriebklasse 303 Pc+ 307 Homosexualität (s. auch Faktor b) - anale, /V—-Gefahrklasse 309 - Bedürfnis 40, 42 - Beispiele im Sexualindex 339ff., 340 - Cm~-Gefahrklassc 320 - Erbkreis 37 - Kriminalität 157 - latente. Beispiel zur Menschcnbestimmung321 - - Ich-Bild 149 - - Pby~-Gefahrklassc 309 - - Hasardcure, CV/+-Gcfahrklasse 318 - passive, -Gefahrklasse 310 - - Kontaktbild 189, 200, 201 - - Ich-Bild 157 - Pg+-Gefahrklasse 309 - PÄyT-Gefahrklassc 309 - 57»+-Gcfahrklassc 303 - 3V/>/r~-Gefahrklasse 317 - Testbild der Mitte 216, 218 Homozygoten 36 Humanisten, Humanisierung, -s, Humanisation - bei Faktor b 80 - entsagende, CV/-Gcfahrklasse 317 - Klassifizierung 42 - militante 169, Sb~-Tricbklassc 304 - Scheinhumanisten 72 - Syndrome 424 - im Test 220 - Tendenz im Ich-Bild 154 Hypochondrie

-

C/W™-Gefahrklasse 320 Ich-Bild 156, 161, 170 Kontaktbild 191, 200, 201 Ptf+-Gcfahrldasse 308 psychosomatische 403 5V/;£--Gcfahrklasse 314 Schuld- und Strafangstsyndrom 421 und Sozialindex. Fälle 349 Testbild der Mitte 216, 217 Hypomanie, hymomanisclic Reaktion (s. auch Manie) - Bedürfnis 41, 43 - Beispiel zur Aufstellung der Triebformel 270 - Bindung im Kontaktbild 190, 200 - Cm~--Gefahrklasse 320 - Kontaktbild 179, 189 - Reaktion der Kinder im Kontaktbild 190 - 3j"~~-GcfahrkIassc 306 Hysterie (s. auch Faktor by, Phobie, Konversionshystcric) - Abasie, Astasie, Aphonie, Aphasie 109

471


-

Affektflut 117 ambivalente Reaktionen, Analyse 112 Angsthysterie. Ich-Bild 169 Assoziationswirkung von Hystcriebildcrn 359 Bedürfnis 40, 42 Beispiel zur Menschenbestimmung 321 f. Blindheit, Taubheit 109 Bewegungssturm 108f. Entfremdung 109 Entladung zarter Affekte 110 Erbbezichung zur Epilepsie 114 Erbgang 114 Erbkreis 37 Exhibieren 108f. hysteriforme Selbstmörder, iVM~~-Gefahrklasse 314 Geltungsdrang 108f. Hypertonie 110 Hysteroepilepsie 115 -Gcfahrklassc 309 Schp~~--Gefahrklassc 317 Ich-Verlust 109 Immobilisierungsphänomene 109 Irrealität 109 Konvcrsionshysteric, Ich-Bild 156 Schk~~--Gefahrklasse 314 Kontaktbild 189, 199, 201 Krämpfe 109 Lähmungen 113 Lügenhaftigkeit 109 Mythomanie 108 f. negative Reaktionen, Analyse 111 Nullreaktionen, Analyse 110 positive Reaktionen, Analyse 110 Scham- und Ekelschranke 109 Sich-zur-Schau-Tragcn 108 f. Sich-tot-Stellen 109 Symptombildung 42 Tendenzspannungsquotient 287 Tic 109 Wesen und Psychologie 108

I Ich (s. auch Faktor k undp)

-

Abwehrmechanismen 127 ambivalente Stellungnahme 137 analyse der Psa 127 analyse des Ich-Triebes 145 f. Ausreißer-Ich 150, 163 autistisch-undisziplinicrtes 135 Bedürfnis 41, 43 Berufs-Ich 148 bewußtes 19 bildet, cntwicklungsgeschichtlich 148, 149, 150,152,154,155,156,159,160,162,164,165, 166, 169, 170 Dilatation 140 f. Drill-Ich 155 Elemcntarfunktionen, vier 129 Einengung = Egosystole 132 Entfremden 131 Funktionen 461

472

-

Funktion und Wahnbildung 402 hafte Destruktion 131, 136 Identität (ERIKSON) 142 integrierendes 167 Katastrophenahnung 167 der Kinder 135 Kreislauf der Elcmentarfunktioncn 129, 145 und Kriminalität: - Affekttotschläger 150, 153, 157, 163, 169 - Arbeitsscheu 164 - Betrügerei, Hochstapelei 165 - Diebe 151, 155 - Destruktionswahn 163 - Eigentumsdelikte 149 - Einbrecher 151, 156, 160 - Exhibitionisten 163 - Homosexuelle 157, 161 - Klepto-, Pyro-, Dipsomanie 164 - Lustmordanlage 164 Polymorph-Perverse 153 - - Raubmörder 153 schizoformc 163 - - Sexualabnorme 161 - - Sittlichkeitsdelikte 149 Tötungsdrang = Thanatomanic 163 - - Wandertrieb 164 - leben, Wandelbarkeit 399 - Negation 131 - neurotisches 150 - Ohnmacht 170 - paranoides 151 - Pontifex-Ich 167 - Pontifex oppositorum 129 - Schicksal, freies 19 - schwäche 133 - Trotz-Ich 158 - Triebe, s. auch ÖV/>-Vcktor 27 - Triebe FREUDS 126 - Triebe der Scha 128 ff. - Verdrängen 131 - Vcrgrösscrung als Ich-Stufc Bp 448 - verlassenes Ich 157 - Verlust 133, 140 - als Ich-Stufe F 448 - - (hy) 109 - - Testsyndrom 421 - Verstellung in der Vereinsamung, Test­ syndrom 423 - Wechsel 133, 140, 170 als Ich-Stufe F 448 - Zwangs-Ich 156 - Zwangsschicksal 19 Ich-Entwicklung 428, 447 ff. - Durchschnittsmensch 447 - Experimentelle Existenzskala 428 - frühkindliche 447 - Hauptstufen 447 - - und Unterstufen 448 ff. - Häufigkeitsproportionen nach Alter, Tabelle 449 - Pubertät 447 - Stufengang (A, B, C, D, E, F) 428, 447 - Sublimicrung 447 - Verschiedenheit nach Klima, Alter, Rasse, Klasse 428


Idealbildtmg (s. Faktorp) 41 Identifizierung (s. auch Introjektion)

- Ich-Stufe Ek 448 - Inversion, Schk~-Gefahrklasse 313 - Störungen bei der faktoricllcn Assoziations­ methode 369 Immobilisierungsphänomene (hy) 109, 117, 124 - bei Tieren 113 Impotem£, 3V~~-Gefahrklassc 306 Inflation (s. auch Faktor p) 129, 138ff., 140, 172 - Egodiastole 41 - Introinflation im Ich-Bild 153 - %> als Introjektion Ich-Stufe D 448 - mit Zwang zurückgehalten (im Ich-Bild) 165 - negative im Ich-Bild 160 - negierte Ich-Stufe B 448 - physiologische 149 - inflativ paranoide Existenzmöglichkeit 430 - + Projektion als Ich-Stufe Ep - scha Triebsystem 38, 39 - 3Wy>+-Gcfahrklasse 314 - totale im Ich-Bild 149 als Ich-Stufe 448 - Wahn im Ich-Bild 149 Inhibition (s. Hemmung) - im Ich-Bild 160, 172 Inkonstan^methode 266 Instinkthandlungy Begriff 26 Integration 129, 172 - der Affektflut 122, 125 - Begriff 94 - Ich-Entwicklung 447 f. - im Ich-Bild 167 f. - totale als Ich-Stufe F 448 - Triebgefahr 95 - der Triebgegensätzlichkeiten 98 Intersexualismus

- bei Buschnegern 418 - C<flH~-Gefahrklasse 318 - jj—-Gefahrklasse 305 Introjektion (s. auch Identifizierung) 129,172, 461 - Ad-hoc = Blitz-Introjektion 135,148,149,171 - Alltagsform 134 - Begriff 130 - Berufswahl 135 - + Inflation und Projektion als Ich-Stufe Ep 448 - inflaprojektive 164, 172 - > als Inflation. Ich-Stufe D 448 - scha Triebsystem 38, 39 - totale im Ich-Bild 148 - - Ich-Stufe Ek 448 Intronegation (s. Faktor k) 137, 171 - Ich-Bild 156 - Ich-Stufe Ek 448 Introprojektion. Ich-Stufe A 448 Inzest

-

bindung im Ich-Bild 165 Kontaktbild 176, 180, 184, 195, 201 liebe und haß im Kontaktbild 195 scheu 175 3VZ^-Gefahrklasse 311 Irrealität (hy) 109 - Bindung (d) 180, 200 - negativer Block 184

J Jammern

- im Vektorbild P 118

K Kain (s. auch Faktor e)

-

das Kain-E 242, 245, 261, 422 der reine Kain 119, 124, 216, 217, 243, 245 Kritiker 119 komplex im Ich-Bild 154 Nichtbefriedigung der Kain-Ansprüche, PeGefahrklasse 307 - Tendenz im scha Triebsystem 38, 39, 40, 42 - versteckt sich 120, 125 - Wesen und Psychologie 103 Kastrationskomplex im Ich-Bild 165 - Komplex 153 Katastrophenahnendes Ich 167 - als Ich-Stufe F 448 Katatonie (s. auch Faktor k) - Assoziationswirkung von Katatonikerbildern 359 - destruktive, agierende im Ich-Bild 155 - Kontaktbild 196 - 3V^-Gefahrklasse 314 - Symptombildung 43 k-Faktor (s. auch Egosystole) - ambivalente Reaktionen, Analyse 137 - Assoziationswirkung 359 - Bedürfnis 39, 41, 43 - Begriff 128 ff. - Drang zum Haben 128 - negative Reaktionen, Analyse 136 - Nullrcaktioncn, Analyse 133 - bei Perversion 381 - positive Reaktionen, Analyse 134 Kinder

-

frühkindliche Ichentwicklung 447f. hypomanische Reaktion 190 paroxysmal-epileptiforme im C-Bild 196 psychologie, -psychiatrie und Kinderspiel­ therapie als Anwendungsgebiet 394 - Reifebedingungen zum Testen 394 - schielende, Triebstruktur 403 - Umklammerungsreflex, vererbter 186 - Vcrhaltcnstypcn im Test 396 - verlassene im Kontaktbild 184 Klasse s. Triebklasse Kleben (s. auch Faktor d) 174 - Bedürfnis 41, 43 - C^-Gefahrklasse 317 - Klebenaturen, Cd~-Gefahrklassc 319 - Ich-Bild 156, 170 - Kontaktbild 189, 195, 200 - scha Triebsystem 38, 39 - Wesen und Psychologie 178 - Zweifel im Kleben 193, 200 Kleptomanie

-

Bedürfnis 42 Beispiel mit Komplcmentmethode 254 Cw~-Gefahrklassc 320 Ich-Bild 164

473


- /V~- und 7V~-Gcfahrklassc 309 - Phy~-Gcfahrklasse 310 - Schk~-Gcfahrklassc 314 - 3V7>p+-Gcfahrklasse 315 - Testbild der Mitre 217, 218 Kollektive Zärtlichkeit

- scha Triebsystem 38, 39, 40, 42 Komplementmetbode 232ff., 461 - Analyse des Vorder- und Hintergängers 232 - Beispiel: Erotomanie 246 Kleptomanie 254 - - Masochismus 241 Sadismus 238 Komplex (s. auch Syndrom) - bedingte Tiefenassoziationen 362 - Testsymptomkomplex 421-424 Konduktor

-

Faktoren s. Wurzclfaktorcn Forschung, Beispiel 412 Natur der Person 268 - Bestimmung mit dem Test 390 Konkordatr^analysc (VGP, ThKP, EKP) - Beispiel: Erotomanie 252f. - - Kleptomanie 262 f. - - Masochismus 242 f. Sadismus 239f. - Zweck der 236 Konservativismus {d) 178 - Bedürfnis 41 - Ich-Bild 167 - Kontaktbild 189, 200 Konstitutionelle Schwäche

-

Faktor h 70 Faktor j- 78 Triebe 54 Sexualtrieb im Test 96 Kontakt (s. auch C-Vektor) - Analyse der 16 Vcktorbildcr 188ff. - Desintegration 199 - die 16 Variationen, Abb. 13. 199 - losigkeit 199, 201 - reife Kontaktbczichung 200 - Schoßkindkontakt 199, 201 - sperre 192, 196, 200, 201 - trieb 39, 41, 43 - - Energiequelle 188 Konversionshysterie (s. auch Faktor by) - Bedürfnis 42 - Ich-Bild 160 - Kontaktbild 200, 201 - 77?+-Gcfahrklassc 309 - Phy -Gefahrklasse 310 - Schk~--Gefahrklasse 314 - Testbild der Mitte 217 Koprophiiie (d) 178 - Bedürfnis 41 - Pe~-Gcfahrklassc 309 Krämpfe (s. auch Epilepsie) - Faktor hy 109 Krankheitsformen

- nach Triebfaktoren 42-43 Kriminalität, -s - Anwendungsgebiet 398 - formen nach Triebfaktoren 42-43 TVffektmörder 150, 153, 157, 163, 169

474

- - und Sexualindex 339f. - - - und Sozialindex 351 f. -Gefahrklasse 320 - - Betrügerei, Hochstapelei 165 Dcfraudantcn, Cfu~--Gcfahrklassc 320 - - Destruktionswahn 163 - - Diebe 151, 155 - - Eigentumsdelikte 149 - - Einbrecher 151, 156, 160 Cw-Gcfahrklasse 320 - - epileptiformc Mörder. Sexualindex 342 Exhibitionisten 155, 163 - - Homosexuelle 157, 161 Klepto-, Pyro-, Dipsomanie 164 - - Lustmordanlage 164 Lustmörder und Sozialindex 351 f. - - Polymorph-Perverse 153 Raubmörder 153, schizoforme 163 sexual Abnorme (polymorph-perverse) 161 - - Sexualvcrbrcchcr, 3V/>/>+-Gcfahrklassc 316 Sittlichkeitsdelikte 149 - - Tötungsdrang = Thanatomanic 163 - - Wandertrieb 164 - yV^^-Gcfahrklassc 310 - Schk~-Gcfahrklassc 314 - und Sexualindex 349 - unbefriedigtes Zärtlichkeitsbedürfnis der kriminellen Jugend 399 Kreitzweg;.venschen, Ich-Bild 154 Kritiker, T/j+-Triebklassc 303 Kulturdrang

- Bedürfnis 40, 42 - Test 93

L Lnngsamkc.it, Ich-Bild 156 Latent

- proportionen 278ff. - - und Wandlung der Diagnosen 401 Lebensalter

- altcrsspezifische Entwicklungsmerkmale 395 - Entwicklungsstufen des Wahlaktes 394 - Wandlung der Triebklassen und -Formeln 296 Lebenstrieb

- Auffassung FREUDS 83 - und Faktor h 66 - Verneinung, Testsyndrom 422 Lernfähigkeit, außergewöhnliche im Ich-Bild 166 Lesbierinnen (s. auch Inversion) - Bilderassoziationen 369, 370 - Ich-Bild 170 - Kontaktbild 189 Letale Gene 35 Libido

- Auffassung FREUDS 67 JUNGS 67 der Scha 67 Liebe (s. auch Eros) - Bedürfnis 39, 40, 42 - erotisches Einssein 75 - Partizipation und Kommunikation 178 Linnäus (s. Trieblinnaus) Logorrhoe (s. Bedürfnis ///, Oralität) 41, 43


- ^/;/)+-Gcfahrklasse 315 - iir^-Gefahrklasse 305 Lügen (s. auch Pseudologia phantastica) - Bedürfnis 40, 42 - haftigkeit (by) 109 ^/^"-Gefahrklasse 310 Lungenkranke, Triebstrukturanalyse 403 Lustfnörder und Sozialindex. Beispiel 351 f. Lutschen 31, 141, 149

M Machtsucbt

- Faktor k 41 - Ich-Bild 148, 153

- .P^yT-Gefahrklasse 309

Manie, manisch (s. auch Faktor m) - Assoziationswirkung von Bildern manisch Erkrankter 361 - Bedürfnis 41 - Cm~-Gefahrklasse 320 - depressives Irresein, Erbgang 187 - depressive und Tendenzspannungsquotient 287 - Erbkreis 37 - faktoriell 174 - Fall und Sozialindex 349 - Ich-Bild 155 - inflative Psychopathie, Cw+-Gefahrklasse 319 - maniforme Psychotiker im C-Bild 190 - Symptombildung 43 - Testbild der Mitte 217 - Tcstsyndrom 421 (Abb. 37) Manifestation, faktorielle 52 Maniriertheit bei Sadomasochistcn 81 Männlichkeit (s. auch Dur-Methode, Sexual­ index) - Bedürfnis 40, 42 - Dur-Ich 156 - scha Triebsystem 39 - Sexualindex 335 ff. - unbefriedigte, Tr~"-Gefahrklasse 304 Masochismus (s. auch Faktor s) - Bedürfnis 42 - Beispiel bei Rand und Mitte 221 - - bei Komplementmethodc 241 - O/^-Gefahrklasse 318 - Ich-Bild 134 - 4- k 134 - Klassifizierung 79 - moralischer im Ich-Bild 151, 170 - /^-Gefahrklasse 310 - J>~-Gefahrklasse 304 - scha Triebsystem 38, 39 - Testbild der Mitte 217, 218 Masturbation des Kleinkindes 149 Megalomanie (s. Größenwahn) Melancholie (s. auch manisch-depressives Irre­ sein) - Assoziationsversuch mit Melancholikcrbildern 360 - Bedürfnis (d) 41, 43 - endogene im Kontaktbild 198, 201 - Erbanlage 187

-

Fall und Sozialindex 349 Ich-Bild 148, 159, 164 introjektive 180 Testbild der Mitte 216, 217 Testsyndrom 421 Menschenbestimmung (s. Bd. III, Linnäushand) - Beispiel mit einer Gefahr 321 ff. mit zwei Gefahren 324ff. mit drei Gefahren 327 ff. zur Triventilklasse 325 ff. - Linnäusmcthode 267-321 Menschheitsliebe (s. auch Faktor h) - Bedürfnis 40 - Dominanz 90 - mit Hingabe legiert 91 - scha Triebsystem 38, 39 - Wesen und Psychologie 66 ff. Mentalität 19 Metatropisten (s. auch Perversionen)

- Bedürfnis 42 -Gefahrklasse 310 Gefahrklasse 304 m-Faktor (s. auch Manie) - Allgemeines 174 - ambivalente Reaktionen, Analyse 185 - Bedürfnis 39, 41, 43 - negative Reaktionen, Analyse 184 - Nullreaktionen, Analyse 183 - positive Reaktionen, Analyse 183 - Wesen und Psychologie 182 f. Migräne

- Bedürfnis e, 42 - Epilepsie und Stottern 54 - Ich-Bild 166 Minderwertigkeitsgefühl, -komplex (Faktor p) 41, 138, 153

- C^+-Gcfahrklassc 318 Mißtrauen (s. auch Faktor p) - Ich-Bild 153 Mitte, die - bei den verschiedenen Krankheiten 217 - Beispiele 214 - charakterologische Variationen 216 f. - sozialnegative Strebungen 213 - sozialpositive Strebungen 213 - Triebe der 21 Iff. Mollsirebtmgcn (s. auch Weiblichkeit) 335 -Einzelfälle 341 - Gruppenanalyse 342 - Sexualindex 333ff. Moral (s. auch Faktor hy) - Bedürfnis 40, 42 - Faktor im scha Triebsystem 39 - Moralisten, ^+-Gefahrklasse 307 - Sozialindex 346 f. - Zensur, Schwäche 110 - - in Dominanz 118, 124 Mörder (s. tötende Gesinnung, Affektmörder, Kriminalität) (s. das Kain E, Kain) - Bilder, Assoziationswirkung 356 - Kriegsverbrecher 374 ff. - Syndrom 422f. Mose und Kain 103,169 A/yj7Ârr/;-okkultes Denken, Ich-Bild 153 Mystische Partizipation (LEVY-BRUHL) 138, 142

475


Mythologie, Interesse für 134 Mythomanie (hy, s. auch Pseudologia phantastica)

111

- Ich-Bild 170

N Narkomanie (s. auch Sucht)

-

Bedürfnis 41, 43 Cw+-Gefahrklasse 319 3VZ>/)+-Gefahrklasse 315 Tf—-Gefahrklasse 305 Testbild der Mitte 217

Narzißmus

-

Charakter 41 Ich-Bild 148, 165 Ich-Entwicklung 447f. narzißtische Affektion im Sinne FREUDS 135 totaler, Ich-Bild 142, 153 scha Triebsystem 39 37Aè+-Gefahrklasse 311 Urnarzißmus 41 Negationy Negativismus (s. auch Faktor k) 129, 171, 461 - Bedürfnis 39, 41, 43 - Begriff 131 - Erscheinungsformen 132 - + Inflation und Projektion als Ich-Stufe Ep 448 - Ich-Bild 150 - Ich-Stufe B 448 - projektive im Ich-Bild 155 - %> Projektion. Ich-Stufe C 448 - scha Triebsystem 38 Negativer Block(Js\tK^\) 422 Negative Wahlreaktion 59 ff. Neid (s. Faktor e und Kain) - Bedürfnis 40 - Wesen 103 Nein-Sager der ewige) 311 Neugierde (d) 178 - Bedürfnis 41 - gesteigerte im Kontaktbild 188 f. Neurosen

- Angst- 165, 169, 183 /V^-Gefahrklasse 309 - Akzeptations- 176, 183 - Erscheinungsart 173 - Sozialindex 349 - lehre als Anwendungsgebiet 399 - mit verdrängtem Inzestanspruch 195 - paranoide 166 - projektive paranoide 165 - Sexual- (s. Sexual) - Zwangs- 170, 193, 196, 197, 199, 201 Normalität (s. Alltagsmensch) Nullreaktion 52ff., 268 Nymphomanie - Schk~-Gefahrklasse 314 - Ss~-Gefahrklasse 305

o Objektverlust, Kontaktbild 197

476

Obstipation, Kontaktbild 190 Ohnmacht des Ichs (Faktor p) 138 Okkultes Denken, Ich-Bild 157 Onanie (s. auch Masturbation)

- ichpsychologisch 141 - 3V/j/>+-Gefahrklasse 316 - Syndrom der Trieb- und Strafangst 423 Operotropismus

- Interessenkreise 35 - Introjcktion 130f. - und Bedürfnisse 40-43 (Beruf) Oralität (s. auch Faktor m und Sucht) - Bedürfnis 41, 43 - Begriff 176 - orale Sucht im Kontaktbild 189 - Oralsadisten, Cw-Gefahrklassc 319 - scha Triebsystem 39 - Urmodell des Kontakttriebes 175

p Pädagogik als Anwendungsgebiet 397 Päderastie

- Bedürfnis 42 - /V~~-Gefahrklasse 309 Panik im Affektbild 117, 124 Parallel-Bildserien 429, 450 ff. - nach BALINT 450 Ergebnisse 450 ff. - - Acqui valenzprobe mit Chi-QuadratMethode (LÜSCHER) 454, 457 - SATAKE-YAMADA 450, 454, 457

Aequivalcnzprobe mit Chi-QuadratMethode (LÜSCHER) 454, 457 - JOSHIDA 450 - LAPIDUS 450, 457 - BORG 450, 457

Paranoia, paranoid, -c (s. auch Faktorp) - Angsthysterie. Pe~-Gefahrklasse 309 - Assoziationswirkung von Paranoikcrbildern 359 - Bedürfnis 41, 43 - Beispiel zu faktoruntrcucn Assoziationen 365, 366, 368, 369, 371 - Depression. T/;+-Gefahrklasse 303 - - CV+-GefahrkIasse 318 - - Cd~~--Gefahrklasse 319 - auf epileptischer Basis 42, 149, 153, 200, 315 - Größenwahn, CW+-Gefahr blasse 318 - Ich-Bild 151 - Ich-Stufe A 448 - inflative, /V+-Gefahrklasse 309 - - als Hintergänger des Ausreißer-Ichs 164 - Kleptomanie, CW+-Gefahrklasse 318 - Konduktoren, -Gefahrklasse 315 - Kontaktbild 190 - latente, Schp~-Gefahrklasse 317 - Melancholie 318 - Paralytiker, Testbild der Mitte 217 - Neurosen, -Gefahrklasse 317 - Neurose, jj"~-Gefahrklasse 306 - /%y+_Gefahrklasse 309 - Phy~-Gcfahrklasse 309 - prämorbide Phase im Ich-Bild 157


- Sexualindex 339 f. - Schizophrenie, Testbild der Mitte 217 - - Ss~-Gefahrklasse 306 Symptombildung 43 - Testbild der Mitte 216

- Wesen und Psychologie 138 Phantasiewelt (Pseudologia phantastica) - irreale 109, 111 - scha Triebsystem 39

Paralysis progressiva

- im Test 406 Phobie (Faktor e) - Ich-Bild 166, 170 - Kontaktbild 200, 201 - Testbild der Mitte 216, 217, 218 Physiologische Testsyndrome 423

- Testbild der Mitte 217 Paroxysmaltrieb = Uberraschungstrieb (s. Fak­ tor e u nd .P-Vektor) - Analyse 1129, 225 - Anfall 53 - - im Ich-Bild 166 - Bedürfnis 39, 40, 42 - Begriff 28, 101 - epileptiforme im Kontaktbild 196f., 200 - Erbbedingtheit 112 - Erbkreis 53 - Erkrankungen 37 Testbild der Mitte 217 im Kontaktbild 201 - Paranoide, Testbild der Mitte 217 - Paranoide im Kontaktbild 201 - paroxysmales Ich 163 - Testaufnahmen 50 - Testsyndrom der Paroxysmalitat 421 Partizipation 41, 138, 168 - Begriff 74 - Dualunion, Testsyndrom 422 - ersatz 143 - Ich-Bild 151 f. - Ich-Stufe A 448 - mystische (LEVY-BRUHL) 138, 142 - scha Triebsystem 39 - Steigerung bei Buschnegern 416 - Störfaktoren 152 Partnenvahl nach FREUD 408 Passivität

- Bedürfnis 40 - bei Faktor s 80 Pathologische Testsyndrome 421 ff. Pedanterie

- Bedürfnis 41 - Ich-Bild 156 - P\?+-Gefahrklasse 308 - 3VAè+-Gefahrklasse 311 Perseverationen

- in den Assoziationen 367 «Persona,» (C. G. JUNG) 131 Personenliebe (s. auch Faktor h)

- Bedürfnis 40 - scha Triebsystem 38, 39 Pervers, Perversion - Bedürfnis 42, 43 - Beispiele: Masochismus 221, 241 ff. - - Sadismus 238 ff. Sadomasochismus 374 ff. - polymorphe (Introjektion) im Ich-Bild 134,153 Petrefaktion, Begriff 192 p-Faktor (s. auch Egodiastole) - Bedürfnis 39, 41, 43 - Begriff 128 ff. - Drang zum Sein 129 - negative Reaktionen, Analyse 142 - Nullreaktion, Analyse 140 - positive Reaktion, Analyse 140

Pharmako-psychodiagnostische Wirkungen

Polarität

- faktorielle o. Strebungs- 31 - im integrierenden Ich 168 - vektorielle o. Bedürfnis- 31 Pontifex oppositorum 129, 167f., 173 - als Ich-Stufe F 448 Poriomanie

- Bedürfnis 42 - Cmr~-Gefahrklasse 320 - Ich-Bild 164, 170 - Pe+- und Pe~-Gefahrklasse 309 - P4>^-Gefahrklassc 310 - 37'+-Triebklassc 303 Positive Wahlreaktion 59 ff. Positivismus y Ich-Bild 148 Primitive (Naturvölker) - Serienaufnahmen 142 f. - Triebuntersuchungen bei Buschnegern 415 ff. - Vergleich mit paranoider Schizophrenie 387 Projektion, projektive (s. auch Faktorp) 129,171, 461 - gehemmte im Ich-Bild 161, 172 - inflative im Ich-Bild 157, 171 - Introprojektion im Ich-Bild 158, 172 - mit Zwang zurückgehaltene 163, 172 - > Negation, Ich-Stufe C 448 - paranoide Neurosen 165 - paranoide Existenzmöglichkeit 430 - scha Triebsystem 38, 39 - totale, im Ich-Bild 151 - totale Ich-Stufe A 448 - Wesen und Psychologie 138 Projektionsteste

-

Anwendung 457 Signifikante Abweichungen 458 Validität 458 Reliabilitätsprüfungen 458 Prostituierte und Sexualindex 339 f. Pseudologia phantastica (hy s . auch Lügen und Phantasie) - Bedürfnis 42 - Ich-Bild 163 - Mythomanie 111 - jV/j£~-Gefahrklasse 314 Psychasthenie

- Testbild der Mitte 216 Psychiatrie (s. auch Psychose) - als Anwendungsgebiet 399 Psychoanalyse (S. und A. FREUD) - Abwehrmechanismen 87 - «archaische Erbschaft» 393 - Epilepsie 115 - Erbbedingtheit der Abwehrmechanismen 127, 393

477


Ich-Entwicklung 127, 393 - Fehldiagnosen bei psa behandelten Zwangs­ neurosen 401 - Gegensinn der Urworte 103 - Ich-Trieb 74 - Introjektion 130 f. - Lebens- und Todestrieb 74, 83, 126 ff. - Masochismus 79 - Narzißtische Affektion 135 - Partnerwahl 408 - psa Situation und Testen 402 - Symptom 267 - Testresultate als Kontrolle 392 - Triebver- und entmischung 86 - Trieb 29f., 174 Psychopathie (s. auch Haltlosigkeit) - Sozialindex 349 - haltlose, Kontaktbild 190 - Ich-Bild 134, 155 - Kontaktbild 176 - manisch-inflative, C/tf+-Gcfahrklassc 319 - Pe -Gcfahrklasse 309 - Phy~-Gefahrklasse 310 - Schp+-Gefahrklassc 315 - zykloide und Tendenzspannungsquotient 287 Psychose, P sychosis

-

Anwendung des Testes 399 Assoziationen zu den Testbildern 358 ff. Depression 327, 400 Elektroschock 405 Erscheinungsart 173 heboide Schizophrenie 229 inflative und projektive Schizophrenie 225, 246, 327ff., 387, 388 - maniacalis, Cni~--Gefahrklasse 320 - melancholica, CVH~-Gefahrklasse 318 - Psychosis hysterica, paranoide Depression 278ff., 280ff., 298ff., 324f., 400 - Schizomanie 270ff., 290ff. - Schlafkur 406 - Sexualindex 339f., 342, 343, 353 - Sozialindex 349, 350, 351 - Symptomreaktionen bei zirkulären Psychosen 287 - Testsyndrome 421 Psychoscxitelle Proportionen (Scxualindcx) 333 ff. - Analyse bei Ehepartnern 409 f. - bei Buschnegern 417 Psychosomatik

-

Anwendung des Testes 402 Glaukomkranke 403 Hypochondrie 403 Lungenkranke 403 schielende Kinder 403 Pubertät, Ich-Entwicklung 447f. Puristen - Pe+-Gefahrklassc 307

- Ar--Gefahrklassc 305 P-Vektor (s. auch Paroxysmal trieb) - Abel stellt sich zur Schau 121, 125 - Affektebbe und Affckflut 123, 125 - Analyse der 16 Vektorenbildcr 115 ff. - Aufstauung der Kainanspriiche 116, 124 - ethischer Zweifler 118, 120, 121 f., 124, 125 - Geltungsdrang in Dominanz 116, 124

478

-

-

Gewissen in Dominanz 115, 124 hysterische Affektflut 117, 124 Immobilisierung 117, 124 f. Integration der Affektflut 122, 125 Kain versteckt sich 120, 125 lammfrommer Abel 118, 124 moralische Zensur in Dominanz 118, 124 Pe'k- und Pe~-Gefahrklassc 307 ff. Phy+- und ^--Gefahrklassen 309 ff. reiner Kain 119, 124 scha Triebsystem 38, 39 sensitive Bezichungsangst 116, 124 Wesen und Psychologie 122ff.

Pyromanie

- Bedürfnis (e) 4 2 - Ich-Bild 164, 170

Q Qnan/cnverrechnmig 266 Quantmnspannung

- als erste Phase der Nullreaktion 58 - bei den einzelnen Faktorreaktionen s. /;-, s-, e-, by-y k-yp-y d- und w-Rcaktioncn - der Projektion bei Buschnegern 416 - und die aktuellen Spannungszuständc 374f. Querulant (s. auch Inflation) - Bedürfnis 43 - Ich-Bild 150, 154 - 67+-Gefahrklassc 309 - 37,6/)-Gefahrklassc 315

R Rache (s. Faktor e) - Bedürfnis 40, 42 - Kain 103 ff. Radikale, Begriff 25 - Trennung der Funktion von den Inhalten 461 Rand und Mitte

-

Beispiele - Akzcptationsneurosc 213 - Alltagsmensch 218 - Epilepsie 222 heboide Schizophrenie 229 - - Humanisierungstcndcnz 220 - - inflative und projektive Schizophrenic 225 - - Masochismus 221 Selbstsabotage 213 - Gruppenuntersuchungen 212 - Methode 209, 211 ff. Rassischey bzw. völkische Unterschiede der Reaktionen 383 ff. Rationalismusy 3V6/G+-Gefahrk)assc 311 Raubmörder

- Ich-Bild 153, 163 - 376,&~"-Gefahrklassc 314 Rauchen, maßloses (s. auch Sucht) - Bedürfnis (m) 43 - Xr~-Gcfahrklasse 305 Reinlichkeit y Ich-Bild 156 Religion, Religionspsychologie - Interesse für R. 134


- wahn, 3V/;p-Gefahrklassc 315 Rivalisierung

- O/^-Gcfahrklasse 318 - Ich-Bild 150 - Tcstsyndrom 423

s Sadismus

-

Beispiel mit Komplcmcntmethode 238 Erbkreis 37 Ich-Bild 134 Kriegsverbrecher, Beispiel 374 Sadohumanismus im Test 92 Ss~-Triebklasse 304 - scha Triebsystem 38, 39 - Symptombildung 42 - Testbild der Mitte 218 - Xr-Tricbklassc 304 - Unterdrückung des Eros 92 - Wesen und Psychologie 73 Sadomasocbismus (s. auch Sadismus, Perversion, Faktor /) - als ± /-Reaktion 81 - Beispiel zu komplexbedingten Assoziationen 362 - Dualunion, Ss~-Gefahrklasse 305 - in Dominanz 92 - mit Unterdrückung des Eros im Test 93 - Perversionen im Ich-Bild 170 Sam?nelsucht 176 - Bedürfnis (d) 41, 43 - Wesen 178 Scbicksalsmöglicbkciicn 66 Seelsorgernaturen, PZ^-Gefahrklassc 309 Sein, -s

- Drang zum - 129 - mehr als haben, Ich-Stufe D 448 - sucht im Ich-Bild 165 Seinsmacht (Potcstas) - sucht im Ich-Bild 149 - Übertragung 75 Sektierertum, im Ich-Bild 150 Selbstdestruktion 136 - des Ichs 75 - Scbk~-Gefahrklasse 311 - und Selbstmord 76 Selbstlosigkeit im Ich-Bild 156 Selbstmord (Suicid) - gefahr, À~-Gefahrklasse 309 P^yy-Gefahrklassc 314 - hystcriforme, Scbk~-Gcfahrklasse 314 - im Faktor k 136 - Kontaktbild 200 - Testsyndrom 422 - versuch, Gcfahrklasse 315 - als Wesen des Faktors / 73 Selbstsabotage

-

Bedürfnis (/) 40, 42 Beispiel 213 Faktor k 131, 136 Ich-Bild 167 - Scbk~-Gefahrklassc 311 f. Selbstunterdrückung im Ich-Bild 161

Senilität, Testsyndrome 423 Sensitive Be^iebungsangst {by) 104, 111, 116, 124 Sericnaitfnahmen

- Eintags- und Einmonatsserien 289 - bei Primitiven 142 - Schicksalsmöglichkeiten 53 - 10 Zchncrsericn bei einer Schizomanie 290 Sexualität, Sexual-, Sexualtrieb, Lebenstrieb (s. auch L-Vektor) - abnorme Kriminelle 161 - Abweichungen im Ich-Bild 148 - akt, Auffassung FREUDS 85 - - - der Scha 85 - Alltagsmensch 83 - Begriff 28 - Bisexualität 140, 170 im Test 95 - Erkrankungen 37 - frühinfantil fixierte, Schk~~ 312 - Haltlosigkeit 179 - - Cjw+-Gefahrklasse 319 - konstitutionelle Schwäche im Test 96 - normale, sinnliche im Test 93 f. - Perversionen und Sozialindex 349 - prägenitale 89 - scha Triebsystem 38, 39 - Störungen, introprojektive 160 - Testsyndrom der sexuellen Inversion 422 - Unreife im Ich-Bild 161 - - im Kontaktbild 197, 200, 201 - Verbrecher, 3Wß+-Gcfahrklasse 316 Sexualindex

-

Beispiele 338-342 Kriterien der Eichung 337f. Sexual- und Sozialindex 353 Vcktoriclle Sexualindizes 343 Verrechnungstechnik 335 ff.

s-Faktor

-

ambivalente Reaktionen, Analyse 81 Bedürfnis 39, 40, 42 Beispiel, Destruktionsdrang 78 Berufe 85 «Der Henker mit dem Taubenherz» 79 Destruktionsdrang 78 bei Durchschnittsmenschen 79 konstitutionelle Schwäche 78 Lebenstrieb und Todestrieb 74 und Masochismus 79 negative Reaktionen, Analyse 79 positive Reaktionen, Analyse 78 Nullreaktioncn, Analyse 77 Sadomasochismus 81 auf Sozialisierungscbene 76 Wechselbeziehungen mit Faktor k 75 Wesen und Psychologie 73 Sich-Abtrennen (s. auch Faktor m) - Bedürfnis 38, 39, 41, 43 - Kontaktbild 194 - scha Triebsystem 38, 39 - Testsyndrom 421 - Wesen und Psychologie 182 - Zweifel im Kontaktbild 193, 200 Sich'Anklammern nach L HERMANN (S, auch Fak­ tor ni) 174 - Bedürfnis 38, 39, 41, 43

479


- Ewig sich Anklammernden, 0//+-Gefahrklasse 319 - Hypertonie 183 - Kontaktbild 183, 195 - der MoROSche Umklammcrungsrcflex 186 - ohne Suchen im Kontaktbild 189 - bei Primitiven 186 - unbefriedigtes Bedürfnis, Cm~-Gefahrklassc 320 - unstillbares, CV-Gcfahrklasse 317 - Wesen und Psychologie 182 - Zweifel im Kontaktbild 193, 200 Sich-Reinwaschenden, d ie - Pe+-Gefahrklasse 307 - Ss~-Gefahrklasse 305 Sich-tot-Stellen {hy) 109 Sich-Verbergen (s. auch Faktor hy) 109 - Bedürfnis {hy) 40 - Bergarbeiter 407 - Ich-Bild 163 - scha Triebsystem 38 Sich-zur-Schau-Stellen (s. auch Faktor hy) 109 - Bedürfnis 40, 42 - scha Triebsystem 38, 39 - Tcstsyndrom 423 Sittlichkeitsdelikte, Ich-Bild 149 Sozialindex (nach WALTISBÜHL) 345ff. - Beurteilung des sozialen Verhaltens 346 - Ergebnisse bei normalen und kranken Indivi­ duen 349 - - bei normalen und kranken Gruppen 351 - - bei 13 Affektmördern 352 - Lustmörder, Beispiel 351 f. - Protokollierungs- und Verrechnungsmethode 347 - und Sexualindex. Vergleichende Unter­ suchungen 353 f. Sozicdisierimg

- Beispiele bei Rand und Mitte 216 - Beruf 42, 43 - der Trieb- und Ich-Störungcn 20 Spaltung, Tcstsyndrom 421 Spaltimgsformen 461 Sparen (d) 178

Sucht, Süchtigkeit (s. auch Psychopathie)

-

C*/~-Gefahrklasse 319 Cw~"-Gefahrklassc 320 Ich-Bild 167 Kontaktbild 190, 200 Kontakttrieb 176 - Pe~-Gefahrklasse 309 - Phy+- und Phy~-Geiahrklassen 309, 310 - T/H-Gefahrklasse 303 - Testbild der Mitte 216, 218 Suicid (s. Selbstmord) S-Vektor (s. auch Sexualtrieb) - Analyse 82 - Beschreibung der 16 Vektorbildcr 89 ff. - und Charakterbildung 85 - und Kriminalität 86 - Polaritäten 84 - Sadismus, Masochismus 84 - scha Triebsystem 38, 39 - 3%-GeIahrkIassen 302 ff. - Tr-Gefahrklassen 304 ff. Symptom

-

bildungen 131 faktoren 267 f. - Beispiel 271 klasse s. Ventilklasse reaktion, prozentuale 287f.

Sch Schamhaftigkcit (s. auch Faktor hy)

- scha Triebsystem 38, 39, 40 Schauspielkunst als Sublimierung {by) 42 Schicksal, -s,

-

Definition 430 formende Faktoren 19 forschung, Beispiel 412 Ich-Schicksal 19 Kontaktschicksale 185-202 möglichkeiten 20, 37 und Serienaufnahmen 53 - paroxysmales 112-125 - sexuelles 89-101 - Triebschicksal 19

Spiegelbildartige Umdrehungen (S. DI'ÏRI)

Schicksalspsychologic, Sch-Analyse (s. auch Bei­

- bei Schizophrenen 99

spiele) - eines Priesters 412 - Leitprinzipien 19 - Rolle der Heredität 129 Schielende Kinder, Triebstruktur 403 Scbi^pmanie (s. auch Schizophrenie) - Beispiel, 10 Zehnerserien 290 - Cd+ -Gefahrklasse 318 - T6+-Gefahrklassc 303 - Tf-Geiahrklasse 306 Schizophrenie (s, auch Sch-Vcktor und Psychose) - autistische Form im Ich-Bild 148 - - - im Kontaktbild 201 - Beispiel zu faktoruntreuen Assoziationen 365, 366,367, 369 - nach Elektroschock, Beispiel 404 - Erbkreis 37 - heboidc Form, Beispiel zu Rand und Mitte 229 - infiative und- projektive Form, Beispiel zu Rand und Mitte 225

Spieltherapie

- als Anwendungsgebiet 396 Sprachbegabimg im Ich-Bild 151 Sprechen, maßloses, s. Logorrhoc Sprimghaftigkeit im Ich-Bild 164 Sublimiertmg

- durch das Ich 86 - Ich-Entwicklung 447 f. - in Kultur, Technik, Ethik, Kunst, Wissen­ schaft, Dichtung, Nationalökonomie, Sprache 42-43 - Tendenzen 44 Submanifeste Faktoren, Beispiel 272 Suchen (s. auch Faktor d und Auf-Suche-Gehen) - Bedürfnis 39, 41, 43 - ewige Sucher, Cd~-Gefahrklassc 317 - scha Triebsystem 38, 39 - zwanghaftes mit Anklammerung 198, 201 - Zweifel beim Suchen 193, 200

480


- katatone Form, Testbild der Mitte 217 Kontaktbild 201 - Mitte 217 - paranoide Form, Testbild 8er Mitte 217 - paranoide Form, Ich-Bild 158 Kontaktbild 199 - paranoid Schizophrene und Buschneger 387 - Profil eines Präschizophrenen 58 - Sexualindex 339, 340, 342 - Sozialindex 349 - spiegelbildartige Umdrehungen 99 - schizoforme Erkrankungen 37 - Tendenzspannungsquotient 287 - Testbild der Mitte 216 Schlafkur, Wirkung im Test 406 Schockbehandlung (s. auch Elektroschock) - Fehlschlüsse 401 - Wirkung im Test, Beispiel 404 Schoßkindkontakt 199 Schöngeistnatur 151, 154 Schuld- und Strafangst 217 - Ich-Bild 161, 170 - Testsyndrom 421 Schuldruck

- COT--Gefahrklasse 320 Fe+-Gefahrklasse 308

Schutzexistenzen 432

- Proportionen 433 Schüchternheit im Ich-Bild 160 Sch-Vektor (s. auch Ich, Schizophrenie) - Analyse 145 f. der 16 Vektorenbilder 148 ff. - Erbbedingtheit 145 - scha Triebsystem 38, 39 - Schk+- und Schk~--Gefahrklassen 311 ff. - Schp+- und Schp~-Gefahrklassen 314ff. Schwererziehbare, COT--Gefahrklasse 320 Suicid 171

St Starrsinn im Ich-Bild 149 Statistik

- Bedingungen 383 - Vergleichende Untersuchungen von SOTO YARRITU 384-386

- Warum sie versagt 382 Stehlen (s. auch Kleptomanie) - 5/r+-Triebklasse 303 Steilungnehmendes Ich (s. Ich, Faktor k) 133 - ambivalentes 137 - in der Wahl 59 - Verlust der Stellungnahme 133 Stolz im Ich-Bild 150 Stottern

-

Bedürfnis {e) 42 Cw~-Gefahrklasse 320 Ich-Bild 164, 166 -Pf+-Gefahrklasse 309 Pby~~-Gefahrklasse 310 Triebprofil 54

T Tagträumerei (s. auch Entfremdung) - Ich-Bild 163 - Sch~--Gefahrklasse 311 f. Tendenz — Strebung (s. Trieb) Tendenzspannung, -s - Begriff 268 - differenzen 276 f. - grad 269 f. - intrafaktoriellc 276 - quotient 287 ; Stabilität 295 Jahreskurve 291 - vektorielle 276 Tenderrzspannungstahelle

-

Buschneger 387 f. Dementia paranoides 328 Erotomanie 247 ff. Homosexualität und Anlage zur paranoiden Schizophrenie 325 hypomanische Neurose 270 l lysterie, latente Homosexualität 322 Kleptomanie 257 Kriegsverbrecher 375 paranoide Schizophrenie 387 f. Schizomanie 299

Test

- aktuelle Spannungszustände und quantitative Wahl der Bilder 373 f. - als Geno- und Psychodiagnosticum 392 - Anwendungsgebiete 393, 462-463 - Apparat, Beschreibung 45 - Modifikationen, empfohlene 460 «Selbstprofile» 460 - Aufforderungscharakter der Bilder 372 f. - Auswahl der Bilder 377 f. - Bedingungen seiner Bewährung 377 - Genetische Bedingungen 389 - Herstellung des Profils 50 - Instruktionen 48 - Methodik 44 ff. - «Stimuluswert» und «Popularität» der Bilder 379 - Störungen in der Auffassung der Bilder 364 - Syndrome von pathologischen Prozessen 421 f. - Testen in der psa Situation 402 - - nach Elektroschock. Beispiel 404 - Ungleiche Sympathietönung der Bilder 379 - Ursprung der Bilder 357 - Validierung des Testes 376 - Warum der Test funktioniert 376 - Wie der Test funktioniert 372 ff. - Zahl der Profile und Trieblinnäus 285 Thanatos (s. auch Faktor s) - Psychologie 73 - scha Trieblehre 83 - scha Triebsystem 39 2% TheoretischesKomplementproYl (ThKP) 3», 461 - Begriff 88, 238 - Vergleich mit VGP und EKP 236 Tic (,by) 10 9 Tiefenpsychologische

- Bedingung des Testes 392 - Therapie und Kontrolle durch Testresultate 392 31* Szondi, Triebdiagnostik

481


Tobsuchtsanfälle, ÖY/j/^-Gefahrklasse 315 Tody Todestrieb

- Auffassung FREUDS 83 f. - schläger vom Typus e und s 108 Töten (s. Faktor e) 103 - als Wesen des Faktors s 73 - Testsyndrom der tötenden Gesinnung 422 - Tötungsgesinnung, 3V/j/>+-Gcfahrklasse 315 - Tötungsdrang = Thanatomanie 163 Torschlußpanik, Testsyndrom 423 Transvestitismiis Bedürfnis {b) 42

-

C/v~-Gefahrklasse 320 Einfälle zu dem Bild eines Transvestitcn 356 y^/jy-Gefahrklasse 309 Transzendenz im Ich-Bild 168 Trailerarbeit

- nach FREUD 194 f. - Testsyndrom 421 Treue

- Kontaktbild 178, 184, 195, 198, 201 - scha Triebsystem 39 Trieb (s. auch Radikale) - Bedürfnis s. auch Triebfaktor, Begriff 27, 30 - Begriff 25, 28, 31 nach FREUD 29 f. - Drehbühne 68 - faktor und Berufe 42 - faktor, bipolare Natur 40 Erscheinungsformen 37ff, 42, 43 Psychologie 65 ff. - Faktoren, die 8 (Tab. 1) 39 - in Fixation 174 - formel, 267ff.; abgekürzte und vollständige 270 Analyse bei Ehepartnern 411 - - Aufstellung 300 - FREUDS Lehre 29, 174 - Gefahrklasse und Sb~~ 302 ff. - - Ss+ und £r~ 304 ff. - - Pe+ und Pe~ 307 ff. - - Phy+ und Pby 309 ff. - - Schk+ und Sebkr- 311 ff. - - Scbp'^ und Schp~~ 314 ff. - - Cd+ und Cd- 317 ff. - - Cw+ und Cm~ 319ff. - gefahr (Gefahrklasse) 280 - gcgensätzlichkciten, Integration 98 - gegensatzpaar 31 - gene 29 - Gentheorie der Triebe 68, 128 - hand lung, Begriff 26 - Ich-Trieb, Begriff 28 - klassen 276 ff. - - Beispiel 278 Bestimmung 299 - - Einteilung 282 - - Differenzen in den Erscheinungsbildern 284 f. - - und Triebgefahr 288 - - Wechsel 288 f. - - - Jahreskurve 291 - - Wandlung, Beispiel 292 Tabelle 296 - - Verteilung nach Häufigkeit 303 f.

482

- Kontakttrieb, Begriff 28 - koppelung 31 - krankheitcn s. die einzelnen Trieberkrankun­ gen - kriterien der Scha: Genbedingtheit, Polarität, Spannung, physiologische und pathopsychologische Kriterien 32 f. - leben, Wandelbarkeit, Beispiel 399f. - legierung 279 - lehre der Scha 29 ff. - Linnäus, Methode 297 ff, 330 - - Beispiel zur Anwendung 298f. - - - Triebklasse Ss~ mit einer Gefahr 321 - - - Triebklasse S&+ Pe~~ mit zwei Gefahren 324 Tri ventilklasse 325 Triebklassen mit drei Gefahren 327 Vcntilcriebklasse mit vier Ventilen 327 Zwei Epilepsiefälle aus der gleichen Trieb­ klasse 331 - natur 19 - Paroxysmaltrieb, Begriff 28, 101 - profil 45 ff. - profile von pathologischen und physiologi­ schen Prozessen 421 ff. - - der Blutsverwandte, Freunde, Feinde 52 - profil, Elektroschock, vor und nach 405 - profil, Epileptiker 54 - - Erotomaner 248 - - Migränekranker 54 - - Präschizophrener 58 - - Stotterer 54 Schlafkur, vor und nach 406 Zwangsneurotiker 60 - - Zwillinge, eineiige 414 - Selbststeuerung 278 f. - Sexualtrieb, Begriff 28 - Spannungen bei Buschnegern 416 - strebung = Triebtendenz - strebungen, die 16 Arten 39 - Strukturanalyse bei Tbc, Glaukom, Schielen und Hypochondrie 403 - system, das menschliche 25ff. Aufbau, Kriterien 34 ff. der Scha 36f., 38 - - der exp. Triebdiagnostik 39 - tendenz = Triebstrcbung, Begriff 27 - Ursprung 29 - vektoren 30, 36; Tabelle 1. 39 Psychologie 65 ff. - ventil 280, 293 - Vermischung und -entmischung 86

-

verschränkung 31, 174 Wandlung der Triebformeln 294, 296 - des Trieblebens 291, 294 zielinversion: s. Homosexualität Trinker (s. auch Sucht) - 0#+-Gefahrklasse 319 - Kontaktbild 183 - Tr~-Gefahrklasse 305 - Testbild der Mitte 217, 218 Trotzreaktion 143 - Ich-Bild 158


u Umwelt, soziale 19 Unbeeinflußbarkeit

- der Weiblichkeit und Verlassenheit im IchBild 161 Versagen im Ich-Bild 161 Verschlossenheit

- Ich-Bild 154, 160 - Scbk~-Gefahrklasse 311 Unbewußte, das familiäre 128 Unecbtbeit im Ich-Bild 170 Unglückliebsein

- Bindung 196, 201 - Kontakttrieb 176, 185 - Testsyndrom 423 Unordnung im Ich-Bild 154 Untreue

- Kontaktbild 176, 178, 194, 198, 201 - scha Triebsystem 39 - und dennoch Kleben 196 Unzufriedenheit im Ich-Bild 154 Uberempfindlichkeit im Ich-Bild 160 Über-Icb (s. Ich) Überraschungstrieb (s. auch Paroxysmaltrieb, P-Vcktor) - als Trieb 36f., 38, 39 - Analyse 112 Ff. - Begriff 101 ff.

- Ich-Bild 160 - Schk~-Gefahrklassc 312 Verschwendung (d) 178 - Sucht 176 Verstandesstörungen mit unverständlichen Asso­ ziationen 366 Verwahrlosung, Kontaktbild 176, 190, 200 Ver-fichten (s. auch Negation) - ewige Verzichter im Ich-Bild 166 - Ich-Bild 161 - Mangel an - 164 - scha Triebsystem 38, 39 Vielfraß (s. auch Sucht und Faktor m) - Kontaktbild 183 Vollkommenheitsdrang im Ich-Bild 150,166 Vordergänger (s. auch Vordergrundprofil) - Analyse 232 ff. - Begriff 87 ff. Vordergrundprofil (VGP) 47, 461 - Bedeutung 236 - Begriff 87 ff. - Vergleich mit ThKP und EKP 236

w

V Validität des Testes

Wahl

-

-

genetische Bedingung 389 ff. Kritik 382 statistische Bedingungen 383ff. teststrukturellc Bedingung 383 tiefenpsychologische Bedingung 392f. Vergleichende Untersuchung der Häufigkei­ ten der Vektorreaktionen (SOTO YARRITU) 384-386 Vektor (s. auch Trieb) - Begriff 28 - Bilder, Begriff 87 Funktionelle Einteilung 87, 97 - scha Triebsystem 38 - vektorielle Dur-Moll-Proportionen 343 Ventil- (oder Symptom-) Klasse 283ff. - Begriff 282, 283 ff. - Beispiele 283, 325, 327 Vereinsamung^ Kontaktbild 176, 190, 200 Vererbung (s. Erb- und Gen) Verdrängung (s. auch Faktor k) - Ich-Bild 136, 140, 150 - Ich-Stufe B 448 - scha Triebsystem 38, 39 Verfolgungswahn (s. Paranoid und Projektion) Verhaltenstypen, kindliche im Test 396 Verlassenheit

- Ich-Bild 157, 171 - als Ich-Stufe Ep 448 - Klasse der ewig Verlassenen, Cm~-Gefahr­ klasse 320 - Kontaktbild 190, 192, 193 Verlust der Mitte 217 Verneinung (s. auch Negation) - der realen Welt 312

akt. Entwicklungsstufen 394 freie 129 möglichkeitcn im EKP 234 und das familiäre Ubw 389 ff zwang bei EKP 235

WahIreak tionen

- ambivalente 59 ff. - Aufteilung nach Quantität und Tendenz­ richtung 60 f. - Durchschnittsreaktionen 55 - faktorielle 52 - negative 59 ff. - Nullreaktionen 52 ff. - positive Reaktionen 59 ff. - qualitative Aufteilung 59 - quantitative Aufteilung 52 - Vollreaktionen 55 Wahn (s. auch Paranoid, Projektion) - bildungen 143 und Ich-Funktion 402 Wahrnehmungswelt 131 Wandertrieb (Poriomanie) - Bedürfnis 42 - Ich-Bild 163 Weiblichkeit (s. auch Moll- und Sexualindex) - Annahme der - 164 - Bedürfnis 40, 42 - Geschlechtschromosomen 333 - Gonaden 334 - Keimdrüsen 334 - als Ich-Stufe Ep 448 - scha Triebsystem 39 - im Sexualindex 333-344 - weibliches Moll-Ich 157

483


Weichheit, Effeminiertheit, Ich-Bild 157 Werterwerbimg

Zorn (s. auch Faktor e und Kain) 103 Zwang, -s

- Bedürfnis 41, 43 - scha Triebsystem 39 Willensstärke, im Ich-Bild 167 Wur^eljaktoren oder Konduktorfaktoren - Begriff 268 - Beispiel 272 - und Stammbaum des Probanden 390 f. Wur^elklasse (s. Gefahrklasse) Wut (s. Faktor e) - Kain 103

-

z Zärtlichkeit (s. auch Faktor h)

- Bedürfnis 38, 39, 40, 42 - Unbefriedigtsein der kriminellen Jugend 399 Zirkuläre Erkrankungen (s. auch C-Vektor und manisch-depressiv) 37 Zivilisation, -s - drang im Test 93 - im Triebsystem 39

484

Arbeitszwang, Ich-Bild 167 - Ich-Stufe Ek 448 Deflation, Ich-Bild 165 Denkzwänge, Ich-Bild 167 Erscheinungen (k) 137 gehemmte Inflation, Ich-Stufe Ek 448 gehemmte Projektion, Ich-Stufe Ek 448 Kontaktbild 201 krankheit, Testbild der Mitte 216, 217 Männlichkeit. Ich-Stufe Ek 448 mechanismen, Fe--Gefahrklasse 309

- neurose

- - Ich-Bild 148,156,161, 170 mit Psa behandelt, Testergebnisse 401 - - mit paranoider Depression, Cd+-Gefahr­ klasse 318 - -Triebklasse 306 und Tendenzspannungsquotient 287 - - Testsyndrom 421 Triebprofil 60 Zweigeschlechterwesen (s. Eros und Faktor h) 67 Zwillingsforschung als Anwendungsgebiet 413


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