VETMED - Das Magazin 04/2016

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ETHIK IN DER VETERINÄRMEDIZIN

vetmed 4/2016

„Als EthikerInnen fragen wir nach Ansätzen, Kriterien und Prinzipien die uns dabei helfen, das Maß einer guten Mensch-Tier-Beziehung zu bestimmen." Herwig Grimm © Aleksandra Klepic/Vetmeduni Vienna

Professor für Ethik in der Mensch-Tier-Beziehung

Vom Fach: Früher selbst in der Landwirtschaft tätig, ist Herwig Grimm heute Professor für Ethik in der Mensch-Tier-Beziehung.

ken. Es soll die Reflexion erleichtern. Wir wollen dabei unterstützen, Überzeugungen zu begründen. Die meisten Fragen im Berufsalltag von Amtstierärztinnen und –ärzten sind handfeste Konflikte. Da geht es darum, ob Tiere euthanasiert werden oder Tiere weggenommen werden müssen – das sind schwere Entscheidungen. Durch strukturiertes Nachdenken kann man aber auch in schwierigen Fällen Orientierung finden und die tierärztliche Verantwortung klären. VETMED: Sind Amtstierärztinnen und –ärzte mit anderen ethischen Herausforderungen konfrontiert als Tierärztinnen und –ärzte in Kleintierpraxen? Beide erleben in ihrem Arbeitsalltag ethische Konflikte. Der Unterschied ist die gesellschaftliche Rolle. Amtstierärztinnen und –ärzte haben einen gesetzlichen Auftrag: Sie vollziehen z.B. wichtige Teile des Tierseuchenrechts. Das bedeutet, dass sie im Fall von Zoonosen Keulungen durchführen müssen. Hier gibt es juristische Vorgaben, die aber nicht immer leicht umzusetzen sind. Tierärztinnen und –ärzte in Kleintierpraxen haben oft mit Tieren zu tun, die für ihre Halterinnen und Halter Familienmitglieder sind. Sie müssen daher auch stark auf deren Gefühle eingehen. Obwohl es Unterschiede gibt, geht es bei beiden Berufsfeldern immer um Klärung tierärztlicher Verantwortung. VETMED: Die Mensch-Tier-Beziehung hat sich in den letzten Jahren ja massiv verändert. Welche Auswirkungen hat das auf den Umgang mit unterschiedlichen Tierarten?

Ganz klar: Wenn ich Sie bitte, an ein Tier zu denken, werden Sie vermutlich sofort Hund oder Katze vor Augen haben. Die wenigsten Menschen sehen eine Kuh oder ein Ferkel vor sich. Warum ist das so? Wenn Kinder mit Tieren aufwachsen, dann sind das heute meist Hunde oder Katzen. Mit der Veränderung der Mensch-Tier-Beziehung ändert sich auch unsere Wahrnehmung von Tieren. Hunde und Katzen nennt man nicht umsonst „companion animals“. Schweine oder Kühe hingegen sehen wir als Nutztiere. Streicheltiere werden gelegentlich vermenschlicht, was man für die Nutztierhaltung nicht behaupten kann. Aber was ist nun das Maß einer guten Mensch-Tier-Beziehung? Als EthikerInnen fragen wir nach Ansätzen, Kriterien und Prinzipien die uns dabei helfen, dieses Maß zu bestimmen. VETMED: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Herausforderungen im Berufsalltag von (Amts-) TierärztInnen? Genau diese erwähnte veränderte Mensch-TierBeziehung ist aktuell eine brennende Frage für Tierärztinnen und -ärzte. Für mich als Ethiker liegt die Herausforderung darin, sie zu unterstützen, ihre moralischen Fragen zu reflektieren und das Berufsbild vor dem Hintergrund der verschiedenen Mensch-Tier-Beziehungen weiterzuentwickeln.

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