Altheider Weihnachtsbrief 2016 Nr. 20

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Ausgabe 20 / Dezember 2016

Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Inhalt Vorwort (Georg Wenzel) Weihnachtsgrüße (Sprecher und Redaktion) Weihnachtsgrüße (Pfarrer i.R. Norbert Stroh) Weihnachtsgrüße (Pfarrer Lothar Röhr) Weihnachtsgrüße (Prälat Antoni Kopacz) Weihnachtsgrüße (Pf. Robert Sitarek, ev.-Augsb. Gemeinde Glatz) Weihnachtsgrüße (TMP) Verabschiedung in die ewige Heimat In Memoriam Karlheinz Mose (Georg Wenzel) Verabschiedung in die Ewige Heimat - Altheide Bad Verabschiedung in die Ewige Heimat - Falkenhain/Neuwilmsdorf Geburtstage - Altheide Bad Geburtstage - Falkenhain/Neuwilmsdorf Ehejubiläen - Altheide Bad Ein Altheider Mädchen feiert Diamantene Hochzeit (Harald Watzek) Priesterjubiläum Pfarrer Lothar Röhr (Dagmar Jährling) Ehejubiläen - Falkenhain/Neuwilmsdorf Weihnachtsgeschichte (Vera Gottschlich †) Zom Traffa (Erhard Gertler) Heimattreffen 2017 (Werner Bartsch) Erinnerungen Erinnerungen sind wie Rosen im Winter (Sr. Ursula Bittner) Die Völkel-Schmiede in Altheide (Wilhelm Franke †) Ein Haus in Falkenhain - Janowetz (Werner Bartsch) Mein Schulweg (Friedrich Goebel) Meine Volksschulzeit in Altheide Bad (Wolfgang Grosser) Wie Langenbrück zur Außenstelle von Bad Altheide wurde (Ludwig Ardelt) Erinnerungen an die Malerin Trude Rosner-Kasowski (Hildegard Ahlers) Eine 80 Jahre alte Kinderfreundschaft (Hildegard Ahlers) Erinnerung an Altheider (Henryk Grzybowski) Fehlerkorrektur WB 2015 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, ein Rückblick (Eberhard Pautsch) „Altheide“ (Michael Majerski) Freiwillige vortreten (Friedrich Goebel) Geflüchtet - zurückgekommen - für immer gegangen (Erika Schneider) Ankommen - Mut fassen - Stolz sein, ….. (Werner Bartsch) Drei Beispiele gelungener beruflicher Integration (Manfred Spata) Abschied von der Grafschaft Glatz und Bad Altheide (Leonhard Lutzke) Mei Trost (Leonhard Lutzke) Zwischen Vergangenheit und Gegenwart (Georg Wenzel, Eberhard Scholz)

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Bild Umschlagseite: Partie an der Weistritz. In der Biegung gegenüber dem Zusammenfluss der beiden Weistritzarme ist 2014 auf dem ehemaligen Trapp-Grundstück ein neues Haus entstanden, das sich mit seinem markanten Eckturm recht gut in das Stadtbild einfügt. Sein Name ist „Willa Pan Tadeusz“

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Aus der Geschichte der Orte Böhmische Dörfer oder „Fast ein Böhme“ (Heinrich Bock †) Tobias Mayer, Grafsch. Glatz u. Fürstent. Münsterberg 1747 (Manfred Spata) Die „Schöltzerei“ Altheide (Georg Wenzel) Ruth Hoffmann (Werner Bartsch) Unser Kriegerehrenmal - damals und heute (Eberhard Scholz) Interessantes aus alter Zeit Wie kamen die Helles zur Hinterglasmalerei? (Heidi und Fritz Helle) Altheider Ansichten aus der Gründerzeit (Eberhard Scholz) Schriftverkehr um eine alte Ansichtskarte (Br. Franke, Rückers) (Eberhard Scholz) Neues aus Altheide, Falkenhain, Neuwilmsdorf Denkmäler in der polnischen „Ziemia Kłodzka“ (Manfred Spata) „Wir müssen uns alles sagen“ Gedenktafel Zimmerstr. Glatz (Georg Wenzel) Monika Taubitz .- Schriftstellerin u. Brückenbauerin (Reinhard Schindler) Heimatfahrt 2016, 30.7. bis 6.8. (Eberhard Scholz) Heimatreise nach Bad Altheide vom 30.7. - 6.8.2016 (Edeltraud Tamme) Im Vaterhaus (Josef Wolf) Wieder war es eine schöne Reise (Maria Schulze) Meine letzte Schlesienfahrt (Adelheid Schmidt) Liebe Heimatfreunde, Dank! (Georg Pohl) Buswallfahrt in die Grafschaft Glatz 2016 (Michael Güttler) Jugendgruppe aus Telgte beim Weltjugendtag (Florian Knappheide) Heimatliche Presseschau Narr‘sche Ecke Leserbriefe 15 Jahre Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz (Klaus Hübner) Buchvorstellung Schöpferisches Schlesien, Band 2 Hinweise und Bitten Autorenverzeichnis Wichtige Adressen Impressum

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Blick über die Sommerrodelbahn zum ehem. Teehaus am Walde

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Vorwort Wieder ist es uns gelungen, einen „Weihnachtsbrief“ mit möglichst abwechslungsreichem Inhalt zusammenzustellen. Wir waren selbst überrascht, dass der Umfang des Heftes fast den des Vorjahres erreicht hat. Dank der unermüdlichen Arbeit unserer Autoren ist das möglich geworden, unser aufrichtiger und herzlichster Dank sei ihnen an dieser Stelle ausgesprochen! Wir möchten aber auch nicht verschweigen, dass wir Anfang des Jahres nicht wussten, ob es wieder gelingt das neue „Jahrbuch“ zu füllen, deshalb ist die Frage berechtigt Wie geht es weiter? Die wichtigsten Fragen im Einzelnen:  Ist mit der zwanzigsten Ausgabe des Altheider Weihnachtsbriefes das

letzte Jahrbuch erschienen?  Gibt das Jahr 2017 allen an Erstellung und Versand ehrenamtlich Betei-

ligten noch gesundheitlich die Möglichkeit, weiter zu machen? Wir sind leider keine Firma, die sich verjüngen kann!  Können sich noch genügend unserer Landsleute mit schriftlichen Beiträ-

gen am Inhalt beteiligen?  Die Anzahl der Bezieher und damit der Spender für den finanziellen

Aufwand nimmt ab. Reichen die eingehenden Spenden noch für die Bezahlung der Druck- und Versandkosten? Alle diese Fragen können wir nur mit den Worten beantworten: Wir wissen es nicht! Wenn Sie uns weiter helfen wollen, überweisen Sie bitte Ihre Spende wie bisher an: Heimatgemeinschaft Altheide Bad – Weihnachtsbrief – Lingen IBAN: DE58266600601133040600 – Volksbank Lingen BIC: GENODEF1LIG Ihr Chronist

Georg Wenzel

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Altheider Weihnachtsbrief 2016


Weihnachtsgrüße Allen Lesern eine gesegnete Weihnacht und ein gutes, friedvolles Jahr 2017 Ihr/Euer

Georg Wenzel, Friedrich Goebel, Eberhard Scholz

Redaktion, Versand und Gestaltung des Weihnachtsbriefes

Georg Pohl, Werner Bartsch Sprecher der Heimatgemeinschaften "Gottes Liebe geht alle Wege mit." In dieser festen Zuversicht lebte Pater Alfred Delp bis zu seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945 in Berlin. In der gleichen Gewissheit habe ich bei der Fahrt im Sommer den Gottesdienst in der Altheider Kirche gefeiert, in der ich getauft wurde. Damals wurde mir durch Pfarrer Franz Filla von Gott her zugesagt, dass Seine Liebe immer mit mir ist: In guten und schweren Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, in Freude und Leid. Bis heute kann ich bestätigen, dass Gott seine Zusage hält und ich vertraue darauf, dass er mich mit seiner Liebe weiterhin begleitet bis ans Ziel. Die gleiche Zuversicht wünscht Ihnen zu diesem Weihnachtsfest und für jeden Tag des neuen Jahres und des weiteren Lebens Ihr Pfarrer

i.R. Norbert Stroh , Königsberger Str. 36, 97072 Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder von Bad-Altheide! Von dem indischen Philosophen Rabindranath Tagore, der einmal in meiner jetzigen Pfarrei Hambach zu Besuch war, stammt das Wort „Jedes Kind bringt von Gott die Botschaft mit, dass Er die Lust an der Welt nicht verloren hat.“ Ich erlebe die Wahrheit dieses Wortes immer wieder bei den Vorbereitungen zu unseren Taufen, wenn Eltern mir erzählen, wie ihre Kinder sie bisweilen auch nachts sehr beschäftigen. Wenn sie aber das Lächeln ihres Kindes sehen, sind sie jedes Mal wieder gut zufrieden. Oder ich sehe viele Großeltern, die durch ihre Enkel zu neuem Leben aufblühen. An Weihnachten erfahren wir jedes Mal neu, dass es Gottes Liebe ist, die sich in einzigartiger Weise in dem Kind von Bethlehem der Welt schenkt. Gottes Sohn verlässt seine Heimat, um uns Menschen „Lust auf den Himmel“ zu machen. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen frohe gesegnete Weihnachten und ein von Gottes Liebe erfülltes Jahr 2017. Ihr Landsmann Pfarrer Lothar Röhr, Hambacher Tal 141, 64646 Heppenheim-Hambach Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Liebe Altheider, wenn wir den in der Krippe geborenen Christus anbeten, wollen auch wir in dieser Heiligen Nacht mit dem Glauben die volle Verehrung dieser Hirten fühlen, dieselbe Verwunderung und Freude erfahren. Es fällt schwer, sich dem Eindruck dieses Ereignisses zu entziehen. Wir bleiben begeistert stehen. Wir sind Zeugen einer Liebe, die die Ewigkeit mit der Geschichte verbindet. Legen wir unsere Freuden und Sorgen, unsere Tränen und Hoffnungen zu Füßen des fleischgewordenen Wortes nieder. Nur in Christus findet der neue Mensch das Geheimnis des menschlichen Daseins, das wahre Licht. Seit dieser Nacht in Bethlehem weiß die Menschheit, dass Gott Mensch geworden ist. Du bist Christus, Sohn des lebendigen Gottes. Du bist gekommen, um auf das Leben des Menschen Licht durch das Evangelium zu werfen. In der Nacht der Geburt Christi erklingen in allen Winkeln der Erde fröhliche Lieder, in allen Sprachen der Welt. Aus diesem Anlass spreche ich in meinem Namen und dem der Gemeindemitglieder den lieben Altheidern aus der alten Heimat, den Freunden und Wohltätern die allerherzlichsten Wünsche aus: Dass wir im Alltag immer Jesus wahrnehmen. Wir grüßen Dich, Jesus und mit Dir wollen wir das Neue Jahr 2017 beginnen. Du bist unsere Hoffnung. Nur Du hast die Worte des ewigen Lebens. Weihnachten 2016

Pfarrer Prälat Antoni Kopacz

Gemeindepfarrer und Dekan von Polanica Zdrój Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Lukas 2,14

Weihnachten ist eine besondere Zeit. Nicht nur wegen „der Magie der Weihnacht“ sowie all dem, was uns umgibt, sondern vor allem wegen dessen, was in Bethlehem geschehen ist und dessen Folgen, bis heute nachwirken. Die festlichen Tage geben uns einen Impuls dazu, Gott für die Liebe zu danken, die zur Offenbarung Gottes und zur Erlösung der Menschen, die Jesus Christus vollgebracht hat, geführt hat. Dafür sollen wir Gott danken und Ihn ehren. Jedoch fällt es uns immer schwerer, Gott zu preisen, wenn wir uns ringsherum umschauen. Es fällt uns auch immer schwerer, auch die Zeit und den Willen zu finden, um Gott zu loben, weil wir von allen Seiten von den Problemen und Ereignissen, die unsere Gedanken beeinflussen, umgegeben sind. 6

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Indem wir uns vor allem auf die Unruhen der heutigen Zeit konzentrieren, konzentrieren wir uns nicht auf Gott und nehmen den angekündigten Frieden nicht wahr. Die Worte „Friede auf Erden“ klingen heute angesichts aller Mitteilungen von Unruhen in der Welt wie ein düsterer Witz. Nicht nur im weit entfernten Afrika, oder im Nahen Osten, sondern auch sehr nah in der Ukraine oder Westeuropa. Hat Gott sein Wohlgefallen an den Menschen verloren, da wir keinen Frieden finden können? Wir sind leider nicht imstande, den Frieden auf der globalen Ebene zu erreichen, aber das kommende Weihnachtsfest sollte für uns eine Gelegenheit sein, sich für den Frieden Jesu Christi in unseren Herzen und in unserem Leben zu öffnen. Von uns hängt es ab, ob wir uns dem Einfluss der Unruhe der heutigen Zeit ergeben oder ob wir inmitten dieser Unruhen den im Erlöser geschenkten Göttlichen Frieden annehmen. Für die kommenden festlichen Tage, an denen wir das Andenken der Geburt Christi feiern werden, wünsche ich Ihnen, dass Sie die Möglichkeit haben, aus dem Frieden zu schöpfen, dessen Quelle als wehrloses Kind in der BethlehemKrippe ruhte. Der Frieden soll Ihre Herzen erwärmen, besonders dann, wenn die Meldungen von den Unruhen in der Welt sie stark bewegen. Halten wir an Gottes Frieden und an dem unerschütterlichen Glauben an die Liebe und die Führung unseres himmlischen Vaters fest.

Pfr. Robert Sitarek Evangelisch – Augsburgische Gemeinde in Glatz

Neujahrsgrüße des Altheider Heimatvereins TMP. - Towarzystwo Milosnikow Polanica Zdrój -

Liebe Freunde, für das kommende Weihnachten, wünsche ich Ihnen, dass Sie diese Tage in Gesundheit, Glück und in einer warmen, familiären Atmosphäre erleben. Das Jahr 2017 sei eine Zeit des Friedens, der Durchführung persönlicher Ziele, sowie der weiteren sehr guten Zusammenarbeit zwischen den derzeitigen und den ehemaligen Bewohnern einer gemeinsamen Heimat. Im Namen der Gesellschaft der Freunde Polanicas

Edward Wojciechowski - Vorsitzender von TMP.

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In Memoriam Karlheinz Mose „großzügig, furchtlos, bescheiden“ so lernte ich vor Jahren Karlheinz Mose kennen und schätzen und so steht es geschrieben in der Danksagung seiner Kinder. Vor 20 Jahren lernten wir uns bei Tagungen der Grafschaft Glatzer Arbeitsgemeinschaften kennen. In der Folge vertieften sich unsere Beziehungen. Wir trafen uns, sprachen über die gemeinsame Heimat, – Karlheinz Mose stammte aus Glatz – tauschten als gleichaltrige unsere Erlebnisse zum Kriegsende aus und blieben in ständiger freundschaftlicher Verbindung. Schließlich konnte ich ihn zur Mitarbeit am Weihnachtsbrief gewinnen. Seine Beiträge zeigten den erfahrenen Journalisten der großen Rundfunk- und Fernsehzeitschrift „HÖR ZU“. Gern holte ich mir, wenn es um Beiträge im Weihnachtsbrief ging, seinen fachkundigen Rat. „Er hätte noch vieles schreiben wollen“ steht im Nachruf für den am 3. Juni 2016 in Hamburg im Alter von 88 Jahren verstorbenen Karlheinz Mose. Welche Wertschätzung er bei Verlag und Redaktion der „HÖR ZU“ erfuhr, zeigt sich in dem Nachruf der Ausgabe dieser Zeitschrift.

Aus: „HÖR ZU“ Nr.26 v. 24.6.2016

Georg Wenzel

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Verabschiedung in die Ewige Heimat Oktober 2015 bis Oktober 2016 soweit Friedrich Goebel und Werner Bartsch bekannt:

Verabschiedung in die Ewige Heimat soweit Friedrich Goebel und Werner Bartsch bekannt

Heimatgemeinschaft Altheide Bad seit Oktober 2015 Weiß, Elfriede Ruth/Mühlich, 07.12.2015 Burgwartstr. 21, 01705 Freital-Pesterwitz Schmidt, Gertrud, 25.01.2016, Herforder Str. 236, 32120 Hiddenhausen Weiß, Peter, 28.01.2016, 97 Jahre, Burgwartstr. 21, 01705 Freital Bittner, Katharina/Liebig, 02.02.2016, 95 Jahre, Stellmacherweg 211, 48161 Münster Hoffmann, Paul-Alfons,11.02.2016, 80 Jahre, Schlingbreede 3, 32278 Kirchlengern Eggert, Annemarie/Schertner, 13.04.2016, 94 Jahre, Seniorenheim Am Schloßpark, 48455 Bad Bentheim Weckenbrock, Ursula/Pohl, 06.05.2016, 90 Jahre, Nachtigallenweg 1, 48465 Schüttorf Wester, Edeltraud/Tschap, 02.06.2016, 48529 Nordhorn Goede, Ulrich, 17.06.2016, Wermuthstr. 6, 31848 Bad Münder am Deister Kos, Egon, 11.08.2016, 86 Jahre, Mühlpfad 36, 67454 Haßloch/ Pfalz Weidlich, Else/Beier, 10.09.2016, 95 Jahre, Magdeburger Straße 49, 57439 Attendorn Franke, Wilhelm, 16.09.2016, 90 Jahre, Mannfeld Straße 5a, 01662 Meißen Delloch, Ursula/Winkler, 17.09.2016, 91 Jahre, Bahnhofstraße 7b, 03253 Schönborn

Heimatgemeinschaft Falkenhain/Neuwilmsdorf seit Oktober 2015 Rukalski, Gerhard, 01.12.2015, 82 Jahre, Schwarzenmoorstraße 32, 32049 Herford Planetorz, Margaretha/Bartsch, 08.10.2015, 84 Jahre, ul. Al-Roz 5, PL-57-320 Polanica Zdrój (Bad Altheide) Wolf, Luzia/Bittner, 15.04.2016, 94 Jahre, Helmholtzstraße 27, 32049 Herford Scholz, Alfons, 24.04.2016, Steiler Weg 12, 32049 Herford Seemann, Eva-Maria, 29.05.2016,86 Jahre, Buchener Straße 20, 04178 Leipzig Scholz, Artur, 28.08.2016, 84 Jahre, Frankenstraße 29, 47495 Rheinberg

Wir gedenken unserer Toten, die in der Heimat begraben sind, die auf den Fluchtwegen zu Lande und auf den Meeren ihr Leben ließen, die im Krieg und durch Kriegseinwirkungen starben, die aus den Kriegsgefangenen-, Internierungs- und Sammellagern nicht heimkehrten, die in ihrer neuen Heimat ihre letzte Ruhestätte fanden. Wir gedenken der Toten in allen Ländern der Erde, die ihr Leben auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat verloren. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Geburtstage ab 60 Jahre Oktober 2015 bis Oktober 2016 soweit Friedrich Goebel und Werner Bartsch bekannt:

Heimatgemeinschaft Altheide Bad Unser Altheider Landsmann Wilhelm Franke ist 90 Jahre alt geworden. Der „Grafschafter Bote“ hat ihn ausführlich gewürdigt und wir dürfen mit dessen Genehmigung daraus zitieren:

Wilhelm Franke, unser allseits geschätzter Grafschafter Künstler und Maler, wird 90 Jahre Die Heimatzeitung, seine Altheider Landsleute und die „Stiftung Grafschaft Glatz/Schlesien“ gratulieren herzlich zum Geburtstag, wünschen stabile Gesundheit und weiterhin noch viel heimatliches Schaffen. Dankbar dürfen wir gleich an dieser Stelle bemerken, dass Wilhelm Franke bereits den Großteil seines künstlerischen Schaffens der „Stiftung Grafschaft Glatz/ Schlesien" übergeben hat. Aber nicht nur das, er hält guten Kontakt zur Heimatzeitung, sorgt sich um deren Bestand und stellt wiederholt seine heimatlichen Motive uneigennützig der Aktion „Fortexistenz des Boten" zur Verfügung. In der Februar-Ausgabe erfreute er uns wieder mit einer Tuschzeichnung „Winter im Glatzer Gebirge". Der Autodidakt, geboren am 13. März 1926 in Bad Altheide, erlernte bei dem in Schlesien bekannten Kirchenmaler Leo Richter in Bad Landeck den Beruf des Kirchenmalers. 1943 Einberufung zur Wehrmacht und Entlassung aus russischer Gefangenschaft erst 1949. Danach in Meißen in der Porzellan-Manufaktur Beschäftigung als Unterglasurmaler. Hierdurch hatte er später Gelegenheit, sich außerberuflich in Mal- und Zeichenkursen auf dem Gebiet der Malerei und der Grafik weiterzubilden. Dabei wurde er − neben anderen Techniken − mit der künstlerischen Druckgrafik vertraut, was dann dazu führte, dass er sich speziell mit der Kaltnadelradierung befasste. Das Jahrbuch 2012 würdigt ausführlich die wertvolle, anerkannte künstlerische Vielseitigkeit von Wilhelm Franke. Der „Grafschafter Bote", die „Stiftung Grafschaft Glatz/Schlesien" und insbesondere Deine Altheider Landsleute grüßen Dich, lieber Wilhelm, an diesem Ehrentag und sind stolz, Dich in unseren Reihen zu haben. Peter Großpietsch 10

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Auch wir haben Willi Franke ein herzliches „Dankeschön“ zu sagen. Wann immer wir darum baten, Beiträge im Altheider Weihnachtsbrief durch heimatliche Motive zu bereichern, war er zur Stelle. Wir wünschen Dir, lieber Willi, noch viel Gesundheit und Schaffenskraft, Deinem geliebten Hobby nachzugehen und uns bei der Gestaltung unseres Jahrbuches zu helfen.

Georg Wenzel

Willi Franke/Kaltnadelradierung

„Während der redaktionellen Arbeit am Altheider Weihnachtsbrief erfahren wir, dass Willi Franke am 16.9.2016 in Meißen verstorben ist. Seine Verdienste um Altheide und die Grafschaft Glatz bleiben.“

Georg Wenzel Heimatgemeinschaft Altheide Bad 60 Jahre Engel-Fiedler, Monika/Engel, 09.03.2016, Eichenweg 22, 22941 Bargteheide 65 Jahre Pietsch, Barbara, 16.10.2015, Südstraße 7, 01462 Gohlis 70 Jahre Schulze, Maria/Pietsch, 16.12.2015, Eichbergweg 16, 01705 Freital Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Juring, Dietmar, 28.12.2015, Paul-Schneider-Straße 9, 01640 Coswig Struckmann, Reinhard, 10.04.2016,, Kosebruchweg 1, 04509 Delitzsch Landinger, Hans, 05.05.2016, Obere Talstraße 79, 32120 Hiddenhausen Schulz, Arnold, 30.06.2016, Marienburger Straße 24, 47475 Kamp-Lintfort Grolms, Renate, 31.10.2016, Florapromenade 14, 13187 Berlin 75 Jahre Stroh, Norbert, Pfarrer, 13.12.2015, Königsberger Straße 36, 97072 Würzburg Noack, Manfred, 14.12.2015, Erich-Kurz-Straße 7, 10319 Berlin Töpfer, Edeltraud/Juring, 11.01.2016, Crossostraße 4, 01662 Meissen Beck, Ilse, 31.03.2016, Lahnstraße 28, 65428 Rüsselsheim Schönfeld, Katharina/Stiller, 21.04.2016, Mengostraße 32, 01139 Dresden Dietsch, Wilfried, 11.08.2016, Peter-Richarz-Straße 39, 40229 Düsseldorf Dietze, Karin/Henker, 20.08.2016, Karl-Marx-Straße 73, 98527 Suhl 80 Jahre Beck, Norbert, 06.11.2015, Lahnstraße 28, 65428 Rüsselsheim Pietsch, Norbert, 20.11.2015, Ahornweg 8, 35321 Laubach Berlit, Michael, 28.01.2016, Auf der Röte 29, 79379 Müllheim Scholz, Eberhard, 08.03.2016, Defreggerweg 3, 85778 Haimhausen Pieper, Barbara/Hauck, 07.04.2016, Königsheide 8, 44536 Lünen Berger, Nanny/Richter, 18.05.2016, 30459 Parkridge Drive, Brooksville. FL 34602, USA Wolf, Margarete/Borgmann, 17.06.2016, Bernhard-Otte-Straße 19, 48496 Hopsten Weischede, Ursula/Hoffmann, 13.07.2016, Kaiser-Wilhelm-Straße 13, 45476 Mülheim Beier, Ingeborg/Tautz, 12.09.2016, Droste-Hülshoff-Straße 88, 58710 Menden Rathsmann, Georg, 20.09.2016, Vorbrückenstraße 1, 48480 Lünne Heimann, Alfons, 04.10.2016, Goethestraße 9, 48734 Reken 85 Jahre Grosser, Ursula/Stehmann, 03.10.2015, Elsa-Brandström-Straße 186, 53227 Bonn Goller, Friedel/Just, 08.11.2015, Am Roland 3a, 58675 Hemer Chudowski, Günter, 03.12.2015, Wagenfeldstraße 4, 49497 Mettingen Mann, Gustav, 23.12.2015, Am Beustschacht 6, 49477 Ibbenbüren Nabroth, Günter, 12.03.2016, Vogelsangstraße 19a, 63457 Hanau Bannwitz, Katharina/Teuber, 25.03.2016, Jaspisstraße 14a, 01662 Meissen Philipp, Renate/Koppel, 13.04.2016, Gabriel-Meyer-Straße 2, 84503 Altötting Sessner, Ingeborg/Muschiol, 14.05.2016, Johannisweg 3, 91522 Ansbach Blaul, Marianne/Tautz, 17.05.2016, Landrat-Schulz-Straße 19, 49497 Mettingen Grosser, Hubertus, 16.06.2016, An der Obererft 126, 41464 Neuß Butke, Karin/Engel, 27.06.2016, Thielkes Kamp 19, 46325 Borken 12

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Gerdes, Ursula/Guder, 28.06.2016, Seniorenzentrum Am Hirschgarten 2, 75382 Althengstett 90 Jahre Weckenbrock, Ursula/Pohl, 13.02.2016, Nachtigallenweg 1, 48465 Schüttorf Theimer, Christel, 25.02.2016, Weißdornweg 22, 44869 Bochum Wessel, Josef, 26.02.2016, Heinrich-lob-Weg 22, 51145 Köln Franke, Wilhelm, 13.03.2016, Mannfeldstraße 5a, 01662 Meißen + Falke, Ruth/Mende, 20.05.2016, Schillerstraße 4, 58089 Hagen Sieferle, Christina/Kusick, 29.06.2016, Am Anger 13, 86825 Bad Wörrishofen Berger, Susanne, 22.08.2016, Eschenweg 15, 27751 Delmenhorst Koppe, Helene/Winkler, 14.09.2016, Wilhelm-Pieck-Straße 2, 06918 Elster Schulze, Magdalene/Hollunder, Hauptstraße 12.10.2016, Hauptstraße 112, 16775 Löwenberger Land Winkler, Alfred, 26.10.2016, Wernerstraße 24, 01159 Dresden 91 Jahre Heller, Walter, 24.01.2016, Bohlweg 28, 38440 Wolfsburg Delloch, Ursula/Winkler, 14.03.2016, Bahnhofstraße 7b, 03253 Schönborn 92 Jahre Koch, Reinhard, 14.10.2015, Bruder-Winter-Straße 4, 61440 Oberursel Pfeiffer, Lenchen, 03.11.2015, Alter Postweg 69, 33818 Leopoldshöhe Lerch, Margret/Wichart, 29.01.2016, Marienstraße 2, 58542 Iserlohn Westerhoff, Margot/Letzel, 25.05.2016, Hagener Straße 145, 58642 Iserlohn Scholz, Else/Klesse, 26.05.2016, Kiebitzgrund 34, 49477 Ibbenbüren Gabriel, Annelies/Birk, 11.07.2016, Hopfenbergstraße 2, 04159 Leipzig Zieboll, Reinhard, 23.08.2016, Jasperstraße 2, App. 758-0-12, 69126 Heidelberg 93 Jahre Opitz, Erich, 18.11.2015, Zöcklerweg 10, 88046 Friedrichshafen Globig, Helene/Bauch, 15.01.2016, Depkenstraße 25, 28213 Bremen Berger, Martel/Sauer, 30.08.2016, Kolonie Jungfernheide 139, 13627 Berlin 94 Jahre Gerlach, Elisabeth, 04.12.2015, Am Museumsturm 10, 48529 Nordhorn Meril, Gerhard, 31.12.2015, Bodeweg 13, 33689 Bielefeld Gottschlich, Hedwig, 27.03.2016, Weinzierleiner Straße 35 90449 Nürnberg Sornig, Barbara/Töpler, 22.06.2016, Rosenstraße 1, 61231 Bad Nauheim Quauka, Dorothea/Schmidt, 03.07.2016, Hospitalstraße 45, 59555 Lippstadt Stölzner, Marie-Magdalena/Perschke, 07.08.2016, A-8742 St. Wolfgang Herzig, Alfred, 07.09.2016, Zur Windmühle 15, 58313 Herdecke 95 Jahre Bittner, Käthe/Liebig, 22.10.2015, Gartenbreite 1, 48161 Münster Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Kurzeja, Dr. F., 24.11.2015, Abtei Maria Laach, 56659 Maria Laach Weidlich, Else/Beier, 11.06.2016, Magdeburger Straße 49, 57439 Attendorn 96 Jahre Remer, Liesel/Liebig, 10.11.2015, Friedrich-Ebert-Siedlung 30, 56170 Bendorf Frey, Idel/Postler, 13.12.2015, Hüfnerstraße 26, 03042 Cottbus Eggert, Annemarie/Schwertner, 21.05.2016, An der Diana 9, 48455 Bad Bentheim Rotter, Ferdinand, 03.07.2016, St.-Florian-Straße 23, 49479 Ibbenbüren 98 Jahre Postler, Hedel, 12.12.2015, Kapellstraße 1, 96117 Memmelsdorf 99 Jahre Trapp, Magda/Joseph, 26.01.2016, Seniorenheim Selderstraße 6, 31008 Elze

Heimatgemeinschaft Falkenhain/Neuwilmsdorf 65 Jahre Peter, Gerda, 02.01 2016, Windmühlenweg 40, 38165 Lehre 70 Jahre Mense, Barbara/Büchner-Wolf, 07.04.2016, Tilsiter Straße 4, 32049 Herford Bartsch, Werner, 14.01.2016 Hegerskamp 135, 48155 Münster Bartsch, Ingrid/Merkler, 18.06.2016, Hegerskamp 135, 48155 Münster 75 Jahre Sieker, Katharina/Beck, 27.11.2015, An der Waldspitz 7, 32049 Herford Winter, Ursula, 25.01.2016, Kattenschling 39, 32049 Herford Rosselnbruch, Ingrid/Tschöke, 22.04.2016, Schwaketenstraße 94, 78467 Konstanz Franz, Gisela/Friese, 15.05.2016, Auf dem Sepp 2a, 32107 Bad Salzuflen Rösner, Hanna/Hilliger, 15.10.2016 Fröschforthstraße 6, 56410 Montabaur 80 Jahre Müller, Erna/Winter, 08.10.2015, Magdeburger Straße 2, 32049 Herford Berger, Waltraud/Eulig, 23.10.2015 Freiligrathstraße 8, 32049 Herford Walter, Christina/Kolbe, 26.10.2015, Dürerstraße 14, 32107 Bad Salzuflen Gaulitz, Brigitte, 13.12.2015, Platanenstraße 12, 07549 Gera-Lusan Hermbökemeier, Johanna/Franke, 21.02.2016, Kammerweg 23, 32791 Lage Sager, Marlies/Krause, 25.04.2016, Helmholtzstraße 8, 32049 Herford 85 Jahre Gauglitz, Friedrich, 24.01.2016, Platanenstraße 12, 07549 Gera-Lusan Krause, Ursula, 22.02.2016, Amselplatz 14, 32049 Herford Spilker, Gerda/Ullrich, 16.08.2016, Marienburger Straße 3, 32049 Herford Grella, Elisabeth/Gröger, 25.08.2016, Kulmer Straße 4, 32602 Vlotho-Exter Simon, Benno, 20.08.25016, An der Kindsbeke, 32051 Herford Scholz, Alfred, 28.09.2016, Breslauer Straße 1, 32052 Herford 14

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Blick vom Teehaus am Walde zum Glatzer Schneeberg 2016

90 Jahre Zernig, Hildegard/Nentwig, 26.08.2016, Erfurter Straße 4, 50259 BrauweilerPulheim Klemme, Elfriede/Beck, 23.09.2016, Brauerrichterweg 21, 32107 Bad Salzuflen 91 Jahre Ullrich, Karla, 09.05.2016, Hasenwinkel 57, 38448 Wolfsburg Riese, Magdalene/Tautz, 22.05.2016, Königsberger Straße 2, 32049 Herford Grundmann, Charlotte, 15.06.2016, Karlsruher Straße 149, 01189 Dresden Lehmann, Hildegard/Heinze, 10.07.2016, Rotdornweg 18, 32049 Herford 92 Jahre Mäbert, Hildegard/Schrudeck, 10.02.2016, Hauptstraße 114, 09439 Amtsberg 93 Jahre Teuber, Elisabeth/Langer, 24.03.2016 Grüne Straße 1, 26676 Barßel 94 Jahre Wolf, Luzia/Bittner, 02.03.2016, Helmholtzstraße 27, 32049 Herford Wrona, Margarete/Langer, 23.04.2016, ul. Kollataja 7a, PL-41-400 Myslowice 98 Jahre Mehrgott, Margarete/Beck, 17.05.2016, Seniorenzentrum a. See, Oststraße 2, 04420 Markranstädt

Ehejubiläen / Jubiläen Oktober 2015 bis Oktober 2016 soweit Friedrich Goebel und Werner Bartsch bekannt:

Heimatgemeinschaft Altheide Bad 60 Ehejahre Goebel, Friedrich-Karl und Elisabeth, 18.05.2016, Vom-Stein-Straße 27, 33428 Harsewinkel Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Ein Altheider Mädchen feiert Diamantene Hochzeit Harald Watzek Es handelt sich um die Tochter von Martha und Karl Geisler, dessen Biographie im Weihnachtsbrief 2014 veröffentlicht wurde. Christa wurde am 9. Juli 1932 in Altheide geboren. Sie genoss gemeinsam mit ihrer 1929 geborenen Schwester Ruth eine sehr liebevolle, aber auch, wie es damals üblich war, durchaus strenge Erziehung. Mein Onkel Karl prägte mit seinem sehr gründlichen, zuverlässigen und disziplinierten Charakter nicht nur sein berufliches sondern auch das Familienleben. Von diesen Eigenschaften hat meine Cousine besonders viel geerbt. Sie wurde 1938 eingeschult und besuchte die Volksschule in Altheide bis zum Kriegsende. Ihre Kindheitsjahre waren trotz des Krieges weitgehend unbeschwert. Von amerikanischen und englischen Bombenangriffen sowie von Kämpfen zwischen der zurückweichenden Wehrmacht und der Roten Armee im Frühjahr 1945 wurden wir in der Grafschaft bekanntlich verschont. Und somit gab es keine kriegsbedingten Zerstörungen. Die Wohnung der Geislers lag in unmittelbarer Nähe des Kurparks mit seinem prächtigen Baumbestand, herrlichen Blumenrabatten und den Brunnenanlagen. Auch sonst bot das in eine zauberhafte Mittelgebirgslandschaft eingebettete Altheide mit seinen Geschäften, den vielen villenartigen Pensionen, den Sportanlagen, den Promenaden, dem Kurtheater und dem Kino, sowie den beiden Kirchen und natürlich auch der Schule sehr viel, was für Entwicklung von uns heranwachsenden Kindern sehr günstig war. Hinzu kamen die Kontakte mit den Kurgästen aus ganz Deutschland und gegen Kriegsende auch zu verwundeten Soldaten, die hier in den Kureinrichtungen gepflegt wurden. Altheide war zum Lazarettort erklärt worden. Auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens kam Schlesien unter polnische Verwaltung Christa mit einem Jahr 16

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und die intakten Kuranlagen wurden unter den neuen Herrschaftsverhältnissen bereits zu Beginn des Jahres 1946 wieder genutzt. Das war jedoch nur dadurch möglich, dass neben dem noch unerfahrenen polnischen Personal auch deutsche Fachkräfte zunächst weiter beschäftigt wurden, um den komplizierten Ablauf des Kurbetriebes mit seinen vielfältigen technischen der Garage an der Josefsquelle Einrichtungen zu gewährleisten. Darüber Vor (Christa 2. von rechts, ganz links wurde in den früheren Weihnachtsbriefen ihre Schwester Ruth) ausführlich geschrieben. Auch Christas Vater behielt seine Arbeit. Er chauffierte nun anstelle des vormaligen deutschen Kurdirektors dessen polnischen Nachfolger. So war das Leben für die noch benötigten Deutschen in der zwischen beiden Volksgruppen sehr angespannten Atmosphäre einigermaßen erträglich. Es gab jedoch auch viele polnische Neubürger, die sich fair zu uns deutschen Altheidern verhalten haben. Nach der im November 1946 erfolgten schmerzhaften unter unwürdigen Bedingungen erfolgten Ausweisung aus unserem Geburtsort beendete Christa die Volksschulausbildung in Leipzig und absolvierte eine Lehre als Säuglingsschwester. Während der Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1952 in Berlin lernte sie Joachim Dietrich, einen jungen Mann, kennen, der seine berufliche Christa in Schwesterntracht Karriere in der kasernierten Volkspolizei begonnen hatte und diese in der 1956 gegründeten Nationalen Volksarmee fortsetzte. Achim war ein gut aussehender netter Bursche, der nicht nur seiner Angebeteten imponierte. Mit seinen angenehmen Manieren und seiner geistreich witzigen Art genoss er bald auch große Sympathie bei seinen künftigen Schwiegereltern und Christas Schwester Ruth sowie den Verwandten der Geislers. Am 11. August 1956 wurde geheiratet. Schon bald war das junge Paar mit den Kindern Gabriele und Rolf eine richtige Familie, die bedingt durch die Versetzungen des Vaters an verschiedene Dienstorte oft umziehen musste. Achim war sehr zielstrebig. Er holte das Abitur nach und studierte an der Militärakademie in Dresden. Zum Oberst befördert, trat er schließlich in den diplomatischen Dienst und vertrat die DDR zunächst als Gehilfe des Militärattachés in Finnland und anschließend bis zu deren Ende als Militärattaché in Kuba und Nicaragua. Nach der ehrenvollen Entlassung aus dem Militärdienst 1990 genossen Christa und Achim zunächst ihren Ruhestand in Berlin und zogen 2005 in die Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Nähe von Tochter und Schwiegersohn nach Rostock. Christa war ihrem Mann während seiner gesamten e r f o l g r e i ch e n Laufbahn stets eine treue und verständnisvolle Partnerin. Anlässlich der Goldenen Hoch -zeit 2006 sind beide mit Tochter und Sohn sowie deren E h e p a r t nern Hochzeitsbild nach Altheide gefahren. Alle waren begeistert von dem schönen Kurort, in dem die Jubilarin ihre Kindheit verbrachte. Im August dieses Jahres haben die beiden nun das 60-jährige Ehejubiläum im Kreise Ihrer Kinder und Enkelkinder sowie weiterer naher Verwandter gefeiert. Auch jetzt ist das „Altheider Mädchen“ ihrem Achim mit seinen altersbedingten gesundheitlichen Handicaps eine liebevolle und fürsorgliche Betreuerin. Wir wünschen beiden noch eine schöne Zeit.

Das Jubelpaar mit den nächsten Angehörigen

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Antrittsbesuch beim finnischen Verteidigungsminister

Empfang beim finnischen Staatspräsidenten Urho Kekkonen

Die Präsidenten Fidel Castro (Kuba) und Daniel Ortega (Nicaragua)

60 Jahre verheiratet. Der Cousin hält eine kleine Rede Altheider Weihnachtsbrief 2016


Unser Pfarrer Lothar Röhr blickt auf 50 Jahre priesterliches Wirken zurück. Wenn ich bewusst „unser“ sage, verbinde ich das damit, dass er seine Kinderzeit in Altheide verlebte und wie wir alle, 1946 von dort vertrieben wurde. Als wir Altheider uns nach der Vertreibung zu unseren Treffen zusammenfanden, durfte auch der heimatliche Gottesdienst nicht fehlen. Was lag näher, als einen der unseren zu bitten, am Altar zu stehen, und mit uns zu singen und zu beten. So erlebten wir Lothar Röhr als aufgeschlossenen und freudigen Priester und Prediger, der uns auch die Heimat wieder näher brachte und uns zur Versöhnung aufrief. Immer hatte er Zeit für uns und zeigte, wie man den Glauben freudig leben kann. Unvergessen ist seine Konzelebration in der heimatlichen Altheider Kirche mit dem Schweidnitzer Bischof Ignacy Dec und Pfarrer Kopacz bei der Weihe der neuen Glocken im Jahre 2006. Wir haben allen Anlass, ihm ein herzliches Dankeschön zu sagen und ihm Gottes Segen zu wünschen für noch viele erfüllte Jahre im priesterlichen Dienst. Seinen Werdegang und sein Wirken gibt am besten ein Presseartikel aus „Starkenburger Echo“ vom 1.8.2016 wieder, den wir mit Genehmigung des Verlages und der Redakteurin Dagmar Jährling anfügen.

Georg Wenzel Priesterjubiläum Pfarrer Lothar Röhr feiert in der Hambacher Kirche Sankt Michael

Dagmar Jährling HAMBACH. Lothar Röhr, Pfarrer der katholischen Gemeinde Sankt Michael, Hambach, feierte am Sonntag Goldenes Priesterjubiläum. Danach begann ein Empfang auf dem Kirchplatz. Seinen eigenen Festgottesdienst zum 5O-jährigen Priesterjubiläum in der eigenen Gemeinde als aktiver Pfarrer zelebrieren zu dürfen, ist nicht vielen vergönnt. Hinzu kommt eine Gemeinde, die hinter ihrem Pfarrer steht. Das zeigte schon das lebendige Bild im Kirchenschiff. Viele Hambacher kamen zur Heiligen Messe am Jubeltag ihres Pfarrers. Dieser zelebrierte den Gottesdienst mit dem Mainzer Domdekan Heinz Heckwolf sowie den Pfarrern Richard Neumann, Leo Veith und Karl-Hans Keil. Abordnungen der Hambacher Vereine waren genauso gekommen, wie die Kolpingfamilie aus Heppenheim und die Schwestern aus dem Vinzenz-Kloster. Besonders freute sich Röhr, dass viele frühere Messdiener ihre Gewänder überzogen und ihm bei der Liturgie assistierten. In 33 Jahren seiner Tätigkeit für dieselbe Gemeinde begleitete Röhr schon diese Ministranten in ihrer aktiven Zeit. Auch die evangelischen Kollegen Pfarrer Frank Sticksel und Pfarrer i. R. Dirk Römer waren nach Hambach gekommen. Domdekan Prälat Heckwolf überbrachte die Glückwünsche des Mainzer Domkapitels. „Es war und ist Dir ein Anliegen, die Menschen zu begleiten und ihnen einen Weg zu zeigen", sagte Heckwolf. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Zunächst Kaplan in Darmstadt und Dieburg Pfarrgemeinderatsvorsitzende Heike Schuster sagte, der Pfarrer sei ein Glücksfall für die Gemeinde. ,,Es ist bewundernswert, wie Sie zu Werke gehen", erklärte Schuster. „Unverdrossen verrichten Sie ihren Dienst, und niemals sieht man sie niedergeschlagen." Röhrs Predigt gab Einblick auf sein Leitmotiv „Wechselnde Pfade, Schatten und Licht, alles ist Gnade, fürchte dich nicht". Was sage man einem Kind, das um die Mutter fürchtet, so wie es ihm selbst mit neun Jahren ergangen sei, wollte der Pfarrer wissen. Seine Gemeinde weiß, dass seine Mutter Walburga Röhr 97 Jahre alt wurde und lange Zeit in der Gemeinde mitwirkte. Ein besonderer Gruß ging an seine einzige Schwester Barbara, die vier Kinder zu Welt brachte und acht Enkel hat. Auch sie waren gekommen. Lothar Röhr wurde 1937 in Altmohrau/Schlesien geboren und war zunächst Kaplan in Darmstadt und Dieburg. 1972 ging er als Religionslehrer an das Altsprachliche Gymnasium in Worms. 1983 wurde Röhr Pfarrer in Hambach. Er war zudem als Oberstudienrat am Starkenburg-Gymnasium in Heppenheim tätig. Röhr besuchte das Priesterseminar in Mainz als Joseph-Maria Reuß Weihbischof war. Reuß gilt als Pionier der Priesterausbildung. Eigens zum Jubiläum haben sich Gemeindemitglieder zur Gruppe „Freunde der Hambacher Kirche“ zusammengetan. Die frohe Botschaft überbrachten Josef Tilger und Heinrich Wecht. Lange habe sich der Pfarrer eine Madonna für die Nische auf der Nordseite der Wallfahrtskirche gewünscht. Dieses Jubiläumsgeschenk rollten Friedel Rauber, Renate Netzer und Heike Schuster durch das Mittelschiff zum Altar. Der Festgottesdienst wurde von Ursula Lutz an der Orgel und dem gemischten Chor des Gesangvereins Liederkranz begleitet. Letzterer hatte zum Schluss eine Überraschung für den Pfarrer: John Dickson vom Popchor sang vom Chor begleitet „Happy Day“. Beim Empfang auf dem Kirchenplatz spielte die Hambacher Blaskapelle. Die Festgesellschaft

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Pfarrer Norbert Stroh Gerne weisen wir schon heute darauf hin, dass unser Pfarrer Norbert Stroh am 29.06.2017 sein 50. Priesterjubiläum begeht. Königsberger Straße 36, 97072 Würzburg

Heimatgemeinschaft Falkenhain/Neuwilmsdorf Oktober 2015 bis Oktober 2016 50 Ehejahre Bauer, Siegwart und Ruth Gerda Bauer/Franke, 20.08.2016, Carl-Maria-vonWeber-Straße 20, 06844 Dessau 55 Ehejahre Rieger, Gottfried und Christine/Laschke-Krahl, 20.05.2016, Sauerbruchstraße 11, 32049 Herford Uhlig, Helmut und Waltaud/Urner, Etzdorfer Straße 7, 22.07.2016, 06386 Fraßdorf, Kreis Köthen 60 Ehejahre Eckstein, Erich und Ruth/Dinter, 20.04.2016, Glückstädter Straße 62c, 33729 Bielefeld-Brake 65 Ehejahre Klemme, Gerhard und Elfriede/Beck, 08.05.2016, Bauerrichterweg 21, 32107 Bad Salzuflen

We i h n a c h t s g e s c h i c h t e Christabend Vera Gottschlich  Im trüben Lichte einer flackernden Straßenlaterne schiebt sich eine zerlumpte, schlotternde Gestalt um die winddurchfegte Straßenecke. Kalt blinzeln die Sterne vom nächtlichen Himmel auf den einsamen Wanderer herunter. Was will er zu solcher Zeit in seinem fadenscheinigen Anzuge im kalten Schnee der Straße? Harrt seiner daheim kein Weib, spähen nicht sehnsüchtige Kinderaugen verlangend nach ihm durch den Flockenwirbel? Es ist ja Christabend heute, heilige, selige Weihnacht, und nicht einer geht unnötig aus dem Hause. Blinkt dem Armen daheim kein Lichterbaum, hat keiAltheider Weihnachtsbrief 2016

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ne liebende Hand ein Geschenk bereitet damit auch in seinem Herzen die lichte Freude der heiligen Weihnacht aufglühe? – Gewiss nicht, denn wie könnte er sonst mit solch bitterem Neid in den Augen zu den hell erleuchteten Fenstern jenes Hauses emporblicken, aus dem Kinderjubel und weihnachtlicher Gesang ertönt! Man hat dort den Christbaum angezündet, eine reich geschmückte, prächtige Tanne, um die nun die Kinder tanzen, die Geschenke im Arm. Und still stehen die Eltern am Tisch, sehen lächelnd dem Glück der Kleinen zu, und schauen sich dann mit einem leuchtenden Blick lange in die Augen. – Dem Armen ist der Anblick unerträglich. Seufzend wankt er weiter durch Schnee und Nacht und Flockentanz und hält erst inne, als ihm das unverhangene Fenster einer Kellerwohnung Einblick in das Weihnachtsglück der dort wohnenden Familie gewährt. – Eine kleine Fichte hat man dort auf den einfachen Tisch gestellt, hat sie mit buntem Zuckerputz behangen, ein paar tropfende, billige Lichtlein darauf gesteckt und dann die wenigen Geschenke unter die geschmückten Zweige gebreitet. Und wenn auch hier die Gaben spärlich, der Christbaum armselig und das Zimmer eng und klein ist, so leuchtet doch aus den vielen Augenpaaren ebenso echte Weihnachtsfreude, wie sie im prächtigen Gemach der reichen Wohnung aus den Worten und Blicken verwöhnter Menschen sprach. – Unaufhörlich fallen die Flocken. Eine über die andere haben sich auf des heimatlosen Menschen Hut gesetzt, als wollten sie ihm mitleidig einen warmen, schützenden Pelz über die fröstelnden Glieder legen, weil sich sonst niemand seiner erbarmt. – Heilige Nacht – Vom Kirchturm klingen die Glocken und künden die zwölfte Stunde. Christ ist geboren, und es ist die Stunde, wo vor nahe zweitausend Jahren die Engel über Bethlehems Fluren sangen: „Friede den Menschen auf Erden!“ – Konnte dem Armen, der in der Kälte der Christnacht einsam durch die Straßen irrte, nicht auch seine Friede werden durch eines gütigen Menschen helfende Hand? – Sie stehen draußen und warten, warten – all die Armen, die kein Christfest haben, – warten, dass einer ihnen helfe zum Glück und Frieden der heiligen Weihnacht. Aus Vera Gottschlich – Erinnerungen an die Glatzer Heimat in Geschichten, Gedichten und Erzählungen. Verlag: Marx-Verlag Leimen 1994 mit Genehmigung des Verlags „Grafschafter Bote“ als Rechtsnachfolger.

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Zom Traffa Nä, Ihr Loite! Nä, die Frääde! Wieder Traffa vu Aalthääde, Vu Neuwilmsdroff, Folkahään, Ju, doas tutt ons oalle frään! Ei Herford sools doch wieder sein, On Ihr meßt derbeine sein! Kommt ock oalle, oalle hie, On machts meegliech, ärgend wie! Jeder kemmt, wenn ar blooß wiel, Denn mer sein doch nemme viel. Kääner vu Oich därf doo fahla, Mier messa doch zosoamma haala! Tutt die Enkelkender wärja, Doas se Oich nooch Herford schärja! Se kenna doas doch fer Oich tun! A Liebesdienst! – A klääner Luhn. – Nababei, doas wär doch schien, Lerrnta se ons zo verstiehn. Lerrnta woas die Häämte ies, Wenn se äm genomma ies. – Also kommt, on macht Oich uuf! Kääne Zeit? - Ach woas, plomp druuf! Tutt die Zeit ganz einfach stahla, Oam Ende teede Oich woas fahla. Erhard Gertler, Grafschafter Heimatdichter

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Heimattreffen 2017 Werner Bartsch Liebe Heimatfreunde aus Falkenhain, Neuwilmsdorf und Bad Altheide, liebe Freunde, die unsere Heimat lieb gewonnen haben, es ist sicher an der Zeit, sich wieder einmal zu treffen, wiederzusehen und auszutauschen. Beim letzten Treffen haben wir uns versprochen, gesund zu bleiben und noch einmal zusammen zu kommen. Trotz der zunehmend rückläufigen Zahlen – auch wir werden weniger / beim letzten Mal waren noch gut 60 Teilnehmer – wollen wir es im Jahre 2017 noch einmal wagen. Wir wollen diese Tradition erhalten, so lange es noch geht und die Beteiligten es sich wünschen. Anfragen („Machts ock baale“ und Watt ock ne asu loange“) und die Freude auf ein Wiedersehen machen Mut, wieder die Vorarbeit aufzunehmen. Termin und Ort sind gefunden und die Herforder Heimatfreunde (Ursula und Horst Winter, Marlies und Rudi Sager, Horst und Ursula Krause, Reinhard und Gerda Dittert, Christine und Gottfried Rieger, wie auch Barbara Meyer mit meiner Ingrid) freuen sich wieder darauf, den Tag mitzugestalten. Tag: Sonnabend, 20. Mai 2017 Zeit: 10:30 Uhr Heilige Messe Ort: Pfarrzentrum der Kath. Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist (nicht Johanniskirche) Komturstraße 4, 32052 Herford Die Pfarrgemeinde stellt das Gotteshaus und den Pfarrsaal zur Verfügung. Dafür sagen wir schon heute ein ganz herzliches Dankeschön. Wir hoffen, dass wieder viele Heimatfreunde den Weg zum Treffen und auch zur vorhergehenden Heiligen Messe finden. Wir wissen nicht, ob wir noch ein weiteres Mal die Chance haben, uns zusammenzufinden. Nach gewachsener Tradition beginnen wir unser Treffen mit der Heilige Messe. Wir erinnern uns, wie einfühlsam unsere Altheider Pfarrer Lothar Röhr und Norbert Stroh den Gottesdienst mit uns gestalteten. Pfarrer Norbert Stroh hat mitgeteilt, dass er auch dieses Mal wieder gern zu uns kommen wird. Dafür ein herzliches „Vergelts Goot“! Leider musste Pfarrer Lothar Röhr aus terminlichen Gründen absagen. Wir bedauern das sehr. Im Anschluss an die heilige Messe finden wir uns im Gemeindesaal gleich nebenan zusammen. Erinnerungen an die Heimat, Verse von unserem Grafschafter Heimatdichter Erhard Gertler, ein Film über die Grafschaft Glatz, wie auch Bilder, dieses Mal von zurückliegenden Reisen der Heimatgemeinschaft Falkenhain/Neuwilmsdorf (im Wechsel mit Bad Altheide) werden den Tag 24

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bereichern. Dabei wird der persönliche Austausch selbstverständlich nicht zu kurz kommen. Es wird auch etwas „zo assa, zo Mettige a Stickla Flääsch on zor Vaschperzeit a Sträfla Kucha“, sowie „zo trenka“ geben. Der eng kalkulierte Kostenbeitrag für Planung, Durchführung, Saalmiete und das Essen wird beim Eintritt in den Pfarrsaal entgegengenommen. Das Treffen wird gegen 17:00/18:00 Uhr ausklingen, sodass jeder seine Wohnstatt zeitgerecht wieder erreichen kann. Liebe Heimatfreunde, es ist wichtig sich anzumelden. Nur so ist es möglich, die Abläufe, die Raumgestaltung und das Essen zu organisieren. Die schriftliche Antwort wird bis zum 29. April 2017 erbeten an: Werner Bartsch, Hegerskamp 135, 48155 Münster. Machts ock baale, Koartla kääfa, Markla druuf on dam Bartsch Werner zuschecka. Ferr die Pünktlichkeit mecht mer ons schunn hoite bedanka. Eine Rückmeldekarte wurde nicht eingefügt, um Platz für die Vielzahl von weiteren Beiträgen im Weihnachtsbrief zu ermöglichen. Für die Heimatgemeinschaft Falkenhain/Neuwilmsdorf ergeht – wie üblich – noch eine gesonderte Mitteilung. Anreise: Kfz: Autobahn A2 (Berlin-Hannover-Herford bzw. Kamener Kreuz-BielefeldHerford) oder Autobahn A30 (Osnabrück, auch von der A1-Lotter Kreuz -Herford). Bahn: Berlin-Hannover-Herford bzw. Köln-Bielefeld-Herford, sowie Osnabrück-Herford. Anreise- und Ortspläne (Parkmöglichkeiten) können bei Bedarf mit der jeweiligen Anmeldekarte angefordert werden. Für ggf. erforderliche Übernachtungswünsche wird jeder Teilnehmer selbst Sorge tragen und die Buchungen in Eigenregie veranlassen. Laabt gesond, Ihr lieba Leute, Goot behitt Euch oallezeit! Denkt oa onse liebe Häämte, wenn`r aa wuu oandersch seid.

Denkt oa onse liebe Häämte Die ei weiter Ferne leit; bleit ock oalle ei Goots Noama, Goot behitt Euch oalle Zeit!

Wir sehen uns in Herford, gute Anreise!

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Erinnerungen Erinnerungen sind wie Rosen im Winter Schwester Ursula Bittner, Falkenhain – Paderborn Auf dem „Hohen Kasten“ (1795 m) und der „Ebenalp“ (1644 m) – Berge im Appenzeller Land/CH – entdeckte ich auf einer Wanderung „Glatzer Rosen“. Sie standen dort vereinzelt am Abhang zwischen Felsgestein und Gras. Sofort stiegen Erinnerungen an die Kindheit auf, wo ich in Gedanken gelbblühende Wiesen sah. Das ist sicher der Grund, dass diese Blume ins Wappenzeichen der Grafschaft Glatz aufgenommen wurde. Die „Trollblume“, so lautet der botanische Name, hat die Besonderheit, dass sich die Blütenblätter nach innen wölben und so kleine Kugeln bilden, in deren Öffnungen sich gern Insekten verkriechen, um dort ihre Eier in geschütztem Raum abzulegen. Die Blütezeit ist zwischen Mai und Juli. Sie wurzelt in feuchtem Boden und wächst auf Bergen bis 3000 m Höhe. Inzwischen steht sie auf der Liste der gefährdeten Pflanzen. Für mich waren die entdeckten „Glatzer Rosen“ eine schöne Erinnerung an die Heimat in Falkenhain. Die Fähigkeit, sich an etwas erinnern zu können, ist für mich ein Geschenk Gottes. Bei aller realen Auseinandersetzung mit der Gegenwart sind sie wie eine Brücke in verlebte Lebenszeiten oder „wie Rosen im Winter“; so sagt es ein Sprichwort. Dieser besonderen Gabe Gottes sollte man sich immer einmal bewusst werden und ihm dafür danken. Mit freundlichen Grüßen von

Sr. Ursula Bittner

eingesandt von Werner Bartsch, Falkenhain, Kreis Glatz– Münster

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Die Völkel-Schmiede in Altheide Wilhelm Franke † Manch einer von uns alten Altheidern wird wohl von der Existenz der Völkel-Schmiede auf der Weistritzstraße kaum etwas gemerkt oder gar gewusst haben, denn die Schmiedewerkstatt befand sich etwas verborgen hinter dem Wohnhaus der Familie Völkel. Trotzdem konnte man bei günstigem Wind den silberhellen Klang der Schmiedehämmer bis oben auf der Marienhöhe vernehmen. Von unserer Wohnung im Hause Völkel, neben der Schmiedewerkstatt, konnte ich das rege Leben und Treiben vor der Schmiede schon als Kleinkind beobachten. Es kam auch vor, dass an manchen Tagen gleich mehrere Kunden mit ihren Pferden auf den Hufbeschlag im Hofe warteten. Schon als kleiner Junge fand ich das Beschlagen der Pferde hochinteressant, und war manchmal kaum vom Fenster weg zu kriegen. Mich beeindruckten vor allen Dingen die großen Kaltblutpferde (Ackergäule), die in stoischer Gelassenheit die Dinge erwarteten, die auf sie zukamen. All diese Eindrücke der frühen Kindheit lassen mich bis jetzt im hohen Alter nicht los, sodass es mich drängt, sie bildlich wiederzugeben.

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Ein Haus in Falkenhain – Janowetz Werner Bartsch Wenn man den Weg von Bad Altheide nach Falkenhain und weiter zum Missionshaus „Christus Rex“ erwanderte, dann begegnete man zwangsläufig einem einfachen Haus, dem Haus der Familie Janowetz (früher Falkenhain Nr.110). Sofort werden bei vielen des Weges ziehenden Menschen Gedanken geweckt, die man vergessen, zumindest aber verdrängt hatte.

Haus Janowetz in Falkenhain Foto von Ursula Jensch / Weniger

Der Enkel Hans Joachim Weniger kann sich noch an seinen Opa erinnern und berichtet: Mein Großvater Franz Janowetz hatte seinerzeit in Münsterberg den Schneiderberuf erlernt. Dort war auch der Bruder meiner „späteren“ Großmutter (Anna Gauglitz) im gleichen Beruf tätig. Diese beiden Schneidergesellen haben sich seinerzeit sehr gut verstanden. So kam es, dass mein Großvater, der eigentlich nach Wien wollte, durch den guten Freund überzeugt wurde, doch erst einmal mit nach Falkenhain zu kommen. Der Vater meiner Großmutter – ebenfalls Schneider – bot meinem Großvater an, doch bei ihm einige Zeit zu arbeiten. So lernte Franz Janowetz die Tochter des Hauses, Anna, kennen und lieben, die er dann auch ehelichte. Der Vater von Anna Gauglitz, also mein Urgroßvater, nahm einiges Geld in die Hand und kaufte den Kindern ein Anwesen in Falkenhain (früher Neufalkenhain) mit 15 Morgen Land und 5 Morgen Wald. Zwischenzeitlich war auch die Einbürgerung – eigentlich war er ja Österreicher – als Preußischer Staatsbürger vollzogen worden. Die nebenstehende Urkunde zeigt diesen Verwaltungsakt. Der ehemalige Nachbar, Wolfgang Bartsch (Falkenhain 116, Jahrgang 1930) weiß zu berichten: Das Haus Janowetz (Falkenhain 110) war ein einfaches, wohl eingerichtetes Haus, hatte eine große Stube, in welcher die Küche, das Wohnzimmer und die Schneiderstube untergebracht waren. Die Familie Janowetz war eine stets freundliche, sehr christlich geprägte Familie. Das zeigt sich u.a. auch darin, dass eine sehr starke Verbundenheit zum Missionshaus „Christus Rex“, Pater Bonaventura Böcker, gepflegt wurde. Nicht nur die 28

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Die EinbĂźrgerungsurkunde fĂźr Franz Janowetz vom 17. Mai 1906


Sakramente standen hier im Vordergrund, auch Aufgaben, wie die Wäsche der Missionsschule und der Patres, der jeweilige Blumenschmuck und allerlei alltägliche Hilfen wurden von dieser frommen Familie uneigennützig erbracht. Franz Janowetz war ein allseits bekannter, für gute Arbeiten geschätzter Schneidermeister, der neben den Menschen aus der Gegend, auch Kurgäste aus dem nahen Bad Altheide (insbesondere Pelzmäntel) zu bedienen wusste. Kunden waren zusätzlich Lage des Hauses Janowetz auch Angehörige des Militärs, z.B. aus Glatz. Insbesondere für die Kinder war es eine Augenweide, die schmucken Uniformen bewundern zu dürfen und ab und an fielen dann auch schon mal Uniformteile oder gar ein Stern ab. Das war natürlich das Größte. Die Familie betrieb zusätzlich eine mittlere Landwirtschaft. Aufgrund der vielschichtigen Aufgabenbereiche dieser beliebten Familie war stets die deutlich gepflegte, gute, freundliche Nachbarschaft mit entsprechender Hilfe erforderlich. Für die umliegenden Familien, so weiß man noch heute zu berichten, wurde der Dreschtag mit großem Erntedank begangen. Das war stets ein großes Ereignis und ein Fest für diesen Nachbarschaftsbereich in Falkenhain. Den Eheleuten wurde ein reicher Kindersegen beschert. An die Hochzeit der jüngsten Tochter Rosa mit dem Bahnbeamten Heinrich Weniger kann sich Wolfgang Bartsch noch sehr gut erinnern. Die Fahrt zur Kirche seinerzeit wurde mit dem ortsbekannten Unternehmer „Teuber Maxe“ durchgeführt, der auch später in Herford wieder ein Fuhrgeschäft aufgebaut hat. Wolfgang Bartsch weiß noch, wie er mit dem Nachbarskind Gröger Lisbeth (heute Elisabeth Grella) vor dem Haus seiner Eltern stand und kleine Geschenke entgegennehmen durfte. Wolfgang Bartsch betont ausdrücklich, dass man nur Gutes über die Familie Janowetz zu berichten weiß. Ein weiterer ehemaliger Nachbar, Johannes Kliem – siehe auch WB, Ausgabe 17, 2013, Seite 34 – kann sich noch gut an das Haus und Familie Janowetz 30

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erinnern. Die Familie Kliem, der Vater war Studienrat und Mathematiker aus Breslau, hatte in Falkenhain in unmittelbarer Nachbarschaft ein Sommerhaus erworben. Johannes Kliem berichtet, dass bei Janowetz immer Milch und Butter geholt wurden. Es war ein sehr sauberes Haus, dass trotz des bescheidenen Lebens der Familie Janowetz stets in einem äußerst gepflegten Zustand war. Im Haus selbst waren Holzdielen verlegt, die mit weißem Sand bestreut wurden. Bei Janowetz konnte man stets auf den Hof kommen, man lernte so u.a. die Aufgaben in der Landwirtschaft kennen. Zudem war man dort doch auch um jede kleine Hilfe dankbar, insbesondere wenn es in den Ernteeinsatz ging. Das war für die Kinder jedes Mal ein Erlebnis, wurde man doch gleichzeitig in die verschiedensten Geräte einer Bauerschaft eingewiesen. Plöger (Kornausblasmaschine) und Heiliger (Baum zum Abspannen der Heuwagen) waren z.B. plötzlich keine Fremdworte mehr. Stets konnte der „alte“ Janowetz gefragt werden und man lernte gerade als Kind spannende Gegebenheiten aus dem alltäglichen Leben kennen. Johannes Kliem weiß noch zu berichten, dass auf dem Acker Köhlerspuren – tiefschwarze Erde – zu erkennen waren. Im Hause Kliem wurde ausschließlich nur Gutes über diese allseits geachtete Familie gesprochen. Man war froh gewesen, diese so liebenswerte Familie zum Nachbarn zu haben.

Mein Schulweg Friedrich Goebel Mein Schulweg war am Morgen eher langweilig. Allein das Wecken aus tiefem Schlaf behagte mir nicht. Schnell anziehen und ein ebenso schnelles Frühstücken folgte. Dann rasch in den Mantel, kurze Tornisterkontrolle und dann ab in die Schule. 25 Minuten Weg hatte ich zu bewältigen, meist wurde der Weg mit einem Dauerlauf begonnen. Bei jedem Schritt rappelte und polterte es im Tornister. Auf halbem Wege tauchten aus den Nebenstraßen weitere Schüler auf. Natürlich schloss man sich den Klassenkameraden an und nun ging es gemeinsam Richtung Schule. Im Winter, der bei uns in der Regel mindestens 4 Monate dauerte, wurde natürlich „gekaschelt", der Weg wurde zur Rutschbahn. Den Erwachsenen passte unser Verhalten natürlich nicht. Aber wir hatten viel Freude und Spaß. Mit roten Nasen kamen wir dann in der Schule an und freuten uns, wenn unsere Lehrer nicht gleich nach dem Klingeln die Klasse betraten. Das Gegröle in den Klassen war unüberhörbar. Erst, wenn die Tür durch den Lehrer geöffnet wurde, verstummte alles und es wurde plötzlich mucksmäuschenstill. Der Unterricht begann. Der Nachhauseweg war schon sehr viel länger. Da wurde doch immer getrödelt. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Dass Mutter das Essen zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig hatte und auch auf dem Tisch stand, interessierte uns dabei wenig. An jeder Ecke wurde erst mal gestoppt und über die vergangenen Stunden gesprochen. Kein Lehrer wurde dabei mit Kritik verschont. Wenn im Sommer die Sonne schon wärmte, war kein Vorbeikommen beim Eismann Veit. Da wurde erst für einen Sechser Eis in Empfang genommen. Wer keinen Sechser in der Tasche hatte, da half einfach ein Freund aus. Natürlich ging man immer klassenweise, das machte doch mehr Spaß. Kaum war das Eis verzehrt, lockte uns der Sprudel. Am Kurhaus (Wandelhalle) war rückseitig ein Brunnen angebracht. Aus dem Kran kam unentwegt der kohlensäurehaltige und eisenhaltige Mineralbrunnen. Der Durst durch das Eis wurde dort erst mal gelöscht. Aber dann musste man schon Acht geben: Schnell war der Finger unter dem Kran und der Sprudel spritzte weit in der Gegend herum. Für uns war diese Stelle immer ein größerer und längerer Aufenthalt. Dabei wurden unsere Klamotten ganz schön nass. Natürlich waren der Brunnenrand und die Umgebung richtig nass geworden. Wenn Erwachsene kamen, standen wir stets unschuldig herum, aber manchmal mussten wir auch vorzeitig weitergehen. Schon nach 300 Metern kam der nächste Eismann: eine einachsige Eiskarre mit zwei silberfarbig glänzenden Deckeln. Unsere Faszination fand keine Grenzen, jedoch wer hatte jetzt noch Geld übrig? Also marschierten wir mit sehnsüchtigen Blicken daran vorbei. Dann mussten wir zwei Weistritz-Brücken überqueren. Dort lümmelten wir uns erst mal über das Geländer und starrten auf das plätschernde Wasser. Ab und zu husche mal eine Forelle vorbei auf der Suche nach einem schattigen Platz. Normalerweise war das Wasser nicht tief, das Wasser rauschte von Stein zu Stein. Jeden einzelnen Kieselstein konnte man sehen, so schön sauber war der Fluss. Nach der Schneeschmelze jedoch floss eine braune Brühe entlang der Straße, mit beachtlicher Geschwindigkeit. Langsam wurden wir immer weniger Kinder, fast in jeder Seitenstraße bog einer der Schüler ab. Manchmal wurden auch Zeiten für den Nachmittag vereinbart. Dann ging es über den Straßenstern Richtung Bahnhofstraße. Das Überqueren der Straße war ja kein Problem, denn: wann kam schon mal ein Auto? Häufiger begegnete man schon Fuhrwerken. Jetzt musste ich meist schon allein gehen. Doch rechts vor der Post bellte mich der Schäferhund schon an. Ich glaube, er wartete schon auf mich, denn ich war ja kein Unbekannter. Natürlich haben wir den Hund auch immer etwas geärgert. Ich war ja auf der sicheren Seite und der Hund konnte nicht aus seinem Bereich. Das machte mich schon stark! In den wenigen Sommerwochen mussten wir barfuß zur Schule gehen. Am frühen Morgen war es dann noch kalt und ohne Schuhe nicht so angenehm. 32

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Glasscherben auf den Wegen kannte man ja nicht, so war das Laufen problemlos. 500 Meter vor der Schule endete jedoch der mit Platten ausgelegte Bürgersteig. Ein Schlackenweg begleitete uns bis zur Schule. Da konnte ich immer kaum laufen, vor allem, wenn mal wieder neue Schlacke aufgeschüttet wurde. Dann krampfte man die Sohlen zusammen, um möglichst geringe Angriffsflächen zu haben. Es kam sehr selten vor, dass ich strahlend die Schule verlassen habe. Kaum hatte ich das Schulgebäude verlassen, erblickte ich meinen Vater. Er holte mich mit dem Auto ab. Neidvolle Blicke trafen mich und stolz stieg ich in das Auto und wir brausten davon. Dann war ich zwar pünktlich bei Muttern, aber die Frage: wie war es in der Schule, blieb nicht aus. Die normale Frage war doch: wo bist Du wieder so lange geblieben? Das Essen ist längst kalt. Darauf gab es ja kaum eine Antwort. So war der Weg nach der Schule immer aufregend und nie langweilig geworden.

Die Jugend Altheides beim Baden an der Weistritz unterhalb der Sommerrodelbahn im August 2016. Ähnlich wird es auch zu deutscher Zeit gewesen sein!

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Meine Volksschulzeit in Altheide Bad Wolfgang Grosser Beim Lesen des letzten Altheider Weihnachtsbriefes sind in mir wieder viele Erinnerungen an meine Kindheit in Altheide aufgestiegen. Dabei ist mir auch mein altes Zeugnisheft der Volksschule Altheide-Bad in den Sinn gekommen. Und so ist schließlich der Gedanke in mir gereift, für den nächsten Weihnachtsbrief einen Artikel über meine Volksschulzeit zu verfassen.

Das linke Gebäude an der Straße ist die alte Schule, die zu Deutscher Zeit schon Lehrerwohnung war (Rektor Krause und Lehrer Günther). Das Gebäude rechts ist das Schulgebäude. Zwischen beiden liegt der Toilettentrakt und der Pausenhof. Das Haus im Vordergrund ist die Villa Caecilia.

Unter den Gegenständen, die ich 1946 als knapp 17-Jähriger bei der Vertreibung aus Altheide in mein Gepäck gepackt habe, befanden sich u.a. auch meine Zeugnisse aus meiner Volksschulzeit in Altheide (1935 bis 1939), aus meiner Zeit an der Graf-Götzen-Oberschule in Glatz (1939 bis 1942) und aus meiner Zeit an der Oberschule am Zwinger in Breslau (1942 bis 1944). Ich habe diese Zeugnisse in der Vergangenheit immer wieder einmal in die Hand bekommen. Vor ein paar Jahren habe ich mich dann entschlossen, diese Zeugnisse – und verschiedene andere Dokumente – der Stiftung Grafschaft Glatz/Schlesien in Lüdenscheid zu übergeben, weil sie dort − langfristig gesehen – am besten aufgehoben sind. Als ich dann an die Ausarbeitung dieses Berichts heranging, musste ich 34

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daher mein Zeugnisheft von der genannten Stiftung vorübergehend zurückerbitten, um die nachstehend wiedergegebenen Auszüge aus dem Zeugnisheft reproduzieren zu können. Für diese Unterstützung durch die Stiftung Grafschaft Glatz/ Schlesien darf ich mich auch an dieser Stelle vielmals bedanken. Ich wurde 1929 geboren, zwar nicht in Altheide, sondern in Bad Reinerz. Der Grund war, dass es in Altheide kein Krankenhaus gab und meine Mutter deshalb zu den Entbindungen jeweils in das Elisabeth-Krankenhaus in Reinerz fuhr. Gewohnt hat unsere Familie zunächst von 1928 bis 1934 in der Villa Emma, einem Haus meines Großvaters Johann Koeppe, an der Heuscheuerstraße, direkt am Kurpark, neben der „Herbertsruh“ und der alten Kapelle. 1934 sind wir dann ins Postamt Altheide-Bad gezogen, wo mein Vater inzwischen Postmeister geworden war. Als ich 1935 eingeschult wurde, hatte ich also einen ziemlich weiten Schulweg: Die Bahnhofstraße bis zum Straßenstern, am Kino und am Tyroler Hof vorbei und an der Weistritz entlang bis zur Wandelhalle/Helenenbad, an den Häusern meines Großvaters vorbei (Silberquelle, Darmstadt, Emma) und schließlich – dem Linksbogen der Heuscheuerstraße folgend – am Feuerwehrhaus und am Brunnenversand vorbei bis hin zu unserer Schule. Meine frühesten Erinnerungen an die Schule sind etwas schemenhaft. Sie werden aber gestützt durch das von mir gerettete Zeugnisheft. Einige Auszüge daraus sind im Folgenden abgedruckt. Unsere Schule trug − wie das Zeugnisheft ausweist − bei meinem Schulantritt den Namen „Katholische Volksschule Altheide-Bad. Aufgenommen in diese Schule wurde ich am 1. April 1935. Herr Krause war – lt. Zeugnisheft – zu jener Zeit noch nicht Rektor, sondern kommissarischer Schulleiter. Seine Unterschrift war noch klar lesbar (in deutscher Schrift), im Gegensatz zu seiner später bekannten eckigen Schreibweise in lateinischer Schrift. Und schon damals wurde ein Schulstempel mit dem Hakenkreuz verwendet. Das Schuljahr lief in dieser Zeit Altheider Weihnachtsbrief 2016

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von Ostern bis Ostern. Es gab eine strenge Schulordnung, die das Lehrerkollegium am 1. April 1932 unter der Überschrift „An die Eltern“ erlassen hatte. Der Wortlaut war dem Zeugnisheft vorangestellt. Wir lesen dort unter anderem: „Erforderlich ist, daß die Eltern die Kinder zu regelmäßigem Schulbesuche, zu sorgfältiger Anfertigung der Schularbeiten und zu Ehrerbietung und Gehorsam gegen Vorgesetzte anhalten, und daß sie alles vermeiden, was die erziehliche Arbeit der Schule schädigen könnte.......... Wird die Schule ohne genügenden Grund versäumt, so werden die Erziehungsberechtigten für jeden Tag mit einer Geldstrafe belegt und, falls die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, mit entsprechender Haft bestraft..........Die Eltern haben dafür zu sorgen, daß die Kinder reingewaschen, mit gepflegtem Haar, in sauberem, nicht zerrissenem Anzuge in der Schule erscheinen. Verlauste Kinder werden vom Unterrichte zurückgewiesen.“ In meiner frühkindlichen Erinnerung sehe ich mich mit meiner Mutter bei der Schulanmeldung. Damals (oder war es erst in den ersten Schultagen?) wurden wir Kinder gesundheitlich untersucht: Wiegen, Messen, Abhören der Lunge, Mund- und Zahnkontrolle, Betrachten der Füße nach Senk- und Spreizfuß und dergleichen mehr. Alles war sehr merkwürdig! Die ersten Tage wurde ich von meiner Mutter oder unserem „Dienstmädchen“ zur Schule gebracht. Dann musste ich den weiten Weg allein zurück-

Wolfgang Grosser am ersten Schultag Altheider Weihnachtsbrief 2016

Werni Hirschberg am ersten Schultag

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legen. Der Ablauf des ersten Schultages selbst ist mir nicht in Erinnerung geblieben. Es existiert aber noch ein Foto, das mich am ersten Schultag (im großen Garten des Postamts) mit Tornister und Brottasche zeigt. Wie man sieht, hatte ich keine Schultüte. Nur wenige Kinder besaßen damals eine Schultüte, so etwa unser Klassenkamerad Werner (Werni) Hirschberg. Offenbar habe ich mich in den Schulbetrieb schnell und komplikationslos eingewöhnt. Hilfreich war dabei wohl, dass ich schon im Vorschulalter in der “Spielschule” der Hedwigschwestern im Waisenhaus gewesen war und dort den Umgang mit anderen Kindern gelernt hatte. Wenn ich mich recht erinnere, saßen wir Jungen und Mädchen in der Klasse in getrennten Blöcken. Ich wurde mit Jochel Lesk, dem Sohn unseres Klassenlehrers Hugo Lesk, auf eine Bank gesetzt. Und so haben wir beide uns früh angefreundet. Ja, noch heute denke ich mit großer Hochachtung und Dankbarkeit an Lehrer Lesk zurück. Ich bin überzeugt, dass er entscheidende Grundlagen für meine Entwicklung gelegt hat. Er besaß großes pädagogisches Ge- Unser Klassenlehrer Hugo Lesk schick, eine natürliche Autorität, die nötige Strenge, die auch ich gelegentlich zu spüren bekommen habe, aber auch einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn und eine verständnisvolle Haltung, um den Kindern bei der Bewältigung ihrer Schwächen zu helfen – kurzum: Herr Lesk war der ideale Lehrer. Ich hatte als Freund von Jochel Lesk das Vergnügen, auch öfter im Hause Lesk ein- und auszugehen. Familie Lesk bewohnte die Erdgeschoßwohnung des Pfarrhauses, des Hauses Caritas. Wir haben dort oft gemeinsam gespielt, Geburtstag gefeiert und auch einigen Unsinn getrieben. Manchmal bekamen wir zu hören: „Denkt an den Pfarrer Taubitz!“ Gelegentlich durfte ich Herrn Lesk, der ja auch Kantor und Organist war, beim Orgelspielen zusehen und den Blasebalg treten. Wann immer es ging, haben wir Jungs auch die Kirchenglocken geläutet. Ein besonderer Spaß dabei war immer das Abbremsen der Glocken, weil man sich dann mit dem LäuteSeil so schön in die Höhe reißen lassen konnte. Und oft sind wir Jungs auch bis 42

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in den Glockenstuhl hinaufgestiegen − zu einer Zeit, als noch alle vier Glocken („Paulus“, „Franziskus“, „Maria“ und „Josef“) im Turm hingen. In der Schule hat mir Herr Lesk nichts geschenkt. Wenn nötig, wurde ich zurechtgewiesen und bekam auch mal eine Tracht Prügel. Ich habe das zwar als unangenehm, aber nie als ungerecht empfunden. Herr Lesk verstand es überhaupt, sich in die Schüler hineinzuversetzen. Ich sehe noch, wie er uns nach und nach die ersten Buchstaben an die Tafel schrieb, beginnend mit dem „kleinen i“ und mit den Worten: „auf – ab – auf, Strichlein drauf“. Auch an das Lesen und das Rechnen hat er uns mit viel Einfühlungsgefühl herangeführt. Und er hat uns Kindern über manch peinliche Situation hinweggeholfen. Als wir einmal als Hausaufgabe das Malen eines großen bunten Ostereies aufbekommen haben und ich mein ziemlich missglücktes Werk vor Scham gar nicht vorzeigen wollte, hat mich Herr Lesk mit den Worten getröstet: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Gern haben wir auch mit Herrn Lesk gesungen. Besonderen Spaß hat es mir dabei gemacht, wenn Herr Lesk vor einem Lied zunächst die Stimmgabel angeschlagen hat. Oft geschah es, dass er zu diesem Zweck die Stimmgabel an den Kopf des nächstsitzenden Schülers schnippte. Sehr spannend hat uns Lehrer Lesk auch an die Heimatkunde herangeführt, so wenn er uns etwa von der Entwicklung Altheides, vom Quellgebiet der Weistritz, von den Seefeldern und von den dort wachsenden „Fleischfressenden Pflanzen“ erzählt hat. Manchmal haben wir in einem abgedunkelten Raum irgendwelche Lehrfilme zu sehen bekommen. Gelegentlich kamen auch Schausteller in unsere Schule. Ich erinnere mich an einen Glasbläser, der über einer heißen Gasflamme Glas verformte, und an einen Tierpfleger, der Schlangen, Äffchen und andere Tiere vorführte. Etwas ganz Besonderes war es, als unsere gesamte Klasse eines Tages die Glashütte und die Schleiferei der Firma Wittwer besichtigen durfte. Auch ist mir noch folgende Episode im Gedächtnis geblieben: Es muss wohl im 4. Schuljahr gewesen sein, als uns Lehrer Lesk zusätzlich zur deutschen Schrift die lateinische Schrift beigebracht hat. Zu Beginn sagte er in etwa: „Jetzt müssen ganz besonders diejenigen aufpassen, die nach Glatz zur Höheren Schule wollen! Denn Englisch und Latein werden in einer ganz anderen Schrift geschrieben.“ An die sonstigen Lehrer der Volksschule Altheide-Bad habe ich nur noch sehr schwache Erinnerungen. Zum Lehrerkollegium gehörten wohl zu meiner Zeit neben Lehrer Lesk noch: - Rektor Conrad Krause - Lehrer Paul Herrmann Altheider Weihnachtsbrief 2016

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- Lehrer Steuer - Lehrer Josef Günther - Lehrer Tschierschke - Lehrer Georg Müller - Lehrer Paul Andraczek - Lehrerin „Fräulein” Dittrich - Lehrerin „Fräulein” Strauch Von diesen Lehrern weiß ich – außer von Herrn Andraczek – eigentlich nichts zu berichten. Wir hatten mit diesen Lehrern bzw. Lehrerinnen kaum Berührung und haben sie allenfalls in Vertretungsstunden erlebt. Einige von ihnen erschienen freilich – auch das muss leider angeführt werden – gelegentlich in Uniform zum Unterricht. Herrn Andraczek kannte ich deshalb etwas näher, weil er im Haus Emma, einem Haus meines Großvaters Johann Koeppe, mit Frau und Tochter zur Miete wohnte. Er war schon etwas älter und wohl aus Oberschlesien nach Altheide gezogen. Herr Andraczek war im zweiten Halbjahr 1938 (während einer längeren Erkrankung von Lehrer Lesk) unser Stellvertretender Klassenlehrer. Mein Herbstzeugnis des Jahres 1938 trägt seine Unterschrift. Ich hatte mit Herrn Andraczek keine Probleme, weiß aber aus späteren Erzählungen früherer Klassenkameraden, dass er ausgiebig vom Rohrstock Gebrauch gemacht hat. Ja, was wäre meine Schule ohne meine Mitschüler gewesen! Ich bin überrascht, dass ich noch heute – nach rund 80 Jahren – noch so viele Klassenkameraden und Klassenkameradinnen im Gedächtnis habe. Wie bereits erwähnt, waren wir in den ersten vier Schuljahren eine gemischte Klasse von Jungen und Mädchen. Zu den Jungen zählten u.a.: - Klaus Adamek (ältester Sohn des Altheider Sportlehrers Adamek; er ist bereits im 2. oder 3. Schuljahr gestorben) - Günther Beer - Günter Chudowski - Armin Drott (nur zeitweilig − nur während der Jahre, in denen seine Mutter die Fremdenpension Silberquelle von meinem Großvater gepachtet hatte) - Benno Elsner - Günther Gerlach („Bübchen“ genannt; sein Vater besaß Taxiunternehmen) - Rudi Hillmann (Gasthaus zum Höllental; neben Georg Wenzel und Ilse Gernert der beste Schüler unserer Klasse) - Werner (Werni) Hirschberg (Sohn des jüdischen Badearztes Dr. Josef Hirschberg; wohnhaft im Haus Elsa; mit seinen Eltern und seiner Schwester Ende 1935 nach Chile emigriert) 44

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- Walter Hollunder - Götz Ihmann (nur zeitweilig; stammte aus Breslau; war später nochmals mein Mitschüler in der Oberschule am Zwinger in Breslau) - Kinne - Joachim (Jochel) Lesk - Günter Matauschek - Gerhard Müller (Welzelweg; später Arzt in Rostock) - Pfeiffer (Hofefelder) - Hans Postler (Badegut) - Karl Proschek - Rudi Scholz (Neuheide) - Seidelmann (Stiftelfabrik) - Horst Stejskal - Georg Teuber - Wolfgang Uhlich (Haus Badewäldchen) - Georg (Jorg) Wenzel (unser hochgeschätzter Chronist und Sprecher von Altheide; einst Klassenbester) - Erwin Wenzel (zeitweilig; Sohn des Fleischermeisters Richard Wenzel, Weistritzstraße; Cousin von Wenzel Jorg) - Günther Werner (Hofefelder) - Joachim (Jochel) Werner (Wittigheim; Sohn des Telegrafenwerkführers Bruno Werner) - Herbert Zylla (Sohn des Klempners Josef Zylla; Bahnhofstraße) Mit Jochel Lesk, Jochel Werner, Armin Drott und Gerhard Müller war ich näher befreundet. Auch mit Herbert Zylla, der nicht weit vom Postamt entfernt wohnte, habe ich öfter gespielt (vor allem „Mensch Ärgere dich nicht“). Von den Mädchen in unserer Klasse fallen mir nicht ganz so viele Namen ein. Auf jeden Fall zählten aber zu meinen Klassenkameradinnen: - Elisabeth Annemüller - Ursula Grabmüller (Tochter der Hebamme Grabmüller; Höllentalstraße) - Ilse Gernert (Tochter des Kaufmanns Benno Gernert; Neuheide; Klassenbeste) - Mareile Haase (zeitweilig; verwandt mit Kommerzienrat Dr. Georg Haase, dem Ehrenbürger von Altheide und Hauptaktionär der Altheide Bad AG) - Eva Krause (Tochter des Rektors unserer Schule) - Christa Kruschewski (Haus Karlshöhe) - Ruth Langer (Tochter des Bücherrevisors Richard Langer; Am Schaarberg) - Barbara Liebig (Tochter des Schuhhändlers Erich Liebig im Haus Erholung) - Anneliese (Annelie) Russ (Haus Roseneck) Altheider Weihnachtsbrief 2016

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- Edith Sagan (Vater war Polizeibeamter) - Ruth Schippan (zeitweilig; Tochter des Postsekretärs Heinrich Schippan; Postheimstätte) - Erna Tschöke (Tochter des Badetechnikers Josef Tschöke; jetzt als Erna Biegus noch in Altheide/Polanica lebend; unsere treue Repräsentantin in der alten Heimat) - Inge Watzek (Tochter des Malermeisters Watzek; Haus Aschenbrödel, Höllentalstraße) - Eleonore (Ite) Wittwer (Tochter des Glasfabrikanten Alfons Wittwer; Höllentalstraße) Einige meiner Mitschüler kann ich sogar im Bild präsentieren. Ich verdanke die beiden Bilder einer Tante aus Breslau. Es muss im ersten Schuljahr im Sommer 1935 gewesen sein, als diese Tante für einige Tage bei uns zu Besuch war. Sie besaß einen Fotoapparat (eine einfache „Box“) und sagte mir, dass sie am nächsten Tag zur Großen Pause zu unserer Schule kommen wollte, um mich zu fotografieren. Als ich dies in der Klasse erzählte, fanden sich prompt einige Mitschüler ein, um vor oder auf dem Schulzaun zu posieren. Das Ergebnis waren diese Bilder:

Pausenbild 1935: vor dem Zaun (v.l.): Günther Gerlach, Günther Beer, Wolfgang Grosser, Karl Proschek, Seidelmann, Pfeiffer hinter dem Zaun (v.l.): N.N., Werni Hirschberg, Walter Hollunder

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Pausenbild 1935: 3. v.l.: Armin Drott, 2. v.r.: Wolfgang Grosser

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Auf einem weiteren erhalten gebliebenen Foto, das allerdings erst kurz nach meiner Volksschulzeit entstanden sein dürfte und das eine Schar von Altheider Ministranten zusammen mit dem allseits beliebten Pater Engelbert zeigt, sind ebenfalls drei Knaben unseres Schuljahrgangs zu sehen: Georg Wenzel („Wenzel Jorg“), Jochel Lesk und Wolfgang Grosser.

Klassenkameraden als Ministranten:

Während ich obere Reihe v.l.: Wenzel Jorg, Schiller, N.N., Jochel Lesk, Lerch; dies alles zu Pa- Gerhard untere Reihe v.l.: Wolfgang Grosser, Klaus Langer, Pater Enpier bringe, fallen gelbert, Hubertus Grosser, Winkler mir immer neue Einzelheiten ein. Ich will wenigstens einige noch kurz festhalten, weil sie vielleicht auch bei dem einen oder anderen Leser dieses Weihnachtsbriefes Erinnerungen wachrufen. Besonders muss ich natürlich an meinen täglichen Schulweg denken. Er war zwar lang, aber abwechslungsreich. Unterwegs traf man immer Mitschüler oder Mitschülerinnen. Am Kino betrachtete man die Kinoaushänge, beim benachbarten Bäcker Beinlich kauften wir uns (auf dem Rückweg) manchmal für 5 Pfennige Kuchenrandstücke. Vor dem Feinkostgeschäft Thaler lockten die frischen Früchte, daneben im Andenkengeschäft Tautz konnte man die vielen Auslagen bewundern. Und stand der Eismann Veit mit seiner Karre da, war ab und an ein Eis (zu 5 oder zu 10 Pfennigen) drin. Im Schaufenster des Kolonialwarengeschäfts Bittner konnte man gelegentlich bestaunen und auch riechen, wie in der großen Röstmaschine die grünen Kaffeebohnen geröstet wurden. Wenn die Zeit reichte, machte man einen „Seitensprung“ auf die Magdabrücke und freute sich über das Wasser, das über das Wehr herunterschoss. Und dann das Sprudelbecken an der Straßenseite der Wandelhalle! Es gab praktisch keinen Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Tag, an dem man nicht sowohl auf dem Hinweg als auch auf dem Rückweg den köstlichen Sprudel genoss, der aus dem Löwenmaul des Wasserbeckens herausströmte. Und dann, ab und an auf dem Rückweg, ein Besuch beim Großvater in der Villa Emma. Es gab auch Überraschungen: eines Tages bekam die Heuscheuerstraße, die sich lange Zeit in keinem guten Zustand befunden hatte, eine neue Teerdecke. Solch eine Dampfwalze hatte man ja noch nie gesehen! Umso mehr fielen dann die Pferdeäpfel auf, die von den Pferden der vielen Kutschen in Altheide fallen gelassen wurden. Und dann konnte man das „Raaschla“ oder auch andere Leute beobachten, wie sie die Pferdeäpfel als willkommenen Dünger für ihren Garten auffegten. Besonders gut fing ein Schultag an, wenn man am frühen Morgen bei den Borromäerinnen in der Atmosphäre der anheimelnden Hauskapelle des Luitgardisheims dem pensionierten Erzpriester Berndt als Ministrant dienen konnte, um anschließend, bevor es zur Schule weiterging, in der Küche der Schwestern mit einem guten Frühstück mit frischen Brötchen und Wurst verwöhnt zu werden. Und auch von diesem Ereignis muss ich berichten: Auf dem Weg zur Schule wurde ich – als Sechs- oder Siebenjähriger – von Ruth Langer darüber aufgeklärt, dass es keinen Osterhasen gibt. Dies hat mich fast umgehauen! Ja, was hatte ich für eine schöne Kindheit und was für eine unbeschwerte Schulzeit in meiner Schule in Altheide! Und wieder bestätigt sich die alte Weisheit, die schon Jean Paul, der Zeitgenosse Goethes, ausgesprochen hat: Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.

Wie Langenbrück zur Außenstelle von Bad Altheide wurde Ludwig Ardelt Meine Eltern bewirtschafteten in Langenbrück im Erlitztal „Ardelt´s Gasthaus zur Eliasquelle“. Wir hatten stets Sommerfrischler und auch Wintergäste in unserem Haus, meistens Stammgäste, die in jedem Jahr wiederkamen. In unserem Dorf gab es keinen Arzt. Die Langenbrücker waren wohl kerngesund. Im Notfall gingen sie auf die böhmische Seite nach Kronstadt zu Dr. Zeh, einem Praktischen Arzt, der bei Bedarf auch als Zahnarzt fungierte und Zähne zog, was ich als Kind schmerzhaft erfahren habe. Meine Mutter erzählte gerne folgende Geschichte: Anfang der 1940er Jahre 48

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rief im Sommer der Badearzt Dr. Bock aus Bad Altheide an und reservierte für seinen Urlaub „das Zimmer vom Vorjahr“ für sich und seine Gattin. Er schickte daraufhin das Urlaubsgepäck mit dem Postauto zu uns, denn den Weg von Bad Altheide nach Langenbrück legte er mit seiner Frau stets zu Fuß zurück. So kamen sie zur vereinbarten Zeit bei uns an, und der unbeschwerte Urlaub hätte eigentlich beginnen können. Doch irgend jemand in unserem Gasthaus hatte wohl nicht „dicht gehalten“ und in der Nachbarschaft sprach sich rasch herum: „Dr Dokter aus Hääde ies wieder bei Ardeltan“. Urplötzlich machten sich bei etlichen Langenbrückern Beschwerden bemerkbar, die es vorher nicht gab. Diese „Patienten“ kamen dann zu meiner Mutter und baten sie um einen Arzttermin bei Dr. Bock. Der Mutter war das immer sehr peinlich, wenn sie den Badearzt um einen Termin bitten sollte. Aber Dr. Bock wusste schon, dass die ersten zwei Tage seiner Sommerfrische dem Wohlbefinden der Langenbrücker gehörten. Er war sehr geduldig und kurierte in einem Zimmer unseres Gasthauses im Handumdrehen alle wirklichen und eingebildeten Krankheiten. Es waren wohl ohnehin nur „leichte Fälle“. Bei den Dorfleuten war Dr. Bock sehr beliebt. Wenn er und seine Frau den Urlaub dann beginnen konnten, war ganz Langenbrück wieder kerngesund. Eventuelle Rückschläge mussten dann ein Jahr auf die Behandlung warten.

Auf der Kurpromenade, Blick zum neuen Pavillon mit Sprudel-Zapfstelle, August 2016, seit jeher ein Ort der Erholung Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Erinnerungen an die Malerin Trude Rosner-Kasowski Hildegard Ahlers geb. Kulas Heute, 70 Jahre nach der Vertreibung aus der alten Heimat, wollen wir auch noch einmal an die Malerin Trude Rosner-Kasowski (1899-1970) erinnern, die seit Anfang der 30er Jahre in Buchteich bei Altheide Bad gelebt und gewirkt hat und dann mit uns allen das Schicksal der Vertreibung erleben musste. Trude Rosner-Kasowski war sehr nach Altheide Bad orientiert und so dürfen wir sie hier als eine der Unsrigen auch noch einmal in Erinnerung rufen. Trude Kasowski, geboren in Strehlen/Schlesien, kam Selbstporträt (undatiert), auf Tapete, Privatbeschon in jungen Jahren an die Kunstakademie in Breslau Rötel sitz, aus: Ausstellungskatalog 1998. und studierte dort bei namhaften Malern, u.a. bei Professor Otto Mueller, Mitglied der Künstlergemeinschaft „Die Brücke". Sie heirate einen Herrn Rosner, einen hohen Regierungsbeamten. Die Ehe war viele Jahre sehr glücklich, bis sie auf Druck der damaligen Machthaber aus ethnischen Gründen geschieden wurde. Trude Kasowski hatte wohl jüdische Vorfahren. Und so ein hoher deutscher Beamter durfte damals nicht mit jemandem verheiratet sein, der jüdische Wurzeln hatte. Trude Rosner, (wie sie hieß und sich auch nannte, mit dem Künstlernamen „Trude Rosner-Kasowski" hat sie nur ihre Bilder signiert), war seit Anfang der 30er Jahre eine gute, langjährige Freundin meiner Familie. Frau Rosner widmete sich nach der Scheidung ganz der Malerei, lebte im Sommer in Nidden/Kurische Nehrung (Ostpreußen), einer bekannten Künstlerkolonie. Im Winter zog es sie ins Schlesische Gebirge. Anfang der 30er Jahre Übersiedlung in die Grafschaft Glatz in das kleine Dorf Buchteich oberhalb von Altheide. Dort wohnte Trude Rosner bei einem Bauern, hatte eine schöne, gemütlich eingerichtete Wohnung und ein großes Atelier. Sie lebte vom Verkauf ihrer Bilder und wunderschön bemalter Holzteller, die sie gut verkaufte. Finanziell wurde sie nach wie vor von ihrem geschiedenen Mann unterstützt. Sie lebte zufrieden in ihren geliebten Bergen. In der Abgeschiedenheit des kleinen Bergdorfes hoffte sie Ruhe und Sicherheit vor der sie beängstigenden politischen Situation zu finden. Sie hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter, die sie sehr oft in Buchteich besuchte. Diese beiden intelligenten und geistreichen Frauen scharten einen kleinen intellektuellen Freundeskreis um sich. Hier werden gute Gespräche geführt und es kann auch mal ein offenes Wort über die politische Lage gesprochen werden. Bei Kriegsende und Einzug der Russen, später der Polen in 50

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die Grafschaft, wird dieser Kontakt zu den Freunden unterbrochen und verliert sich zum Teil in den Wirren der damaligen Zeit ganz. Viele gute Erinnerungen verbinden mich mit den zahlreichen Besuchen bei Trude Rosner. Der Weg dort rauf nach Buchteich war schon immer ein Erlebnis. Unterwegs sammelten wir Beeren, je nach Jahreszeit. Beim Bauern gegenüber holten wir frische Milch, das war dann immer ein köstlich erfrischender Imbiss. In ihrem großen Atelier mit mehreren Staffeleien und zahlreichen Bildern gab es immer etwas zu bestaunen. Trude Rosner war eine lebhafte, fröhliche Frau und begeisterte, großzügige Gastgeberin, man fühlte sich bei ihr wohl. Durch die Vertreibung kommt Trude Rosner zusammen mit ihrer Mutter ins Emsland, einer im Gegensatz zu der lieblichen Landschaft des Glatzer Berglandes damals doch völlig trostlose Moorlandschaft. Sie kann die Vertreibung, den Verlust der geliebten schlesischen Landschaft und auch den damit verbundenen Rückschritt in gesellschaftlicher und sozialer Stellung schwer verkraften. Aber sie malt. Freundliche Menschen stellen ihr Malutensilien zur Verfügung und sie malt und in ihren zum Teil recht düsteren Bildern kommt ihre Traurigkeit deutlich zum Ausdruck. 1947 erwirbt auch die Stadt Osnabrück ein Bild von ihr. 1955 übersiedelt Trude Rosner-Kasowski nach Dangast, einem kleinen Fischerdorf und Nordseebad am Jadebusen an der Nordseeküste. Hier hat sie das Licht, die Stimmung, die ihr als Malerin sehr entgegen kommen. Nur die Behausung in Dangast ist entsetzlich schlecht. Sicher, es herrschte damals eine kaum vorstellbare Wohnungsnot, aber so wie Trude RosnerKasowski dort leben musste, war schon menschenunwürdig. Aber hier hat sie die Landschaft, die schon viele Maler vor ihr angezogen hat, die unverwechselbare, durch Ebbe und Flut bestimmte Wattenlandschaft und das Licht, das so einmalig ist. Sie malt. Sie malt sich alle Traurigkeit von der Seele. Sie beginnt auch wieder mit der Porträt-Malerei, die sie hervorragend beherrscht und was ihr viele Aufträge bringt. Ihre Bilder finden große Anerkennung. Der starke Ausdruck in den Bildern begeistert viele Menschen. Sie verkauft ihre Bilder auch recht gut, aber zu einem viel zu niedrigen Preis, so dass sie davon nicht leben kann. Obwohl es viele Menschen gibt, die sich um die Malerin kümmern, ihr Respekt entgegen bringen und ihre Bilder kaufen, wird sie immer einsamer. Diese sensible Frau kann den Verlust der alten Heimat Schlesien nicht überwinden. Sie verliert den Bezug zur Wirklichkeit immer mehr. Das gipfelt darin, dass sie nichts mehr für sich selbst tut, sich nur noch aufopferungsvoll um kranke Vögel kümmert, die ihr die Dorfkinder ins Haus bringen. Sie pflegt die Vögel, bis sie sie wieder in die Freiheit entlassen kann. Eine Brandgans, die Altheider Weihnachtsbrief 2016

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nicht mehr fliegen kann, wird ihr Begleiter. Sie führt das Tier an der Leine spazieren und die Gans scheint sich in dieser Obhut auch wohl zu fühlen. Das bringt ihr im Dorf den Ruf der verrückten Vogeltante ein. Man nimmt sie nicht mehr ganz ernst. Das gipfelt sogar darin, dass man sie in ein Irrenhaus einliefern will. Gott sei Dank kann das durch vernünftige Ärzte verhindert werden. Trude Rosner zieht sich immer mehr in sich selbst zurück, kümmert sich nicht mehr um sich selbst, nur noch im ihre Vögel und wird in den Augen der Dorfbewohner immer mehr die verrückte Alte. Doch sie malt weiter. In den 60er Jahren erkranken ihre Augen, was fast zur Erblindung führt. Am 22. August 1970 stirbt Trude Rosner-Kasowski und wird, begleitet von ein paar Freunden, auf dem Vareler Friedhof beigesetzt. Ein Gedenkstein auf dem Friedhof Varel erinnert auch heute noch an die Malerin. Im Jahr 1998 machte sich das „Künstlerhaus Jan Oeltjen in Jaderberg", ein kleines, aber sehr engagiertes Künstlerhaus, daran, mit einer sehr guten, umfangreichen Ausstellung, Trude Rosner-Kasowski wieder in das Bewusstsein der Menschen zurück zu holen. Die Ausstellung wurde sehr gründlich vorbereitet und wurde ein großer Erfolg. Durch eine gute Biographie, erstellt von Hildegard Ahlers, die ihr ganzes Leben und nicht nur die letzten schlechten Jahre dieser Frau beleuchtete, und durch eine fachlich fundierte Kunstanalyse von Dr. Idis Hartmann, konnte die Künstlerin etwas intensiver dargestellt werden. Durch gründliche Recherchen konnten ein sehr umfangreiches Werksverzeichnis zusammengestellt werden, das ca. 500 Bilder umfasst, die überall in Deutschland gefunden wurden und einen sehr guten Überblick über den Umfang ihres Schaffens ergeben. Dieses Werk steht für Studienzwecke zur Verfügung. Leider stehen uns Arbeiten von Trude Rosner-Kasowski aus ihrer langjährigen Schaffenszeit vor der Vertreibung nicht mehr zur Verfügung. Bei den Vorarbeiten für die Ausstellung im Künstlerhaus Jan Oeltjen konnten ja nur die Arbeiten berücksichtigt werden, die wir nach 1946 kennen, Bilder aus billigstem Material, auf der Rückseite von Tapetenresten oder auf Pappe gemalte Aquarelle. Früher malte Trude Rosner-Kasowski überwiegend in Öl auf Leinwand. Leider ist dieses bestimmt sehr interessante Schaffen bis 1946 heute verschollen. Wir kennen das: ,,nur mitnehmen was man tragen kann, und Verpflegung für 14 Tage!" das waren die Anweisungen der Polen an uns bei der Vertreibung. Da denkt man nicht an Bilder oder Malutensilien, da sind andere Dinge lebensnotwendiger. Aber da ja 25 Jahre Schaffenszeit der Künstlerin bis 1946 vorausgegangen sind, müssen sich auch heute noch zahlreiche Bilder von ihr im heutigen Polen befinden. Ganz bestimmt um Buchteich/Altheide/ Rückers herum hängen bestimmt noch Bilder in den Wohnungen, die es vielleicht lohnen würde, wieder aufzufinden. 52

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Ermutigt durch den großen Erfolg dieser Ausstellung, zeigte das „Künstlerhaus Franz Radziwill in Dangast" im Jahr 2002 erneut eine große Ausstellung über Trude Rosner-Kasowski. Es gab Erinnerungs-Lesungen anderer Vertriebener, Gespräche und einen guten, großen Katalog, der das Leben und das Werk dieser Künstlerin noch einmal umfassend darstellte. Im Herbst 2015, durch die große Thematik der zu uns strömenden Flüchtlinge und deren Integration, ergab sich hier in Varel durch einen kleinen Kreis engagierter Bürger die Idee, die Malerin Trude Rosner-Kasowski nochmal aus der Vergessenheit herauszuholen und ihr unter dem Motto „wie sieht ein Flüchtling unsere Landschaft", eine neue Ausstellung zu widmen. Die Ausstellung hat auch zahlreiche Zuschauer angelockt. Die Schlussveranstaltung in Form eines Gesprächskreises war gut besucht. Es gab lange lebhafte Gespräche über die Malerin, über Flucht und Vertreibung, über die Situation der heutigen Flüchtlinge usw. Die Bilder von Trude Rosner-Kasowski werden auch heute noch in Ehren gehalten oder kommen immer mal durch Haushaltsauflösungen in den Verkauf und finden dort neue Liebhaber. So auch regelmäßig bei der jährlichen Bilderbörse des ,,Heimatmuseum Varel". So wird Trude Rosner-Kasowski durch ihre Bilder auch noch einige Generationen weiterleben.

Abendstimmung am Dangaster Watt von 1958

Vase mit Blumenstrauß undatiert

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Eine 80 Jahre alte Kinderfreundschaft Hildegard Ahlers Als wir im Jahr 1936 nach Altheide kamen, entwickelte sich schnell eine intensive Kinderfreundschaft zwischen Eva Cherniavsky geb. Josef-Lanzke (heute Kanada), und mir. Ich war damals 3 Jahre, Eva 4 Jahre alt. Bis heute halten wir noch regelmäßig schriftlichen Kontakt. Eva wohnte bei ihren Großeltern in der Spedition Trapp, wir wohnten auf dem Auenweg. Wir Kinder konnten uns damals in dem friedlichen, nicht von Verkehr gestressten Ort frei bewegen und unsere Freunde besuchen. Aber die Eltern wollten natürlich trotzdem wissen, wo wir uns gerade aufhielten. Aus der Wohnung von Josef in der Spedition zu unserer Wohnung auf dem Auenweg, nur getrennt durch das Feld vom Bauern Pabel, konnte man sich praktisch in die Fenster gucken. Telefon hatten wir damals noch nicht, so musste man sich etwas anderes einfallen lassen. Hüben wie drüben lag eine weiße Pappe bereit und wenn das Kind zu Besuch kam, wurde die Pappe ins Fenster gestellt. So wussten die Eltern, wo wir waren. Das war eine gut funktionierende Lösung und hat in meiner Erinnerung auch immer geklappt. Mit großer Selbstverständlichkeit waren wir Mädchen, hüben wie drüben einfach „Kind im Haus“ und gehörten dazu. An die liebevolle Oma Josef erinnere ich mich heute noch gerne. Eva und ich waren ein gutes Gespann und haben auch wohl so manchen Blödsinn gemacht. Unvergessen ist eine Episode in einem Winter. Ein Schornsteinfeger hatte einen Sack voller Ruß auf die Wiese neben dem Auenweg ausgeleert. In dem großen Feld von weißem Schnee plötzlich ein schwarzer Haufen, das war natürlich interessant! Was wir uns damals gedacht haben mögen, wir müssen noch sehr klein gewesen sein, weiß ich nicht mehr, jedenfalls haben wir uns mit Begeisterung in dem „schwarzen Schnee" gewälzt. Ich brauche wohl nicht zu erklären, was es damals zu Hause für ein Theater gab! An die Strafe kann ich mich nicht erinnern, aber sie wird saftig gewesen sein. Achtzig Jahre alte Kindheitserinnerungen. Wir schön, dass wir sie haben dürfen!

Panorama am Straßenstern 2016: li. Höllentalstr., mi. Bahnhoftsr. re. Schwedeldorfer Str.

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Fehlerkorrektur zu Weihnachtsbrief 2015, Seiten 191-195:

Erinnerungen an Altheider von Henryk Grzybowski

Ggf. hier ausschneiden und in Weihnachtsbrief 2015, Seiten 190/191 einlegen

aus: Ziemia Kłodzka Nr. 249/April 2015, Übersetzung: Suzanna Wycisk –Müller

Im Weihnachtsbrief 2015 sind uns in dem Artikel „Erinnerungen an Altheider“ einige bedauerliche Fehler passiert, die ausschließlich der Redaktion und weder dem Verfasser noch der Übersetzerin zuzuschreiben sind. Es wurde versäumt, den Beitrag vor Drucklegung Frau Philipp-Koppel zur Revision vorzulegen. Wir bitten hiermit unsere Leser um Verständnis. Frau Renate Philipp-Koppel hat uns liebenswürdigerweise die Korrekturen geschickt, die wir hiermit der Leserschaft mitteilen möchten: S. 191, Erstes Wort, erste Zeile: „Ute“ ist falsch. Meine Schwester heißt Uta nach Uta von Naumburg. Der Name Ute kommt aus nordischen Sagen. Beide Namen haben nichts mit „Ursula“ Märtyrerin aus Köln zu tun. Ende der Zeile: Die Breslauer Großeltern kamen schon im Februar mit uns zusammen nach Altheide, wohnten aber zuerst sehr beengt unten im Bad. Am 22. Mai bekamen sie dann in der Marx-Villa eine geräumigere Wohnung. 2. Absatz, 3. Zeile: ….. Zwei ihrer Bilder“ falsch. Ich habe 20 VotivBilder für die Gnadenkapelle gemalt. Anmerkung5 auf Seite 198: „1986“ bitte streichen. Grafikerin und Malerin bin ich seit 1952. S. 193 1. Zeile. „1984“ ist falsch. Mein Mann starb 1982. Mitte der Seite: Über Bibi Philipp. „singt bei der Drei-Mann-Band“ ist falsch übersetzt. Drei Frauen singen als „Bayerischer Dreigesang“. Unter Band versteht man eine ganz andere Musikgattung. Nun zum Tagebuch. 3. Zeile S.193: „Zu unserer Familie nach Altheide“ ist falsch. Im Original steht „in unseren Geburtsort Altheide flüchten“. Familie hatten wir dort nicht, nur unser 1938 verpachtetes Haus. 4. Zeile „wie Greta frisieren“ Original „machte ich mir eine Gretelfrisur“. Anm. auf S.199: 13) Gretel kommt von den Märchen-Kindern „Hänsel und Gretel“. Das sind hochgesteckte Zöpfe. Das hat also mit Greta Garbo, der Filmschauspielerin nichts zu tun. Seite 195, 8. 5.: "Deutsche haben bedingungslos kapituliert. „Macht Feuer“ schrien sie im Radio. Das ist falsch!! Im Original heißt es „Stellt das Feuer ein!“ schrie es im Radio. − Das heißt „Nicht mehr Schießen!“ Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Denkmal zu Ehren des Papstes Johannes Paul II in Altötting. Man wünsche sich, dass mehrere Denkmäler zu Ehren des Papstes in Polen dieses Format hätten.

Ehrenbürgerbrief für Papst Benedikt XVI. Schrift: Renate Philipp-Koppel Schwarze Madonna in der Gnadenkapelle, das Ziel der häufigsten Wallfahrten in Deutschland.

Renate (links) und Uta Koppel in Albendorf, 2003

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Der Beitrag „Verlorene Gräber in der Grafschaft Glatz“ im Weihnachtsbrief 19/2015 (S.42 ff.) brachte auch einen Hinweis auf die durch die Russische Militärjustiz im Mai/Juni 1945 vorgenommenen Verurteilungen von 36 Männern wegen angeblicher Zugehörigkeit zum „Werwolf“. Das veranlasste unseren Leser Eberhard Pautsch als davon Betroffener, ausführlich auf das damalige Geschehen einzugehen. Pautsch, Jahrgang 1929, gehörte zu den sechs Jugendlichen, die im Rahmen dieses Verfahrens im Gefängnis Glatz zu zwanzig Jahren Straflager verurteilt wurden. Nach neun Jahren, 1954 konnte er zu seinen inzwischen aus der Grafschaft Glatz vertriebenen Angehörigen heimkehren.

70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein Rückblick Eberhard Pautsch Als sich die siegreichen Jahre dem Ende zuneigten, die Alliierten immer näher an die Reichsgrenzen vorrückten, erließ die Führungsebene eine Reihe Verordnungen zur Heimatverteidigung. So wurde durch Erlass vom 25. September 1944 die Bildung des „Deutschen Volkssturm“ befohlen. Im Zusammenhang damit wurde auch die Idee einer Untergrundorganisation geboren, die zum Kampf gegen die feindlichen Armeen in den evtl. besetzten Gebieten Deutschlands zum Einsatz kommen sollte. Es fehlte dann allerdings die Zeit zur sorgfältigen Planung und Aufstellung. Schon aus diesem Grund war die Organisation in großem Rahmen zum Scheitern verurteilt. Hinzu kamen Rivalitäten innerhalb der NS-Führung – auch zwischen Wehrmacht und SS. Reichsführer Heinrich Himmler hatte schon zu Beginn den Begriff „Werwolf „(ohne „ h“ ) mit Bedacht gewählt. Über Jahrhunderte und in vielen Kulturen wurde der Wolf als ein Wesen dargestellt, das Beschützer und Rächer zugleich war – so wie es nun die Werwölfe sein sollten. Eine Reihe führender NS-Repräsentanten versuchte dann Einfluss auf die zu gründende Organisation „Werwolf“ zu nehmen. Auch Teile der Wehrmacht ließen sich einbinden. In einem Befehl an die Divisionen der Ostfront hieß es, qualifizierte Männer zur Bildung des Widerstands in den vom Feind noch nicht besetzten Gebieten bereitzustellen. Sogenannte Frontaufklärungskommandos, die im Kampf hinter den Linien Erfahrungen gesammelt hatten, wurden vereinzelt im schlesisch/ mährischen Gebirgszug angesetzt, um Kleinkampfgruppen aus Mitgliedern des heimatlichen Volkssturms aufzustellen. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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So ergab es sich, dass auch die waldreiche Berglandschaft der oberen Grafschaft Glatz dazu vorgesehen war. Anfang Januar 1945 bezog ein Offizier im Rang eines Leutnants vom „Frontaufklärungskommando 212“ mit zwei Unteroffizieren das kleine Gästehaus Erika in Bad Langenau Kreis Habelschwerdt. In Drei-Tage-Kursen wurden hier im Schnellverfahren die nötige Waffenkunde sowie Handhabung von Sprengmaterial vermittelt. Organisationsleiter, Leutnant Ramdohr, informierte über die konkrete Struktur des geplanten Widerstandes im Kreis Habelschwerdt – nach Feindbesetzung. Demnach waren im weitläufigen Waldgebiet insgesamt 12 Stützpunkte vorgesehen. Jeder Stützpunkt sollte mit 4 - 5 Personen besetzt sein und jeweils drei Unterkünfte zur Verfügung halten. Unter Federführung der Kreisleitung Habelschwerdt wurde unter strenger Geheimhaltung die Besatzung rekrutiert. Möglichst forstkundige Mitglieder des Volkssturm aus naheliegenden Orten waren dafür vorgesehen. Auch einige 15/16-jährige Jungen, die sich bereits in vormilitärischen Ausbildung im Volkssturmlager Aufgebot 3 befanden, wurden dazu abkommandiert. In der gesamten Vorbereitungszeit ist der Begriff „Werwolf“ nicht gebraucht worden, im Gegenteil, die Kleinkampfgruppen sollten im Geheimen und somit in der Stille agieren. „Werwolf“ erhielt erst seine Aufmerksamkeit, als Propagandaminister Josef Goebbels am Ostersonntag, dem 1. April 1945, den „Sender Werwolf“ im Rundfunk in Betrieb setzte und damit einen ungezügelten Volkskrieg auf breiter Basis entfachen wollte. Mit propagiertem Getöse „Hass ist unser Gebet und Rache unser Feldgeschrei“ ließ er Angst und Schrecken verbreiten – auch das war zum Scheitern verurteilt, da angesichts des schnellen Vorstoßes der feindlichen Armeen keine Zeit zum Aufbau einer neuen „Werwolf“-Organisation gegeben war. Dennoch blieb in den Köpfen der geplagten Menschen eine gewisse „Werwolf“-Hysterie lange erhalten. Es gab in den besetzten Gebieten zwar vereinzelt Aktionen, die vielfach fälschlich „Werwolf“ zugeschrieben wurden. In diversen Buchveröffentlichungen sind Forschungsergebnisse nachzulesen – diese wurden erst nach der Wiedervereinigung aussagefähig, als alle Archive zugänglich waren. Festzuhalten ist, dass sich im Westen die Alliierten der deutschen Zivilbevölkerung gegenüber anfangs sehr verhalten zeigten. Entsprechende Warnungen erhielten die Truppen von ihren Kommandostellen zugewiesen. Die Grafschaft Glatz kann keine konkreten Aktionen des Widerstands vorweisen, da zum Glück die Besetzung durch die Rote Armee erst nach der Kapitulation, somit nach Kriegsende, erfolgte. Diese „Zeitenwende“ wurde auch zum Aus der geplanten Widerstandsbewe58

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gung des „Frontaufklärungskommando 212“ die sich ohnehin nur im Ansatz befand. Die Waldarbeiten konnten erst nach der Schneeschmelze im März beginnen. Somit war nur ein Teil der Unterstände fertig – auch fehlte noch die Einbringung von dauerhafter Verpflegung sowie Waffenausrüstung. Die gesteckten Ziele waren hinfällig geworden – sie bezogen sich ursprünglich auf Partisaneneinsatz im Falle der Besetzung – dem Feind zu schaden, um weiteres Vordringen im Heimatland zu verzögern. Sofort nach Kriegsende ließ Leutnant Ramdohr, der Organisator, über die Stützpunktleiter das Ende der Organisation verkünden. Der Stab selbst würde sich absetzen. Damit waren alle Teilnehmer freigestellt und ihrer eigenen Verantwortung überlassen. Die Gruppe bestand aus nur annähernd 60 Teilnehmern, die sich kaum kannten, nur im Kontakt mit ihren jeweiligen Stützpunktkameraden standen. Erst später zeigte sich, dass keiner der Teilnehmer Anlass zur Flucht oder Untertauchen sah – schließlich zählte die totale Kapitulation und alles Andere vermischte sich in die allgemeinen Ängste der Bevölkerung vor den rachelüsternen Siegermächten Was bereits wenige Tage danach folgte, hatte keiner der Betroffenen erwarten können. Im Haus ihrer Grafschafter Heimatorte wurden sie jeweils einzeln von Soldaten der Besatzung aufgesucht und zum Mitkommen für „wenige Stunden“ aufgefordert. Sie konnten nicht ahnen, dass sie von dieser Stunde an in den Fängen des sowjetischen Sicherheitsdienstes NKWD hingen, in einem System, das in vier Jahrzehnten Stalinherrschaft bereits das Leben vieler Millionen Sowjetbürger forderte. Aufgrund Verhaftung der gesamten Gruppe innerhalb nur weniger Tage, musste von Verrat ausgegangen werden. Später ging das Gerücht einer Namensliste um. Es konnte niemals aufgeklärt werden. Die Gruppe wurde zu einem Teil im Gefängnis Glatz, dem anderen Teil im Gefängnis Sosnowitz/Oberschlesien „bearbeitet“. Nach einer Reihe zermürbender Tage- und Nachtverhöre lagen die Fakten auf dem Tisch – für die Häftlinge klar: keine nachweisbaren Aktionen gegen die Rote Armee nach der Besetzung und Kriegsende Vom 11.-13.Juni 1945 tagte im Gefängnis Glatz das Militärgericht der 59. Armee der UdSSR mit Bestätigung des Bezirks SMERSCH 98 (Tod den Spionen) Das Urteil für die anwesenden 36 Personen - nach Paragraph 58 -8-9-11 UK RSFCR 18 Personen zum Tode (Stützpunktführer u. Vertreter) Altheider Weihnachtsbrief 2016

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12 Personen 25 Jahre Straflager 6 Jugendliche 20 Jahre Straflager Totaler Schock – Sprachlosigkeit – jeder hing seinen Gedanken nach – Familie – Kinder – Eltern ? … Zur gleichen Zeit wurde die zweite Gruppe, einschließlich vier junger Frauen, im Gefängnis Sosnowitz von einem anderen Militärgericht, bei gleichem Sachverhalt, „nur“ zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt. Fazit: Fakten für das sowjetische Gericht nur Nebensache – für die NKWD war nur die Meldung nach Moskau wichtig: Widerstand vernichtet! (sollten sie etwa melden: keine Schuldigen gefunden?) Alle zu Lagerhaft Verurteilten kamen unverzüglich zum Weitertransport – auseinandergerissen – über mehrere sowjetische Straflager verstreut – in dieses riesige Land der tausend Lager des GULAG, unter unmenschlichen Bedingungen. (siehe „DER ARCHIPEL GULAG“ von Alexander Solschenizyn) Es gab keine Kenntnis über die im Gefängnis Glatz zurück gehaltenen 18 Todeskandidaten. Überlebt haben nur die Jugendlichen und die vier jungen Frauen. Sie kamen nach 8-9 Jahren in das für sie unbekannte Deutschland zurück. Vier Jahrzehnte später: Auflösung der Sowjetunion. Im Jahre 1991 beschließt die Russische Föderation das Gesetz „über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen“ (der Stalinzeit). Im Jahre 1993 erfolgt eine Übereinkunft zwischen Deutschland und Russland, wonach auch deutsche von sowjetischen Organen verurteilte Bürger auf Antrag rehabilitiert werden können. Nach längerer Bearbeitungszeit erhielt auch jeder Einzelne der Gruppe, die in Glatz vor Gericht standen, die Rehabilitierung von der russischen Generalstaatsanwaltschaft aus Moskau. Das Gesamtpaket wurde über die Deutsche Botschaft dem Außenministerium zugesandt. Hier konnte auch die namentliche Auflistung eingesehen werden. Daraus ist zu entnehmen, dass alle 36 Angeklagten als unschuldig gelten, auch die 18 mit Todesurteil, das am 29. Juni 1945, also 16 Tage nach der Verurteilung, vollstreckt wurde – das war bisher unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass die Erschießung in Glatz durchgeführt wurde und die „Vergrabung“ im Umfeld erfolgte. Die Frage „Werwolf in der Grafschaft Glatz?“ Die unter dem Namen „Frontaufklärungskommando 212“ geplante Aktion ist nicht unter Organisation „Werwolf“ geführt worden, auch wenn die gleichen 60

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Aufgaben vorlagen. In der Grafschaft hat sich weder eine „Werwolf“-Bewegung etabliert, noch sind „Werwolf“-Aktionen nachgewiesen worden. Dennoch hat der propagandistisch unsinnige „Werwolf“-Feldzug der letzten Kriegsmonate auch hier bedauerliche Spuren hinterlassen. Der polnische Sicherheitsdienst UB befürchtete Aktionen aus dem Untergrund und „stocherte“ nach Waffenbesitz mit äußerster Härte. Schuldige und Unschuldige wurden wahllos verhaftet und unter schweren Folterungen zu Geständnissen gequält – nachweislich sind dabei 80 bis 100 Häftlinge, allein in der Zimmerstraße Glatz, zu Tode gequält worden. Vor dem Hintergrund von 50 Millionen Kriegsopfern scheint diese Aufzeichnung, sieben Jahrzehnte nach Kriegsende, unbedeutend zu sein. Jedoch sollten die noch lebenden Zeitzeugen solche nicht im Vordergrund stehenden Ereignisse aufzeigen – das sind sie den Opfern unserer Heimat schuldig. Quellenangaben: Hannah-Arendt-Institut Dresden „Himmlers letztes Aufgebot“ Böhlau Verlag Köln „Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947)“ Metropol Verlag

Eberhard Pautsch ist Autor des Buches „Und dennoch überlebt – Als Sechzehnjähriger auf dem „Archipel Gulag“, Laumann Verlag, Dülmen 2. Auflage 2006 – noch lieferbar.

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Michael Majerski ist Filmregisseur und Filmautor. 1948 in Polanica Zdrój/Bad Altheide geboren, 1978 emigriert er mit seiner Familie nach Deutschland. Durch seine Mutter, eine in Schlesien gebürtige Deutsche, erhält er die deutsche Staatsbürgerschaft und den Status eines „Spätaussiedlers“. Sein Vater ist Pole. In Deutschland angekommen, durchläuft die Familie verschiedene Durchgangslager für Aussiedler. Diese Umbruchphase erweist sich für ihn als eine seiner wichtigsten Lebenserfahrungen. „Damals habe ich die deutsche Geschichte neu erfahren, viele Schicksalsschläge, aber auch zahlreiche Erfolge der Einwanderer aus nächster Nähe gesehen und miterlebt“, berichtet er heute. Über sprachliche und mentale Grenzen hinweg, dreht er mit großem Erfolg klassische Dokumentarfilme über die Komplexität und Aktualität der Folgen des zweiten Weltkriegs in den ehemaligen deutschen Ostgebieten: die Flucht und Vertreibung der Menschen, ihre Entwurzelung, das Verschwinden von ganzen Volksgruppen und Kulturen, „Krieg der Erinnerungen“ und die „German Angst“. Lebt in Stettin und Berlin. Kontakt: www.arkonafilm.de

„Altheide“ Michael Majerski Es soll seine erste Lesung werden und ich verspreche ihm, dass ich gerne kommen werde. Igor hat aufgehört zu malen, aber jetzt im Alter hat er begonnen, etwas zu schreiben, wohl irgendwelche Erzählungen oder Biografien, ich weiß nicht. Und wenn ich nachfrage, sagt er, es handele sich nur so um eine Laune, zum Vergnügen. Es liegt mir nicht daran, zu veröffentlichen – unterstreicht er – es reicht aus, dass ich mit dem Laptop im Sessel sitze, mich an verschiedene Dinge erinnere und sie dann aufschreibe, wie ein Chronist – sagt er. Auf einem Treffen mit den Einwohnern von Polanica möchte Igor einige Fragmente über seine Kindheit gleich nach dem Krieg vorlesen. Er wundert sich, dass ihn überhaupt noch jemand bemerkt hat und man ihm ein Treffen im Kulturzentrum organisiert. Obwohl er schon sein ganzes Leben in Polanica wohnt, schon als es noch Altheide geheißen hatte, ist er hier unsichtbar, fremd, niemand beachtet ihn. Weil Igor autochthon ist, Deutscher und deswegen nicht zu den „Leuten von hier“ zählt. Igor war Waisenkind und lebte bis zum Ende des Krieges im Waisenhaus, im Kloster bei den Ordensschwestern, gleich neben der Kirche. Er erinnert sich 62

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an kaum etwas, sein Gedächtnis setzte erst ein, als er eines Tages aus dem Kloster auf die Straße trat und bemerkte, dass die Menschen in einer ihm unbekannten Sprache sprachen und niemand ihn verstand. Er verstand nur seine Ordensschwestern in langen, schwarzen Habitaten, die sich um ihn kümmerten. Doch sie sind dann später einfach verschwunden und seine Welt war total zusammengebrochen, da er nun nichts und niemanden mehr verstand. Er war entsetzt, als um ihn herum fremde Menschen auftauchten, deren Sprache er nicht verstand und so brachten sie ihn ins Kinderheim nach Szczytna, einem Vorort von Polanica. Sein Bett stand jetzt in einem Gruppensaal, voller Jungs in seinem Alter. Alle hier waren gut zu ihm, einige verstand er sogar, wenn sie zu ihm sprachen, aber er spürte, dass um ihn herum etwas Schlimmes geschah. Davon, dass es einen Krieg gab, der gerade zu Ende gegangen war, sagte ihm niemand etwas. Er wusste nur, dass seine Eltern nicht mehr lebten und er jetzt hier in Altheide alleine war, unter Fremden. Diese Fremdheit wird jetzt Teil seines Lebens und lehrt ihn, in jeder Situation zurecht zu kommen, sie schärft seine Reaktion und seinen Scharfsinn, steigert die Wachsamkeit, denn Igor will leben. Mit der Zeit, als erwachsener Mann schon, zieht ihn ein solches sich Verstecken unter Leuten sogar an, die zwar seine Nachbarn sind, aber so entfernt wie eine andere Galaxie. Er erkennt bei ihnen eine gespielte Gleichgültigkeit und Angst vor allem, was fremd und deutsch ist. Doch weiß er ganz genau, dass er hier zu Hause ist und sich hier wohl fühlt. „Das hat sich bis heute nicht geändert“, sagt Igor, „Du weißt doch, wie sie uns behandeln, es sind nur noch einige wenige von uns Autochthonen, wie sie uns nennen, übrig, doch sie tolerieren uns weiterhin nicht. Kurgäste aus Deutschland ja, denn das ist Geschäft, aber uns? Wir existieren nicht, denn wir sind wie ein Gewissensbiss für sie.“ Der September in diesem Jahr ist in Hamburg ungewöhnlich warm. Samstag und Sonntag nachmittags spazieren ganze Familien die Promenade an der Alster entlang. Es gehört zum Ritual, sich hier zu zeigen. Walter schließt das Fenster, greift in die Schublade der alten Kommode und sucht die Schlüssel zu seinem Haus in Polanica. Er hat sie lange nicht mehr benutzt, aber sie sollten doch hier irgendwo liegen, zwischen den Fotos, die Marta gemacht hat, und den Andenken von Tante Władka. In der Schublade bewahrt er auch alte, belanglose Postkarten auf, die er bei jeder Gelegenheit kauft: Niederschlesische Landschaften, vergessene Orte, uninteressante Gebäude in nicht mehr existierenden Dörfern. Er nimmt sie später gern zur Hand und betrachtet sie. Diese scheinbar nichts aussagenden Bilder, die unzusammenhängenden Fragmente des Glatzer Kessels formen sich dann zu etwas Ganzem, einer Erinnerung, die er nicht verloren gehen lässt. Mit den Jahren, seit er von dort weggegangen ist, sind schon einige Bilder verwischt. So wie das Bild seiner Eltern, denn von ihnen ist kein Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Foto oder sonstige Spur zu finden, er weiß nicht einmal, wo sich ihr Grab befindet, aber er weiß genau, dass nach ihrem Tod dieser Kessel, der Glatzer Kessel, zu seinem Haus und seiner Heimat wurde. Seit er sich erinnern kann, hat er ihn beschützt, so wie Władka, die dort auch ihr neues zu Hause gefunden hat. Gleich nach dem Studium in Breslau und der Habilitation wanderte Walter nach Hamburg aus. Für einen wie ihn, ein deutsches Findelkind in Polen, ist das eine außergewöhnliche Karriere, denn sein Bewusstsein ist dicht mit Bildern der Nachkriegszeit gefüllt. Sie ziehen ihn bis heute nach unten, in eine dunkle Welt, und verwehren ihm ein unbeschwertes Leben. Sie sind in seiner persönlichen black box gespeichert, irgendwo in seinem Inneren versteckt – sein ganzes Gedächtnis, das sich nicht löschen lässt. Er greift immer nach ihr, wenn er sich schwach fühlt und ihn in der Nacht die vertrauten Dämonen heimsuchen, dann gibt sie ihm auf seltsame Weise Kraft. Walter steht noch einen Augenblick am geschlossenen Fenster und blinzelt. Die warme Septembersonne, die sich auf der glatten Wasseroberfläche der Alster spiegelt, blendet. Er ist froh, dass alles vorbei ist und er noch lebt. Nach fast zehn Stunden Zugfahrt ist er erschöpft von der Reise, ihn erwartet noch der Umstieg in Glatz. Irgendwie kann er diesen polnischen Namen nicht akzeptieren – Kłodzko. Er steigt aus, hat viel Zeit, denn der Zug nach Polanica geht erst in zwei Stunden. Hier, genau auf diesem Bahnsteig, hat ihn damals Tante Władka gefunden und zu sich genommen. Der Bahnhof hat sich nicht verändert. Seit dem Krieg sind schon so viele Jahre vergangen und alles sieht immer noch so aus wie damals. Die Schwingtür mit den Kupfergriffen quietscht noch immer, nur das Fenster zum Fahrkartenverkauf ist geschlossen und mit einer schmutzigen Gardine verhängt. Daneben steht ein Fahrkartenautomat. Er geht jetzt langsam in Richtung alter Marktplatz und betritt das noch nach Farbe riechende Café „Colombina“. Er hat es noch gut in Erinnerung, denn hier war er einmal, als er mit Marta die Schule geschwänzt hat. Jetzt sind die Wände grell gelb gestrichen. Der neue Besitzer hat sich bestimmt gedacht, es sei an der Zeit, das schwere, deutsche Klima durch etwas Augenfreundliches zu ersetzen, also stehen jetzt hier Tische und Stühle von Ikea. Seit Jahren ist jedes Mal etwas verändert, wenn er wieder einmal herkommt. Ständig gibt es Überraschungen, neue Geschäftsideen. Geschäfte und Restaurants verschwinden oder wechseln die Adresse. Und Walter gefällt das nicht, er mag keine Veränderungen. Es könnte einem so vorkommen, als blühte der Handel, dabei bleibt es immer nur beim Streichen der Wände. Und die Farben in den unterschiedlichsten Tönen, im Verlauf der Jahrzehnte übereinander geschichtet, schaffen es nicht, das ehemals Deutsche zu überdecken. Nach dem Krieg sollte es ein deutschfreies Gebiet werden. Und das ist gelungen, doch das Deutsche an sich guckt immer wieder wie unter einer zu kurzen Decke hervor. 64

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Die Menschen, denen dieses Land gehört hat, gibt es hier nicht mehr. Sie sind nach dem Krieg verschwunden, so wie einst im römischen Kaiserreich nach dem Ausbruch des Vesuvs. Etwas von ihnen ist jedoch erhalten geblieben. Man braucht nur genau hinzuschauen, einen Filter aufzusetzen, der die Übermalungen herausfiltert und Lücken im Original vervollständigt. Dann reicht ein Blick in die Runde, um Spuren von ihnen, wie von den Etruskern, zu finden. Hier müssten die Archäologen nicht viel ausgraben, alles liegt offen, alles ist sichtbar, wenn man nur genau hinschaut. Bis nach Altheide hat der Krieg es nicht geschafft, wohl aber die Rechnung, die die Stadt dafür zu zahlen hat. Über das ganze Jahr 1945 füllten sich Altheide und das ganze Glatzer Tal mit ersten Glücksrittern und Abenteurern aus Zentralpolen. Es tauchen die auf, die keine Fragen mögen, woher und warum sie hier sind. Die Berge wurden zum Versteck, nicht nur für Verbrecher, sondern auch für sture Deutsche, die nicht in die Fremde auswandern wollen, wo sie doch niemanden kennen. Ihnen folgen andere, die Habenichtse, die von den Russen aus dem Osten vertrieben wurden. Dem Armen bläst der Wind immer ins Gesicht, für sie ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Häuser der Deutschen waren schon geplündert oder besetzt. In einem Café in Glatz sitzt ein älteres Ehepaar in festlichen, grünen Gewändern am Fenster und die Kellnerinnen erkennen in ihnen sofort deutsche Touristen. Sie streiten das erst vehement ab, aber nach einem Augenblick geben sie zu, na ja, vielleicht Touristen, aber wir stammen von hier. Sie sind bestimmt zum letzten Mal hier, um sich von ihrem Haus zu verabschieden und sitzen hier nun schweigend. In ein paar Stunden setzten sie sich in den Zug und fahren Richtung Westen, zurück nach Hause. Walter stellt sich vor, das könnte doch Doktor Schlegel mit seiner Frau sein, aber das ist er ganz sicher nicht, denn er müsste schon über hundert Jahre alt sein. Auf dem Bahnsteig in Polanica wartet Igor schon auf ihn. Für heute war das der letzte Zug und außer Walter steigt niemand aus. Sie begrüßen sich und gehen wie jedes Jahr zum Abendessen ins „Bliss“. Der Weg führt zuerst über eine Weide und dann an einem, von den letzten Regenfällen bis zum Rand gefüllten Bergfluss entlang. Seine reißende Strömung übertönt das Gespräch, also schweigen sie, aber nur noch einen Augenblick, dann kommt eine kleine Brücke. Schon sind sie an der Fußgängerzone. Im Lauf der Jahre sind ihre Treffen zu einer Art Ritual geworden. Es verbindet sie viel, vielleicht sprechen sie deshalb nicht viel miteinander. Sie müssen nicht mehr über alles reden. Nur über die wichtigsten Dinge, was sich seit dem letzten Jahr verändert hat, wen er letztens aus ihrer ehemaligen Klasse gesehen hat oder wer gestorben ist. Walter fragt wie üblich erst mal nach Marta, aber Igor hat stets die gleiche Antwort. Marta ist verschollen und gibt kein Lebenszeichen. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Sie gingen damals in eine Klasse und waren unzertrennlich. Am Grab von Hans Ramshorn schworen sie sich lebenslange Treue und Freundschaft – Igor, Walter und Marta. Erst ist Marta weggezogen und dann – viel später – Walter, zum Studium nach Breslau. Igor suchte kein neues Zuhause sondern blieb in Polanica. Er hat mit der Zeit auch keine neuen Freunde gefunden, hat nicht geheiratet und ist zum Einzelgänger geworden. Er begann früh zu malen und im Sommer, wenn schönes Wetter ist, stellt er seine Staffelei in der Fußgängerzone auf. Die Kurgäste verweilen einen Augenblick und versuchen aus Langeweile, ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Manchmal fragt ihn jemand, warum seine Bilder so merkwürdig sind. Er weiß nicht, wie er darauf antworten soll, verlegen sagt er: es ist halt so. Eines seiner Bilder hab ich bei mir in meiner Hamburger Wohnung aufgehängt. Früher wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, dass Igor Künstler werden könnte. Jetzt hat er begonnen, etwas zu schreiben, aber er kann nichts herausgeben, denn er schreibt über Deutschland und die Geschichte dieses Fleckchens Erde. Und das interessiert hier niemanden. Er sieht nur das Schulterzucken und weiß, dass sich hinter dieser Gleichgültigkeit noch immer eine Art Widerwille versteckt, vielleicht sogar Angst. Deshalb zieht es das Kulturreferat der Stadt vor, etwas Vorhersehbareres zu organisieren als die Lesung eines unbekannten Schriftstellers und Künstlers. Altheide ist vorbei und Polanica möchte nicht viel mit ihm gemeinsam haben. Das sind alte Zeiten, an die man sich besser nicht erinnert, sie rufen nur Unruhe hervor. Walter weiß das und bittet die Sachbearbeiterin im Geheimen, Igor solch ein Treffen zu organisieren und verspricht ihr die Übernahme aller Kosten. Die Frau willigt ein, aber unter der Bedingung, ihm keine großartige Werbung zu machen. Na ja, eventuell kann man eine Information auf den deutschen Internetseiten der Stadtverwaltung platzieren. Dort in Deutschland, in Lingen, gibt es noch Leute, die das lesen und sich interessieren, hier aber brauchen die Kurgäste ihre Ruhe, also organisiert sie für alle Fälle zur selben Zeit noch einen Abend mit den beliebtesten Operettenarien, dann sollte es keine Probleme geben. Dann passierte jedoch etwas, was niemand erwartet hatte. Ein angehender Journalist der Lokalzeitung begann sich für die Lesung mit Igor zu interessieren und beschrieb sie provokant als Begegnung mit dem letzten hier noch lebenden Deutschen im polnischen Reservat. Und es wurde stürmisch, als er naiv weiter fragte, woher denn die Abneigung und Aggression gegenüber den Autochthonen käme. Warum gibt es in der Stadt keine einzige Spur von den ehemaligen Bewohnern von Altheide, kein Museum, warum lehrt man die Kinder in der Schule nicht die Geschichte Schlesiens? Wer sollte das auch machen? Aber Igor erinnert sich an alles, an jede Einzelheit. Er ist der einzige hier, der die 66

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wahre Geschichte dieses verwundeten Paradieses noch kennt, dieses Glatzer Kessels. Und seit dem Artikel nehmen in der Redaktion die Anrufe von besorgten Bürgen kein Ende, dass dies sicher der Beginn der Germanisierung sei. Im Resultat würde die Beamtin das Treffen gerne absagen. Aber es ist schon zu spät, alle Eintrittskarten sind verkauft. Am ersten September 1945 heißt Altheide schon Puszczykowo und ein Jahr später wird es seinen Namen noch einmal in Polanica-Zdrój ändern und dabei bleibt es bis heute. Es ist ein Septembermorgen und im Kurpark durchbrechen die ersten Sonnenstrahlen die weitläufigen Rhododendronbüsche. An den kleinen Straßen, die den Park durchschneiden, stehen verlassene Häuser und Pensionen, unberührt vom Krieg, der unberechenbar wie ein Wirbelsturm kurz vor Altheide abgedreht ist. Man sieht nirgendwo Menschen, es herrscht Ruhe, nur weiter unten, wo die ehemalige Brunnengasse endet, hört man den beunruhigenden Strom des Bergflusses. Einige Kinder in schlichten Schuluniformen mit weißen Krägen überqueren die Brücke, sie gehen in Richtung Schule. Einen Augenblick später stehen sie schon vor dem Gebäude und warten auf den Lehrer. Als wäre nichts gewesen, beginnt am ersten September das neue Schuljahr, das ist ja wohl selbstverständlich. Die Schule ist klein, aber für so ein Altheide hat das immer gereicht, eine kleines Städtchen, das noch vor kurzem keine viertausend ständige Einwohner zählte. Und heute, einige Monate später, ist von ihnen nur eine Handvoll übrig. Auf der Straße unterscheiden sie sich sichtbar und man kann sogar mit dem Finger auf sie zeigen: Schau! Dort, siehst Du sie? Das sind die Deutschen, die noch nicht weggefahren sind. Letzten Endes gelang es, sie in fünfzehn Güterzüge zu stopfen. Mehrere Monate lang wurden sie weggebracht, und das nicht nur als Strafe, weil sie Deutsche waren, sondern vielmehr, weil Platz für die eigenen Leute gebraucht wurde: Polen, aus ihren Häusern im Osten vertrieben. Aber einige Deutsche müssen bleiben, die neuen Eigentümer möchten die Fachkräfte nicht gehen lassen, sie müssen arbeiten und sich regelmäßig beim Wachposten der Miliz melden. Das Städtchen Altheide hat sich an den Rand des Kessels, des Glatzer Kessels, gekauert, rundherum geschützt von Gebirgszügen und dem Schneeberg, dem heiligen Berg. Denn kurz unter dem Gipfel befindet sich das Sanktuarium Maria Schnee. Die weißen Türme sind schon von weitem sichtbar und die Menschen dort wissen seit Ewigkeiten, dass sie in Maria jemanden haben, an den sie sich immer wenden können. Und dafür lieben sie sie. Die neuen Bewohner aber wissen nichts davon. Die Züge mit den Vertriebenen aus dem Osten kommen noch nicht so weit. Die Menschen mit ihrem ganzen Hab und Gut steigen viel früher aus, spätestens in Breslau. In Altheide wird es noch lange dauern, die Leere zu füllen. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Sechzig Jahre später steht Walter am gleichen Ort zur gleichen Tageszeit erneut vor seiner Schule. Er sieht, es hat sich nichts verändert. Genauso wie damals stehen Kinder vor der Schule und warten auf den Lehrer. Diesmal sind es schon alles Polen. Sollten es nach so vielen Jahren nicht eigentlich schon mehr Kinder sein? Er denkt nach. Der Weg hinter der Schule führt zur städtischen Müllhalde und dahinter gibt es nur noch den evangelischen Friedhof. Seit dem Krieg wurde hier niemand bestattet, Evangelische gab es hier schon immer wenig und die Polen wollten nicht neben den Deutschen liegen. Merkwürdig, dass niemand gefragt hat, warum Władka gerade dort begraben werden wollte, im Quartier der Familie Doktor Schlegel, ihres Arbeitgebers. Das Grabmal blieb als einziges auf dem Friedhof unberührt und die plündernden Friedhofshyänen haben es nur deshalb verschont, weil eine neue polnische Tafel mit Foto und Namen der Tante es beschützt: Wladysława Forytta. Er sieht, wie sich langsam ein luxuriöser Reisebus dem Friedhof nähert, mit Stuttgarter Nummernschildern. Eine kleine Gruppe Senioren steigt aus. Schweigend betreten sie das zugewucherte Gelände, das einst Friedhof war. War? Wie das? Er ist es doch weiterhin, niemand hat ihn beseitigt. Die Senioren aus dem Reisebus gehen schweigend hin und her, zwischen Büschen und umgefallenen Grabsteinen, wie hypnotisiert, und man sieht ihnen keine Wut an. Als wir uns noch zu Schulzeiten gemeinsam mit Igor durch das Herumführen deutscher Reisegruppen in Polanica Geld dazuverdient haben, sind sie auch so herumgelaufen. Und wir hinter ihnen her. Sie brauchten eigentlich keine Stadtführer und für uns war es am schlimmsten, dass sie uns überhaupt nach gar nichts gefragt haben. Schließlich bezahlten sie uns doch. Als wir so hinter ihnen her durch die Stadt gelaufen sind, schwiegen sie die ganze Zeit und einige weinten im Verborgenen. Einmal bin ich hinter ihnen her in eine Kirche gegangen und hörte wie sie laut beteten und Psalmen sangen: Heiliger Geist komme, siehe auf unsere Heimat, auf unser Tal und sei ihm gnädig. O Maria vom hohen Schneeberg, wir beten zu Dir, für alle die hier wohnen und sich Deiner Obhut anvertraut haben… Walter zündet eine Kerze an Władkas Grab an, schließt die Augen und beginnt zu beten, für Marta, für Mama und Papa, für Altheide und für Glatz. Danach kehrt er auf Umwegen durch die Stadt zurück, bleibt wie immer an der Brücke stehen, nicht weit von der Quelle entfernt. Er schaut gern in den reißenden Strom des Gebirgsflusses. Er hat etwas Magisches an sich, irgendeine Kraft, und Igor erzählte, dass die Ordensschwestern immer verboten haben, sich ihm zu nähern. Im Fluss wohnt der Neck, ein Ungeheuer, erzählten sie. Und er ist schrecklich, hat die Gestalt eines Bibers und kann sich zu gigantischen Größen aufblasen. Die Schwestern sagten auch, dass der Neck sehr reich ist, denn wenn man 68

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ihn bezahlt, dann passt er auf, dass die Verwünschungen, die die Menschen gegeneinander richten, auch tatsächlich in Erfüllung gehen. Aber man kann sie ganz einfach abwenden, man muss nur die Zauberformel kennen. „Neck, Neck, Strudelgeist. Du bist im Wasser, ich bin am Land“. Dann lässt er uns unterwürfig in Ruhe. Schon im Sommer 1945 beginnen einzelne Polen aufzutauchen. Sie öffnen nacheinander die Türen der verlassenen Häuser und Wohnungen, gehen hinein, ziehen jedoch nicht ein, sie wollen hier nicht wohnen. Sie tragen nur ihre Beute heraus, suchen in den Schränken und nehmen so viel, wie sie selbst tragen können. Sämtliche sich in der Stadt befindlichen Möbel jedoch sollen, einer neuen Verordnung nach, in ein Sammellager gebracht werden. Bevor jedoch der einzige ausrangierte LKW überhaupt mit der Umsetzung beginnen konnte, trafen auf dem Bahnhof schon die ersten Züge mit Umsiedlern ein. Aus Richtung des Bahnhofs nähern sich jetzt kleine Menschengruppen. Alle suchen nach Wohnungen oder irgendeinem Haus, sie schrauben die nicht mehr aktuellen Schilder mit den merkwürdigen Nachnamen von den Türen, aber die Kästen mit der Aufschrift „Briefe“ lassen sie hängen, denn die Post ist jetzt am wichtigsten und funktioniert die ganze Zeit ohne einen Tag Unterbrechung. Für sie hat alles rundherum nur noch einen, magischen Namen – „ehemals deutsch“. Der ganze Glatzer Kessel wird ehemals deutsch. Vor den Häusern, in den gepflegten Vorgärten, erscheinen die ersten Kinder, durch den Krieg nicht an Spielzeug gewöhnt, und sehen jetzt plötzlich das Paradies, finden unzählige Spielsachen von ihren Altersgenossen. Sie sind geblieben, da sie niemand mitgenommen hat, im Koffer war kein Platz mehr, deswegen liegt das Spielzeug jetzt überall nutzlos herum. Der erste September ist der Beginn des Schuljahres und ein drückend heißer Tag kündigt sich an. Walter hat es nicht weit zur Schule, nur durch den Park und dann noch den Weg neben dem Kurhaus entlang. Unterwegs bemerkt er, dass in die Nachbarhäuser schon die ersten Familien eingezogen sind, manchmal bewegt sich eine Gardine, jemand schließt eine Tür. Vor der Schule stehen schon einige Kinder und der Schulleiter „Pan Majerski“. Er wartet schon auf ihn und sie gehen in seine neue Klasse. „Ihr werdet gemeinsam in einer Klasse untergebracht, denn die Deutschen sollen besser zusammen sein“, sagt er zu ihm in gebrochenem Deutsch. „Bestimmt werdet euch mit der Zeit alle anfreunden.“ Walter freut sich und schaut sich um. Der Großteil der Bänke ist noch leer, noch setzt sich keiner hin. Die Kinder beobachten sich gegenseitig, wer von ihnen ist Deutscher? Zugeben wird das keiner. Er weiß, dass das keiner zugeben wird, aus Angst. In der letzten Reihe sieht er Marta, sie heißt Zeiger und er kennt sie vom Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Sehen, denn sie wohnt in der Nachbarstraße. Und dann ist da noch Igor. Er hat einen polnischen Nachnamen, noch dazu Burek, also denken in der Klasse alle erst einmal, dass der Pole ist. Also sind wir nur zu dritt? Die in den ersten Sitzbänken drehen sich um und zischen: Nazis, „Hitlerowcy“. Neben uns will niemand sitzen, also werden wir zusammenhalten, gemeinsam Polnisch lernen. Wir verstehen schon viel, sprechen aber noch nicht gut. „Du wohnst doch da hinter dem Park?“, fragt Marta. „Du wohnst dort, wo der Arzt war? Doktor Schlegel? Oder?“ Den Arzt und seine Familie gibt es nicht mehr und in seinem Haus wohnt jetzt er, alleine, mit Tante Władka. Erst später, nach Jahren, frage ich sie noch einmal genau nach allem, nach meiner Geschichte. Władka war nicht meine Tante, nur eine gute, einfache Frau, die mich adoptiert und aufgenommen hat wie einen herrenlosen Hund vom Bahnhof in Glatz. Mama und Papa sind nach dem Krieg ums Leben gekommen und keiner weiß, wie das passiert ist. Sie sind eines Tages nicht nach Hause gekommen, dann kam ein Nachbar, der ein wenig Deutsch sprach und sagt mir, ich solle nicht auf sie warten, denn jemand hat sie einfach auf der Straße erschossen und die Leichen haben sie irgendwo hingebracht. Ich wartete noch einige Nächte zu Hause auf sie, in der Hoffnung, dass das nicht wahr sei und sie zurückkommen würden. Dieses Warten werde ich nie vergessen. Ich habe wahrscheinlich sogar geweint. Ich musste etwas tun, aber ich wusste nicht was, wie man alleine zu Hause wohnt, ohne Eltern. In den Schränken hingen ihre Kleider und ihre Sachen lagen herum. Denn vor einigen Tagen waren sie noch hier gewesen, sie haben gelebt. Der Junge ist alleine. Er verstaut einige seiner Sachen in einer Tasche und geht zum Bahnhof, er weiß nicht, warum gerade dorthin, aber er weiß auch nicht, wie es weiter geht, wo er hinfahren soll und zu wem. Auf dem Bahnsteig fällt er nicht auf, denn es ist eine Zeit, in der jeder unterwegs ist, die Leute fahren hin und her und keiner fragt nach irgendetwas. Die Menschen suchen neue Nester und ihre Nächsten. Auf dem Bahnhof schaut er die Züge an, aber er steigt nicht ein, langsam verliert er das Zeitgefühl. „Du musst einige Tage auf diesem Bahnsteig gesessen haben, so heruntergekommen warst du“, erinnert sich später Tante Władka. „Aber du warst nicht der einzige, es gab noch ein Haufen weiterer Kinder dort, aber alle noch in Kinderwagen, die die deutschen Frauen zurückgelassen haben. Sie wollten sie nicht mitnehmen, denn niemand wusste, wohin der Zug fährt und ob sie das überleben würden. Sie gingen davon aus, dass sie hierher zurückkommen würden. Und so schoben sie sie den Polen unter, die sich hier niederließen. Und die gaben sie weiter ins Kinderheim. Das war ihre einzige Chance, denn dort wurden sie gefüttert. Aber warum hat sie gerade mich nach Altheide mitgenom70

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men? Warum gerade mich, ein einfaches deutsches Kind? Sie kam aus dem Osten, aus einem kleinen Dorf namens Cimuszowa. Nach Altheide brachten sie sie schon ganz zu Beginn des Krieges, zur Zwangsarbeit, davon erfuhr sie erst im Zug. Sie hatte viel Glück. An der Bahnstation wurden sie vor den Waggons aufgestellt und die Einheimischen aus der ganzen Gegend kamen zusammen, um sich jemanden zur Arbeit auszusuchen. Es gab niemanden zum Arbeiten, denn alle deutschen Männer waren im Krieg. Irgendein Arzt nahm sie damals mit, zum Putzen und für die Kinder. Władka erzählte oft davon, dass Doktor Schlegel ein sehr gut aussehender Mann war. Und er war immer mit ihrer Arbeit zufrieden. Walter kam später zu dem absurden Schluss, dass sie wahrscheinlich ein bisschen verliebt in ihn war. Doch dann änderte sich alles, die Russen marschierten mit den Polen ein und der Arzt musste mit seiner Familie fliehen. Vielleicht musste er nicht, aber er wollte. Władka blieb allein in ihrem großen, schönen Haus und wartete auf ihre Rückkehr. Sie erzählte mir auch immer wieder von ihrem Dorf und wahrscheinlich sehnte sie sich, aber zurückkehren konnte sie nicht mehr. Sie wollte nicht, dass ich Mama zu ihr sagte... – „Na, was wird denn, wenn sich irgendwann jemand aus deiner Familie findet?“ sagte sie Und dann gibt es noch Marta Zeiger. Sie wohnt in der Nachbarstraße und ist in der ganzen Schule immer am schönsten gekleidet. Zu Hause hat sie einen vollen Schrank voller unterschiedlicher Kreationen. Ihr Vater ist Mechaniker und arbeitet in der Heilquelle. Er weiß, wie man Tiefbrunnenpumpen bedient und außer ihm kann das keiner. Und da die Sanatorien voller Kranker sind, wird man solche Deutsche wie ihn niemals von hier gehen lassen. Zu unserer Clique gehört noch Igor, er ist wahrscheinlich der Begabteste an der ganzen Schule und ihm fällt alles leicht. Der Unterricht an der Schule hat noch nicht wirklich begonnen und außer in Polnisch hat er schon gleich die besten Noten. Er wohnt jetzt wieder im Kloster hinter der Kirche. Nachdem sie dort die Nonnen rausgeworfen hatten, musste er für kurze Zeit ins Haus für Kriegswaisen auf dem Schloss in Szczytna. Das Schloss steht auf einem Berg und man braucht nur den Park zu durchqueren und schon kann man es sehen. Noch vor wenigen Wochen befand sich dort ein Schulungszentrum der Hitlerjugend, „Rückers“, aber dann wurde es zu einem Waisenhaus umfunktioniert, denn man musste dort nichts verändern. „Wir schlafen sogar in den gleichen Betten“, erzählt Igor. Einmal fragt ihn Marta, warum er so einen russischen Namen hat, wenn er doch Deutscher ist. „Genau wegen dieses beschissenen Namens haben sie mich nicht zu dem Transport mit den Ordensschwestern nach Deutschland genommen“, sagt er. Sie meinten, jemand mit so einem Namen gehört einfach hierher. Eigentlich heißt er Raphael, aber als die Russen kamen, änderten sie ihm Altheider Weihnachtsbrief 2016

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sofort seinen Namen, dann war der Nachnahme an der Reihe, aber den konnte er sich zumindest aussuchen. In den Papieren der Ordensschwestern hieß er Baumann, aber das gefiel den Polen nicht. Er sollte sich aus einer Liste etwas mit B aussuchen und wählte Burek, weil es so kurz ist. So heißt er seit einigen Monaten Igor Burek und hat jetzt polnische Papiere. Marta, Walter und Igor treffen sich nach dem Unterricht und schlendern durch die Stadt, werden schnell unzertrennlich. Manchmal begleiten sie Igor nach Hause. Eines Tages schauen sie auf dem Rückweg am Friedhof vorbei. Seit er als ehemals deutsch gilt, ist er verlassen, keiner kommt vorbei und besucht Gräber. Marta nimmt Walter an die Hand und führt ihn zwischen den Gräbern hindurch. Sie hält am Familiengrab. „Das ist das Grab meines Bruders, aber er selbst liegt nicht darin. Er war ein Jahr älter als ich. Wolfgang musste an die Ostfront“, sagt sie. „Kaum war er weg, da kam schon nach wenigen Tagen die Nachricht, dass er gefallen ist. Dann schickten sie uns seine Habseligkeiten, in so einem kleinen Paket“, zeigt sie. „Und die haben wir hier vergraben, in Großmutters Grab.“ Marta fängt an zu weinen und umarmt Walter, schmiegt sich an ihn und er nimmt ihre Haare in seine Hand, dieser Geruch erinnert ihn an etwas. Er küsst sie und Marta krallt sich fest an ihn und berührt ihn sanft mit den Lippen. Walter spürt ihre Nähe und ihren Atem. Er lehnt an den Baum, ihm wird schwindelig, als Marta sich an ihn schmiegt. Ist das immer so, wenn man verliebt ist, fragt er sich. „Komm schon, ich zeige dir meinen Lieblingsplatz“, flüstert Marta, ihn ununterbrochen küssend. Weiter an der Hauptallee sieht man schon von weitem ein großes Grabmal aus Marmor, das aussieht wie eine kleine Kapelle. An der Wand befindet sich eine wunderschöne Tafel und ein Name: Hans Ramshorn – den Heldentod gestorben. Deine dankbare Heimat. Das Grabmal hat schwere Metalltüren, aber die sind verschweißt und ohne Schloss. Sie verfügen über schöne Verzierungen und Pflanzenreliefs und wenn man sich länger darin vertieft, erkennt man darin versteckte kleine Hakenkreuze. „Was machen die noch hier?“, fragt Walter. „Die müssen die Russen übersehen haben“, antwortet Marta. „Wer hat da schon so genau hingesehen? Seine Beerdigung war ein Ereignis, es sind sogar Führerbonzen aus Berlin angereist. Das weiß ich, denn mein Vater hat mir davon erzählt. Er hat auch viele Fotos gemacht, da er seine neue Leica ausprobieren wollte. Sie zeigt auf das Grab und sagt: „Er war auch einer dieser Sorte, aber Gott sei Dank ist es ihm gelungen, schnell für den Führer zu fallen, „Gefallen für die Heimat, unsere Glatzer Heimat“ liest sie an der Grabtafel weiter. Wie sinnlos, denkt er später. 72

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Hans Ramshorn ist Ehrenbürger und Sohn von Altheide, bestimmt auch weiterhin Schirmherr der Schule, denn die Tafel hat noch keiner geschafft vom Gebäude zu entfernen. Sie hängt definitiv zu hoch, und seit die Plünderer weggefahren sind, ist keine Leiter auffindbar. Ramshorn wurde, seit er von Adolf, wie er den „Führer aller Zeiten“ vertraulich nannte, gehört hatte, zu seinem glühenden Verehrer und kannte kein Leben mehr außerhalb der Gestapo. Er organisierte in Altheide eine Geheimpolizei und stieg schnell auf. Die Früchte seines Engagements zu ernten war es ihm jedoch nicht vergönnt, denn er wurde heimlich von einem unbekannten Täter erschossen, wahrscheinlich von seinem Liebhaber. Und die Partei hat sich jetzt für seine Verdienste mit einem wunderschönen Grabmal revanchiert. Hinter dem Grabmal steht versteckt unter einem kleinen Vordach eine Bank, die von der Hauptallee nicht zu sehen ist. Das ist Martas Platz, sie kommt hierher, um Bücher zu lesen oder wenn sie allein sein will. Und jetzt sitzt hier Walter neben ihr und küsst ihren Hals. Er ist in sie verliebt, aber lässt es sich nicht anmerken. Ihm gefällt an ihr, dass sie sich auf den Pausen in der Schule nicht übertönen lässt. Zu Beginn riefen sie ihr „Hitlermädchen“ und uns „Fritzen“ hinterher, aber dafür ist Igor da und er kommt schnell damit zurecht, wie von Sinnen stürzt er sich mit den Fäusten auf diese polnischen Kinder. Die Züge aus dem Osten kommen nun immer öfter in Altheide an und unsere Klasse beginnt sich langsam zu füllen. Die Neuen sind irgendwie merkwürdig, fast niemand spricht gut polnisch, nur ukrainisch oder russisch oder in noch anderen, unverständlichen Dialekten. Viele von ihnen waren viel älter als wir, konnten aber nicht lesen. Ein Sammelsurium aus den merkwürdigsten Orten irgendwo da im Osten, von denen niemand von uns jemals etwas gehört hat, aber etwas verband uns doch – fast niemand hatte einen Vater. In der Schule fragte niemand woher man kam, überhaupt nach gar nichts. Es war wie ein ungeschriebenes Verbot, über sein Zuhause zu sprechen. Die Kinder besuchten sich nicht nach der Schule, jeder lebte für sich alleine. Nur wir waren eine Ausnahme. „Ihr seid also die Deutschen?“, fragten sie uns zu Beginn und wandten sich gleich ab. Später, als am Bahnhof noch ein Transport mit Griechen und später sogar mit Zigeunern ankam, wurde es problematisch. Es fehlten Sitzbänke, die Klasse wurde zu einem Turm zu Babel, ständig verwechselten wir die Sprachen und Polnisch sprach fast niemand mehr, vom Schreiben ganz zu schweigen. So saßen wir auf diesen Bänken, einer neben dem anderen, sie – ein Sammelsurium der verschiedensten Käffer aus dem Osten – und wir von hier, die Deutschen. Durch das Zentrum von Polanica fließt die Bystrzyca, ein reißender Bergfluss, der wie eine Grenze den Zutritt zur Kurgegend, dort wo sich der Park, die Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Hotels und die Kurhäuser befinden, verwehrt. Dort wohnten nur wohlhabende Leute, aber jetzt? Gerechtigkeit muss sein. Die großen, reichen Villen füllten sich langsam mit armen Vertriebenen aus dem Osten. Frauen und Kinder sitzen tagelang vor den Häusern auf den Treppen, als warteten sie auf etwas. Ich habe nicht gesehen, dass sich dort jemand eingerichtet oder neue Gardinen aufgehängt hätte, nur hier und dort sah man in den Gärten und Garagen mitgebrachtes Vieh. Ich denke, den armen Leuten war es egal, ob sie jetzt in irgendeinem Palast oder einem Landhaus wohnten. Sie fühlten sich hier heimatlos. Eines Tages wartet auf dem Rasen vor Walters und Władkas Haus eine Gruppe Menschen darauf, dass ihnen jemand öffnet. Sie gehören zum heutigen Transport und waren fast einen Monat aus Kasachstan unterwegs. Neben ihnen liegt ein Berg Gepäck und am Zaun angebunden stehen zwei stark abgemagerte Ziegen. Es sind Umsiedler, die eine Zuweisung für ihr Haus, eine Zuteilung zu einer Wohnung erhalten haben. Als Władka endlich von der Arbeit kommt, öffnet sie ihnen die Tür und lässt sie herein. Sie führt sie ins Erdgeschoss und öffnet das Arztzimmer. Seit der Arzt weggefahren ist, steht sein Arbeitszimmer verschlossen. Die Gruppe tritt ein und schließt die Tür hinter sich. Bis in den Abend hinein hört man von dort Krach und das Verschieben von Möbeln, bestimmt richten sie sich ein, denn alles was sie nicht brauchen, stellen sie auf den Flur. Doch nach einigen Tagen tritt unerwartet Ruhe ein. Die Bewohner sind plötzlich verschwunden, doch abends klopft überraschend jemand an der Tür. Władka zögert, öffnet aber doch. Vor der Tür steht ein junger Mann in einem langen Armeemantel, nimmt die Mütze ab und stellt sich vor. Er erklärt, er habe gerade die Wohnung getauscht und sei jetzt unser Nachbar, er werde mit seiner Frau im Erdgeschoss wohnen. Sie ist zwar stumm und geht kaum raus, dafür wird aber jemand auf das Haus aufpassen, erklärt er. Den Vorgängern hat es hier überhaupt nicht gefallen, erklärt er ungefragt, sie klagten über die Lage neben dem Park und überhaupt, und vor allem fehlte im Garten ein kleiner Stall. Władka wurde immer klarer, dass sie nicht nach Cimuszowa zurückkehren würde, dass ihr Platz jetzt hier war. Aber sie war zufrieden, sie muss nicht mehr diese roten Ausweispapiere mit gotischer Aufschrift auf dem Deckel „Behelfsmäßiger Personalausweis“ mit sich herumtragen. Altheide gefällt ihr, alles ist so sauber, im Park so viele unbekannte Pflanzen, sie kann sich dort jetzt auf jede Bank setzen, gehen wohin sie will und sogar das bekannte Café der Doerners betreten. Aber das ist nichts für sie, sagt sie. Sie hat eine neue Arbeit in der Heilquelle bekommen, hat umgeschult und ist jetzt Badefrau, bereitet die Schlammbäder vor. Die Arbeit ist leicht, sie nimmt den Torf aus den Fässern und legt ihn in Kupferwannen mit heißem Wasser. Sie muss ihn nur gut umrühren. Mit der Zeit begann sie unsere Etagenwohnung auf ihre Art einzurichten. 74

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Die Bücherstapel, Kartons und medizinischen Geräte aus dem Arztzimmer unten, sowie die schweren Bilder aus dem Wohnzimmer begannen wir ins Souterrain zu tragen. Und ich begann, mir meine eigene Ecke zwischen den Koffern und Kartons einzurichten. Und so fand Walter, Władkas deutsches Adoptivkind, hier seinen Platz. Ein alter Schreibtisch, ein Schrank und die vom Arzt hinterlassenen Sachen gehörten jetzt ihm. Er schließt die Tür mit dem Schlüssel und beginnt seine Beute durchzusehen, der Reihe nach, jede Sache nimmt er in die Hand und begutachtet sie genauestens. Er findet einen Karton mit farbigen Dias und schließt einen Projektor „Leitz Wetzlar – Wundertechnik“ an, gefertigt aus glänzendem Kupfer und wie neu funkelnd. Auf einem noch freien Stückchen weißer Wand kehrt für einen Augenblick die Zeit zurück, erwacht das Haus von vor einigen Jahren: vor dem Haus erscheinen der Arzt, seine Familie, lachende Gesichter, die Gattin und zwei Töchter auf der Treppe. Und er in Uniform der Wehrmacht, aber das heißt ja nichts, damals hatte jeder Mann eine Uniform. Man schreibt schließlich das Jahr 1943. Und jetzt Fotos im Wintergarten und am Tisch! Mädchen in Dirndln und noch einmal ihre Gesichter, die in das Objektiv schauen. Sommer in Altheide, Sonntagsspaziergänge, auf die Kurgäste warten die Kutschen, wunderschön fotografiert auf Agfacolor Umkehrfilmen. Und jetzt Winter! Schnee, Schlitten. Und er erkennt – dieser Weg da ist doch der Höllenweg, hier direkt hinter dem Park. Und die Gaststätte mit der Aussichtsterrasse. Hunderte farbiger Dias. Vollkommene Idylle, eine glückliche Familie. Plötzlich beginnt Walter, sich nach seinem Vater und seiner Mutter zu sehnen... und er merkt, dass er weint wie ein Kind, aber er ist ja noch ein Kind, also darf er weinen. Hier, hinter den Türen im Keller einer fremden Villa, sieht ihn niemand. Marta muss ab jetzt die Nachmittage alleine verbringen, denn Walter sitzt tagelang im Souterrain und sieht die Sachen des Arztes durch, findet Briefe und Unmengen an Kleinigkeiten. Warum haben sie das nicht mitgenommen? Er fragt sich, wo sie jetzt sind, wo sie wohnen und ob sie wohl hierher zurückkommen? Erst am Samstagmorgen klingelt jemand an der Tür. Igor steht auf der Schwelle und hat Sidi mitgebracht. Seit einigen Tagen sitze ich mit ihm in einer Bank, und er ist auf meine Schätze gespannt, sagt er. Sie treten ein und Walter zeigt ihnen, was er gefunden hat. Fasziniert wissen sie nicht, wo sie hinschauen sollen, umgeben von Bücherstapeln, Bildern, verschiedenen medizinischen Geräten, Sammlungen von Insekten und Schmetterlingen und dazu noch verschiedenen Tierskeletten. Sidi steht da wie gebannt, mit offenem Mund, und seine Sicherheit und Arroganz sind plötzlich verflogen. Sidi tauchte vor einigen Tagen an der Schule auf. Während des Religionsunterrichts hören wir vor der Schule plötzlich das Brummen eines Motors, ströAltheider Weihnachtsbrief 2016

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men zu den Fenstern und da ist die Sensation. Ein Motorrad fährt vor der Schule vor. So etwas hat noch keines von den polnischen Kindern gesehen. Ein hochgewachsener, schlanker Junge mit Brille und lederner Automütze steigt ab und betritt wenig später mit dem Schulleiter unsere Klasse. Die Lehrerin zeigt ihm einen freien Platz in meiner Bank und jetzt wenden sich alle Blicke auf uns. Jetzt sieht man, wie unglaublich groß er ist und wahrscheinlich ist er viel älter als wir. „Sidi“, stellt er sich in der Pause vor und schüttelt uns nacheinander freundlich die Hand. Er sagt gleich, dass er Jude ist und aus Russland, aus Kasachstan kommt. „Meinen Vater haben sie hier dienstlich versetzt“, erklärt er, „aber in so einem Kaff halten wir es bestimmt nicht lange aus“. Sidi muss immer der Wichtigste sein, Eindruck schinden und erzählt bei jeder Gelegenheit phantastische Geschichten darüber, was er in Russland gesehen hat. Bestimmt denkt er sich das nur aus, aber unseren Mädchen gefällt es, sie hören ihm gespannt zu. Nur Marta himmelt ihn nicht an, „Klugscheißer“ nennt sie ihn, und er ärgert sich, denn er weiß nicht, was das heißt. Wenn er mit uns zusammen ist, kann er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Wenn wir auf den Friedhof zu unserem Ramshorn gehen, kommt er oft mit. Wir lümmeln auf der Bank an dem Grab und unterhalten uns. Er versteht nichts davon, aber er sitzt da und starrt Marta an. Bei jeder Gelegenheit rühmt er sich, dass sein Vater ein wichtiger Kommunist ist, den ganzen Krieg über sind sie in Russland umher gefahren, er erzählt von seinen Abenteurern und Reisen durch Sibirien und Kasachstan, über die Jagd in der Taiga und von einer Fahrt mit einem kleinen Schiff den Jenissei hoch. „Besser als Sibirien ist nur Palästina und ganz bestimmt fahren wir schon bald dorthin. Für immer“, unterstreicht er. – „Wenn ihr artig seid, werde ich euch Postkarten schicken“, – verspricht er. „Was macht Dein Vater eigentlich genau?“ fragt Igor. „Er ist dienstlich versetzt worden und soll hier mit den Deutschen aufräumen. Hier in den Bergen halten sich noch viele versteckt. Jetzt greift er durch und wenn er will, kann er euch auch einbuchten. Auch ich kann die Deutschen nicht leiden“, sagt er durch die Zähne, „denn sie zeigen ständig, dass sie besser sind. Aber jetzt wurden sie in Sibirien in Lager gesperrt und arbeiten dort, so wie es sich gehört“. „Hast Du sie gesehen?“ - fragt Marta. „Mit eigenen Augen. Sie sitzen hinter Stacheldraht und so soll es sein“, und schaut dabei auf Igor und mich. „Hast Du dort zufällig Wolfgang gesehen?“ fragt Marta. „Was für einen Wolfgang? Wer ist das?“, fragt er aufmerksam. „Mein Bruder.“ Sie dreht sich plötzlich um und geht weg, ohne seine Antwort abzuwarten. 76

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Nach dem Unterricht gehen die Kinder in Grüppchen nach Hause, sie haben es nicht eilig. Zu Hause ist wenig zu tun. Walter, Igor und Marta treiben sich meistens neben dem Sanatorium Nummer Eins herum und beobachten die vorfahrenden Pferdekutschen. Die Patienten liegen in dicke Decken eingehüllt auf der Terrasse und sonnen sich. Ein Stückchen weiter befindet sich die Mineralwasserquelle und hier kann man immer irgendwelche Kameraden aus der Klasse treffen. Alle albern herum und bespritzen sich mit Wasser und Sidi ist wie immer ganz vorne dabei. Er wurde auf Anhieb Vertreter der Schülerselbstverwaltung und begann sich breit zu machen. Aber alle gehorchten ihm, denn er hatte überall Zutritt und nahm uns mit. Er wusste, wo man sich noch hineinschleichen und einen Schatz finden konnte. Finden! Das ist das falsche Wort, klauen! Alle Kinder liefen nach dem Unterricht in den verschiedensten Ecken herum und suchten Schätze. „Was macht ihr jetzt, ihr Fritzen?“ fragt er, „wir gehen nämlich gerade zu den Zigeunern, kommt ihr mit?“ Die Zigeuner nahmen nur die Wohnungen im Erdgeschoss oder im Souterrain. Im Sommer hatten sie immer alles sperrangelweit offen stehen und dann konnten wir einen Blick nach innen werfen. Das war sogar interessant, denn manchmal konnten wir sehen, wie sie beteten und auf den Teppichen knieten. Ihre Wohnungen waren vollständig mit Teppichen ausgelegt, auf den Böden, an den Wänden, überall nur Teppiche und Bilder aus den deutschen Wohnungen. Wir nähern uns jetzt vorsichtig einer dieser großen Pensionen. Sie wohnen hier im Hof, in einer zu einer Wohnung umfunktionierten Garage. „Zigeuner, Zigeuner!, schreien wir aus voller Kehle, werfen Steine hinein und hauen dann schnell ab. „Was für Trottel“, fasst Marta zusammen. –„Zwei von denen gehen doch mit uns in eine Klasse und die sind doch in Ordnung. Morgen kommen bestimmt ihre Eltern in die Schule und dann wird es Probleme geben. Sie werden sich jetzt an uns rächen wollen. Weißt du nicht wie sie sind?“ „Ach, kein Problem. Ich drehe mit ihnen eine Runde auf dem Motorrad durch den Park und die Sache ist erledigt“, antwortet Sidi. Er kommt immer mit seinem Motorrad zur Schule, denn die Mädchen wollen, dass er sie nach dem Unterricht herumfährt. Sie stehen Schlange vor der Schule und er dreht mir jeder eine Runde im Park. Wir stehen dabei und sehen uns das Motorrad aus der Nähe an. Es ist wunderschön. „Wisst ihr überhaupt, was das ist? Was das für eine Maschine ist? Das ist eine echte K-750, Vater hat eine besondere Genehmigung erhalten, damit er sie hierher einführen darf. Es gibt keine bessere Maschine.“ Marta wartete einen Augenblick ab, schaut ihm direkt ins Gesicht und sagt nachdrücklich durch die Zähne: „Mein Vater hatte eine bessere, eine BMW, er Altheider Weihnachtsbrief 2016

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hat sie vor den Russen versteckt, aber das hat nichts geholfen, denn sie haben es gefunden und mitgenommen. Jetzt fährt es bestimmt irgendwo über Deine beschissenen Kolchosen.“ „BMWs haben sie nur nach Moskau mitgenommen, in die Zentrale. Und woher hatte Dein Vater es?“ Marta lädt uns alle überraschenderweise am Sonntag zu sich zu Besuch ein. Ihr Haus ist eine große Villa in einer kleinen Straße auf dem Hügel im Park. Das Gartentor ist herausgerissen, weshalb wir uns gleich in einem Flur wiederfinden und an eine Tür klopfen. Eine ältere Frau im Tuch öffnet und Walter fragt nach Marta. Die Frau versteht schlecht polnisch, also schaltet Sidi sich ein und fragt auf Russisch. Marta musste unsere Stimmen gehört haben, denn sie tritt auf den Flur hinaus. „Das ist die neue Nachbarin“, erklärt sie. – „Kommt, meine Eltern sind noch in der Arbeit. Sie führt uns in einen zu einer provisorischen Wohnung umgebauten Keller. Marta hat sich hier eingerichtet. Walter fragt, warum sie im Keller wohnen und Marta ist ein bisschen verlegen. „Unsere Wohnung ist oben, aber wir mussten sie abgeben. Du hattest mehr Glück, denn Deine Władka ist Polin und ihr steht eine Wohnung zu, uns nicht. Euch können sie beim dem Arzt schon nicht mehr herauswerfen“. „Es sei denn, sie kommen zurück. Alle sagen, dass die Deutschen zurückkommen“, sagt Igor. „Władka sagt auch, dass ihr Arzt noch zurückkommen kann“, bestätigt Walter. „Doktor Schlegel? Niemals“, sagt Marta entschlossen. „Warum? Kanntest du ihn?“, fragt Walter. „Alle kannten ihn, Vater sagt, wenn er nicht geflohen wäre, hätten sie ihn hier sofort umgebracht“. Marta stellt Kuchen auf den Tisch. – „Mama hat Blechkuchen für Euch gemacht“, sagt sie. –„Kakaoschale gibt es auch“. „Was ist das?“, fragt Sidi. Er nimmt eine Tasse und probiert: „In Kasachstan gab es das gleiche auch, aber wenn Du willst, bring ich Dir morgen richtigen Kaffee für Deine Mama mit“, sagt er gönnerhaft. „An Doktor Schlegel erinnere ich mich, und seine Töchter, zwei hochnäsige Ziegen“, fährt Marta fort. „Mein Vater mochte ihn nicht, weil er immer, auch wenn er nicht musste, in Uniform unterwegs war. Angeblich wohnte vor ihm irgendein anderer Arzt in eurem Haus. Du weißt, was ich meine“. Nachdem Igor und Sidi nach Hause gegangen waren, blieben wir alleine zurück und Marta wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, sie war irgendwie gehemmt. „Ich hab es Dir nicht gesagt, aber ich habe heute Geburtstag, daher die Einladung“, – sie schmiegt sich an ihn und küsst ihn. – „Liebst Du mich? Ich Dich nämlich ja. Aber Mädchen sollten das nicht als erstes sagen, richtig?“ Als sie ihn umschlang, fühlte er, wie er weiche Knie bekam. Sie zieht ihn 78

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leicht an der Hand in das andere Zimmer. „Komm hierher, aber ärgere Dich nicht. Ich möchte, dass Du mir ein Geschenk machst“, sie öffnet einen randvoll mit sorgfältig zusammengelegten Kleidern gefüllten Schrank. „Das sind Wolfgangs Sachen und wir wollen sie nicht wegschmeißen. Es wäre schade drum, solche Sachen hat hier niemand. Und Dir werden sie passen, ihr habt die gleiche Figur“, redet sie ihm zu. „Ich würde dich gerne schön anziehen und dann gehen wir spazieren. Das wird ein Geburtstagsgeschenk von dir. Für mich“. Walter setzt sich in den Sessel und beobachtet, wie Marta die Anziehsachen ihres Bruders aus dem Schrank holt, sie anschaut und sorgfältig auf dem Bett zusammenlegt. Dann geht sie zu ihm, setzt sich auf die Sessellehne und beginnt, sein Hemd aufzuknöpfen. „Hab keine Angst, ich tue dir nichts“, sie umarmt ihn und setzt sich auf seine Knie. Sie küssen sich und kurz darauf liegen sie auf dem Bett. Walter kehrt die dort noch verteilten Anziehsachen auf den Boden. Marta wollte sich mit mir zeigen. Wir gingen die Promenade entlang und ich trug jetzt einen schönen sportlichen Anzug und einen leichten Herbstmantel. Wir müssen in unserer Aufmachung ausgesehen haben wie von einem anderen Planeten, unglaublich elegant, denn als wir zu den Doerners zum Eisessen gingen, hat uns bestimmt jeder hinterher geguckt. Und da war Marta glücklich. Der Abend nähert sich und in der „Parkowa“ beginnt der Sonntagstanz. Davor versammeln sich die Menschen, um die tanzenden Paare zu beobachten. In dem Café sind eine ganze Wand und die Decke aus Glas und man kann den Saal ausgezeichnet sehen. „Schön ist es hier“, sagt sie und schaut auf Walter. Aber der kann nicht tanzen, und wahrscheinlich besteht Marta nur deshalb nicht darauf, hineinzugehen. Wir stehen lange draußen, schauen durch die Fenster nach drinnen und hören zu, wie das Orchester polnische Schlager spielt. Das schöne Altheide blieb vom Krieg unberührt, aber jetzt verwandelt es sich langsam in Polanica, die deutsche Welt ist gestorben und eine neue, polnische, wird geboren. Der Herbst hat schon lange Einzug erhalten und es dunkelt rasch. Die drei verbringen ihre Abende jetzt im Souterrain bei Walter. Sidi kommt auch oft. Gemeinsam graben sie sich durch Schuhkartons, den Schrank und den Schreibtisch, finden geheimnisvolle Apparate, entdecken die Geheimnisse des Doktor Schlegel. Sie legen kleine, verstaubte Scheiben und vertrocknete Präparate unter das Mikroskop und sehen, dass sich auf den toten Scheiben doch etwas bewegt. Das können nur Bakterien sein! Sidi ist aufgeregt, schneidet sich den Finger Altheider Weihnachtsbrief 2016

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auf, verreibt einen Bluttropfen auf einer Scheibe und schaut fasziniert durch das Okular: „Schau mal hier, das ist Blut! Mein eigenes“. Igor findet irgendein Gerät mit Kurbel und zwei kupfernen Drähten. „Halt mal kurz“, – sagt er und beginnt schnell an der Kurbel zu drehen. Sidi spürt, wie der Strom durch seinen Körper strömt und angenehm kitzelt. Was für ein Spaß. Jetzt fassen wir schon alle die Drähte an, nehmen uns an den Händen und Marta dreht wie verrückt an der Kurbel. Der Strom geht durch unsere Hände, von einem zum anderen und kitzelt. Wir lachen wie verrückt. Wenn Władka Nachmittagsschicht hat, greifen die Jungs nach den schweren Arztbüchern. Marta darf davon natürlich nichts erfahren. Die Jungs haben noch nie einen Frauenkörper gesehen, also so genau. Mit geröteten Gesichtern schauen sie sich Abbildungen an, farbige Bilder von Fragmenten menschlicher Körper. Man erkennt auf ihnen Geschwüre, irgendwelche rote Flecken und Pusteln. Aber Sidi wäre nicht er selbst, wenn er es ertragen würde, für einen Augenblick nicht im Mittelpunkt zu stehen. Plötzlich zieht er einen kleinen Revolver aus der Tasche. Er legt ihn auf den Tisch und wartet mit gespielter Gleichgültigkeit auf unsere Reaktion. Ich verspüre plötzlich eine merkwürdige Angst, als sollte ich gleich sterben. Vor mir liegt das offene Buch und ein buntes Bild irgendwelcher üppiger Frauenbrüste, und daneben, im Halbdunkeln, sehe ich im Augenwinkel die Pistole. Igor ist immer geistesgegenwärtig. Er steht auf, geht ruhig zum Schalter und knipst das Licht an. Die Glühbirne befindet sich genau über Sidis Kopf und als das Licht aufleuchtet, verschwindet die Angst plötzlich. Sidi wendet seinen Blick noch immer nicht von uns ab, als ob er auf etwas warten würde, aber wir reagieren weiterhin nicht, dann gibt er auf und steckt den Revolver widerwillig zurück in die Tasche. „Das ist nicht meiner, sondern von meinem Vater“, klärt er auf“, aber wenn ihr wollt, zeige ich euch morgen etwas Besseres als diese deutschen Bildchen. Aber das soll ein Geheimnis sein, ihr müsst versprechen, dass ihr niemandem in der Klasse etwas sagt“. Sie verabreden sich am nächsten Morgen beim Bahnhof. Es ist Sonntag und früh morgens. In den Bergen hängt der Morgennebel, der November beginnt und morgens wird es kühl. An der Bahnhofsmauer erkennt man noch die nachlässig mit Farbe übermalte Aufschrift: Altheide Bad/Krs. Glatz. Der Bahnhof ist leer, kein Mensch zu sehen, aber auf dem Nebengleis steht ein Zug, ohne Dampflokomotive. Vor einigen Tagen hat er vierundsechzig Familien aus der Ukraine gebracht. Es sind zwar Güterwaggons, aber aus jedem ragt ein rauchendes Ofenrohr heraus, jeder Waggon muss einen Ofen haben, der wärmt und man kann etwas auf ihm kochen. In einigen Wagen sind die Türen aufgeschoben, und drinnen sieht man irgendwelche Menschen. Das sind bestimmt die, die jetzt durch die ganze Gegend laufen und für sich einen Haushalt su80

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chen. Er wird immer schwieriger, etwas zu finden. Deswegen wohnen sie erst einmal im Zug. Sidi führt uns vorsichtig auf der anderen Seite ans Ende des Zuges, leise umkreisen sie den letzten Waggon. Sie klettern in das Bremserhaus, Sidi steigt auf einer Leiter bis unter das Dach, öffnet eine kleine Lüftungsklappe und gibt ein Zeichen mit der Hand, dass sie reinkommen sollen. Sie gehen rein. „Das ist der letzte Waggon im Zug und in diesen Zügen heißt der letzte Waggon immer „spezial“, sagt er flüsternd, „in allen Zügen, die aus dem Osten hierher kommen. Solch ein Zug fährt über einen Monat hierher, mit so einem sind wir auch gefahren, das weiß ich. Und deshalb muss in dem Zug ein Liebeswagen sein! Wenn Menschen so lange fahren, wollen sie sich lieben, und wo sollen sie das machen? Schaut hier, durch das Fenster“. Igor und Walter versuchen etwas zu erkennen. Der Blick gewöhnt sich langsam an die Dunkelheit und jetzt erkennen sie. Es ist da! Eine Holzpritsche und eine Decke auf dem Heu. Jemand liegt darauf, man hört Stöhnen und dann leise Schreie der Frau. Die Jungs lassen sich nicht vom Fenster abziehen und Sidi wird langsam ungeduldig: „Es reicht, genug für heute. Der Zug wird hier noch ein paar Tage stehen. Gehen wir, denn gleich gehen die Leute los in die Kirche und können uns erwischen“. Nach einem Augenblick hört man tatsächlich das Schlagen der Glocken. Aus den Waggons stellt jemand Stühle heraus und wie über Stufen steigen Frauen heraus, festlich gekleidet, in langen, bunten Röcken in Streifen und roten Mützen auf dem Kopf. Walter fragt Igor:„Hast du schon mal solch komische Klamotten gesehen?“ „Was labert ihr denn schon wieder“, tadelt Sidi. Die Menschen aus dem Zug gehen in Richtung Stadt, in die Richtung, aus der die Glocken zu hören sind. In der Schule gibt es jetzt eine neue Russisch-Lehrerin, bei ihr haben sie täglich Unterricht. Sie ist wahrscheinlich nicht ganz normal, denn sie redet Unsinn, erzählt uns ohne Pause, wie schön es in der Sowjetunion ist. Sie kommt mit einer Mandoline zum Unterricht und singt sehnsüchtige, russische Lieder. Dann müssen wir sie auswendig lernen und die ganze Klasse wiederholt laut die Strophen. Igor hasst Russisch und Sidi wirft plötzlich mit einem Lächeln ein: „Singt ihr doch zum Trotz etwas auf Deutsch vor. Schauen wir mal, wie sie reagiert. „Oh, ja „Häschen in der Grube?“, greift Marta sofort auf und beginnt laut zu singen. „Häschen in der Grube, saß und schlief. Armes Häschen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst?”, singt sie fröhlich. Sidi unterbricht: „Es kann sein, dass sie wütend wird, wenn sie das hört“, er denkt einen Augenblick nach. – „Sie wird wütend und läuft zum Schulleiter Altheider Weihnachtsbrief 2016

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und der wird sie ausschimpfen, dass sie die Klasse nicht unter Kontrolle hat. Und dann bekommen wir eine andere, normalere. Wenn ihr singt, habt ihr eine Belohnung bei mir sicher!“ „Was für eine“? „Ich habe da ein Grab im Auge“, sagt er geheimnisvoll. – „Dort gibt es bestimmt Schätze. Ich habe ein bisschen Dynamit zu Hause, wir jagen es in die Luft und wenn wir ihn herausholen, dann kriegt ihr die Hälfte.“ „Aus dem Grab?“ „Das ist jetzt üblich, alle wühlen und sind reich“. Am nächsten Tag, zwischen der einen und der anderen Strophe von „Moskauer Nächte“ fangen wir plötzlich an „Häschen in der Grube“ zu singen, grölen aus voller Kehle. Die Klasse verstummt und keiner weiß, worum es geht, außer uns kann doch keiner Deutsch. Die Russisch-Lehrerin erstarrt, als die drei deutschen Kinder aus der letzten Bank plötzlich laut über ein Häschen in der Grube zu singen beginnen. Aber auch sie kann kein Deutsch, sie hört nur ein deutsches Gestammel. Sie stößt einen gellenden, hysterischen Schrei aus und läuft mit irrem Blick aus der Klasse. „Nazis! Miliz!“ Hört man noch auf dem Flur. Wenig später spielten sich in der Klasse Szenen ab, die unvergesslich sind. Die ganze Schule lief zusammen und der Schulleiter und die Lehrer hätten uns gelyncht, wenn sie denn gekonnt hätten. Als uns die Miliz aus der Schule führt, sehe ich im Augenwinkel Sidi im Fenster, wie er lacht. Erst nehmen sie uns mit auf die Wache, aber Marta wird gleich nach Hause entlassen. Es bleiben nur ich und Igor. Sie halten uns für Spione und verhören uns in der Behörde für Sicherheit. Dann bringen sie uns nach Waldenburg in die Besserungsanstalt für Minderjährige. Unerwarteter weise wurden wir zu Verbrechern und sitzen in der stickigen, bis auf die letzte Pritsche belegten, Zelle. „Deutsche? Für was haben sie euch dran gekriegt?“, fragen die Jungs in der Zelle nach und wir wissen nicht, was wir darauf antworten sollen. Sie fragen also die Wärter und die sagen, wir seien Spione, deutsche Spione. Das war der Wendepunkt, denn ab dem Augenblick zeigen sie uns gegenüber großen Respekt, bieten uns Zigaretten an und wir rümpfen gleich die Nase. Sie lassen uns schon nach einer Woche raus, so plötzlich wie wir hierhergekommen sind und wahrscheinlich nur darum, weil die Arrestzelle total überfüllt ist und es hier keinen Platz für uns gibt. Sie bringen uns zurück nach Polanica, aber in die Schule können wir nicht mehr zurück. Nach dieser Affäre ist uns die Lust auf weitere Mätzchen absolut vergangen, wir sind niedergeschlagen. Niemand weiß, was man mit uns machen soll, also verbringen wir die Zeit nachmittags im Kino oder auf dem Friedhof neben dem Grabmal unseres Ramshorn. Vormittags lesen wir Bücher aus der Bibliothek des Arztes. Das ist unsere Rettung. Die Bücher haben wunderschöne Abbildungen und vergoldete Umschläge, aber das garantiert ihnen nicht das Überleben. Sie sind in einer 82

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unbekannten Schrift verfasst, in einer Sprache, die hier niemand versteht. Und wir sind ihre letzten Leser, die letzten, die sie vor ihrem Tod noch in die Hand nehmen. Der Frost setzt ein, also sind sie zum Heizen verurteilt. Sie liegen stapelweise an der Wand, gleich dem Ofen der Zentralheizung, und warten. Diesen Winter wird ganz Altheide mit Büchern beheizt. Marta besucht uns täglich, um das Schulmaterial durchzuarbeiten. Als wir über ihren Heften brüten, wühlt sie aus Langeweile in den Kartonstapeln und entdeckt, als sie sie beiseite schiebt, ein Klavier. Über dem Klaviatur ist ein Schild „Franz Liehr – Liegnitz N/S“ – das ist nicht weit von hier, N/S ist doch Niederschlesien. Sie fand gleich irgendwelche Noten und begann zu üben. Die langsamen Stücke gelangen ihr besser, bei den schnellen verlor sie sich. „Ade zur guten Nacht“ – singt sie die erste Strophe. – „Jetzt wird der Schluss gemacht, dass ich muss scheiden...“ aber weiter erinnere ich mich nicht“, sagt sie. „Ich hab es vergessen – dabei ist das so schön!“ Die Zeit verging, und Władka wird weiterhin zum Verhör bestellt. Eines Tages kommt sie verheult zurück und sagt, dass wir unsere Wohnung aufgeben müssen. Den ganzen Abend sitzen wir zusammen in der Küche und Władka weint. Alles meinetwegen, wegen unserer Dummheit. Am nächsten Tag klingen früh morgens zwei junge Frauen an der Tür und weisen ein Papier vor. Das sind die neuen, denen wir unsere Wohnung abgeben müssen, aber Władka gibt nicht so schnell auf und es gelingt ihr zu erbitten, dass sie uns nicht auf die Straße, in die Kälte werfen. Wir werden im Souterrain wohnen und sie wird im Gegenzug bei ihnen putzen. In den Bergen ist der erste Schnee gefallen und wir ziehen jetzt nach unten, in den Keller, aber das Wichtigste ist, dass wir es warm haben. Unsere Wohnung oben verwandelt sich jetzt in einen Nachtclub. Im Haus hat das Unterhaltungsleben Einzug erhalten und die Tür steht nicht mehr still. Eine Menge Typen kommt zu den zwei Frauen, man weiß nicht, woher die alle plötzlich hier aufgetaucht sind. „Das sind alles Spitzel des UB“, sagt Władka. Sie hat sie schon vorher auf der Milizstation gesehen, als sie verhört wurde. Aber eines Tages erwartet uns eine weitere Überraschung. In der Etagenwohnung kehrt plötzlich absolute Stille ein. Die Partys haben aufgehört, die Türen sind geschlossen, keine Bewegung ist zu sehen. Morde sind jetzt an der Tagesordnung, also gehen wir angstvoll zum Nachbarn im Erdgeschoss und bitten um Hilfe. Als der Nachbar irgendwie durchs Fenster eingestiegen ist, waren wir auf das Schlimmste gefasst, doch die Wohnung sah genau so aus, wie wir sie verlassen hatten. Die Frauen sind so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht sind, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Wir kehren also wieder nach oben zurück, doch in den Nächten lauschten wir noch lange, ob sie nicht zurückkommen. Jedoch kam niemand mehr. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Władka hat jetzt aus Cimuszowa ihre Schwester Wanda geholt, denn in Altheide ist es wie im Wilden Westen geworden. Auf den Straßen streunten ganze Gruppen von Plünderern und gewöhnlicher Banditen umher. Wanda passte nachts im Wechsel mit dem Nachbarn aus dem Erdgeschoss auf das Haus auf. Die Schwestern waren sich sehr ähnlich und konnten haushalten. Ihre Cimuszowa, das war eine gute Schule. Unser Haus glänzt wie damals und wurde wie eine Festung. Zu dritt fühlen wir uns jetzt sicher. Aber wir gehen weiterhin nicht zur Schule, treiben uns mit Igor in den Straßen herum und schlagen die Zeit tot, und wenn es schüttet, sitzen wir bei mir zu Hause. So kam es mir in den Sinn, dass es in dem Haus doch noch einen Dachboden geben müsste. Den Dachboden hatte ich nie betreten, denn um dorthin zu gelangen, musste man eine Leiter aufstellen, aber es gab nirgends eine. Wir holten mit Igor einige Kisten aus dem Garten und sind irgendwie hochgeklettert. Dann musste man noch eine kleine, massive Tür öffnen und als das klappte, sahen wir nur völlige Dunkelheit, ein schwarzes Loch. Es gab kein Licht und die Fenster waren mit irgendetwas verstellt. Wir haben es also gelassen. Walter verfällt wie in eine Lethargie, sitzt in der Küche herum und schaut zu, wie Wanda kocht. Und im Gegensatz zu Władka redet sie gern. So erfährt er die Geschichte ihrer Familie. Wanda erzählt vom Krieg in Cimuszowa. Viel ist davon nicht übrig, was die Deutschen nicht verbrannt haben, zerstörten die Russen. Von ihrer Familie hat sonst niemand überlebt. „Heute ist die Sonne raus gekommen, wir haben Ramshorn lange nicht besucht“, sagt Igor. – „Vielleicht kommt auch Marta, und mit ihr bestimmt auch Sidi. Er weicht doch nicht von ihrer Seite.“ „Ich kann diesen Iwan nicht leiden“, sage ich. Walter und Igor lehnen schon an der Grabmauer und fangen die Reste der geizigen Wintersonne ein. Mittag vergeht, um diese Zeit endet der Unterricht, Marta sollte gleich hier sein. Endlich taucht sie auf. Sie lacht schon von weitem und sie fragen nach Neuigkeiten. „Die Russisch-Lehrerin ist an eine andere Schule versetzt worden, nach Glatz“, sagt sie glücklich. „Wir sollen jetzt mehr Polnisch haben, denn die Neuen wollen nicht lernen und reden nur auf ihre Weise da. Sie haben uns neue Schulbücher gebracht, aber die können nicht lesen! Das ist eine Katastrophe, was hier jetzt passiert. Vater sagt, dass ein neuer Krieg beginnen soll.“ Wir reden jetzt über Sidi und Marta sagt, dass er sich die ganze Zeit über, als wir in Waldenburg saßen, stark an sie ran gemacht hat. „Die Idee mit dem Lied auf Deutsch hat er sich bestimmt ausgedacht, um uns loszuwerden und wir sind drauf reingefallen“, sage ich. „Er wollte eine Chance bei Dir“, sagt Igor zu Marta. – „Denn dass sie Dich 84

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gleich freigelassen haben, das war kein Zufall, das musste er vorher mit seinem Vater abgeklärt haben.“ „Dieser Arschforscher, Oberlurch, Frauenversteher!“. Marta flucht, ist wütend, dass ihr das nicht aufgefallen ist. „Leise, er kommt“, sagt Igor. Man kann ihn sehen, er ist schon ganz nah in der Friedhofsallee. Einen Augenblick später ist er bei uns und grinst breit. „Oh, ich sehe sie haben euch schon aus dem Kittchen gelassen, das muss gefeiert werden und ihr verhaltet euch wie auf einer Beerdigung“, beginnt er. „Wir sind schließlich auf dem Friedhof, also passt alles“, sage ich. „Na und, wie war es?“, fragt Sidi. „Schön, nur kurz“, erzählen wir einhellig. – „Wir haben da viele Jungs kennen gelernt und solche Bekanntschaften werden uns jetzt bestimmt helfen“. „Um Dir Deine Fresse zu polieren“, Igor hält es nicht aus. „Und viele von ihnen kennen zufällig Deinen Vater. Das ist dieser Oberst Weinsztein, oder nicht? Ich bezweifele, dass er hier lange leben wird. Sie stellen ihm sein Grab hier auf, gleich nebenan, er zeigt auf das Grabmal von Ramshorn. Das wird passen“, sagt Walter ironisch. „Was hab Ihr gegen meinen Vater?“, knurrt Sidi. „Vielleicht eher gegen dich. Gut hast du dir das ausgedacht.“ „Was denn?“, fragt Sidi mit gespielte Unschuldsmiene. „Um uns loszuwerden, reicht Dir das alles noch nicht?“, schreie ich. „Passt es Dir nicht, dass hier Polen zurückgekehrt ist?“ „Diese Fritzen sind frech geworden“, schreit Sidi jetzt hysterisch. „Polen?“, schreien wir abwechselnd. „Ihr Iwans, was seid ihr? Polen? Oder verkleidete Russen! Ihr könnt noch nicht einmal Polnisch lesen! Wer kann in der Klasse Polnisch? Niemand! Und das sollen Polen sein? Was habt ihr hier zu suchen?“ „Wenn wir hier zurück kommen, hast Du Deine Fahrkarte zu den Russen sicher, Liegeplatz, erste Klasse mit der transsibirische Eisenbahn!“ „Nach Sibirien! Mit euch allen! Mein Vater organisiert euch das ohne Fahrkarte“, schreit Sidi aus voller Kehle. „Wie ich euch hasse!“ „Und ich die Juden!“, zischt Marta. „In der Schule haben sie ohne Unterbrechung von euch geredet und sie hatten Recht, dreckige, hinterlistige Juden. Und das, was ist das?“ Sie zeigt auf Ramhorns Grabmal. – „Wer hat ihn umgebracht, wenn nicht ihr? Versiffte Kommunisten. Arschlöcher!“ „Ich weiß nicht, warum sie euch freigelassen haben, Vater hat mir gesagt, dass ihr bis ans Lebensende dort faulen werdet. Oder wir machen es wie mit Deinem Vater. Kugel in den Kopf und Problem gelöst!“ – Sidi schreit jetzt ohAltheider Weihnachtsbrief 2016

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ne jede Hemmungen. „Waas? Was habt ihr mit meinem Vater gemacht? Woher weißt du das alles? Sag es mir!“ Walter stürzt sich auf ihn, blind vor Wut, aber er hat keine Chance. Da kommt ihm Igor zu Hilfe, denn er sieht, wie Sidi wütend eine kleine Pistole aus der Hosentasche holt. Marta schreit: „Walter, pass auf, er hat eine Waffe! Pass aaauf!“, schreit sie und im Gerangel fällt ein Schuss. Wir springen erschrocken zurück und Marta fasst sich an ihre Hand, Blut ergießt sich auf ihre Bluse. Sie steht da, weiß wie Papier und wir erstarren vor Entsetzen. Wir stehen versteinert da und wissen nicht weiter, aber Sidi behält einen kühlen Kopf. Keiner hatte erwartet, dass er so kräftig sein kann. Er wirft Marta über die Schulter und rennt so schnell er kann über die Straße, zum Krankenhaus. Schneefälle haben eingesetzt und wir haben jetzt eine neue Beschäftigung. Anstatt bei mir sitzen wir tagelang im Krankenhaus, an ihrem Bett. Die Wunde ist nicht ernst und Marta kann bald nach Hause. Im Krankenhaus gehen wir durch die Flure und keiner hält uns hier auf, wenn wir in die Krankensäle schauen. Alle sind eng vollgestellt, Bett an Bett. Wir haben nicht geahnt, dass dort so viele Kranke liegen können. Sie können nicht laufen darum sieht sie niemand. Władka erzählt mir, das seien Kriegsinvaliden, die auf der Rehabilitationsstation liegen. Marta soll heute nach Hause entlassen werden und wir stehen mit Igor früher auf, um sie zu begleiten. Als wir morgens den Saal betreten, stehen wir überrascht da, ihr Bett ist leer und von Marta keine Spur. Wir fragen die Pflegerinnen und endlich sagt eine von ihnen, dass ihr Vater in der Nacht gekommen ist und sie nach Hause mitgenommen hat. Schon nach einigen Minuten stehen die Jungs atemlos vor ihrem Haus, aber die Tür ist verschlossen. Niemand macht auf, sie wissen nicht, was sie machen sollen, also stehen sie da und warten. Nach einem langen Augenblick öffnet sich die Tür im Erdgeschoss und die Nachbarin tritt zu ihnen heraus. „Wollt ihr zu den Deutschen von unten? Die sind nicht mehr da. Sie sind nachts gekommen und haben sie mitgenommen. Sie sagten, es sind Spione“. Dann fragt sie noch, wer von uns Walter ist, kehrt für einen Augenblick in die Wohnung zurück und bringt mir einen Brief von Marta. Ich trete zur Seite und als ich den Umschlag öffne, sehe ich, dass mir die Hände zittern. Marta schreibt kurz: „Walter, Liebster! Hier ist der weitere Teil des Liedes, an den ich mich damals nicht erinnern konnte: ... es trauern Berg und Tal, wo ich vieltausendmal bin drüber gegangen. Im Sommer wächst der Klee, im Winter schneit´s den Schnee, da komm ich wieder. Deine Marta“. Und wieder verspürte ich die gleich Angst wie damals, als ich meine Eltern 86

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verloren hatte, ich spürte, wie es mir die Kehle zuschnürte und plötzlich, ohne Sinn und ohne etwas zu sagen, begann ich zu rennen, vor mich hin, und Igor rannte hinter mir her. Wir hielten erst neben dem Kurhaus Nummer Eins, wo Władka arbeitete. Ich musste sie umgehend sehen, ich war wahrscheinlich im Schockzustand und konnte nicht darauf warten, dass sie nach der Arbeit nach Hause kam. Igor wartete im Wartezimmer auf mich und ich ging durch die Badezimmer, zwischen den Kupferwannen mit der schlammigen Masse hindurch, die über den ganzen Flur dampften, und suchte sie. Als ich sie gefunden hatte, umarmte sie mich und wir standen lange so da. Morgens kommen zwei Milizionäre in Zivil zu uns nach Hause und teilen uns lächelnd mit, dass wir auf Entscheidung des Kommandanten eine Chance zur Besserung bekommen haben. Wir müssen uns mit Igor nicht mehr auf der Wache melden, sondern sollen wieder in die Schule gehen und lernen, zum Wohle der polnischen Heimat. Ich atmete erleichtert auf, aber ich musste sie noch nach Sidi fragen und danach, warum er uns umbringen wollte. Sie lächeln verständnisvoll. „Unser Oberst ist nicht mehr da, er hat die Erlaubnis bekommen, mit der Familie nach Palästina auszureisen und musste weg. Er hat noch nicht einmal Zeit gehabt, sich von uns zu verschieden“. Marta und Sidi sind weg! Wir sind jetzt allein mit Igor, da ist etwas in mir wie zerbrochen. Weihnachten naht, als Igor plötzlich sagt, wir sollten zum Friedhof gehen und Kerzen auf dem Grab von Martas Bruder aufstellen. Auf dem Friedhof tauchen schon die ersten polnischen Gräber auf. „Auf ihnen brennen immer Kerzen“, sagt er. Sollen sie wissen, dass wir nicht schlechter sind. Bei der Gelegenheit könnte man gucken, was es Neues bei unserem Ramshorn gibt“. Schon von weitem, vom Tor aus, sehen wir, das etwas nicht stimmt. Das Grabmal, die ganze Kapelle liegt in Schutt und Asche und sieht aus, als hätte jemand versucht, sie in die Luft zu sprengen. Wir gehen von hinten um die übrig gebliebene Wand herum und erstarren vor Schreck – direkt vor uns sitzt er höchstpersönlich, Ramshorn! Angelehnt an die Wand seines eigenen Grabes, sieht er uns mit leeren Augenhöhlen an. An seinem Skelett sieht man noch irgendwelche morschen Reste der Uniform und eine Binde mit Hakenkreuz. Im ersten Augenblick wollen wir vor Angst wegrennen, aber wir schauen uns an und spucken gleichzeitig in seine Richtung und Igor spricht schnell einen Zauberspruch: A, B, C, D – die Gruft ist auf Das Monster kriecht raus Die Knochen schnell in Sack, bevor es dich packt! Von dem Augenblick an lockerte sich unsere Freundschaft mit Igor und er kam nicht mehr so oft zu mir. Und ich ging nach dem Unterricht fast nicht aus Altheider Weihnachtsbrief 2016

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dem Haus, denn ich begann, mich für eine andere Welt zu interessieren. Ich brachte ein Licht auf dem Dachboden an und entdeckte, dass Doktor Schlegel dort ein kleines astronomisches Observatorium versteckt hatte – ein kleines Fenster im Dach, davor konnte man auf einem Stativ ein Fernrohr aufstellen. Es lag dort unter irgendeinem Lappen, in einem wunderschönen Holzkoffer und war, als hätte es auf mich gewartet, das schöne „Zeiss Victory“. Ich brauchte es nur auf das Stativ zu stellen und konnte mich schon davon überzeugen, dass man das Weltall mit eigenen Augen sehen kann. Der Winter hatte Einzug erhalten und mit ihm die langen Nächte. Oft wurde der Strom abgestellt, dann ging ich auf den Dachboden, setzte mich ans Fernrohr und wir wanderten gemeinsam ins Weltall. Es war kein weiter Weg, die Sterne kommen einem in den Bergen immer so nah vor, zum Greifen nahe. Vom Dachboden aus konnte man die ganze Stadt sehen und mein schönes Zeiss Victory zielte auf die Fenster und suchte dort Marta, aber es sah nur beleuchtete Weihnachtsbäume. Weihnachten beginnt, das neue Jahr naht. Ich schaue jetzt auf den Kirchturm und die Leute, die durch die verschneiten Gassen zur Christmesse gehen. Es ist Mitternacht und mich erreicht der Gesang von Weihnachtsliedern. Die gleichen, die wir einst gemeinsam mit den Eltern gesungen haben, aber die Worte waren jetzt andere. Ich hörte Stille Nacht auf Polnisch, ein Weihnachtslied, das die Vertriebenen aus dem Osten genauso sangen wie wir Deutsche, an dem gleichen Ort, erst ein Jahr war das her. Und in diesem Augenblick setzte mein Verstand aus, und auch mein Gedächtnis es reicht nicht mehr weiter und will sich nicht erinnern, daran was später war, nachdem Marta weggefahren ist. Es gibt aber nicht nur mein Gedächtnis, sondern auch jene vom ganzen Glatzer Kessel und von Niederschlesien. Ist aber nicht schlimm, denn ich jetzt weiß, dass sich aus dem nichts löschen lässt, nichts geht dort verloren, auch nicht unsere Geschichte, selbst wenn jetzt hier andere Menschen leben. Darüber habe ich in meiner Doktorarbeit über Kriegsenkel geschrieben. Geschichte soll einfach nur aus vielen Neutronen bestehen, die sich an einem nicht bekannten Ort befinden. Noch weiß niemand wo. Vielleicht fließen sie tief ins Gehirn, ins Unterbewusstsein oder sie ruhen sicher in den unzugänglichen Bergen am Horizont, unter dem Schneeberg. Aber dort komme ich noch nicht ran, alles hat seine Zeit. Vielleicht werde ich später, in einigen Jahren, diese Geschichte verstehen und erzählen – von diesen paar kurzen Nachkriegsmonaten in Polanica, von uns, den unschuldigen und frühreifen Kindern, die das Schicksal zufällig hier in diesem Tal zusammengeführt hatte; von unserer Hilflosigkeit und unserer so intensiven und nahen Freundschaft, wie sie nur damals und niemals später möglich gewesen ist. Schon morgen wird Igor Burek, besser gesagt: Raphael Baumann, seine erste Autorenlesung mit den Einwohnern von Polanica und seinen Lesern haben. 88

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Es ist spät geworden und wir sitzen mit Igor weiterhin im „Bliss“ beim Abendessen und unterhalten uns. „Erinnerst Du Dich an das Ehepaar und die Taubstumme, die Frau, die bei euch im Erdgeschoss gewohnt hat?“, fragt Igor. „Wie denn nicht? Sie ist bestimmt schon lange tot“. – Na ja, aber ihr Ehemann ist erst vor kurzem gestorben. Habe ich Dir nicht gesagt, dass ich ihn irgendwann auf der Straße getroffen habe und wir ziemlich lange geredet haben? Er war nach ihrem Tod am Boden zerstört. Und weißt Du, was er mir gesagt hat?“ „…dass sie eine Deutsche gewesen ist, dass er sie nach dem Krieg aus irgendeinem Arbeitslager geholt hat und dass sie geheiratet haben. Zu Hause war sie gar nicht so stumm, sie hat nur ihr ganzes Leben so getan, damit nicht herauskam, dass sie Deutsche war, damit die Polen sie nicht an ihrem Akzent erkennen. Sie hatte das ganze Leben Angst vor ihnen“. „Weißt Du, das hab ich mir gedacht, denn manchmal kam es mir so vor, als höre ich durch die Wand, wie sie sich unterhalten“, sagt Walter. – „Aber bei der Gelegenheit möchte ich Dir auch etwas sagen. Ich habe letztens nachgedacht und mir überlegt, Dir eine Überraschung zu machen. Dieses Haus kann nicht mehr länger so leer stehen, Dir nützt es mehr. Wir gehen zum Notar und ich überschreibe es Dir, Du ziehst dort ein, und im Alter wirst Du dort deine Ecke haben, wo Du ungestört schreiben kannst“. Igor schaut Walter an und hört zu, als der weiter redet: „In Wirklichkeit hat weder mir noch Władka das Haus jemals gehört, nicht einmal diesem Doktor Schlegel. Ich bin einmal in das Archiv nach Glatz gefahren, dort sind auf wundersame Weise viele alte Unterlagen erhalten geblieben, na ja und ich habe etwas gefunden. Dieser Doktor Schlegel, in dessen Haus wir mit Władka gewohnt haben, der hat, nachdem er mit seiner Familie nach Altheide umgezogen ist, als erstes seinen Fachkollegen, einen anderen Arzt, aus dem Haus geworfen und seine Praxis übernommen, denn der war Jude. Ganz legal. Er hat ihm alles weggenommen und ist dort selbst mit seiner Familie eingezogen. Die ganzen Jahre hatte ich keine Ahnung, dass alles, was in dem Haus war, die Apparate, mit denen wir gespielt haben, nicht ihm gehörten, ich hatte keine Ahnung, in wessen Bett ich schlief. Den Nachnamen der jüdischen Familie habe ich später auf der Liste der nach Lublin Deportierten gefunden, dort reißt die Spur ab. Das musste so enden, mit Doktor Schlegel und dem ganzen Rest, denn an fremden Blut kannst Du Dich nicht bereichern“. Walter verstummte, nach einem Augenblick fuhr er fort: „Es gibt noch eine merkwürdige Spur. In Dokumenten, die damals geheim waren, fand ich, dass der jüdische Arzt ein kleines Kind hatte. Es gab mir zu denken, dass es nicht auf dem Transport gewesen ist und ich bat jemanden aus dem Archiv, danach zu forschen. Erst gestern hat er mir zurückgeschrieben, dass die Ordensschwestern in Altheide genau zu dieser Zeit jüdische Kinder in ihre Obhut genommen haben, doch woher und wen, darüber gibt es nicht viele Dokumente, alles wurde verbrannt. Das alles könnte darauf hindeuten, dass Du eines Altheider Weihnachtsbrief 2016

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dieser Kinder bist, das würde alles passen. Das würde bedeuten, dass das Haus schon immer Dir gehört haben könnte, Deinem Vater...“ Igor sitzt wie versteinert da, ist erschüttert, sagt nichts. Ich frage ihn noch einmal nach Marta, um das Thema zu wechseln. „Ich habe nichts gehört, sie ist verschollen“, sagt er. – „Seit sie sie weggebracht haben, hat niemand mehr von ihr gehört. Sollte sie geheiratet haben, hat sie bestimmt ihren Nachnamen geändert und wird schwer zu finden sein“. Es ist schon spät geworden. Auf dem Heimweg halten wir noch kurz auf der Brücke an der neuen Promenade. Eine Weile schauen wir nach oben. Es ist Vollmond und es kommt mir so vor, als hätte sich durch die Wolken kurz der Glatzer Schneeberg gezeigt. Ja, das muss er gewesen sein. Der erste Schnee lag schon oben… „Es stimmt wahrscheinlich, was uns die Ordensschwestern damals gesagt haben. Dass die Juden, die sie von hier in den Tod gebracht haben, einen Fluch auf die Menschen geworfen haben, die hier ihren Platz eingenommen haben. Unabhängig davon, ob jemand etwas auf dem Gewissen hatte, oder nicht. Und er lastet noch immer über dem ganzen Tal. Denn solch eine Tragödie hatte es hier bisher nicht gegeben. Niemals und niemand hat jemals jemanden aus seinem eigenen Haus geworfen, umgebracht, Spuren verwischt, Gräber umgepflügt, eine Sprache aufgezwungen, Namen geändert, so dass letztendlich alles namenlos wurde. Und deshalb sieht es jetzt hier so aus. Das Elend des Nachkriegseuropas. Das Tal leert sich, die Leute wandern aus, denn sie sind hier nicht glücklich. Und die, die noch hier geblieben sind, schweigen und warten, bis das alles vergessen wird“, sagt Igor. „Aber das lässt sich nicht vergessen, dieser Hass hängt in der Luft und treibt sich irgendwo in den Bergen herum“, sagt Walter. „Hast Du gehört, dass im Osten wieder ein Krieg tobt? Die Leute sagen, es sind neue Vertriebene auf dem Weg hierher. Aus dem Osten, aus der Ukraine, der Krim, tausende Menschen. Sie sollen schon nicht mehr weit sein. Und wenn sie hier ankommen, treffen auf verschlossene Türen und Hass. Dabei hat der Glatzer Kessel nie jemandem Schutz verwehrt, dieses Tal hat seit Jahrhunderten jeden aufgenommen, jeder hat hier ein Zuhause gefunden“. „Es ist Zeit, dem ein Ende zu setzen. Dieser Fluch wird nur dann aufhören zu wirken, wenn man das Schweigen unterbricht. Und das schaffe nur ich, denn ich bin der letzte Deutsche hier, der noch am Leben ist und jetzt sogar Jude. Und morgen werde ich das tun, vor allen. Diese Leute muss man aufnehmen, sie sind genauso Christen wie wir, sonst kommt eine islamische Seuche und alles wird veröden“, sagt Igor. „Es ist, glaube ich, Zeit für den Heimweg“, sage ich. „Ich habe gehört, für den Abend mit Dir gibt es keine freien Plätze mehr, sogar das Fernsehen soll 90

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kommen. Das wird ein schwieriges Gespräch, Du musst Dich ausschlafen, denn Du brauchst morgen einen klaren Kopf“. Als Igor gegangen ist, halte ich noch einen Augenblick auf der Brücke, denn ich kann nicht aufhören, an Marta zu denken. Nach so vielen Jahren habe ich plötzlich begonnen, sie sehr zu vermissen, ich gäbe viel dafür, dass sie jetzt hier bei mir ist. Ich lehne mich an das Geländer und schaue nach unten, unter mir rauscht die Bystrzyca. Und plötzlich sehe ich sie in dem reißenden, schwarzen Wasser, ganz deutlich, die Bestie, von der Igor gesprochen hatte. Sie taucht kurz auf und als sie sich aufbläst, höre ich ihr Gekicher. Und erinnere mich sofort an den Zauberspruch: „Neck, Neck, Strudelgeist, du bist im Wasser, ich bin am Land“. Dann erstarrt sie und ich zische durch die Zähne, „ich habe Dich gesehen und das bedeutet Dein Ende, das Ende Deiner Herrschaft hier im Glatzer Kessel. Wenn Du nicht von hier verschwindest, räumt Igor mit Dir auf, flüstere ich. Aber vorher sollst Du mir noch Marta hierher bringen. Das ist ein Befehl“. Der Neck stieg noch für einen Augenblick aus dem Wasser auf und schaute mich so mit seinen runden Augenhöhlen an, dass mir schwarz vor Augen wurde, dann schlug er mit dem flachen Schwanz auf das Wasser und verschwand. Selbst wenn ich ein bisschen betrunken gewesen bin, nach diesem Blick verschwand alles spurlos, die ganze Müdigkeit der Reise. Ich ging durch den Park nach Hause, der jetzt ganz anders aussah als beim letzten Mal. Die einst dunklen Rhododendronbüsche waren jetzt durch die neuen Laternen hell erleuchtet. Als ich meine Straße erreichte, sah ich an ihrem Ende mein Haus. Es stand dunkel, verlassen und wartete geduldig im zugewachsenen Garten auf mich. Unversehens beschloss ich, noch eine Straße weiter zu gehen, um den Ort zu sehen, wo einst Marta gewohnt hatte. Und ich erkenne nichts. Am Platz der alten Villa steht ein wunderschönes, stilvolles Hotel „Marta“. Von dem alten Haus ist nur die Fassade geblieben, sie ist jetzt schön beleuchtet, die neue Auffahrt für Autos füllt fast die ganze Straße aus. Walter tritt näher und sieht durch die verglaste Tür die noch geöffnete Hotelbar. Er geht hinein und hält plötzlich inne. In der Eingangshalle hängen große, schwarz-weiße Fotografien an der Wand, wunderschön in stilvolle Rahmen gefasst und merkwürdig vertraut. Er geht näher und erkennt – das sind doch Fotos, die Marta gemacht hat! Er hat sie alle in der Schublade, in Hamburg liegen. Altheide, Polanica gleich nach dem Krieg, so, wie es damals war. Der Park und die Wandelhalle. Dazwischen ein Foto, das Sidi gemacht hat, vor ihrem Haus, da stehen wir alle, unser Trio. Dann gibt es aber noch andere, die er nicht kennt, spätere. Auf jedem befindet sich Sidi. Aus der Rezeption tritt eine Frau hervor und fragt leise, ob sie mir helfen kann, doch ich bringe keinen Laut heraus und zeige nur auf mein Foto mit MarAltheider Weihnachtsbrief 2016

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ta. Die Frau erstarrt und schaut mich aufmerksam an: – „Sind Sie Walter? Ich bin sicher, Sie sind es. Ich war sicher, dass Sie kommen werden. Walter? Richtig? Mama hat mir Deine Fotos gezeigt“, sie geht zum Du über. – „Marta ist meine Mutter“, sie gibt ihm die Hand und stellt sich vor. – „Ich heiße übrigens auch Marta. Mama wollte das so, sie war da stur, ich weiß nicht warum. Ich freue mich ungemein, dass ich Dich endlich kennengelernt habe. In letzter Zeit spricht Mama nur von Dir.“ „Marta? Was ist mit Marta... Deiner Mutter?“ „Sie ist hier, aber sie ist schon schlafen gegangen, denn sie war müde. Wir sind gerade aus Hamburg gekommen“, sagt sie. – „Wir wohnen jetzt in Hamburg, weißt Du? Gleich an der Alster. Normalerweise komme ich alleine hierher, um nach dem Hotel zu sehen. Wir sind von Israel dorthin gezogen und dann begann Papa, mir plötzlich von Polanica und Euch zu erzählen, aber er wollte nicht mehr hierher fahren. Und dann, als er starb, hat Mama das Haus gekauft und umgebaut, schön, nicht wahr?“ Walter wird es schwindelig. Igor wird nicht schlecht staunen morgen, denkt er. „Wir haben erfahren, dass Igor ein Autorentreffen mit den Einwohnern haben wird und Mama sagte, dass Du, solange Du denn irgendwo lebst, bestimmt kommen wirst, und sie hat sich mit mir auf den Weg gemacht. Du bleibst heute bei uns, wir haben ein wunderschönes Zimmer mit Balkon für Dich und morgen frühstücken wir gemeinsam. Mama wird glücklich sein“. „Ich auch“, sagt Walter, „aber ich weiß nicht, ob sie mich erkennen wird, ich habe mich über die Jahre sehr verändert. Auch Altheide, Polanica, alles. Es ist doch so viel Zeit vergangen“. „Gar nicht mal so viel“, entgegnet Marta. ENDE Die beschriebene Geschichte ist literarische Fiktion und sämtliche Übereinstimmungen von Orten und Namen sind rein zufällig. Die Geschichte wurde in der Ausgabe Nr. 256/257 November/Dezember 2015 der Zeitschrift „Ziemia Klodzka“ in Polnisch veröffentlicht. Die Übersetzung besorgte: Aleksander Kühl, Potsdamer Chaussee 31 b, 14129 Berlin

Neuheide, Kapellenweg, Ev. Friedhof im August 2016. Wie man sieht, hat man begonnen, an dem Ort, wo früher die Friedhofskapelle stand, Bäume zu fällen.

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Freiwillige vortreten -In den nachfolgen Zeilen rufe ich meine Erinnerungen als 17-jähriger zurückFriedrich Goebel Der Krieg war aus und alle Landser marschierten in langen Kolonnen gen Westen. Die Allgemeine Devise war: Nur nicht dem Russen in die Hände fallen. Über das Isergebirge hinweg marschierten wir Richtung Tschechoslowakei nach Westen Richtung Elbe. Unser Weg war wohl nicht richtig gewählt, denn ständig überraschten uns Tiefflieger, die uns mit Maschinengewehrsalven in den Graben zwangen, Tschechische Frauen entwaffneten uns und nahmen uns die Gewehre weg. Wir marschierten weiter Richtung Melnik, und kurz vor der Elbe kam die große Überraschung: von vorne kam uns der Russe entgegen, wir liefen direkt in seine Arme. Sofort wurden alle gefilzt, die einzigen Worte die uns entgegen kamen waren: Uri, Uri, Uri. Uns blieb nichts anderes übrig, die Russen nahmen uns die Uhren vom Handgelenk. Viele schmückten sich bereits mit mehreren Uhren. Eingekesselt mussten wir dann Richtung Norden laufen. Übernachtet wurde auf freiem Feld. Nach zwei Tagen erreichten wir Lauban in Niederschlesien. Alle wurden in eine große Halle gesperrt. Die Verpflegung war mit Wassersuppe und ein wenig Brot sehr dürftig. Nach einigen Tagen kam ein Aufruf: Freiwillige vortreten! Natürlich meldete ich mich. Von den vielen Freiwilligen wurden einige ausgewählt. Ich hatte Glück und war auch dabei. Wir gingen um die Halle herum, jeder bekam eine Zinkwanne und ein Waschbrett. Mit abgezählten Wäschestücken, warmem Wasser und Schmierseife mussten wir die angelieferten Wäschestücke reinigen. Aufgefallen waren mir Unterhemden in grün mit Knopfleiste und Manschetten. So ein Hemd wünschte ich mir auch. Mein weißes Unterhemd tauschte ich mit einem grünen. Das grüne Hemd habe ich dann sehr gründlich mit sehr viel Schmierseife gewaschen und zum trocknen aufgehängt. Damit die Anzahl stimmte legte ich mein weißes Hemd zu den anderen. Bei schönem Wetter trocknete das grüne Hemd sehr schnell und ich konnte es abends ganz stolz anziehen. Doch schon nach zwei Tagen merkte ich welche Folgen der Hemdenwechsel hatte. Es juckte und kratzte an allen Stellen des Körpers. Nun hatte auch ich wie viele andere Läuse. Ich suchte wie meine Kameraden nach den Nissen, die inzwischen zu Läusen geworden waren. Die Zeit in der Wäscherei war nur kurz und ich musste wieder in das traurige Lagerleben eintauchen. Schon nach einigen Tagen wiederholte sich der Aufruf: Freiwillige gesucht! Natürlich meldete ich mich wieder, ohne zu wissen welche Aufgabe uns zugewiesen werden würde. Durch die freiwillige Leistung bekamen wir etwas besseres Essen. Außerdem gab es für uns immer eine große Überraschung, denn alle 2 Tage bekamen wir ca. 20 Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Blätter Machorka. Natürlich habe ich die Tabakblätter immer gegen Brot eingetauscht. Jetzt wurden Maurer gesucht. Nun kam ich wieder zum Einsatz. Mit acht Landsern wurden wir auf die Pritsche eines LKW geladen. Nach einigen Kilometern erreichten wir eine Lichtung im Wald. Gleich zeigte man uns markierte Stellen und mit mitgebrachten Schaufeln fingen wir an zu graben. An diesen unterschiedlichen Stellen waren verstreut russische Soldaten begraben worden. Unsere Aufgabe war nun, die Särge zu bergen und auf einem neu angelegten Heldenfriedhof beizusetzen. Die Arbeiten waren sehr schwierig, denn der Sandboden rutschte immer wieder zurück. Mit einem kurzen Seil mussten wir unter das Kopfteil kommen, um den Sarg einseitig anzuheben. Dann wurde wieder etwas Sand nachgefüllt, und das gleiche spielte sich am Fußende ab. Auf diese Weise kam der feuchte und grün angelaufene Sarg an die Oberfläche. Unser Aufseher hatte schon 2 Stangen besorgt, die wir unter den Sarg schoben. Nun ging es 2 km bis zum neuen Friedhof. Probleme hatten wir im Wald, denn mit den Stangen mussten wir zwischen den Bäumen jonglieren. Einmal ist es passiert. Die hinteren Träger blieben mit der zu langen Stange am Baum hängen und der Sarg purzelte auf den Boden. Der Deckel fiel herunter und der Kopf eines verschimmelten Toten wurde furchterregend sichtbar. Die Aufsicht drohte uns sofort mit dem Gewehrkolben. Bei der Wiederbestattung verlief es wie beim Ausgraben. Der Sand rutschte immer nach, was zu großflächigem Grabaushub führte. Das alles waren aber keine Arbeiten für einen Maurer. Für die zu mauernden Grabsteine war eine andere Kolonne zuständig. Etwa 10 Tage haben wir diese Arbeiten ausführen müssen, dann wurden wir wieder auf den LKW verfrachtet und ab ging es zurück zum Lager. Mit Freude zählte ich meine Machorka-Blätter, die ich bei den Sanis umtauschen konnte. Dafür bekam ich einige Scheiben Brot. Die Langeweile plagte uns, in der überfüllten Halle gab es ja auch nur ein Thema: das Essen: ein Viertel Brot pro Tag und die tägliche Wassersuppe! Natürlich hatten wir auch Freigang um die Halle herum, ein Stacheldrahtzaun sollte uns daran hindern, das bewachte Gelände zu verlassen. Eines Tages kam der Kommandant in die Halle. Wir mussten alle aufstehen und strammstehen. Das plötzliche Aufstehen ist mir wohl nicht gelungen, ich lag unerwartet auf dem Hallenboden. Nach Minuten kam ich wieder zu mir und am Boden liegend konnte ich ein Dutzend Augen auf mich gerichtet sehen. Ich stand auf, ohne zu wissen, was eigentlich geschehen war. Die körperliche Schwäche hatte mich übermannt! Fast täglich kam es dazu, dass aus unseren Reihen Kameraden in den Krankenbereich abgeholt wurden. Sie kamen nie zurück, das Lagerleben hatten sie nicht überstanden. Für mich keimte erneut Hoffnung auf. Wieder einmal wurden Freiwillige gesucht. So schnell ich konnte, schnellte mein Arm nach oben und ich drängelte mich nach vorne. Wo ging diesmal die Reise hin? Ich hatte großes Glück und durfte mich wieder einreihen. Nur vier Leute 94

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wurden benötigt! Aber was kam auf uns zu? Mir war alles egal, ich wollte nur dem Lagerleben entkommen. Ein LKW stand bereit und wir vier sprangen auf die Ladefläche. Wir fuhren direkt in den niederschlesischen Ort Lauban. An einem herrschaftlichen Gebäude hielt das Fahrzeug. Unser „Bewacher" führte uns in den Garten. Zwischen vorhandenen Obstbäumen lagerten zehn Baumstämme geringen Durchmessers. Wir bekamen eine Schrotsäge in die Hand gedrückt, und man gab uns zu verstehen, dass die Baumstämme in kurze Stücke zu schneiden und zu spalten seien. Mit Händen und Füßen erklärte man uns, dass im Gebäude eine Küche installiert werde, die für Mannschaften und Offiziere der russischen Armee die Verpflegung zubereiten musste. Ein Sägebock wurde schnell gefunden. Die Arbeit ging gut voran und unser Bewacher erfreute uns mit einem zufriedenen Lächeln. Bald zeigte sich unsere deutsche Gründlichkeit. Wir bauten uns einen langen Tisch, besorgten uns eine Kreissäge und die Arbeit wurde fast zu einem Vergnügen. Jeden Tag brachte man uns neue Baumstämme. Der russische Offizier war beeindruckt von unserem Fleiß und dem Fortschritt unserer Arbeit. Sein Befehl: „Drei Mann raboti, ein Mann schlafen!“ Nun hatten wir nicht nur unseren Aufseher, sondern auch den Offizier in unser Herz geschlossen. Wir waren glücklich und die Nächte verbrachten wir in richtigen Betten in Zimmern der ehemaligen Bewohner. Die Mittagsverpflegung war gut. Der Koch brachte uns eine große Schüssel mit einer deftigen Suppe, in der es nicht an Fleisch mangelte. Wir löffelten sie gemeinsam mit unserem Bewacher leer. Jetzt kamen wir wieder zu Kräften. Die Arbeit ging nun flott voran, und kurz nach Mittag war die benötigte Menge Holz geschnitten und gespalten. Nach vier Wochen wurde unser Arbeitsplatz aufgelöst und wir kamen zurück ins Lager. Im September 1945 erfolgte die Verlegung des Lagers nach Sagan in Niederschlesien. Parolen ängstigten uns, es wurde gemunkelt, dass alle Lagerinsassen bald nach Sibirien verlegt werden sollten. Schon nach wenigen Tagen bestätigte sich unser Verdacht. Wir mussten alle in Reih und Glied antreten. Alle Landser über 60 Jahre sollten rechts raustreten. Ebenfalls rechts einordnen sollten sich die kranken Landser. Besonders diejenigen, die unter der Ruhr zu leiden hatten. Ich selbst hatte plötzlich auch diese Krankheit! Wir mussten einen Plastikbecher füllen. Ich war dazu nicht in der Lage, und gab den Becher leer zurück. Zornig sah mich der Russe an. ,,Ich war eben“, sagte ich. Trotzdem durfte ich mich in die Gruppe der Kranken einreihen. Ein Viertel aller Landser waren nun ,,aussortiert“ worden. Zwei Tage später hatten wir bereits die Entlassungspapiere in der Hand. Alle Schlesier traten zusammen und es wurde bekannt, dass die gesamte Bevölkerung nach dem Westen vertrieben werden sollte. Alle beratschlagten, wie es nun weiter gehen soll. Vier Jungens waren der Auffassung, doch zurückzufahren in die alte Heimat. Ich war dabei! Mit unserem Deputat im Brotbeutel ging es Richtung Bahnhof. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Wir freuten uns über die Mitbringsel für unsere Angehörigen: ein Kilo Mehl, ein halbes Kilo Zucker und ein viertel Brot waren im Feldbeutel verstaut. Wir hatten Glück. Nach einiger Wartezeit kam ein Zug nach „Wrocław“ das musste wohl Breslau sein? Über eine Stunde waren wir bereits unterwegs. Mein junger Nachbar sprang auf und deutete auf die ersten Breslauer Häuser. „Gleich kommt mein Elternhaus“, sagte er. Wir drückten alle unsere Nasen an die Scheibe. Seine nächsten Worte: „Da stand unser Haus“. Uns allen verschlug es die Sprache, unser Freund war kreidebleich und fiel zurück auf die Bank. Uns schnürte es die Kehle zu. Wir versuchten unseren Freund zu trösten, waren aber selbst zu erschüttert. Hatten wir vielleicht doch einen Fehler gemacht? Was kommt noch auf uns zu? Fast wortlos trennten wir uns. Ich suchte den Bahnsteig Richtung Glatz. Nach einer Stunde Wartezeit konnte ich den Zug besteigen und den total verschmutzten Bahnhof verlassen. Meinen Brotbeutel mit den Mitbringseln verstaute ich im Gepäcknetz. Total übermüdet bin ich wohl bald eingeschlafen. Eine innere Unruhe weckte mich jedoch. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir eine hügelige Landschaft. Wir befanden uns am Eingang zur Grafschaft in Wartha. Aufmerksam ließ ich die Landschaft an mir vorbeifliegen. In Glatz, am Stadtbahnhof angekommen, griff ich in das Gepäcknetz und musste feststellen, mein Brotbeutel mit Inhalt war gestohlen worden. Enttäuscht und entsetzt sah ich mich im Abteil um, aber keiner nahm Kenntnis von meinem Unglück. Nun stand ich ohne mein „Geschenk“ auf dem Bahnsteig. Ich wurde ja auch mit meiner Uniformjacke sofort als deutscher Landser erkannt und hatte nicht daran gedacht, dass ich jetzt in Polen war. Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt angelangt. Nun hatte ich bis Altheide nur noch 13 km vor mir. Die ganze Umgebung war mir ja bekannt und kurze Zeit später lief der Zug im Bahnhof ein. Nach kurzer Fahrzeit lief der Zug am Altheider Bahnhof ein. Ich war endlich zuhause! Nur noch 5 Minuten! Den Bahnhofsweg herunter, bei Zieboll, Leyer und Klust vorbei und schon stand ich vor meinem Elternhaus. Ich traute mich aber nicht, hineinzugehen. Die Haustüre war mit Brettern vernagelt, alle Verglasung fehlte. Vom Straßenstern her kam mir eine Frau mit weißer Armbinde entgegen. Unsicher fragte ich sie, wo denn Goebel's wohnen. Sie antwortete nur: „Im Souterrain bei Maleska“. Zögernd ging ich zum Seiteneingang. Ich betrat die Wohnung und meine Mutter kam mir mit offenen Armen entgegen. Ihre einzigen Worte waren: „Vater ist tot, vor 14 Tagen gestorben.“ Das war eine Begrüßung, die ich mir so nicht vorgestellt hatte. Welch eine traurige Heimkehr!! Zu 6 Personen wohnten wir nun in der kleinen Wohnung der Hausmeisterfamilie. Das war das Ende meiner Gefangenschaft und damit begann für mich ein neuer Lebensabschnitt.

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Geflüchtet – zurückgekommen – für immer gegangen Erika Schneider Das Jahr 1945 begann mit großer Kälte und mit beunruhigenden Nachrichten von der Ostfront. Die Kampfhandlungen und die Front rückten immer näher. Aus Rumänien kamen schon beizeiten Flüchtlinge bei uns an. Es waren Deutsche aus Siebenbürgen, die einstmals aus Schwaben nach Rumänien ausgewandert waren. Sie blieben einige Tage bei uns und zogen dann in Ihre ursprüngliche Heimat weiter. Auch aus Ostpreußen hörte man nichts Gutes. Wenn ich mit meinem Vater telefonierte, sagte er mir, dass die Leute im Dorf, überwiegend Bauern, sich auf eine eventuelle Flucht vorbereiteten. Die Wagen, also Pferdegespanne, wurden schon in Ordnung gebracht. Andere Fahrzeuge hatte das kleine Dorf Frohnau im Kreis Brieg nicht. Das einzige Auto von dem Besitzer des Gutes wurde gleich zu Beginn des Krieges eingezogen. Mein Vater war der Verwalter des Gutes. Unser Motorrad war uns zum Glück geblieben. Auch mein Vater begann mit Vorbereitungen, und er sagte mir, dass er Reisekörbe gepackt habe und sie an weiter westlich wohnende Verwandte geschickt habe. Auch die Gespanne wurden inzwischen für eine Flucht vorbereitet. Für die auf dem Gut arbeiteten Menschen wurden ebenfalls Gespanne bereit gestellt. Sogar Ochsengespanne kamen zum Einsatz. Diese, so erzählte mein Vater später, sind nicht sehr weit gekommen. Die Ochsen rutschten auf den mit Schnee bedeckten glatten Straßen aus, brachen sich die Beine und mussten zurück gelassen werden. Das Gepäck, die wenigen Habseligkeiten und Lebensmittel wurden auf andere Wagen verteilt. Der viele Schnee und die Kälte brachte den Flüchtenden und besonders Familien mit Kindern noch viel Not und Angst zusätzlich. Auch die Besitzerin des Gutes, Frau von Schalscha, hatte sich beizeiten verabschiedet. Sie wurde mit ihrem Gespann von einem Kutscher begleitet. Ihr Mann war als Hauptmann an der Ostfront, der ältere Sohn gefallen, der jüngere Sohn eingezogen, und die Tochter zum Kriegsdienst verpflichtet. Ihr Ansprechpartner war mein Vater, er war der Verwalter des Gutes und fühlte sich somit für die auf dem Gut arbeiteten Menschen und Tieren mit verantwortlich. Frau von Schalscha wollte zu Verwandten, die ebenfalls noch auf einem Gut in der Nähe wohnten. Dort wollte sie erst einmal abwarten. Am 23. Januar rief mich mein Vater in Bad Altheide an. Seine Stimme klang nicht wie sonst ruhig, sondern sichtlich erregt. Alles in kurzen Worten, man spürte die Eile. Er sagte: „Die Granaten schlagen ein, die Kapelle des Schlosses ist getroffen und unser Haus steht ja nicht weit davon. Wir verlassen Altheider Weihnachtsbrief 2016

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in wenigen Minuten unser Haus und können hoffentlich aus Frohnau auch noch ohne Schaden weg kommen. Ich werde den Treck leiten und werde mit meinem voll getankten Motorrad die günstigsten, mir bekannten Schleichwege erkunden. Die Straßen sind bereits von Flüchtlingen und Wehrmachtsfahrzeugen verstopft. Du solltest Bad Altheide auch verlassen und nach Kohlfurt zur Tante Martha fahren, solange das noch möglich ist. Wir wissen noch nicht, wo unsere Reise hin geht. Wie du weißt, unser Treffpunkt ist Mengersgereuth- Hämmern in Thüringen. Dort werden wir uns alle eines Tages hoffentlich wieder sehen“. Das war für lange Zeit die letzte Nachricht von meinen Eltern. Weihnachten 1945 erzählte er uns dann von seinen Erlebnissen. Ich berichtete darüber bereits im letzten Weihnachtsbrief. Mein Vater konnte mit dem Motorrad keine günstigen Wege mehr erkunden, das Motorrad ging kaputt und nach nur wenigen Kilometern wurde er von der Wehrmacht in eine Uniform gesteckt und musste eine Brücke bewachen. Einige Pferde wurden beschlagnahmt und als Treckführer ein SS Mann eingesetzt. Dieser leitete den Wagen mit meiner Mutter in seine Heimat nach Nallesgrün in die Tschechoslowakei. Davon berichtete ich auch in meinem Buch „In Schlesien geboren, in Schlesien gelebt, aus Schlesien vertrieben“. So verging eine Zeit, in der keiner so richtig wusste, wer sich wo aufhielt. Meine Tante aus Kohlfurt und ich waren zuerst in Mengersgereuth-Hämmmern in Thüringen eingetroffen. Wir warteten nun auf die hoffentlich baldige Ankunft unserer Angehörigen. Der Krieg war inzwischen aus, aber keiner wusste von den durch die Siegermächte beschlossenen Tatsachen, dass Schlesien, Ostpreußen und weitere Gebiete an Russland und Polen abgetreten werden mussten. So ging auch mein Vater ahnungslos in Richtung Heimat, in unser kleines Dorf Frohnau zurück. Er kam auch unbehelligt an. Einige Bauern waren auch schon zurück gekommen. Sie konnten aber nicht bleiben, da sie ihre Häuser und Höfe nicht mehr betreten durften. Auch die Besitzerin des Gutes war schon zurück. Sie hatte ihren voll beladenen Wagen wieder unbehelligt zurück gebracht. Allerdings wurde sie jetzt alles los. Sie durfte das Schloss ebenfalls nicht mehr betreten. Mein Vater traf sie betroffen und ratlos auf einem Hocker sitzend, um die zusammengetriebenen Schweine zu hüten. Diese wurden dann abtransportiert. Sie war sehr froh, als sie meinen Vater wiedersah. Endlich konnte sie sich mit jemanden über die schreckliche Lage, in welcher sie sich befand, unterhalten und wie sie schnellstens von hier fortkommen könne. Mein Vater hatte inzwischen auch Bekanntschaft mit dem russischen Offizier, welcher an einem Schreibtisch im Schloss saß, gemacht. Er zahlte gerade die Löhne aus und hatte wahrscheinlich aus gutem Grund eine Pistole und einen Knüppel neben sich liegen. Er erklärte meinem Vater, dass er jetzt der Verwalter des 98

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Gutes sei und er, mein Vater, nun im Pferdestall und den anderen Ställen mit für den Abtransport zu arbeiten habe. In unser Haus durfte mein Vater auch nicht mehr. Die Badewanne stand neben einem Sessel vor dem Haus. Der Eisenzaun war teilweise abgebaut, so konnte man jetzt leicht zum Haus gelangen. Die Russen hatten in den Häusern nach Alkohol gesucht und auch gefunden. Sie feierten nun den Sieg über Deutschland. Es wurde geschlachtet und getrunken. In unserem Haus hatte sich eine ukrainische Familie einquartiert. Die Frau kannte meinen Vater gut, sie hatte auf dem Gut gearbeitet. Vermutlich hatte sie auch gemeldet, dass er zurück gekehrt sei. Frau von Schalscha und mein Vater waren sich einig, dass sie hier nicht bleiben können. Sie beschlossen, am nächsten Morgen in aller Frühe fort zu gehen. Sie wollten sich an einem sicheren und geheimen Ort treffen und sich auf den von meinem Vater bekannten Schleichwegen den Ort verlassen. Zu der verabredeten Zeit kam Frau von Schalscha jedoch nicht. Er wartete noch eine kurze Zeit und musste allein gehen. Damals ahnte und wusste er noch nicht, dass es ein Abschied für immer war. Nun hörten wir von meinem Vater lange nichts mehr. Inzwischen war meine Mutter mit meiner Schwester, die sie aus dem Sudetenland geholt hatte, bei uns eingetroffen. Erstaunlicherweise kamen sie mit dem Wagen und den zwei Pferden hier an. Von dem Gepäck allerdings war nicht mehr viel geblieben, sie waren aber froh, dass sie das Gespann behalten durften. Meine Schwester bekam noch von einem Tschechen gesagt, ich habe mit den Deutschen kein Erbarmen, sie haben meine ganze Familie umgebracht. Nun warteten wir auf eine Nachricht von meinem Vater und noch weiteren Verwandten. Wir bekamen inzwischen Schwierigkeiten, für unsere zwei Pferde einen Stall zu finden. Es war ein trauriger Anblick, sie angebunden an einem Schuppen zu sehen und jedem Wetter ausgeliefert zu sein. Nun kam endlich eine Nachricht von meinem Vater aus einem Auffanglager, wo er sich noch mit weiteren Verwandten von uns aufhielt. Sie kamen dann aber auch sehr schnell in MengersgereuthHämmern an. Wir waren erleichtert, mein Vater kümmerte sich sofort um leider in der Zwischenzeit nur noch eines unserer Pferde. Das zweite hatte die schlechten Bedingungen während und nach der Flucht nicht überlebt. So endet mein Bericht über Flucht und Vertreibung. Wer diese Zeilen liest, kann sich vielleicht vorstellen, welche Strapazen viele Menschen und Tiere ertragen mussten.

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Ankommen – Mut fassen – Stolz sein, dass das Schicksal gemeistert wurde - Erinnern Werner Bartsch 70 Jahre sind vergangen, seit Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten sich in ein neues Lebensumfeld einzuleben hatten. Der Transport vieler Falkenhainer und Neuwilmsdorfer mit der Eisenbahn hatte das Ziel Bünde bei Herford. Auf englischen Lastkraftwagen erreichte man von dort das Lager, das in der Textilfabrik Ahlers in Elverdissen bei Herford eingerichtet worden war. Von dort erfolgte die Aufteilung – in Einzelfällen mit Zwangseinweisung – in Wohnstätten in Stadt und Kreis Herford. Martin Braun schreibt in der Einleitung seines Buch „Splitter und Scherben“, (Ein ostpreußischer Pfarrer erzählt – Friedrich Bahn Verlag Konstanz): „Wenn feines, köstliches Glas zerbricht, dann gibt es Splitter und Scherben. Die fallen zu Boden und werden zertreten. Aber man kann, wenn der Lärm des zerstörenden Tages vorbei ist, aus dem Staub ein paar bunte Scherben auflesen; man kann sie aufheben und in das Licht der Abendsonne halten. Dann wird das alte, köstliche Glas wieder leuchten. Es wird zwar nur ein Bruchstück sein von dem, was einmal war. Aber auch ein Bruchstück ist noch Leben, und in alten gebrochenen Scherben spiegelt sich unser Weg.“ Vieles ist zertreten und zerschlagen worden, und dennoch, in den alten, gebrochenen Scherben spiegelt sich unser Weg. Nach diesen Ereignissen von damals haben wir jetzt 70 Jahre Frieden erleben dürfen. Das ist auch ein Grund, um Danke zu sagen. Man hatte die Hoffnung nie aufgegeben und konnte neu anfangen. Wollen wir alle hoffen, dass auch künftig Frieden und Freiheit erhalten bleiben. Möge es stets Menschen als ihre Aufgabe ansehen, für Menschenrechte und gute Nachbarschaft zwischen den Völkern einzutreten. Situationen, wie die nachstehenden Bilder zeigen sollen:

Lager Elverdissen bei Herford (Textilfabrik Firma Ahlers)

Alle Fotos Lagerleiter Emmerich: Eine große Enge herrschte im ehemaligen Nähsaal. Bis zu 700 Menschen wurden hier zeitweise untergebracht

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nicht anklagen oder gar rechtfertigen, sondern nur erinnern und besinnen auf eine Katstrophe und die Frage, wie man damit fertig geworden ist. Aber auch mahnen, dass den Nachfolgegenerationen diese Drangsal erspart bleiben möge.

Die Hochbetten waren aus Holz, mit Strohsäcken ausgefüllt. In den Ritzen der Betten befanden sich oft Wanzen, die nachts aktiv wurden und die Schlafenden vielfach nicht zur Ruhe kommen ließen

In der Versandabteilung waren bis zu 30 Familien mit Kleinkindern untergebracht

Der ehemalige Lehrlingssaal war für kinderreiche Familien reserviert

Der große Nähsaal

Gesonderter Raum für Alte und Kranke

Die Werksküche der Firma Ahlers war wohl einer der Gründe, warum in dieser Fabrik ein Flüchtlingsdurchgangslager eingerichtet wurde; links die Essensausgabe in Großbehältern für die einzelnen Säle, links im Vordergrund Heißwasserzubereitung

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Besuch im Lager Elverdissen: rechts Erzbischof Lorenz J채ger, Paderborn, in der Mitte mit verschr채nkten Armen, Geistlicher Rat Georg Goebel

Lager Elverdissen

Lager Waldfrieden in Herford (Waldgastst채tte)

Foto aus Ostdeutsches Schicksal / Chronik von Siegfried Janz / Bussesche Verlagshandlung Herford: Lager Waldgastst채tte Waldfrieden

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Betreuungseinrichtung Mönchstraße in Herford

Fotos aus Ostdeutsches Schicksal / Chronik von Siegfried Janz / Bussesche Verlagshandlung Herford: Bekleidungslager und Ausgabe von Care-Paketen in der Mönchstraße

Zum Gedenken an schwere Zeit wurde im Jahre 1996 – 50 Jahre – im Pfarrzentrum St. Johannes Baptist zu Herford eine Tafel enthüllt. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge

Aushang im Lager Elverdissen vom 17. März 1946

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Drei Beispiele gelungener beruflicher Integration: Wilhelm Geier, Joachim Sobotta und Wolfgang Stumph Manfred Spata Einführung: Für viele Menschen entwickelt sich ihr Heimatgefühl aus früh erworbenen Erlebnissen der Kindheit und Jugend; man stammt von dort, wo man herkommt, wo man als Kind und Jugendlicher die ersten prägenden Erfahrungen erfuhr. Das ist für Geier und Sobotta in der Kreisstadt Glatz verortet; aber das ist für Stumph nicht mehr mit dem kleinen Wünschelburg, sondern mit Halle und insbesondere mit Dresden verbunden. Und doch eint sie das existentielle Schicksal der Vertreibung, wenn auch in unterschiedlichen Lebensaltern erfahren; es eint sie der dauerhafte Verlust ihrer Heimat jenseits von Oder und Neiße. Zum schmerzvollen Heimatverlust kamen die Probleme der langwierigen Eingliederung in die Nachkriegsgesellschaft. Der erwachsene Geier erlebte den nahtlosen Übergang in den westdeutschen Justizdienst. Der jugendliche Sobotta ergriff zielstrebig und fleißig die Chance einer Berufsausbildung durch Volontariat und Studium. Der Säugling Stumph erhielt seine gesamte Schulund Berufsausbildung im „normalen“ Milieu der DDR, in der es nach der politischen Sprachregelung keine Vertriebene, sondern nur „Neubürger“ bzw. „Umsiedler“ gab. Was allen drei in ihren unterschiedlichen Lebensaltern erhalten blieb, war ihre deutsche Sprachheimat, ihre eminent wichtige Berufsgrundlage als Jurist, Journalist und Schauspieler. Wilhelm Geier (1903-1965) Wilhelm Geier1 wurde am 6. Januar 1903 in Glatz geboren. Seine Eltern waren der Lokomotivführer Josef Geier und seine Ehefrau Agnes, geb. Schmohel; beide stammten aus dem kleinen Eckersdorf im Kreis Neurode. In der schlesischen Heimat verbrachte er seine Kindheit, Jugend und ersten Berufsjahre. In Glatz besuchte er von 1909 bis 1913 die katholische Volksschule und von 1913 bis 1922 das katholische Gymnasium. Wilhelm war ein hervorragender Schüler, der wiederholt beim Jahresabschluss in der Aula mit Prämien ausgezeichnet wurde. Sein Schulleiter war Dr. Josaphat Mikolajczak2. Über zwei seiner Lehrer schrieb er an Karl Schindler3: „ Von meinen Lehrern möchte ich vor allem erwähnen Prof. Thomaschik4 und Studierat Kaiser5. Thomaschik scheint mir noch heute als das Musterbild einer reifen und durch und durch lauteren Persönlichkeit. Er betreute uns in den Oberklassen in Latein und Griechisch. Kaiser gab einen ausgezeichneten Deutsch- und Geschichtsunterricht Altheider Weihnachtsbrief 2016

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und hätte es beinahe fertig bekommen, dass ich Philologe geworden wäre, wenn damals die Aussichten nicht gar so ungünstig gewesen wären.“ Über Geiers Mitwirken in der Schülervereinigung „Literarischen Zirkel“ berichtet Schindler6: „Mitglieder des ehemaligen Literarischen Zirkels (…) erinnern sich noch, wie Geier mit seinem scharfen Verstande und seinem klugen Urteile als Vorsitzender überlegen die Aussprachen leitete, die Erregung der erhitzten jungen Köpfe dämpfte und schon damals die heute von der Presse gerühmte noble Verhandlungsführung zeigte.“ Anschließend studierte Geier Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Breslau und legte Anfang 1926 sein Erstes Staatsexamen ab. In seiner Studentenzeit engagierte er sich in der Alten Breslauer Landsmannschaft Glacia; späterhin nahm er an allen Glacianertreffen teil7. Seinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte Geier von 1926 bis 1929 in Glatz und Breslau, abgeschlossen durch das Referendarexamen 1926 und das Zweite Staatsexamen im November 1929 in Berlin. Im selben Jahr wurde er an der Universität Breslau mit einer Arbeit über „Die Gesetzesauslegungsmethoden des Reichsgerichts“ zum Doktor der Rechte „Magna cum laude“ promoviert8. Bei der Wahl seines Promotionsthemas hat Geier sicherlich nicht ahnen können, dass er später selbst mal Richter am Bundesgericht, der Nachfolgeeinrichtung des Reichsgerichts werden würde. Seinen preußischen Justizdienst begann er sogleich als Gerichtsassessor in verschiedenen ober- und niederschlesischen Städten, wiederum auch in Glatz. Von 1931 bis 1932 war er zudem als Fakultätsassistent auf dem Gebiet des Handelsrechts an der Universität Breslau tätig. Im Jahre 1934 wurde er zum Amtsgerichtsrat in Waldenburg ernannt. Im gesamten Verlauf des Zweiten Weltkriegs war Geier aktiver Soldat. So nahm er an den Feldzügen nach Polen, Frankreich und Russland teil. Zuletzt stand er im Rang eines Oberleutnants und war Regimentsadjutant beim Grenadier-Regiment 350, dessen I. Bataillon sich ursprünglich nur aus Grafschaftern zusammensetzte9. Noch währen der Kriegszeit wurde er im Oktober 1942 zum Oberlandesgerichtsrat in Kattowitz ernannt, ohne indessen den Justizdienst auszuüben. Kurz nach Kriegsende gelangte Geier im Februar 1946 nach Hamburg, wo er auch seine aus Schlesien vertriebene Familie, seine Frau und zwei Söhne, wiedersah. Nach kurzen Richtertätigkeiten in Hamburg, Bergedorf und Hamm/ Westfalen gehörte er ab April 1948 dem Obersten Gerichtshof für die Britische Zone in Köln an. Danach begann sein schneller Aufstieg als anerkannter Jurist, der im Jahre 1950 zum neu errichteten Bundesgerichtshof (BGH) wechselte. Zur selben Zeit wurde dort der ebenfalls in Glatz gebürtige Hans Richter10 zum Senatspräsidenten am BGH berufen. Bereits drei Jahre später wurde Geier 1953 ebenfalls zum 106

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Senatspräsidenten ernannt. Zunächst leitete er den in Berlin angesiedelten 5. Strafsenat; 1954 wurde ihm der Vorsitz des neugegründeten 6. (später 3.) Strafsenats übertragen. Dieser Senat besaß die erstinstanzliche Zuständigkeit für Staatsschutzdelikte (Hochverrat, Landesverrat, Staatsgefährdung), so dass Geier in einigen Aufsehen erregenden Prozessen der jungen Bundesrepublik den Vorsitz führte, darunter bei den Gerichtsverfahren gegen Viktor Agartz11 und Otto John12. Seine Dominanz trug dem Spruchkörper in der politischen Polemik die Bezeichnung „Geier-Senat“ ein, „dessen Vorsitzender aber mit unbestrittener Autorität waltete und dessen große menschliche und politische Integrität nie in das Feld eines begründeten Zweifels zu bringen war.“13 Seit 1958 präsidierte Geier ununterbrochen dem 1. Strafsenat in Karlsruhe, der mit Revisionen aus Süddeutschland und Wehrstrafsachen befasst war. Hierzu gehörten u. a. die Revisionsanträge zu der bayerischen Spielbankaffäre (Aufhebung der Meineidsurteile nur im Strafmaß, nicht im Schuldspruch am 19.2.1960; Aufhebung des Meineidsurteils gegen Dr. Friedrich Zimmermann)14. sowie mit den Revisionsanträgen von Vera Brühne und Johann Ferbach15 (Ablehnung des Revisionsantrags am 4. Dezember 1962). Außerdem gehörte er die ganze Zeit über dem Großen Senat für Strafsachen an und war Vertreter des Präsidenten des BGH in Karlsruhe. Geier war auch lange Jahre wissenschaftlich und berufspolitisch engagiert. So zählte er zu den Mitherausgebern des Großkommentars zur Strafprozessordnung, der bis heute regelmäßig Neuauflagen erfährt16. Zudem arbeitete er in der Schriftleitung der Deutschen Richterzeitung mit, dem Organ des Deutschen Richterbundes17, dessen Gesamtvorstand und Präsidium er mehrere Jahre angehörte. Seit 1960 war er Vorsitzender des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof. Nach längerer Krankheit verstarb Dr. Friedrich Wilhelm Geier am 13. April 1965 auf der Höhe seines Wirkens im Alter von 62 Jahren. In Erinnerung an das Pauluswort „Der mich richtet, ist der Herr!“ schied er friedlich aus einem erfüllten Leben18. Der Präsident des BGH Dr. Bruno Heusinger19 würdigte in seinem Nachruf vor der großen Trauergemeinde in Karlsruhe die Persönlichkeit und das berufliche Wirken des Toten20: „Dr. Geier war ein Mann von außerordentlichen menschlichen Eigenschaften, als Richter der Gerechtigkeit leidenschaftlich verbunden, ein Vorbild an Pflichtauffassung und Pflichterfüllung. Als Vorsitzenden zeichneten ihn die Überlegenheit seines Wissens und die Ausgeglichenheit seines Wesens aus und sicherten ihm eine allseitig anerkannte Autorität. In seiner menschlichen Bescheidenheit hat er nie ein Aufhebens gemacht von dem Übermaß an Arbeit, das er vor allem beim Aufbau des Bundesgerichtshofs (…) auf sich nahm und leistete. Der Bundesgerichtshof verliert mit Senatspräsident Dr. Geier eines seiner hervorragendsten Mitglieder. Sein Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Beispiel wird lange bestehen.“ Des Weiteren sprachen vier Berufskollegen Worte des Abschieds und Dankes. Pfarrer Alfons Scholz21, ein Heimatfreund und Bundesbruder, zelebrierte die Beerdigung am 20. April 1965; dabei fand er bewegende Abschiedsworte22, in denen er Geiers Heimatliebe und Freundschaftstreue sowie seine Fröhlichkeit in Gesellschaft und in der Natur hervorhob. Acht Bundesbrüder der Alten Breslauer Landsmannschaft Glacia und Verbandsbundesbrüder gaben dem Toten das letzte Geleit und senkten sein Burschenband ins Grab. Friedrich Wilhelm Geier war nicht nur geborener Glatzer aus einer alten Eckersdorfer Familie, er bekannte sich auch stets als treuer und bewusster Sohn seiner Heimat. Noch im Mai 1964 nahm er an einem Treffen der „Überlebenden“ (7 Männer) seines Abiturjahrganges 1922 teil23. Er wusste, dass sein Wesen in seiner Glatzer Kindheit und Jugend maßgeblich geprägt worden war. Gegenüber Schindler äußerte sich Geier einmal: „Unvollständig würde ich sein, wollte ich nicht erwähnen, dass frühzeitig Wanderfahrten mit guten Freunden durch alle Teile der Grafschaft eine Fülle von Erlebnissen mit Land und Leuten vermittelten, die ich sonst nie gewonnen hätte. “ Und er schrieb ihm auch: „Mein Wunsch war es immer, dass meine Heimat sich meiner nicht zu schämen brauchte.“ – und Schindler ergänzte: „Er hat seinen Wunsch verwirklicht, zur Ehre unserer und seiner Heimat, der Grafschaft Glatz!“24

Joachim Sobotta (geb. 1932) Joachim Sobotta25 wurde am 21. März 1932 in Glatz geboren. Dort besuchte er die Volksschule und anschließend bis Dezember 1944 die GrafGoetzen-Oberschule26. Gerne erinnert er sich an seinen Volksschullehrer, der seine Schüler anleitet, in einem mit Sand gefüllten Holzkasten ein Geländemodell der charakteristischen Landschaft den heimatlichen Glatzer Bergkessel zu gestalten27. Im März 1946 erfuhr er mit seiner Familie, seine Mutter und seine drei Schwestern, die existenzielle Not der „geregelten“ Vertreibung; in einem typischen Vertreibungstransport „in 40 Viehwaggons à 30 Personen“ gelangten sie in die Britische Besatzungszone nach Ankum im nördlichen Osnabrücker Land.28 Sein Vater kehrte nicht mehr aus sowjetischer Gefangenschaft zurück, „wo er im Zeichen des Stalinismus verhungert wurde.“29 Als vierzehnjähriger Schüler besuchte Joachim die Mittelschule in Ankum. Auf der Oberschule im benachbarten Quakenbrück beendete er 1951 seine Schulzeit 108

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mit dem Abitur. Danach vollzog Joachim Sobotta eine wirtschaftlich notwendige Umsiedlung in das industriell wachsende Ruhrgebiet; er verdiente als junger Volontär der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ) die ersten journalistischen Sporen – und das erste eigene Geld. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin, München und Bonn folgte 1960 die nächste Station seiner Journalistenkarriere bei der „Deutsche Zeitung“ (DZ) in Köln. Im politischen Bonn übernahm er schon 1963 die Leitung der örtlichen Redaktion der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (RP). Schon sechs Jahre später wurde er 1969 mit 37 Jahren zum Chefredakteur der RP berufen und stand damit an der Spitze einer der bedeutendsten und auflagenstärksten deutschen Regionalzeitungen. Neben dieser beruflichen Belastung schloss Sobotta 1972 sein Jurastudium mit der Promotion ab. Fast drei Jahrzehnte lang bewährte sich der Jurist und Chefredakteur im alltäglichen Journalistengeschäft. Die zahlreichen Leser der Rheinischen Post und die ARD-Fernsehzuschauer kennen ihren Sobotta als gefragter Kommentator und begehrter Moderator. Sein aktives Eintreten für Pressefreiheit als Voraussetzung jeglicher Freiheit ist identisch mit dem Eintreten für das Gemeinwohl. Demokratie ist für ihn, ein bekennender evangelischer Christ, Bereitschaft zu Verständigung und Toleranz; auch die Förderung junger Kollegen war ihm stets ein Anliegen. Für seine langjährigen journalistischen Meisterleistungen erhielt er 1990 den Theodor-Wolff-Preis, eine der renommiertesten Auszeichnungen für Journalisten.30 Am 30. September 1997 trat Dr. Joachim Sobotta als der dienstälteste Chefredakteur einer deutschen Tageszeitung in den Ruhestand. Anlässlich einer Feierstunde mit mehr als 400 Gästen würdigte der RP-Herausgeber Gottfried Arnold Dr. Sobotta als einen „Vollblutjurnalisten“ mit Engagement und klarer Sprache, der schreibend und gestaltend Inhalt und Ausrichtung seiner Zeitung lange Jahre entscheidend geprägt habe. Er sei ein „Mann mit Ecken und Kanten, aber gerade deshalb mit eigenem Profil, das weder Anhänger noch Kritiker unbeeindruckt ließ“. Als Chefredakteur trat er stets für seine politischen Überzeugungen ein: für Gerechtigkeit und Freiheit, gegen staatliche Willkür und Unterdrückung. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau erinnerte sich in einer kurzen launigen Rede an den Chefredakteur, dessen Kommentare er nicht immer zustimmend, aber „mit Gewinn“ gelesen habe. Sein Ausscheiden markiere einen „Einschnitt in der Geschichte unseres Landes“, die er mitgeschrieben und –gestaltet habe. In einem Grußwort dankte auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl dem Journalisten Sobotta für sein beeindruckendes Lebenswerk. Sein Name stehe für sachkundigen, unabhängigen und verantwortungsbewussten Journalismus.31 Nach seiner erfolgreichen Berufszeit als Journalist, der seit langem in Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Nordrhein-Westfalen voll integriert ist, vergaß Sobotta nicht, woher er stammte; nun kommt der Schlesier Sobotta wieder mehr zu seinem Recht: er bricht eine Lanze für die Bewahrung ostdeutschen Kulturerbes und für den deutschpolnischen Dialog. Denn seine Glatzer Prägung lebt bis heute fort: „Die in Jugendjahren mehr intuitiv, später bewusst betriebene Integration hatte sich bei mir, wie bei vielen Schicksalsgenossen aus dem Osten, die in NordrheinWestfalen heimisch wurden, gelohnt. (…) Allerdings stand die Eingliederung der Vertriebenen aus dem deutschen Osten zwischen 1946 und etwa 1960 angesichts einer stürmischen Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft unter einem glücklichen Stern.“.32 In einem Interview mit Dr. Walter Engel erläuterte Dr. Sobotta 1999 seine Beziehung zu seiner Heimatstadt Glatz: „Ich bin im Alter von 14 Jahren vertrieben worden, also in einem Alter, da man voll aufnimmt, was um einen vorgeht. Ich kenne heute noch meine Stadt Glatz in Niederschlesien, jetzt Kłodzko, in der ich geboren worden bin, kenne jedes Haus, jeden Sportplatz und jeden Postkasten. Ich kann blind meine Familie dort hinführen, und die staunen immer, was ich alles weiß. In meiner langen Laufbahn habe ich nie meine schlesische Herkunft verleugnet. Jetzt, da ich älter geworden bin und auch mehr Zeit habe, (…) pflege ich also das kulturelle Erbe unserer Heimat.“33 Auf seinem Weg durch die Jahrzehnte, Länder und Städte sammelte er verschiedene Zeugnisse deutscher Kultur in Schlesien. Anlässlich seines 75. und 80. Geburtstags zeigte er im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf 2007 unter dem Titel „Von der Glatzer Neisse an den Rhein“34 und 2012 im Haus Schlesien in Königswinter „Ferne, nahe Grafschaft Glatz“. Die Exponate umfassten historische Veduten und Landkarten, Bilder und alte Ansichtskarten, Notgeldscheine, Pläne und Fotographien seiner Geburtsstadt Glatz aus der Zeit vor 1945.35 Andere historische Zeugnisse aus dem Westen, wo er eine Familie begründet und beruflichen Erfolg gehabt hat, kamen hinzu. Es ist seine besondere Sammlung zur Selbstvergewisserung, aber auch zur Information für andere. Als langjähriges Vorstandsmitglied des Vereins Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott setzte er sich intensiv für die Zusammenarbeit mit schlesischen Kultureinrichtungen im heutigen Polen ein. In den letzten Jahren hat Dr. Sobotta im Haus Schlesien die sogenannten „Prominentengespräche“ mit berühmten Persönlichkeiten schlesischer Herkunft durchgeführt, u. a. mit dem Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner,36 dem Oppelner Bischof Alfons Nossol,37 dem WDR-Intendanten Friedrich Nowottny,38 dem Umweltminister Klaus Töpfer39 und dem Nobelpreisträger Reinhard Selten.40 Wolfgang Stumph (geb. 1946) Wolfgang Stumph41 wurde am 31. Januar 1946 in Wünschelburg geboren.42 Sein Geburtsort deckt sich nicht mit seinem Heimatort, denn noch im Frühjahr 110

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desselben Jahres erlitt seine Familie die Vertreibung aus Wünschelburg43; sie gelangten als „Neubürger“ bzw. „Umsiedler“44 nach Halle an der Saale und wechselten 1950 nach Dresden. Dort machte er eine Ausbildung als Apparate- und Behälterbauer (Kesselbauer). In den Jahren 19671970 studierte Stumph Ingenieurpädagogik in KarlMarx-Stadt (heute wieder: Chemnitz). Daran schloss er 1978-1980 ein Studium an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin an, gefolgt von Arbeiten am Staatstheater Dresden. In den Jahren 1980-1991 startete Wolfgang Stumph seine Kabarettistenkarriere an der Dresdener „Herkuleskeule“, seit 1988 gemeinsam mit Wolfgang Schaller und Rainer Schulz auch in der Bundesrepublik Deutschland. In seiner Paraderolle als kleiner Mann und Prototyp des Sachsen verstand er es, in schwejkscher Sicht hinter einfachen Sätzen Systemkritik zu verbergen. Der erste Fernsehauftritt in der DDR kam 1988 als „Beutelgermane“ in der Unterhaltungssendung „Showkolade“ mit Gunther Emmerlich, worin „Stumpi“ dem Showmaster mit seinen kritischen Hinweisen und Erlebnissen „auf die Nerven“ ging und das Publikum zu Lachsalven hinriss. Zwischen 1991 und 2006 trat Stumph gemeinsam mit seinen Partnern Gunter Antrak und Detlef Rothe im Dresdener Kabarett-Programm „Antrak auf STUMPHsinn“ auf, worin zahlreiche Figuren und Lieder des vergangenen DDR-Kommunismus gespielt wurden. In den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 gelang Stumph sein bundesweiter Kino- und TV-Durchbruch. In dem Kultfilm „Go, Trabi, Go – Die Sachsen kommen“ reiste er 1991 als „Deutschlehrer Udo Struutz“ auf den Spuren Goethes nach Italien und zeigte seiner Familie (und den Zuschauern), was in einem richtigen Sachsen so alles steckt. Ab 1993 nahmen die TV-Auftritte zu. Zuerst kam die Rolle als „Wolle Stankoweit“, der renitente Postbeamte aus dem fiktiven brandenburgischen Dorf Niederbörnicke in der ZDF-Kabarettserie „Salto Postale“. Der Erfolg lag in einem SitcomFormat, das bis dahin in Deutschland nicht vorkam. Für diese Rolle erhielt Stumph 1995 den Deutschen Fernsehpreis TeleStar als „Bester Darsteller in einer Serie“.45 Von 1996 bis 2002 wechselte die Sitcom zu „Salto Kommunale“ in dörflicher Umgebung. Von 1995 bis 2014 spielte Wolfgang Stumph den ZDF-Kommissar „Stubbe – Von Fall zu Fall“, immer an seiner Seite seine TVTochter Stephanie (auch leibliche Tochter Stephanie Stumph). Die Krimireihe gehörte zu den erfolgreichsten Serien des ZDF; hierfür erhielt er 2004 den Bayerischen Fernsehpreis.46 Altheider Weihnachtsbrief 2016

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In etlichen Filmrollen konnte Wolfgang Stumph sein komödiantisches Talent voll ausspielen, so 1998 im Film „Bis zum Horizont und weiter“, 2003 „Der Job seines Lebens“, 2006 „Eine Liebe in Königsberg“ und 2011 „Stankowskis Millionen“; letzterer brachte ihm den Deutschen Comedypreis 2012 für „Beste TV Komödie“ ein.47 Neben seiner Kino- und TV-Arbeit trat Stumph auch als erfolgreicher Buchautor hervor. Sein Buch „Stubbe – Der Mann für jeden Fall“ erschien erstmals 2003,48 gefolgt 2013 von „Stubbe – Von Fall zu Fall, Folge 11-20.“ Das Lexikon „Sächsische popläre Irrtümer“, das er gemeinsam mit Norbert Weiß herausgab, erlebte mehrere Auflagen.49 Der Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Stumph engagiert sich zusätzlich im Volkersdorfer Kinderheim und in der Dresdener Kinderhilfe; seit 2000 ist er ehrenamtlicher UNICEF-Mitarbeiter. Welch ein starker Charakter dem Kabarettisten und Schauspieler Wolfgang Stumph eigen ist, bezeugt sein Geständnis, dass er „trotz sechsstelliger Angebote noch nie Werbung gemacht“ (habe). … Ich kann das zumindest nicht mit meinem Anspruch vereinbaren. Werbebotschaften sind wie Wahlversprechen: Sie werden kaum eingehalten.“50 Auf seiner Website bekennt er seine Lebensmaxime, auch „als erfolgreicher Star nicht zu vergessen, wo seine Wurzeln liegen, wo er herkommt und wem er sich verbunden fühlt.“ – zufällig geboren in Wünschelburg, aber sozialisiert und geprägt in seinem Heimatort Dresden und dort bis heute mit seiner Familie zuhause. 1

Zu den Lebensdaten von Geier siehe Scholz 1965; DRiZ 1965; Schindler 1975; Krüger-Nieland 1975, Tab. I B, Nr. 10, S. 355; Preis 1976; Wikipedia/Friedrich-Wilhelm Geier (28.10.2013). 2 Dr. Josaphat Mikolajczak (1875-1944) aus Posen, 1917-1932 Oberstudiendirektor am Gymnasium Glatz; siehe Linke 1961, S. 47 und 95. 3 Schindler 1975, S. 186. 4 Peter Thomaschik (1854-1942) aus Beuthen, Prof. Dr., Lehrbefugnis für Latein, Griechisch, Geschichte und Erdkunde; siehe Linke 1961, S. 103. 5 Michael Kaiser (1876-1960), Lehrbefähigung für Deutsch, Geschichte und Erdkunde; siehe Linke 1961, S. 99. 6 Schindler 1975, S. 187. 7 Schindler 1975, S. 187; Pabsch 2012, S. 27-28. 8 Geier, Wilhelm: Die Gesetzesauslegungsmethoden des Reichsgerichts. Breslau 1929. 9 Grenadier-Regiment 350, entstanden im Oktober 1942 durch die Umbenennung des Infanterie-Regiments 350 der 221. Sicherungs-Division in Russland. Das Regiment wurde im Juni 1944 bei der Heeresgruppe Mitte, 2. Panzerarmee bei Witebsk vernichtet und am 28. Juli 1944 aufgelöst. Die Reste kamen zum Sicherungs-Regiment 75; siehe www.lexikon-der-wehrmacht.de/ Grenadieregimente (1.12.2013). 10 Hans Richter (1885-1954), 1936-1945 Ministerialrat im Reichsjustizministerium und Reichsanwalt am Reichsgericht in Leipzig, danach Ministerialrat in Wiesbaden, 1950-

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1952 Senatspräsident am BGH; siehe Krüger-Nieland 1975, Tab. I B, Nr. 1, S. 354; Wikipedia/Hans Richter (Richter) (9.11.2013). 11 Viktor Agartz (1897-1964), sozialistischer Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschafter aus Remscheid, 1946-1947 Leiter des Zentralamts für Wirtschaft in der britischen Zone in Minden (später bizonales Verwaltungsamt für Wirtschaft), 1948-1955 Leiter des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes (WWI). 1957 Anklage beim BGH wegen der Aufnahme landesverräterischer Beziehungen zur SED und zum FDGB, wo ihn Gustav Heinemann verteidigte; der BGH sprach Agartz am 13.12.1957 vom Vorwurf frei. Siehe Wagner / Willms 1975, S. 271; Wikipedia/Viktor Agartz (22.11.2013). 12 Otto John (1909-1997), 1950-1954 erster Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz der Bundesrepublik Deutschland in Köln. John wechselte am 20. Juli 1954 unter mysteriösen Umständen von West-Berlin in die DDR; nach seiner Flucht zurück nach West-Berlin am 12. Dezember 1955 wurde er vom BGH am 22. Dezember 1956 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine fünf Wiederaufnahmeverfahren zur Rehabilitation blieben erfolglos; siehe Wikipedia/Otto John (31.10.2013). 13 Wagner / Willms 1975, S. 265-266. 14 Als Spielbankenaffäre werden die politischen Ereignisse in Bayern zwischen 1955 und 1962 nach der Erteilung von Konzessionen für Spielbanken an Privatpersonen bezeichnet; Landgerichtsurteile im Spielbankprozess gegen hohe Regierungsmitglieder wegen Meineids; siehe Wikipedia/Spielbankenaffäre (Bayern) (2.12.2013). 15 Vera Brühne erlangte 1961/62 deutschlandweite Bekanntheit, als sie gemeinsam mit ihrem Bekannten Johann Ferbach angeklagt und verurteilt wurde, den Münchner Arzt Otto Praun und dessen Geliebte ermordet zu haben; siehe Wikipedia/Vera Brühne (18.10.2013). 16 Ewald Löwe und Werner Rosenberg: Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, ältester deutschsprachiger juristischer Kommentar, 26 Auflagen 1879-2014; siehe www.jura.uni-passau.de. 17 Deutscher Richterbund (DRB) in Berlin, größter Berufsverband von Richtern aller Gerichtszweige und Staatsanwälten in Deutschland; er gibt die Deutsche Richterzeitung (DRiZ) heraus und organisiert den Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag (RiStA-Tag); siehe www.drb.de (3.12.2013). 18 Scholz 1965, S. 8. 19 Dr. Bruno Heusinger (1900-1987), 1960-1968 Präsident des Bundesgerichtshofs; siehe Krüger-Nieland 1975, Tab. IA, Nr. 3, S. 353; Wikipedia/Bruno Heusinger (4.12.2013). 20 Zitat DRiZ 1965, S. 171. 21 Alfons Scholz (1898-1979), vor 1945 Pfarrer in Langenbrück/Schlesien, später Pfarrer in Kesseling/Ahrtal. 22 Scholz 1965, S. 8. 23 Franz Atzler: Die „Überlebenden“ des Abiturientenjahrgangs 1922, in: Grafschaft Glatzer Heimatblätter, XVI, 1964, S. U 103. 24 Schindler 1975, S. 187. 25 Zu den Lebensdaten von Sobotta siehe Arnold 1997; Engel 1999; Sobotta 2007 und 2008; KK 2012; siehe auch Wikipedia/Joachim Sobotta (3.9.2014). 26 Nach der Schulreform 1937 befand sich im Glatzer Gymnasium auch ein Zweig als „Staatliche Oberschule für Jungen“, 1938 in „Graf-Götzen-Schule“ umbenannt; siehe Bernatzky 1994, S. 95; Linke 1961, S. 48; Pohl 2004, S. 36. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Sobotta 2007, S. 8. Zur „wilden“ und „geregelten“ Vertreibungsnot siehe Herzig 2004, darin: polnischer Vertreibungsbefehl vom 29. Juni 1945 S. 127, Wagon-Liste S. 135, Ankunft in der Britischen Zone S. 136; Sauermann 2004, darin: Wilde Vertreibung, S. 94-100 und Die Vertreibung 1946/1947, S. 167-222. 29 Sobotta 2008, S. 45. 30 Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den Chefredakteur des liberal-demokratischen „Berliner Tageblatts“, der wegen seiner jüdischen Herkunft im Nationalsozialismus verfolgt worden war; siehe Wikipedia/Theodor-Wolff-Preis#1990. 31 Arnold 1997. 32 Sobotta 2008, S. 49-50. 33 Engel 1999, S. 8. 34 Sonderausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf, März 2007; siehe Sobotta 2007, S. 8. 35 Sonderausstellung im Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott, Februar 2012; siehe http://www.hausschlesien.info/html/seit_1984.html (16.1.2014); Peter Großpietsch: Joachim Sobotta 80 Jahre, in: Grafschafter Bote, 4/2012, S. 5. 36 Joachim Meisner (geb. 1933 in Breslau), 1983 Kardinal, seit 1989 Erzbischof von Köln. 37 Alfons Nossol (geb. 1932 in Broschütz, Oberschlesien), 1977-209 Bischof von Oppeln/Oppole. 38 Friedrich Nowottny (geb. 1929 in Hindenburg/Zabrze), 1985-1995 Intendant des Westdeutschen Rundfunks. 39 Klaus Töpfer (geb. 1938 in Waldenburg), 1987 Bundesminister für Umwelt, 1994 Bundesminister für Bauwesen und Städtebau, 1998-2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). 40 Reinhard Selten (geb. 1930 in Breslau), 1968 Habilitation in Wirtschaftswissenschaften, 1994 Wirtschaftsnobelpreis. 41 Zu den Lebensdaten von Stumph siehe Müller-Enbergs et al. 2010, Band 2; Wikipedia/Wolfgang Stumph (8.8.2013); www.stumph.de (2.12.2013). 42 Auf der Web-Site von Stumph ist der Geburtstort korrekt mit „Wünschelburg/ Schlesien“ angegeben; der Wikipedia-Eintrag lautet historisch falsch „Wünschelburg, Volksrepublik Polen“; bei Kirschey-Feix (in: Müller-Ensberg et al. 2010) heißt es ebenso unkorrekt „Geb. in Radków (dt.: Wünschelburg/Niederschlesien, Polen)“. 43 Kirschey-Feix (in: Müller-Ensberg et al. 2010) benennt die Vertreibung in der heute überholten DDR-Sprachregelung noch mit „Umsiedlung“. 44 Zum DDR-Begriff „Umsiedler“ siehe Brandes et al. 2010, S. 677-680. 45 Siehe Wikipedia/Telestar, 1995 (20.11.2013); Wolfgang Stumph: Doppelter Salto, Berlin 2000. 46 Siehe Wikipedia/Bayerischer Fernsehpreis, 2004 (20.10.2013). 47 Siehe Wikipedia/Deutscher Comedypreis, 2012 (2.12.2013). 48 Wolfgang Stumph: Stubbe der Mann für jeden Fall, Leipzig 2003; ders.: Stubbe - Von Fall zu Fall, Folge 11-20, 2013. 49 Wolfgang Stumph und Norbert Weiß: Sächsische populäre Irrtümer. Ein Lexikon A bis Z. Zweite Auflage, Berlin 2009. 50 Interview in „Bild der Frau“ vom 4.4.2012, zitiert nach Wikipedia/Wolfgang Stumph, S. 3. 28

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Abschied von der Grafschaft Glatz und Bad Altheide Leonhard Lutzke Altheide lernte ich das erste Mal kennen, als ich mit Mutter mit dem Fahrrad diesen Ort besuchte. Ich war damals etwa 14 Jahre alt. Ich konnte nicht ahnen, dass dieser Ort nach der Vertreibung eine so bedeutende Rolle in meinem Leben spielen würde. Bei meinen ersten Besuchen in der alten Heimat führten mich Verwandte zu Frau Hilde Kastner, welche in Altheide wohnte. Mit diesen Verwandten besuchten wir sie und wir wurden uns einig, dass ich im Urlaub bei ihr wohnen konnte. So sind es drei Jahrzehnte geworden, in denen ich glücklich und sorgenlos meinen Urlaub bei ihr verbringen konnte. Sie sprach in unserem Dialekt mit mir, kochte wie meine Mutter und besaß fast ihre Figur. Ich nannte sie recht bald Tante Hilde. Viele Wanderungen mit ihr und ihren Kindern brachten mir meine alte Heimat in ihrer Schönheit erst richtig nahe. Ich war ein Glückspilz in all den Jahren. In meinem Urlaub habe ich viel literarisch gearbeitet, Bücher geschrieben und Gedichte jeglicher Art. Das liebste Gedicht heißt: ,, Mein Trost". Es ist in unserem Dialekt geschrieben und drückt die ganze Liebe zu diesem Ort aus. Wenn der August nahte war mein Herz schon in Altheide, die Beine etwas später. Habe beide Hochwasser miterlebt, die Schäden waren alsbald wieder behoben. Am 2.Juli 2016 reiste ich im Alter von 87 ½ Jahren zum letzten Mal nach Altheide, um mich von Deutschen und Polen zu verabschieden. Mein Kollege fuhr mich und ich wohnte bei einer Tochter von Tante Hilde, um eine Woche Urlaub zu machen. Er fuhr mich überall hin wo ich Abschied nehmen wollte. In Grunwald war es der Franziskaner-Pater Herr Reymond. Ich kannte ihn schon lange Zeit. Er hat in drei Kirchen und Friedhöfen wahre Wunder bewirkt. Er muss am Sonntag in drei Kirchen die Messe halten das ist schon eine erstaunliche Leistung. Im Weinberg Gottes ist er ein Unikat an Planung, Ordnung und persönlichem Einsatz. Wir haben uns in Grunwald in seinem Pfarrhaus, in dem auch Touristen übernachten, lange unterhalten. Er erzählte mir von all seinen Vorhaben, die er in seiner Region noch durchführen möchte. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Der Abschied ist mir schwer gefallen. Er machte mir dabei auf die Stirn ein Kreuz und so gingen wir traurig auseinander. Als weitere Abschiede waren Walditz und Schlegel an der Reihe. Dort wohnten die Söhne von Frau Mostowe, bei der ich mit Frau und Tochter meinen Urlaub verbrachte. Frau Mostowe starb einen Tag vor meinem Urlaub in Altheide in der neuen Klinik. Wenn ich ihre Söhne besuche, bewirten sie mich immer wie einen König. Wenn ich nach dem warum frage, sagen sie, weil ich immer so gut zu Mama war und den Unfrieden zwischen vier Söhnen geschlichtet habe. Der Abschied von beiden Familien war ebenfalls herzlich und traurig zugleich. So blieben mir nur noch die Kinder von Tante Hilde bei denen ich mich verabschieden musste. Am Ende blieb mir noch ein Besuch bei Frau Erna Biegus übrig. Sie wohnte vorübergehend in einem Zimmer in der Nähe vom Bahnhof. Mit Barbara habe ich sie in ihrer Wohnung besucht. Ich habe sie beim Abschied fest gedrückt und auf die Stirn geküsst und dabei ein kleines Präsent hinterlassen, der Abschied war zum Weinen. Bei meiner Abschiedsparty bei Barbara waren Herr Grzybowski und seine Lebensgefährtin Sylwia, Barbara, eine Freundin von ihr und mein Fahrer Werner anwesend. Wir aßen und tranken, tauschten in fröhlicher Runde Neuigkeiten aus. Sylwia sang uns die Arie der Königin der Nacht von Mozart und einiges mehr. Herr Grzybowski kündigte an, in der „Ziemia Kłodzka“ etwas über mich als „Rekordtouristen“ zu schreiben. Ich habe in Altheide bei meinem Frisör, den ich jahrelang kannte, meine grauen Haare zurück gelassen. Wenn ich nun bei allen Abschied genommen habe muss ich mich bei meinem Schicksal bedanken, und meiner alten Heimat für das Glück das ich dort erleben durfte. Die Zukunft wird ein weiteres Abschied nehmen sein. Wie sagt ein braver Tischler am Ende seines Lebens: Da leg ich meinen Hobel hin und sag der Welt Ade!

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Zwischen Vergangenheit und Gegenwart: der „Altheider Weihnachtsbrief“ von Georg Wenzel und Eberhard Scholz Dieser Beitrag wird auch Bestandteil des folgenden Buches sein (Abdruck im Altheider Weihnachtsbrief mit Genehmigung des Herausgebers): „Neubeginn in der Fremde. Beispiele für die Integration der vertriebenen Bevölkerung der Grafschaft Glatz nach 1946“. Hrsg. von Horst-Alfons Meißner, Aschendorff-Verlag Münster (z. Zt. im Druck) ca. 500 S.

Der Anfang Die Geschichte des Altheider Weihnachtsbriefes reicht zurück bis in das Jahr 1985. Vor 30 Jahren nahmen einige ehemalige Altheider Kontakt miteinander auf: „Man müsse 40 Jahre nach der Vertreibung doch versuchen, die in alle Welt zerstreuten Altheider zu bewegen, ein Wiedersehen mit alten Nachbarn und Freunden auszurichten“. Als Ort des Treffens kam Iserlohn in Frage. Dort waren 1946 eine größere Anzahl der 3.973 Altheider (1939) angekommen. Anschriften wurden gesammelt und 1985 gingen die Einladungen heraus. Die Zustimmung war überwältigend. 400 ehemalige Altheider feierten ein bewegendes Wiedersehen. In den folgenden Jahren wurde die Anschriftensammlung ergänzt bis schließlich 650 Altheider erfasst waren. Sie wohnten über die ganze Bundesrepublik und die DDR verstreut, im Europäischen Ausland und in Übersee. Der Wunsch, miteinander in Verbindung zu bleiben, war groß. Und so verfasste unser unvergessener Martin Dunkel den ersten Weihnachtsbrief als Grußwort an alle, deren Adressen bekannt waren. Es war eine Reaktion auf die vielen Weihnachtsgrüße, die er im Vorjahr bekommen hatte. Er schreibt im Dezember 1990: „Liebe Altheider Mitbürger! Über Ihre lieben Dankesbriefe für unsere vorjährigen Weihnachtsgrüße mit en Gedanken über den Heiligen Abend habe ich mich sehr gefreut, und so möchte ich heut meine Kindheitserinnerungen ausklingen lassen in der Hoffnung, dass auch bei Ihnen Parallelen wach werden, wie es einmal war und sich nie mehr wiederholen wird. Ich schloss im vorigen Jahr mit dem Satz: Dann standen wir in der Pracht der Weihnachtsstube, hell strahlten die Kerzen am Weihnachtsbaum [...].“ Der Umfang dieses Briefes betrug nur 2 Seiten. Unterschrieben war er von den Organisatoren Georg Wenzel, Martin Dunkel, Friedrich Goebel, Kurt Rahner und Ernst Zernig. Am Schluss wird noch verwiesen auf das nächste geplante Treffen am 10. und 11. Mai 1991 in Iserlohn. 200 Altheider fanden sich 1991 ein, darunter erstmals auch Altheider, die in den neuen Bundesländern wohnten. Der Weihnachtsbrief aus dem Jahre 1991 klingt ähnlich. Der erste Absatz stand ebenfalls unter dem Gedanken an die verlorene Heimat. Vor allem waren 118

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die Worte eine Rückbesinnung auf weihnachtliche Tage und Wochen in der alten Heimat: „Liebe Altheider Mitbürger – liebe Freunde unserer Heimat! In unserem letzten Weihnachtsbrief, der schon beinahe eine liebgewordene Tradition geworden ist, war am Ende zu lesen: Kindheitserinnerungen – lange vergangen dann hat uns das Leben hart angefasst. Was für einen Zeitabschnitt umfassen diese wenigen Worte! Wir haben zwar unser Leben behalten, aber ein Stück unseres Herzens hingeben müssen – unsere Heimat. Und nichts lässt auch heute noch unsere Gedanken so liebevoll zurückeilen als das allmähliche Herannahen der Weihnachtszeit [...].“ Im dritten Weihnachtsbrief, 1992, der schon drei Seiten lang war, schrieb Georg Wenzel – der inzwischen das „Heimatbuch Altheide Bad“ herausgegeben und schon mehrere Besuche in Altheide gemacht hatte – unter dem Eindruck seiner Erlebnisse und Feststellungen sowie seinem Treffen mit dem polnischen Pfarrer Antoni Kopacz einen gesonderten Brief, in dem er den Zustand der Katholischen Pfarrkirche schildert und um Spenden bittet. Wegen der Details, die man nicht erklären muss, wird die komplette Seite nachfolgend wiedergegeben: „Liebe Altheider, der Weihnachtsbrief führt Euch heute in die kath. Kirche ´Maria Himmelfahrt`. Sie steht achtzig Jahre und die meisten von uns sind in Ihr getauft und gefirmt worden, sind dort zur ersten hl. Kommunion gegangen oder haben in ihr geheiratet. Vielen von uns sind bei inzwischen erfolgten Besuchen der alten Heimat, die immer auch einen Besuch der Kirche einschlossen, wehmütige Erinnerungen hieran gekommen, viele haben nach langen Jahren noch Einzelheiten aus dem kirchlichen Leben und eigenem kirchlichen Erleben in Altheide in Erinnerung. Das ´Grafschafter Gottesvolk´ wie Großdechant Prälat Jung immer sagt, gab es auch in Altheide! Ist nicht gerade die Kirche, bei allen Veränderungen die im Bild unseres Heimatortes vorgenommen worden sind, der Blick- und Anziehungspunkt für uns alle und ist es nicht gerade die Kirche, die über Generationen hinweg als Zeugnis unserer christlichen Kultur erhalten werden muss? Altheide hat seit dem Sommer des Jahres einen neuen Pfarrer, Antoni Kopacz, einen aufgeschlossenen, lebendigen jungen Priester, den ich im Juli persönlich kennen lernte. Mit großem Interesse hörte er meinen Bericht über die Geschichte der Kirche und Pfarrei, war dankbar für das ´Heimatbuch Altheide Bad´ und sagte mir spontan: ´Das ist auch Ihre Kirche´. Im Kirchengebäude ist über Jahrzehnte hinweg nichts renoviert worden. Die Elektroanlage muss neu installiert werden, Altar und Bilder müssen restauriert und die Kirche ausgemalt werden. Pfarrer Kopacz bittet um unsere Mithilfe und sagt mir, dass er gern bereit ist, bei einer zweckbestimmten Einzelspende den Namen des Spenders am restaurierten Gegenstand anzubringen. (Traurig denken wir an die Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Entfernung der Spendernamen an den Fenstern - u.a.). Pfarrer Kopacz schreibt uns jetzt: ´Liebe Altheider, zum Weihnachtsfeste möchte ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, von ganzem Herzen in meinem und im Namen meiner Pfarrgemeinde herzliche Wünsche der Freude und des Friedens in Christus übermitteln. Wir wissen, dass Ihr mit ganzem Herzen an Eurem Heimatort hängt. Helft mir bitte bei der Renovierung der Kirche. Eure Hilfe wird jetzt und in der Zukunft gute Früchte tragen.´ Wer von Euch etwas für unsere Kirche tun will, kann die Spende direkt an Ks. Antoni Kopacz, ul. Kamienna 8, 57-320 Polanica Zdrój schicken oder ihm über mich zuleiten. Er nimmt auch Messintentionen direkt oder über mich an. So wird dann in unserer Heimatkirche wieder unter Verkündigung für unsere Verstorbenen oder in anderen Anliegen gebetet werden. Seinen Dank abstatten möchte Pfarrer Kopacz dann durch seine Teilnahme an unserem Heimattreffen in Iserlohn. Er wird mit Pfarrer Lothar Röhr, Pfarrer Norbert Stroh und uns allen den Gottesdienst feiern. Allen, die die alte Heimat besuchen, wird Pfarrer Kopacz, dessen bin ich sicher, ein guter und verständnisvoller Gastgeber sein. Vielen von uns mag es schwer sein, diesen Weg der Verständigung zu beschreiten. Wenn man etwas länger darüber nachdenkt, ist es nicht doch ein kleines Wunder, dass wir in Altheide wenigstens wieder kirchliche Heimat finden können? Es grüßt Euch alle mit den Wünschen für eine gesegnete, gnadenreiche Weihnacht und ein gutes, friedensreiches Jahr 1993 Euer Georg Wenzel.“ Damit war die erstmalige Teilnahme des polnischen Pfarrers von Altheide bei einem Heimattreffen angekündigt - sowie auch an mehreren folgenden. Sie stieß nicht bei allen auf Verständnis, aber es war der Beginn einer bis heute anhaltenden Freundschaft mit den heute in Altheide lebenden polnischen Bürgern. Bei dem „Altheider Weihnachtsbrief“ 1993, der wieder nur zwei Seiten lang war – eben noch ein echter Brief – fällt aber bereits ein Schriftkopf auf, der im Wesentlichen Elemente enthält, die heute noch im Titel enthalten sind!

Der bisher formlose Weihnachtsbrief erhält einen Schriftkopf

Erstmals aber wird darin ein Bericht unseres Altheider Lehrers und Heimatschriftstellers Paul Herrmann aus dem Jahre 1953 abgedruckt. Außerdem gibt es zum ersten Mal Bekanntmachungen für Altheide Bad mit Hinweisen auf die geplante Gemeinschaftsfahrt in die alte Heimat, die zweite Auflage des „Heimatbuch Altheide Bad“ und die Aufforderung, Geburtstage und Adressen für die Anschriftendatei zu nennen. 120

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Altheider ergänzen den „Weihnachtsbrief“ durch Berichte aus alter und neuer Zeit Danach gibt es eine Pause von zwei Jahren, in denen kein Weihnachtsbrief erschienen ist. Der von 1996 hatte dann schon stolze acht Seiten Umfang mit Schilderungen aus alter Zeit, aber auch mit aktuellen Berichten, wie es in Altheide aussieht und was sich dort inzwischen getan hat. 1997 und 1998 hatte der „Altheider Weihnachtsbrief“ bereits zwölf Seiten. Das Interesse der Leserschaft war groß. Natürlich stand immer im Vordergrund die Frage „Wie sieht es in der Heimat aus?“ Jeder Altheider, der einen Besuch in der alten Heimat hinter sich hatte, berichtete davon. Unter dem Titel „Aus der Geschichte unseres Ortes“ wurde ein Stück Altheider Schulgeschichte und Geschichte des Altheider Waisenhauses geschildert. Der Vorstand Der Altheider Weihnachtsbrief von 1996 war bemüht, die Heimatkartei weiter zu vervollständigen. Das war nicht einfach, weil unsere Landsleute und auch deren Nachkommen nach so vielen Jahren in alle Welt verstreut sind! 1998 konnte erstmalig ein Beitrag aus der deutschen Ortsgeschichte von einem polnischen Autor aus der Zeitung „Gazeta Gmin“ [Gemeindezeitung] übernommen werden. Der „Weihnachtsbrief“ entwickelt sich zum heimatkundlichen Heft über Altheide Es folgte das Jahr 1999. Der Weihnachtsbrief, den man nun bereits als „Heft“ bezeichnen konnte, hatte 48 Seiten und war mit Klammerheftung versehen. Rost Rolke, der aus Peterswaldau, Kreis Reichenbach/Eulengebirge, stammte und in Lingen wohnte, hatte das Layout und den Umbruch übernommen und damit eine neue Ära eingeleitet. Verantwortlicher Redakteur war und ist bis heute Georg Wenzel. In seinem Vorwort schreibt er: „Liebe Landsleute aus Altheide und Umgegend, im vorigen Jahr haben wir Ihnen im ´Weihnachtsbrief´ angekündigt, mit der Arbeit für unsere Landsleute weiterzumachen. Viele Telefongespräche, Briefe und persönliche Ansprachen ermutigen uns dazu und sind Anlass, den ´Weihnachtsbrief 1999´ noch umfangreicher und damit informativer zu gestalten. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Der Inhalt soll allen etwas bieten: Den Landsleuten, die gern noch die alte Heimat besuchen würden, es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr können, wie auch den Landsleuten, die dies aus guten Gründen nicht mehr wollen. Er soll aber auch die Menschen informieren, die Altheide in den vergangenen Jahren, vielleicht sogar schon mehrfach, besucht haben oder in der nächsten Zeit besuchen wollen. Hier gilt es immer wieder, Vergangenes mit der Gegenwart zu verknüpfen. Erstmals berichten wir über Landsleute, die, aus Altheide kommend, sich in der neuen Heimat wieder eine Existenz verschaffen mussten. Wie haben sie das angefangen, was machen sie beruflich und welchem Hobby gehen sie nach? Es ist interessant, wie viel unterschiedliche Talente unser kleiner 4.000-Einwohnerort hervorgebracht hat. Unvergessen bleibt aber auch die völkerrechtswidrige Vertreibung aus der Heimat. So wird wieder der große Bogen geschlagen aus der Vergangenheit in die Zukunft.“ Neben vielen Erzählungen aus der Erinnerung der älteren Altheider, darunter Wolfgang Thaler, der auch für die folgenden Ausgaben heimatgeschichtliche Beiträge schrieb, werden vor allem auch zahlreiche Leserbriefe wiedergegeben. Aktuell berichtet wird über die Beseitigung der Hochwasserschäden und die Modernisierung des Ortes. Übernommen wurden aus der örtlichen Presse Berichte über Ehrungen Deutscher, die sich an der Hilfe für die Hochwassergeschädigten beteiligt hatten. Immer mehr Altheider Landsleute fühlten sich angeregt, ihr Schicksal bei Kriegsende und der Vertreibung zu schildern. Alte Dokumente, Werbeanzeigen und Ansichtskarten wurden in diese Ausgabe aufgenommen. Neu war auch die Einführung der Rubrik „Narrsche Ecke“, in der es etwas zum Schmunzeln oder gar Lachen aus der alten Heimat gab. Zahlreiche Leserbriefe zeigen Dank und Anerkennung für den Weihnachtsbrief und bitten, mit der Arbeit fortzufahren. Nun ging es weiter aufwärts. Der 2000er Weihnachtsbrief, mit nun schon 84 Seiten, zitiert ausführlich Berichte aus der polnischen Gemeindezeitung „Gazeta Gmin“ und berichtet über die Ausstellung von Dokumenten aus deutscher Zeit in der Altheider Wandelhalle. Bei der Übersetzung, auch der weiteren Ausgaben, war uns die in Altheide verbliebene Erna Biegus, geb. Tschöke, eine unentbehrliche Helferin. Die Gestaltung des Weihnachtsbriefs war, wie schon bekannt! Der „Altheider Weihnachtsbrief“, − ein Jahrbuch, das Deutsche und Polen lesen Der 2001er Weihnachtsbrief hatte stolze 112 Seiten. Immer mehr Altheider fassten sich ein Herz und schilderten ihre Erlebnisse bei Kriegsende, Vertreibung oder Reisen in die alte Heimat. Alte Fotos wurden ausgegraben und zur Verfügung gestellt. Viel war zu hinterfragen. Das führte zur Einrichtung eines Abschnittes „Gesucht und Gefunden“. Wieder konnte umfangreich aus der Zeitung „Gazeta Gmin“ über das Neueste aus Altheide berichtet werden. 122

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Die Ausgabe von 2002 hatte schon 150 Seiten, und das Deckblatt erschien im Farbdruck. Berichtet wird über die Anbringung einer Gedenktafel an die bis zur Vertreibung verstorbenen Altheider auf dem Katholischen Friedhof. Im Pfarrhaus fand die Altheider Reisegruppe liebevolle Aufnahme und Bewirtung durch Pfarrer Kopacz. Die Teilnahme auch des Altheider Bürgermeisters Jerzy Terlecki zeigte auch den Rückhalt auf kommunaler Seite. 2003 wurde wegen des Umfangs eine Inhaltsübersicht aufgeführt. Der polnische Altheider Heimatverein „Towarzystwo Milosnikow Polanica Zdrój“ bat in einem Aufruf um Überlassung von Material für Ausstellungen über Handel, Handwerk und Gewerbe in Altheide und über den berühmten Altheider Kardiologen Professor Schlecht. Auch über ein mit Bürgermeister Terlecki geführtes Gespräch zur Gestaltung des Evangelischen Friedhofes wird berichtet. 2004 erschien der Weihnachtsbrief mit 192 Seiten. Ausführlich wird die künftige Zusammenarbeit mit den Heimatgemeinden Falkenhain/Neuwilmsdorf erläutert. Fortan werden Georg Pohl für Altheide und Werner Bartsch für Falkenhain/Neuwilmsdorf die Sprecher sein. Wie bisher zeichnet Friedrich Goebel für den Versand des „Altheider Weihnachtsbrief“ verantwortlich, und Werner Bartsch wird die Datei der Bezieher pflegen. 2005 gewinnen wir mit Henryk Grzybowski, Altheide, einen profunden Kenner der Altheider Ortsgeschichte, zur Mitarbeit. Aktuelles wird aus mehreren polnischen Zeitungen entnommen. Ausführlich geschildert wird die Anbringung einer Gedenktafel am ehemaligen Standort der Evangelischen Kirche in Altheide. Die Partnerschaft Altheide-Telgte kommt in einem Beitrag zu Wort. 2006 wird ein herausragendes Ereignis ausführlich gewürdigt: Der polnische Heimatverein TMP gibt ein zweibändiges Werk über die Ortsgeschichte von Altheide heraus. Band I, 612 Seiten stark und reich bebildert, enthält den Zeitraum von 1347-1946 [Polanica Zdrój wczoraj i dzis Tom I. Ksiega l pamiatkowa 1347-1946]. Die Leugnung der Deutschen Geschichte ist Vergangenheit. Der für den Band I verantwortliche Redakteur, Henryk Grzybowski, spart auch das Kapital Flucht und Vertreibung nicht aus und übernimmt zahlreiche Beiträge aus dem „Heimatbuch Altheide Bad“ und dem „Altheider Weihnachtsbrief“. Zweites, viel Raum einnehmendes Ereignis ist die Weihe neuer Glocken für die Katholische Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. Zahlreiche deutsche Gäste sind eingeladen, haben die Altheider doch einen erheblichen Beitrag zur Anschaffung der Glocken geleistet. Georg Wenzel ist Glockenpate. Die Patenglocke trägt auch eine deutsche Inschrift. Auf dem Evangelischen Friedhof wird eine Gedenkstätte eingeweiht. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Das Redaktionsteam, v.lks. Henryk Grzybowski, Georg Wenzel, Eberhard Scholz

Im Jahre 2010 musste Horst Rolke aus gesundheitlichen Gründen die Gestaltung/das Layout aufgeben. Diese Arbeit übernimmt Eberhard Scholz, der in Haimhausen/Oberbayern wohnt und sich schon bisher in der Mitarbeit durch Beiträge beteiligte. Dank der elektronischen Medien, die keine Entfernungen mehr kennen, stellt das kein Problem dar. Alle Fotos sind in Farbe gedruckt. Der Seitenumfang hat die Zahl 200 überschritten. Mit der Klammer-Heftung gab es Schwierigkeiten, die Druckerei musste zur Klebeheftung übergehen. Jetzt können auch Beiträge aus der „Ziemia Kłodzka“ [Glatzer Bergland] übernommen werden, einer Zeitschrift, die schon in kommunistischer Zeit in Neurode monatlich im Untergrund erschienen ist. Seitdem trägt der „Altheider Weihnachtsbrief“ mit Erscheinen der Ausgabe 2011 einen modifizierten Titel mit dem Zusatz „Ein Jahrbuch für die Gemeinden Altheide Bad, Falkenhain und Neuwilmsdorf“. In den weiteren Ausgaben kommen immer mehr auch polnische Autoren zu Wort, die sich mit der Geschichte unserer Heimat beschäftigen. Als besonderes Ereignis wird in der Ausgabe 2012 die Hundertjahrfeier der Katholischen Pfarrkirche Maria Himmelfahrt geschildert, und in dem inzwischen auf 252 Seiten angewachsenen Jahrbuch 2015 wird über die Teilnahme der deutschen Gäste an der Jubiläumsfeier in Altheide berichtet. Einer unserer eifrigsten Mitarbeiter ist Henryk Grzybowski aus Altheide, der sich intensiv mit der Geschichte unserer Heimat beschäftigt, in verschiedenen 124

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Der „Briefkopf“ des Altheider Weihnachtsbriefes wurde mit Ausgabe 2011 dem äußeren Erscheinungsbild angeglichen. Die Redaktion wollte den gewohnten Namen nicht ändern, daher wurde im Schriftkopf die Bezeichnung „Ein Jahrbuch“ aufgenommen.

polnischen Heimatzeitungen der Grafschaft Glatz publiziert und der zu einem unverzichtbaren Mitglied unserer Redaktion geworden ist. Bei unseren Reisen nach Altheide ist er regelmäßig dabei! Ein Glücksfall ist auch Marian Halemba aus Rückers, der sich ebenfalls mit der Geschichte unserer Heimat befasst. Von ihm haben wir sehr viele, mit einer einfachen Kamera fotografierte Zeitungsausschnitte aus den alten Zeitungen, die in verschiedenen Archiven in der Grafschaft noch immer verwahrt werden. Die Erklärungen zu diesen Fotos haben wir Wort für Wort abgeschrieben und für die jüngere Generation lesbar in unserem „Altheider Weihnachtsbrief“ in der Rubrik „Altheider Pressespiegel“ abgedruckt. Die Mitarbeit von Marian Halemba ist deshalb so wertvoll, weil kaum jemand von uns in der Lage ist, diese alten Zeitungsdokumente, teilweise aus den Jahren vor 1900, aufzustöbern, geschweige denn zu fotografieren! Die nächsten Weihnachtsbriefe werden sicherlich den Umfang von 252 Seiten nicht mehr erreichen. Alles in allem ist festzustellen, dass der „Altheider Weihnachtsbrief“ in seinem gesamten bisherigen Umfang ein recht gutes und eindrucksvolles Heimatwerk darstellt, das so lange erstellt wird, wie es möglich ist. Er ist, als Sammelwerk gesehen, eine Dokumentation unserer Heimat geworden! Es ist unglaublich, was immer noch, 70 Jahre nach Kriegsende und Vertreibung, an wertvollen Dokumenten unserer gemeinsamen Geschichte ins Licht der Gegenwart gerät! Die Ortsgeschichte von Altheide und geschichtliche Ereignisse aus der Grafschaft Glatz konnten aufgearbeitet werden. Schicksale vertriebener Deutscher und die Schicksale von Polen, die in Altheide ihre neue Heimat fanden, trugen zu gegenseitigem Verstehen bei. Aus der Ferne und durch viele Besuche konnte die positive Entwicklung unserer Heimatorte verfolgt werden. Und nicht zuletzt dienen als wichtiges Element des Zusammenhaltes der Erlebnisgeneration die Familiennachrichten. Seit Erscheinen des Weihnachtsbriefes konnte damit eine Vielzahl von früheren persönlichen Verbindungen aus der alten Heimat wieder hergestellt werden. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Das Jahrbuch hat sich zu einem Instrument der Völkerverständigung und zu einer Brücke zwischen den beiden Nationen entwickelt. Die Beiträge kommen von deutschen und polnischen Autoren. Die Leserschaft besteht neben den ehemaligen Altheidern, Falkenhainern und Neuwilmsdorfern1 inzwischen auch aus einer Vielzahl polnischer Leser und Institutionen in der alten Heimat. Die Finanzierung konnte bisher durch viele, zum Teil großzügige Spenden sichergestellt werden. Georg Wenzel, der Motor des Jahrbuchs „Altheider Weihnachtsbrief“ (H.-A. Meißner) Zum Schluss sei hier noch der langjährige, verdienstvolle Herausgeber und Redakteur des Jahrbuchs vorgestellt: Georg Wenzel, der am 30.7.1928 in Altheide-Bad zur Welt kam. Mitte August 1944 musste der gerade 16-Jährige zu Schanzarbeiten an die Ostgrenze Schlesiens im Rahmen des Unternehmens „Barthold“ und anschließend zum „Volkssturm“. Nach Entlassung aus tschechischer und russischer Gefangenschaft kerkerte die berüchtigte polnische Geheimpolizei den 17-Jährigen im Januar 1946 grundlos in Altheide, in der Glatzer Zimmerstraße und im dortigen Gefängnis ein, das er nach unmenschlichen Foltern und Qualen erst im Mai 1946 als „menschliches Wrack, an Leib und Seele Georg Wenzel gebrochen“2, verlassen konnte. Durch die Vertreibungs- „Aktion Schwalbe“ kam er zuerst in die sowjetische Besatzungszone und dann in den Kreis Lingen, wo er nach allem Schrecken wieder Fuß fasste, sich in die Aufnahmegesellschaft eingliederte und später eine Emsländerin heiratete. Nach Erlangung der „Mittleren Reife“ und einer Banklehre stieg Georg Wenzel 1970 zum Bankdirektor und Vorstandsmitglied der Volksbank Lingen auf, ein Amt, das er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1992 bekleidete. Doch hatte der Altheider Wenzel noch genügend Reserven für eine langjährige politische und soziale Betätigung im Emsland. Er wurde 1956 in den Gemeinderat von Plantlünne, Kr. Lingen, gewählt, trat 1969 der CDU bei, wurde 1972 Bürgermeister von Bramsche b. Lingen und 1974 stellvertretender Bürgermeister in Lingen, dessen CDU-Ratsfraktion er zehn Jahre lang - bis 1985 führte. Fast vierzig Jahre - bis 1996 - währte auch die Mitarbeit in einer Lingener Kirchengemeinde als Rendant der Kirchenkasse und als Angehöriger des Kirchenvorstands. 126

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Aber damit nicht genug. 1982 gründete der von Polen Gefolterte und Vertriebene Georg Wenzel die „Polenhilfe Lingen“ mit jährlichen Hilfstransporten in die alte Heimat, die vor allem dem Waisenhaus, einem Altenpflegeheim, kinderreichen Familien und einem neuen Krankenhaus in Bad Altheide zugute kamen. Seine „Polenhilfe“ unterstütze auch die Renovierung der Katholischen Kirche und die des Pfarrhauses in Altheide – und spendete Geld für die Anschaffung neuer Glocken. Georg Wenzel kümmerte sich aber auch um seine ehemaligen Altheider Landsleute und ihren Zusammenhalt. Er betätigte sich ab 1985 als Sprecher der „Altheider Heimatgemeinschaft“, gab das „Heimatbuch Altheide-Bad“ heraus und seit 1996 auch den „Altheider Weihnachtsbrief“ – beides Bindeglieder der früheren Bewohnerschaft, inzwischen aber auch der deutschen und polnischen Altheider. Kein Wunder, dass die nimmermüde Arbeit des dreifachen Familienvaters im Emsland, das ihm ein „Neues Zuhause“ wurde, sowie die – sicher nicht immer leichte – Betätigung als Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen Anerkennung in zahlreichen Ehrungen fand, von denen hier einige genannt seien: 1993 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, u. a. für Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung, und wurde Ehrenratsherr der Stadt Lingen, 1994 erhob ihn die Stadt Polanica Zdrój zum Ehrenbürger, 1994 erhielt Georg Wenzel den Päpstlichen Orden „Pro Ecclesia“ auf Antrag des polnischen Kardinals Gulbinowic, der ihm auch den Ring der Erzdiözese Wrocław/Breslau verlieh. 2003 ehrte ihn die „Heimatgruppe Grafschaft Glatz“ mit dem Ehrenteller, 2006 verlieh Bischof Ignatz Dec, Schweidnitz, Georg Wenzel das Kreuz des Hl. Stanislaus und 2011 würdigten die Herausgeber Georg Wenzel durch Aufnahme als wichtige Persönlichkeit in ihre polnische Enzyklopädie des Glatzer Landes: „Popularna Encyklopedia Ziemi Kłoddzkiej.“ 1

1939 hatte Altheide-Bad 3953, Falkenhain 871 und Neuwilmsdorf 600, alle drei Gemeinden zusammen 5.424 Einwohner. 1933 betrug die Bewohnerzahl zusammen 4.907 Einwohner. (Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 451: Volks-, Berufs- und Betriebszählung vom 16.6.1933, Berlin 1836 und Bd. 552, Volks-, Berufs- und Betriebszählung vom 17.5.1939).

2

Wenzel, Georg: Vita (Manuskript) und Verlorene Gräber in der Grafschaft. In: Altheider Weihnachtsbrief (AWB), Ausgabe 19, Dezember 2015, S. 42 - 49.

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Bisher erschienene „Altheider Weihnachtsbriefe“

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Aus der Geschichte der Orte Böhmische Dörfer oder „Fast ein Böhme“ Heinrich Bock† „Auf der Höhe der Grenzstraße stand er. Böhmen lag weit und schon unerreichbar hinter ihm. Es wird das Land der Verheißung sein. .. " (Johannes Urzidil) Fast wäre ich ein Böhme geworden. Aber ich bin genau 189 Jahre zu spät geboren. Mein Geburtsort, Altheide Bad, heute Polanica Zdrój in Polen, liegt in der Grafschaft Glatz, ein von Gebirgen umgebener, rechteckiger Talkessel, der wie „ein Auswuchs ins Böhmische“ (W.E. Peuckert) hineinragt. Altheide, im Tal der Reinerzer Weistritz, einem Nebenfluss der Glatzer Neiße, ist eines der fünf Heilbäder in der Grafschaft Glatz. Sie gehörte 1534 bis 1742 zur böhmischen Krone. Durch den Frieden von Berlin kam das Gebiet dann zusammen mit ganz Niederschlesien und dem größten Teil Oberschlesiens an Preußen. Friedrich der Große wurde „souveräner oberster Herzog von Schlesien und Graf von Glatz“. Maria Theresia, die ihren Anspruch auf Schlesien nie aufgegeben hat, soll über den Verlust des „schönsten Edelsteins“ ihrer Krone, der „Perle Schlesien“, bitterlich geweint haben. Ich aber wurde 1931 ein Preuße, wurde „fritzisch“ gesinnt - was ja weiter auch nicht so schlimm ist! 1765 kam Friedrich II. nach Glatz. Es wurde verfügt, „dass alles in Ordnung und die Straßen sauber und rein gefunden. Keine wüsten Stellen, alte Ruinen oder Schutthaufen von Gebäude und leerstehenden Häusern wollen Sr. Majestät bei Kassation und Festungsstrafe nirgends geduldet wissen ... Die Bürgerschaft muss die Schuldigen Devotions und Honneurs bezeigen und sich in derart häufig versammeln, damit Sr. Königlichen Hoheit ein Wohlgefallen darüber haben können.“ Die Hussitenkriege, die 1419 in Böhmen begannen, griffen wenige Jahre später auch auf das Glatzer Land über. Die entscheidende Schlacht fand am 27. Dezember 1425 in Altwilmsdorf in der Nähe von Altheide statt Sie endete mit einer Niederlage der Glatzer und Münsterberger. Eine weithin sichtbare spätgotische Wehrkirche gegen die Hussiten erinnert noch heute daran. Mit dem Beginn der Gegenreformation wurde die Grafschaft Glatz fast ausschließlich katholisch. Zwischen 1706 und 1708 errichteten die Jesuiten in Altheide über der Weistritz ein Schloss-ähnliches Barockgebäude, das ein Kollegium beherbergte und dem Orden aus Glatz als beliebter Erholungsaufenthalt diente. Der Name Glatz ist tschechischen Ursprungs. Der Sohn eines Glatzer BurgAltheider Weihnachtsbrief 2016

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hauptmanns, Arnestus von Pardubitz, war der erste Erzbischof von Prag, Freund und Berater des böhmischen Königs, Kaiser Karls IV., und Kanzler der Prager Universität (1348). Die Grafschaft Glatz gehörte kirchenpolitisch bis 1945 zum Erzbistum Prag. 130

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Ein spätgotisches Fragment der Grabtumba des Arnestus von Pardubitz, wahrscheinlich auf Initiative Karls IV. angefertigt, und ein weißes Marmordenkmal des knieenden Erzbischofs befinden sich noch heute in der Glatzer Dekanatskirche Mariä Himmelfahrt. Sie wurde um 1430 von der Prager Bauhütte unter Leitung von Peter Parler vollendet und nach Übernahme durch die Jesuiten 1660 bis 1670 von norditalienischen Stuckateuren, die in der Prager Werkstatt von Carl Luraga arbeiteten, barockisiert. An der Westseite des Glatzer Rings steht eine Mariensäule, 1682 zum Gedenken an eine Pestepidemie nach dem Vorbild der bis 1918 erhaltenen Mariensäule auf dem Prager Altstädter Ring errichtet. Vom Löwenbrunnen auf der Ostseite des Rathauses führt eine enge, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße über die sogenannte „Brücktorbrücke“ in die Unterstadt zur Franziskaner- oder Minoritenkirche. Sie ist mit sechs barocken Heiligenstatuen geschmückt und wurde deshalb auch „Kleiner Bruder der Prager Karlsbrücke“ genannt - für mich heute eine Art „ böhmische Kindheitsgasse“ (Peter Demetz). Zwölfeinhalb Kilometer sind es von Glatz in südwestlicher Richtung bis zu meinem Geburtsort, der an einem Abzweig der Eisenbahnlinie Breslau-Prag liegt, und an der ältesten Straße, die einst von Böhmen nach Schlesien führte. Nach weiteren dreißig Kilometern erreicht man die „Böhmische Pforte“, die ehemalige deutsch-tschechische, heute polnisch-tschechische Grenze bei Bad Kudowa und Nachod. A l t h e i d e hat seinen Namen, so ist zu lesen, von den ursprünglich wenig fruchtbaren Sandbänken und mit Geröll bedeckten Feldern, die durch die aus dem engen „Höllental“ austretende Reinerzer Weistritz entstanden waren. Die älteste Aufzeichnung über Altheide stammt aus dem Jahr 1347. ,,Altheide (mundartlich die ale Heede), um 1355 die Heyde, im 15. Jahrhundert Heide, Heida, Haide, Heidaw, Heydow, um 1560 die Heyde, die Heidaw, um 1631 Alte Heyde und Alteheide, führt letzteren Namen erst seit Anlegung des anstoßenden Kammerdorfes Neuheide (1631 Neueheide)“. Neben Reinerz und Kudowa ist es das jüngste der drei Bäder und nahm erst seit 1890 am allgemeinen Aufschwung schlesischer Bäderkultur teil. „Altheide heilt's Herz!“, lautete der stabreimende Slogan. Und in Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ (1929) heißt es von einem Berliner Unternehmer: „Pums geht nach Altheide ins Bad wegen Asthma, lässt seine Maschine ölen“. Bis zum Herbst 1944 fuhr während der Sommermonate ein sogenannter Bäder-Zug, zuletzt wenigstens ein Kurswagen, täglich vom Berliner Schlesischen oder Görlitzer Bahnhof nach Altheide-Reinerz-Kudowa. Als Schüler des Glatzer Gymnasiums fuhr ich oft mit diesem Zug zurück in meinen Heimatort: Abfahrt in Glatz 13:05 Uhr, Ankunft in Altheide 13:28 Uhr. Die Grenze zu Böhmen, zur „Tschechei'', wie man damals sagte und neuerAltheider Weihnachtsbrief 2016

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dings wieder sagt, hätte also durchaus in meinem Gesichtskreis liegen können. Aber sie hatte wohl noch wenig von ihrem trennenden Charakter verloren. Prag lag ja nur etwa zweihundert Kilometer von Altheide entfernt. Aber heutige Nähe konnte damals oft beachtliche Feme bedeuten. Die Altheider orientierten sich eher an Hirschberg, Görlitz, Breslau oder Berlin. „Böhmische Dörfer“, das stand synonym für etwas Unbekanntes, Fernes oder gar Phantastisches. Schon dreihundert Jahre zuvor hatte Jacob von Grimmelshausen seinen Simplicius Simplicissimus klagen lassen: ,, ... 0 Einfalt und Unwissenheit! Es waren nur böhmische Dörfer und alles ein ganz unverständliche Sprach'.“. Böhmische Dörfer“ sind fremde Dörfer, deren Sprache ich nicht verstehe. in weiterem übertragenerem Sinn unbekannte Dinge. „red, dass ich verstehe, ich kan nit böhmisch ... ich sagt ihm das bei meinen ehren, / mir das böhmische Dörfer wären“. „Das kommt mir böhmisch vor“ heißt: ich verstehe etwas nicht, finde etwas befremdlich oder seltsam „böhmakeln“ bedeutete „Deutsch mit starkem böhmischen, d.h. tschechischen Akzent sprechen:“. ,,böhmisch einkaufen“ wurde synonym mit „stehlen“ gebraucht. Ein „Böhm“ war ursprünglich der alte böhmische Groschen, in Schlesien die Bezeichnung des Dreikreuzers oder Silbergroschens (1/30 Taler). Schließlich verstand man unter einem „Böhm“ ein Zehnpfennigstück. Einige Dörfer um Kudowa behielten bis 1938/39 ihre tschechischen Namen Dann machten die Nazis aus Lewin Hummelstadt, aus Straußeney Straußdörfel, aus Schlarney Schnellau, aus Hallatsch Hallgrund, aus Tscherbeney Grenzeck Ende August 1790, auf einer Reise durch das für ihn „zehnfach interessante“ Schlesien, hat Goethe, unterwegs ins Heuscheuergebirge bei Bad Kudowa, auch in einer ehemaligen Oberförsterei in Neuheide, der späteren „Gärtnerei Schneider“, übernachtet. Die Eintragungen im Tagebuch vom 28. bis 30. August lauten: ,,Samstag, 28. August, Landeck ab 1/4 1 früh, Glatz an 4 Morgens, Wünschelburg an 9 Morgens, Silberberg (Felsenfestung nördlich von Glatz), Samstag 28. /Montag 30. August: Neuheide Major v. Rauch. Von Wünschelburg auf die Heuscheuer (Berg westlich von Glatz) den Leiersteig herauf, Leierdörfel (Braunau) …“ Wegen der Nähe zur tschechischen Grenze hätten wir im Herbst 1938 Altheide beinahe verlassen müssen. Frauen und Kinder sollten aus dem Aufmarschgebiet gegen die Tschechoslowakei evakuiert werden. Auch in Altheide, auch in meinem Elternhaus, lagen Soldaten zur Einquartierung. Dann kam das historisch so unselige Münchner Abkommen, und wir konnten bleiben. Keiner ahnte damals wohl, dass es nur noch für sieben Jahre war. In den ersten Kriegsmonaten 1939/40 fuhren manche Altheider Familien über die frühere Grenze in die benachbarten böhmischen Dörfer und Kleinstädte. Man besichtigte verlassene Bunkeranlagen und ging anschließend zu Kaffee, Kuchen und Schlagsah132

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ne, die es dort noch eine Zeit lang ohne Lebensmittelmarken gab. Später waren viele tschechische Musiker im Altheider Kurorchester zwangsverpflichtet. Als im August 1944 der „totale Krieg“ auch das bisher kriegsverschonte Altheide erreichte, spielte die Kurkapelle ironischerweise zuletzt: „Die Mühle im Schwarzwald, ein Idyll von Eilenberg“. Damit endete die letzte Badesaison zu deutscher Zeit. Die Grafschaft Glatz aber kehrte nicht zu Böhmen zurück, sondern wurde 1945 polnisch. Am 16. Juni trafen die ersten polnischen Beamten ein und gaben Altheide Bad den Namen „Puszczykow Zdrój", der bis Ende 1946 galt. Von da an einigte man sich auf „Polanica Zdrój" und wollte damit angeblich an den früheren deutschen Namen anknüpfen. Zu uns in den Westen gelang das alles wesentlich später. In einem Artikel „Herzheilbad Altheide“ für die „Schlesische Rundschau“ schrieb ich am 25.August 1953: „Heute ist dieses Altheide verschwunden, dem Namen nach wenigstens. „Puszczykow“ nannten es die einen seiner neuen Herren. Andere, wie z.B. der Bahnhofverstand, glaubten aus unerklärlichen Gründen mit „Wrzesniow“ – September – Altheides deutsche Herkunft ignorieren zu müssen, und höhere Gewalt anerkannte keinen der beiden Namen und hielt „Polanica Zdrój“ für die richtige Lösung. 1971 schließt eine Touristikinformation für die „Region von Kłodzko“ mit der Behauptung: „So kehrten nach jahrhunderterlanger Okkupation die rechtmäßigen Eigentümer auf ihren alten Boden zurück.“ Und 1993 wird der deutsche Kaufmann Josef Grolms aus Glatz als ,,Jozef Grolms aus Kłodzko“ vorgestellt, der 1827 einen Teil des Dorfes Altheide gekauft und zu dessen Entwicklung wesentlich beigetragen hat. B ö h m e n , zu dem ja auch einmal Altheide gehörte, ,,liegt am Meer“, heißt es in Gedichten von Ingeborg Bachmann und Jiri Grusa In Shakespeares „ Wintermärchen“ ist es „mit wilden Gegenden und Bären versehen und ganz apart auch mit einer Meeresküste“ (Rolf Vollmann). An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Ende des Jahres 1400, schrieb der Notar und Schulrektor Johannes von Tepl eine der ersten frühneuhochdeutschen Prosadichtungen: ,,Der Ackermann aus Böhmen“, ein Streitgespräch zwischen dem Ackermann und dem Tod. ,,Man nennt mich einen Ackermann, mein Pflug ist von Federn (ein Schreiber bin ich), und ich wohne im Böhmerland“, stellt sich der Autor im Dritten Kapitel vor. Und Goethe, der fast vierhundert Jahre später vom Heuscheuergebirge „gierig nach Böhmen hinein“ schaute, im April 1829: ,,DAS BÖHMEN IST EIN EIGENES LAND. ICH BIN DORT IMMER GERN GEWESEN .. “.

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Tobias Mayer Grafschaft Glatz und Fürstentum Münsterberg, 1747 Manfred Spata Comitatus Glaciensis ... / La Comté de Glatz avec le Principaute de Munsterberg Kupferstich, ca. 1:155 000, 55,0 x 46,3 cm. Entwurf: Tobias Mayer, Verlag: Homanns Erben, Nürnberg 1747. Sammlung Stiftung Grafschaft Glatz in Lüdenscheid.

Im Umfeld des 1750 in Nürnberg gedruckten „Atlas Silesiae” schuf der junge Mathematiker und Kartograph Tobias Mayer (Maier, 1723-1762) 1747 eine separate Karte der Grafschaft Glatz. Sie wurde zu Recht nicht in den „Atlas Silesiae” integriert, weil bei dessen Aufnahmearbeiten 1722-1732 die Grafschaft noch zu Böhmen und nicht zu Schlesien gehörte. Die gemeinsame Darstellung der Grafschaft Glatz und des Fürstentums Münsterberg in einem Kartenblatt beruht darauf, dass beide zum Erbe des böhmischen Königs Georg von Podiebrad gehörten und lange Zeit im 15. und 16. Jahrhundert beim Haus Podiebrad blieben, bevor sie an das österreichische Kaiserhaus fielen.

Tobias Mayer (1723-1762) ex: Wikipedia

Der französische Kopftitel lautet: „LA COMTÉ DE GLATZ avec le Principauté MUNSTERBERG“; der lateinische Kartuschentitel lautet: „COMITATUS GLACIENSIS/Tabula Geogr. et autographis delineationibus deprompta edentibus Homannianis heredibus A. 1747“ (Grafschaft Glatz / nach geographischen Tafeln und Handzeichnungen herausgebracht bei Homanns Erben 1747). Mayer stattet seine graduierte Karte mit einer großen, typisch barocken Schmuckkartusche und einer Legende aus. Die weibliche allegorische Figur und die zwei kleinen Putten neben dem Titelfeld betätigen sich zur Fertigung von Garn und Wolle, den damals vorherrschenden Produkten in den Grafschafter Orten. Die sechs böhmischen Verwaltungsbezirke (Distrikte) der Grafschaft (Neurode, Wünschelburg, Hummel, Glatz, Habelschwerdt und Landeck) und das Fürstentum Münsterberg sind durch Flächenkolorit und Grenzziehungen gut erkennbar. Die Geländedarstellung erfolgt durch Schattenschraffur für einzelne Berge, wobei aber die damals veraltete Maulwurfshügelmanier immer noch Pate steht. Die tatsächlichen Geländeformen werden nicht ganz exakt wiedergegeben. Für manche der größten Berghöhen sind Namen eingetragen, 134

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Mayer-Karte von 1747 „Grafschaft Glatz und Fürstentum Münsterberg / nach geographischen Tafeln und Handzeichnungen herausgebracht bei Homanns Erben 1747“

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u.a. Jauersberg, Spitzberg und „Heuscheune”. Die Waldgebiete sind schlicht und eher symbolisch dargestellt. Das umfangreiche Gewässernetz besteht aus etwa 60 Flüssen und Bächen. Besonders bezeichnet sind die „See Felder” bei Grunwald und die „Fontes Moravaea” im Glatzer Schneegebirge. Bemerkenswert sind die vier Hauptstraßen „via regia” in der Grafschaft. Die zahlreichen Siedlungen sind in vier unterschiedlichen Signaturen eingezeichnet. In der Gegend von Hausdorf sind zwei Zechen und in Kaiserswalde eine Glashütte vermerkt. Die Mayer-Karte blieb über 50 Jahre die maßgebliche kartographische Darstellung der Grafschaft Glatz, denn die im selben Jahr 1747 vom Glatzer Festungsingenieur Major Christian Friedrich von Wrede (1702-1766) im Auftrag des preußischen Königs Friedrich II. geschaffene „Krieges Charte” war geheim und blieb dadurch unveröffentlicht.

Die „Schöltzerei" Altheide - wenn ein altes Haus reden könnte Georg Wenzel Meine Familienforschung war der Anlass, mich im Zusammenhang mit der Erforschung meiner Altheider Vorfahren auch mit der Geschichte von Altheide zu befassen. Die Altheider Vorfahren meiner Familie, die seit Jahrhunderten dort ansässig waren gehen zurück auf die Großmutter väterlicherseits, Anna Krause. Mein Großvater väterlicherseits, Josef Wenzel, kam um 1880 aus Kaiserswalde nach Altheide, heiratete sie und machte sich als Fleischermeister und Gastwirt selbständig. Im Ortskern, unmittelbar neben der Weistritz, erwarb er ein Grundstück und baute das „Gasthaus zur Weistritz" mit Fleischerei. Mein Vater und seine zehn Geschwister wurden alle dort geboren. Drei Schwerpunkte setzte ich bei meinen Forschungen in der väterlichen Linie. Zum einen erforschte ich die Lebensumstände meiner großväterlichen Vorfahren Wenzel im Adlergebirge, zum anderen rekapitulierte ich den Auf- Um- und Erweiterungsbau meiner Großeltern in Altheide Lage des Augustahofes. Nr. 342 und als drittes versuchte ich, die ältes- 339 = Knusperhäuschen ten Altheider Vorfahren und deren 340 = Bittner Lebensumstände zu ermitteln. Das 341 = Dunkelschmiede meiste Material hierüber fand ich im 343 = Badegut 136

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Schwertner - Augustahof

Staatsarchiv in Breslau und in dessen Außenstelle in Kamenz. Mit Hilfe der Kirchenbücher, hier insbesondere aus der Pfarrei Oberschwedeldorf, zu der Altheide bis zum 1.10.1923 gehörte, konnte ich meine ältesten Altheider Vorfahren bis etwa 1600 ermitteln. Es waren die Heintze, die zeitweise auf dem sogenannten Bade- oder Höckergut saßen, die Adler, die den Hof am Moorteich bewirtschafteten und die Grüger, vormals Haase, die die sogenannte Schöltzerei, heute würde man sagen Bürgermeisterei, besaßen, am anderen Ufer der Weistritz, gegenüber den beiden vorgenannten Bauernhöfen belegen. Die Besitzfolge des Badegutes und der „Adler-Wirtschaft" konnte ich ebenfalls ab 1545 bzw. 1600 ermitteln. Dieser Bericht soll sich aber auf die Schöltzerei beziehen, die zuletzt bis vor der Vertreibung die sogenannte StillerGärtnerei war, im Einwohner-Verzeichnis von 1937 als „Augusta-Hof“ bezeichnet und zwischen Weistritz und Weistritz-Straße am östlichen Bereich Altheides in Richtung Oberschwedeldorf liegend. Dieses Gebäude mit Nebengebäuden ist heute noch vorhanden (Foto 1994). Man erreicht es als Spaziergänger, wenn man aus dem Kurpark kommend die Straße nach NeuheideAlbendorf überquert und die links vom Sprudelversand liegende Helenenstraße (Zakopianska) entlang geht. Vor dem Badegut biegt man nach rechts ab um die Brücke über die Weistritz zu überschreiten. Das erste Gebäude links hinter der Brücke ist die ehemalige Dunkel-Schmiede. Geht man daran vorbei und hält sich links, kommt man auf die Weistritzstraße (Krasinskiego). Das nächste GeAltheider Weihnachtsbrief 2016

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Augustahof um 1940

bäude, ebenfalls auf der linken Seite ist die „Schöltzerei“. Die älteste ermittelte Urkunde im Breslauer Staatsarchiv stammt aus dem Jahre 1608. Es ist eine „Schätzung des Richter Guths Zur Hayde" am 20.6. d. J. Grundherr war damals Friedrich von Falckenhayn auf Koritau der diesen Altheider Anteil von Rudolph II. erhalten hatte. Die Schätzung erfolgte auf 500 Meißnerische Schock und wurde vorgenommen von Jacob Gebhardt, Richter zu Kamnitz, Stentzel Schlosser, Hans Breslich, Hans Burckhardt, Wentzel Brauner ‒ Richter zu Koritau ‒, Georg Ohrner, Matthes Scholtz, Gally MaltersRichter zu Hollenau ‒, Caspar Weiß, Wentzel Wilschler, Thomas Winckler und Matthes Frantze, Geschworene zur Heyde mit der Feststellung, dass das Richter-Gut jetzt Hans Stiller besitzt (Ironie der Geschichte: 1945 ist der letzte deutsche Besitzer ebenfalls ein Stiller). Dazu gehören zwei Pferde, zwei Kühe, ein Kalb und diverse Acker- und Hausgeräte. Dieses Richter-Gut erwirbt im gleichen Jahr, im Anschluss an die Schätzung, Hans Rößner, der allerdings zwei Jahre später, 1610 verstirbt und vier unmündige Kinder, nämlich Hans, Matthes, Dorothea und Ursula hinterlässt. Merten Seybert heiratet die Witwe und kauft den Hof mit den entsprechenden Verpflichtungen den Stiefkindern gegenüber zum gleichen Preise wie Hans Rößner ihn von Hans Stiller gekauft hat. Am 23. Februar 1634 übernimmt der Sohn von Merten Seybert mit dem Vornamen George den Hof. Grundherren sind jetzt die Jesuiten aus Glatz, die 1613 dem Sohn des Friedrich von Falckenhayn diesen Anteil von Altheide ab138

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gekauft hatten. Der Vertrag wird vor dem Altheider Gerichtsverwalter Hans Krasel und den Geschworenen und Schöppen Christoph Adler, Jacob Seybert, Hans Riesner und Hans Kinast beurkundet. In der Folge geht der Bauernhof auf einen Merten (Martin) Franz über und von ihm auf Hans Krasel, der das Scholzen-Amt offensichtlich in Altheide schon längere Zeit ausübt, 1653 verstirbt und Frau und Kinder hinterlässt. Käufer ist jetzt Matthes Haugk aus Rengersdorf. Die Richter und Geschworenen heißen Christoph Heintze (einer meiner Vorfahren), Hans Ölßner und Christoph Engels. Matthes Hauck übernimmt von seinem verstorbenen Vorgänger auch das Amt des Scholtzen. Am 31.5.1667 kauft Elias Haase die Schöltzerei als Erbkauf. Er dürfte der Schwiegersohn des Vorbesitzers gewesen sein. Am 16.6.1692 verkauft er das „Guth" seinem Sohne Johann George Haase. Der Vertrag enthält auch die Verpflichtungen den beiden unmündigen Geschwistern des Erwerbers gegenüber. Vier weitere Geschwister waren bereits abgefunden. Von der zu leistenden Roboth (unentgeltliche Dienstleistung für den Grundherren oder Dritte) wird er befreit weil er nunmehr das Scholtzenamt seines Vaters ausüben wird. Am 18.11.1727 heiratet in der Oberschwedeldorfer Pfarrkirche der Sohn Anton die einundzwanzigjährige Anna Elisabeth Adler, Tochter des Nachbarhofes von Anton Adler, und übernimmt mit Vertrag vom 11. Dezember 1728 die Schöltzerei. Sie und die weiteren Adler-Vorfahren lebten auf dem sogenannten Adler-Gut von dem in der Nähe des Moorteiches heute nicht einmal mehr die Mauerreste zu sehen sind. Anna Elisabeth war die Tochter des Bauern Anton Adler und seiner Ehefrau Elisabeth Heintze (Badegut, früher HöckerGut), also ebenfalls eine Heirat zwischen Nachbarskindern. Die Adler- und die Heintze-Vorfahren konnte ich bis 1600 zurück verfolgen. Mit Anton Haase hatte Anna Elisabeth Adler zwei Kinder, die sofort nach der Geburt starben. Jedenfalls sind in den Taufbüchern in Oberschwedeldorf nur diese beiden Kinder mit Taufe und Beerdigung registriert. Es waren 1730 ein Sohn Antonius Matthäus und 1745 ein Kind, dessen Taufe nicht einmal eingetragen wurde, lediglich die Beerdigung ist unter dem 6.4.1745 registriert. Es ist anzunehmen, dass es zwischen diesen Jahren noch zu einer Anzahl Tot- oder nicht lebensfähigen Frühgeburten kam. Anton Haase verstarb nach der Geburt seines letzten Kindes am 14.5.1745 und wurde in Oberschwedeldorf beerdigt. Die Arbeit auf dem Hofe musste weitergehen. Darum heiratete bereits am 18.1.1746 die Witwe Anna Elisabeth Haase geb. Adler den aus Hausdorf bei Neurode stammenden Melchior Gruger, Sohn des Christoph Gruger und seiner Ehefrau Barbara geb. Göbel. Sie sollten meine Vorfahren werden. Aus dieser zweiten Ehe gingen zwischen 1745 und 1750 drei Kinder hervor von denen nur der Mittlere, am 27.3.1747 geborene Franz Xaver, Heinrich Grüger überlebte. Er übernahm im Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Alter von neunundzwanzig Jahren am 19.2.1776 den Hof von seiner Mutter, die bereits 1773 zum zweiten male Witwe geworden war. Franz Xaver Heinrich Grüger heiratete eine Anna Maria Hötzel, die aus Habelschwerdt stammte. Der Hof hatte zu dieser Zeit eine Größe von 18,41,70 ha (18 ha 41 ar 70 qm ), 2 Pferde, 4 Kühe, 1 Kalb, 3 Schafe und 1 Ziege standen im Stall. Für damalige Verhältnisse ein recht ansehnlicher Betrieb. Acht Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, von denen der am 11. Januar 1786 geborene Franciscus, Ignatius am 17. November 1812 von seiner im gleichen Jahre verwitweten Mutter den Hof übernahm. Bei der Beurkundung war jetzt das sogenannte ,,Pohlsche Patrimonial Gericht" (Ausübung der Rechtspflege) zuständig. Karl Pohl hatte die Grundherrschaft im Jahre 1805 übernommen. Der Jesuitenorden war im Jahre 1755 aufgelöst worden und die Eigentümer hatten in der Folge mehrfach gewechselt. Darüber steht mehr im „Heimatbuch Altheide Bad". Im Vertrag wird die Lage der „Schöltzerei" wie folgt beschrieben: ,,Unterseits vom Wasser (Weistritz) bis an den Fuß des Waldes mit dem Josef Großpietsch dann mit der Herrschaft Wallisfurth hinterwärts und den Königlichen Forsten die Harte genannt oberhalb hingegen mit dem Bauern Joseph Rathmann vom Berge hinab bis an die Oberschwedeldorfer Kirchsteig". Hinzu kommt ein Buschstück (Waldgrundstück) „in der Eichert zwischen der Herrschaft Rückertz Waldung des Gärtners Patzelt des Königlichen Busches des Bauern Kuschel und endlich zwischen Leinerischen Buschstück in Altheyde". Er Übernimmt 2 Pferde, 4 Kühe, 1 Zugochsen. Am 10.2.1817 heiratet Franz Ignatz Grüger die Marianna Biedermann, die vierundzwanzig Jahre alt ist und „aus Schlesien" stammt. Sie ist wahrscheinlich als Magd in Altwilmsdorf tätig gewesen und ihre Eltern lebten, von dem außerhalb der Grafschaft liegenden Teils Schlesien zugezogen, in Oberschwedeldorf. Der Vater, Gottlieb Biedermann, war „Engelhof-Schaffer" auf dem Engelhof und verheiratet mit Rosina Plaschke. Er war evangelischer Konfession. Nach damaligem Verständnis war es eine ,,Muß-Heirat", weil das erste Kind, Theresia, Josefa, Johanna, bereits am 6.8.1817 geboren wurde. Marianna Biedermann war mittellos und passte nach damaliger Auffassung nicht in die Familie eines katholischen Bauern. Die Heirat dürfte gegen den Willen der Schwiegermutter erfolgt sein, die schon ein Jahr nach der Geburt des ersten Enkelkindes am 18.7.1818 verstarb. Der Ehe Grüger-Biedermann entstammen acht Kinder, drei Söhne und fünf Töchter. Die älteste Tochter verstirbt im Alter von 30 Jahren unverheiratet, zwei Töchter, Agnes Theresia und Agnes sterben wenige Monate nach der Geburt, die Tochter Karolina Theresia heiratet 1848 Josef Schleicher aus Altheide. Die am 28.2.1833 geborene jüngste Tochter Theresia, heiratet am 31.1.1860 August Krause aus Schönwalde Kr. Frankenstein gebürtig. Sie werden meine Urgroßeltern. Die Söhne heiraten alle drei, Frantz Joseph, August eine Mathilde Kahl, Julius eine Wilhelmine Heier, und 140

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Amand eine Anna Faber. 1832 stirbt im Hause ihres Schwiegersohnes die Mutter der Marianna Grüger geb. Biedermann, Rosina Biedermann geb. Plaschke und ihrer Tochter in Altheide an Cholera. Am 18.2.1865 verstirbt im Alter von 79 Jahren der Hofbesitzer Frantz Grüger. Über fünfzig Jahre hat er den Hof bewirtschaftet, wie einem Verzeichnis im Pfarrarchiv Oberschwedeldorf zu entnehmen ist, immer mit einem Knecht und einer Magd. Am 8. April 1866 stellt der Sohn und Miterbe August Grüger im Namen der Erben den Antrag auf Umschreibung des Grundbesitzes. Eigentümer wird die Erbengemeinschaft, nämlich die Witwe Marianna geb. Biedermann, die Söhne August, Julius, Amand und die Töchter Carolina verehel. Schleicher und Theresia verehel. Krause (meine Urgroßmutter). Mit Vertrag vom 16. Oktober 1867 erwirbt Josef Schleicher, der Ehemann der Carolina Grüger, den Grundbesitz für 7.026 Thaler. Gleichzeitig wird für die Witwe Marianna Grüger ein Altenteil eingetragen. Der Augustahof 1994

Jeweils 3,25 ha gibt er weiter an seine Schwäger Amand Grüger und Julius Grüger. Die Fläche des Amand Grüger liegt zur Weistritz hin, die Fläche des Julius Grüger an der Straße nach Oberschwedeldorf. Den mittleren Teil mit den aufstehenden Gebäuden nebst dem sogenannten ,,Buschstück nach Rückers" (Wald) behält er. l.600 Thaler Restkaufgelder werden zu Gunsten der anderen Erben eingetragen. Am 11.7.1873 stirbt Marianna Grüger geb. Biedermann. Jetzt verkauft Josef Schleicher die Restbauernstelle an den Bauernsohn August Opitz aus Altheide, der sie 1875 auf seinen Vater Carl Opitz überträgt. Beide können aber die Restkaufgeldhypothek nicht zahlen und so nimmt Josef Schleicher im Juni 1878 Gebäude und Grundstücke wieder zurück. In der Folge verschuldet er sich so, dass es 1888 zur Zwangsversteigerung kommt, aus der Frau Auguste Zoebe geb. Knarr, Frau des Amtssekretärs Zoebe aus Glatz den Grundbesitz erwirbt. Fortan heißt das Hauptgebäude „Augustahof“. Die Grundstücke in Altheide werden um diese Zeit mehr und mehr zu Spekulationsobjekten, weil das spätere Herzheilbad seinen Aufschwung zu nehmen beginnt. Auf diesem Hintergrund ist der Weiterverkauf im Jahre 1890 an den Bauerngutsbesitzer Robert Roesner in Altheide zu sehen. Der kann den Besitz nur drei Jahre halten und am 7. Juli 1893 geht er wegen Nichtzahlung der Restkaufgelder erneut in die Zwangsversteigerung. Die Vorbesitzerin, Frau Auguste Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Zoebe, erwirbt ihn zurück. Im Jahre 1896 geht der Grundbesitz an den Landwirt Anton Bauch junior in Altheide, der es schon 1899 an den Landwirt Josef Siltsch aus Maifritzdorf weitergibt. Siltsch nimmt jetzt hier seinen Wohnsitz. 1903 werden Grundstück und Gebäude von dem Anteilbauern Robert Schwertner aus Altheide übernommen, der sie neunundzwanzig Jahre bewirtschaftet. Dann verkauft er im Jahre 1932 unter Eintragung eines Wohnrechtes für sich und seine Frau Anna geb. Matern an den Landwirt und Gärtner August Stiller aus Hennersdorf Krs. Ohlau und seine Ehefrau Maria geb. Nowag aus Rattwitz Krs. Ohlau. Diese betreiben dort bis zum Kriegsende die Gärtnerei Stiller und bleiben Eigentümer bis zur Konfiskation durch den polnischen Staat im Jahre 1946. Wenn ich heute an dem unscheinbaren Gebäude vorbei wandere denke ich oft daran, was es uns, könnte es reden, aus vierhundert Jahren Geschichte erzählen würde. Wie viel Freude und wie viel Sorgen herrschten über Generationen hinweg in diesem Haus, wie viel Menschen wurden in ihm geboren und starben in ihm und wie viel Gutes und wie viel Schweres ist dort über einen langen Zeitraum auch mit dem jeweiligen „Scholtzen" besprochen und geregelt worden. (18.3.1996)

Ruth Hoffmann Werner Bartsch Der Altheider Weihnachtsbrief, Ausgabe 17/Dezember 2013 hat den Lebensweg der Breslauer Schriftstellerin Ruth Hoffmann (verheiratete Scheye), die sich in Falkenhain ihre besondere Wohnstatt eingerichtet hatte, aufgezeigt. Eine Falkenhainerin hat nun freundlicherweise diesen Bericht mit der Ortsbeschreibung des Domizils „Ruh aus“ ergänzen können. Für die interessierten Leser des Lebens von Ruth Hoffmann ist nachstehend (rechts) der Hinweis aufgezeigt:

 Haus von Ruth Hoffmann

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Unser Kriegerehrenmal - damals und heute Eberhard Scholz Im Altheider Weihnachtsbrief 2008, Seiten 146-147, behandelten wir in der Rubrik „Altheider Denkmäler“ auch das Kriegerehrenmal am Straßenstern. Damals hatten wir keine Kenntnis von den früheren Inschriften. Das hat sich nun geändert. Das Ehrenmal wurde am 21.09.1927 eingeweiht. Es wurde stets in Ehren gehalten, ich kann mich erinnern, dass in meiner Jugend alljährlich in der ersten Märzhälfte an dem Ehrenmal eine Kundgebung stattfand. In Wikipedia kann man nachlesen, dass der Gedenktag zum ersten Mal 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Volkstrauertag vorgeschlagen wurde. Die Nationalsozialisten machten ihn dann zum Heldengedenktag. Erst 1952 wurde beschlossen, den Volkstrauertag an das Ende des Kirchenjahres zu verlegen.

Die Inschrift des früheren Ehrenmales ist deutlich zu erkennen. Im Sommer 1945 wurde das Ehrenmal durch polnische Steinmetze „umgearbeitet“. Die neue Inschrift lautet: DOLNY SLASK / WROCIL DO MACIERCY, was übersetzt heißt: Niederschlesien / Heimgekehrt ins Mutterland. Über diese öffentliche Darstellung des polnischen Geschichtsverständnisses ist nichts hinzuzufügen. Jeder der die Geschichte kennt, mag sich selbst seine Gedanken darüber machen! Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Interessantes aus alter Zeit. Wie kamen die Helles zur Hinterglasmalerei? Heidi und Fritz Helle Es muss 1971 gewesen sein, als in Düsseldorf eine Ausstellung über Hinterglasbilder, ihre Entstehung und ihre Faszination angekündigt wurde. Damen und Herren des Stiftes Geras in Österreich zeigten ihre selbstgemalten Bilder und wie sie entstanden sind. Wir waren so beeindruckt, dass wir beschlossen, uns mit dem Thema Hinterglasbilder zu beschäftigen. Einschlägige Literatur wurde besorgt, wir fanden schnell heraus, dass die Zentren der Hinterglasmalerei im 18. Und 19. Jahrhundert im Elsass und Schwarzwald, in Augsburg und Oberbayern sowie im Bayerischen Wald, Österreich und Böhmen lagen. Wir verstärkten unsere Suche nach einem schönen, alten Hinterglasbild leider ohne Erfolg. Ein Ausflug mit Heidis Mutter nach Rothenburg führte dann zum Durchbruch. In einem dortigen Antiquitätengeschäft entdeckten wir ein wunderschönes Hinterglasbild, gemalt in Südböhmen um 1800, es war der heilige Georg.

Madonna von Wartha, Kaiserswalde 2. Hälfte 19. Jhd.

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Heiliger Georg Kaiserswalde um 1850 Altheider Weihnachtsbrief 2016


Anna Maria das Lesen lehrend

Petrus, Kaiserswalde um 1800

Der Preis von 1000 DM hat uns etwas verschreckt, hatten wir doch gerade unser Haus gekauft. Heidis Mutter hatte dann die Lösung parat und meinte: „Heidi, Du bist auf dem Georgstag geboren, Dein Vater hieß Georg, Du bekommst das Bild zu Deinem Geburtstag.“ Der Bann war gebrochen. Wir lernten im Bayerischen Wald viele Sammler kennen, die uns halfen, so manchen Fehler beim Sammeln nicht zu machen. Hier sei stellvertretend für alle, Herr Dr. Raimund Schuster aus Zwiesel genannt, der ein Freund wurde, dem wir alle Einkäufe zeigen durften und der uns vorsichtig auf Fallen in diesem Geschäft hinwies. Heute können wir sagen, wir waren seine Schüler und haben viel gelernt. Ausgangspunkt des Sammelns war immer Zwiesel. Wir erwarben wunderschöne Bilder aus Raimundsreut, Buchers, Sandl, Oberbayern und den böhmischen Landen, freuten uns über die wachsende Sammlung und die Bekanntschaft vieler Sammlerfreunde. Eines Tages, wir schauten uns im Antiquitätengeschäft in Zwiesel um, sagte Heidi zum Händler: „Herr Pongratz, was ist das für ein Bild, das da oben rechts hängt?“ Darauf Herr Pongratz: ,,Das hat keine Valuta, das kommt aus Schlesien“. Schlesien, gab es denn dort eine Hinterglasbildherstellung? Wir begannen zu forschen und hatten wieder einmal großes Glück. Der gute Kontakt zum Haus Schlesien führt dazu, dass wir den schriftlichen Nachlass eines großen Sammlers und Forschers aus der Grafschaft Glatz, Herrn Bernatzky, einsehen Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Madonna Albendorf, Kaiserswalde 2. Hälfte 19.Jhd.

Weihnachtskrippe, Kaiserswalde 2. Hälfte 19. Jhd.

konnten. Georg Bernatzky besaß eine große Sammlung Kaiserswalder Hinterglasbilder, die in den Kriegswirren verloren ging, hierzu gehörten auch die Forschungsunterlagen. Er begann nach dem Krieg, die in Westdeutschland lebenden Kaiserswalder Bürger zu befragen. Auch diese Unterlagen konnten wir einsehen. Die Schwierigkeit, zu Ergebnissen zu kommen, bestand darin, dass die Hinterglasmalerei durch die Konkurrenz der Farbdrucke Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr ausgeführt wurde. Ausnahme war Wilhelm Rohrbach, der bis zu seiner Vertreibung noch Auftragsarbeiten in geringem Umfang annahm. Wie schnell die Hinterglasmalerei in Kaiserswalde unbedeutend wurde, zeigt, dass die dortige neue Kirche nicht mit Hinterglasbildern sondern mit Kunstdrucken verschönt wurde. Der bedeutendste Sammler Kaiserswalder Hinterglasbilder war Dr. Erich Wiese in Hirschberg. Dr. Wiese war Chef des Schlesischen Museums in Breslau. Sein Einsatz für die „sogenannte nichtarische Kunst“ führte 1933 zur Entlassung durch die Nationalsozialisten. Nach Aussagen seiner Schwiegertochter, die wir noch kennenlernen durften, betrieb Wiese den Ausbau seiner diversen Sammlungen u.a. von Hinterglasbildern. Er soll in den 30er Jahren seinen Fahrer „über die Dörfer geschickt ha146

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ben“ um u.a. Hinterglasbilder für 50 Reichspfennige das Stück aufzukaufen. Wiese besaß ca. 4000 Hinterglasbilder, überwiegend aus Kaiserswalde. Ein Teil dieser Sammlung ist noch heute im Riesengebirgsmuseum Hirschberg zu bewundern. Für die Erforschung der Hinterglasmalerei in Kaiserswalde sind seine Aufzeichnungen oft auf der Rückseite der Bilder eine große Hilfe. Der geschilderte Vorfall im Antiquitätengeschäft und einige Besuche in der Grafschaft führte dazu, dass wir ‒ in Weinheim und Detmold geboren ‒ die Grafschaft lieb gewonnen haben. Nachsatz unserer Redaktion: Das Ehepaar Helle hat seine HinterglasbilderSammlung dem Schlesischen Museum zu Görlitz übereignet. Interessenten können sie dort in einer Dauerausstellung besichtigen.

Altheider Ansichten aus der Gründerzeit Eberhard Scholz Der Begriff „Gründerzeit“ ist an dieser Stelle etwas fehl am Platz, weil die Gründerzeit spätestens mit Ende des ersten Weltkrieges vorbei war. Da es aber hier um alte Ansichtskarten unseres Heimatortes geht, mag dieser Begriff für die Zeit gelten, in der Altheide zu dem geworden ist, was es gegen Ende des zweiten Weltkrieges war, nämlich ein international anerkannter und beliebter Kur- und Badeort. Es tauchen immer wieder noch alte Ansichtskarten von Altheide auf, sehr viele sind altbekannt, aber es gibt auch viele Ansichtskarten, die bisher unbekannt waren. Es scheint so, dass die Häuser, welche Pensionszimmer für Kurgäste bereit hielten, auch Ansichtskarten des eigenen Hauses anboten, manche im Laufe der Zeit sogar mehrere. Das musste so sein, wenn man bedenkt, dass früher viele Kurgäste keine eigene Kamera mitführten, aber den Daheimgebliebenen und Freunden einen Gruß schicken wollten. Man war also auf das Ansichtskarten-Angebot angewiesen. Die Fülle der Ansichtskarten ist so erklärlich. Verwunderlich ist dagegen, dass so viele alte Ansichtskarten heute noch angeboten werden, meist bei entsprechenden Händlern oder im Internet, mit sehr unterschiedlichen Preisen. Sehr viele Motive sind mehrmals verwendet worden, als „normale“ Karte und dann auch mehr oder weniger gekonnt coloriert. Auch die Herausgeber/ Verlage waren sehr vielfältig! Die nachfolgend abgebildeten Ansichtskarten sollen als Beispiel dienen. Heute, 70 Jahre nach Kriegsende ist es allerdings bei manchen Objekten schwierig, eine Identifizierung und Zuordnung zu finden. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Ansichtskarte aus dem Jahre 1905. Oben sieht man das Schloss und links daneben das Rathmann‘sche Gut, der Klosterhof steht noch nicht, das Teehaus am Walde ist auch noch nicht gebaut! In der Mitte, mit dem steil aufragenden Dachgeschoss dürfte das Anwesen „Gasthaus zur Weistritz“ mit Fleischerei und Saal zu sehen sein, rechts daneben der „Tyroler Hof“. Davor links vor der „Weistritz“ Kaufmann Nickig. Gegenüber dürfte Klar-Schuster und Klenner-Schneider sein. Im Vordergrund ist der Gasthof zum Grünen Wald zu sehen. Bad Altheide, „Villa Gerda“ 1921. Links kann man Villa Eichendorff erkennen, dahinter Villa Lohengrin. Am rechten Rand die „Glatzer Rose“

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Partie im Höllental. Dass das Höllental schon immer beliebt war, zeigt diese alte Ansichtskarte mit dem Motiv von der Straßenbrücke.

Höllenthal-Parthie 1903. Im Hintergrund ist die erste Eisenbahnbrücke mit Fischbauchträgern zu erkennen.

Altheide. Parthie aus der Promenade 1903. Der Prinzensprudel war noch nicht erbohrt, das neue Kurhaus gab es auch noch nicht!

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Motiv im Höllental 1912. Die Brücke über die Weistritz dürfte die Vorgängerin der steinernen Brücke gewesen sein.

Partie im Höllental 1912. Bei der Brücke dürfte es sich um dieselbe wie im vorigen Bilde handeln.

Eine ganz alte Karte von 1895 vom Josefsbrunnen.

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Haus Lohengrin 1925. Das Haus wurde später durch einen „Zwilling“ ergänzt.

Im Höllental (Der Hochstein) 1917

Auch das gab es, eine Grußkarte von 1935 als Aquarell vom Haus Ruth in der Wenzel-Hoffmann -Straße.

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Ein Winterpanorama, aufgenommen von der Marienhöhe.

Mehrfachansichtenkarte von 1910. Oben links die Mielert‘sche Holzstiftfabrik im Höllental, in der Mitte die Eisenbahnbrücke, unten das Haus „Zur Hoffnung“, oben rechts das Panorama mit dem Schloss.

Villa Elisabeth in der von SteinmannStraße. Im zweiten Weltkrieg diente dieses Haus auch als Reservelazarett.

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Villa Caecilie an der HeuscheuerstraĂ&#x;e nach Neuheide, ca. 1910. Ansicht Richtung Neuheide, die Volksschule gibt es noch nicht.

Teehaus am Walde mit dahinter stehendem Gartenhaus.

Restaurant Eisenhammer im HĂśllental 1898

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Partie an der Weistritz 1914. Interessant die Herdenbrücke, damals eine Holzbrücke über die Weistritz und die noch wenig befestigten Ufer.

Panorma 1931. Blick Richtung Falkenhain.

Kurhausterrasse

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Villa Caecilie 1932 an der Heuscheuerstraße bei der Schule.

Haus Elfriede, Lindenstraße

Haus Elfriede, Lindenstraße, eine andere Ansicht

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Haus Waldeck, Schwedeldorfer Straße

Haus Wecke, PaulKeller-Straße in Neuheide

Haus Waltraud, Bergstraße, Neuheide, gehörte zum Kinderheim Dr. Frieslich.

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Villa Blühm mit Blick nach dem Höllenthal. Ein bisher unbekanntes Haus.

Glasschleife im Höllental. Der Bau stand wahrscheinlich in oder bei Rückers.

Haus Gerhard, Promenadenweg.

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Badehaus und Josefbrunnen

Haus Hedwigsruh, Forellenweg.

Villa Maria, WenzelHoffmann-StraĂ&#x;e

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Haus Heidehof, WeistritzstraĂ&#x;e

Haus Walter, Forellenweg.

Mehrfachansichten 1901. Links oben: HaideschlĂśssel, Links unten: BadeAnstalt u. BadeGasthof Mitte: Hotel Tyroler Hof u. Schloss, Rechts oben: Georgen-Quelle

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Straße nach dem Höllental.

Luftschiff Parseval über Bad Altheide 1910

Haus Carmen, Anni, Helene, Georg-Haase-Straße

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Wasser-Motiv, ca. 1908. Das zweite Haus vorn rechts ist das Haus am Berg von Schuhmachermeister Franz Klar, dahinter das Vorgängerhaus vom Berghaus, links der Tyroler Hof

Partie an der Weistritz. Das Berghaus steht schon. Das Haus am Berg von Fran Klar ist zu sehen, davor das Haus steht nicht mehr.

Partie an der Weistritz, 30er Jahre Vor dem Haus am Berg sind zwei Kioske zu sehen.

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Schriftverkehr um eine alte Ansichtskarte Eberhard Scholz

Ausschnitt aus der Vorderseite →

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Jeder alte Altheider weiß sofort, um welches „Schänkhaus“ es sich bei den vorstehenden Bildern handelt: um die Brauerei Franke in Rückers, Hersteller des früher weit bekannten „Höllental-Pilseners“, wie aus der Inschrift an der Wand neben der Theke zu entnehmen ist. Kürzlich bekam ich diese alte Ansichtskarte. Sie stellt einen Ausschnitt aus dem Schankraum der Brauerei Franke dar. Da Rückers ein Nachbarort Altheides ist, am anderen Ende des Höllentals, und zudem die zu Altheide nächstgelegene Brauerei beherbergte, ist mein Interesse schon länger geweckt. Ich schrieb Georg Wenzel an, um einige Einzelheiten zu erfahren. Folgender Mailverkehr entwickelte sich: E. Scholz: „..... Die AK im Anhang ist meine neueste Errungenschaft. Sie ist nicht unbekannt, aber ich hatte sie noch nicht real. Weißt Du, wie viel Brauereien es in Rückers gab? Das Schänkhaus gehörte wohl zur Brauerei Franke, denn auf dem Bierfass auf dem Tresen kann man das Wort "Höllental-Pilsener" lesen, und der Bierdeckel weist aus, dass dieses Bier aus der Brauerei Franke stammte. Da es in Altheide keine Brauerei gab, könnte das Höllental-Pilsener eines der meist getrunkenen Biere in Altheide gewesen sein?! Wo die Brauerei Franke aber stand, das weiß ich bis heute nicht, es gab ja auch keinen Ortsplan von Rückers, oder?“ G. Wenzel: „..... eine sehr schöne AK. Sofort kamen Erinnerungen an die Kinder- und Jugendzeit auf. Zunächst einmal zur Lage: Wenn Du von Neuheide kommend nach Rückers fährst, geht es kurz vor Rückers bergab an der Kath. Kirche vorbei. Dann gabelt die Straße nach rechts und links. Könntest Du geradeaus fahren, kämest Du in die Franke-Brauerei. Mein Vater war mit dem Franke-Brauer bekannt. Wenn ein Familienfest war, fuhr ich mit dem Leiterwägelchen, einem Handwagen, nach Rückers um dort Bier zu holen. Die Töchter von Franke kannten mich recht gut und als ich noch an der Hand des Vaters lief, schenkte mir eine einmal einen Teddy-Bär, den ich hoch verehrte. Mit dem Handwägelchen ging es dann zurück nach Neuheide. Zunächst den Berg hoch, aber dann kam die Abfahrt. Mein in Mönchengladbach lebender Cousin erinnert sich heute noch mit Schaudern an die Rückfahrt. Zu Besuch bei uns war er natürlich mitgekommen. Bergab nahm ich die Deichsel zwischen die Beine und mit Tempo ging es bergunter nach Neuheide. Mit einem Stock versuchte mein Cousin die wilde Fahrt zu bremsen, was nur zum Teil gelang. Ich hatte meinen Spaß und brachte das Gefährt rechtzeitig zum stehen. Wenn wir uns treffen, wird die Geschichte immer wieder aufgefrischt. Der Franke-Bräuer nannte sein Bier „Crato von Craftheim“*, dem Leibarzt der Kaiser Karl, Ferdinand und Maximilian. Erinnern kann ich mich noch an den Spruch vor den Toiletten des Hauses: „Do nei gieht der Ferdinand un do nei die Luise“. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Manchmal braucht man nur einen kurzen Hinweis und schon kommen die Erinnerungen.“ Es gab mehrere verschiedene Ansichten der Schankräume in der Brauerei Franke. Auf denen ist zu sehen, dass die Wände mit verschiedenen Sprüchen beschriftet waren. Es muss sehr urtümlich und gemütlich dort gewesen sein. Seltsam, dass ich bisher keine Außenansicht der Brauerei finden konnte! Aber wie präsentierte sich die Brauerei von außen? Ansichtskarten von damals sind bisher sehr selten. Auf einer Ansichtskarte um 1900 sieht man die Brauerei in der unteren Ansicht:

Bildquelle: Z. Franczukowski

Die Brauerei Franke hatte eine lange Geschichte. Im Laufe der Jahre wechselte sie öfter die Besitzer, seit 1888 war sie bis 1945 in Familienbesitz, ein offenbar gesundes Unternehmen! Klosterbrauerei H. Ossig (1494) Klosterbrauerei Winkler Lagerbierbrauerei Rückers Wilh. Franke Brauerei Rückers Wilh. Franke, Inh.Pauline Franke Wwe. Lagerbier-Brauerei Rückers Willy Franke i.K. Brauerei Franke Höllental-Brauerei Pauline Franke`s Erben, Inh. Wilh. Aug. Franke

1880-1884 1884-1888 1888-1902 1902-1908 1908-1929 1929-1931 1931-1945

* Craftheim, Crato v., Johann, Leibarzt und Rath dreier Kaiser: Ferdinand I., Max II., dann Kaiser Rudolphs II., besitzt Rückers pfandweise. Erbaut daselbst 1581 eine Begräbniskapelle. 164

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Eine Grafik aus einer Werbung unbekannten Datums. Vergleicht man die obige Ansicht mit der Realität heute, kommt man nicht sehr weit, die Gebäude sind in den letzten Jahrzehnten stark umgebaut worden. Man sieht aber das Sudhaus, das als solches heute nicht mehr erkennbar ist.

Eine Ansicht aus den 1940er Jahren. Links vorne ist der Eingang zum Bräustübl zu sehen, auf der Terrasse davor Tische und Stühle und Sonnenschirme. Vom Sudhaus ist der weiße Giebel zu erkennen. Die Gärtnerei rechts gibt es heute nicht mehr. Bildquelle: Z. Franczukowski Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Wie aus den Bierdeckeln und Etiketten hervorgeht, wurden u.a. einige Biere erzeugt: Mense Gold, Lagerbier Mense Gold, Vollbier Caramel, Einfachbier Höllental-Starktrunk Höllental Pils Eine Werbeseite, von der nicht bekannt ist, wann sie verwendet wurde, zeigt die Außenansicht auf der vorigen Seite oben. Außerdem wird erläutert:

BRAUEREI FRANKE RÜCKERS

SEIT 15 . JAHRUNDERT

Wie die Chronik erzählt, brauten Augustinermönche schon im Jahre 1499 auf dem Klostergut Rückers Bier. Dasselbe erfreute sich im Laufe der Zeiten auf Grund eines vorzüglichen Brauwassers eines besonders guten Rufes, wurde es doch schon in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Fuhren bis weit nach Schlesien hinunter u. a. in die Städte Breslau, Brieg, Oppeln gefahren.

„Wandmalerei“ An den Toiletteneingängen

Massige gewölbte Räume besonders auch im Ausschank erwecken Erinnerungen an jene Zeit. Seit 1884 ist die Brauerei im Besitze der Familie Franke und wurde von dieser neuzeitlich und leistungsfähig eingerichtet.

Bierflasche mit erhabener Aufschrift: FRANKE RÜCKERS

Auch alte Bierdeckel gibt es noch, dank der Sammelleidenschaft interessierter Spezialisten, sie werden noch verschiedentlich im Internet angeboten, wie man vermuten kann, nicht ganz billig! 166

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Bilder: Oben: Bierdeckel und Flaschenetiketten Unten: BraustĂźbl, eine andere Ansicht, man kann erkennen, dass die GewĂślbe reich beschriftet waren-

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Das Kaminzimmer in der Höllental-Brauerei

Der Gebäudekomplex heute. Man kann nur noch mit Mühe erkennen, dass es sich um die ehemalige Brauerei Franke handelt! Georg Wenzel zu dieser Ansicht: „So habe ich das gelbliche Gebäude mit dem typischen Eingang zu einer Gaststätte in kindlicher Erinnerung.“

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Neues aus Altheide, Falkenhain, Neuwilmsdorf Der Autor des nachstehenden Beitrages, Manfred Spata, geb. 1944 in Glatz, aufgewachsen in Plettenberg/Sauerland, nach Schule und Studium bis 2007 in leitender Stellung als Geodät beim Landesvermessungsamt in NordrheinWestfalen in Bonn-Bad Godesberg tätig, hat sich durch viele Veröffentlichungen, Ausstellungen und Symposien in die Kulturarbeit für Schlesien und die Grafschaft Glatz eingebracht. Seine Landkartenausstellungen sind auch in polnischen Museen gern gesehene Beiträge zur Geschichte Schlesiens und der Grafschaft Glatz. Für das im Dezember 2016 aus Anlass des 80. Geburtstages von Großdechant Prälat Franz Jung erscheinende Buch „Zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ schrieb der Autor u.a. einen Beitrag über die insbesondere nach der politischen Wende 1989/90 in der Ziemia Kłodzka/Grafschaft Glatz errichteten Denkmäler für Grafschaft Glatzer Persönlichkeiten und in den Grafschaft Glatzer Orten. Der einleitende Abschnitt „Repatriierung“ der Deutschen und „Heimkehr“ der Polen 1945/46“ gibt ein derart ungeschminktes Bild der geschichtlichen Entwicklung im Verhältnis zwischen Polen und Deutschen vom Kriegsende 1945 bis heute wieder, dass wir ihn ungekürzt übernehmen. Bei der Wiedergabe der Texte zu den Denkmälern haben wir uns auf Altheide beschränkt. Das Buch selbst wird mit einer Fülle von heimatgeschichtlichen Beiträgen nach der Herausgabe im Buchhandel angeboten werden.

Georg Wenzel Denkmäler in der polnischen „Ziemia Kłodzka“ (Glatzer Bergland) Manfred Spata

„Repatriierung“ der Deutschen und „Heimkehr“ der Polen 1945/46 Der 8. Mai 1945 war der Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und in Folge das Ende der zentralen Regierungsgewalt des Deutschen Reiches. Der von Deutschland 1939 ausgegangene Krieg war zu Ende, zugleich die gnadenlose Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Regimes innerhalb und außerhalb Deutschlands mit unvorstellbaren Gräueltaten , die Ausrottung ganzer Völker und die „Säuberung“ ganzer Länder von der in ihnen ansässigen Bevölkerung mit Millionen von Toten. Diese historische Grundwahrheit darf nicht außer Acht bleiben, wenn die daran anschließende Leidens- und Vertreibungszeit der ostdeutschen Bevölkerung dargelegt wird. Der 8. Mai (ein Dienstag) hat sich in das Langzeitgedächtnis der Deutschen als großer Schicksalstag eingeprägt, aber er war keine sprichwörtlich gewordene „Stunde Null“, denn das Leben vor Ort ging weiter.1 Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Der 9. Mai 1945 war der „Tag des Sieges“ und brachte den Beginn der willkürlichen Militärherrschaft der Alliierten über ganz Deutschland, aufgeteilt in mehrere Besatzungszonen. Im östlichen Europa löste der stalinistische Terror die NS-Diktatur ab. Auch für die Grafschaft Glatzer Bevölkerung war der 9. Mai ein einschneidender Tag – es folgte eine Zeit der unbarmherzigen und hasserfüllten Abrechnung der Sieger gegenüber den Besiegten, eine Zeit der rechtlichen Unsicherheit, der Lebensangst um das tägliche Brot, um den Zeitpunkt der Ausweisung aus der Wohnung, das Fehlen aller persönlichen und sozialen Zukunftsperspektiven, die Gefahr, den letzten menschlichen Halt oder gar sein Leben einzubüßen. Nach persönlicher Schuld wurde 1945/46 von den Siegern nicht gefragt, „weil nach ihrer Ansicht jeder Deutsche ein Faschist ist“2. Hass und Rachedurst gegen die Deutschen tobte sich gewaltsam und grausam aus, in den Reihen der sowjetischen Soldateska ebenso wie bei den polnischen befreiten Zwangsarbeitern und Lagerinsassen und den einströmenden „Heimkehrern“3, insbesondere durch Plünderungen, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen sowie „Liquidierungen“ (Erschießungen) von verdächtigten NS-Leuten, „Werwölfen“ und „Kapitalisten“: „vae victis!“.4 Die deutsche Bevölkerung war im eigenen Land plötzlich physisch und rechtlich absolut wehrlos; sie erfuhr am eigenen Leib, was das NS-Regime im Krieg den Polen und anderen Völkern angetan hatte. Es folgte das Unrecht der Massenvertreibung der deutschen Bevölkerung aus ihrer angestammten Heimat bzw. in der amtlichen polnischen Sprache die „Repatriierung der Deutschen aus den wiedergewonnenen Gebieten“ nach dem Westen, und zwar nicht, wie im Potsdamer Protokoll verlangt, „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“, sondern unter schrecklichen unmenschlichen Begleitumständen.5 Zur selben Zeit ging der polnische Primas Augustin Kardinal Hlond eigenmächtig gegen die ostdeutsche Kirche vor. Ohne Auftrag und Vollmacht von Rom betrieb er auf der Grundlage bewusst falsch ausgelegter und nicht vorgelegter päpstlicher Vollmachtsdekrete vom 8. Juli 1945 die Polonisierung der ostdeutschen katholischen Diözesen: „Eine polnische Kirche auf der polnischen Erde!“.6 Dabei dachte die gesamte polnische Kirchenleitung primär national, nur sekundär christlich und sah bei der Westerweiterung Polens keine ethischen, kanonischen und völkerrechtlichen Probleme, sondern eine „göttliche Vorsehung“ mit Fürsprache der Gottesmutter Maria, der „Königin der Krone Polens“, denn „wer im ‚fremden‘ Land wohnt, müsse damit rechnen, eines Tages von den ursprünglichen ‚Eigentümern‘ an die Luft gesetzt zu werden“.7 Der Breslauer Weihbischof Dr. Bolesław Kominek bezeichnete die Rechte Deutscher durch die militärisch geschaffenen Fakten der Westerweiterung Polens nur noch ein „Knochengerüst mit einem Totenkopf“.8 Unter Vortäuschung derselben päpstlichen Dekrete unterstellte Primas Hlond das dem Erzbistum Prag zugehörige Generalvikariat Glatz ab dem 1. Oktober 1945 dem Apostolischen 170

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Administrator von Niederschlesien in Breslau, dem national gesinnten Dr. Karol Milik. Generalvikar Dr. Franz Monse und seine Glatzer Konfratres wurden am 6. April 1946 aus dem Glatzer Pfarrhof vertrieben.9

Polnische Erinnerung zwischen 1945 und 1989 Nach der „Eingliederung der Westgebiete zu Polen“ 1945 erinnerten sich die Polen an ihren Jahrhunderte alten Anspruch auf das schlesisch-piastische Erbe. Für Stefan Kardinal Wyszyński war die Schuldfrage von Gott selbst entschieden; er bestärkte seine polnischen Landsleute 1952 in Wrocław/Breslau: „Wir sind in unser Eigentum als rechtmäßige Eigentümer zurückgekommen. Wir kamen zurück aufgrund der richterlichen Entscheidung der göttlichen Gerechtigkeit“.10 Der Administrator von Breslau (und des ehemaligen Prager Generalvikariats Glatz), Dr. Karol Milik, bestärkte seine polnischen Gläubigen wegen ihrer „Heimkehr“ und der „Repatriierung“ der Deutschen in seinem Antrittshirtenwort 1945: „Das Ende jeder Barbarei ist Niederlage, Brandmal der Schande und der Verachtung, wie uns davon noch einmal zum Greifen deutlich der letzte Krieg überzeugt hat. Wer Verderben sät, wird Verderben ernten. Dem polnischen Staat war stets jede Barbarei fremd. Da, wo Gewalt war, Raub, Lüge, Rechtlosigkeit, Schändung der Friedhöfe, Auslassung der Wut an Lebenden und Toten, da war Polen nicht dabei!“11 Solch ein pathetisch-patriotisches Hirtenwort klang in den Ohren der entrechteten deutschen Bevölkerung wie blanker Hohn; aber ein Christ weiß, Rache schändet, auch wenn sie mit dem Tarnwort „Strafe“ umkleidet wird. Die neue polnische Bevölkerung durfte sich durch ihren „Bischof“ ethisch bestärkt fühlen, die deutschen „Brandmale der Schande und Verachtung“ rasch und gründlich auszumerzen, zumal auch das polnisch-kommunistische Regime bestrebt war, die Erinnerung an die deutschen Verbrechen wach zu halten und die Spuren des deutschen Kulturerbes zu tilgen. Die Staatsideologie verbot auch den aus den Ostgebieten Polens vertriebenen Neubürgern öffentlich über ihre Geschichte zu sprechen und Gedenkstätten zu errichten. Für die neuen polnischen Bewohner war es lange Zeit undenkbar, auf ihrem neuen Staatsgebiet ihren ehemaligen deutschen Feinden, unter denen praktisch jede Familie gelitten hatte, die überkommenen deutschen Denkmale und Inschriften zu dulden.12 Bereits am 28. Juni 1945 enthält die Pfarrchronik von Glatz die Eintragung: „In Glatz werden die Firmenschilder an Geschäften, Läden ff in polnischer Sprache geschrieben“.13 Bald kam es zu Umbenennungen von Straßen, Plätzen und Gebäuden, wobei die neuen Benennungen häufig keinen Bezug zur Ortsgeschichte hatten, sondern beliebige Persönlichkeiten der polnischen Geschichte ehrten (siehe auch Beitrag zu Straßenbenennungen in Deutschland)14. In der Folgezeit schändeten die polnischen „Einwanderer“ in fast jedem größeren Ort die deutschen Friedhöfe, zerstörten Denkmäler und tilgten deutsche Inschriften und Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Symbole in Kirchen, Kapellen, auf Bildstöcken und Heiligenbildern. Das Innere der Kirchenräume wurde „polonisiert“, indem man Bilder der Muttergottes von Tschenstochau sowie Bänder in den Nationalfarben und das Staatswappen hinzufügte.15 Besonders betroffen waren die deutschen Kriegerdenkmäler, z. B. in Glatz (Kaiser-Wilhelm-/Krieger-Denkmal, Graf-Götzen-Denkmal, Regiment -38-Denkmal)16, Habelschwerdt (Kriegerdenkmal 1866/1871 in der Gartenstraße und 1914/18 in der Kirchstraße)17 und Bad Kudowa (Graf-Götzen-Denkmal)18. Später entstanden neue polnische Gedenkstätten und Gedenktafeln, die an den heroischen Widerstand der Polen während der „Zeit des Sterbens“ im Zweiten Weltkrieg, an ihre martyrologische Rolle als Opfernation für ein freies Europa und an ihre „Heimkehr“ erinnern.19 Zwei dieser Gedenktafeln sollen exemplarisch herausgestellt werden, die Tafel am Glatzer Rathaus von 1965 und am Neuroder Rathaus von 1985. In beiden Inschriften wird das schlesischpiastische Erbe bemüht, was aber für die ehemalige Grafschaft Glatz als Jahrhunderte langer Bestandteil des böhmischen Kronlandes historisch falsch ist. Trotz wiederholter Hinweise von deutscher Seite haben beide Stadtverwaltungen in Glatz und Neurode bis heute (2014) nicht die politische Kraft aufgebracht, die Tafeln zu entfernen oder zumindest die Inschriften zu ändern (siehe nachfolgende Abschnitte Glatz, Rathaus 1965 und Neurode, Rathaus 1985). Nicht nur der kommunistischen Planwirtschaft mag es geschuldet sein, sondern einem lange Zeit fortbestehenden Deutschenhass, dass die neue polnische Bevölkerung den Verfall von Kulturgütern (evangelische Kirchen, deutsche Friedhöfe, Schlösser, Gutshöfe, Gasthäuser, Bauden und Aussichtstürme) billigte, manchmal sogar in vandalistischer Weise beförderte.20 Bis in die 1980er Jahre trauten sich polnische Historiker nicht, einen objektiven Beobachterstatus gegenüber ihrer eigenen, aber auch gegenüber der deutschen Geschichte einzunehmen. Die deutsche Geschichte wurde zu eng auf die Zeit der Nazi-Diktatur verengt und die facettenreiche Vergangenheit der ehemaligen Grafschaft Glatz/Hrabstwo Kłodzka vor 1933 (Weimarer Republik), vor 1871 (Preußen), vor 1742 (Österreich) und vor 1525 (Böhmen) kaum erfasst. Es herrschte ein Zwangsdenken des Kommunismus; dadurch mussten die Historiker, Politiker und Kleriker allzu oft ihre Nation auf Linie bringen, wie z.B. die Ausklammerung des Begriffs „deutsch, Deutschland“ in etlichen Ausstellungstexten in Glatzer Museen bis heute bezeugt. Erst nach der Wende zeigte sich bei den heutigen Bewohnern des Glatzer Landes/Ziemia Kłodzka, insbesondere bei der jungen Generation, ein wachsendes Interesse an einer nicht ideologiebelasteten Deutung der Geschichte dieser Region.

Versöhnendes deutsch-polnisches Gedenken nach 1989 Ein Grundsatz der internationalen Strafjustiz lautet: „Ohne Gerechtigkeit keine Versöhnung“. Für viele ehemalige Bewohner der Grafschaft Glatz ist 172

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ihre rechtlose Massenvertreibung bis heute ein Stück unbewältigter Vergangenheit. Für die heutigen polnischen Bewohner ist die gewaltsame Vertreibung, die sogenannte „Repatriierung“, der deutschen Bevölkerung eine der ganz großen offenen Traumata. Halbherzige polnische Informationen, die bis heute peinlich bemüht sind, das Wort „Vertreibung“ (wypędzenie) zu vermeiden und durch die politisch neutralen Begriffe „Aussiedlung“ (wysiedlenie) und „Repatriierung“ (repatriacja) zu verschleiern, lassen erkennen, welche hartnäckigen polnischen Nationalmythen die Aussöhnung und Verständigung zwischen den beiden christlichen Brudervölkern erschweren.21 Dabei bedarf Versöhnung, soll sie wirklich gelingen, des Eingeständnisses von Schuld, der deutschen Schuld der NS-Gräuel während des Krieges und der polnischen Vertreibungsschuld nach Kriegsende. Nach vielen Jahren des Schweigens und Verdrängens entstand nach der politischen Wende 1989 eine offene Diskussion zwischen deutschen und polnischen Historikern, aber auch zwischen den ehemaligen deutschen und heutigen polnischen Bewohnern der Grafschaft Glatz über das gemeinsame kulturelle Erbe vor und nach 1945. Es ergaben sich neue Regeln des unbefangenen Umgangs miteinander, um mit Empathie und Lernbereitschaft die gegenseitigen Nationalgeschichten zu akzeptieren und dabei das Leid der deutschen Heimatvertriebenen ebenso einzubeziehen wie das polnische Kriegs- und Vertreibungsleid. So bekannte der damalige polnische Außenminister Władysław Bartoszewski in seiner großen Rede vor dem Deutschen Bundestag am 28. April 1995 unter Berufung auf den Schriftsteller Jan Józef Lipski 1981 die Mitschuld seines eigenen Volkes an der Vertreibung der Deutschen aus den heutigen polnischen Westgebieten: „Das uns angetane Böse, auch das größte, ist aber keine Rechtfertigung und darf auch keine sein für das Böse, das wir selbst anderen zugefügt haben; die Aussiedlung der Menschen aus ihrer Heimat kann bestenfalls ein kleineres Übel sein, niemals eine gute Tat.“22 Nach 1989 mehren sich in Polen die Aufstellungen von Gedenktafeln zur Erinnerung an die frühere deutsche Bevölkerung; sie rücken die Ereignisse der Flucht und (wilden) Vertreibung der Deutschen aus den ostdeutschen Gebieten ins aktuelle Bewusstsein und sie überwinden den Jahrzehnte lang gehegten Mythos von den „wiedergewonnenen Gebieten“.23 Dies gilt auch für die nach dem Kriegsende errichteten Internierungs- und Durchgangslager für die deutsche Zivilbevölkerung. Heute bezeugen die Mahnmale vor Ort das friedliche Verstehen und Zusammenwachsen der ehemals deutschen und der heutigen polnischen Bevölkerung.24 Auch in Tschechien wächst nach 1989 die Anzahl der Denkmäler zur Erinnerung an die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat.25 Seit der politischen Wende erfassen polnische Historiker, die „nach der Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Unvoreingenommenheit“ ihrer Forschungen streben, die gesamte Geschichte des Glatzer Landes, sowohl vor 1945 wie danach; ein bemerkenswertes Beispiel dieser neuen Geschichtsforschung veröffentlichte das Muzeum Ziemi Kłodzkiej 1998, wobei der polnischen Autorengruppe bewusst war, „dass das Bild der Vergangenheit immer eng mit dem Geist der Zeit, in der er (der Autor) lebt und schafft, verbunden ist, dass die Geschichte als Teil der Kultur enge Beziehungen mit der Ideologie, Theologie (Kirche) und Politik hat und wie oft Mythen und Legenden schafft.“26 Inzwischen gibt es auch wissenschaftliche Publikationen deutscher und polnischer Autoren, die gemeinsam ihre Forschungen veröffentlichen, z. B. Arno Herzig und Małgorzata Ruchniewicz 2006 über die „Geschichte des Glatzer Landes“, die in polnisch und deutsch gedruckt wurde.27 Initiiert von der Zentralstelle und der Heimatgruppe Grafschaft Glatz besuchten die deutschen Reisenden nach 1973 in ihren ehemaligen Heimatorten die Familiengräber und besorgten deren Pflege, teils mit Hilfe von polnischen Bewohnern. Die Heimatvertriebenen fühlten sich zur Grabpflege verpflichtet, weil die Grabsteine Zeugen des vergangenen Lebens sind, dessen Wirkungen bis in die Gegenwart reichen. So schrieb der Vorsitzende der Grafschafter Heimatgrupe, Schulrat Alois Bartsch, bereits 1965: „Wenn wir erreichen können, dass dort, wo die jetzige (polnische) Bevölkerung zum Gottesdienst geht, wieder gepflegte Gräber, Grabsteine und Kreuze mit deutschen Inschriften stehen, dann haben diese Besucher Urkunden mit einer eindeutigen Sprache und Beweiskraft vor Augen. Vielleicht haben wir auch einen moralischen Erfolg, indem die Polen es als einen fast unheimlichen Beweis unserer Treue zur Heimat, die unsere Toten birgt, ansehen“.28 Eine der frühesten zweisprachigen Gedenktafeln steht auf dem Alten Friedhof in Słupiec/Schlegel (siehe nachfolgenden Abschnitt Schlegel, Alter Friedhof). Die verbesserten Kontakte der Heimatreisenden mit den vor Ort lebenden Polen ermöglichten aufwändige Restaurierungen von Grabplatten und Friedhofskreuzen und die Anlage von Lapidarien, u. a. in Altwilmsdorf, Bad Landeck, Habelschwerdt, Krainsdorf, Lewin, Niederschwedeldorf, Tscherbeney und Wölfelsdorf (siehe nachfolgende Abschnitte).29 Nach der Änderung der polnischen Gesetzgebung unterstehen diese sanierten historischen Friedhöfe heute dem Denkmalschutz. Neben Elternhaus und Familiengrab besuchen die deutschen Heimatreisenden immer auch ihre Ortskirche, die sie als Kind oder Jugendlicher jeden Sonntag besucht haben. Da die meisten katholischen Gotteshäuser weiterhin von den polnischen Pfarreien genutzt werden, ist deren Erhaltungszustand in der Regel gesichert. Lediglich abseits gelegene kleinere Kirchen ohne Pfarrgemeinden verfallen zusehends.30 Etliche Kirchen, Kapellen und Bildstöcke wurden seit den 1990er Jahren durch Grafschafter Geldspenden restauriert. Beispielhaft genannt seien die Kirchenrestaurierungen in Albendorf (Wallfahrtskirche Mariae Heimsuchung), Altheide (Maria Himmelfahrt), Landeck (St. Georgenkapelle), 174

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Krainsdorf (St. Georg), Neurode (St. Annakapelle), Niederschwedeldorf (St. Annakapelle) und Ullersdorf (Johannes der Täufer) sowie die Restaurierungen der Johannes-Nepomuk-Bildstöcke in Habelschwerdt31 und Rückers32. Daneben gab es Restaurierungen von weltlichen Gedenkstätten, wie z. B. in Neusorge das Wittig-Haus sowie in Hausdorf und Neurode die Grabstätten der Opfer der Grubenunfälle von 1930 und 1941 (siehe nachfolgende Abschnitte). Die Einweihungsfeiern der Gedenkstätten fanden stets mit zahlreicher Beteiligung deutscher und polnischer Landsleute und unter Beteiligung der Kommunalpolitiker in würdigem Rahmen statt. Zumeist gaben der polnische Ortspfarrer und der Großdechant Prälat Franz Jung in Vertretung des ehemaligen deutschen Klerus ihren Segen dazu. Bei den meisten Gedenktafeln handelt es sich um schlicht gestaltete schwarze Marmortafeln, die immer eine deutsche und polnische Inschrift tragen, manchmal zusätzlich mit Emblemen versehen. Der Tenor der Inschriften vermerkt die ehemalige deutsche Bevölkerung vor 1945, die heutige polnische Bevölkerung und betont den Willen um ein friedliches gemeinsames Gedenken aller Toten des Ortes. In den vergangenen 20 Jahren sind eine Reihe gemeinnütziger Stiftungen nach deutschem und polnischem Recht entstanden, die sich auf Erhaltungsarbeiten in einem Ort oder einer Region konzentrieren. So wurde die „Stiftung zur Erneuerung der Region Neurode/Fundacja na rzecz odnowienia regionu Nowa Ruda“ 1991 in Nowa Ruda/Neurode gegründet; sie ist seither um die Erhaltung des deutschen Kulturerbes und die Entwicklung einer eigenständigen polnischen Kultur bemüht. Besondere Projekte waren bisher die Begründung des Museums Haus Joseph Wittig, die Renovierung der Loretto-Kapelle in Neurode, die Anlage des Carl-Ferche-Weges sowie der Bau eines Aussichtsturmes auf dem Königswalder Spitzberg und die Restaurierung der Kapelle auf dem Allerheiligen-Berg in Schlegel.33 Der „Deutsche Freundschaftskreis (DFK)/Niemieckie Towarzystwo w Kłodzku“ gründete sich im September 1993 in Kłodzko/Glatz; diese Aktion wurde maßgeblich von Peter Großpietsch von der Zentralstelle Grafschaft Glatz in Lüdenscheid unterstützt. Über 100 deutsche und polnische Landsleute nahmen nach 45 Jahren der kulturellen Unterdrückung durch das kommunistische Regime die neuen Rechte des DeutschPolnischen Nachbarschaftsvertrages von 1991 wahr, worin die Rechte der deutschen Minderheit fixiert worden sind; sie finden sich zusammen, um vor Ort die Pflege ihrer kulturellen Identität und ihrer Muttersprache zu betreiben, u. a. in Form von Deutschkursen für die junge Bevölkerung.34 Die „Kaplan-Gerhard -Hirschfelder-Stiftung“, 2005 in Münster als Stiftung öffentlichen Rechts begründet, verfolgt die Zielsetzung, deutsche Kulturgüter in der Grafschaft Glatz und darüber hinaus in Schlesien zu erhalten und zu pflegen.35 Im Jahr 2005 wurde in Köln der „Förderverein Albendorf/Wambierzyce e.V.“ gegründet, der sich dem Erhalt des Marienwallfahrtsortes besonders verpflichtet hat.36 Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Alle diese Beispiele geben ein beredtes Zeugnis der inzwischen guten Zusammenarbeit der polnischen und deutschen Bevölkerung im Geiste der Versöhnung und Verständigung zwischen den beiden Brudervölkern. Inzwischen gibt es in fast allen Orten des Glatzer Landes historisch wertvolle Baudenkmäler (mit unstillbarem Sanierungsverlangen), deren Erhalt in den letzten Jahren in gemeinsamer Anstrengung gelungen ist.37 Die Vielzahl dieser Gedenkstätten und –tafeln ist in den beiden folgenden Abschnitten nach Personen und Orten alphabetisch aufgelistet; sie sind keineswegs vollzählig (Erfassungsstand: August 2014). Dank: Für bereitwillige Unterstützung bei einzelnen Ortsbeiträgen dankt der Autor vor allem den Brüdern Johannes, Michael und Peter Güttler (zu Landeck, Lerchenfeld und Winkeldorf), Heinz-Peter Keuten (zu Glatz und Habelschwerdt), Rudolf Schmidt (zu Ebersdorf, Kreis Habelschwerdt), Cornelia Schroller-Schmidt (zu Wölfelsdorf), Horst Ulbrich (zu Eckersdorf und Neurode), Georg Wenzel (zu Altheide und Glatz) sowie Silke Findeisen (Haus Schlesien), Peter Großpietsch (Zentralstelle Grafschaft Glatz) und Reinhard Schindler (Pastoralrat Grafschaft Glatz) für wertvolle Literaturhinweise.

Denkmäler für Grafschaft Glatzer Persönlichkeiten Georg Haase (1859-1931) Als Gründer und Erbauer des heutigen Altheider Kurortes ist der Breslauer Brauereibesitzer Dr. Georg Haase44 immer noch in guter Erinnerung. Georg Haase übernahm 1904 den Altheider Badebetrieb und führte ihn in den folgenden Jahren zu einer hohen Blüte. In der Person des Kurdirektors Georg Berlit45 stand ihm ein hervorragender Mitarbeiter zur Seite. In kurzer Zeit entwickelte sich das Herzbad Altheide46 zu einem weithin bekannten Kurort. Im Auftrag der Kurverwaltung schuf nach Haases Tod der Breslauer Prof. Theodor von Gosen 1933 eine Bronzestatue, ein nackter Jüngling mit einer Trinkschale in der ausgestreckten rechten Hand, die am Ende des Kurparks auf einem Steinpostament stand; die Inschrift lautete „DEN MENSCHEN HELFEN IST DIE SCHÖNSTE PFLICHT“, darunter „Dem SCHÖPFER UND FÖRDERER DES BADES ALTHEIDE GEORG HAASE ZUM GEDÄCHTNIS“. Nach 1946 verschwand der HaaseGedenkstein spurlos. Erst 2011 entstand im Wintergarten des renovierten Kurhauses an der Ecke zum Replik der Gosen-Figur im Helenenbad eine neue Gedenkstätte für Georg Haase. Kurhaus Bad Altheide 2011 176

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Auf einem schlanken Granitsockel in einem kleinen Brunnen steht eine verkleinerte Replik der Gosen-Figur, darunter die polnische Inschrift „“KU CZCI GEORGA HAASE TWŎRCY I MECENASA POLANICY – ZDRÓJU“ (GEWIDMET GEORG HAASE SCHÖPFER UND FÖRDERER VON BAD ALTHEIDE).47 Heinrich Schlecht (1881-1953) Zum Eintritt Polens in die Europäische Union (EU) im Jahre 2004 ehrten die Stadt und Kurverwaltung Polanica Zdrój/Bad Altheide sowie die „Gesellschaft der Freunde Altheides“ den deutschen Mediziner Professor Dr. Heinrich Schlecht81 durch Anbringung einer Erinnerungstafel am Eingang des Kurhauses. Die Inschrift lautet: „ZU EHREN VON PROFESSOR HEINRICH SCHLECHT (1881-1953) DEM HERVORRAGENDEN KARDIOLOGEN, LEHRER DER ALTHEIDER ÄRZTE, MITBEGRÜNDER DES RUFES DES KURORTES. AM EINTRITTSTAG POLENS IN DIE EUROPÄISCHE UNION GESELLSCHAFT DER FREUNDE VON ALTHEIDE“. Professor Schlecht war in Altheide der leitende Kardiologe und Röntgendiagnostiker, der den Ruf Altheides als Kurort für Herzkranke beförderte. Nach dem Kriegsende 1945/46 verblieben er und seine Frau auf Bitten des polnischen Nachfolgers Dr. Józef Matuszewski in Altheide; dort verstarb er 1953. Oberarzt Dr. Jacek Habdank-Abczynski hielt in der Feierstunde die Laudatio auf Prof. Schlecht. Danach schilderte der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Henryk Grzybowski, den Lebenslauf der zwei Deutschen, Dr. Wolfgang Nienaber aus Telgte und Georg Wenzel aus Lingen, die beide wegen ihrer Verdienste um die deutsch-polnische Zusammenarbeit vor Ort geehrt wurden. Sie wurden vom polnischen „Kapitel der Grafschaft Glatz“ zu „Botschaftern der Grafschaft Glatz“ ernannt und durch einen symbolischen Ritterschlag in die tschechische Gedenktafel für Prof. Heinrich Schlecht „Bruderschaft des Königs Ottokar II.“ am Eingang des Kurhauses in Nachod aufgenommen.82

Denkmäler in Grafschaft Glatzer Orten Altheide, Katholischer Friedhof 2002 Am Maria-Himmelfahrtstag 2002 reiste die Altheider Heimatgemeinschaft unter der Leitung ihrer Sprecher Georg Wenzel und Friedrich Goebel nach Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Polanica Zdrój/Bad Altheide, um dort auf dem katholischen Friedhof, heute städtischen Friedhof, an der Schwedeldorfer Straße, eine Gedenktafel zu errichten. Die Bronzetafel trägt die zweisprachige Inschrift: „AUF DIESEM FRIEDHOF RUHEN AUCH DIE EINWOHNER VON BAD ALTHEIDE, DIE VOR 1946 HIER GELEBT HABEN UND HIER GESTORBEN SIND. FRIEDEN IHREN Die Gedenktafel auf dem Kath. Friedhof SEELEN.“ Bei der Einweihungsfeier mit dem Bürgermeister Grzegorz Jung, dem Ortspfarrer Prälat Antonie Kopacz und dem deutschen Dechanten J. Heisterkamp (aus Recklinghausen) führte Georg Wenzel als Sprecher der Heimatgemeinschaft aus: „Meine Gedanken gehen heute zurück zum 15. November 1946, als wir die Heimat verlassen mussten. Der lange Zug der Pferdefuhrwerke und Handwagen der Altheider Einwohner bewegte sich auf dieser Straße in Richtung Glatz. Hier, an

dieser Stelle, wurde kurz Halt gemacht, um Abschied zu nehmen von den Gräbern der Vorfahren, Verwandten, Freunde und Bekannten. Für die meisten war es ein Abschied für immer. (…) Wer diesen Friedhof betritt, fühlt Ehrfurcht und denkt an die eigene Vergänglichkeit. Wir Lebenden sind heute so weit, dass wir Verständnis für die Leiden des jeweils anderen Volkes aufbringen. Das ist schwerer, als (nur) das eigene Leid zu sehen, aber es ist der Weg zur Aussöhnung und zum friedlichen Miteinander“. Dechant Heisterkamp schloss in sein Weihegebet alle Toten des 1923 angelegten Friedhofs ein: „Von vielen sind die Grabstätten nicht mehr vorhanden, ihnen widmen wir diese Tafel“.92 Altheide, Evangelische Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche 2005 Die Evangelische Kirche in Polanica Zdrój/Bad Altheide wurde 1913/16 erbaut, denn für das aufblühende Herzheilbad Altheide war eine evangelische Kirche eine dringende Notwendigkeit. Die Gemeinde wurde zunächst von Glatz versorgt; erster und einziger Pastor war 1938 der Oberschlesier Scholz, der 1944 als Soldat in Rumänien vermisst wurde; die Gemeinde bestand bis zur Vertreibung im März 1946.93 Danach verfiel die Kirche, aus der man Altar, Kanzel und Taufstein nach Ząbkowice Śląskie/Frankenstein sowie die Orgel nach Konin gebracht hatte. Der Verbleib der Glocken ist bis heute ungeklärt. Anfang der 1970er Jahre musste die Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen und dem Erdboden gleichgemacht werden. Im Jahr 2004 ergriff die „Gesellschaft 178

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der Freunde Altheides/Towarzystwo Miłosników Polanicy Zdróju“ (kurz: TMP) auf Anregung von Prälat Kopacz die Initiative, an der Stelle der ehemaligen Kirche einen Gedenkstein mit Kreuz und Tafel zu errichten. Der Entwurf stammt vom evangelischen Pastor Robert Sitarek aus Kłodzko/ Glatz und von Frau Erna Biegus aus Altheide, die letzte evangelische Christin vor Ort. Die Marmortafel trägt eine zweisprachige Inschrift: „IN DEN JAHREN 1915-1949 STAND HIER DIE EVANGELISCHE KAISER-FRIEDRICH-GEDÄCHTNISKIRCHE. DIE STIFTER WAREN: KIRCHENRAT GEORG HAASE, PRINZESSIN CHARLOTTE VON SACHSEN-MEININGEN, PRINZESSIN LUISE VON BADEN, KAISERIN AUGUSTA VICTORIA. AB 1938 DIENTE HIER PASTOR G E R H A R D S C H O L Z ( G E B . Die Gedenktafel für die Ev. Kirche 31.12.1907, GEST. 1944). GOTT UND DEN MENSCHEN – BAD ALTHEIDE 2005“. Der Gedenkstein steht am früheren Hofefelder Weg, an der südlichen Ecke des Platzes. Von hier aus gelangte man in 20 Minuten Fußweg zu dem in stiller Feldeinsamkeit angelegten evangelischen Friedhof (siehe nachfolgend). In seiner Ansprache erwähnte Prälat Kopacz, dass es nach 1946 Bemühungen des ersten katholischen Pfarrers gab, die evangelische Kirche für katholische Zwecke zu erhalten, dies aber vom damaligen kommunistischen Regime abgelehnt worden sei; man überließ sie dadurch dem Verfall.94 Altheide, Evangelischer Friedhof 2006 Der evangelische Friedhof liegt im Ortsteil Neuheide von Polanica Zdrój/ Bad Altheide in der Nähe der ehemaligen Glatzer Straße. Durch die Vertreibung der evangelischen Kirchengemeinde 1946 unterblieb seine weitere Nutzung und er verwilderte völlig. Nach der allseits anerkannten Die Gedenkstätte Ev. Friedhof Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Einweihung des Gedenksteins für die Evangelische Kirche 2005 organisierte der Bürgermeister Jerzy Terlecki die pflegerische Wiederherstellung des evangelischen Friedhofs. Anlässlich einer weiteren Reise der Altheider Heimatgemeinschaft konnte im September 2006 dort auf dem Friedhof eine würdige Gedenkstätte eingeweiht werden. Sie besteht aus einem hell gekiesten Mittelbereich, an dem auf beiden Seiten insgesamt zwölf deutsche Grabsteine aufgestellt sind. Am Kopf der Anlage steht eine große Stele mit einer Tafel, auf der in deutsch und polnisch zu lesen ist: „Zum Gedenken an die ehemaligen evangelischen Bewohner von Bad Altheide. Ihre Asche wurde hier vor 1946 in die Gotteserde gegeben“. Der stellvertretende Bürgermeister Darius Kupiec, Prälat Antoni Kopacz, Pastor Robert Sitarek aus Glatz und die TMP-Vertreter würdigten in ihren Ansprachen die erfreuliche Entwicklung der Verständigung zwischen Polen und Deutschen. Der Sprecher der Altheider Heimatgemeinschaft Eberhard Scholz dankte allen kirchlichen und kommunalen Vertretern für die gute Zusammenarbeit. Die evangelischen Besucher dieses Friedhofs hätten jetzt eine Möglichkeit, an würdiger Stätte ihrer verstorbenen und dort ruhenden Vorfahren zu gedenken.95 Altheide, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 2006/2012 Die 1912 erbaute Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Polanica Zdrój/ Bad Altheide besaß bis zum Mai 1942 vier Glocken, dann wurden die drei größeren Glocken kriegsbedingt zum Hamburger Glockenfriedhof zwecks Einschmelzen gebracht; sie sind nach dem Krieg nicht mehr aufgetaucht.96 Seither ertönte nur die kleineste Glocke St. Josefus morgens und abends für die Altheider Bewohner. Die großzügige Stiftung der Altheider, Falken- Glockenweihe, die Georg-Glocke hainer und Neuwilmsdorfer Heimatfreunde ermöglichte 2006 die Beschaffung von drei neuen Glocken für die Pfarrkirche in Altheide; sie tragen die Namen Ignatius, Georg und Maria. Auf der Georg-Glocke befindet sich neben dem Bild des Hl. Georg und dem Wappen des Papstes Benedikt XVI. die von Georg Wenzel entworfene deutsche Inschrift „RUFE DIE LEBENDEN, BEWEINE DIE TOTEN, ERINNERE AN UNSERE AHNEN, ERBITTE FRIEDEN ZWISCHEN UNSEREN VÖLKERN! BEWOHNER DER HEIMAT ALTHEIDE A. D. 1946 GEORG WENZEL“. Die Weihe der neuen Glocken durch den Schweidnitzer Bischof Ignac Dec und den Ortspfarrer Prälat Antonie Kopacz fand am 21. Mai 2006 in der Pfarrkirche statt, an der die zwei deutschen Priester 180

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Pfarrer L. Röhr und Dechant J. Heisterkamp sowie ehemalige Altheider Bewohner beteiligt waren, unter ihnen der Stiftungsinitiator Georg Wenzel.97 Anlässlich der 100-Jahr-Feier der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt segnete 2012 der Bischof von Schweidnitz, Dr. Ignacy Dec, eine neue Gedenktafel an der Außenmauer der Apsis. Die zweisprachige Schrift lautet: „A. D. 2011/2012 ZUM 100STEN JAHRESTAG DER ERRICHTUNG UND DER KIRCHENWEIHE „ZUR GRÖßEREN EHRE GOTTES UND Die Gedenktafel an der Außenmauer der DER JUNGFRAU MARIÄ, ZUM Apsis der Kath. Kirche. WOHLE DER STADT UND IHRER FRÜHEREN, JETZIGEN UND ZUKÜNFTIGEN BEWOHNER. DIESE TAFEL WURDE VOM BISCHOF AUS DER DIÖZESE SCHWEIDNITZ IGNACY DEC AM 15. AUGUST 2012 GEWEIHT. EHEMALIGE BEWOHNER VON ALTHEIDE BAD BIS 1945/46“. An der Feier nahmen zwanzig polnische Priester, darunter der Ortspfarrer Prälat Antoni Kopacz, und die beiden deutschen, dort gebürtigen Priester Lothar Röhr und Norbert Stroh sowie viele deutsche Gäste, darunter Georg Pohl und Georg Wenzel, teil. Dieser führte u. a. aus: „Wir ehemaligen deutschen Einwohner von Altheide sind unseren Eltern, Großeltern und Priestern dankbar, dass sie vor 100 Jahren diese schöne Kirche gebaut haben. Viele von uns sind hier getauft worden, haben ihre Erste Hl. Kommunion empfangen und sind hier gefirmt worden. Dankbar sind wir aber auch den Menschen, die heute hier leben und das Gotteshaus in ihre Obhut genommen haben. So ist dies ein Zeichen, dass zwei Nachbarvölker in christlichem Geist zueinander gefunden haben und künftig als Brüder und Schwestern miteinander leben wollen.“98 Nachklang Die ehemalige deutsche Grafschaft Glatz ist Geschichte, die heutige Ziemia Kłodzka ist Heimat der dort lebenden Polen. Jedoch wirkt das Gründungsverbrechen der polnischen Nation nach 1945 in Form der unrechtmäßigen Massenvertreibung der ostdeutschen Bevölkerung und der Annexion ostdeutscher Gebiete bis heute fort, wenn auch völkerrechtlich seit 1990 nicht mehr strittig, von den deutschen Nachkommen milde resignativ hingenommen und von den polnischen Nachkommen neugierig ungläubig hinterfragt. Die Last, die wir Deutschen aus unserer NS-Geschichte zu tragen haben, wird nicht dadurch leichter, dass wir die eigene Schuld gegen die Schuld anderer aufrechnen. Denn damit beginnt die Verharmlosung, und mit der Verharmlosung beginnt das Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Vergessen. Es ist zu hoffen, dass die jungen Polen jetzt von ideologischem Denken und aufgezwungenem Geschichtsbild befreit hinterfragen, was sich in ihrer Heimat vor und nach 1945 wirklich zugetragen hat. Die historischen Nationalmythen von der Reinheit des polnischen Volkes und seiner Opferrolle in der europäischen Geschichte lohnen wohl nicht mehr zu tradieren; sie mögen sich wie die jungen Deutschen heute als Angehörige eines gleichberechtigten christlichen Brudervolkes in der europäischen Wertegemeinschaft verstehen und integrieren. Die jüngeren Generationen der „Repatriierten“ und der „Heimkehrer“ mögen sich in einer offenen Heimat mit festem demokratischen Wertekanon, freien Partnerschaften und dauerhaften Freundschaften über Staatsgrenzen hinweg bewegen; ihnen kann das historische Erbe des 700jährigen Grenzlandes Grafschaft Glatz/Hrabstwo Kłodzka zwischen den Kulturlandschaften Böhmens und Schlesiens nur in freundschaftlichem Miteinander näher gebracht werden. Dazu mögen die vielen zweisprachigen Gedenktafeln in der Ziemia Kłodzka/Glatzer Land, beitragen, die von schicksalhaften Jahren einer leidvollen deutschen und polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert künden. Fußnoten 1

Siehe Pohl 2009, Glatzer Pfarrchronik; Herzig und Ruchniewicz 2006, Neuordnung der Region Glatz nach 1945, S. 395-400.

2

Zitat nach Nawratil 1994, S. 5. Siehe auch Eintrag in der Glatzer Pfarrchronik zu wilden Plünderungen: „Die Deutschen habens genauso gemacht. Wir werden 3 Tage SS spielen!“, in: Sauermann 2004, S. 29-33 und Pohl 2009, S. 395; Nitschke 2003, S. 9194 und 108. Nach internationaler Rechtsgepflogenheit gibt es aber keine Kollektivschuld, der zufolge Menschen angeblich schuldig werden oder sich schuldig zu fühlen haben für Dinge, die nicht von ihnen begangen wurden, sondern nur persönliche Schuld, die sich auf Grund objektiver Tatbestände vor einem Gericht nachweisen lassen muss; siehe Wikipedia/ Kollektivschuld (22.11.2014).

3

„Betreuung für die in die ‘einst deutschen Gebiete‘ einwandernden Polen“, Schreiben des Primas Hlond vom 26. Juni 1945 an die Kurie, Zitat Scholz 1988, S. 100; siehe auch Herzig und Ruchniewicz 2006, S. 398-399 und 404-413.

4

„Wehe den Besiegten“, siehe auch BMVFK 1992, Band I/1, S. 493-494 und Band I/2, S. 395-402: Bericht von Paul Seifert aus Bad Reinerz; Großpietsch 1991, S. 34-58; Sauermann 2004, Leben unter sowjetischer Besatzung, S. 29-85; Pohl 2009, S. 382, 396, 398.

5

Pabsch 1978, S. 229; Scholz 1988, S. 37-44; Großpietsch 1991, S. 59-67 und 232237; BMVFK 1992, Band I/1, S. 136E-157E, Band I/2, S. 800-802: Vertreibungsbericht von Alice Trogisch aus Glatz; Nawratil 1994, S. 5-6; Sauermann 2004, Polonisierung der Grafschaft Glatz, S. 87-165, Die Vertreibung 1946/47, S. 167-222; Brandes et al. 2010, Deutsche aus dem heutigen polnischen Staatsgebiet, S. 144-149, Vertriebene, S. 696-698, Wilde Vertreibung der Deutschen aus Polen, S. 725-728; Douglas 2012 .

6

Primas Hlond 1945, Zitat Scholz 1988, S. 73. Siehe auch Nitschke 2003, S. 157.

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7

Historia Polski 1980, S. 234, Zitat Scholz 1988, S. 106. Krucina/Kominek 1971, S. 301, Zitat Scholz 1988, S. 137. 9 Zu Monses Vertreibung s. Hirschfeld 1997, S. 78-88; Pohl 2009, S. 398-399, 404-411 und 441 mit Hlonds Schreiben vom 11.9.1945 auf S. 400-401. 10 Wyszyński am 29. Mai 1952 in Breslau, Zitat Scholz 1988, S. 141. 11 Miliks Hirtenwort vom 1. September 1945, Zitat Scholz 1988, S. 141. 12 Herbert Gröger: Gräber, Kreuze und Gedenkstätten, in: Grafschafter Bote, 11/1999, S. 1; Herzig und Ruchniewicz 2006, Umgang mit dem kulturellen Erbe, S. 478-480, Abb. 62 auf S. 423. 13 Pohl 2009, S. 391. 14 Nitschke 2003, S. 152-153. 15 Nitschke 2003, S. 149-150; Herzig und Ruchniewicz 2006, Abb. 63 auf S. 427. 16 Marx 2009, S. 142-143. 17 Taubitz 1995, S. 190. 18 Bartonitschek 2008, S. 130. 19 Brandes et al. 2010, Denkmäler und Gedenkstätten in Polen, S. 117-120, hier: S. 118. 20 Herzig und Ruchniewicz 2006, S. 479. 21 Nitschke 2003, S. 32. 22 Zitat siehe www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/gastredner/ bartoszewski/( rede_bartoszewski/245134) (3.5.2015). 23 Opiłowska 2013, S. 246-248. 24 Nitschke 2003, S. 115-122; Brandes et al. 2010, Denkmäler und Gedenkstätten in Polen, S. 117-120, Lager, 373-376 (hier: S. 375), Lamsdorf, S. 376-377. 25 Brandes et al. 2010, Denkmäler und Gedenkstätten in Tschechien, S. 120-122. 26 Muzeum Kłodzkiej 1998, S. 267. 27 Herzig und Ruchniewicz 2006, Rückbesinnung auf die Geschichte des Landes, S. 473-477, Zeitschrift Ziemia Kłodzka, S. 507-508. 28 Bartsch, Grafschafter Bote, 2/1965, S. 8; siehe auch Sauermann 2004, Heimat – Friedhof, S. 415- 418. 29 Sauermann 2004, S. 417-418. 30 Sauermann 2004, Heimat – Kirchengebäude und Gottesdienst, S. 418-421. 31 Restaurierung durch Karl-Heinz Ludwig, siehe Jahrbuch Grafschaft Glatz, 2003, S. 134. 32 Restaurierung durch Maria Tatus, siehe Rundbrief des Großdechanten, 2/2008, S. 34. 33 Julian Golak: Renovierung der Baudenkmäler, in: Ziemia Kłodzka, Nr. 139-140/2002, S. 37. 34 Herbert Gröger: Deutscher Freundschaftskreis für die Grafschaft Glatz, in Grafschafter Bote, 9/1993, S. 3; Peter Großpietsch: „Wir müssen aus unserer eigenen Haut herauskriechen …“ Gründung des Deutschen Freundschaftskreises der Grafschaft Glatz am 18. September 1993, in: Grafschafter Bote, 11/1993, S. 1. 8

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Franz Jung: Die Kaplan-Gerhard-Hirschfelder-Stiftung, in: Rundbrief des Großdechanten, 2/2008, S. 22; http://www.hirschfelder-stiftung.de/wttghs.htm. 36 Clemens Tommek: Das neue Albendorf – Damit Vergangenheit Zukunft hat, in: Rundbrief, 2/2005, S. 43-44. 37 Sauermann 2004, Spenden der Grafschafter für die Erhaltung von Baudenkmälern, S. 426-430. 44 Georg Haase (1859-1931), Studium des Brauwesens, Brauereibesitzer in Breslau, 1904 Eigner des Altheider Badebetriebs, Kommerzienrat, italienischer Konsul in Schlesien, Dr. agr. honoris causa; siehe Hans-Henning Zabel: "Haase, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 380-381. 45 Georg Berlit (1878-1946), 1905 Kurdirektor in Bad Langenau, 1907-1945 in Bad Altheide; siehe Georg Wenzel: Ein Leben für Altheide – Kurdirektor Georg Berlit 18781946, in: Jahrbuch 2006 der Grafschaft Glatz, 58. Jg., Lüdenscheid 2006, S. 38-42 mit 3 Abb. 46 Siehe Wenzel 1991. 47 Eberhard Scholz: Altheider Denkmäler – Georg Haase Denkmal, in: Altheider Weihnachtsbrief, 14/2010, S. 127-129 mit 1 Abb. des alten Gedenksteins; ders.: Das Kurhaus im Wandel der Zeiten, in: Altheider Weihnachtsbrief, 16/2012, S. 103-109 mit 4 Abb. 81 Johann Wilhelm Heinrich Schlecht (1881-1953), Studium der Medizin in München, Köln und Freiburg, Dr. med., 1907 Arzt in Breslau, 1917 Professor in Kiel, 1934 med. Direktor des Sanatoriums in Bad Altheide; siehe Wenzel 1990, S. 80-81. 82 Georg Wenzel: Europa zu Europa – Menschen zu Menschen, Einweihung einer Gedenktafel zu Ehren von Professor Schlecht in Bad Altheide, Grafschafter Bote, 9/2004, S. 10 mit 2 Abb.; desgl. im Altheider Weihnachtsbrief, Jg. 8, Lingen 2004, S. 89-92 mit 3 Abb. 92 Georg Wenzel: Maria Himmelfahrt 2002 in Altheide, in: Grafschafter Bote, 12/2002, S. 19 mit 2 Abb.; ders.: Bericht über die Fahrt der Altheider Heimatgemeinschaft nach Altheide vom 9.-16.8.2002, in: Altheider Weihnachtsbrief, 6/2002, S. 57-62. 93 M. Nimietz: Die Kirchengemeinde Bad Altheide, Kreis Glatz, in: Hultsch 1977, S. 1719; Martin Dunkel: Die Evangelische Kirche und Gemeinde in Altheide-Bad, in: Wenzel 1991, S. 290-299. 94 Eberhard Scholz: Denkmal für die Evangelische Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche in Altheide, in: Grafschafter Bote, 11/2005, S. 7 mit 3 Abb.; ders.: Denkmal für die evangelische Kirche Altheides, in: Altheider Weihnachtsbrief, 9/2005, S. 79-85. 95 Eberhard Scholz: Gedenkstätte auf dem Evangelischen Friedhof in Bad Altheide eingeweiht, in: Grafschafter Bote, 11/2006, S. 7 mit 1 Abb.; ders.: Gedenkstätte auf dem Evangelischen Friedhof in Bad Altheide eingeweiht, in: Altheider Weihnachtsbrief, 10/2006, S. 64-73. 96 Georg Wenzel: Geschichte der katholischen Kirche und Pfarrei Altheide-Bad, in: ders. 1991, S. 248-270. 97 Georg Pohl: Glockenweihe in Altheide…, in: Grafschafter Bote, 9/2006, S. 7 mit 2 Abb.; Georg Wenzel: Glocken sind die Herzen einer Pfarrgemeinde, in: Altheider Weihnachtsbrief, 10/2006, S. 56-61; ders. In: Rundbrief des Großdechanten, 2/2006, S. 26-27 mit 4 Abb. 98 Georg Wenzel: Deutsche und Polen feierten gemeinsam 100 Jahre Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bad Altheide, in: Rundbrief des Großdechanten, 3/2012, S. 35-36.

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„Wir müssen uns alles sagen“ Gedenktafel an der Zimmerstraße in Glatz Georg Wenzel Das Geschehen in der Glatzer Zimmerstraße Nr. 8 (heute: ul. Lusycka) begleitete mich mein ganzes Leben lang. Gehörte ich doch zu den Überlebenden der in diesem Hause von dem „Polnischen Amt für Staatssicherheit – UB“ dort Inhaftierten. Ich hatte, wenn auch gesundheitlich geschädigt, überlebt. Wer gedachte der im Garten dieses Hauses Verscharrten, unter unsäglicher Folter Verstorbenen? Bei meinen öfteren Besuchen in der alten Heimat führte mich mein Weg immer wieder zu dieser Leidensstätte, und ich stand voller Trauer, aber auch Dankbarkeit an diesem Haus. Trauer, weil nicht der geringste Hinweis darauf verwies, dass hier gequälte Menschen ihre letzte Ruhe gefunden hatten und Dankbarkeit, dass mich ein gutes Schicksal alles überleben ließ. Bemühungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge konnten kein Ergebnis bringen, weil keine einzelnen Grablagen bezeichnet werden konnten. Die politischen Verhältnisse waren zunächst so, dass Bemühungen, die Geschichte des Hauses zu klären, keine Aussicht auf Erfolg hatten. Jetzt, siebzig Jahre später, schien sich die Gelegenheit zu bieten, auch dieses Stück deutsch-polnischer Geschichte abzuschließen. Mit guten Freunden wurden die erforderlichen Schritte in die Wege geleitet, und es gelang. Anlässlich der Wallfahrt der Grafschaft Glatzer zu den Pilgerstätten der alten Heimat wurde in einer würdigen Feier ein Gedenkstein in Polnisch und in Deutsch im Garten des Nachbarhauses mit dem Segen von Großdechant Franz Jung und Pater Dr. Marian Arndt eingesegnet. Altheider Weihnachtsbrief 2016

Der Gedenkstein. In der polnischen Fassung mit dem Zusatz: Einwohner von Kłodzko

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Pater Dr. Marian Arndt, Seelsorger der deutschen Minderheit in Niederschlesien, und Großdechant Franz Jung

Weil ich selbst an der Einweihung der Gedenkplatte nicht teilnehmen konnte, schickte ich eine Grußadresse, die verlesen wurde: „Jan Jozef Lipski: „Wir müssen uns alles sagen, unter der Bedingung, daß jeder über seine eigene Schuld spricht. Wenn wir dies nicht tun, erlaubt uns die Last der Vergangenheit nicht, in eine gemeinsame Zukunft aufzubrechen.“ Mit vielen anderen war ich, 17 Jahre alt, 1946 im Kreisquartier der UB in Glatz (heute Kłodzko) in der Zimmerstraße – heute ul. Lucycka 8 - inhaftiert. Nach den im Deutschen Bundesarchiv liegenden Berichten sind dort allein 7080 namentlich genannte Deutsche zu Tode geschunden und, zum Teil auch von mir, im Garten des Hauses verscharrt worden. Unschuldig, wie viele andere, habe ich mit schweren gesundheitlichen Schäden überlebt. Es ist mir schon viele Jahre ein Bedürfnis, mit einer Gedenktafel an alle verstorbenen Leidensgenossen, gleich welcher Nationalität, zu erinnern. Diese Tafel soll aber auch Mahnung sein an alle, niemals Gewalt im Umgang mit anderen Menschen anzuwenden. Sie soll nicht die Verbrechen der einen mit denen der anderen Seite aufrechnen, sondern ein weiterer Schritt zur Versöhnung zwischen unseren Völkern auf der Basis der geschichtlichen Wahrheit sein. 186

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Danke möchte ich allen sagen, die das ermöglicht haben, Bürgermeister, Rat und Verwaltung der Stadt Kłodzko, Frau Elisabeth Kynast, Herrn Henryk Grzybowski, Frau Tereza Bazala. Ohne ihren tatkräftigen Einsatz und den guten Willen wäre die Gedenkstätte nicht zustande gekommen.“

Georg Wenzel Zum Geschehen lassen wir den Redakteur der Bistumszeitung für die Diözese Schweidnitz, Miroslaw Jarosz, berichten:

Es wurde eine Gedenktafel neben der ehemaligen Folterkammer des „Amtes für Sicherheit“ enthüllt ‒ Die Glatzer „Kleine Wiese“ Wir müssen wissen, was geschehen ist, damit es in der Zukunft keiner wagt, die Opfer mit den Henkern gleichzusetzen. Dank der Initiative der ehemaligen deutschen Gemeinschaften wurde am 18. Juni auf dem Grundstück in der ul. Grunwaldzka [Horst-Wessel-Straße, Wiesenstraße] in Glatz eine Tafel enthüllt. Eingraviert wurde auf der Tafel ein Text in Polnisch und Deutsch: Wir gedenken der Polen und Deutschen, die von 1945 bis 1948 hier an diesem Ort von dem polnischen „Amt für Sicherheit“ in Glatz grausam gequält und ermordet wurden. Wir gedenken ihrer. Ihre Schicksale mahnen uns zur Versöhnung. Die Hinterbliebenen. Die Einwohner von Glatz. An der Feier nahmen u.a. Söhne von zwei dort ermordeten Deutschen teil. Der erste Gedenkstein wurde an diesem Ort erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgestellt. Vorher hatten die Menschen wegen der Brutalität und der Straflosigkeit der Täter Angst, das Geschehen zu erwähnen. Laut den Unterlagen in den deutschen Archiven wurden dort etwa 70 Deutsche ermordet. Die Zahl der Polen ist nicht genau bekannt, aber man schätzt, dass sie noch höher sein könnte. Einer der Gefangenen war Marian Bazała, der im Jahre 1946 ins Glatzer Bergland kam. – „Es ist schwer, in Worte zu fassen, was die dort gefangenen Menschen erlebt haben“, sagt seine Tochter Teresa Bazała. Der Vater verbrachte mehrere Monate in einer Zelle mit den Vernommenen und Gefolterten. Aus dem, was er sagte, kann man entnehmen, dass dort die gleichen grausamen Methoden verwendet wurden, die wir aus Beschreibungen von anderen kommunistischen Gefängnissen kennen. Er erzählte auch, dass rund um das Gebäude Löcher gegraben wurden. Dort wurden die Leichen der Ermordeten hineingeworfen. Die Angehörigen dieser Menschen sollten nie erfahren, was mit ihren Verwandten geschehen ist. „Mein Vater konnte wie durch ein Wunder das Gefängnis verlassen – wie er sagte – mit Hilfe einer Ärztin, die dort arbeitete. Heute bedaure ich, dass ich seine Erinnerungen, als er noch bei vollem Bewusstsein war, im Detail nicht niedergeschrieben habe. Jetzt ist er fast 89 Jahre. Er kann sich an die meisten Dinge nicht mehr erinnern“, gibt Frau Teresa zu. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Die Worte auf der Tafel über Versöhnung und Vergebung sind sehr wichtig. Aus den Erinnerungen der deutschen Bevölkerung entsteht nämlich ein Bild der bestialischen Polen, von denen sie in diesem Gefängnis gefoltert wurden. Sie vergessen nur, dass die UB-Funktionäre [des Amtes für Staatsicherheit] Kollaborateure der kommunistischen Regierung waren und mit der gleichen Grausamkeit auch Polen, Gegner des neuen Regimes, ermordeten. Zur Zeit wird darüber diskutiert, ob die Exhumierung der Opfer der Glatzer Folterkammer durchgeführt werden soll. Die Befürworter sind überzeugt von der Notwendigkeit, die Wahrheit zu erfahren, und von einer würdigen Bestattung der Opfer. Die Gegner sprechen von einem unnötigen Aufreißen der geheilten Wunden. Seit vielen Jahren ist an diesem Ort ein Kindergarten eingerichtet. Im Gebäude selbst gibt es auch keine Spuren mehr. Sie wurden bei der Sanierung entfernt, die nach dem großen Hochwasser 1997 stattgefunden hat. Außerdem sind viele materielle Beweise für immer vernichtet worden. Es bleibt nur die Erinnerung. Mirosław Jarosz [übersetzt von Irena Rogowska] in: Gosc Swidnicki.

v.l. Henryk Grzybowski, Tereza Bazala, Frau Koza (Mitarbeiterin Kulturamt), Elisabeth Kynast, Pater Dr. Marian Arndt, Großdechant Franz Jung

Die Toten im Garten des Hauses sollte man ruhen lassen. Ermordete und Täter haben längst einen höheren Richter gefunden. Vergessen dürfen wir nicht, dass sich für viele Deutsche, aber auch Polen das Martyrium im Gefängnis in der Gartenstraße fortsetzte. Die dort durch brutale Schließer Ermordeten fanden ihre letzte Ruhe unter Müll und Schutt auf dem Friedhof an der Oberschwedeldorfer Straße. Ruhet in Frieden! 188

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Monika Taubitz – Schriftstellerin und Brückenbauerin zwischen Deutschen und Polen Reinhard Schindler Dem schriftstellerischen Schaffen der Autorin Monika Taubitz auch nur ansatzweise gerecht zu werden, kann hier nicht im Vordergrund stehen. Deshalb wird der oben genannte Begriff einer „Brückenbauerin“ ein Schwerpunkt dieser Ausführungen ihres Lebensbildes sein. Doch zunächst zu Monika Taubitz, ihren Erinnerungen und engen Beziehungen zu Schlesien. Geboren 1937 in Breslau, beeindruckte sie bereits früh der Zobten, dieser mythenreiche Zauberberg. Ihre Kindheit erlebte sie vor allem in Breslau und Eisersdorf in der Grafschaft Glatz und wurde dadurch in späterer Zeit als „eine von uns“ wahrgenommen und durch ihre Bücher und Lesungen besonders geschätzt. Nach der Vertreibung gelangte sie nach Nordenham, wo sie mit ihrer verwitweten Mutter in eine enge Dachkammer eingewiesen wurde. Hunger und Kälte, auch die Gefühlskälte vieler Einheimischer, galt es zu ertragen. Monika Taubitz entdeckte Bücher über die alte Heimat Schlesien, die ihr besonderes Interesse fanden und Monika Taubitz (Foto: Schindler 2006) den Wunsch in ihr weckten, selber schreiben zu wollen. Bereits als 10jährige verfasste sie ein kleines Gedicht über Schlesien – der Beginn ihrer großen Leidenschaft. Als 1951 die Zuzugsgenehmigung zu Verwandten in das Allgäu erreicht war, konnte Monika Taubitz aufatmen, und ihr Bestreben, Lehrerin zu werden, erfüllte sich später. Entscheidend für ihre Literaturbegeisterung war ihr früher Anschluss an den „Wangener Kreis – Gesellschaft für Literatur und Kunst: Der Osten“.1 Sie begegnete dort vielen der zerstreut lebenden Dichter, Schriftsteller, Musiker usw. aus Schlesien. Sie selbst schreibt über den Wangener Kreis, den sie von 1996 bis 2011 leitete: „Zu einem der Ziele des Wangener Kreises gehörte von Anfang an, in eine Verbindung mit geistig arbeitenden und zur Versöhnung bereiten polnischen Menschen zu kommen, die sich in Schlesien angesiedelt hatten oder dorthin vertrieben worden waren. Das war zunächst nur in wenigen Einzelfällen möglich, denn die Zwangsjacke der kommunistischen Diktatur saß zu eng, die Mauer, die Ost und West voneinander trennte, schien unüberwindlich… Mit Verwunderung nahm ich wahr, dass diese Menschen, die es nach Schlesien Altheider Weihnachtsbrief 2016

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verschlagen hatte, Interesse an der in Jahrhunderten dort entwickelten Kultur zeigten und mit uns darüber sprechen wollten, wohl wissend, dass es ´ohne Herkunft auch keine Zukunft` geben könne.“2 Über den Kontakt mit einem polnischen Bibliothekar wagte Monika Taubitz 1972 mit einer Reisegruppe den ersten Besuch in der alten Heimat. In einem Notizblock hielt sie ihre bewegenden Eindrücke fest. Die behüteten Jahre ihrer Kindheit wurden wach, als sie zum ersten Mal in Eisersdorf, das nun Zelazno hieß, vor ihrem Haus stand. Hier reifte der Gedanke zu ihrem Buch „Durch Lücken im Zaun“, das 2007 auch in polnischer Übersetzung erschien.3 Zahlreiche Reisen führten sie danach immer wieder in ihr Geburtsland Schlesien – das Eis war gebrochen. Von den zahlreichen Preisen und Ehrungen, die Monika Taubitz für ihre schriftstellerischen Arbeiten erhielt, ist, nach dem Eichendorff-Literaturpreis 1978 in Wangen, der Förderpreis des Kulturpreises Schlesien des Landes Niedersachsens 1980 hervorzuheben. Herbert Hupka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, lobte in seiner Laudatio, wie atmosphärisch dicht die Schilderungen der Begegnung mit dem Land ihrer Geburt seien. Auf die Lyrik der Monika Taubitz eingehend, meinte Hupka: „In der Lyrik, in der die Handschrift der Dichterin am deutlichsten und auch einprägsamsten zu lesen ist, herrscht der Ton einer gedämpften Traurigkeit vor. Ganz lässt sich Monika Taubitz vom Traum, dem sie sich gern hingibt, jedoch nicht einfangen, sie kehrt immer wieder mit den Füßen auf den Boden zurück…“4 Ihre Liebe zur Lyrik fand übrigens ihren Ursprung bei der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, der in Meersburg, wo Monika Taubitz seit Jahrzehnten lebt, ein Museum im Fürstenhäusle gewidmet ist und in dessen Dienst sie sich jahrelang stellte. Welche Anerkennung Monika Taubitz mittlerweile in Polen erhalten hat, wurde bei der Verleihung des Andreas-Gryphius-Preises 2012 deutlich, als Dr. Katarzyna Nowakowska, anerkannte Literaturwissenschaftlerin der Universität Warschau, die Laudatio hielt. Im Mai 1998 erhielt die Autorin eine Einladung der aus Frankenstein gebürtigen Autorin Ursula Höntsch zu einer Lesung im Schloss Lomnitz,5 bei der jeweils ein deutscher und ein polnischer Schriftsteller vortrugen. Das Motto hieß: „Wer bist du, Nachbar? Ich war eingeladen worden, einen Auszug aus dem Kapitel unserer Vertreibung zu lesen. Ein heikles Thema, das bis vor kurzem noch tabu gewesen war… Ein junger Mann gesellte sich zu mir, ein kultiviertes Deutsch sprechend, Dr. Pawel Zimniak, er verriet mir, dass er meine Bücher kenne. Er stand als Simultanübersetzer für die anschließende Diskussion zur Verfügung. Der Abend verlief gut, und auch mein polnischer Kollege − er hatte als Kind zu den Ankömmlingen in diesem Land gehört – und aus seinem Buch mit einem ganz ähnlichen Thema gelesen, umarmte mich anschließend voller Herzlichkeit. Nur die Sprache trennte uns.“6 Monika Taubitz war 2004 eingeladen, an einer „deutsch-polnisch-ukrainischen 190

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Versöhnungsfahrt“ nach Lemberg teilzunehmen, gemeinsam mit deutschen Vertriebenen aus der Grafschaft Glatz, u.a. Prof. Gründel, Dr. Sobotta und Großdechant Jung sowie polnischen Teilnehmern, die ihre Heimat, die Ukraine, verlassen mussten. Eine bedeutungsvolle Reise bei der untereinander offen über die beidseitige Vertreibungsgeschichte gesprochen werden konnte.7 Im Jahr darauf ermöglichten ihr Kontakte zur Germanistik in Breslau, Professor Dr. Edward Bialek kennenzulernen, der einige ihrer Gedichte über Schlesien sogar selbst in Polnische übertragen hatte. Im Mai 2005 reiste Monika Taubitz erstmals allein mit dem Zug nach Schlesien. Die Gedanken während dieser Fahrt hat sie einfühlsam in ihrem Buch „Winteralbum“ festgehalten und in vielen Lesungen vorgetragen. Die allseits bekannte polnische Gastfreundschaft empfand sie „herzerwärmend“, und das Fremdheitsgefühl, das sie bis dahin immer beschlichen hatte, war und blieb seither verschwunden. Türen zu einer langen Reihe von Lesungen und Gesprächen waren geöffnet, und immer wieder waren es Themen ihrer Herkunft und Beziehung zu Schlesien. Monika Taubitz lernte durch die Verbindungen viele Studenten kennen, und so wurden ihre Gedichte unter dem Titel: „Ein Land gab mir sein Wort / Tenkrajdal mislowoswoje“ von mehreren Germanisten und Justyna Kubocz übersetzt, die später ihre Dissertation über Monika Taubitz schrieb. Dieser zweisprachige Band entstand durch die Kooperation des polnischen ATUT Verlags in Breslau mit dem deutschen Neisse-Verlag in Dresden in kollegialem Zusammenwirken, weitere Veröffentlichungen der Autorin folgten. Drei ihrer Gedichte fanden sogar Aufnahme in ein polnisches Schulbuch. Gern gesehener Gast ist Monika Taubitz mit Lesungen aus ihren unterschiedlichen Neuerscheinungen bei der großen Heimatgruppe „Grafschaft Glatz e.V. Münster“, zu deren 50. Jubiläum sie ein besonderes Grußwort schrieb. Ihre persönlichen Erfahrungen mit jungen Polen bringt sie darin wie folgt zum Ausdruck „Was ihre Vorfahren früher zerschlugen und leugneten, sehen auch sie heute mit Achtung und Liebe an. Man will retten, erhalten und unser an sie übergangenes Erbe pflegen, was für unsere Beziehung sehr wichtig ist… Es geht letztendlich darum, dass uns das Schicksal der Anderen berührt, dass wir einander zuhören und spüren, dass selbst, wenn unterschiedliche Sprachen uns trennen, wir einander verstehen können, wenn wir wollen. Diese Bereitschaft ist bei vielen auf beiden Seiten gewachsen.“ Monika Taubitz gehört seit Jahren der „Deutsch – Polnischen Gesellschaft der Universität Wrocław/Breslau“ an. Als eine in Breslau geborene Autorin besucht sie alljährlich im Mai die Jahrestagung. 2015 war sie Ehrengast im Rathaus der Odermetropole und hielt eine Lesung im renovierten Musiksaal der Universität. Ihre vorgetragenen Texte wurden den polnischen Teilnehmern zuvor übersetzt an die Hand gegeben. Aber nicht nur in Breslau war sie gern gesehener Gast, sondern auch Begegnungen in der Grafschaft Glatz gehörten selbstverständlich zu ihren Reisen nach Schlesien. Mitglieder des „Deutschen Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Freundschaftskreises“ hatten die Autorin in die Städtische Bibliothek in Glatz eingeladen, zu der auch eine Anzahl interessierter Polen erschien. Auch an der großen wissenschaftlichen Tagung über die Grafschaft Glatz, zu der Professor Bialek an die Breslauer Universität einlud, nahm sie als Autorin aktiv teil. Erwähnt sei noch, dass Monika Taubitz seit dem Jahr 2000 den „Volkskalender für Schlesien“ für den Aufstieg-Verlag zusammenstellt, der als Jahrbuch überwiegend alte und neue literarische Texte enthält. Literatur als Brücke ist für sie eine Art Lebensmotto geworden, und so lauten die Gedanken dazu von ihr „Es wurde begonnen zu einer Zeit, als die Begehbarkeit und Tragfähigkeit einer solchen Brücke von Vielen noch als reine Utopie angesehen wurde. Sie ist dennoch entstanden, diese Brücke, die uns zueinander bringt…“ Aus ihrem Band „Ein Land gab mir sein Wort“10 seien einige Verse, die den Titel „Grenzfluss Neiße“ tragen, zitiert „Bau meine Brücke ins Unbekannte, ich bau die deine. Dieses Strömen unter uns lässt Übergänge zu, wenn unsere Gedanken wie Pfeiler steh´n“. Im Januar 2014 wurde Monika Taubitz das Bundesverdienstkreuz am Bande für ihren Beitrag zur Völkerverständigung verliehen. Dieser Beitrag wird auch Bestandteil des folgenden Buches sein (Abdruck im Altheider Weihnachtsbrief mit Genehmigung des Herausgebers): „Neubeginn in der Fremde. Beispiele für die Integration der vertriebenen Bevölkerung der Grafschaft Glatz nach 1946“. Hrsg. von Horst-Alfons Meißner, Aschendorff-Verlag Münster (z. Zt. im Druck) ca. 500 S.

1

Der Wangener Kreis, 1950 gegründet mit dem Ziel der Bewahrung, Förderung, Deutung und Fortsetzung schlesischer Kultur durch Lesungen, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen, führt jährlich Tagungen als „Wangener Gespräche“ durch. Dazu gehören u.a. das Eichendorff-Museum, das Gustav-Freytag-Archiv, das Hermann-Stehr-Archiv. Monika Taubitz ist Ehrenvorsitzende. www.wangener-kreis.de/ wir-ueber-uns.html.

2

Halub, Marek/Weber, Matthias (Hg.): Mein Schlesien – meine Schlesier, Zugänge und Sichtweisen, Teil 2, Schlesische Grenzgänger, Bd. 6. Leipzig 2014.

3

Taubitz, M.: Durch Lücken im Zaun - Eine Kindheit zwischen 1944 und 1946. Würzburg 2014.

4

Hupka, H.: in: Der Schlesier, 8. 1.1981, S. 3.

5

Lomnitz, poln. Lomnica, im Hirschberger Tal bei Zillerthal-Erdmannsdorf, Kr. Hirschberg/Jelenia Gora.

6

Taubitz: Schlesien ist immer dabei. In: Halub/Weber: Mein Schlesien - meine Schlesier, S. 154.

7

Ziemia Kłodzka Nr. 161, S. 25.

8

Taubitz, M.: Winteralbum. Dresden 2011.

9

Dies.: Ein Land gab mir sein Wort. Gedichte über Schlesien. Dresden 2007.

10

Ebenda.

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Heimatfahrt 2016, 30.Juli bis 06.August Eberhard Scholz

Samstag, 30.07.2016. Während der Bus aus Georgsmarienhütte/Osnabrück seinen Weg über Görlitz nach der Grafschaft Glatz nahm, fuhren Solly und ich von Haimhausen mit dem eigenen Wagen über Regensburg – Pilsen – Prag – Nachod direkt nach Altheide. Für uns ist die Strecke wesentlich kürzer. So waren wir schon um 13:30 Uhr am Hotel Beata, während der Bus gerade am Dresdner Tor Pause machte. Wir machten eine kurze Stippvisite in Rückers, wo wir der ehemaligen Brauerei Franke einen Besuch absstatteten. Wir waren neugierig, wie die ehemalige Höllentalbrauerei heute aussieht. Ich brauchte dringend ein Foto für diesen Weihnachtsbrief! An der Ortseinfahrt grüßt ein Mammut in fast Lebensgröße. Wie wir feststellten, ist die gut gemachte Plastik im wahrsten Sinne des Wortes aus Plastik, mit einer dunkelbraunen Farbe überzogen. In Altheide war unser Zimmer bereits bezugsbereit, sodass wir unsere Sachen gleich ins Zimmer bringen konnten, und der Rest des Tages stand uns für erste Erkundungen Altheides zur Verfügung. Gegen 18:00 Uhr rechnete man im Hotel Beata mit der Ankunft des Busses. Aber die Fahrt stand, wie man uns berichtete, unter keinem sehr günstigen Stern. Weil in Deutschland alle Bundesländer Ferien hatten, war dichter Reiseverkehr. Zudem hatten die Polen wegen des Papstbesuches in Krakau ein besonderes Sicherheitsbedürfnis und an der Grenze wurde wieder kontrolliert, was zu einem riesigen Stau bei der Einreise führte. Unser Bus steckte fest, und als der Fahrer die Abfahrt nach Görlitz erreichte, bog er ab und nahm den Weg durch Görlitz und über die Neissebrücke. Die weitere Fahrt verlief wohl recht reibungslos, allerdings nahm der Bus in der Grafschaft nach Wartha eine riesige „Abkürzung“ über Mittelsteine und Albendorf nach Altheide. Die genaue Strecke und das Warum konnten nicht ermittelt werden. Schließlich, man machte sich im Beata schon große Sorgen, kam der Bus „schon“ um 20:30 Uhr am Hotel an. Alle waren froh und hungrig. Nach der Schlüsselausgabe hieß es erst einmal Abendessen, das Personal hatte schließlich seit 20:00 Uhr eigentlich Feierabend! Sonntag, 31.07.2016. Traditionell ging die gesamte Reisegruppe um 10:00 Uhr in die katholische Kirche zu einer Deutsch – Polnischen Messe, die durch Prälat Kopacz und Pfarrer Stroh zelebriert wurde. Die Kirche war, wie immer voll, für uns waren auf der linken Seite die ersten Bankreihen reserviert. Gegen Schluss der Messe wurde Prälat Kopacz durch Georg Pohl ein Modell des Straßenkirchleins in Neuheide überreicht, gewissermaßen als Abschiedsgeschenk, denn diese Busreise soll die letzte gewesen sein, die Georg Pohl organisiert hat. Das Modell hat unser Heimatfreund Erwin Hoffmann aus Altheide-Buchteich geschaffen. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Unsere Reisegesellschaft in der Pfarrkirche von Altheide mit Pfarrer Antoni Kopacz


Der Nachmittag fing gut an. Um die Mittagszeit regnete es in Strömen. Er hörte aber bald auf und wir konnten starten. In der Höllentalstraße stieg Erna Biegus zu, sie diente uns auf der Fahrt als Dolmetscherin. Die Fahrt führte uns nämlich nach Lewin, wo wir in der Nähe eine Aronia-Plantage besuchten. Im Internet erfahren wir bei Wikipedia, was Aronia ist: „Die Apfelbeeren (Aronia) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die nur drei Arten stammen ursprünglich aus dem östlichen Nordamerika und wachsen dort als Strauch von ein bis zwei Metern Höhe. Die auf Grund ihrer Apfelfrüchte am häufigsten angebauten beiden Arten sind die Filzige Apfelbeere (Aronia arbutifolia) und die Schwarze Apfelbeere (Aronia melanocarpa).“ und weiter: „Die erbsengroßen, schwarzen, häufig wachsartig überzogenen Früchte, die ab Mitte August bis Oktober geerntet werden können, schmecken süß-säuerlich-herb und ähnlich der Heidelbeere. Die Beeren werden entweder getrocknet (wie Rosinen) verwendet, zu Konfitüre verarbeitet (beispielsweise zusammen mit Orangen), oder nach Dampfentsaften als Saft getrunken. Sie finden in gemahlener Form auch häufig Verwendung in selbstgemixten Frucht-Smoothies.“ Aronia ist bei uns noch weitgehend unbekannt, sicherlich auch wegen der etwas mühsamen Ernte. Wir haben uns in der Plantage nicht nur im Verkaufsraun umgesehen, wo es ein beeindruckendes Angebot gab, sondern auch die Plantage besucht. Die Sträucher sind dort gut 1,5 Meter hoch und stehen sehr dicht. Der Fruchtansatz war recht gut, aber die Ernte dürfte nur von Hand möglich sein!

Auf der Terrasse der Aroniaplantage Altheider Weihnachtsbrief 2016

Verkaufsraum der Aroniaplantage

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Die Aroniaplantage bei Lewin

Der restliche Nachmittag in Altheide stand wieder zur freien Verfügung und man konnte die Orte seiner Kindheit und Jugend besuchen oder einfach den schönen Tag genießen. Nach dem Abendessen gesellten sich Henryk Grzybowski mit seiner Sylwia aus Glatz zu uns. Es gab viel zu erzählen und später erfreute uns Sylwia noch mit ihren Sangeskünsten. Montag, 01.08.2016. Für diesen Tag hatte sich dankenswerterweise Dr. Axel Hentschel, der diesmal seine Frau Margret mitgebracht hatte, als Organisator ins Zeug gelegt. Wir sind schon auf der letzten Reise durch Camenz gefahren, haben aber wegen des damals sehr schlechten Wetters nicht gehalten. Diesmal hatten wir Glück, es war herrlichstes Sommerwetter, und wir besuchten zunächst Das Kloster Camenz, eine ehemalige Zisterzienserabtei. Die ehemalige Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt mit wertvoller Innenausstattung konnten wir leider nicht besichtigen, weil kein Schlüsselinhaber aufzutreiben war. Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt Das Abtsgebäude beherbergt nun eine Außenstelle des Staatlichen Archivs Breslau.

Anschließend fuhren wir zu einem Parkplatz unterhalb des Schlosses Camenz. Von hier aus machten wir einen Rundgang um das Schloss, das sich uns beeindruckend und gewaltiger darstellte, als vermutet. Von der E67 nach Breslau aus kann man das Schloss mit seinen vier Ecktürmen deutlich sehen, von Nahem wirkt es auf uns fast wie eine gewaltige Burg! Die Wege um das Schloss sind sehr gut angelegt. Eine Besichtigung, die nur mit Führung möglich ist und nur alle Stunden erfolgt, war aus zeitlichen Gründen nicht möglich.

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Schloss Camenz, von Nordosten gesehen

An dem Stausee Ottmachau ging es dann weiter nach Neisse in Oberschlesien. Gleich am Rande der Stadt besuchten wir den Kommunalfriedhof und natürlich das Grab von unserem bedeutendsten und bekanntesten Heimatdichter Joseph Freiherr von Eichendorff und seiner Gemahlin Louise Baronin von Eichendorff geb. von Larisch. Wir hatten es schon bei einer der letzten Reisen bedauert, nicht diesen Friedhof besucht zu haben, jetzt ging dieser Wunsch in Erfüllung! Axel Hentschel und Pfarrer Stroh gaben Verse von Eichendorff zu Gehör und selbstverständlich wurden auch Lieder von ihm gesungen. Es war ein erhebender Augenblick, der im Gedächtnis bleiben wird! Der Nachmittag in Neisse, etwa ab 14:00 Uhr stand für uns zur freien Verfügung und so marschierten wir los. Zunächst erreichten wir den Triton- oder Delphinbrunnen, den wir schon vom früheren Besuch her kannten. Am Ring fiel sofort das restaurierte Kämmereigebäude auf. Die frühere schöne Bemalung des Kämmereigebäudes am Ring ist allerdings verschwunden, die Fassade erstrahlt nun in weiß! Es wird viel gebaut, auch auf dem Ring ist eine große Baustelle. Natürlich besuchten wir auch die St.-Jakobs-Kirche. Dienstag, 02.08.2016. An diesem Tag stand die Wallfahrtskirche Maria Schnee, uns allen bekannt, auf dem Programm. Das letzte Mal, als wir dort waren, hatten wir schlechtes Wetter, und wir waren nach einem anstrengenden Anstieg ziemlich nass. Dieses Mal war wieder herrliches Wetter und zu unserem Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Erstaunen konnte der Bus auf asphaltierter Straße fast bis zur Kapelle hoch fahren, nur die letzten 400 Meter mussten wir laufen, der weitere Weg ist allerdings gut ausgebaut und gepflastert. Wir hatten für den ganzen Tag die Reiseleiterin und Dolmetscherin Lucyna Adamska-Wulicz aus Altheide mit. Sie erklärte uns unterwegs und vor Ort sehr viel und ausführlich. Das gesamte Kapellenareal ist nun in einem hervorragenden Zustand. Im Pfarrhaus gibt es einen Andenkenladen, in dem man auch Ansichtskarten erwerben kann, denn das Fotografieren in der Kirche ist verboten, was schade ist, denn die einzige Ansichtskarte aus dem Inneren ist nicht besonders gut. In der Kirche sollen 6 Kameras das Einhalten des Verbotes überwachen, zwei davon habe ich entdecken können. Die Kirche war für uns geöffnet, Frau Adamska-Wulicz erklärte uns alles Wissenswerte, und anschließend hielt Pfarrer Stroh eine kleine Andacht, bei der noch einige deutsche Kirchenlieder gesungen wurden. Auch der dortige Pfarrer war im Hintergrund anwesend. Etwas störend empfindet man die vielen Verbotsschilder und Überwachungskameras auf dem Kirchengelände, ausgenom-

Fernblick von Maria Schnee nach Westen

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men die Schilder, welche die Landschaft der Umgebung erklären. Der Fernblick von hier ist herrlich! Bei der Weiterfahrt auf der Sudetenstraße gab es einen kurzen Halt unterwegs bei Biała Woda (deutsch: Weißwasser) an einer freien Stelle, wo sich Skilifte befinden und verschiedene Hütten. Dort konnte man geräucherten Schafskäse (sery owcze) kaufen. Das Angebot wurde gut angenommen, der Käse ist ein Genuss! Über den Puhu-Pass und Heuberg, einem Wintersportzentrum, wo seht viel gebaut wurde und noch wird, ging es weiter nach Seitenberg mit Halt an der Glashütte Violetta. Unsere Reiseleiterin erklärte uns, dass die Glashütte immer noch in Betrieb sei, aber das Angebot in den gegenüber früher stark verkleinerten Verkaufsräumen ist recht überschaubar geworden, für Liebhaber geschliffenen Bleikristalls aber immer noch eine Fundgrube! Als nächstes zeigte uns unsere Reiseleiterin Bad Landeck. Das Bad und die Kuranlagen zeigen sich in einem sehr guten Zustand. Wir konnten auch in das Marienbad hinein, wohl das bekannteste Bauwerk hier. Der Rundgang im ersten Stock vermittelte uns einen Eindruck früherer „Kur-Kultur“. Schade nur, dass sich die historische Wanne, in der schon Friedrich der Große badete, jetzt in Privatbesitz befindet und somit nicht mehr zu sehen ist!

Bad Landeck. Blick von dem Marienbad in Richtung Stadt. Im Vordergrund unsere Reiseleiterin, Frau Adamska-Wulicz, im Hintergrund die Albrechtshalle. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Im Derhääme-Häusla bei Kaffee und Kuchen.

Das letzte Ziel dieses Tages war das Gästehaus Lerchenfeld mit dem Derhääme-Häusla. Hier gab es Kaffe (oder Tee) und Kuchen, traditionsgemäß wurden auch die Liederbücher wieder verteilt und kräftig gesungen. Es war sehr bewegend, denn unsere Jugend kennt heute unser altes Kulturgut Volkslied kaum noch, und das schlesische noch weniger! Mittwoch, 03.08.2016. Dieser Tag stand zur freien Verfügung, weil der Busfahrer von Gesetzes wegen einen Tag Pause machen musste. Wir ließen es gemütlich angehen und fuhren zunächst nach Rückers und dann zum evangelischen Friedhof in Neuheide. Der Friedhof ist in einem gepflegten Zustand, die Vegetation zwischen den umstehenden Bäumen wird gut niedergehalten und unterhalb des Eingangstores, an der ungefähren Stelle, wo die Kapelle gestanden hat, hat man begonnen, Bäume zu fällen. (Bild S. 94) Bei den früheren Reisen, die uns ins Riesengebirge führten, besuchten wir auch den sehr bekannten Miniaturenpark in Schmiedeberg/Kowary. Nun gibt es in Glatz an der Straßenkreuzung E67/Straße nach Neurode auch einen solchen Park, der sich Mini Euroland nennt. Den haben wir uns angesehen. Die Ausstellungsstücke sind sehr zahlreich und gut gearbeitet. Manche Stücke sind noch im Aufbau. Auch wenn es in Schmiedeberg verschiedentlich dieselben Objekte gibt, hat der Miniaturenpark in Glatz doch sehr viele andere Modelle, es lohnt sich, ihn zu besuchen! Bemerkenswert humorvoll mit einem gehörigen Schuss Ernst fanden wir die Miniatur des Big Ben, die umgestürzt und zerstört war und daneben überdeutlich ein Schilf mit der Aufschrift „Brexit“ - ein Bezug auf die aktuelle politische Situation! 200

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Donnerstag, 04.08.2016. Unser Bus durfte wieder fahren. Über Albendorf und Wünschelburg fuhren wir an der Heuscheuer vorbei nach Bad Kudowa. Unsere Reiseleiterin, Frau Adamska-Wulicz, war wieder mit von der Partie und war eifrig bemüht, uns Informationen zukommen zu lassen. Von dem früheren Kurhotel Fürstenhof starteten wir zunächst in die Wandelhalle mit der Eugenquelle, weiter ging es durch Bad Kudowa, an der neu erbohrten Quelle die alte offene Wandelhalle zu einer neu gebohrten Quelle, deren ausgezeichnetes Wasser wir kosten konnten. Der Rundgang ging weiter in Richtung Charlottenbad und Musikpavillon zum Ausgangspunkt, wo wir langsam zum Bus gingen. Zwischen Bad Kudo- Einkehr in der Baude Čihalka wa und Bad Reinerz bogen wir auf der Weiterfahrt auf die Sudetenstraße ab und machten bald Halt. Zu Fuß ging es über die tschechische Grenze hinab zur Baude Čihalka. Hier war alles für uns vorbereitet, es gab Palatschinken, Filterkaffee oder „normalen“ Kaffee, oder auch tschechisches In der Baude Čihalka Bier, je nach Geschmack! Die Baude ist sehr schön gelegen und im Sommer und Winter offensichtlich ein begehrtes Urlaubsziel.

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Das nächste Ziel war Bärnwald/Neratow im Adlergebirge. Bärnwald liegt auf der tschechischen Seite, und es gibt dort eine Wallfahrtskirche „Maria-Himmelfahrt“. Frau Adamska-Wulicz erzählte uns, dass Soldaten der Roten Armee 1945 aus Spaß von der Straße aus mit einer Kanone auf die Kirche geschossen haben. Dadurch ist die Kirche vollkommen ausgebrannt. In den letzten Jahren haben die Einwohner sich bemüht, die Ruine zu retten. Man hat ein nach oben offenes Dach aufgesetzt und verglast. Den Boden hat man mit Platten ausgelegt, und heute ist diese Kirche in ihrer Art wieder zu einem Die Wallfahrtskirche „Maria Himmelfahrt“ in Bärnwald/ sehenswerten Gotteshaus Neratow. Der Dachgiebel ist verglast, die Außen- und geworden. Zu erwähnen Innenwände des Kirchenschiffs sind nicht verputzt, sondern nur verfugt. ist auch, dass sich die Gemeinde um behinderte Kinder und Jugendlich kümmert. Für 18:00 war der Grillabend im Gartenpavillon angesetzt. Der älteste Sohn unseres Wirtes Eugeniusz Guszpit begrüßte uns mit einem Glas Kräuterlikör, dem allseits beliebten Wódka Żołądkowa Gorzka. Die Bar stand bereit, ebenso die Salattheke und Fleisch und Wurst waren fertig gegrillt, der Abend konnte beginnen. Es schmeckte wie immer vorzüglich. Für Unterhaltung sorgte die Runde selbst durch Erzählen von allerhand Geschichten und Witzen. Es war für alle ein vergnüglicher Abend, das angenehme Wetter sorgte für die richtige Atmosphäre. 202

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Die „Redner“ des Abends.

Freitag, 05.08.2016. Als erstes fuhr uns der Bus nach Glatz. Wir wollten in die Zimmerstraße, wo eine Gedenkstätte für die Opfer des NKWD1 und UB2 von 1946 bis 1953 errichtet worden ist. Da wir die Zimmerstraße nicht gleich fanden, sprang nach einem Anruf spontan unser Freund Henryk Grzybowski mit seiner Sylwia ein und führte uns dorthin. Das Haus Nr. 8-12 in der Zimmerstraße ist der eigentliche Sitz der UB gewesen, die Opfer wurden aber auch in den Grundstücken der benachbarten Häuser verscharrt. Die Gedenkstätte auf dem Grundstück um die Ecke in der früheren Wiesenstraße wurde angelegt, weil es Probleme mit den jetzigen Eigentümern in der Zimmerstraße gab. Unter einem großen Kreuz sind zwei Tafeln angebracht, eine ältere, auf der in polnisch und englisch auf die Opfer der NKWD und UB hingewiesen wird, und darunter eine neue, zweite vom 18.7.2016, auf der in polnisch und deutsch der deutschen und polnischen Opfer des UB2 gedacht wird.

Li. die Wiesenstraße, re. die Zimmerstraße. Li. unter dem Baum der Ort des Denkmals Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Die Gedenkstätte in der ehem. Wiesenstraße

Unser Bus parkte am Hauptbahnhof, wir hatten die übrige Zeit zur freien Verfügung und suchten natürlich den Ring um das Rathaus auf. Um 12:00 Uhr ging es weiter. Auf einer bisher uns unbekannten Straße gelangten wir nach einer halben Sunde Fahrt in Altwilmsdorf an. Der Himmel war bedeckt, aber es war trocken. Das Lapidarium auf dem Friedhof konnte besichtigt werden, und auch in den interessanten Hof der Wehrkirche konnte man hinein. Zu unserer Überraschung war auch ein Pater aus Falkenhain anwesend, der uns die Kirche öffnete. Er hielt uns eine Ansprache, für die eine junge Dolmetscherin zur Verfügung stand. Ein gemeinsames Lied wurde gesungen, und anschließend lud uns der Pater zu Kaffee und Kuchen in einen großen Raum am Innenhof ein. Die Überraschung war gelungen. Frühzeitig fuhren wir wieder nach Altheide zurück, es war Zeit zum Kofferpacken. Es sollte am nächsten Tag früh um 7:00 Uhr auf die Rückreise gehen. Samstag, 06.08.2016. Ab 6:00 Uhr war das Frühstück angesetzt. Bald wartete auch der Fahrer am Bus für das Einladen der Koffer, geordnet nach Zielorten. Es gab noch eine ausgiebige Verabschiedung und pünktlich um 7:00 Uhr verließ der Bus das Pensionat Beata. Auch wir hatten schon unser Auto bereit und machten uns auf die Heimfahrt. Diese verlief bis auf die Transitfahrt durch 204

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Kaffee und Kuchen in Altwilmsdorf

Prag und einen Stau in der Holledau reibungslos. Um 13:30 Uhr waren wir wieder in Haimhausen. Dieter war gegen 19:00 Uhr auch wieder in Scharrel. Somit war alles gut gegangen und wir hatten alle wieder eine sehr schöne, abwechslungsreiche und informative Heimatfahrt erlebt. Allen Verantwortlichen, Georg und Ruth Pohl, Dr. Axel Hentschel und seiner Frau Margret für ihre hervorragende Organisation, Pfarrer Norbert Stroh für die geistliche und organisatorische Betreuung, und nicht zuletzt Erna Biegus für ihre Dolmetscherdienste sei hiermit herzlichst gedankt! Ob es nochmal eine solche Busreise geben wird, steht in den Sternen. Viele wünschen sich das, es soll auch mitunter Tränen darüber gegeben haben, dass man sich möglicherweise das letzte Mal gesehen hat! 1

NKWD, der; - [Abk. von russ. Narodny Komissariat Wnutrennich Del]: Volkskommissariat des Innern (sowjet. politische Geheimpolizei [1934–1946]).

2

Das Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego (Ministerium für Öffentliche Sicherheit, MBP) war das Organ für Nachrichtendienst und Gegenspionage der polnischen Geheimpolizei von 1945 bis 1954. Es war auch unter dem Namen Urząd Bezpieczeństwa oder UB bekannt.

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Heimatreise nach Bad Altheide vom 30.07. - 06.08.2016 Edeltraud Tamme, geb. Tschöpe Nun war es wieder soweit: Die voraussichtlich letzte Altheidereise der Heimatgemeinschaft lag vor uns. Am Samstag, dem 30.07.2016, startete um 6:00 Uhr die Reise bei der Fa. Zumstrull, und die letzten 19 Personen warteten mittags am Dresdner Tor. Nach einer Pause und Verladen des Gepäcks konnte die Reise weitergehen. Leider war vor dem Grenzübergang Görlitz ein 8 km langer Stau, und der Fahrer entschloss sich, von der Autobahn abzufahren. So hatten wir Gelegenheit, in Görlitz Geld umzutauschen. Nach der Stadtdurchfahrt sind wir wieder auf der Autobahn gelandet, und der Stau war vorbei. Die Fahrt konnte ohne weitere Hindernisse über Waldenburg, Königswalde und Albendorf am späten Abend in Bad Altheide beendet werden. In der Pension „Beata" wurden wir schon erwartet und nach der Zimmerschlüsselvergabe konnte gleich das Abendessen serviert werden. Für Sonntag, den 31.07.2016, war um 10:00 Uhr die feierliche Messe angesetzt. Die ersten Bankreihen in der Kirche waren für uns reserviert. Pfarrer Kopacz und Pfarrer Stroh gestalteten den Gottesdienst gemeinsam, die Lesungen, Evangelium und Fürbitten wurden auf Deutsch und Polnisch gelesen. Pfarrer Stroh hielt eine bewegende Predigt und Erna übersetzte sie ins Polnische. Am Ende der Messe überreichte Georg Pohl Pfarrer Kopacz ein Modell des Straßenkirchleins, das Erwin Hoffmann gebaut hat. Zum Abschluss gab es noch ein paar Gruppenfotos vor dem Altar. Für uns ungewohnt ist ein großer Bildschirm im Altarraum, auf dem die Texte der Lieder angezeigt werden. Aber so erspart man sich die Liederbücher. Wieder im „Beata" angekommen, gab es zur Stärkung eine Suppe, und nach einer kurzen Mittagsruhe ging es mit dem Bus nach Lewin. Unterwegs haben wir noch Erna abgeholt, denn sie musste uns ein bisschen übersetzen. Die Fahrt ging ab Lewin auf einer engen Straße zu einem Bio-Aronia-Hof. Der Laden hatte extra für uns geöffnet, und so konnten wir den Probierlikör und die Marmeladen verkosten. Mit Ernas Hilfe entschied sich mancher für ein Mitbringsel. Montag, 01.08.2016: Heute ging unsere Tour nach Kamenz. Im Bus unterrichtete uns Dr. Axel Hentschel in bewährter Weise über die Historie der riesigen Anlage. Leider klappte es mit der Besichtigung nicht. Aber wir konnten uns wenigstens von außen ein Bild von dieser, von Schinkel entworfenen imposanten Schlossanlage mit großem Park und Wasserspielen machen. In der Zwischenzeit hatte unser Busfahrer Kaffee und Würstchen vorbereitet. So gestärkt konnte nach dieser Pause die Fahrt nach Neiße fortgesetzt werden. Hier hielten wir am Friedhof und besuchten das Grab des Dichters Joseph

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Von Eichendorff. Es machte einen gepflegten Eindruck. Wir gedachten des Dichters mit ein paar seiner vertonten Gedichte. In Neiße hatten wir genügend Zeit zur Stadtbesichtigung. Natürlich standen die zwei großen Kirchen auf dem Besichtigungsprogramm. Die spätgotische monumentale dreischiffige Jakobskirche mit ihren 20 Kapellen und ihrem freistehenden Glockenturm, der leider unvollendet geblieben ist, beeindruckte uns sehr. Auch die Peter- und Paul-Kirche (früher Kreuzkirche) mit ihrer reichen Barockausstattung war sehenswert, auch der Brunnen an der Warschauer Straße, den ein vergoldeter Adler ziert. So manchem schmeckte zum Schluss der Stadtbesichtigung noch ein leckeres Eis. Dienstag, 02.08.2016: Über Habelschwerdt führte uns die heutige Tour zu „Maria Schnee". Georg Pohl hatte eine Reiseleiterin bestellt, die uns in sehr gutem Deutsch viele Informationen über Land und Leute vermittelte. Vom Parkplatz aus erreichten wir nach einem kurzen Anstieg das mit vielen bunten Blumen bepflanzte Areal mit der Kapelle und hatten eine gute Sicht in die Umgebung. Die Reiseleiterin berichtete uns über die Entstehung der Kapelle und wie es zu dem Namen „Maria Schnee" gekommen ist. Nach einer Andacht und ein paar Marienliedern konnten wir noch das Glockengeläut vor unserer Abfahrt vernehmen. In der Kapelle werden täglich um 12:00 und 16:00 Uhr Messen gehalten. Weiter ging die Fahrt nach Lerchenfeld. Bei einem kurzen Aufenthalt am Gebirgspass konnte man den bekannten geräucherten Käse erwerben. Im Lerchenfelder „Derhääme-Häusla" wurden wir durch die Wirtin und Tochter freundlich begrüßt und frischgebackener Kuchen erwartete uns schon. Bei fröhlichem Gesang alter Volkslieder, die der Schwiegersohn auf dem Schifferklavier begleitete, verging der Nachmittag wie im Fluge. Es bestand noch die Gelegenheit, ein paar Kleinigkeiten zu erwerben. So gibt es dort z. B. Bunzlauer Keramik mit Glatzer Rosendekor. Im Nebengebäude konnte man sehen, wie die Menschen früher eingerichtet waren. Auf der Rückfahrt wurde noch ein kleiner Stopp zur Besichtigung der Glasfabrik in Seitenberg eingelegt. Bad Landeck, der älteste Kurort des Glatzer Berglandes, dem unser nächster Aufenthalt galt, ist bis heute als Radiumbad sehr bekannt. Es gab herrlich gepflegte Kuranlagen und eine Besichtigung der wunderschönen Kuppelhalle des Marienbades beschloss unsere Stippvisite. Am Mittwoch, 03.08.2016, hatte unser Busfahrer Norbert, der uns auch schon vor zwei Jahren durch die Grafschaft Glatz gefahren hat, seinen freien Tag. So konnte jeder seinen Tagesablauf selbst gestalten. Da nicht alle gebürtige Altheider waren, haben sich einige ein Taxi genommen und sind zu ihren alten Geburtsstätten gefahren. Donnerstag, 04.08.2016: Pünktlich um 9:00 Uhr starteten wir unsere Fahrt bei schönem Wetter über Albendorf zur Heuscheuerstraße. Wir passierten Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Karlsberg und hatten einen wunderschönen Blick auf die große und die kleine Heuscheuer. Weiter ging es nach Bad Kudowa. Wir hatten auch diesmal wieder unsere Reiseleiterin Lucia dabei, und so haben wir wieder viele interessante Informationen erhalten. Im schönen Kurpark konnten wir die Heilquelle besichtigen und von dem Sprudelwasser kosten. Anschließend fuhren wir die Sudetenstraße entlang bis zu einem Parkplatz. Von dort ging es zu Fuß abwärts bis zur Baude „Schnappe", die auf tschechischem Gebiet liegt. Da unter uns ein paar Gehbehinderte waren, hatte Georg Pohl organisiert, dass der Bauden-Wirt diese mit seinem Auto abholt und auch wieder zum Bus zurück bringt. In der Baude wurden wir mit einer großen Portion Palatschinken und Kaffee bewirtet. Auf dem Rückweg besuchten wir noch den Gedenkstein zur Erinnerung an den letzten deutschen Wirt dieser Baude, der unweit des Weges nach dem Kriege erschlagen wurde. Über Grunwald ging es bis Langenbrück und danach auf tschechisches Gebiet nach Bärnwald. Dort steht auf einer Anhöhe die Wallfahrtskirche mit dem Glasdach. Nach einer Besichtigung und einem „Großer Gott wir loben Dich" ging es über Bad Reinerz zurück nach Bad Altheide. Abends erwartete uns schon eine Grillparty auf dem Hof. Der neue Chef des „Beata" spendierte einen Wodka. Wie immer gab es reichlich zu essen und zu trinken. Mit lustigen Einlagen verging der Abend sehr schnell. Freitag, 05.08.2016: Heute war das erste Mal ein bisschen trübes Wetter. Aber das störte nicht unsere Fahrt nach Glatz. Dort besichtigten wir eine Gedenktafel für durch polnische Staatssicherheit umgekommene Menschen. Georg Wenzel hatte großen Anteil an deren Zustandekommen. Auch blieb noch genügend Zeit für einen Stadtbummel. Weiter ging es nach Altwilmsdorf. Nach einem kurzen Besuch des Lapidariums erwartete uns schon ein Pater, der uns mit Hilfe einer Übersetzerin über die Entstehung der Kirche informierte. Anschließend wurden wir in den Gemeinderaum gebeten. Dort hatten fleißige Frauen an großen, schön gedeckten Tafeln reichlich Kaffee und prima Kuchen aufgetischt. Mit einem herzlichen Dankeschön und einer kleinen Spendenaktion verabschiedeten wir uns aus Altwilmsdorf. Samstag. 06.08.2016: Die Angestellten des „Beata" hatten schon um 6:00 Uhr das Frühstück für uns bereitet, weil unsere Heimfahrt für 7:00 Uhr geplant war. Pfarrer Kopacz ließ es sich nicht nehmen, uns zu verabschieden und brachte noch Kopien von Taufeinträgen einiger in Altheide geborener mit. Zum Schluss möchten wir allen, die zum Gelingen dieser schönen Heimatfahrt beigetragen haben, ganz herzlich Dank sagen, besonders Georg Pohl und seiner Frau Ruth, die viel Vorbereitungsarbeiten hatten. Ebenso gilt unser Dank dem Busfahrer Norbert, der uns sicher und freundlich durch die Gegend „schaukelte". Auch Dankeschön an Frau Stroh und Frau Look, die leider nicht mitfahren konnten, aber mit einer Geldspende ihre Verbundenheit mit der Heimatgemeinschaft bekundeten. 208

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Im Vaterhaus Josef Wolf So fing unsere Reise an: Drei bis vier Jahre zuvor wurden meine Schwester und mein jüngerer Bruder von unserer Tante gefragt, ob sie nicht auch mal zum Treffen der Altheider kommen möchten, so würde man bestimmt noch mehr über die Familie herausbekommen. Gesagt getan, meine Schwester und mein Bruder sind zum Treffen der Altheider gefahren. Leider war unsere Tante zwischenzeitlich gestorben. Das Treffen begann und sie nahmen ohne sie teil. Man kam ins Gespräch, und siehe da, der Herr Bartsch aus Münster hatte sogar noch alte Fotos aus Vaters Schulzeit. Sie waren wohl zusammen in der gleichen Schule, wenn ich mich richtig erinnere war das in Neuwilmsdorf. Der Kalte Krieg, der die ganzen Jahre den Westen und Osten beschäftigt hatte, neigte sich in den 80ern langsam dem Ende zu. Unser Vater sprach darauf meine älteste Schwester an und sagte: „Du, wenn der Gorbatschow kommt, fährst du dann mit mir in die Heimat?” Aber auch ihn ereilte das gleiche Schicksal wie zuvor seine Schwester. Er hat den Mauerfall nicht mehr erlebt. Unser Vater verstarb am 12 Juli 1989. In meinen jungen Jahren, daran kann ich mich gut erinnern, haben mein Vater und meine Mutter auf Festlichkeiten in der Familie viel von der Heimat erzählt und dabei das Lied von „Rübezahl“ oder „Hohe Tannen“ gespielt. Das konnten wir zu dieser Zeit gar nicht verstehen und unsere Musik war das auch nicht. Aber jetzt, viele Jahre danach, passt alles zusammen: Die alten Bilder, die Information von Herrn Bartsch, all das hat und uns angespornt, das zu machen was unserem Vater leider nicht vergönnt war. Unsere Mutter hatte es noch zu Lebzeiten einmal geschafft ihre alte Heimat „Stettin“ aufzusuchen. Nach dem Treffen der Altheider in Herford bekam meine Schwester immer den Weihnachtsbrief zugesandt. Dort wurde bekannt gegeben, dass es wohl die Letzte Reise sein würde, weil die Organisation allen Organisatoren viel abverlangt, angefangen von zeitaufwendigem Telefonieren, den Sprachbarrieren, Termine abstimmen und etc. Bei einem gemütlichen Grillabend mit meinem Schwager und meiner Schwester sprach sie von der Reise nach Bad Altheide, und ob ich nicht mit möchte. Die anderen Geschwister konnten nicht. Ich musste gar nicht lange überlegen, sein Elternhaus zu finden hatte sich mein Vater immer gewünscht. Also beschlossen wir die Reise nicht nur für uns, sondern auch für unseren Vater anzutreten. Am 30.7. ging es dann los „ab nach Georgsmarienhütte“. Hier stiegen wir in den Bus und wurden freundlich von zwei Damen angesprochen: „Ich bin Rosemarie und ich Hannelore“ und schon war das Eis gebrochen. Für uns war es die erste Heimatfahrt. Hier trafen wir hier zum ersten Mal Georg u. Ruth Pohl, sowie Pfarrer Stroh und Grethe, die später unsere Tischnachbarin wurde. Nun wurden weitere Teilnehmer an verschieden Stellen aufgenommen. Es stellte sich schnell heraus, dass fast alle sich schon kannten. Wir waren neu dabei. Als nächster stieg Dieter Scholz ein. Er saß dicht bei uns Altheider Weihnachtsbrief 2016

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… ein altes Bild, auf dem die Eltern meines Vaters und einige seiner Geschwister darauf zu sehen sind. Unser Vater ist der kleine Junge hinten auf dem Pferd, das Bild muss so um 1938 gemacht worden sein. Mein Vater (Georg Wolf ist 18.4.1927 geb. gestorben am 12.6.1989) und ich denke er war mal grad 10 Jahre in etwa.

und den beiden Damen Rosemarie und Hannelore. Jetzt wurde es lustig. Dieter kannte viele Witze, und die Busfahrt wurde ein wenig lockerer. Nach und nach füllte sich der Bus. Nun waren wir an Dresden und Leipzig vorbei und die Grenze kam näher. Hier gab es erst einmal einen Stau. Die Polen hatten die Grenzkontrollen auf Grund des Weltjugendtages und der Anwesenheit des Papstes erhöht. Langsam wurde ich Neugierig. Wie wird es wohl sein? Dann nahm der Busfahrer eine Abkürzung. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob es eine war. Aber eines weiß ich ganz genau, die Landschaft links und rechts vom Bus war so schön naturbelassen, und durch das Licht der Sonne kam es mir vor, als wollte unser Vater uns in seiner Heimat begrüßen. Mir standen fast die Tränen in den Augen. Jetzt musste ich daran denken, wie oft er davon sprach, wie schön doch seine Heimat sei. In den nächsten Tagen lernte man sich schon ein bisschen mehr persönlich kennen, und die Ausflüge waren sehr gut organisiert. An dieser Stelle möchte ich allen Organisatoren und Beteiligten unseren herzlichen Dank aussprechen. Am Mittwoch war unser freier Tag. Jetzt machten wir uns auf den Weg, das Haus der Großeltern zu finden. Das einzigste was wir wussten, dass es in Falkenhain sein müsse und dass vor 20 Jahren eine Wäscherei darin betrieben wurde. 210

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….. 78 Jahre Später stehe ich auf diesem Platz.

Eine Polin, die Deutsch konnte, hatte meiner Schwester einen Satz in Polnisch auf den Briefumschlag geschrieben: „Das Haus auf dem Bild war vor ca.20 Jahren eine Wäscherei”. Damit zogen wir los. Erst einmal in Richtung Bahnhof. Das hatte Hannelore uns gesagt: „Bis Falkenhain, das ist nicht weit“. Da trafen wir einen Mann, der gerade Mutterboden auf seinen kleinen Hänger schaufelte. Wir wollten ihm den Briefumschlag mit dem Hinweis zeigen. Als er uns bemerkte, setzte er sich schnell ins Auto, schlug die Tür zu und fuhr davon. Aber so leicht gaben wir nicht auf. Da kam eine ältere Frau auf der anderen Straßenseite mit einen jungen Mädchen aus einem Haus. Meine Schwester sprach sie an und das junge Mädchen konnte sogar deutsch sprechen und führte meine Schwester zu einer anderen Frau. Die las den Satz auf dem Briefumschlag, sah sich das Bild vom Haus an und zog noch einen Nachbarn zu Rate. Dieser war sich ganz sicher. das Haus zu kennen und bot uns an, uns dorthin zu fahren. Das nahmen wir dankend an. Jetzt wurde es spannend, wird es das Haus sein? Fünf Minuten später hielt er an. Ich habe das Haus sofort erkannt. Wieder einmal war ich den Tränen sehr nahe. Dem Polen haben wir, obwohl er es nicht wollte, einige Złotys gegeben. Nun standen wir vor dem Haus unserer Großeltern und unserem Vater. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Aufgeregt war ich schon. Wir schlichen erst einmal ums Haus und machten Fotos. Als wir etwas näher zum Haus wollten, sprang uns ein großer schwarzer Hund entgegen, und es sah so aus als wenn wir nicht erwünscht waren. Auch nach mehrmaligen Klingeln kein Erfolg. Meine Schwester hatte extra eine kleine Tüte mitgenommen. Wir wollten aus dem Garten etwas Erde für das Grab unserer Eltern mitnehmen. Aber mit dem großen Hund sahen wir keine Chance. Wir beschlossen, es erst einmal bei den Fotos zu belassen. Wichtig war für uns auch erst einmal, dass wir das Haus gefunden hatten. Am darauf folgenden Tag fand der Grillabend statt. Hier traf ich einen Taxifahrer. Ich fragte ihn, ober am nächsten Tage mit uns zum Haus fahren würde. Er sagte zu. Jetzt hatten wir jemand zum Dolmetschen. Am nächsten Abend stand er mit seinem Auto vor dem Beata. Auch ihm haben wir unsere Geschichte zum Haus erzählt und dass wir es gern besuchen würden. Die Spannung stieg, ob uns heute jemand öffnet. Als wir ankamen, stand ein Mann in der Einfahrt. Unser Taxifahrer hielt an und sprach mit ihm über unser Anliegen. Nach wenigen Sätzen war alles geklärt. Der Mann hatte kein Problem damit, uns auf das Grundstück zu lassen. Wir durften um das ganze Haus herum Fotos machen. Von unseren Großeltern gab es ein Bild aus dem Jahr 1933. Da steht die ganze Familie, unser Vater im Vordergrund, er war damals 6 Jahre alt. Ich habe mich an der gleichen Stelle positioniert und ebenfalls ein Foto gemacht. Und wieder durchdrang mich ein seltsames Gefühl. Auch Mutterboden aus dem Garten durften wir mitnehmen. Diesen hat meine Schwester Silva später auf das Grab verteilt. Somit hat mein Vater doch noch ein bisschen Heimaterde mitbekommen. An diesem Tag sind wir mit einem sehr guten Gefühl wieder zurück zum Beata gefahren. Der Bewohner des Hauses hat uns zugesichert jeder Zeit wieder vorbei kommen zu dürfen. Ich hatte anfangs nicht damit gerechnet, dass wir das Haus finden, desto mehr freue ich mich darüber. Die Reise war sehr schön, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht das letzte Mal dagewesen bin. Sehr bewegend waren auch die einzelnen Erlebnisse die der eine oder andere Zeitzeuge erzählte. Jetzt möchte ich mich auch nochmal bei meiner Schwester bedanken, ohne sie wäre ich nicht hingekommen. Ganz viele liebe Grüße an unsere Tischnachbarn Harald, Manfred, und Grethe und alle anderen, die an dieser Reise teilgenommen haben. In Neisse PS: Ich komme wieder nach Bad Altheide!

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Wieder war es eine schöne Reise Maria Schulze geb. Pietsch Ein Großteil der Mitreisenden stieg am „Dresdner Tor“ zu. Mit etwas Verspätung ging die Fahrt los. Der Verkehr war schleppend, sodass wir die Autobahn vor Görlitz verließen. Der Busfahrer kannte einen „Schleichweg“ durch die Stadt, so gewannen wir etwas Zeit. Gegen 20.30 Uhr kamen wir dann müde im Hotel „Beata“ in Altheide an. Nach dem deutsch-polnischen Gottesdienst in der Altheider Heimatkirche am Sonntag, fuhren wir nach Lewin um eine Aroniabeeren-Plantage zu besuchen. Alles, was aus diesen Beeren hergestellt wird, konnten wir im Betriebsladen kaufen. Der Montag führte uns nach Kamenz zur Besichtigung des Schlosses und weiter nach Neisse. Dort machten wir unter sachkundiger Führung von Pfarrer Norbert Stroh aus unserer Reisegruppe einen Stadtrundgang. Ein leckeres Eis gab es vor der Rückfahrt. Am Dienstag begleitete uns eine Reiseleiterin zunächst zum Marienwallfahrtsort „Maria Schnee“. Dort hielten wir mit Pfarrer Stroh eine kurze Andacht. Das Wetter meinte es gut mit uns und so genossen wir die wunderschöne Aussicht in das Glatzer Land. Über Bad Landeck und kurzem Aufenthalt im Kurpark ging es weiter nach Lerchenfeld zum „Derhäme-Häusla“ zur Stärkung mit Kuchen nach Grafschafter Backrezepten. Nach dem Abendessen war Zeit für eigene Unternehmungen. Unsere Pietsch-Familie besuchte die Pietsch-Mühle Opas und das Geburtshaus meiner beiden großen Brüder. Der Besuch von Opas Grab war selbstverständlich. Den Mittwoch nutzen wir zu einer Fahrt nach Wüstewaltersdorf (Walim). Das ist der Geburtsort von zwei weiteren Brüdern und mir. Durch den ganzen Ort liefen wir zu unserer Mühle. Norbert und Georg wollten noch einmal die Wege ihrer Kindheit laufen. Erinnerungen kamen auf und wir jüngeren hörten interessiert zu. Auf dem Rückweg genossen wir die wunderschöne Landschaft an der Schlesiertalsperre (Weistritztalsperre). Donnerstag begleitete uns erneut die Reiseleiterin „Lucia“. Über die Europastrasse ging es nach Kudowa. Nach einem Bummel durch den Kurpark mit Testen des Heilwassers Weiterfahrt in die Tschechei. In der „Schnappe“-Baude erwartete uns ein herrlicher Palatschinken mit Obst und Sahne , “mmmmm“. Auf der Rückfahrt wurde Kurz Station in Bärnwald gemacht um die Wallfahrtskirche zu besichtigen. Der Abend klang mit dem traditionellen Grillabend und einem gemütlichen Beisammensein aus. Der letzte Tag war angebrochen. Es ging in die Kreisstadt Glatz. Wir besuchten das neue Denkmal an der „Zimmerstraße“ für die durch den polnischen Geheimdienst ermordeten Menschen 1945-1948. Nach Besichtigung der Minoritenkirche ging die Fahrt nach Altwilmsdorf, dem Nachbarort von Altheide. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Der dortige Pfarrer, ein Pater von „Christus Rex“ erzählte uns viel Interessantes aus der Geschichte der Kirche. Abgerundet wurde der Tag mit Kaffee und Kuchen im Gemeindesaal der Pfarrei. Mit vielen neuen Eindrücken traten wir am Sonnabend die Rückfahrt an.

Meine letzte Schlesienfahrt! Adelheid Schmidt geb. Richter Es war wieder mal ein Erlebnis für mich. Ich habe so viele Eindrücke zu verarbeiten. Das schönste für mich war Maria Schnee. Ich habe mir endlich einen neuen Rosenkranz gekauft. Die Reiseleiterin hat dort oben auch alles gut erklärt. Die Gedenktafel in Glatz treibt mir jetzt beim Schreiben noch die Tränen in die Augen, es war für mich sehr ergreifend, wenn man die Hintergründe kennen gelernt hat. Am Grab von Eichendorff konnte ich auch meine Gefühle loswerden, denn ich bin auch da geboren, in Lubowitz, Kreis Ratibor. Mir fiel das Lied ein „In einem Kühlen Grunde“, das ich als Kind oft gesungen habe. Es stammt im Text von Eichendorff. Auch habe ich endlich die polnische Familie besucht, bei der ich als 10 jährige Kindermädchen war. Die junge Frau von damals ist jetzt 91 Jahre und das Baby ist 70 Jahre alt. Auch das Schloss von Niederrathen habe ich gesehen, es ist nur noch eine Ruine. Ich bin rundum zufrieden mit der Fahrt. Denn es war für mich die letzte Reise in die Heimat. Mein Körper hat mir meine Grenzen aufgezeigt. Ohne meine Geschwister, Liesel u. Ehemann Hansi sowie Helmut hätte ich es nicht geschafft. Danke! Meinen allergrößten Dank möchte ich dem Organisator Georg Pohl aussprechen. Er hat wieder mal alles gegeben! Meine Hochachtung und meinen Dank dafür. Allen Mitreisenden wünsche ich immer eine gute Gesundheit und noch viele schöne Fahrten. Bleibt Alle gesund! Liebe Heimatfreunde, die letzte von mir organisierte Heimatreise ist jetzt Geschichte. Als ich im letzten Jahr mit den Vorbereitungen begann, hatte ich Zweifel, ob die Reise zustande kommt. Aber die Begeisterung war überwältigend, denn in kurzer Zeit war der Bus voll und es gab bereits eine Warteliste. Für die Teilnahme an dieser und an den vorherigen Reisen möchte ich mich bei Euch recht herzlich bedanken. Wir waren immer eine gute Gemeinschaft unter dem Namen: „Altheider-Familie!“ Schön wäre es, wenn die Reisegruppe sich nicht auflösen würde, sondern von anderen Altheide und der Grafschaft Glatz verbundenen Heimatfreunden weiter geführt werden könnte ‒ mit meiner Unterstützung, wenn erforderlich!

Georg Pohl 214

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Buswallfahrt in die Grafschaft Glatz 2016 – Ein Wallfahrtstag in Bad Altheide Michael Güttler Seit über 20 Jahren ist es für Großdechant Prälat Franz Jung guter Brauch geworden, jährlich zu einer Buswallfahrt zu den Gnadenstätten des Glatzer Landes einzuladen. Viele Grafschafter Pilger sind seither gern seiner Einladung gefolgt und haben sich aufgemacht, in den Wallfahrtsorten und Kirchen der Heimat ihre Anliegen in Gebet und Gesang vor Gott zu tragen und dabei die Gottesmutter und den Seligen Gerhard Hirschfelder um Fürsprache zu bitten. Stets war in all den Jahren in Bad Altheide aufgrund seiner Hotelkapazitäten und der zentralen Lage im Glatzer Land das Standquartier für die vielen Wallfahrer. Von hier aus fuhr man an den einzelnen Wallfahrtstagen die verschiedenen Ziele an. Im Laufe der Jahre wurden so die allermeisten Orte der Grafschaft Glatz besucht und dort in den Kirchen Gottesdienste gefeiert. In diesem Jahr nun kam der Wunsch auf, an einem Wallfahrtstag in unserem Standort, in Bad Altheide zu sein. Uns Organisatoren war bei der Vorbereitung vor Ort ganz besonders Henryk Grzybowski ein kompetenter, unermüdlicher Kontaktmann und Helfer, dafür sei ihm auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich Dank gesagt! Um 9.00 Uhr begann in der Altheider Pfarrkirche „Maria Himmelfahrt“ der Wallfahrtsgottesdienst. Zur Freude aller 55 Wallfahrer ließ es sich der Pfarrer der Altheider Pfarrgemeinde, Prälat Antoni Kopacz nicht nehmen, die Pilgerinnen und Pilger nicht nur freundlich zu begrüßen, sondern auch den Gottesdienst in Konzelebration mit deren vier Priestern und Diakonen mitzufeiern, was von allen als ein bemerkenswertes Zeichen gewürdigt wurde. Der Hauptzelebrant Pfarrer Christoph Scholz hielt eine tiefgründige Predigt mit Gedanken um die Aufgabe einer ständigen Versöhnung. Kerngedanke war ein Wort von Romano Guardini: „Aus der Vergebung zu leben bedeutet auch, sie stets neu zu erbitten. Sie ist nicht selbstverständlich, darf es auch für unser Gefühl nicht werden.“ Das Ringen um Frieden und Versöhnung auf politischer Ebene, aber auch in jeder zwischenmenschlichen Beziehung sei eine ständige Aufgabe für jeden Einzelnen: Versöhnung ist ein Geschenk, das Rache nicht kennt“ (Persische Spruchdichtung). Den Kirchen komme eine besondere Aufgabe zu, die „höheren Gedanken der Gerechtigkeit Gottes“ den Menschen verstehbar zu machen. Der Friedensgruß zwischen den Zelebranten und den weiteren Gottesdienstbesuchern beider Nationen untereinander war ein bewegendes Zeichen der Gedanken dieser Predigt. Am Ende des Gottesdienstes nahm sich Prälat Kopacz mit Hilfe einer Dolmetscherin die Zeit, den Wallfahrern die vielfältigen sakralen Kunstwerke im prächtig ausgestalteten Innenraum des beeindruckenden Gotteshauses zu erklären. Besonders wies er dabei auf eine Blutreliquie des hl. Papstes Johannes Paul II. in einem Seitenaltar hin. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Anschließend lud Prälat Kopacz aus Anlass seines Namenstages die anwesenden Priester, Diakone und Ordensschwestern stellvertretend für alle Wallfahrer noch zu einem kurzen Besuch ins Pfarrhaus ein. In herzlicher und brüderlicher Stimmung stieg das Verständnis füreinander. Die übrigen Wallfahrer nutzten bei herrlichem Wetter die Zeit, um auf dem Weg von der Pfarrkirche zum Rathaus insbesondere auch das Kurviertel zu erkunden. Ein weiteres Zeichen für den greifbaren Prozess der Versöhnung und die Freude darüber, ja sichtbare Zeichen der Freundschaft, erlebten die Wallfahrer auch beim anschließenden Empfang im Rathaus durch den Bürgermeister von Bad Altheide, Herrn Jerzy Terlecki. Schon die Eröffnung der Begrüßung hatte einen wohltuenden Ton, als der Bürgermeister die Grafschafter in ausgezeichnetem Deutsch mit einem „Willkommen in unserer und Eurer Heimat“ begrüßte. In sympathischer, großer Offenheit berichtete er von seiner persönlichen Herkunft aus Lemberg, seiner Ansiedlung in Bad Altheide, dessen 22-jähriger Partnerschaft mit Telgte, von der gemeinsam geschaffenen „Straße der Denkmäler“ und von dem besonderen Verdienst von Georg Wenzel (jetzt Lingen), der die Ehrenbürgerschaft seines Heimatortes Bad Altheide erhalten hat. Er berichtete von den Erfolgen, aber auch den Schwierigkeiten in der ökonomischen Infrastruktur insbesondere des Glatzer Landes, gerade auch vom demografischen Aspekt her gesehen. Auch die Flüchtlingsproblematik aus polnischer Sicht kam zur Sprache, wobei der Hinweis uns deutschen Gästen zumeist unbekannt war, dass seit Ausbruch der Ukrainekrise rund 700 000, vielleicht

Die Wallfahrer Gäste der Stadt Altheide-Polanica. V. lks. Henryk Grzybowski, Bürgermeister Jerzy Terlecki, Prälat Franz Jung, Wallfahrtsleiter Michael Güttler

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sogar bis zur einer Million Ukrainer nach Polen gekommen sind und sich im Land aufhalten. Die informativen Ausführungen des Bürgermeisters fanden bei allen Zuhörern lebhaftes Interesse. Die Wallfahrtsleiter dankten, unterstützt von kräftigem Applaus aller anderen Gäste, Herrn Bürgermeister Terlecki sehr herzlich für diesen beeindruckenden Empfang und fanden auch noch einmal besondere Dankesworte für Henryk Grzybowski, der durch seine Vermittlung des Kontaktes dazu besonders beigetragen hatte. Bei der Gestaltung jeder Wallfahrt ist es gute Übung, einen Tag frei von gemeinsamen Veranstaltungen zu halten, um allen Wallfahrern die Möglichkeit zum Besuch ihrer Heimatorte zu geben. Ich selbst nutzte diesen Tag wieder, um die wunderschöne Umgebung von Bad Altheide zu Fuß zu erkunden. Ausgestattet mit aktueller Wanderkarte, aber auch mit Reprint-Ausgaben der deutschen Wanderkarten von Bad Altheide 1907 und 1940, die mir Henryk Grzybowski geschenkt hatte, wanderte ich bei bestem Wanderwetter über die Töpferkoppe durch den ehemaligen königlichen Forst oberhalb des Höllentales zum Höllenbergpass, zur Burg Waldstein, von dort durch Walddorf und das idyllische Tal des Geduld-Wassers zurück nach Bad Altheide. Diese durch eine so schöne, abwechslungsreiche Landschaft führende Wanderung hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich habe sie schon wenige Wochen später mit Wanderfreundinnen und Freunden wiederholt im Rahmen meiner Wanderwoche, wie ich sie schon fast 20 Jahre zweimal jährlich vom „Gästehaus Lerchenfeld/Dom Skowronki“ in Reyersdorf bei Bad Landeck aus durchführe. Und gewiss wird das nicht die letzte Wanderung in der Umgebung Bad Altheides gewesen sein! Die Städte Telgte und Altheide Bad pflegen ihre Städtepartnerschaft durch ständige Besuche und Gegenbesuche. Auf dem Weg zum Weltjugendtag in Krakau verbrachten 13 Jugendliche aus Telgte unter der Leitung ihres Pfarrers, Propst Dr. Michael Langenfeld, die Vorbereitungstage auf den Weltjugendtag in der Partnerstadt Altheide Bad. Einer der Teilnehmer schreibt dazu folgenden Bericht:

Jugendgruppe aus Telgte beim Weltjugendtag 15 Jugendliche aus Telgte machten vor Weltjugendtag zu den Tagen der Begegnung Station in Bad Altheide. Florian Knappheide Am 20. Juli 2016 ging es frühmorgens los. Zunächst noch in Telgte bewaffneten wir uns mit Pilgerhüten, Liederheften, Gebetsbüchern und Anstecknadeln. Den Auftakt bildete dann ein Gottesdienst innerhalb unserer Gruppe von 13 Jugendlichen und unseren zwei Begleitern, Pastoralreferentin Alexandra Lason und Propst Dr. Michael Langenfeld, in der Telgter Gnadenkapelle. Es war sozusagen ein letzter Besuch bei der schmerzhaften Muttergottes, bevor wir uns auf unsere große Fahrt begaben, unsere Fahrt nach Bad Altheide, der Partnerstadt von Telgte, und dann natürlich auch zum Weltjugendtag nach Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Krakau. Mit einem Bulli und zwei PKW’s, die alle von Gepäck für die 12tägige Reise überquollen, machten wir uns auf den Weg. Nach einigen Pausen und ca. sieben Stunden Fahrzeit wurden wir dann in Polen von einer eher holprigen Autobahn begrüßt. Bei der Grenzüberfahrt hielten wir unsere Personalausweise bereit und hatten ein wenig die Befürchtung aufgrund einer Grenzkontrolle noch später anzukommen. Es waren zuvor schließlich Kontrollen angekündigt und vier Jugendliche, ein vollgepackter Wagen und laute Musik würden ja auch ins das Beuteschema der Kontrolleure passen. Alles verlief, bis auf die schon erwähnte Straße, jedoch ohne Holpersteine ab und so erreichten wir unser erstes Ziel, Bad Altheide, nach 12 Stunden. An unserer Unterkunft, einem Internat, das wegen der Ferien leer stand, wurden wir direkt sehr herzlich von Monsignore Antoni Kopacz und einem der dortigen zwei Kapläne begrüßt. Wir bezogen dann die Zimmer, bzw. die kleinen Wohnungen, denn jeder von uns hatte wohl drei Betten für sich alleine – an Platz mangelte es also nicht! Anschließend wurden wir zum benachbarten Ursulinenkloster geführt, in dem wir von den Ordensschwestern eine deftige Mahlzeit als Stärkung nach der langen Fahrt aufgetischt bekamen. In dem Kloster durften wir übrigens an jedem der fünf Tage in Bad Altheide frühstücken, wobei es an nichts fehlte und wir jedes Mal sehr gastfreundlich aufgenommen wurden! Nach dem Frühstück am nächsten Tag begann dann unsere erste Tour. Es ging an diesem Donnerstag mit einer Gruppe aus Vechta, die ebenfalls in Bad Altheide unterkam und mit der wir fast alle Touren veranstalteten, nach Albendorf, dem wohl charakteristischsten Wallfahrtsort des Glatzer Landes. Die meisten von uns haben sich, als sie angekommen sind und die vielen Treppenstufen gesehen haben, wohl erstmal gefragt: „Muss ich da jetzt wirklich hoch?“ Doch nach der kurzen Anstrengung erwartete uns eine wunderschöne Kirche, in der wir dann auch direkt Eucharistie feierten. Polnische, deutsche und auch ein brasilianischer Priester standen am Altar, das Vaterunser wurde in diversen Die Jugendgruppe vor der Basilika in Albendorf

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Sprachen gebetet und zum ersten Mal verspürten wir den internationalen Flair des Weltjugendtages. Nach der Messe blieb uns noch ein wenig Zeit, Albendorf zu erkunden. Das Zentrum der Stadt suchten wir aber vergeblich, nur eine kleine Eisdiele ließ sich zwischen der Wallfahrtskirche auf der einen Seite und dem Kreuzweg, der für uns übernormal viele Stationen besaß, auf der anderen Seite finden. Dann ging es aber auch schon wieder zurück nach Bad Altheide, denn die Stadt in der wir untergebracht waren, sollte natürlich auch kennengelernt werden. Von dieser kleinen Stadtbesichtigung ist den meisten wohl noch der Kurpark und vor allem das Wasser aus den Quellen in Erinnerung geblieben. Wir standen nämlich in der prallen Mittagshitze, als uns gesagt wurde, dass wir das sehr gesunde Heilwasser nun trinken dürfen. Wir gingen also in die Thermalanstalt, wo uns im Eingang schon ein gewöhnungsbedürftiger Geruch entgegenkam. Da wir aber schließlich Durst hatten und eine Erfrischung brauchten, liefen wir weiter auf den Brunnen zu, füllten unsere Becher bis zum Rand und tranken einen ordentlichen Schluck. Von den Gesichtern der meisten ließ sich dann jedoch ablesen, dass sie unter Erfrischung etwas Anderes erwartet hätten, schließlich war das Wasser eher lauwarm und mit einer besonderen Geschmacksnote versetzt. Nichts desto trotz sollte es für die Augen gut sein, was uns doch dazu bewegte die Becher leerzutrinken. Nach ein paar Stunden in denen wir machen konnten was wir wollten, gab es abends ein großes Buffet. Wo wir gerade schon einmal beim Thema Essen sind: die meisten von uns würden, wenn sie gefragt werden, was sie am meisten vermissen, wohl die polnische Küche dazuzählen. Ob Pierogi, Borschtsch oder Bigos als bekannte Nationalgerichte, ob Fleischspezialitäten, wie Würste, Leber oder Eisbein, ob Fischleckereien, wie Forelle oder Matjes, ob Süßspeisen, wie Obwarzanek oder Makowiec ‒ alles war einfach köstlich. Wir versuchten aber auch alles zu probieren und wurden dabei fast nie enttäuscht. Nicht zu vergessen bei dieser Aufzählung sind die Getränke! Abends hatten wir meistens Zeit um noch einmal zusammenzusitzen, den Tag Revue passieren zu lassen und bei einem leckeren Bier und wohltuenden Wodka ein paar Lieder zu singen. Diese Abende blieben uns so sehr im Gedächtnis, dass wir uns auch jetzt noch treffen, Lieder singen und an unsere Zeit in Polen denken. Carolin Knobel, eine der mitfahrenden Jugendlichen sagt dazu: „Die Abende werden mir besonders lange in Erinnerung bleiben und bei jedem Treffen kommen mir die schönen Erlebnisse von Polen wieder in den Sinn“ An jenem Donnerstag wurde der Abend dann mit einer eucharistischen Anbetung beendet. Diese Anbetung war aber kein schlichtes Knien vor dem Allerheiligsten, sondern eine richtige Feier. Ja im Grunde sogar eine Glaubensfeier mit Tanz, Lobpreisliedern und viel Spaß. Den Abend ließen wir dann, wie schon erwähnt, gemütlich ausklingen und gegen 2 Uhr morgens gingen wir alle müde in unsere Betten. Der nächste Tag war nämlich, wie der vorige auch, mit einem engen Programm versehen. Bereits um 8:15 Uhr stand eine Gottesdienstfeier in der Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Pfarrkirche von Bad Altheide auf dem Programm. Zu dem Zeitpunkt waren wir natürlich noch ein wenig müde, trotzdem konnten wir ermutigt und aufgeweckt die Messe verlassen und den Tag auch geistlich gestärkt bestreiten. Morgens blieb uns dann noch ein bisschen Zeit zur freien Verfügung, mittags jedoch startete unsere zweite Fahrt. Wir machten uns auf den Weg zur Glatzer Neiße nahe Bardo (Wartha), wo wir eine Raftingtour unternahmen. Manchmal ging es darum, als Erster das Ziel zu erreichen, manchmal ließen wir uns aber auch einfach treiben und genossen die herrliche Natur, das klare ruhige Wasser und die Gemeinschaft bei der ca. 5 Stunden andauernden Fahrt. Geschafft erreichten wir dann einen Grillplatz, an dem wir uns mit Krakauern sattessen konnten bis es zurück nach Altheide ging. Da es Freitag war, folgten wir der kirchlichen Tradition und polnischen Praxis den Kreuzweg zu beten. Dieser wurde besonders mit Gedenken an den Terroranschlag in München und dessen Opfer gehalten, da sich an jenem Tag dieses Schreckensszenario abspielte. Eine gewisse Unsicherheit machte sich daraufhin bei einigen Gruppenmitgliedern bemerkbar, denn der Weltjugendtag in Krakau schien auch als Anschlagsziel geeignet zu sein. Manche Teilnehmer verzichteten von daher leider auch auf den Besuch Krakaus und vor allem auf die Teilnahme an Großveranstaltungen. Ungetrübt von diesen Gedanken machten wir uns am nächsten Tag nach dem Frühstück auf den Weg nach Bad Kudowa. Dort wurden wir zu Beginn mit der Vita und insbesondere den seelsorgerischen Tätigkeiten des seligen Gerhard Hirschfelder vertraut gemacht. Auch eine Besichtigung der Schädelkapelle stand vor der gemeinsamen Eucharistiefeier auf dem Programm. Im Anschluss folgte dann ein Gebet am Grab des Seligen und die Verehrung seiner Reliquie. Diese fromme und tiefgläubige Verehrungsweise gehört wohl auch zu den in der Erinnerung bleibenden Punkten. Ähnlich wie vorm Kommunionempfang stellt man sich in einer Reihe auf, um die Reliquie, welche der Priester in den Händen hält und nach jeder Berührung säubert, zu küssen. So wird auch für Anna Dierkes aus der Telgter Reisegruppe diese Frömmigkeit der Polen unvergessen bleiben: „Der Glaube wird in Polen so viel stärker ausgelebt, als hier bei uns in Deutschland und auch die Priester erfahren eine krassere ‚Verehrung‘ “. Zum Mittagessen bekamen wir dann frisch gebratene Forellen aus einer anliegenden Zucht. Viele ließen nur verlauten: „Die beste Forelle, die ich je gegessen hab‘… mmh“. Am Nachmittag ging das Programm dann weiter. Wir besuchten die Stadt Reichenbach und durften dort ein vielfältiges Kulturprogramm miterleben. Polnische Volkstänze, Gospelmusik und Theaterstükke wurden aufgeführt, was uns die polnische Lebenskultur näherbrachte. Nach einem gemütlichen Abend, bei dem unser Liederbuch wieder voll in Einsatz kam, fielen wir alle todmüde und mit Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett. Am Sonntag, dem letzten vollständigen Tag in Altheide, ging es nämlich nach Bardo (Wartha). Viele Pilgergruppen aus aller Welt, die sich im Bistum Schweidnitz aufhielten, sammelten sich an einem Platz außerhalb des Zentrums. 220

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Von dort zogen wir dann ähnlich wie in einer Prozession zum Heiligtum der Stadt und feierten dort die heilige Messe. Diese zog sich aufgrund der verschiedenen Übersetzungen des Evangeliums, der Predigt und der vielen anderen Texte drei Stunden hin (dabei hatten wir natürlich auch keine Sitzmöglichkeiten), sodass das anschließende bunte Fest einiges an Arbeit für das Aufheitern der Stimmung zu leisten hatte. Nicht zuletzt wegen dem leckeren Bigos, den jeder zur Stärkung bekam, wurde die Stimmung jedoch wieder besser und die Zeit im Bistum Schweidnitz endete mit einem tollen Fest. Am letzten Tag in Bad Altheide hieß es dann Abschied nehmen ‒ von den Ursulinenschwestern, von Prälat Kopacz und den Kaplänen, von unserer Unterkunft und eben auch von der Stadt, die wir in den vergangenen fünf Tagen so liebgewonnen haben. Unvergessen wird für uns die große Gastfreundschaft bleiben, die wir dort erlebt haben und die vielen tollen Erfahrungen, die unsere Gruppe wirklich zusammengeschweißt haben. Jetzt machten wir uns aber erst wirklich zu unserem eigentlichen Ziel auf den Weg. Es ging nämlich nach Krakau, wo der Weltjugendtag vom 25. bis 31. Juni stattfand. Angekommen in dem kleinen Dorf Modlnica, in dem wir untergebracht wurden, hockten wir erstmal eine ganz schöne Weile auf unseren Koffern. Man hatte teils das Gefühl, als würden wegen des Weltjugendtages mehr Leute dorthin kommen, als es dort überhaupt an Einwohnern gab. Von daher nutzten wir auch diese Wartezeit zum Singen einiger Lieder bis wir dann zu unserer Unterkunft, einem traumhaften Bauernhof mit Schwimmteich geleitet wurden. Abends stellte das Dorf noch ein amüsantes Bühnenprogramm auf die Beine, wobei es unsere Aufgabe war, polnische Zungenbrecher zu wiederholen. Dem Gelächter der Polen nach zu beurteilen, stellten sich die Brasilianer aber schlechter an als wir, was uns einige Gewinne bescherte. Die folgenden Tage wurden sehr intensiv; am Dienstag fuhren wir zunächst nach Tschenstochau, dem größten Wallfahrtsort Polens, und nahmen an einer Abendandacht, bei der das Gnadenbild heruntergelassen wurde, teil. Der Mittwoch, Donnerstag und Freitag besaß dann einen ähnlichen Ablauf. Morgens fand immer eine Katechese und Eucharistiefeier mit einem Bischof statt. Anschließend hatten wir auch noch Zeit, Krakau zu erkunden und das pulsierende Feeling zu erleben, das während der ganzen Tage herrschte. Krakau als Stadt bot uns aber auch unglaublich viele Sehenswürdigkeiten. Der Wawel, die Marienkirche, die Tuchhallen, das Florianstor, die Vielzahl an Kirchen und der abgelegene Park der Barmherzigkeit mit dem Sanktuarium der heiligen Schwester Faustyna und des heiligen Johannes Paul II, unter deren Patronat der Weltjugendtag stand, wurde so auch von uns besichtigt. Abends stand dann immer ein Großereignis mit dem Papst auf dem Plan. Papst Franziskus konnte man aber auch ab und zu spontan, wenn er von einer seiner Fahrten innerhalb Polens zurückkam, sehen. Er musste nämlich jedes Mal mit seinem Papamobil über eine der zentralen Straßen Krakaus fahren, um zum erzbischöflichen Palast, in dem er untergebracht war, zu kommen. Am Samstagmorgen machten wir uns dann wie jeden Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Tag auf den Weg zum Bahnhof, doch an diesem Tag war es wie ein wirklicher Kampf, in den Zug zu kommen. Alle wollten sich an diesem Tag auf den Weg machen, denn die Vigilfeier und der große Abschlussgottesdient stand an. Nach einiger Zeit schafften wir es aber auch, Papst Franziskus unterwegs im Papamobil hineinzukommen, wobei es so eng war, dass wir unsere Füße hätten hochheben können und nicht umgefallen wären. Ein kleiner Fußmarsch folgte darauf noch und gegen Nachmittag erreichten wir den Campus Misericordiae. Jetzt hieß es aber erst einmal: Warten auf den Papst. Gegen 19 Uhr traf er dann ein und feierte mit uns Jugendlichen eine sehr bewegende Vigil. Er mahnte uns das Sofa gegen ein Paar Schuhe einzutauschen und erreichte uns damit wirklich sehr stark. Nach der Predigt bekamen alle, der ungefähr 2 Millionen Mitfeiernden, eine Kerze und das Allerheiligste wurde zur Anbetung ausgesetzt. Es herrschte dabei eine sehr andächtige Stimmung. Man konnte die Monstranz zwar nicht einmal erahnen, trotzdem vertieften sich alle ins Gebet und genossen diese Gemeinschaft, dass man wohl eine Nadel zu Boden fallen hätte hören können. Nach der Vigil spielten einige noch Karten und manche plauderten noch ein wenig bis es gegen 11 Uhr circa mucksmäuschenstill wurde und alle sich zum Schlafen auf ihre mitgebrachten Luftmatratzen begaben. Aufgeweckt durch die Sonne begann der nächste morgen um 7 Uhr. Papst Franziskus traf, früher als erwartet, um 9:15 Uhr bei uns ein und fuhr zunächst einige Runden über den riesigen Platz. Dann begann die Aussendungsmesse und am Ende verkündete der Papst den Austragungsort des nächsten Weltjugendtages: 2019 wird er in Panama stattfinden.

Weltjugendtag in Krakau

An dieser Stelle möchte ich mich im Namen unserer Gruppe bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben, dass diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde. Angefangen bei den Bad Altheidern, insbesondere Prälat Kopacz, sei auch den Organisatoren des WJT’s in Krakau unser herzlicher Dank! Danken möchte ich auch allen die uns im Gebet begleitet haben und denen, die uns in Polen untergebracht, versorgt und geführt haben. Diese große Gastfreundschaft werden wir nie vergessen! Danke!!! 222

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Heimatliche Presseschau Viel geschrieben worden ist in den letzten Jahren aus der Erinnerung über das Ankommen der Flüchtlinge und Vertriebenen im Westen. Der Zeitungsartikel aus den "Westfälische Nachrichten" vom 3. August 1946 beschreibt das Geschehen deswegen so treffend, weil er unmittelbar aus der Situation heraus geschrieben worden ist. Außerdem ist er deswegen authentisch, weil die Zeitung mit der Nr. 1 die erste dieses Verlages zu sein scheint, die nach dem Krie(Die Redaktion) ge wieder erschien!

aus „Westfälische Nachrichten“ Nr.1 vom Samstag, dem 3. August 1946 Eingesandt von Werner Bartsch

Heimat für unsere Flüchtlinge Sie haben alles verloren − Wir wollen helfen „Sei uns gegrüßt, du neue deutsche Heimat!“ Dies stand geschrieben an dem Waggon eines Flüchtlingszuges. Wie sah der Mann oder die Frau aus, aus deren Herzen dieser Ruf kam? Welche Schicksale hatten die Menschen hinter sich, die eng gedrängt mit armseliger Habe in dem Waggon zusammensaßen und nun einem Ziel entgegenfahren, das ihnen im einzelnen noch nicht einmal bekannt war? „Neue deutsche Heimat!“ Die alte hatten sie verloren. Alles hatten sie dort zurücklassen müssen, was dem Leben Halt, Stärke, Sicherheit gibt. Sie waren von Haus und Hof vertrieben, aus ihren Wohnungen ausgewiesen worden. Beruf und Arbeit waren ihnen genommen. Ausgehalten hatten sie, als die Polen ihr Land besetzten. Sie wollten sich von dem geliebten Heimatboden nicht trennen. Sie wollten die Hoffnung nicht aufgeben, daß ein neues Leben in der Heimat möglich sei, wenn auch unter schwersten Bedingungen. Krankheiten und Hunger kamen, sie darbten, und litten. Sie wurden bestraft für den Haß, den das Hitler-System gesät hatte. Die Ernte ging furchtbar auf. Sie selber hatten nicht mitgehaßt, aber da gab es keine UnterAltheider Weihnachtsbrief 2016

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scheidung mehr. Alle Deutschen mußten das Land verlassen. Ein Weniges nur durften sie mitnehmen, das zum nackten Leben Notwendigste, mit dem irgendwo wieder der Anfang einer Wohnung und eines Haushalts gemacht werden konnte. Aber auch dieses Wenige war vielen auf der Fahrt und Wanderung noch genommen. Sie besaßen oft gar nichts mehr, sie waren ganz arm geworden. Und da schrieben sie an den Waggon, der sie von der Zonengrenze ab dem Ort entgegenbrachte, wo der neue Anfang versucht werden mußte: „Sei gegrüßt, du neue deutsche Heimat!“ Hoffnung nach Leid, Bitternis und Hoffnungslosigkeit. Es würde sich ein Plätzchen finden, der wieder Heimat werden könnte. Sie waren viele hundert Kilometer durch deutsches Land gewandert und gefahren, vom äußersten Osten bis hin zum Westen. Sie hatten einen Begriff von Deutschland bekommen, den sie vorher noch nicht hatten. Wie groß und weit war dieses Land, in dem Deutsche wohnten, alle jetzt geeint in einer großen Schicksalsgemeinschaft. Für alle war der Krieg verloren; die Siegermächte hatten jeden Zoll breit Boden besetzt. Ueberall müßte nun auch Heimat sein. Die, die hatten wohnen bleiben dürfen auf altem geliebten Heimatboden, mußten neuen Heimatraum schaffen, für die, die ihr Heimatland hatten verlassen müssen. Man sehnte sich der neuen Heimat entgegen. Man mußte sie finden. Ohne Heimat konnten sie, die Flüchtlinge, nicht sein. Kein Mensch kann ohne Heimat sein. Der Waggon mit dem Grußwort an die neue deutsche Heimat hielt an der Station eines westfälischen Flüchtlingsdurchgangslagers. Aerztliche Untersuchung, Registrierung. Dann Abtransport in Dörfer des Kreises und umliegende Bauerschaften. Einweisung in Privatquartiere. Sagten da irgendwo Mann und Frau, Hausvater und Hausmutter, Bauer und Bäuerin: „Seid gegrüßt, ihr Flüchtlinge! Wir wolle euch neue Heimat schaffen!“ Sah man es den Räumen an, daß sie, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, wohnlich zum Empfang gemacht waren? Standen da Bettstellen, Schrank, Tisch, Stühle? War für etwas Hausrat vorgesorgt? War schon eine Herdstelle eingerichtet oder doch Platz für einen Ofen geschaffen, auf das fürs erste schon mal gekocht werden könnte? Ja, es hat bestimmt solche Ausnahmen gegeben, in denen der Hauch einer neuen Heimat die Flüchtlinge anwehte. Aber es ist auch das geschehen: Flüchtlinge sind wieder auf den Marktplatz zurückgefahren worden. Es sei kein Platz für sie. Die Besatzungsmacht hat eingegriffen und Aufnahme für die Flüchtlinge erzwungen. Beschämend für die, die es angeht. Wie haben ihrem Stand geschadet, wie die mit in Verruf gebracht, die doch willig und hilfsbereit die zugewiesenen Flüchtlinge aufgenommen hatten. Schlimmeres noch wurde angerichtet. In den Flüchtlingen wurde die Hoffnung zerschlagen. Dieser Lebenskeim, der sich auf der Fahrt zag, aber doch unabweisbar wieder geregt hatte, war vernich224

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tet worden. „Sei gegrüßt, du neue Heimat“, hatte an einem Waggon des langen Flüchtlingszuges gestanden. Wo war sie? Sollte es möglich sein, daß sie nicht mehr gefunden wurde? Dann wäre ja alles verloren. Verloren nicht nur für die Flüchtlinge, sondern für das ganze deutsche Volk. Wie würde es sein Schicksal bestehen, wie wieder zu lebendiger Einheit erstarken können, wenn es nicht mehr Willen und Kraft genug hätte, Heimatlosgewordenen auf deutschem Boden neue Heimat zu schaffen?

Aus: Westfälische Nachrichten, Dienstag, 19.04.2016 Eingesandt von Werner Bartsch

BdV-Präsident Fabritius übergab die Plakette an Großdechant Jung (l.)

Franz Jung erhält Ehrenplakette Berlin Bund der Vertriebenen zeichnet Großdechanten für Versöhnungsarbeit aus Hohe Auszeichnung für den emeritierten Visitator und Glatzer Großdechanten Prälat Franz Jung aus Münster: Er wurde jetzt beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen (BdV) in der Katholischen Akademie in Berlin durch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius mit der Ehrenplakette ausgezeichnet. Seit fast 33 Jahren engagiert sich Franz Jung für die Heimatvertriebenen aus der schlesischen Grafschaft Glatz und ist vielerorts bei Heimattreffen und Wallfahrten unterwegs. Großdechant Franz Jung nahm die Ehrung auch stellvertretend für alle Heimatvertriebenen entgegen, „die sich seit 70 Jahren für Verständigung und Versöhnung engagieren", heißt es in einer Pressemitteilung. Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich bei dem Festakt auch direkt an Großdechant Jung und lobte seinen vorbildlichen Einsatz: „Es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich hier sage, dass Sie die deutsch-polnische Verbundenheit geradezu leben." Jung habe gezeigt, worauf es in einer guten Nachbarschaft ankomme: „Auf Verständigung und auf Versöhnung." Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Nochmal zu: Dr. Paul Lejeune-Jung Im Weihnachtsbrief 2005, Seiten 26-30, brachten wir einen umfangreichen Beitrag über den Widerstandskämpfer Dr. Paul Lejeune-Jung, dessen Familie das Haus Sanssouci in Altheide gehörte. Der Bericht stammte zum großen Teil aus der Feder eines Mitgliedes der Familie. In der „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 20.07.2016 erschien ein Artikel mit dem Titel „Denkmal des Widerstands - Erinnerung an Paul Lejeune-Jung auf dem Friedhof in Twist“, den wir an dieser Stalle mit Genehmigung des Autors Horst Heinrich Bechtluft wiedergeben möchten:

Denkmal des Widerstands Erinnerung an Paul Lejeune-Jung auf dem Friedhof in Twist Wäre das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geglückt, dann wäre Dr. Paul Lejeune-Jung Wirtschaftsminister einer neuen Reichsregierung geworden. Auf dem Friedhof Twist-Bült erinnert ein Gedenkstein an den von den Nazis ermordeten konservativen Katholiken. Zugleich ein Denkmal für den Widerständler des 20. Juli 1944, Paul Lejeune-Jung, ist das Familiengrab Brinkmann auf dem Friedhof Twist-Bült. Foto: Bechtluft

Dr. Paul Lejeune-Jung vor dem Nazi-Volksgerichtshof in Berlin am 8. September 1944. Am selben Tag wurde er in der Hinrichtungsstätte Plötzensee erhängt. Foto: Familienarchiv Moormann

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Warum gerade hier? Von Horst Heinrich Bechtluft TWIST. Das Denkmal ist Teil einer Grabanlage der Familie des unvergessenen Twister Dorfarztes Dr. Bernhard Brinkmann (1922-1985). Dessen Ehefrau Elisabeth war die Tochter von Lejeune-Jung. Ihr Vater gehörte zum erweiterten Kreis der Stauffenberg-Gruppe, die am 20. Juli 1944 das Attentat auf Adolf Hitler verübte. Lejeune-Jung war Geschäftsführer des Vereins Deutscher Zellstofffabrikanten und von 1924 bis 1930 Mitglied des Reichstages. Er hatte für die Zeit nach erfolgreicher Beseitigung der NS-Diktatur ein wirtschaftspolitisches Konzept entwickelt und war als Minister im Reichskabinett nach Hitlers Entmachtung vorgesehen.. Nach dem Scheitern des Attentats wurde Paul Lejeune-Jung am 11. August 1944 verhaftet. Die Hauptverhandlung gegen ihn. und andere vorgesehene Mitglieder einer zukünftigen Reichsregierung fand am 7. und 8. September 1944 vor dem Nazi-Volksgerichtshof statt. Er wurde zum Tode verurteilt und noch am selben Tag zusammen mit fünf anderen Verurteilten in Berlin-Plötzensee in einer Drahtschlinge erhängt. Nachfragen der Familie ergaben später, dass der Leichnam auf Befehl Hitlers im Krematorium Wedding eingeäschert und die Asche an einem unbekannten Ort verstreut wurde. Seine Frau Hedwig Lejeune-Jung, geborene Folttmann, verstarb 1965 im Haus der Töchter in Twist und wurde auf dem dortigen Friedhof bestattet. Das Denkmal, welches auf ihrem Grab durch den bekannten Bildhauer Paul Brandenburg errichtet wurde, sollte zugleich an den toten Ehemann und an dessen Widerstand gegen den Naziterror erinnern. Der Künstler wählte das Motiv „Jonas, aus dem Walfisch steigend" als Symbol christlicher AuferstehungsHoffnung. Zusammen mit der Erinnerungstafel für Dr. Paul Lejeune-Jung könnte das Denkmal auf dem Twister Friedhof ebenso als ein Symbol der nach 1945 wiederauferstandenen Demokratie betrachtet werden. Die heute in Cloppenburg lebende Lehrerin im Ruhestand Rita Moormann, geborene Brinkmann, erinnert sich: „Am Ende ihres Lebens wohnte meine Großmutter noch vier Jahre in meinem Elternhaus in Twist. Als sie starb, war ich 15 Jahre alt. Sie hat nie von den damaligen Ereignissen erzählt. Ich nahm als 19-Jährige zusammen mit meinem Bruder Peter 1969 zum ersten Mal an einer Gedenkfeier in Plötzensee teil. Als ich die Haken in der Hinrichtungsstätte sah, dachte ich: Mein Gott, hier hat man meinen Großvater aufgehängt!" ‒ 2014 wurde vor dem großväterlichen Wohnhaus in Berlin ein „Stolperstein" zur Erinnerung an den überzeugten Christen und Widerständler Dr. Paul Lejeune-Jung gesetzt. Eine Erinnerung, die sich auf dem Friedhof Twist-Bült erst auf den zweiten Blick eröffnet. Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Es schlägt 12, als ein Maurer eben den Pinsel noch einmal eintauchen will. Er spricht: „Nä verfl….., es schleet zwelfe, on ich hätt baale nooch amool eigetunkt.“  In einer überfüllten Schulklasse saßen einige Kinder sogar vor den Bänken auf den Dielen. In der Religionsstunde wurde nun eines dieser Kinder auch gefragt: „Wozu bist Du auf Erden?“ Es antwortete: „Weil ich ei der Bank kän Plotz hoa!“  Ei der R….drofer Schule kemmt ei a dretta Joahrgang a neues Pärschla. „Wie heißt Du?“ freet der Lährer. „Franz Bendow“, sät der Jonge. „Hast Du hinten ein W?“ wiel der Lährer wessa. „Nä“, sät Franze, „mier tutt der Oarsch ne wieh!“  A oahnt woas Nu, Ernstla woas wellste, de Gißkonne oaber de Hacke?“ „Nää, dr Voater leßt bieta em a Floschazieher.“ „s´ies gutt, ich bränga glei salber.“  Ein Pfarrer erzählt in der Schule vom Paradies. Er fragt die Kinder: „Warum hat wohl der liebe Gott die beiden ersten Menschen aus dem Paradiese verjagt?“ Antwort: „Se wann ´m wull doas Groas zerlotscht hoan“.  Ein Lehrer zeigt seinen Schülern die Stadt Habelschwerdt. Gelegentlich der Besichtigung der Kirche geht er mit ihnen beim Finanzamt vorbei. „Hier ist das Finanzamt. Wer hat schon etwas davon gehört?“ Niemand meldet sich. Endlich hebt ein kleiner Junge den Finger: „Du hast schon etwas vom Finanzamt gehört?“ Schüler: „Ju, aber viel Gescheides nie!“  Ein Sommerfrischler fragt einen Holzmacher nach der Mense. Der war ein Narrensack, stellt sich unwissend und sagt: „Welche Mense menn-se denn? Menn228

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se de gruße Mense, oawer menn-se de klääne Mense?“ Soviel Mensen hatte der Fremde nicht erwartet. Er schüttelte den Kopf und murmelte: „Ich gloowe, hier verschdeht man gään teutsch?“ und ging seine Wege.  Es war im Zuge Glatz-Kudowa: Neben mir sitzt ein alter Vater. Da kommt der Schaffner die Karten revidieren. Der alte Mann sucht und dreht alle Taschen um, findet aber seine Karte nicht. Kurz vor Altheide nimmt er seinen Hut ab, um sich den Schweiß, welcher vor Aufregung hervortritt, abzuwischen, da steckt seine Karte daran, und mit froher Miene ruft er: „Schaffner, do hoa ich dos Oos!“  Ein Reisender, der auf der Bahn von Altheide nach Glatz fährt, fragt ein altes Frauchen: „Wie heißt denn die letzte Station vor Glatz?“ „Nu Patermühle“, war die Antwort. Bei der Station angekommen, sieht der Fremde hinaus und will sich überzeugen. „Ja das heißt ja Pfaffenmühle?!“ Darauf das Mütterlein: „Freilich, freilich, oaber ich wullde halt nee aso grob sein!“  Ein alter Schwank von einem klugen Pfarrherrn. Ein Pfarrer wollte sein Schweinlein schlachten. Weil er aber immer gar zu viel wegschenken mußte, wollte er das Ding für diesmal heimlich betreiben und bestellte den Fleischer erst für die Nacht. Aber der Schulmeister hatte es erschnoben und war erbost darüber, daß er nicht den gewöhnlichen Anteil bekam, auf den er fast ein Recht zu haben glaubte; denn sein festes Einkommen war kümmerlich. In einem günstigen Augenblicke nahm er von dem Schweine, was er erwischen konnte, und hing es schmunzelnd in seine Esse zum Räuchern. Aber der Pfarrer hatte bald Wind bekommen, wo seine Speckseiten und Würste hingen und sann darüber nach, wie er zu dem Seinen kommen könnte, ohne großes Aufsehen zu machen und sich mitsamt seinem Küster gar zu sehr bloßzustellen. Da rief er seinen Schaffer zu sich und überredete ihn: ,,Steig in des Schulmeisters Schornstein und rumor darin aus Leibeskräften. Ich werde dich schon wieder herausbringen, und wenn du deinen Mund hältst, so wird es dein Schade nicht sein!" Bei der ersten besten Gelegenheit stieg also der Schaffer in die Esse und kratzte und miaute darin gar schrecklich, daß dem Schulmeister die Haare zu Berge standen und er meinte, der Leibhaftige sei in sein Haus gefahren. Voll Angst lief er hinüber zum Pfarrer und bat ihn flehentlich, den Teufel zu bannen. Der geistliche Herr ging alsbald mit, trat vor die Räucherkammer und rief: ,,Alle guten Geister loben Gott den Herrn und seinen heiligen Namen." ,,On iech woll aa" kam es kläglich aus der Esse. Der Pfarrer las weiter: ,,Was ist dein Begehr?" Der Schaffer: ,,Iech wiel wieder raus. Oawer ärscht macht a Wääg frei!" Da trat der Geisterbeschwörer beherzt hinzu und machte das Türlein zur Räucherkammer auf. Alsdann gebot er dem Schulmeister: ,,Nehmt erst alles aus der Esse heraus und tragt es flink auf den Pfarrhof. Nachher wird der Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Böse seinen Weg ins Freie schon finden." Da mußte der Schulmeister wohl oder übel Speck und Würste wieder dorthin tragen, wo er sie hergeholt hatte.  Ein Junge fährt von Mittelwalde bis Wartha und fragt gleich hinter Mittelwalde bei jeder Station: „Iesn doas Holweschwärde?“, bis ein Mitfahrender forscht: „Haa, Jengla, warum freechst du dn eintlich emmerfatt?“ ‒ „Nu, die Mutter hoot gesäät: wenn de ei Holweschwärde best, on doo konnste de Schniete assa.“  „Lieber Herr Lehrer! Der Ignatz kann nicht in die Schule kommen, das Schwein wird geschlachtet.“  In einem böhmischen Dorfe an der Grenze saß der „rote Hahn“ auf dem Hause eines Besitzers. Das Haus brannte vollständig nieder, das Hausinventar aber war gerettet worden. Der auf dem Brandplatz erschienene Gendarmeriebeamte stellte im Verlaufe der Vernehmung des Besitzers, da Brandstiftung vermutet wurde, die Frage: „Haben Sie die Sachen alle rausbekommen?“ Worauf der Besitzer in seiner Einfalt erwiderte: „Nu, woas hoan mer ju raus gekricht, on ……woas hott mer halt derviere schon raus geroimt.“

Wunschzettel an das Christkind, 30er Jahre, eingesandt von Friedrich Goebel. Die Wünsche: „Einen Pullover, eine Mütze und ein paar Strümpfe. Dann: Ein Paar Skier und ein Paar Skischuhe. Das Auto, das ich angeheftet habe, möchte ich auch ganz bestimmt! Hans-Josef“

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Leserbriefe Ihnen, lieber Herr Wenzel und ihrem ganzen Team, wieder einen sehr herzlichen Dank für die viele Arbeit, die Sie sich mit dem Erscheinen des Altheider Weihnachtsbriefes gemacht haben. Schön, dass wir ihn auch in diesem Jahr wieder in der Hand haben dürfen. Danke allen Einsendern für die vielen interessanten Beiträge. Dadurch werden so viele Erinnerungen wach. Ungezählte Spaziergänge am „Toten Jungen" vorbei (da war's mir immer etwas unheimlich) nach Rückers, dort dann in der Brauerei Franke ein gutes Mittagessen. Ich habe immer noch den Geruch des Hauses in der Nase, dann über die Burg Waldstein und Buchteich, durch den Wald und an wogenden Kornfeldern und grünen Wiesen vorbei wieder zurück nach Altheide. Selige Erinnerungen, die jetzt im Alter besonders das Herz bewegen. Aus den Beiträgen und Bildern entnehme ich, dass Altheide in einem guten, gepflegten Zustand ist und sich sehr gut weiterentwickelt hat. Das ist gut zu hören. Interessant der Bericht über die Jubiläumsfeier 4./7. Juni 2015. Dank an alle diejenigen, die sich so ernsthaft und unter großem Zeitaufwand um das gute Miteinander von früheren Altheidern und heutigen Bewohnern von Polanica-Zdrój bemühen. Nur so können die Völker friedlich miteinander leben. Hildegard Ahlers geb. Kulas, Friedr.Ebert Str. 44, 26316 Varel Tel. 04451-5615 * Herzlichen Dank für Ihre letzten Nachrichten und Bilder. Und natürlich für den Altheider Weihnachtsbrief. Ich habe mich sehr gefreut, zumal ich diesmal auch etwas beigetragen habe. Die schönen Bilder machen diese Beiträge noch interessanter. Ich selbst erinnere mich auch gerne an das "Gniazdko". Leider habe ich aus der Zeit keine Bilder. Bei der Fertigstellung der Weihnachtsbriefe leisten Sie eine ganz große Arbeit. Andere Bilder zeigen Sie mit dem Team, das in Altheide immer wieder zu Hause ist und am Weihnachtsbrief arbeitet. In Henryk habe ich einen neuen Freund gefunden. Am Freitag rief er an, wir haben lange geplaudert. Auch ihn fand ich im Weihnachtsbrief. Also kenne ich jetzt die "Mannschaft" des Altheider Weihnachtsbriefes komplett. Suzanna Wycisk-Müller, Ehniweg 31a, 70439 Stuttgart Tel. 0711-8063399 *

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Liebe Mitarbeiter am Altheider Weihnachtsbrief, im Namen von Zentralstelle und Stiftung Grafschaft Glatz/Schlesien darf ich mich wieder mit einem heimatlichen „Vergelt’s Gott“ für diese Leistung, für diese Mühe, für diesen dokumentarischen Einsatz für unsere gemeinsame Heimat bedanken und Anerkennung aussprechen. Wir Grafschafter können zufrieden sein und uns andererseits sogar glücklich fühlen, dass wir auch 70 Jahre nach der Vertreibung so vielfältiges Engagement auf allen Ebenen leisten. Euer Peter Großpietsch, Grafschafter Bote, Friedhofstraße 3, 58507 Lüdenscheid Tel. 02351 / 860044, Fax 02351 / 860011 info@grafschafterbote.de, www.grafschafterbote.de * Heute haben wir den Heimatbrief, Jahrgang 2015, dankend erhalten und haben sofort mit dem Lesen begonnen. Wir waren freudig erstaunt, was es doch alles aus Bad Altheide und Umgebung zu berichten gibt. Auch haben wir wieder einen Artikel von der Glasmanufaktur und dem dort tätigen Designer gelesen. In jedem Artikel kann man etwas Neues entdecken, und wir können uns dabei gut an unsere Großeltern und Eltern erinnern. wie sie versucht haben, das teilweise sehr beschwerliche Leben zu meistern .Möge Ihre Schaffenskraft und Gesundheit zur Erstellung von Weihnachtsbriefen weiterhin bestehen bleiben. Falls auch im Jahr 2016 ein Weihnachtsbrief erscheint, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns ein Exemplar zusenden würden. Anita und Michael Ruppert, Grafenweg 7, 46562 Voerde, Tel.02855-8999930 * Es wird wieder höchste Zeit, dass ich mich für den hochinteressanten diesjährigen Altheider Weihnachtsbrief bedanke. Der Name "... brief" ist ja nun wirklich etwas überholt - die Ausgabe ist ja heute mindestens einem Buch gleich. Ich bekam ihn einen Tag bevor ich nach Vancouver flog, wo ich Weihnachten und Neujahr verlebte. So hatte ich ausgedehnt Zeit, mich der schönen Lektüre zu widmen. Wie schaffen Sie das nur alle mit den wenigen Kräften, die Sie zur Verfügung haben? Doch ich freue mich, dass Sie noch eine weitere Ausgabe beabsichtigen und werde Ihnen in den kommenden Wochen wieder einen Beitrag zusenden. Nochmals Ihnen und all Ihren fleißigen und treuen Mitarbeitern ein erfolgreiches und gesundes Neues Jahr! Ihre Eva Cherniavsky (Joseph-Lanzke) PS.: Ich war traurig, vom Tod unseres „Heini“ Bocks zu hören. Ich bin mit ihm in die 1. 2. und 3. Klasse in der Volksschule in Altheide gegangen. Wir haben uns in den letzten Jahren öfter geschrieben (wieder in Verbindung gekommen durch den Altheider Weihnachtsbrief), aber er konnte sich nicht an mich erinnern. Schade ‒ ich hatte ihn und seine Streiche nie vergessen Besonders ein Erlebnis ist mir immer in Erinnerung geblieben: er hatte mal wieder Prügel auf das „leder232

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hosengepolsterte“ Sitzteil mit dem verhassten Stock des Lehrers Andratschek(?) bekommen, hatte aber dabei nur gegrinst. Als sein Peiniger fertig war, zog Heini seelenruhig einen dicken Schal aus der Hose ‒ und grinste wieder! (Ich weiß nicht mehr, ob er dann noch mal geprügelt wurde oder nicht!) R.I.P. (“Rest in Peace"), Heini. Eva Cherniavsky geb. Joseph Lanzke, 8919-146 Street NW, Canada T5R-OV7 Edmonton/Alberta * Vielen Dank für die Übersendung der 19. Ausgabe des Altheider Weihnachtsbriefes, den ich wegen einer Reise bislang nur überfliegen konnte, aber mit dem Eindruck, dass Sie bewahren, was möglich ist, aber auch Brücken bauen. Dr. H.-A. Meißner, Anne-Frank-Str. 2, 49078 Osnabrück * Als erstes möchten meine Frau und ich herzlich für den wunderbaren 2015er Weihnachtsbrief, (Weihnachtsbuch) unseren großen Dank aussprechen. Es erscheint uns wie ein Wunder mit den vielen Beiträgen und Dokumenten die Sie mit Ihrem Team in jeder Ausgabe hervorzaubern! ! ! ! Eva und Erwin Hoffmann, Schriesheimer Str. 83, 68219 Mannheim * Heute kam der Altheider Weihnachtsbrief 2015 hier an und ich möchte mich sehr herzlich für Ihre Spende zu Gunsten unserer Bibliothek bei Ihnen bedanken. Gerne nehmen wir die aktuelle Ausgabe in unsere Bibliothek auf. i.A. Dr. Martin Kügler M.A., Kunsthandwerk/Volkskunde/Bibliothek Stellvertreter des Direktors, Schlesisches Museum zu Görlitz Untermarkt 4, D-02826 Görlitz Tel. 0049-(0)3581-87 91 133 od. 87 91 0 Fax. 0049-(0)3581 - 87 91 200 * Herzlichen Dank für den wieder so umfangreichen Weihnachtsbrief an das ganze Team. Ich habe soviel Neues über meinen Opa und Ur-Opa(mütterlicherseits) Hoffmann erfahren. Sie waren ja maßgeblich am Aufbau von Altheide beteiligt (Im Rahmen ihrer Möglichkeiten). Leider haben wir früher viel zu wenig davon erfahren. Erst im Alter interessiert man sich dafür. Also nochmals ganz herzlichen Dank an Sie und alle Ihrer Mitstreiter, und bleiben Sie gesund, damit wir uns auf den nächsten Weihnachtsbrief freuen können. Dorothea und Josef Wessel, Heinrich-Lob-Weg 22, 51145 Köln * Wie alljährlich bin ich auch heuer noch nicht zum Durchstudieren Ihres wunderschönen Weihnachtsbriefes gekommen. Aber umso mehr freue ich mich auf die Lektüre, wenn es nach den Feiertagen wieder ruhiger wird. Ein großer und lieber Dank sei Ihnen und Ihren treuen Mitstreitern gesagt. Wie viel Mühe, Zeit und Aufwand an Recherchen muss es kosten, um uns Grafschaftern jedes Jahr diese Freude zu machen! Maria Nettels, Römmelesweg 27, 71394 Kernen im Remstal * Altheider Weihnachtsbrief 2016

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Herzlichen Dank für unseren Altheider Weihnachtsbrief. Ich habe schon viel daraus gelesen und staune immer wo Sie alles erforschen und wie viel Arbeit das macht. Ich bin froh, dass ich oft in Altheide gewesen bin. Leider kann ich es gesundheitlich nicht mehr. „Schade“. Katharina Bannwitz geb. Teuber, Jaspisstr. 14a, 01662 Meissen * Ihren Altheider Weihnachtsbrief habe ich gern gelesen. Wenn Sie mir ihn noch einmal schicken, würde ich mich freuen. Dr. Axel Murken, Wilsbergerstr. 8 , 52134 Herzogenrath * Vielen Dank für den wieder sehr informativen Altheider Weihnachtsbrief 2015. Besondere Aufmerksamkeit erweckte natürlich der Beitrag – Jubiläumsfeier vom 4. Bis 7.Juni 2015 in Altheide Bad. Der historische Weg mit den Tafeln (18) aus der Geschichte Altheide`s welcher zu dieser Feier eingeweiht wurde. Tafel 5 – Bau des ersten Kur-Bades war für mich natürlich von besonderem Interesse und erfüllte mich mit Freude. Mein Vorfahr, Joseph Grolms, ließ 1828 ein hölzernes Badehaus mit acht Badewannen errichten. Der Glatzer Kaufmann J. Grolms erwarb 1827 einen Teil des Dorfes mit den damals fünf bestehenden Quellen und beschloss, hier ein Heilbad zu gründen Wolfram Grolms, Florapromenade 14, 13187 Berlin, Tel. 030-4853987 * Liebe Weihnachtsbrief-Redaktion! Im Weihnachtsbrief von 2015 war zu meiner Freude die Skizze vom oberen Falkenhain abgedruckt. Obwohl das Trafohaus, daneben: Ullrich, Stumpf, Volkmer, Seipelt, Franke und Peuker auf der westlichen Seite des Falkenhainweges (nun ulica Raymonta) fehlen, ist die Zeichnung sehr informativ. Leider sind ja nur noch sehr wenige Leute am Leben die sich an die Gegebenheiten aus der Heimat erinnern können. Zu bemerken ist aber, dass viele der aufgeführten Häuser nicht mehr vorhanden sind. Wenn man den korrekten Namen im historischen Einwohnerverzeichnis von 1937 im Internet eingibt, kann man ja erfragen wo derjenige wohnte. Hans Franke, Dorfstr. 27, 06842 Dessau-Rosslau, Ehemals Falkenhain 124 Jetzt: ulica reymonta 5, Neuer Hauseigner: Ludwig Koch * Ich möchte ganz besonders Georg Pohl danken für die schönen Reisen mit der „Altheider Gemeinschaft“ die er organisiert hat. Ich bin das vierte Mal mitgefahren. Obwohl wir nicht aus Altheide stammen, und alles nur vom Erzählen kennen, fühle ich mich doch mit dieser Gruppe heimatlich verbunden. Maria Schulze geb. Pietsch, Eichbergweg 16, 01705 Freital * Zu den Weihnachtsfeiertagen und zum bevorstehenden Jahreswechsel senden wir unseren Verwandten, Freunden und guten Bekannten recht herzliche Grüße und unsere besten Wünsche. 234

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Zugleich möchte ich meine Wünsche mit einem herzlichen Dank für den neuen Altheider Weihnachtsbrief verbinden. Es ist kaum zu ermessen, wie viel Engagement und welche Arbeitsleistung Sie für die Herstellung aufgebracht haben. Sie haben mir insbesondere mit dem Altheider Pressespiegel eine große Freude bereitet. In heimatlicher Verbundenheit Ihr Wolfgang Grosser, Elsa Brandström-Str. 186, 53227 Bonn * Die Reise nach Altheide Bad vom 30.7. - 6.8.2016 war in diesem Jahr auch wieder ein unvergessliches Erlebnis für uns Albendorfer. Georg Pohl hat diese Fahrt wieder mit viel Kraft, Herz und Feingefühlt für uns Mitreisende organisiert und die ganze Zeit begleitet. Wir möchten uns ganz herzlich bei ihm bedanken und wünschen ihm und seiner lieben Frau Ruth für die kommende Zeit alles erdenklich Gute. Vielleicht führen uns wieder einmal die Wege in das Glatzer Bergland, um die Erinnerungen an die Heimat und die schönen Reisen aufzufrischen und wachzuhalten. Danke auch dem Busfahrer Norbert, der uns freundlich und sicher durch die Berge gefahren hat. Die Albendorfer: Adelheid Schmidt, Sondersdorf-Brehna, Helmut Richter, Leipzig, Elisabeth Hoffmann, Grünstr. 19, 06749 Bitterfeld, Hans-Joachim Hoffmann, Bitterfeld * Heute kam der Weihnachtsbrief bei mir an, vielen, vielen Dank! Das ist schon kein Brief mehr, auch kein Heft sondern wirklich ein ganzes Buch. Da habt Ihr wieder mal schwer gearbeitet. Ich werde mich, sobald ich Zeit habe, dran machen, es macht mir große Freude viel darin zu lesen. Schoschana Efrati (Susi Hirschberg), Kibbutz Maabaroth, Israel 40230 * Als erstes möchte ich mich einmal für Ihre unermüdliche Arbeit und Einsatz im Rahmen des Altheider Weihnachtbriefes recht herzlich bedanken. Es ist immer wieder eine Freude in den langen Wintermonaten die interessanten Beiträge über die alte Heimat zu lesen. Für mich als "noch gerade Vorkriegskind“ sind die Erinnerungen doch recht wage und gerade deswegen die Geschichten aus Bad Altheide höchst interessant. Christoph Oppitz, Buchenstr. 15, 85640 Putzbrunn bei München *

Frohe Weihnachten! Willi Franke † Altheider Weihnachtsbrief 2016

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15 Jahre Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz – Kultur und Geschichte (AGG) Klaus Hübner Die Arbeitsgemeinschaft wurde im Jahre 2001 von Dr.-Ing. Dieter Pohl, Köln, gegründet. Ihr gehören derzeit 60 Mitglieder an. Ehrenmitglieder sind Großdechant Prälat Franz Jung, Münster, und – seit 2014 – Dr. Dieter Pohl. Jährlich findet an einem Wochenende (von Samstag- bis Sonntagmittag) Ende April – seit vielen Jahren im Franz-Hitze-Haus in Münster – die AGGArbeitstagung statt. Auf ihr werden von den Mitgliedern, aber auch von Gastreferenten Vorträge zur Geschichte und Kultur der Grafschaft Glatz gehalten und diskutiert. In den letzten Jahren nahmen regelmäßig zwischen 40 und 50 Mitglieder sowie Gäste an der Jahrestagung teil. Tagungsberichte erschienen im Grafschafter Boten sowie im Schlesischen Kulturspiegel. Die nächste AGGJahrestagung wird am 22./23. April 2017 wiederum in Münster stattfinden. Das Themenspektrum ist sehr breit und umfasst sowohl Kirchen-, Kunstund Verwaltungsgeschichte wie auch Geographie, Landeskunde, Kartographie, Wirtschafts-, Justiz- und Lokalgeschichte und vieles mehr. Regelmäßige Referenten waren oder sind Dr. Dieter Pohl (Köln), Dipl.-Ing. Manfred Spata (Bonn), Priv.-Doz. Dr. Michael Hirschfeld (Vechta), Karl-Heinz Mose (Hamburg, verstorben 2016), Dr. Horst-Alfons Meißner (Osnabrück), Dr. Werner H. Schmack (Minden) und Prof. Dr. Klaus Hübner (Mettmann). Die Vortragsthemen 2016 waren: „Joseph Knauer (1764-1844) – Erster Großdechant der Grafschaft Glatz und Fürstbischof von Breslau“ (M. Hirschfeld), „Jugendstil in Glatz“ (W. H. Schmack), „Dr. Josef Machon (1891-1961) – Bürgermeister in der Grafschaft Glatz und in Bayern“ (H.-A. Meißner), „Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau und die Grafschaft Glatz“ (J. de Wit), „Das Schlesisch-Glätzische Grenzgebirge“ (M. Spata) und „Die Grafschaft Glatzer Kreise“ (K. Hübner). Die Vorträge werden in den AGG-Mitteilungen (ISSN 1610-1308), dem Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft, veröffentlicht, die auch zusätzliche Beiträge enthalten können und in der Regel im Herbst eines Jahres erscheinen. Die neueren Hefte enthalten ein Gesamt-Inhaltsverzeichnis aller seit 2002 erschienenen Ausgaben. Sie wie auch frühere Hefte können von Gerald Doppmeier, Kampstraße 23 A, 33397 Rietberg (E-Mail: gerald@g-doppmeier.de) zu einem mäßigen Preis bezogen werden.

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Mit Erreichen des 80. Lebensjahres im Jahre 2014 hat der Gründer und seitherige Leiter der AGG die Leitung der Arbeitsgemeinschaft an Prof. Dr. iur. Klaus Hübner, Mettmann, übergeben. Er wird von Dipl.-Ing. Manfred Spata, Bonn, und Gerald Doppmeier, Rietberg, unterstützt. Interessenten an einer Mitgliedschaft oder Teilnahme an der Jahrestagung wenden sich bitte an den Leiter der AGG: Wilhelm-Busch-Weg 1, 40822 Mettmann (Mail: klaus.huebner@unidue.de).

Buchvorstellung Neu! „Schöpferisches Schlesien von A bis Z“ Band 2, ISBN 978-3-96008-438-9, Preis 19,90 € Engelsdorfer Verlag, Schongauer Str. 25, 04329 Leipzig Bezugsquellen: Verlag, Buchhandlungen, Internet, Autorin Tel. 0711 8063399 Viele Zuschriften, E-Mails, Kommentare, Hinweise, Anregungen und Bewertungen der Leser des ersten Bandes „Schöpferisches Schlesien von A bis Z“ (2014) haben die Autorin angespornt, einen zweiten Band zu erstellen, denn „es gäbe doch noch so viele Schlesier und schlesische Akzente, die es verdient hätten, nicht in Vergessenheit zu geraten“. Das stimmt gewissermaßen, denn man nannte Schlesien „Das Land der Gottsucher und Dichter“. Das Land Schlesien brachte selten Politiker oder Staatsmänner hervor: Die Begabung seiner Menschen lag eher auf künstlerischem Gebiet. Die Kultur und die Atmosphäre Schlesiens wurden geprägt von Dichtern, Dramatikern, Theologen, Malern und Bildhauern, Wissenschaftlern, großartigen Bauherren und Architekten sowie von der Handwerkskunst. Die Reihe der Lebensskizzen spiegelt das geistige und schöpferische Schlesien wider. Sie schafft einen kleinen Überblick, was Schlesier der vergangenen Jahrhunderte geleistet hatten. Und es ist leider nur ein Bruchteil. „Was Schlesien geschaffen hat, bleibt für immer seine Errungenschaft und sein Ruhm“.

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Hinweise und Bitten Werner Bartsch, Falkenhain, Kreis Glatz - Münster Die Mitgliederkarteien der Heimatgemeinschaften werden von Friedrich Goebel für Bad Altheide und Werner Bartsch für Falkenhain/ Neuwilmsdorf gepflegt. Ein Austausch dieser beiden Berichterstatter wird seither regelmäßig praktiziert. Die Dateien bilden die Basis für die Familiennachrichten im Grafschafter Boten und im Altheider Weihnachtsbrief, für den Versand des Altheider Weihnachtsbriefes, als auch für die persönlichen Glückwünsche zu den besonderen Familienfesttagen, auch durch unseren Großdechanten, Prälat Franz Jung. Die Familiennachrichten und die Glückwünsche können jedoch nur so komplett und aktuell sein, wie sie den Berichterstattern bekannt sind. Damit die Dateien auf dem neuesten Stand sind, ist eine stete unmittelbare Information erforderlich. Die nachstehend erbetenen Daten werden ausschließlich für die Heimatarbeit genutzt: Name, Vorname, Geburtsname (ggf. beider Partner), Anschrift (Straße/ Nr., PLZ, Ort), Telefon-Nummer, Heimatort (evtl. auch Straße/Nr.), Geburtstag "Er", Geburtstag "Sie", Hochzeitstag. Denken Sie dabei an mögliche Änderungen, die Sie selbst oder über die Kinder veranlassen möchten. Ergänzen Sie bitte auch Ihre Nachlassunterlagen, sodass es den Nachkommen möglich ist, entsprechend benachrichtigen zu können. Friedrich Goebel Vom-Stein-Straße 27, 49842 Harsewinkel, Tel.: 0 52 47 - 28 67

Werner Bartsch Hegerskamp 135, 48155 Münster, Tel.: 02 51 - 31 59 73, Email: bartsch-ms@online.de

Helfen Sie mit, damit wir stets aktuell sein zu können. Vielen Dank! 238

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Autorenverzeichnis Ahlers, Hildegard, Friedrich-Ebert-Str. 44, 26316 Varel Ardelt, Ludwig, Dieninckstr. 18, 48167 Münster Bartsch, Werner, Hegerskamp 135, 48155 Münster Bechtluft, Horst-Heinrich, Möhlendiek 6, 49767 Twist Bittner, Schwester Ursula, Am Busdorf 4, 33098 Paderborn Bock, Heinrich † Franke, Willi † Gertler, Erhard, Höpker-Aschoff-Weg 24, 32052 Herford Goebel, Friedrich, vom-Stein-Str. 27, 33428 Harsewinkel Gottschlich, Vera † Grosser, Wolfgang, Elsa-Brandström-Str. 186, 53227 Bonn Güttler, Michael, Wikingerstr. 4A, 48477 Hörstel Helle, Heidi und Fritz, Rosspfad 14, 40489 Düsseldorf Hübner, Dr. Klaus, Wilhelm-Busch-Weg 1, 40822 Mettmann Knappheide, Florian, Grabenstr. 9, 48291 Telgte Lutzke, Leonhard, Am Rosengarten 91, 06132 Halle Majerski, Michael, Nürnberger Str. 41. 10789 Berlin Pautsch, Eberhard, Haus-Endt-Str. 30, 40593 Düsseldorf Pohl, Georg, Gewerbestr. 84, 79194 Gundelfingen Schindler, Reinhard, Behaimring 1, 45307 Essen Schmidt, Adelheid, Bergmanns Winkel 5, 06792 Sandersdorf Schneider Erika, Hallstr. 15A, 96515 Sonneberg Scholz, Eberhard, Defreggerweg 3, 85778 Haimhausen Schulze, Maria, Eichbergweg 16, 01705 Freital Spata, Manfred, Zingsheimer Str. 2, 53225 Bonn Tamme, Edeltraud, Quantzweg 8, 01454 Radeberg Wenzel, Georg, Bramscher Str. 25, 49811 Lingen Wolf, Josef, Münsterstr. 38, 48624 Schöppingen

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Wichtige Adressen auf einen Blick Heimatgemeinschaft Altheide Bad: Georg Pohl, Gewerbestr. 84, 79194 Gundelfingen, Tel. 0761-583856 Heimatgemeinschaft Falkenhain / Neuwilmsdorf und Mitgliederdateien Falkenhain / Neuwilmsdorf / Altheide Bad: Werner Bartsch, Hegerskamp 135, 48155 Münster, Tel. 0251-315973 E-mail: bartsch-ms@online.de

Einsendeschluss für den Weihnachtsbrief 2017

ist der 15. September 2017. Später eingehende Beiträge, Fotos, Familienereignisse usw. können nicht mehr berücksichtigt werden. Weihnachtsbriefversand: Verwandte, Freunde, Bekannte aus und um Altheide, Falkenhain, Neuwilmsdorf, die den Weihnachtsbrief nicht erhalten, oder wenn sich Probleme in der Postzustellung ergeben haben sollten, oder Nachbestellungen bitte melden bei: Friedrich Goebel, v.-Steinstr. 27, 33428 Harsewinkel, Tel. 05247

Redaktion „Weihnachtsbrief“

Georg Wenzel Eberhard Scholz Manuskripte, Kopien, Fotos, sonstige Unterlagen zur Veröffentlichung im Weihnachtsbrief an: Georg Wenzel, Bramscher Str. 25, 49811 Lingen, Tel. 05906-1238 E-mail: wenzel-lingen@t-online.de. Bankverbindung Heimatgemeinschaft Altheide Bad – Weihnachtsbrief – Lingen: IBAN: DE 58 2666 0060 1133 0406 00 – Volksbank Lingen BIC: GENODEF1LIG

Impressum: Verantwortlich für den Inhalt : Georg Wenzel, Bramscher Str. 25, 49811 Lingen (Ems), Telefon: 05906-1238 E-Mail: wenzel-lingen@t-online.de Druck:

Twenning Druck & Werbung, Tel.: 05976 - 94304

Versand:

Friedrich Goebel, v.-Stein-Str. 27, 33428 Harsewinkel, Telefon: 05247 - 2867

Gestaltung: Eberhard Scholz, Defreggerweg 3, 85778 Haimhausen, Telefon: 08133 - 6773 E-Mail: scholz.eberhard@gmx.de 240

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