Armenischer Saxofonist und baskischer Akkordeonspieler als exotisches Duo


Alle Photos auf dieser Seite: Hans Kumpf 

Eine ungewöhnliche Besetzung bescherte der Konzertgemeinde Schwäbisch Hall e.V. einen äußerst gut gefüllten Neubausaal. Besonderen Applaus fanden dabei bewährte Klassik-Hits.

Schwäbisch Hall.-„Bravo-Rufe“ und schlussendlich „stehende Ovationen“ vom „ungewöhnlich zahlreichen Publikum“ vermeldete die Lokalgazette, als 2006 Koryun Asatryan und Enrique Ugarte erstmals im Neubausaal auftraten. Jetzt wussten der Saxofonist und der Akkordeonspieler mit ihrer Virtuosität und der populären Titelauswahl erneut zu begeistern. Diesmal ist noch aus Stuttgart ein Übertragungswagen des Südwestrundfunks gekommen, um das Konzert aufzuzeichnen und dies weltweit zu vermitteln.

Freilich: Die meisten der dargebotenen Stücke waren auch bei dem damaligen Hall-Debüt zu hören. Als neu erwiesen sich jetzt zwei mit Giora Feidman bekannt gewordene Klezmer-Nummern. Der vielseitige Ugarte, 1957 im Baskenland geboren, konnte sich auch als Begleiter des in Argentinien aufgewachsenen jüdischen Musikers bewähren, und der mittlerweile 26-jährige Armenier Asatryan hat hier die gewitzte Klarinettenmusik kompetent für das Sopransaxofon adaptiert. Geblieben sind – wie in „ShiriFreilach“ – das musikalische Lachen und Seufzen, das Hauchen und Fauchen. Koryun Asatryan, der bereits als Teenager nach Deutschland kam und neuerdings an der Münchener Musikhochschule doziert, beherrscht die vielseitigen Saxofontechniken. Da vermag er klassisch allerreinst zu intonieren, als bediene er eine keusche Blockflöte, und er kann auch avanciert-avantgardistisch geräuschhaft agieren.

Da hat er sich wieder als solistisches Paradestück die beliebte Etüde „Jungle“ des 1952 in Tunesien geborenen französischen Komponisten Christian Lauba vorgenommen. Anweisungsgemäß lässt Koryun Asatryan auf dem Altsaxofon quirlige Klangströme („sheetsofsounds“) los, trickst mit perkussiv-rhythmischen Knalleffekten und mit diffizilen Oberton-Changierungen samt polyphonen „Harmonics“. Ausgesprochene Jazzambitionen samt dem Primat der Improvisation hegt dieserveritableSaxofonist allerdings nicht.

Ein Knopfakkordeon wie die beiden französischen Crossover-Spezialisten Richard Galliano und Jean-Louis Matinier zieht und drückt der Spanier Enrique Ugarte nicht, sondern ein Instrument mit Klaviertastatur auf der rechten Diskantseite. Aber auch damit schaffte er es, feinste Nuancen zu entwickeln. Sachte säuselt er, vibriert intensiv und kann ordentlich aufbrausen. Das kompositorische Material hierzu stammt bevorzugt von dem legendären argentinischen Bandoneon-Meister und Protagonisten des konzertanten Tangos, Astor Piazzolla (1921-1992). 

Beeindruckend, was Enrique Ugarte als Instrumentalist zustande bringt – zumal er sich noch als Dirigent (gerne mit Filmmusik und auch mal mit der Gruppe „Quadro Nuevo“) und als gewiefter Arrangeur verdingt.
So hat er alle Duo-Stücke für ihn und Koryun Asatryan bearbeitet. Ein Saxofon-Akkordeon-Ensemble ist schließlich nicht die Norm im musikalischen Betrieb. Seien es zwei Stücke aus Georges Bizets „Carmen“ oder grenzüberschreitend ein ungarischer „Czardos“ des Italieners Vittorio (nicht Mario!) Monti und die „Brasileira“ des Franzosen Darius Milhaud: Wohlbekanntes im ungewöhnlichen Sound.

Zu guter Letzt zwei klassische Gassenhauer. Da kündigte Ugarte gerne – heimatlich verbunden – den französischen Basken Maurice Ravel und dessen „Bolero“ an. Die ursprüngliche Ballettnummer mit dem gewaltigen dynamischen und klanglichen Crescendo im großen Orchesterapparat modelten beispielsweise schon die Jazzpianisten Yosuke Yamashita und Jacky Terrasson fulminant für ein Soloinstrument um. Und nun wechselten sich in dieser Steigerung der Akkordeonist Ugarte und der sukzessive sowohl zum Sopran- als auch Altsaxofon greifende Asatryan bei den nur sieben Durchgängen mit dem triolischen Rhythmus-Part und der Hauptmelodie ab. Der Bläser aus Armenien brillierte sodann mit dem schmissigen „Säbeltanz“ aus „Gayaneh“ seines Landsmannes Aram Chatschaturyan. Großer Jubel seitens der Zuhörerschaft, die jedoch bei all der Euphorie heuer auf den Polstersesseln sitzen blieb.

Info: Der Südwestrundfunk strahlt den in Hall gefertigten Mitschnitt in seinem zweiten Hörfunkprogramm am Dienstag, 13. März 2012, um 13.05 Uhr auf dem Sendeplatz „SWR2 Mittagskonzert“ aus.  

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