Unsere Autorin Vanessa Schön sinniert über die fast vergessene Tradition der Aussteuer und plädiert für ein modernes Revival. Als Mutter eines fast 20-jährigen Kindes, welches über kurz oder lang seinen Auszug plant, hat sie eine Liste zusammengeschrieben, die im Beitrag als Download zur Verfügung steht.

Text: Vanessa Schön

Auf dem Dachboden im Haus meiner Großeltern stand zu meiner Kinderzeit seit ich denken konnte ein Schrank. In dem Schrank wiederum stand ein Koffer und drumherum noch ein paar Kartons. Für meine damaligen Begriffe alles ein wenig seltsam, denn der Koffer samt Inhalt und die Kartons sollten mir gehören, sagte mir meine Oma. Aber spielen durfte ich damit nicht. Das ist deine Aussteuer! 

Meine Aussteuer hat meine Uroma gesammelt und sie sei dazu gedacht, dass ich sie irgendwann, wenn ich einmal heiraten und einen eigenen Hausstandgründen würde, sozusagen als Startkapital mitbekäme.

Als Kindergarten- und Grundschulkind kam mir das alles reichlich suspekt vor. Ich hatte nicht vor irgendjemanden zu heiraten und ich würde mit an absolute Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals aus diesem Haus ausziehen, indem wir mit meinen Großeltern lebten. Nur drei Häuser entfernt von meiner besten Freundin. Ausserdem interessierte mich damals schon brennend, wo denn eigentlich der Koffer meines Bruders wäre. Denn wenn einer von uns nur mit Zugabe einer Salatschüssel aus rostfreiem Edelstahl an den Mann bzw. die Frau zu bringen sei, dann ja wohl eher er als ich. Da muss man realistisch sein.

Die Jahre vergingen und als ich Ende der Neunziger mit gerade 18 in meine erste eigene Wohnung zog, befand sich diese tatsächlich genau in diesem Dachgeschoss im Haus meiner Grosseltern. Dort, wo der hässliche braune Kunstlederkoffer die ganzen Jahre auf mich gewartet hatte. Schon damals, 1998, war das mit der Aussteuer hier in unseren mitteldeutschen Breitengraden eine etwas aus der Zeit gefallene Angelegenheit. Also bekam ich auch ohne Ring am Finger endlich die Freigabe, den Koffer, wir könnten auch die Büchse der Pandora dazu sagen, zu öffnen. Und was war drin?  

Eine Bestandsaufnahme

Mit meiner Geburt Ende 1979 hatte Oma Frieda angefangen in meine Zukunft zu investieren und man muss sagen, manche Dinge sind besser gealtert als andere. Das Besteck z.B. liegt auch jetzt noch in unseren Schubladen. Die braunen und orangen Handtücher mit großblumiger Velourborte hingegen habe ich direkt ins Erdgeschoss an Oma weitergereicht . Heute wären es vielleicht ganz gut zu versilbernde Vintageschätzchen, aber im Ernst, wer bewahrt denn dafür 25 Jahre lang hässliche Handtücher und Bettwäsche auf? Und trotzdem sitze ich heute hier, 2023, und schreibe, dass ich Aussteuer mittlerweile WIEDER für eine gute Idee halte. Und zwar für alle Geschlechter. Ja, spinne ich denn? 

Kleines Refresh für ‚ne alte Idee 

Wenn ich das heute schreibe, dann als Mutter eines fast 20jährigen Kindes, welches über kurz oder lang seinen Auszug plant. Und dieses Kind hat keinen hässlichen braunen Koffer irgendwo, in dem Ur-Omma fragwürdige Cromargan Schalen und rosa-orange Bettwäsche gehortet hat. Schlimmer noch: Der Haushalt der Eltern ist dem pragmatischen Minimalismus anheim gefallen. Kaum etwas ist doppelt oder gar dreifach vorhanden, nichts ist übrig um künftig das Sortiment einer Studentinnenbude zu ergänzen. Und nu? 

Kistenweise Kram 

Damit das gute Kind nun aber trotzdem ihren eigenen Hausstand demnächst nicht from scratchgründen muss und damit die Familie auch jetzt, wo man sich von Oma weder Spielzeug noch Kleidung wünscht, mal was schenken kann, was sich nicht aufs Giro einzahlen lässt, habe ich mit meiner Tochter gemeinsam eine Liste gemacht, was sie so an Grundausstattung ausser Möbeln für eine eigene Bude braucht. Wir haben eine große Kiste gekauft und auf unseren Dachboden gestellt in der wir solche Dinge nun sammeln können. In unserem Fall die größte verfügbare Plastikbox vom Möbelschweden.  Sicherlich etwas uncharmanter, als die großen sargähnlichen Holztruhen die man andererorts (Grüße gehen raus an Volker und Julia!) oder zu anderer Zeit dafür bereithielt, da bleiben wir der familiären Linie treu, aber es kommt ja auf den Inhalt an.   

Auf der Liste sind die Dinge extra gekennzeichnet, die man meiner Tochter gefahrlos schenken kann, weil sie nicht unbedingt geschmacksabhängig oder verhältnismäßig zeitlos sind.  Darüber hinaus hat sie aufgeschrieben, was ihr z.B. für Geschirr persönlich gefällt. Aber Achtung: Da sie schon knapp 20 ist und der Auszug nicht mehr so lange hin ist, ist das relativ ungefährlich. Wer bei einem siebenjährigen Kind anfangen wollen würde zu sammeln, fragt besser noch nicht nach sowas. Keiner will in seiner ersten eigenen Bude von Melamin Geschirr mit Lutz Mauder Motiven essen, weil er vor 13 Jahren mal ein Meerjungfrauenfaible hatte.  

Worauf achten wir denn jetzt? 

Die goldene Regel, die wir festgelegt haben, ist, dass alles was sie nicht selbst aussucht, möglichst schlicht gehalten sein soll. Keine Kühe, Hähne, Hennen, Gänse. Keine wilden Muster. Nicht rot. Nicht blau. Und ich denke, dass darf und sollte man auch klar so kommunizieren, denn der Schenkende möchte ja, dass das Geschenk auch gefällt und genutzt wird. Und das gar nicht alle Menschen tatsächlich auf auf blassgelbe Tabletts mit einem Aufdruck aus mediterranem Gemüse stehen, ist manchen eben nicht ganz so klar.  

Alles also eher weiß oder grau und ohne Muster und Motive, so dass es sich in die spätere Wohnungseinrichtung gut einfügt. Egal ob die schwarz, grün, pink oder weiß sein wird. Das erhöht auch die Kompatibilität, wenn man dann irgendwann ggf. mal zwei Haushalte zusammenlegt.  

Bei den Dingen, die eher geschmacksabhängig sind, bietet sich an, einen Gutschein vom Fachhandel zu kaufen oder einfach mal gemeinsam diese Dinge einzukaufen. Und immer VORHER drüber sprechen. Die Vorstellung meiner Tochter von ihrem zukünftigen Geschirr ist z.B. eher eklektisch und damit wird sie wohl im Sozialkaufhaus eher fündig, als im Möbelhaus oder im Fachhandel.  

Töpfe, Pfannen und auch den Akkuschrauber erwirtschaften die Omas bei uns jetzt mit sportlichem Ehrgeiz im Treuepunktesortiment des örtlichen Supermarkts. 

Wir haben auch besprochen, dass nicht zwangsläufig alles neu sein muss. So ist die gute Bosch MUM Küchenmaschine z.B. in die Kiste meiner Tochter gewandert, als wir den Haushalt ihrer Uroma aufgelöst haben. Auch Salz- und Pfeffermühle sind aus Omas Erbe und das hat nicht nur einen schönen sentimentalen Hintergrund, sondern ist auch noch nachhaltig und spart Geld. Mancher alte Plünn von meiner Omma ist ja heute schon wieder ein rares Einzelstück und gefeiertes Vintageschätzchen. Womit wir ja quasi wieder bei meinem braunen Koffer wären.

Unsere Autorin Vanessa Schön hat den Beitrag persönlich für euch eingesprochen:

Die Aussteuer-Liste von Vanessa kannst du über den Download-Button als pdf herunterladen:

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