Siehst Du auch überall glitzernde Einhörner? Das ist die Erklärung
Sinn und Konsum

Siehst Du auch überall glitzernde Einhörner? Das ist die Erklärung

Als mir zum ersten Mal aufgefallen ist, dass immer mehr Produkte mit Einhörnern beworben werden, dachte ich, das sei ein belangloser Trend. Aber wer ihn sich genauer ansieht, kann etwas Frappierendes über den Seelenzustand vieler Menschen in dieser Zeit verstehen.

Profilbild von Theresa Bäuerlein
Reporterin für Sinn und Konsum

Zuerst kamen die Eulen. Plötzlich waren sie überall, in niedlichen Cartoon-Versionen, auf Sweatshirts und Notizbüchern, als USB-Stick und Stofftier. Manche Menschen ließen sich süße Eulen-Tattoos in die Haut stechen. Als die Begeisterung für Eulen nachließ, drängten die Flamingos auf den Markt. 150.000 Artikel mit Flamingo-Motiven bietet Amazon mittlerweile an. Aber der Erfolg beider Vögel verblasst im Vergleich zu dem größten Ding, das die Nachfrage nach Kitschzeug seit Jahren erlebt hat: Wir befinden uns nun in der Ära der Einhörner, und wer das noch nicht mitgebekommen hat, wird es bald merken.

Jeder Mensch hat mindestens ein gehörntes Fantasiepferd in seiner Umgebung, und sei es nur als Emoticon. Aber diesmal ist etwas anders. Diesmal geht es nicht mehr nur um einen kleinen Trend für Kinder und junge Frauen, die eine Vorliebe für niedliche Cartoon-Tiere haben. Die Menschen sind von Einhörnern besessen.

Wer das übertrieben findet, braucht sich nur ansehen, was passiert ist, als der Schokoladenhersteller Ritter Sport November 2016 eine weiße Einhorn-Edition anbot, komplett mit “Joghurt-Cassis-Himbeerregenbogen”. Der Andrang war so groß, dass der Webshop von Ritter Sport zeitweise zusammenbrach. Innerhalb von 24 Stunden waren alle 100.000 Tafeln ausverkauft, und der Hersteller legte noch einmal 150.000 nach - dann gingen ihm, wie er enttäuschten Fans erklärte, die Rohstoffe aus. Bis heute wird die Einhorn-Edition auf Ebay für bis zu 65 Euro pro Stück angeboten (im Laden kostete die Tafel 1,99)

https://twitter.com/RITTER_SPORT_DE/status/793849434916388864/photo/1?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=http%3A%2F%2Fwww.stern.de%2Fgenuss%2Ftrends%2F-glittersport--einhorn-schokolade-nach-einem-tag-schon-ausverkauft-7132296.html

Geschmack: Hotdog-Wasser und Minzpastillen

Im April 2017 folgte die amerikanische Variante, als Starbucks für kurze Zeit den Einhorn-Frappuccino anbot. Mit Worten wie “atemberaubend”, “lebensverändernd” und “magisch” warb das Unternehmen für ein rosa-blau gefärbtes Getränk mit Sprühsahne und glitzernden Sprenkeln. Der britische Guardian empörte sich gegen “Starbuck’s jüngstes Verbrechen gegen den Kaffee”. Dabei war Kaffee so ziemlich die einzige Zutat, die in dem magentafarbenen Gebräu nicht drin war.

Den Kunden war es sowieso egal, niemand kaufte das Zeug des Geschmacks wegen, den manche angewidert als “eine Mischung aus Hotdog-Wasser und Minzpastillen” beschrieben. Es ging nur ums Ergattern und darum, ein Selfie mit Einhorn-Trank ins Internet zu stellen, bevor er ausverkauft war. Wenn man bei Instagram nach #unicornfrappucino sucht, erhält man mehr als 150.000 Ergebnisse. Und das sind nur die Fotos mit Hashtag. Starbucks bescherte die Aktion kostenlose Werbung in sozialen Medien im Wert von Millionen.

https://www.instagram.com/p/BWdGwHIBLiL/

Das Fantasiepferd scheint eine wilde Sehnsucht bei den Kunden zu wecken, die niemand vorhersehen konnte. Umso mehr versucht jeder Hersteller, der den Zeitgeist mitgekriegt hat und Einhorn-Kontext bei seinen Produkten irgendwie rechtfertigen kann, jetzt ebenfalls Einhorn-Editionen herauszubringen. Es gibt Einhorn-Tee, der “regenbogentastisch” schmecken soll, Einhorn-Duschgel, Einhorn-Wurst und Einhorn-Wasser. Es gibt Einhorn-Klopapier (mit Zuckerwatteduft). Man braucht keinerlei Fantasie, um zu erraten, welches Kostüm die Deutschen 2017 am häufigsten online suchten.