Mit geschultem Blick

MUNDUS
Ausgabe Nr. 1/2014, Seite 58ff

August Riedel, Römerin aus Albano

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Künstler wieder zu entdecken, die zu Lebzeiten einen erstklassigen Ruf genossen haben, aber ungeachtet herausragender Qualität in Vergessenheit geraten sind“, so beschreibt Dr. Alexander Kunkel seinen Impetus als selbständiger Kunsthändler. 1979 wurde er in Buenos Aires geboren und wuchs in München auf, wo er von 2000 bis 2005 als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes Kunstgeschichte, Geschichte und Literatur studierte. Erste Erfahrungen im internationalen Kunsthandel sammelte Kunkel bereits während des Studiums, z.B. bei Christie’s in London. Richtungweisend für die Schwerpunktsetzung seines Kunsthandels war die wissenschaftliche Aufarbeitung von Leben und Werk des Malers und Zeichners Heinrich Kley (1863–1945). Kunkels minutiös recherchierte Dissertation bildete die Grundlage für die von ihm kuratierte Ausstellung Heinrich Kley. Meister der Zeichenfeder im Kontext seiner Zeit. Von Max Klinger bis Walt Disney, die 2011 im Museum Villa Stuck in München sowie im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zu sehen war.

Trotz dieser geradezu klassischen Voraussetzungen hat sich Alexander Kunkel gegen eine Karriere im institutionellen Ausstellungs- und Sammlungsbetrieb entschieden. Der Schritt in die Selbständigkeit als Kunsthändler erfolgte 2012 – KUNKEL FINE ART ist seither auf den Ankauf und Verkauf sowie die Vermittlung vorwiegend deutscher Zeichnungen und Gemälde des mittleren 19. bis frühen 20. Jahrhunderts spezialisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Positionen: Künstler in Italien, Künstler zwischen Salon und Sezession sowie Künstler der Jugend und des Simplicissimus.

Adolf Hiremy-Hirschl, Der einzige Zeuge

Die spezische Ausrichtung von KUNKEL FINE ART resultiert aus dem profunden Fachwissen des jungen Kunsthistorikers sowie dem Ansatz, eine an künstlerischen Strömungen überaus reiche Epoche neu zu betrachten und zu bewerten. Seinem geschulten Blick und seinen persönlichen Vorlieben ist es geschuldet, dass Alexander Kunkels Interesse und Engagement vornehmlich Künstlern gilt, deren Namen oftmals nur noch Kennern ein Begriff ist. Diese Spezialisierung stellt seiner Meinung nach eine besondere Chance dar, sich als Newcomer von bereits etablierten Mitbewerbern erfolgreich abzuheben. Die Ursache hierfür reicht weit zurück, denn schon früh regte sich in ihm die Sammel- und Entdeckerleidenschaft. Im Alter von fünfzehn Jahren ersteigerte er seine erste eigene Zeichnung bei einer Kunstauktion: es war ein Werk von Heinrich Kley! Während des Studiums folgten dann diverse Praktika sowohl in Museen als auch im Kunsthandel, in deren Rahmen Kunkel erste wichtige Kontakte zu renommierten Spezialisten knüpfen konnte. Die weitreichende Vernetzung innerhalb der Fachwelt ist für ihn aus heutiger Sicht von unschätzbarem Wert, ist sie doch unerlässlich für jede erfolgreiche Tätigkeit im internationalen Kunsthandel.

Albert von Keller, Lilly disgeistes

Mut zur Qualität

Die Grundlagen für Alexander Kunkels kunsthändlerische Tätigkeit bilden umfassende Sachkenntnis, sorgfältige kunsthistorische Recherche und unermüdliche Neugier. Ob Künstler ihn nachhaltig ansprechen, deren Werke ihn faszinieren – dafür sind vor allem technische Könnerschaft, ästhetische Qualität und inhaltliche Originalität ausschlaggebend. Kunkel ist sich durchaus bewusst, dass er mit seiner Vorliebe für bislang zu wenig beachtete Kunstströmungen nicht den Geschmack breiter Käuferschichten anspricht. Vielmehr sucht er den Zugang zu einem aufgeschlossenen Kreis gerade auch jüngerer Sammler, die sich nicht allein von großen Namen beeindrucken lassen, sondern ein offenes Auge für exquisite Werke abseits traditioneller kunsthistorischer Pfade haben. Hierfür eine neue Präsenz zu schaffen und damit eine neue Wertigkeit zu etablieren, sind die erklärten Ziele von Alexander Kunkel.

 

Unbekannte Meisterwerke

Das Angebot von KUNKEL FINE ART bietet innerhalb seiner drei Schwerpunkte eine reizvolle Mischung unterschiedlicher künstlerischer Positionen. Viele deutsche Künstler reisten während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nach Italien, das in diesem Zeitraum wie kein anderes europäisches Land eine besondere Anziehungskraft ausübte. Einer der Künstler im Programm, die es nach Italien zog und dem das Land zur zweiten Heimat wurde, war der deutsche Maler August Riedel. Seine Römerin aus Albano, um 1850 entstanden, besticht vor allem durch Anmut in der Darstellung und subtiles Kolorit. Das Gemälde wurde unmittelbar nach seiner Entstehung von König Wilhelm I. von Württemberg im Atelier des Künstlers erworben, der damit dem wichtigsten deutschen Kunstsammler seiner Zeit zuvorkam: auch Ludwig I. von Bayern hatte ein Auge auf die junge Dame geworfen. Er musste jedoch mit einer kleinen Gouache-Replik des Gemäldes Vorlieb nehmen, die sich heute in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München befindet.

Franz von Bayros, Die Logik des Scheidens

Der österreichische Zeichner Franz von Bayros repräsentiert im Programm von KUNKEL FINE ART die Vertreter der sogenannten Salons und Sezessionen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es für Künstler quasi unerlässlich, sich im Rahmen eines Salons, einer nach französischem Vorbild benannten offiziellen Kunstausstellung, zu präsentieren. Als Reaktion auf die offiziell jurierten Ausstellungen der Salons, die abweichende Tendenzen häufig ausschlossen, gründeten sich ab den 1890er Jahren zahlreiche Sezessionen. Die Organisation juryfreier Kunstschauen durch vornehmlich junge Künstler veränderte den damaligen Kunstbetrieb nachhaltig und eröffnete Spielräume für neue Kunstauffassungen. Franz von Bayros etwa wurde zu Lebzeiten als Zeichner des Galanten, des Frivolen und Erotischen bekannt. Seine Gouache Die Logik des Scheidens, 1913 in der populären illustrierten Zeitschrift Lustige Blätter erschienen, ist ein typisches Beispiel für die raffinierte Bildsprache des Künstlers und zeichnet sich ebenso durch eine zarte Linienführung wie auch durch eine originelle Bildidee aus. Der Dialog der beiden jungen Damen erläutert die Szenerie: „Du willst dich scheiden lassen?“ – „Ja. Ich finde Scheiden viel logischer als Heiraten.“ – „Wieso denn?“ – „Nun, warum sie heiratet, weiß keine Frau. Aber warum sie sich scheiden lässt, weiß jede.

Eduard Thöny, Klassenjustiz

Eduard Thöny, ein österreichischer Zeichner und Karikaturist, zählt mit seinen Darstellungen aus dem Militär- und Gesellschaftsleben zu den Stellvertretern der Rubrik Jugend und Simplicissimus bei KUNKEL FINE ART. Die beiden illustrierten Zeitschriften erschienen ab 1896 in München und zogen vor allem eine junge Künstlergeneration an. Viele aufstrebende Talente arbeiteten fortan für beide Zeitschriften und hatten damit die Möglichkeit, ihre Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Thöny gehörte zu den wichtigsten Mitarbeitern des Simplicissimus, der durch seine Karikaturen zum führenden Satireblatt des deutschen Kaiserreiches avancierte. Die als Titelblatt abgedruckte Zeichnung Klassenjustiz aus dem Jahr 1899 offenbart seine in Paris erworbenen Kenntnisse der französischen Plakatkunst der Jahrhundertwende sowie seine Experimentierfreude mit künstlerischen Mitteln. Für die raffiniert komponierte Zeichnung schnitt Thöny zunächst Schablonen der einzelnen Figuren aus, die er dann durch eine mehrstufige Spritztechnik anlegte, um abschließend mit Feder und Pinsel die Binnenzeichnung auszuarbeiten. Der Text gibt Aufschluss über das Gesprächsthema der eleganten Gesellschaft: „Mit Preußen geht es faktisch abwärts, jetzt ist die sächsische Justiz uns schon an Schneidigkeit über.

Ob mediterranes Lebensgefühl, mondäne Eleganz oder hintergründige Karikaturen – KUNKEL FINE ART lädt jeden Kunstliebhaber auf eine spannende Entdeckungsreise rund um die Malerei und Zeichenkunst des mittleren 19. bis frühen 20. Jahrhunderts ein.

Text: Britta Acquistapace