Mautskepsis auch in Bayern

Setzt sich Deutschlands Verkehrsminister durch, müssen Österreicher hinter der Grenze ab 2016 auf allen Straßen Maut bezahlen
Tourismus und Handel befürchten, dass weniger Österreicher kommen. Bures gegen "Gegen-Foul".

Noch ist es Zukunftsmusik. "Aber es kommen schon Italiener, Österreicher und Schweizer und sagen: Wir wollen die Maut zahlen", erzählt die Mitarbeiterin an einer Tankstelle zwischen Tirol und Bayern. Frühestens 2016 soll die Vignette eingeführt werden, die Ausländer für alle Straßen in Deutschland lösen müssten (siehe Artikel unten). Doch über die möglichen Konsequenzen wird in Regionen an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland bereits heiß diskutiert. Kritik kommt dabei nicht nur von jenen, die für das Mautpickerl zahlen müssten. Ausgerechnet im Freistaat Bayern, in dem CSU-Politiker das Modell erdacht haben, fürchten Handel und Tourismus um einen Teil ihres Geschäfts.

"Jede zusätzliche Ausgabe senkt die Bereitschaft, wohin zu fahren. Eine Maut für Österreicher auf deutschen Straßen ist aus meiner Sicht negativ zu bewerten", sagt Anton Höfter, Chef des Alpamare im oberbayerischen Bad Tölz. Ein Viertel seiner Kundschaft kommt aus Tirol und Salzburg. Das Erlebnisbad ist ein klassisches Tagesausflugsziel. Mit seiner Kritik ist Höfter in Bayern nicht allein. "Diese Maut hat sicher einen negativen Effekt auf den Tourismus. Wir sind sehr verhalten in unserer Begeisterung", sagt Robert Salzl, Präsident vom Tourismusverband Oberbayern.

Keine Ausflüge mehr

Zum Essen oder für einen Saunabesuch fährt der Kufsteiner Hans-Kunibert Rauch hin und wieder über die Grenze nach Deutschland, erzählt er bei einem Lokalaugenschein des KURIER in der Tiroler Grenzstadt. "Eine Maut auf Bundesstraßen finde ich lächerlich. Wenn das kommt, fahre ich gar nicht mehr rüber", sagt der Pensionist, der sich im Gespräch als Vater des Ex-VP-Generalsekretärs Johannes Rauch herausstellt.

Für Barbara Kaar aus Niederndorf führt indes kein Weg an der Vignette vorbei. "Wenn man im Grenzbereich lebt, braucht man sie. Aber wenn das in Deutschland eingeführt wird, sollte es auch bei uns eine Maut auf den Bundesstraßen geben." Keine wirkliche Wahl sieht auch Stefan Aschenbrenner aus Ebbs. "Ich kommen nicht drum herum, immer wieder nach Deutschland zu fahren. Wir haben dort Freunde."

Bayern und Tirol sind freundschaftlich verbunden. Die Beziehungen sind eng. Auch die wirtschaftlichen. "Das hat Tradition", sagt Günter Boncelet vom City Management des bayerischen Rosenheim. Das nennt sich selbst "Einkaufsstadt" und ist nur rund 40 Kilometer von Kufstein entfernt. "Die Kundschaft aus Tirol ist durchaus relevant für uns. Wir sehen die Maut mit Sorgen", so Boncelet, der aber auch darauf hinweist, dass umgekehrt die Asfinag vor einigen Monaten den mautfreien Korridor zwischen der Grenze und Kufstein vignettenpflichtig gemacht hat. Sehr zum Ärger der Bayern.

Philipp Heidl ist Bayer und trotzdem kein Freund der angedachten Ausländermaut in Deutschland. Der 34-Jährige lebt seit Jahren in Kufstein und findet das österreichische Modell besser. "Ich glaube trotzdem, dass die meisten hier die deutsche Vignette kaufen werden." Denn Lebensmittel und Drogerieartikel seien hinter der Grenze einfach billiger – Maut hin oder her.

Es war ein echter Schlager des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) im Doppelwahlkampf für die Landtags- und die deutsche Bundestagswahl 2013: eine Maut auf deutschen Straßen – nur für Ausländer. Den notwendigen Zunder für die Stimmungsmache bei der Bevölkerung des Freistaats lieferte nicht zuletzt Österreich. Im Dezember machte die Asfinag ein bei den Bayern beliebtes Mautschlupfloch dicht, ein sechs Kilometer langes Autobahnstück zwischen der Grenze und Kufstein.

Seit einer Woche kommen die Proteste aus Österreich – und vielen weiteren EU-Staaten – gegen die deutsche Maut. Vergangenen Montag hat Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt seine Pläne für die "Ausländermaut" vorgestellt. Das Konzept von Seehofers CSU-Parteikollegen sieht ab 2016 eine Infrastrukturabgabe für das gesamte deutsche Straßennetz vor. Dafür sollen Vignetten verkauft werden, deren Preis sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw richtet. Deutsche Fahrzeughalter sollen die Vignette automatisch erhalten und im Gegenzug über eine geringere Kfz-Steuer voll entlastet werden. Ausländische Fahrer sollen Vignetten – im Schnitt 88 Euro pro Jahr – an Tankstellen und im Internet kaufen. Eine Diskriminierung von Ausländern sieht Dobrindt nicht. In den nächsten Tagen stattet er seinen Amtskolleginnen in Österreich und Holland einen Besuch ab, um sein Konzept zu erklären, wie Spiegel und Focus berichten.

Österreichs Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ), die am morgigen Dienstag ihren deutschen Amtskollegen Alexander Dobrindt wegen der umstrittenen deutschen Mautpläne treffen wird, spricht sich dagegen aus, mit einem "Gegen-Foul" zu reagieren. "Ich mache keine Politik und keine Vorschläge, wo auf ein Foul mit einem Gegen-Foul reagiert wird", sagte sie Montag früh im Ö1-Morgenjournal des ORF.

Allerdings bringt sie eine Lkw-Maut auf den Landesstraßen ins Spiel, über eine solche flächendeckende Maut würden derzeit die Bundesländer beraten. Für die Landesstraßen, besser bekannt als "Bundesstraßen", sind die jeweiligen Bundesländer zuständig.

Rechtsstreit

Bures hält Dobrindts Mautpläne weiter für EU-rechtswidrig. "So wie der Vorschlag jetzt auf dem Tisch liegt, so kann er nicht kommen", sagte sie im Radio. Sie verweist auf ein in Auftrag gegebenen Gutachten der Universität Innsbruck. Dort habe das Institut für Europarecht bestätigt, dass die Gegenrechnung für deutsche Autofahrer diskriminierend sei. Dass EU-Verkehrskommissar Siim Kallas die deutschen Vorschläge unterstützt, bezweifelt Bures.

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