Hintergrund

Beatmete Patienten auf Intensivstationen sind in einer kritischen Situation, die potenziell lebensbedrohlich ist. Sie werden auch im Zeitalter moderner Sedierungskonzepte medikamentös analgosediert, um sie dabei zu unterstützen, verschiedene Interventionen, wie die Beatmung mittels eines endotrachealen Tubus (ETT), während ihres Aufenthalts besser zu tolerieren [31]. Die Tiefe der Analgesie und bei Bedarf auch Sedierung wird mittels Scores überwacht. Die intensivmedizinische Behandlung kann zu weiteren Komplikationen führen, die das Langzeitoutcome und die Lebensqualität ehemaliger Intensivpatienten erheblich beeinträchtigen können [6]. Seit der letzten Dekade findet durch technische Weiterentwicklungen und neue Sedierungs- und Weaningkonzepte ein Paradigmenwechsel statt [23]. Patienten werden nicht mehr tief sediert, sondern sind vergleichsweise wach und kommunikationsfähig und können somit auch während der Intensivtherapie am Leben teilhaben [44]. Schlüsselkonzepte bestehen in dem täglichen Aufwach- und Spontanatmungsversuch, in der Anpassung von Sedierung – bis zum Verzicht auf eine Sedierung – und adaptierte Analgesie sowie in dem regelmäßigen Delir-Assessment und der frühen Mobilisation unter Beatmung.

Der „ideale“ Beatmungspatient ist heute ansprechbar

Der „ideale“ Beatmungspatient ist heute ansprechbar, kooperativ, schmerzfrei und mit Unterstützung mobil [22]. Diese Konzepte können die Komplikationen und Kosten reduzieren und nachhaltig die Lebensqualität von Intensivpatienten verbessern [29, 43, 48].

Dieses neue Paradigma des ansprechbaren Intensivpatienten führt zu der Frage, ob Patienten den ETT auch tolerieren, wenn sie dabei – bei einem Richmond Agitation und Sedation Score von 0 bis -2 (RASS; [12]) – relativ wach sind. Eine häufige Mutmaßung ist, dass wachere Patienten eher unter dem Tubus leiden oder sich mit einer Selbstextubation lebensbedrohlich gefährden könnten [13]. Als Konsequenz dieser potenziellen Probleme werden Patienten in der Praxis tiefer – teils tief bis zu einem RASS von -4/-5 – sediert [45] oder mit oftmals prophylaktisch freiheitseinschränkenden Maßnahmen, wie Handfixierungen, versorgt. Dies führt zu einem ethischen Konflikt, in dem die Werte der Würde und Autonomie der Patienten mit dem Wert des Schutzes vor Schaden konkurrieren [33].

Intensivfachpflegekräfte und -ärzte interpretieren es oftmals als Leiden, wenn ein Patient die Zunge bewegt und damit auch den Tubus [17] oder auf den Tubus beißen bzw. husten [2]. Dem gegenüber steht die Hypothese, dass diese Bewertungen traditionell antrainiert seien und es ein weit verbreiteter Glaube bei Intensivmitarbeitern sei, dass ein Tubus unangenehm und nicht zu tolerieren sei [30]. Die Beteiligten spiegeln die erlebte Situation des Patienten auf sich selber und empfinden dies als unangenehm bzw. maximal stressauslösend. Diese Bewertung der Beobachtung könnte auf einem Missverständnis beruhen. So gibt es sehr positive Erfahrungen, nach denen beatmete Patienten aufgrund des Tubus keine zusätzliche Sedierung benötigen und ihn nach Aufklärung auch gut tolerieren [1, 44].

Begriffsklärung

Toleranz ist ein „komplexes Konzept mit vielen Bedeutungen und Definitionen“ [27] in unterschiedlichen sozialen, kulturellen und medizinischen und anderen Kontexten. Toleranz meint das „Ertragen von Schmerz oder Härten“, bzw. „die Handlung des Gestattens“ durch Autoritäten und Umstände [7] und impliziert auch das vorübergehende Ertragen eines Sachverhalts, der an sich missbilligt wird. Toleranz wird im medizinischen Kontext als eine Kombination aus der Bewältigung und dem Ertragen dessen, was für den Körper oder die Psyche fremd ist, definiert [7]. Zugunsten eines höheren Werts wird ein geringerer konkurrierender Wert akzeptiert. Es ist der „Wille, etwas zu erlauben“ ([27]: 52), um wieder gesund zu werden. Eine Tubustoleranz kann daher als vorübergehendes Ertragen des Fremdkörpers Tubus zugunsten des höheren Werts Gesundheit definiert werden. Eine Tubustoleranz setzt daher das Verstehen eines Patienten voraus, den Fremdkörper zugunsten der Beatmung und damit der Heilung zu akzeptieren. Diese Definition erklärt somit auch das Verhalten von Patienten, die den höheren Wert nicht erkennen (können) und versuchen, den Tubus zu entfernen, weil sie ihn als Fremdkörper ohne höheren Zweck identifizieren. Die beeinflussenden Faktoren für eine Intoleranz des ETT sind vielfältig (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Einflussfaktoren auf die Tubustoleranz (rot Toleranz reduzierend, blau Toleranz stärkend)

Ein Tubus wird als endotrachealer Kunststoffschlauch definiert, der zum Zweck einer Beatmung durch die Mundhöhle in die Trachea eingeführt wird [47]. Da die nasale Applikation mit höheren Infektionsraten assoziiert ist, wird heute davon bis auf wenige Indikationen Abstand genommen. Von dieser Definition werden Larynxmaske, Trachealkanülen oder verschiedene Continuous-positive-airway-pressure(CPAP)-Applikationen ausgeschlossen.

Literaturrecherche

In früheren Jahren wurde häufig von Intensivpatienten berichtet, die gegen den Respirator kämpften. Ursächlich waren sicherlich auch die gewählten Beatmungsmodi, bzw. die technischen Steuerungen der Geräte. Durch den technischen Fortschritt der Beatmungsgeräte können diese Ursachen ausgeschlossen und als Ausnahme bezeichnet werden, d. h. entsprechend alte Studien zur Tubustoleranz können nicht ohne Berücksichtigung der veränderten Rahmenbedingungen in die heutige Zeit übertragen werden [16]. Dennoch wurde im August 2014 eine kombinierte Literatursuche ohne Zeitbeschränkung in den Datenbanken PubMed und CINAHL durchgeführt. Die Suche wurde durch Handsuche ergänzt.

Die Fragestellung war dabei: Wie erleben und tolerieren relativ wache erwachsene Intensivpatienten den Tubus und welche Aspekte können für die Tubustoleranz relevant sein?

Hierzu wurden die Begriffe „patient experience, ventilator, tube, endotracheal tube, tolerance, acceptance, compliance, comfort, discomfort“ allein und in Kombination verwendet. Eingeschlossen wurden alle quantitativen und qualitativen Studien, die das Thema Tubustoleranz bei erwachsenen oral intubierten Patienten auf Intensivstationen untersuchten. Hierzu wurden Befragungen wie auch Interventionsstudien, z. B. durch Medikamente, eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Studien, die nicht dem Setting und der Fragestellung entsprachen, z. B. Untersuchung von Tubustoleranz während einer operativen Intubation oder einer kurzfristigen vorübergehenden Intervention, wie einer Bronchoskopie, oder, wenn nicht beschrieben wurde, ob es sich um intubierte oder tracheotomierte Patienten handelte.

Quantitative Studien wurden mit dem Bewertungssystem des Institute for Clinical Systems Improvement [18], qualitative bzw. gemischte Studien nach Mayring [26] bewertet.

Ergebnisse

Die kombinierte Literatursuche lieferte insgesamt 2348 Titel (Abb. 2). Es wurden alle Titel gescreent und bei Verdacht auf Einschluss als Zusammenfassung und ggf. weiter als Volltext gelesen. Insgesamt wurden nach Ausschluss von Doppelungen 81 Volltexte gelesen, von denen 67 ausgeschlossen werden mussten, da sie nicht die Forschungsfrage behandelten. Es konnten damit 14 relevante Studien eingeschlossen werden, davon 8 quantitative, 4 qualitative und 2 Arbeiten mit einem kombinierten Ansatz (Tab. 1, Tab. 2). Fast alle Studien wiesen ein Risiko der Verzerrung auf (Tab. 3, Tab. 4), das die Aussagekraft der Studien u. U. erheblich einschränken kann. Die häufigsten Verzerrungen bestanden in einem Erinnerungsbias der befragten bzw. interviewten Patienten sowie einem Design, das von vornherein die Erfragung unangenehmer Erfahrungen beinhaltete.

Abb. 2
figure 2

Literatursuche

Tab. 1 Literaturübersicht zu quantitativen Studien
Tab. 2 Literaturübersicht zu qualitativen bzw. gemischten Studien
Tab. 3 Bewertung der eingeschlossenen quantitativen Studiena
Tab. 4 Bewertung der eingeschlossenen qualitativen und gemischten Studiena

Die Studien untersuchten verschiedene Aspekte.

Das Erleben der Patienten bez. des Intensivaufenthalts [10, 21] und hierbei auch die Beatmung und den Tubus untersuchten 2 Arbeiten. Eine Arbeit [22] erfragte von vornherein unangenehme Erfahrungen und erfasste damit auch den Tubus, der entsprechend klassifiziert worden ist. Aspekte, die mit dem Tubus assoziiert werden, waren in diesen Arbeiten endotracheales Absaugen, Halluzinationen, Bewegen des Tubus, Tubusfixierung [24], Schmerzen, geplante vs. ungeplante Intubation, Atmen können und Erdulden [10].

Das Erleben der Beatmung untersuchten 6 Arbeiten direkt, darunter 3 quantitative [36, 38, 39] und 2 qualitative Studien [20, 21] sowie 2 Arbeiten, die beide Ansätze kombinierten [15, 24]. Eine Beatmung zu erleben, wird von den Patienten als belastend angegeben. Der Tubus wurde mit Kommunikationsschwierigkeiten, Schmerz, Angst [21, 22, 36], Überleben können, Abhängigkeit [20], nachhaltigen Problemen wie Heiserkeit [41], Linderung durch Beschäftigung und Rehabilitation [21] assoziiert. Erwähnenswert ist, dass Karlsson et al., Schweden [21], die Patienten (gemischte Population, ≥ 18 h Beatmung) nach ihren Wünschen fragten, ob sie tiefer hätten sediert werden wollen. Von den 11 Patienten wollten nur 2 tiefer sediert werden, einer konnte sich nicht entscheiden und die restlichen 8 Patienten wollten aufgrund der Situation bei Bewusstsein bleiben.

Den Einfluss der Sedierung auf das Erleben der Beatmung und damit auch den Tubus untersuchten 2 Arbeiten [38, 41]. Eine leichte Sedierung erhöht aus Patientensicht nicht das Unwohlsein, macht es für Pflegende aber eher wahrnehmbar [38]. Ein Tubus wird von Patienten vorübergehend toleriert [41].

Tracheotomierte vs. oral intubierte Patienten [40] bzw. frühe vs. späte Tracheotomie [46] wurden in 2 Arbeiten verglichen. In den relevanten Outcomeparametern wurden keine erheblichen Unterschiede festgestellt. Tracheotomierte vs. intubierte Patienten gaben – bis auf erhöhte Schluckbeschwerden bei Intubierten – gleiche Werte bei den relevanten Beschwerden (Kloß- und Engegefühl usw) an [40]; auch Beatmungs-, Verweildauer und Mortalität waren gleich [46].

Eine Arbeit untersuchte die Tubustoleranz unter dem Einfluss von Remifentanil [25] und kam zu positiven Ergebnissen bei erhaltener Spontanatmung.

Die identifizierten Studien behandelten unterschiedliche Aspekte, die darauf hinweisen, dass die Patiententoleranz des ETT ein komplexes Pflegephänomen ist, das von verschiedenen Aspekten beeinflusst wird (Abb. 1).

Die Patiententoleranz des Tubus wird von verschiedenen Aspekten beeinflusst

Zusammenfassend lassen sich Faktoren identifizieren, die direkt mit der Toleranz eines Tubus verknüpft sind und diese Toleranz eher reduzieren. Hierzu gehören Sprachlosigkeit, Engegefühl und Schluckbeschwerden sowie andere Faktoren, wie Atemnot oder Tubusfixierung, die mit einem Tubus eher assoziiert sind bzw. eine unvermeidliche Nebenwirkung des Tubus darstellen können. Dem gegenüber gibt es Faktoren, die die Toleranz erhöhen können, wie das Erleben einer suffizienten Atmung, oder indirekte Faktoren, wie die Gegenwart von Angehörigen, die die Toleranz stärken.

Es ist unklar, ob die Tubustoleranz von der Art der Tubusfixierung abhängen könnte. Es gibt nach der systematischen Übersichtsarbeit von Gardner et al. [14] keinen Beleg für die Überlegenheit einer bestimmten Tubusfixierung. Diese bildet aber nicht die technischen Weiterentwicklungen der Tubusfixierungen der letzten Jahre ab, insbesondere unter Berücksichtigung der verwendeten Tubusfixierung und der Entstehung einer ventilatorassoziierten Pneumonie, die mit einer längeren Beatmungszeit und somit auch Intubation verbunden ist.

Diskussion

Die Literaturrecherche lieferte verschiedene qualitative und quantitative Studien, die unterschiedliche Aspekte der Tubustoleranz untersuchten. Patienten erleben den Tubus als störend und assoziieren damit verschiedene Erfahrungen, wie Atemnot, Sprachlosigkeit, Durst, u. a. Patienten erleben aber auch positive Aspekte, wie Atmen können und Lebensrettung. Patienten identifizieren Bedingungen und entwickeln Mechanismen, die ihnen helfen, einen Umgang mit der Situation und dem Tubus zu finden.

Assessment der Toleranz

Jeder Fremdkörper im Körper, egal ob Tubus, Magensonde, Venenkanüle oder ein einfacher Verband, wird vom Menschen initial als störend empfunden. Das erklärt auch die Versuche der Patienten, diese unangenehmen Dinge zu entfernen. Die Rate an ungeplanten Entfernungen von Zu- und Ableitungen pro 1000 Tage betrug in einer spanischen Studie mit chirurgischen und medizinischen Intensivpatienten 12,4 bei zentralen Venenwegen, 24,7 bei ETT, 46,5 bei arteriellen Kanülen und 73,9 bei Ernährungssonden [9]; es wurden demnach fast 3-mal so viele Magensonden wie ETT ungeplant gezogen. Lässt sich daraus ableiten, dass Intensivpatienten eine Magensonde noch schlechter tolerieren als einen ETT oder die Magensonden ggf. nicht so gut gesichert sind? Bislang wurden zur Erfassung der Tubustoleranz numerische Skalen und subjektive Beobachtungen verwendet, z. B. Gegenatmen oder Husten [25]. In wie weit dies aber tatsächlich der (In-)Toleranz von Patienten entspricht, wurde nicht überprüft; die Validität ist damit fraglich. Auch die subjektive Einschätzung von Zungenbewegungen, Husten oder anderen Reflexe der Patienten sind keine objektiven Instrumente, um Tubustoleranz zu überprüfen.

Tubustoleranz ist das Ergebnis eines kognitiven Prozesses

Tubustoleranz ist das Ergebnis des kognitiven Prozesses, ein Unwohlsein zugunsten eines höheren Guts erdulden zu können, was an sich nur durch die Interpretation subjektiver Äußerungen erfasst werden kann. Trouillet et al. [46] zeigte, dass Pflegende das Wohlbefinden und die Toleranz subjektiv einschätzten. Wenn diese davon ausgehen, dass ein ETT im Vergleich zur Trachealkanüle unangenehm sei, werden Patienten mit ETT auch tiefer sediert, benötigen länger zum Weaning und werden später mobilisiert. Patienten selbst wurden nicht zu ihren Wünschen und nach ihrem Einverständnis befragt. Gegenteilig weisen Karlsson et al. [21] darauf hin, dass nur wenige Patienten deswegen sediert werden möchten.

Fraglich ist auch, in wie weit Patienten selbst in der Lage sind, ihre Situation differenziert einzuschätzen und zu beschreiben. Die von Grap et al. [15] befragten Patienten assoziierten auch Empfindungen, wie Durst, mit dem Tubus, bei van der Leur et al. [24] wurde vordergründig das endotracheale Absaugen mit dem ETT assoziiert. Diese Erfahrungen werden zwar durch den ETT bedingt, sind aber nicht primär durch ihn verursacht. Hier ist es fraglich, wie differenziert Patienten sich erinnern und ihre Erfahrungen darstellen können. Die Frage, ob der Tubus oder die durchgeführte Intervention stören würde, bleibt bei allen Arbeiten offen.

Weiterhin müssen Patienten regelmäßig auf ein Delir gescreent werden. Wenn Patienten auf der einen Seite immer wacher werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Delir zu detektieren [42]. Ein Delir kann die kognitive Leistung der Toleranzentwicklung erheblich einschränken und folgerichtig ist das sog. ABCDE-Bundle ein wichtiger Therapieansatz, d. h. der wache mobile kooperative und delirfreie Patient ist eines der wichtigsten Ziele in der modernen Intensivtherapie und -pflege. In den Arbeiten, die diesen Ansatz implementierten und untersuchten [4, 5, 28, 43], konnte das Auftreten eines Delirs zwar reduziert, aber nie ganz ausgeschlossen werden. Dennoch lag die Rate an ungeplanten Extubationen bei null.

Beschäftigung und Rehabilitation

Beatmete Patienten mit Tubus wurden bisher erst mobilisiert, wenn sie bereits extubiert oder tracheotomiert waren. In den letzten Jahren ist die Frühmobilisierung beatmeter endotracheal intubierter Intensivpatienten als ein wirksamer Ansatz zur Frührehabilitation belegt worden [4, 5, 28, 43]. Needham [28] interviewte einen Patienten, der mit oralem Tubus und Beatmung über die Station gegangen ist und den der Tubus dabei nicht störte. Für ihn war wichtig, wieder auf eigenen Füßen zu stehen und zu gehen. Karlsson et al. [21] weisen darauf hin, dass es für das Erleben der Patienten sehr hilfreich sein kann, in einem Stuhl zu sitzen, ein Buch zu lesen oder Besuch der Angehörigen zu haben. Mobilisierung und Frührehabilitation scheinen hiermit einen positiven Einfluss auf die Tubustoleranz haben zu können. Wenn Patienten ein Ziel – ihre Rehabilitation – haben, dann tolerieren sie vermutlich auch eher die Umstände.

Kommunikation und Sprachlosigkeit

Bei intubierten Patienten ist das verbale Kommunikationsvermögen fast vollständig verloren – und das in einer Situation, in der Mitteilung zwischen Pflegebedürftigen und Pflegekraft, bzw. Außenwelt -beispielsweise zur Rehabilitation- wichtiger ist als sonst [29]. Pflegende können beatmete Patienten in ihrer Kommunikation unterstützen [20].

Nach Rotondi et al. [36] erinnern sich über 2 Drittel der mittels Tubus beatmeten Patienten vorrangig an das nicht sprechen können, was Karlsson et al. [21] als äußerst negative Erfahrung beschreibt. Die Unfähigkeit, sich verbal mitteilen zu können, wird als Stress erlebt [22]. Dieser Stress entsteht dann, wenn die Mitarbeiter die Mitteilungsbemühungen der Patienten nicht erfassen können bzw. falsch interpretieren oder wenn ihnen die kommunikativen Kompetenzen im Umgang mit dieser Klientel fehlen. Neben gezielten Techniken der Gesprächsführung in Situationen, die der Patient als bedrohlich empfindet, ist ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erforderlich. Jenabzadeh et al. [19] beschreiben in ihrem Bericht, dass verbale Kommunikation und die Interpretation von Mimik und Gestik für die Interaktion nicht immer ausreichen. Die direkte Anwesenheit, das professionelle Auftreten am Patientenbett sowie das offensichtliche Bemühen um Kontakt zum Patienten tragen zur Steigerung der Tubustoleranz bei. Wird das Kommunikationsangebot an den Patienten zu gering oder gar unangemessen wahrgenommen, reagieren über 60 % der Beatmeten mit hoher Frustration [32].

Um die Spannung zwischen Kommunikationsart und -angebot zu lösen, sollten nach Auffassung von Karlsson et al. [21] Angehörige in den Kommunikations-, Beobachtungs- und Förderprozess direkt einbezogen werden. Karlsson zeigt weiter, dass Angehörige mit der Situation häufig überfordert sind und dringend Anleitung sowie Begleitung durch Pflegefachkräfte benötigen.

In der Praxis bedarf es konkreter und an das Patientenklientel adaptierte Konzepte für die Kommunikationsförderung oder -unterstützung, u. a. auch mit dem Ziel, die Tubustoleranz zu steigern. Alle Mitglieder des therapeutischen Teams benötigen diesbezüglich Kompetenzen in der Anleitung von Angehörigen sowie der Beobachtung und Deutung nonverbaler Signale der Patienten.

Zur Tubustoleranzsteigerung sind Konzepte zur Kommunikationsförderung nötig

Ferner sollte der Einsatz von Kommunikationshilfen, wie Buchstabentafeln, Sprachcomputern und Tablet-PC, geprüft und trainiert werden. Rose et al. [34] haben in Kanada die Versorgungsstrukturen für langzeitbeatmete Patienten (≥ 21 Tage) auf Intensivstationen untersucht. Von 215 befragten Intensivstationen nutzten 90 % Buchstaben- bzw. Schreibtafeln, 88 % verfügten über Logopäden und 11 % boten Tablet-PC an. Sprechaufsätze wurden in 71 % genutzt, 26 % nutzten Sprechkanülen. Ungeklärt ist bislang, ob ein Kommunikationstraining der Mitarbeiter bzw. technische Hilfsmittel einen Einfluss auf die Tubustoleranz haben könnten.

Schmerz und Angst

Die Wahrnehmung des Patienten bez. ETT bzw. Tracheostoma ist von Schmerzen bzw. der Angst, frei Atmen zu können, geprägt [10, 20, 21, 36]. Auch Anbeh [3] schildert Probleme von Patienten, die v. a. den Schmerz beim Absaugen mit dem Tubus assoziierten oder unter Sprachlosigkeit oder Luftnot litten.

Mit diesem Wissen ist es nachvollziehbar, bei Interventionen, wie z. B. der Mundpflege, den beatmeten Patienten tiefer zu analgosedieren und zusätzlich mit Medikamenten abzuschirmen [11], wobei nach Meinung der Autoren dies nicht immer im Sinne des Patienten ist und die Nebenwirkungen den potenziellen Nutzen durchaus überwiegen. Hier kann die Arbeit von Karlsson et al. [21] als wichtiger Hinweis interpretiert werden, nach der nur ein Bruchteil der Patienten aufgrund der tubusassoziierten Schmerzen tiefer sediert werden wollte. Umso wichtiger erscheint es, ein valides Schmerzassessment einzusetzen und die wahrnehmende und wertschätzende Kommunikation mit dem wachen Intensivpatienten zu führen. Der Fokus muss hier eindeutig darauf liegen, dass der Patient entscheidet, inwieweit ihm Schmerz und Angst tolerabel erscheinen oder er mit medikamentösen bzw. nichtmedikamentösen Interventionen „gedämpft“ werden möchte. Hierbei ist grundsätzlich zu beachten, dass eine Fremd- und Selbsteinschätzung in der Regel fehlerbehaftet bzw. schwierig zu erheben ist.

Tubusfixierung und -bewegung

Aufgrund der vorliegenden Literatur lässt sich im Hinblick auf die Tubustoleranz keine Empfehlung für eine bestimmte Art der Tubusfixierung ableiten. Insbesondere mit Blick auf immer wachere Patienten und im Rahmen von notwendigen perioralen Pflegemaßnahmen ist die Tubusfixierung mittlerweile mehr als ein Sicherungsinstrument und dient u. a. auch der Vermeidung von ventilatorassoziierten Pneumonien [8]. Dabei haben sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Pflegetechniken und -materialien etabliert. Eine Standardisierung der unterschiedlichen Pflegestrategien erfolgt lokal in den Kliniken.

Wissenschaftliche Pflegestandards zur Fixierung des ETT bei intubiert beatmeten Intensivpatienten liegen bislang für den deutschsprachigen Raum nicht in ausreichendem Umfang vor. In einer von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung Intensivmedizin (DIVI), Sektion Pflegequalität, unterstützen Umfrage, wurde ein erstes Bild dieser Vielzahl von Methoden und Materialien aufgezeigt [35]. Die Bandbreite reicht von der ausschließlichen Nutzung von Fixierpflastern über Mullbinden oder Schlauchverbände bis zu industriell gefertigten Komplettsystemen zur Tubusfixierung. Ebenso werden am häufigsten speziell für die Tubusfixierung konzipierte Gewebefixierbänder verwendet. Es gibt aber auch jede erdenkliche Mischform und Eigenkreation. Oftmals sind diese Lösungen mit dem Medizinproduktegesetz nicht konform.

Liegt der alleinige Fokus auf dem Aspekt „sicherer“ Halt, kommt aber u. U. die Patientenautonomie zu kurz. Die ideale Tubusfixierung ist daher nicht nur industriell gefertigt und zugelassen, sondern ermöglicht ebenso eigene Zungen- und Schluckbewegungen des Patienten wie die sichere Durchführung von oralen Pflegemaßnahmen (z. B. professionelle Mundpflege) und einen auch bei Mobilisationsmaßnahmen und eigenen Bewegungen des Patienten sicheren Halt. Der sichere Halt ist insbesondere bei bestimmten Gewebebändern zu hinterfragen – zumindest dann, wenn eine Durchfeuchtung der Materialien zu einer Dehnung der Bänder führt, die schlimmsten Falls eine Tubusdislokalisation verursachen.

Es scheint plausibel, dass ein Tubus auch Übelkeit verursachen kann, wenn die Uvula im Rachen gereizt wird. Eine Repositionierung des Tubus könnte die Übelkeit senken und wäre dementsprechend eine sinnvollere Methode als eine tiefe Sedierung. Damit könnten Tubusfixierungen, die die Repositionierung unterstützen, die Tubustoleranz erhöhen; ein wissenschaftlicher Beweis steht hierfür aber noch aus.

Limitationen

Die Arbeit hat verschiedene Grenzen. Der Begriff Toleranz wurde literaturbasiert definiert, andere Definitionen könnten zu abweichenden Ergebnissen und Schlussfolgerungen führen. Ferner wurden Studien aus dem anästhesiologischen Bereich ausgeschlossen, da diese nur eine kurzzeitige Dauer eines ETT beinhalteten und nur eingeschränkt auf den Intensivbereich übertragbar scheinen. Ein Einschluss könnte zu abweichenden Ergebnissen führen. Weitere Limitationen sind die Ansätze der eingeschlossenen Studien per se.

Fazit für die Praxis

  • Tubustoleranz ist ein komplexes Phänomen. Die Literaturrecherche identifizierte verschiedene Aspekte, die die Toleranz senken wie auch erhöhen können. Keine der identifizierten Studien hat die Tubustoleranz in seiner Komplexität valide und objektiv differenziert untersucht. Die vorliegende Studie kann hier eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen und Auswertungen darstellen.

  • Es kann aus den Ergebnissen abgeleitet werden, dass Interpretationen von Patientensymptomen im Hinblick auf eine mögliche Tubusintoleranz kritisch hinterfragt werden müssen. Needham [30] erläutert, dass Mitarbeiter darauf hin geschult worden seien und Bewegungen der Patienten entsprechend interpretieren. Die identifizierten Studien belegen zwar das Unwohlsein eines ETT, lassen aber offen, ob der Tubus oder die Intervention, wie das Absaugen, eine Bronchoskopie etc., ursächlich für eine Intoleranz sind. Belege für die zwangsläufige Notwendigkeit zur Sedierung insbesondere zur Tiefe der Sedierung dieser Patienten fehlen ebenso.

  • Tubusintoleranz kann unterschiedliche Ursachen haben und kann daher auch spezifisch behandelt werden. Beispielsweise kann ein Durstgefühl durch eine ausgeglichene Bilanzierung oder Mundpflege gelindert werden. Sprachlosigkeit kann durch Schulung des Personals oder den Einsatz von Hilfsmitteln begegnet werden. Es konnten auch Aspekte identifiziert werden, die sich auf die Tubustoleranz förderlich auswirken, v. a. die Gegenwart von Angehörigen und Frühmobilisierung scheinen wirkungsvolle Faktoren zur Erhöhung der Tubustoleranz zu sein.

  • Weitere klinische Forschung zur Exploration des Phänomens Tubustoleranz und seiner beeinflussenden Faktoren ist indiziert.