Zusammenfassung
Zahlreiche Tiere, im Meer und auf dem Land, können schwere, oftmals auch tödliche Vergiftungen beim Menschen verursachen. Dies geschieht entweder durch Injektion ihrer Gifte (Spinnen, Skorpione, Insekten und Schlangen) oder wenn sie als Nahrung dienen (Muscheln und Fische). Derartige Vergiftungen, fahrlässig, aber auch vorsätzlich (suizidal oder in Mordabsicht), spielen in der forensischen Praxis eher eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist es notwendig, die Möglichkeiten und Grenzen zu kennen, wenn es darum geht, ein Gift und seine Herkunft durch Autopsie und/oder toxikologische Analyse zu identifizieren und gutachterlich Stellung zu nehmen. Die große strukturelle Variationsbreite und hohe Toxizität dieser Naturprodukte stellt für den forensischen Toxikologen eine Herausforderung dar. Hierbei sind Anamnese und Informationen zu den Umständen, die zur Vergiftung geführt haben, von essenzieller Bedeutung. Der vorliegende Beitrag stellt den ersten von 2 Beitragsteilen dar. Im zweiten Beitrag werden Vergiftungen durch Tiere des Festlands behandelt.
Abstract
Numerous marine and terrestrial animals can cause severe, even fatal poisoning in humans, either by injecting venom (e.g. spiders, scorpions, insects and snakes) or when used as food (e.g. mussels and fish). Although accidental and also intentional (e.g. suicide and murder) envenomation and poisoning by animals only play a minor role in forensic practice, knowledge of the potential and the limitations in identifying the toxin and the origin by autopsy and/or toxicological analysis is necessary when an expert opinion is required. The wide structural variety and the high toxicity of these natural products are a challenge for the forensic toxicologist; however, the patient history and information on the circumstances of envenomation or poisoning are also essential. This is the first of two articles. The second article deals with poisoning by terrestrial animals.
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Interessenkonflikt
D. Mebs gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien am Menschen und Tieren.
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Redaktion
B. Madea, Bonn
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Es gibt aktiv und passiv giftige Tiere; auf welche Weise können sie beim Menschen eine Vergiftung hervorrufen?
Durch einfachen Kontakt mit dem Tier
Durch Biss oder Stich, u. U. durch Verzehr des Tieres
Durch Einatmen ihrer Gifte
Mithilfe der Resorption des Giftes durch die unverletzte Haut
Wenn man ein Gifttier reizt
Eine Vergiftung durch Biss oder Stich bzw. Verzehr eines Gifttieres ist …
allein schon durch eine Obduktion nachweisbar.
mithilfe einer toxikologischen Analyse (ohne Obduktion) in der Regel nachweisbar.
nur nach Kenntnis der Todesumstände in Erwägung zu ziehen.
durch Obduktion in Verbindung mit einer toxikologischen Analyse auch ohne Kenntnis der Fallumstände nachweisbar.
überhaupt nicht nachweisbar.
Ein Toter wird am Strand von Nizza geborgen; er weist rote, unregelmäßig gestaltete striemenartige Hautverletzungen auf (Abb. 9 ). Was lässt sich aus forensisch-medizinischer Sicht dazu sagen?
Er wurde nach einer körperlichen Auseinandersetzung ins Meer geworfen.
Er könnte mit Quallen in Kontakt gekommen sein, ist in Panik geraten und ertrunken.
Er ist wahrscheinlich Nichtschwimmer und ertrunken, die Verletzungen entstanden wahrscheinlich durch eine Schiffsschraube.
Er ist ertrunken und hat sich postmortal an Riffgestein die Verletzung zugezogen.
Wenn gute Schwimmer ertrinken, ist hierfür meist ein Herzinfarkt ursächlich.
Ein Tourist ist in Australien nach Kontakt mit Qualle(n) plötzlich verstorben. Hautveränderungen sind deutlich sichtbar. Sie führen die Leichenschau durch. Welche Untersuchungen sollten erfolgen?
Eine äußere Besichtigung ist ausreichend.
Ich entnehme Blut zum Nachweis des Toxins.
Eine Obduktion und histologische Untersuchung von Gehirn und Herz, denn dort lässt sich eine Giftwirkung morphologisch nachweisen.
Ein Giftnachweis ist nicht möglich, ich führe die Obduktion aber trotzdem durch, um Hinweise auf mögliche Vorerkrankungen zu erhalten.
Eine Teilsektion des Herzens zum Infarktnachweis ist ausreichend.
Anfrage einer Unfallversicherung: Der Versicherungsnehmer wurde beim Tauchen in Roten Meer von einer Muräne gebissen. Vier Wochen danach klagte er über anhaltende Herzrhythmusstörungen. Sehen Sie eine Ursache im Unfallereignis?
Ja, denn das Gift der Muräne kann chronische Beschwerden verursachen.
Ein ursächlicher Zusammenhang ist nicht ausschließbar, denn das Gift der Muräne ist unerforscht.
Herzrhythmusstörungen sind nach diesen und ähnlichen Unfällen häufig die Folge.
Kann ich nicht sagen; ich muss mir erst die Verletzungsnarben ansehen.
Nein, Muränen besitzen kein Gift.
Ein Mitarbeiter eines Schauaquariums ist beim Reinigen eines Aquariums mit Krustenanemonen in Kontakt gekommen und wird mit Symptomen wie EKG-Veränderungen und erhöhten CK-Werten ins Krankenhaus eingeliefert. Die Berufsgenossenschaft fragt an, ob es sich um eine Vergiftung handelt. Welche Aussage trifft zu?
Es ist keine Vergiftung, sondern wahrscheinlich ein Herzinfarkt.
Es kann sich durchaus um eine Vergiftung durch Krustenanemonen im Aquarium handeln.
Man sollte Blut zum Giftnachweis entnehmen.
Ein Toxinnachweis ist in den Krustenanemonen nicht möglich.
Es handelt sich um eine Ciguatera-Vergiftung.
Anfrage einer Auslandskrankenversicherung: Der Versicherungsnehmer sei in Thailand nach 2 Tagen tot aus dem Meer geborgen worden; man habe dort zahlreiche Rochen gesehen. Empfehlen Sie eine Obduktion und weitere Untersuchungen?
Nein, denn das Gift von Stachelrochen ist nicht tödlich.
Nein, zu hohe Kosten, wahrscheinlich ist es ein Ertrinkungstod, der bei fortgeschrittener Leichenfäulnis ohnehin nicht nachweisbar ist.
Auf jeden Fall, ich suche dabei auch nach möglichen Stichverletzungen durch den Rochen.
Stichverletzungen durch Rochen sind grundsätzlich nicht tödlich. Ich empfehle dennoch eine Obduktion (Ertrinkungstod).
Auf jeden Fall, denn das Gift des Rochens kann todesursächlich sein.
Ein Japaner ist auf dem Flug von Tokio nach Frankfurt plötzlich verstorben. Er soll am Tag vor dem Flug in einem Restaurant Fisch gegessen haben. Die Versicherung veranlasst eine Obduktion. Was vermuten Sie, welche Untersuchungen schlagen Sie vor?
Es könnte sich um eine Fugu-Vergiftung handeln, ich lasse den Mageninhalt toxikologisch untersuchen.
Eine Fugu-Vergiftung ist möglich, keine Untersuchung des Mageninhalts, das Toxin ist nach dem langen Zeitraum bereits resorbiert.
Eine Fugu-Vergiftung ist ausgeschlossen, das beschwerdefreie Intervall ist zu lang, keine toxikologische Untersuchung.
Eine Fugu-Vergiftung ist möglich, das Toxin jedoch nicht nachweisbar, daher keine weiteren Untersuchungen.
Es kann sich um eine Ciguatera handeln, ich lasse Blut und Urin toxikologisch untersuchen.
In einem Fischrestaurant zeigen verschiedene Gäste kurz nach der Mahlzeit Vergiftungserscheinungen: Parästhesien und motorische Lähmungen. Welche Vergiftung könnte vorliegen, und welche Untersuchungen empfehlen Sie?
Es ist sicher eine bakteriell verursachte Vergiftung, daher bakteriologische Untersuchung der Speisen.
Der Fisch war wahrscheinlich nicht frisch und gekühlt, daher bakteriologische Untersuchung der Speisen.
Schwer zu diagnostizieren, keine Empfehlung.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Muschelvergiftung, Untersuchung der Muscheln in Speziallabor.
Man könnte an eine Fischvergiftung denken; eine toxikologische Untersuchung ist jedoch nicht erfolgversprechend.
Ein Reiseunternehmer fragt bei Ihnen an, was man denn tun könne, zahlreiche Rückkehrer aus Santo Domingo zeigten merkwürdige Erscheinungen wie Pruritus, erhöhte Kälteempfindlichkeit, z. T. auch Umkehr des Kalt-warm-Empfindens. Was raten Sie?
Es handelt sich wahrscheinlich um die Fischvergiftung Ciguatera. Es ist keine spezifische Therapie möglich.
Es handelt sich um eine Muschelvergiftung („amnesic shellfish poisoning“). Patienten weiter beobachten.
Höchst problematische Symptomatik, Einweisung in eine neurologische Klinik.
Alles komplett harmlos, sind alle Hypochonder.
Komplettes toxikologisches Screening.
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Mebs, D., Kettner, M. Vergiftungen durch Meerestiere. Rechtsmedizin 25, 577–589 (2015). https://doi.org/10.1007/s00194-015-0051-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00194-015-0051-4