Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie relevante molekularen Alterationen in Speicheldrüsenkarzinomen benennen;

  • können Sie die immunhistochemischen Surrogatmarker der beschriebenen molekularen Alterationen sicherer evaluieren;

  • kennen Sie die spezifischen molekularen Alterationen des Mukoepidermoidkarzinoms und des adenoid-zystischen Karzinoms;

  • kennen Sie die molekularen Spektren zur Differenzialdiagnose des Azinuszellkarzinoms, sekretorischen Karzinoms und intraduktalen Karzinoms.

Hintergrund

Speicheldrüsenkarzinome sind seltene Neoplasien, die aufgrund überlappender morphologischer Muster insbesondere an bioptischem und zytologischem Material herausfordernd sind. In den letzten Jahren konnten zahlreiche, oftmals spezifische molekulare Alterationen identifiziert werden, die insbesondere bei ungewöhnlichen morphologischen Varianten oder limitiertem Material diagnostisch sehr hilfreich sein können. Weiterhin sind rekurrente Genfusionen nicht nur von diagnostischem Nutzen, sondern können potenziell auch gezielt therapeutisch angegangen werden. Diese Arbeit soll einen Überblick über den aktuellen Stand der morphomolekularen Typisierung von Speicheldrüsenkarzinomen geben.

Fallbeispiel

Sie erhalten das laterale Parotidektomiepräparat eines 58-jährigen Patienten. Histologisch zeigt sich eine relativ scharf umgrenzte Speicheldrüsenneoplasie von maximal 1,8 cm Durchmesser. Diese besteht aus ausschließlich zytologisch blanden, morphologisch onkozytär aufgebauten Zellen mit voluminösem eosinophilem Zytoplasma und rundlichen Kernen mit feinen Nukleolen. Stellenweise zeigen sich fibröse Bänder, die die Läsion durchziehen. Es finden sich praktisch keine Mitosefiguren, keine Nekrosen und keine Perineuralscheideninfiltration. Die breite Differenzialdiagnose umfasst benigne und „low grade“ maligne onkozytär differenzierte Speicheldrüsenneoplasien.

Molekulare Eigenschaften etablierter Entitäten

Mukoepidermoidkarzinom

Das Mukoepidermoidkarzinom zeigt typischerweise ein triphasisches Muster unter Einschluss squamoider (epidermoider), intermediärer (zumeist heller) Zellen und Mukozyten (Abb. 1; [1]). Die klassischen Varianten lassen sich in der Regel ohne größere Schwierigkeiten diagnostizieren, jedoch besteht auch eine Reihe ungewöhnlicher Varianten. Diese umfassen unter anderem die onkozytäre Variante (OMEC; Abb. 1), die sklerosierende, ziliierte oder auch Warthin-ähnliche Variante sowie das kürzlich beschriebene mukoazinäre Karzinom [2, 3, 4, 5]. Diese Varianten haben gemeinsam, dass sie häufig molekular eine Genfusion im MAML2-Gen, zumeist mit dem Fusionspartner CRTC1 oder seltener CRTC3, zeigen (Tab. 1) und die klassischen morphologischen Eigenschaften praktisch vollständig fehlen können. Diese Genfusionen sind hochspezifisch und im Kontext eines Speicheldrüsentumors molekular praktisch beweisend für das Spektrum der Mukoepidermoidkarzinome ([6]; cave: auch Adnextumoren der Haut wie das Hidradenom können identische Fusionen zeigen [7]). In einer kürzlich publizierten Studie konnten auch andere molekulare Alterationen, wie z. B. HRAS- oder KRAS-Mutationen detektiert werden, wobei diese ohne zusätzlichen Nachweis einer MAML2-Umlagerung naturgemäß für die Entitätsdiagnose aufgrund fehlender Spezifität weniger hilfreich sind [8]. Das vorgestellte Fallbeispiel lässt sich durch den molekularen Nachweis einer CRTC3-MAML2-Genfusion einer onkozytären Variante eines Mukoepidermoidkarzinoms (OMEC) zuordnen.

Abb. 1
figure 1

Fall eines Mukoepidermoidkarzinoms (MEC). a Klassische triphasische Differenzierung, wobei im Besonderen die Mukozyten (Stern) auffallend sind. b Es zeigt sich ein praktisch ausschließlich onkozytär differenziertes Areal des gleichen Falls, in dem die Stigmata eines MEC nicht erkennbar sind. Molekular findet sich in beiden Komponenten eine MAML2-Translokation, sodass diese auch in der onkozytären Komponente die Diagnose MEC untermauert. Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Maßstab 100 µm

Tab. 1 Auflistung ausgewählter, typischer molekularer Alterationen in verschiedenen Entitäten des Speicheldrüsenkarzinoms

Merke

Der Nachweis einer MAML2-Genfusion kann die Diagnose eines Mukoepidermoidkarzinoms, insbesondere in ungewöhnlichen Varianten, molekular untermauern.

Adenoid-zystisches Karzinom

Das adenoid-zystische Karzinom zeigt klassischerweise einen biphasischen Aufbau mit peripheren myoepithelialen Zellen und zentralen duktal bzw. epithelial differenzierten Zellformationen. Das klassische Bild umfasst dabei eine tubuläre und kribriforme Differenzierung mit intra(pseudo)luminalem myxoidem Material (Abb. 2) neben Inklusionen hyalinisierter Basallamina. Bei ausgedehnter solider Komponente ist die Diagnostik erschwert, da die biphasische Differenzierung unter Umständen nicht mehr nachvollzogen werden kann. Außerdem können ungewöhnliche Varianten, wie eine sklerosierende Variante, eine spindelzellige Differenzierung (Abb. 2) oder das sog. metatypische adenoid-zystische Karzinom die eigentliche Tumorentität verschleiern [21, 22, 23]. Insbesondere Feinnadelpunktionen können diagnostisch sehr herausfordernd sein und eine Menge relevanter Differenzialdiagnosen umfassen. Hier kann der molekulare Nachweis einer MYB- oder MYBL1-Genfusion, typischerweise mit dem Fusionspartner NFIB, diagnostisch beweisend sein [9]. Diese molekulare Alteration ist bisher in anderen Speicheldrüsentumoren nicht beschrieben. Eine weitere, seltenere Subgruppe mit häufiger solider Differenzierung zeigt pathogene NOTCH1-Mutationen, typischerweise ohne Nachweis einer MYB- oder MYBL1-Genfusion [10]. Gelegentlich kann ebenfalls der fehlende Nachweis einer immunhistochemischen Biphasizität verwirrend sein. Eine Negativität für p40 bzw. p63 ist dabei in etwa 10 % der Fälle beschrieben [24]. Ein weiterer relevanter Punkt ist die Diagnose einer „high grade“ Transformation, die typischerweise mit einer nuklearen Anaplasie, einer desmoplastischen Stromareaktion, Mikropapillen mit squamoider Differenzierung sowie einem deutlich erhöhten Ki-67-Proliferationsindex, Komedonekrosen und einem aberranten p53 Muster einhergeht [25]. Diese sollten von der soliden Variante (> 30 % solide Anteile gemäß Weltgesundheitsorganisation, WHO; [1]) abgegrenzt werden, da diese typischerweise einen nochmals aggressiveren biologischen Verlauf zeigen können.

Abb. 2
figure 2

Fall eines adenoid-zystischen Karzinoms. a Erkennbare klassische tubuläre und kribriforme Komponente. b Ausschließlich spindelzellig imponierende, monophasische Komponente, die isoliert nicht als adenoid-zystisches Karzinom zu diagnostizieren ist. Molekular findet sich in beiden Komponenten eine MYBL1-NFIB-Genfusion, die wiederum auch isoliert in der Komponente in b diagnostisch beweisend ist [22]. Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Maßstab 100 µm

Merke

Der Nachweis einer MYB-NFIB- oder MYBL1-NFIB-Genfusion kann die Diagnose eines adenoid-zystischen Karzinoms, insbesondere in ungewöhnlichen Varianten, molekular untermauern.

Azinuszellkarzinom

Das Azinuszellkarzinom bereitet bei klassischer Morphologie in der Regel wenige diagnostische Schwierigkeiten, wobei in limitiertem Material, insbesondere in Feinnadelpunktionen der Zytologie, die Abgrenzung zum normalen azinären Speicheldrüsengewebe herausfordernd sein kann. In Einzelfällen kann auch die Abgrenzung zum sekretorischen Karzinom schwierig sein, was erklärt, dass vor Charakterisierung des sekretorischen Karzinoms diese typischerweise als Azinuszellkarzinome klassifiziert wurden [13]. Kürzlich konnte eine in hohem Maße rekurrente molekulare Alteration, das „enhancer hijacking“ des NR4A3(NOR‑1)-Gens, identifiziert werden [11]. Dabei kommt es zur Translokation von Enhancerabschnitten des SCPP-Genclusters vor das NR4A3-Gen, was konsekutiv zu einer starken Überexpression des NR4A3-Gens bzw. der entsprechenden mRNA und des Proteins führt. Dieses kann sowohl mittels quantitativer mRNA-Analyse sowie mittels spezifischer NR4A3-Immunhistochemie nachgewiesen werden ([22, 26]; Abb. 3). Die Fluoreszenz-in-situ-Untersuchung (FISH) von NR4A3 kann ein positives Break-apart-Muster zeigen, sofern die Region des Bruchpunkts über das Sondendesign abgedeckt ist [11]. Am besten diagnostisch verwertbar ist jedoch die „downstream“ gelegene NR4A3-Überexpression: Die Immunhistochemie kann auch erfolgreich an Zellblockmaterial von Feinnadelpunktionen mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität (≥ 90 %) durchgeführt werden [27]. Auch Azinuszellkarzinome mit „high grade“ Transformationen, die die typische Morphologie verlieren können, sind oftmals mittels NR4A3-Expression zu überführen (Abb. 3). In sehr seltenen Fällen sind HTN3-MSANTD3-Genfusionen beschrieben [12].

Abb. 3
figure 3

Fall eines Azinuszellkarzinoms. a Klassische („low grade“), zymogenhaltige Morphologie. b „High-grade“ Transformation des gleichen Falls mit Verlust der Zymogengranula und Nekrosen, die wiederum das diagnostische Bild verschleiern. Die immunhistochemische nukleäre Expression von NR4A3 in den Einschüben in a und b zeigt das Resultat der molekularen Alteration mit Hochregulation des NR4A3-Gens in beiden Komponenten und kann somit diagnostisch für ein Azinuszellkarzinom mit „high grade“ Transformation in b verwendet werden. Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Maßstab 100 µm

Merke

Eine positive immunhistochemische Expression von NR4A3 kann die Diagnose eines Azinuszellkarzinoms, insbesondere bei ungewöhnlicher Morphologie, untermauern.

Sekretorisches Karzinom

Das sekretorische Karzinom ist mittlerweile gut charakterisiert und kann verschiedene morphologische Varianten zeigen, darunter z. B. die makrozystische Variante [13, 28]. Morphologisch gemeinsam haben sekretorische Karzinome typischerweise ein voluminöses Zytoplasma mit „hobnail“-artigen Kernen und blasigen Sekretionen (Abb. 4). Die Immunhistochemie zeigt charakteristisch eine Positivität für Mammaglobin, S‑100 und MUC4 [29]. In den meisten Fällen (> 90 %) findet sich molekular eine ETV6NTRK3-Genfusion, in selteneren Fällen sind auch ETV6-RET-, ETV6-MET- und VIMRET-Genfusionen beschrieben [14, 15, 16]. Typischerweise zeigen die NTRK3-translozierten sekretorischen Karzinome eine immunhistochemische, nukleäre Expression von panTRK (Abb. 4), sodass diese in Zusammenschau mit der Morphologie und dem übrigen Immunphänotyp diagnostisch verwendet werden kann [30].

Abb. 4
figure 4

Vergleichende Abbildung zwischen sekretorischem Karzinom (a) und intraduktalem Karzinom vom „Intercalated-duct-Subtyp“ (b). Morphologisch zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten mit mittelgroßen Zellen mit Nukleolen sowie eosinophilem Zytoplasma und blasigen Sekretionen. Die Einschübe in a und b zeigen die nukleäre Positivität für panTRK im sekretorischen Karzinom, die auf die klassische ETV6-NTRK3-Genfusion hinweist. Hingegen zeigt das intraduktale Karzinom bei typischer NCOA4-RET-Genfusion keine nukleäre panTRK-Expression und eine zweite myoepithelial differenzierte Zellschicht (p40 positiv). Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Maßstab 100 µm

Merke

Eine nukleäre panTRK-Expression kann auf die für sekretorische Karzinome typische ETV6-NTRK3-Genfusion hinweisen.

Intraduktales Karzinom

Das sog. intraduktale Karzinom (IDC) ist neben dem Azinuszellkarzinom die wichtigste Differenzialdiagnose zum sekretorischen Karzinom. Je nach Subtyp des IDC teilt es sich das Immunprofil (S‑100- und Mammaglobinexpression) mit dem sekretorischen Karzinom. Es zeigt jedoch zusätzlich klassischerweise eine zweite, myoepithelial differenzierte Zellpopulation (Abb. 4), ist negativ für MUC4 bzw. panTRK und weist je nach morphologischem Subtyp ein molekular distinktes Spektrum auf (u. a. NCOA4-RET-, TRIM27-RET-, TRIM33-RET-Genfusion, BRAF(V600E)-Mutation; [17, 18]).

Hyalinisierendes klarzelliges Karzinom

Das hyalinisierende klarzellige Karzinom (HCCC) ist eine in der klassischen Form langsam wachsende Entität und findet sich üblicherweise in der oralen Mukosa. Es weist einen hyalinisierten Hintergrund mit trabekulären und strangförmigen Tumorzellproliferationen mit eosinophil- bis klarzelligem, optisch leerem Zytoplasma auf [31]. Immunhistochemisch exprimieren die Zellen typischerweise squamoide Marker, wie p63, p40 oder CK5/6 [1], was gleichzeitig als Abgrenzung zu einer Metastase eines klarzelligen Nierenzellkarzinoms hilfreich sein kann. Molekular finden sich rekurrente Genfusionen im EWSR1-Gen, am häufigsten EWSR1-ATF1-Translokationen [19], seltener EWSR1-CREM-Translokationen [20]. Das HCCC zeigt ein überlappendes morphologisches und molekulares Profil mit dem klarzelligen odontogenen Karzinom (CCOC) des Kiefers [31].

Fazit für die Praxis

  • Speicheldrüsenkarzinome zeigen häufig typische molekulare Alterationen.

  • Genfusionen zeigen dabei in der Regel eine hohe Spezifität.

  • Molekulare Alterationen können im Kontext mit der Morphologie zur Diagnoseunterstützung bzw. Entitätseinordnung verwendet werden.

  • Immunhistochemische Surrogatmarker, wie NR4A3 und panTRK, können diagnostisch hilfreich sein.

  • Die NTRK- oder RET-Genfusionen können als potenzielles molekulares Ziel dienen.