Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags ...

  • können Sie weitere relevante molekulare Alterationen in Speicheldrüsenkarzinomen benennen;

  • kennen Sie das morphologische und molekulare Spektrum des polymorphen Adenokarzinoms;

  • sind Ihnen neu definierte Entitäten des Speicheldrüsenkarzinoms, wie das mikrosekretorische Adenokarzinom, bekannt.

Hintergrund

Im 2. Teil dieser Arbeit wird der Überblick über den aktuellen Stand der morpho-molekularen Typisierung von Speicheldrüsenkarzinomen auf weitere etablierte Entitäten erweitert. Außerdem werden 3 neu definierte Entitäten von Speicheldrüsenkarzinomen umschrieben.

Molekulare Eigenschaften etablierter Entitäten

Epithelial-myoepitheliales Karzinom

Das epithelial-myoepitheliale Karzinom (EMC) ist in seiner klassischen Differenzierung zumeist klar zu erkennen (Abb. 1). Diagnostische Schwierigkeiten bereitet vor allem die gelegentlich fehlende Invasion mit scharfer Umgrenzung der Läsion. Die EMC zeigen morphologisch und auch immunhistochemisch deutlich belegbar eine biphasische Differenzierung mit äußerer myoepithelialer und innerer epithelialer Schicht. Diagnostisch insbesondere herausfordernd sind verschiedene Varianten wie die doppelklarzellige, sebaziöse, basaloide, apokrine oder auch (solid-)onkozytäre Variante [1, 2]. Kürzlich konnte in einer großen Arbeit gezeigt werden, dass EMC rekurrente aktivierende HRAS-Mutationen (zumeist Q61R), gelegentlich auch in Zusammenschau mit PIK3CA- oder AKT1-Mutationen zeigen (Tab. 1; [1]). Diese können zusammen mit der Biphasizität als molekularer Beleg verwendet werden, insbesondere da HRAS-Mutationen in Speicheldrüsentumoren insgesamt nur sehr selten in benignen Tumoren, wie z. B. dem Sialadenoma papilliferum, beschrieben sind [3]. Eine Immunhistochemie mit dem mutationsspezifischen RAS(Q61R)-Antikörper kann dabei diagnostisch hilfreich sein, da er neben NRAS auch an dieser Position mutiertes HRAS identifizieren kann. Interessanterweise zeigt sich dabei ein ungewöhnliches Muster mit membranöser Expression in den myoepithelialen Zellen bei typischerweise Aussparungen in den epithelialen Zellen ([4]; Abb. 1). Im Gegensatz dazu zeigen EMC ex pleomorphem Adenom (ex PA) typischerweise keine HRAS-Mutation, sondern Translokationen des PLAG1- oder HMGA2-Gens [5].

Abb. 1
figure 1

Epithelial-myoepitheliales Karzinoms. a Klassische Morphologie mit eosinophilen duktal bzw. epithelial differenzierten Komplexen, umschlossen von klarzelliger Proliferation myoepithelial differenzierter Zellen. Molekular findet sich die häufigste Alteration einer HRAS(Q61R)-Mutation. Die immunhistochemische mutationsspezifische RAS(Q61R)-Färbung zeigt eine dazu passende kräftige membranöse Expression in den myoepithelialen Zellen, während die epitheliale innere Komponente ausgespart ist. (ab Hämatoxylin-Eosin Färbung; Maßstab 100 µm)

Tab. 1 Auflistung ausgewählter, typischer molekularer Alterationen in verschiedenen Entitäten des Speicheldrüsenkarzinoms

Merke

Die membranöse Expression des RAS(Q61R)-mutationsspezifischen Antikörpers kann auf eine entsprechende HRAS-Mutation hinweisen und bei geeigneter Morphologie die Diagnose eines epithelial-myoepithelialen Karzinoms unterstützen.

Polymorphes Adenokarzinom

Das polymorphe Adenokarzinom ist durch einen monomorphen Zelltyp gekennzeichnet, der zahlreiche morphologische Wachstumsformen aufweisen kann. Diese Karzinome präsentieren sich in aller Regel in der Mundhöhle, insbesondere am Gaumen. Es lassen sich 2 morphologisch distinkte Varianten unterscheiden, der klassische oder konventionelle Subtyp und der kribriforme Subtyp [13]. Darunter findet sich beim konventionellen Subtyp typischerweise ein tubuläres, trabekuläres, mikrozystisches sowie targetoides perineurales Wachstum (Abb. 2). Der kribriforme Subtyp hingegen zeigt einen ähnlichen Zelltyp, der typischerweise jedoch aufgehellte Kerne umfasst, die an ein papilläres Schilddrüsenkarzinom erinnern. Das Wachstumsmuster dabei zeigt oftmals ein kribriformes, papilläres sowie auch glomeruloides Bild (Abb. 2). Der kribriforme Subtyp, der in der Literatur auch unter dem Begriff des kribriformen Adenokarzinoms der Speicheldrüsen (CASG) zu finden ist, zeigt häufiger Lymphknotenmetastasen. Der Nachweis einer papillären Differenzierung von ≥ 10 % und/oder einer kribriformen Differenzierung von ≥ 30 % wurde dabei als negativer prognostischer Parameter („erkrankungsfreies Überleben“) identifiziert [14]. Molekular findet sich im konventionellen Subtyp am häufigsten eine E710D-Punktmutation im PRKD1-Gen, wohingegen der kribriforme Subtyp zumeist Genfusionen im PRKD1-, PRKD2- oder PRKD3-Gen zeigt [6]. In seltenen Fällen finden sich sowohl morphologische Überlappungen ohne eindeutige Subtypzuordnung als auch molekulare Veränderungen, die nicht mit der Morphologie im Einklang stehen (PRKD1-Punktmutation vs. PRKD-Genfusion; [15]). Der Nachweis einer PRKD1-, -2 oder -3-Genfusion ist dabei als Risikofaktor für häufigere Lymphknotenmetastasen beschrieben [14]. Abschließend sei anzumerken, dass das Spektrum polymorpher Adenokarzinome in sehr seltenen, aber gut dokumentierten Fällen auch in der Parotis zu finden ist [6, 7].

Abb. 2
figure 2

Gegenüberstellung des Spektrums polymorpher Adenokarzinome mit dem klassischen bzw. konventionellen Subtyp (a) und dem kribriformen Subtyp (b). Der konventionelle Subtyp (a) zeigt ein trabekuläres, targetoides Wachstumsmuster mit schiefergrauem Hintergrund. Der kribriforme Subtyp hingegen zeigt etwas aufgehellte Kerne und ein papilläres sowie in den Einschüben glomeruloides und kribriformes Wachstumsmuster. Molekular unterscheiden sich beide durch eine PRKD1(E710D)-Mutation (in a) bzw. eine PRKD1-Genfusion (in b). (ab Hämatoxylin-Eosin-Färbung; Maßstab 100 µm)

Merke

Der Nachweis einer papillären (≥ 10 %)/kribriformen (≥ 30 %) Morphologie sowie einer PRKD-Genfusion wurde als negativer prognostischer Parameter bzw. Risikofaktor für häufigere Lymphknotenmetastasen im polymorphen Adenokarzinom identifiziert.

Myoepitheliales Karzinom

Das myoepitheliale Karzinom gehört zu den diagnostisch herausforderndsten Karzinomen der Speicheldrüse. Diese sind gekennzeichnet durch ein monophasisches Karzinom mit morphologisch myoepithelialer Differenzierung (u. a. spindelzellig, plasmazytoid), das typischerweise eine Koexpression von SOX10 und S‑100 aufweist. Die Wachstumsmuster können dabei variabel sein und unter anderem eine retikuläre, trabekuläre und solide Differenzierung zeigen, wobei ein charakteristisches Merkmal peripher hyperzelluläre Knoten sind, die zum Zentrum hypozellulär werden [13]. Weitere Marker können SMA, Calponin und p63 umfassen; diese finden sich jedoch variabel exprimiert [16]. Insbesondere myoepitheliale Karzinome ex PA, die zu den häufigsten sekundären Karzinomen gehören, werden häufig unterdiagnostiziert [17], wobei als Unterscheidungsmerkmal das infiltrative Wachstumsmuster der myoepithelialen Komponente zu nennen ist. Problematisch ist dabei, dass trotz geringer Atypien diese Karzinome häufiger ein biologisch aggressives Verhalten zeigen [16]. Molekular zeigen myoepitheliale Karzinome einen überlappenden Genotyp mit pleomorphen Adenomen, sodass nicht selten PLAG1-Genfusionen mit verschiedenen Fusionspartnern beschrieben sind [8, 18]. In der Regel lässt sich somit aus dem molekularen Profil keine Aussage über die Entität und Dignität ablesen, da z. B. auch Myoepitheliome PLAG1-Genfusionen aufweisen können [19]. Insbesondere an bioptischem oder Feinnadelmaterial kann ohne Nachweis einer Invasion keine Unterscheidung zwischen einem Myoepitheliom und einem „low-grade“ myoepithelialen Karzinom getroffen werden. Eine Ausnahme scheint dabei die TGFBR3PLAG1-Fusion zu sein, die in einer großen Kohorte ausschließlich in malignen Tumoren (de novo myoepitheliale Karzinome oder myoepitheliale Karzinome ex PA) identifiziert wurde [8]. In einer weiteren Arbeit wurde die gleiche Genfusion in 3 Tumoren im tiefen Parotislappen identifiziert, die morphologische Eigenschaften eines „low-grade“ myoepithelialen Karzinoms aufwiesen [9].

Merke

Myoepitheliale Karzinome zeigen häufig Genfusionen des PLAG1-Gens.

Merke

Myoepitheliale Karzinome werden häufig unterdiagnostiziert und zeigen trotz blander Morphologie oftmals ein biologisch aggressives Verhalten.

Basalzelladenokarzinom

Das Basalzelladenokarzinom ist insgesamt sehr selten und zeigt eine biphasische epithelial-myoepitheliale Differenzierung mit basaloidem Zellaspekt. Im Gegensatz zum Basalzelladenom findet sich ein infiltratives Wachstumsmuster, das als einziges sicheres Unterscheidungsmerkmal dient [20]. Molekular finden sich verschiedene Alterationen, darunter CYLD-Mutationen, selten auch CTNNB1-Mutationen [21]. Letztere wiederum finden sich häufig in Basalzelladenomen, sodass davon auszugehen ist, dass sich ein kleiner Teil der Basalzelladenokarzinome über eine Sequenz aus Basalzelladenomen entwickelt; der größte Teil dürfte distinkt de novo entstehen. Sowohl Basalzelladenome als auch Basalzelladenokarzinome können eine nukleäre β‑Catenin-Reaktivität zeigen, sodass damit das Spektrum der Basallzellneoplasien untermauert werden kann. Es kann jedoch keine zuverlässige Aussage über die Dignität getroffen werden [20].

Speichelgangkarzinom

Das Speichelgangkarzinom ist als relativ häufige Entität anzutreffen und zeigt praktisch ausschließlich eine „high-grade“ Morphologie mit einem entsprechend hohen Risiko von Lymphknoten- und Fernmetastasen. Molekular finden sich neben TP53-Mutationen ebenfalls häufig HRAS- und PIK3CA-Mutationen [10]. Relevant sind vor allem Alterationen, die zu einer Überexpression von Androgenrezeptor (AR) und HER2/neu führen, da diese potenziell gezielt therapeutisch angegangen werden können [22]. Insbesondere die AR-Überexpression kann diagnostisch wertvoll sein und als charakteristischer Marker die Diagnose eines Speichelgangkarzinoms erhärten. Dadurch kann auch die Gruppe der nicht anderweitig spezifizierten (Adeno‑)Karzinome (NOS) weiter reduziert werden [23]. Eine aberrante immunhistochemische TP53-Expression (kräftige diffuse Überexpression oder vollständiger Verlust der Expression) als Surrogatmarker für eine Mutation kann die Diagnose unterstützen ist jedoch naturgemäß weitaus weniger spezifisch als die AR-Überexpression.

Merke

Die Androgenrezeptor- und die HER2/neu-Überexpression im Speichelgangkarzinom können diagnostisch und potenziell gezielt therapeutisch genutzt werden.

Neue morphologisch und molekular definierte Entitäten

Muzinöses Adenokarzinom

Das muzinöse Adenokarzinom erinnert morphologisch an muzinöse Adenokarzinome des Gastrointestinaltrakts bzw. des pankreatobiliären Trakts. Es zeigt sich typischerweise reichlich extrazelluläre Schleimbildung mit papillärer, trabekulärer sowie selten auch siegelringzelliger Differenzierung ([11]; Abb. 3a). Immunhistochemisch sind die Karzinome typischerweise positiv für CK7 bei Negativität für CK20 und CDX2. Nicht selten sind Metastasen in den regionären Lymphknoten anzutreffen. In den bisher molekular charakterisierten Fällen findet sich sehr häufig (> 90 %) eine rekurrente E17K-Mutation im AKT1-Gen, die grundsätzlich auch diagnostisch zur Untermauerung verwendet werden kann [13]. Hierbei sei anzumerken, dass bei den muzinösen Adenokarzinomen zusätzlich zumeist TP53-Mutationen vorliegen [11]; im Gegensatz zu den morphologisch ähnlichen Läsionen, für die der Begriff der intraduktalen papillären muzinösen Neoplasie (IPMN) vorgeschlagen wurde [24]. Letztere zeigen ein überlappendes morphologisches Spektrum und ebenfalls AKT1-(E17K)-Mutationen, sind aber biologisch als indolent einzustufen. Zur genaueren Einordnung der Verwandtschaft dieser Tumoren werden weitere Daten benötigt [25].

Abb. 3
figure 3

Übersicht über neue Entitäten von Speicheldrüsenkarzinomen. a Das muzinöse Adenokarzinom zeigt deutlich atypische glanduläre Verbände mit intra- und extrazellulärer Verschleimung. Typischerweise findet sich eine AKT1(E17K)-Genmutation. (Bildmaterial dankenswerterweise von Dr. Ali Khurram und Dr. Keith Hunter, Universität Sheffield, zur Verfügung überlassen). b Das mikrozystische sklerosierende Adenokarzinom zeigt einen sklerotischen Hintergrund mit sehr hochdifferenzierten biphasischen tubulären Infiltraten, die perineural infiltrieren. Bisher sind keine rekurrenten molekularen Alterationen bekannt. c Das mikrosekretorische Adenokarzinom zeigt irreguläre glanduläre, sehr hochdifferenzierte Verbände mit überwiegend tubulärer, angedeutet kribriformer Differenzierung und einem bläulich-myxoiden Hintergrund. Auffallend sind die intraluminalen Sekretionen. In nahezu allen Fällen findet sich molekular eine MEF2C-SS18-Genfusion. (ac Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Maßstab 100 µm)

Sklerosierendes mikrozystisches Adenokarzinom

Das sklerosierende mikrozystische Adenokarzinom ist quasi das Pendant zum mikrozystischen Adnexkarzinom der Haut und hat einen ähnlichen morphologischen Aufbau. In einem sklerosierten Hintergrund zeigen sich äußerst hochdifferenzierte tubuläre Formationen mit biphasischer epithelial-myoepithelialer Differenzierung, die diffus infiltrieren und nicht selten eine Perineuralscheideninfiltration zeigen ([26]; Abb. 3b). Bisher sind keine rekurrenten molekularen Alterationen bekannt, lediglich in einem Fall ist eine CDK11B-Mutation beschrieben [27].

Mikrosekretorisches Adenokarzinom

Das kürzlich charakterisierte mikrosekretorische Adenokarzinom ist ein Karzinom der Speicheldrüsen und findet sich typischerweise in der Mundhöhle. Die Morphologie zeigt kleine, irreguläre Drüsen, die an „intercalated ducts“ erinnern und mit einem bläulichen Material gefüllt sind (Abb. 3c). Immunhistochemisch zeigt sich eine Expression von S‑100 und SOX10 [28] sowie eine Expression von p63 bei Negativität für p40. Molekular findet sich eine rekurrente MEF2C-SS18-Genfusion, die mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder RNA-Sequenzierung nachgewiesen werden kann [29]. Die Differenzialdiagnose umfasst insbesondere ein adenoid-zystisches Karzinom, ein polymorphes Adenokarzinom und ein Mukoepidermoidkarzinom. Eine Unterscheidung ist hierbei insbesondere klinisch von Relevanz, da in den bisher publizierten Fällen weder ein Rezidiv noch Metastasen beschrieben worden sind [12].

Merke

Das mikrosekretorische Karzinom scheint biologisch sehr indolent, sodass eine Abgrenzung von anderen morphologisch ähnlichen Entitäten von besonderer Relevanz ist.

Fazit für die Praxis

  • Die RAS(Q61R)-Immunhistochemie kann als Surrogatmarker auf eine entsprechende HRAS-Mutation hinweisen.

  • Die PLAG1-Genfusionen sind als Ausnahme insgesamt wenig spezifisch und können in benignen und malignen Neoplasien gefunden werden.

  • Die korrekte Diagnose des mikrosekretorischen Adenokarzinoms ist im Hinblick auf das offensichtlich wenig aggressive Verhalten von Relevanz.

  • Androgenrezeptor- und/oder HER2/neu-Überexpression können potenziell als therapeutischer Angriffspunkt dienen.