1 Einleitung und Motivation

Die Anwendung von thermoplastischen Kunststoffzahnrädern erfolgt in Aktuatoren und Stellgetrieben in der Elektromobilität. Beispielhaft sind Anwendungen in Heizungs- und Lüftungsanlagen, Kühlmittelregelventilen und elektrischen Servolenkungssystemen in Automobilen zu nennen [1, 2]. Zunehmend werden Zahnräder aus Hochleistungskunststoffen in der Industrie und Forschung für Anwendungen höherer Leistungsklassen verwendet [3]. Anwendungsbeispiele stellen Kunststoffzahnräder als Motorsteuerräder, im Triebstrang von E‑Bikes und in kleinen urbanen Elektrofahrzeugen dar [2, 4]. Nach einer Marktanalyse wird das globale Marktvolumen für Kunststoffzahnräder in 2021 auf 430,93 Mio. USD beziffert und soll bis 2027 auf ein Marktvolumen von 606,93 Mio. USD expandieren [5]. Als Vorteile von Kunststoffzahnrädern gegenüber Stahlzahnrädern gelten eine höhere Laufruhe infolge der Materialdämpfung, die Wirtschaftlichkeit durch die Fertigung im Spritzgussverfahren, Gewichtseinsparungen, die Möglichkeit des Trockenlaufs und der Integralbauweise sowie die chemische Beständigkeit [6]. Spritzgegossene Kunststoffzahnräder können durch den Wegfall der Prozessschritte Verzahnungsschleifen und Einsatzhärten im Vergleich zu Stahlverzahnungen günstiger gefertigt werden. Aufgrund der hohen Gestaltungsfreiheit im Spritzgussverfahren bestehen zusätzlich Potenziale in der Zahnfußoptimierung zur Steigerung der Tragfähigkeit. Die niedrigere Dichte von Kunststoff bietet Leichtbaupotential, welches zur Treibhausgasminderung in der Prozesskette genutzt werden kann [3]. Durch das Ersetzen von Stahlzahnrädern mit Kunststoffzahnrädern erzielte der amerikanischer Hersteller Metaldyne Inc. beispielsweise in einem Massenausgleichsmodul eine Schalldruckpegelverringerung um ΔL = 3 dB, eine Gewichtsreduktion um Δm/m = 68% und eine Reduktion des Massenträgheitsmoments um ΔI/I = 78 % [7]. Zu den Nachteilen zählt beispielsweise eine geringere Tragfähigkeit gegenüber Stahlzahnrädern. Eine Herausforderung bei der Anwendung von Kunststoffzahnrädern gegenüber Stahlzahnrädern stellt die geringere Steifigkeit und mechanische Festigkeit dar [3]. Infolge der geringeren Steifigkeit von Kunststoffverzahnungen gegenüber Stahlverzahnungen ist ein Eingriff außerhalb der theoretischen Eingriffsstrecke möglich. Durch die höhere Verformung der Zähne verlängert sich die Eingriffsstrecke am Anfang und am Ende des Eingriffs [8]. Die aktuelle Richtlinie VDI 2736 zur Auslegung thermoplastischer Zahnräder betrachtet nur die lastfreie Eingriffsstrecke, sodass eine lastbedingte Überdeckungserhöhung nicht erfasst wird [9]. Die Eingriffsverhältnisse unter Last beeinflussen die Tragfähigkeit und das Anregungsverhalten. Zudem weisen Kunststoffe ein individuelles nichtlineares Spannungs-Dehnungsverhalten auf [10]. Dieses nichtlineare Materialverhalten ist zur korrekten Dimensionierung von Kunststoffzahnrädern zu beachten und wird in aktuellen Auslegungsmethoden nicht berücksichtigt [4, 10, 11].

2 Stand der Technik

In diesem Kapitel wird zunächst der Stand der Technik bezüglich der vorhandenen Normen und Auslegungsrichtlinien für Kunststoffzahnräder analysiert. Anschließend werden experimentelle Untersuchungen und Berechnungen bezüglich des Einsatzverhaltens von Kunststoffzahnrädern erläutert. Das Kapitel wird mit einer Beschreibung der maschinenakustischen Wirkkette und der Psychoakustik abgeschlossen.

2.1 Auslegung von Kunststoffzahnrädern

Die Auslegung von Kunststoffzahnrädern erfolgt nach aktuellem Stand der Technik nach Normen und Richtlinien, wie beispielsweise der Richtlinie VDI 2736 und der japanischen Norm JIS B 1759, welche die kunststoffspezifischen Eigenschaften nicht vollständig berücksichtigen [10, 11]. Im Vergleich zu Stahlverzahnungen (Elastizitätsmodul EStahl = 210.000 N/mm2, Querkontraktionszahl vStahl = 0,3) weisen Kunststoffverzahnungen eine geringere Steifigkeit auf (EKunststoff = 530 … 5200 N/mm2, vKunststoff = 0,37 … 0,45). Während der E‑Modul von Polymeren um etwa den Faktor 100 geringer ist als bei Stahl oder Keramik, tritt eine relevante plastische Verformung bei Spannungen auf, die um etwa den Faktor 10 geringer sind [12]. Polymere können folglich höhere elastische Dehnungen ertragen, bevor eine plastische Verformung erfolgt [12]. Diese elastischen Dehnungen sind bei der Auslegung von Bauteilen aus Kunststoff zu berücksichtigen [12].

Fürstenberger untersuchte den Geometrieeinfluss von trockenlaufenden Kunststoff/Stahl-Zahnradpaarungen aus Polyamid 12G (PA12G) und Polyimid (PI). Der Geometrieeinfluss wurde zwischen verlustoptimierten und konventionellen Auslegungen auf die Verzahnungsverluste, Temperaturen, Tragfähigkeit und das dynamische Betriebsverhalten analysiert. Verlustoptimierte Zahnräder zeichnen sich durch die „Konzentration des Zahneingriffs um den Wälzpunkt“ aus. Fürstenberger stellt eine Auslegungsstrategie für verlustoptimierte Zahnräder vor, welche nicht im Definitionsbereich der VDI 2736 Richtlinie liegen. Die Auslegungsstrategie lässt sich auch auf konventionelle Kunststoffzahnräder anwenden. Die Berechnungsmethode berücksichtigt den Einfluss der lastbedingten Überdeckungszunahme auf die Last- und Gleitgeschwindigkeitsverteilung im Zahnkontakt in einer lokalen Verlustleistungsrechnung. Die verlängerte Eingriffsstrecke unter Last wird linear-elastisch berücksichtigt. Das nichtlineare Materialverhalten wird nicht berücksichtigt [13].

Nitsch untersuchte das Verformungs- und das dynamische Geräuschverhalten von Stahl/Kunststoffverbund-Zahnradpaarungen und stellt eine schwingungsreduzierende Wirkung aufgrund der verringerten Radkörpersteifigkeit fest [14]. Der Autor führt die schwingungsreduzierende Wirkung auf die Radkörperdämpfung durch die Verwendung eines Verbundradkörpers zurück und konstatiert einen gleichzeitig zunehmendem Torsionsbeschleunigungsanteil [14]. Eine Lösung für ein Werkstoffverbundzahnrad stellt ein Kompromiss aus hoher Radkörperdämpfung bei hoher Radkörpersteifigkeit dar [14]. Nitsch leitet aus den Versuchsergebnissen eine systematische Auslegungsempfehlung zur Berechnung der Anregung, der Lebensdauer und des Wirkungsgrads für Kunststoffverbundzahnräder ab und empfiehlt eine detaillierte Berechnung der Verzahnung inklusive Radkörperverformung aus FE- und Spritzgusssimulation [14].

Hasl entwickelte Erweiterungen für die Richtlinie VDI 2736, welche die lastbedingte Überdeckung für Kunststoffstirnräder beinhaltet. Hasl validierte die Ansätze anhand von Laufversuchen mit ölgeschmierten Stahl/Kunststoff-Zahnradpaarungen aus Polyoxymethylen (POM), Polyamid 4.6 (PA46) und Polyetheretherketon (PEEK) [15]. Der Autor stellt fest, dass die nach VDI 2736 berechnete Beanspruchung überschätzt wird, wodurch die ertragbaren Drehmomente und Lastspielzahlen für Kunststoffstirnradpaarungen signifikant höher liegen [15]. Zur Berücksichtigung des Einflusses zeit- und temperaturabhängiger Werkstoffeigenschaften auf die Zahnradauslegung sind eine erweiterte Modellvorstellung und experimentelle Untersuchungen erforderlich [15]. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass aktuelle Auslegungsmethoden vorwiegend an Stahlzahnräder angelehnt sind und das nichtlineare Materialverhalten von Kunststoffzahnrädern nicht adäquat berücksichtigen.

2.2 Berechnung des Einsatzverhaltens von Kunststoffzahnrädern

Letzelter et al. erweiterten ein einflusszahlenbasiertes Lastverteilungsmodell für Zahnkontakte um das viskoelastische Kelvin-Voigt-Modell [16]. Das Modell wurde für geradverzahnte Stahl/Kunststoffradpaarungen auf den Kunststoff Polyamid 6.6 (PA66) mittels Spektrometerversuchen phänomenologisch abgestimmt [16]. Die Autoren validierten das Modell durch Drehfehlermessungen bei M = 10 Nm und n = 300 min−1 für eine Verzahnung mit Modul mn = 3 mm und Zähnezahlen z1/2 = 32/41 [16]. Die Kontaktzonen wurden im Modell im lastfreien Zustand ermittelt. Eine Validierung des Modells für verschiedene Drehmomente und eine Untersuchung, ob die lastfreie Ermittlung der Kontaktzone für die Berechnung von Kunststoffzahnrädern ausreichend ist, bleiben offen.

Trobentar und Glodež simulierten die Zahnverformung einer Stahl/Kunststoffradpaarung aus POM Delrin 100 NC10 in Abaqus basierend auf einem linear-elastischen Materialmodell nach Hooke und einem hyperelastischen Materialmodell nach Marlow [17]. Das Marlow-Modell ermöglicht die Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens eines Kunststoffes durch Vorgabe einer experimentell bestimmten Spannungs-Dehnungskurve [18]. Die Zahnverformung wurde mit der VDI Richtlinie 2736 verglichen [17]. Die Autoren zeigen auf, dass die Differenz der Zahnverformungsberechnung zwischen linear-elastischem und hyperelastischem Materialmodell mit zunehmender Belastung steigt [17]. Es sind keine experimentellen Untersuchungen zur Validierung der entwickelten Methode durchgeführt worden.

Koop et al. untersuchten den Körperschall von Stahl/Kunststoffradpaarungen mit einer lastfreien Sprungüberdeckung von εlastfrei,1 = 0,8 und εlastfrei,1 = 1,0 und zwei unterschiedlichen Kopfrücknahmen bei einer Belastung von M1 = 3 Nm, M2 = 10 Nm und M3 = 20 Nm [19]. Die Autoren verglichen die Ergebnisse mit den Überdeckungen unter Last in einer FE-Analyse [19]. Koop et al. stellen fest, dass bei Kunststoffzahnrädern eine ganzzahlige lastfreie Überdeckung im Allgemeinen ungünstig für das Geräuschverhalten ist, da sich die Überdeckung im Betrieb insbesondere bei hohen Lasten, hohen Temperaturen und nachgiebigen Materialien erhöht [19]. Die FE-Berechnungen erfolgten in einer Abwälzsimulation ohne Angabe des verwendeten Materialmodells.

Černe et al. analysierten den Einfluss des nichtlinear-elastischen Materialverhaltens einer Stahl/Kunststoffradpaarung aus POM mit Fokus auf dem Temperaturanstieg im Zahnkontakt [20]. Černe et al. stellen fest, dass ein linear-elastisches Materialverhalten für die betrachtete Stahl/Kunststoffradpaarung bei niedrigen bis moderaten Lasten eine ausreichende Materialmodellierung darstellt, falls keine extensive Dehnungsverteilung auftritt [20]. Die FE-Abwälzsimulation geht mit einem hohen Modellierungs- und Rechenaufwand einher. Es sind keine Untersuchungen zum Einfluss des nichtlinear-elastischen Materialverhaltens auf die mechanische Verformung bei hohen Lasten durchgeführt worden.

Koch et al. erarbeiteten einen Leitfaden zur Auslegung spritzgegossener Kunststoffzahnräder und entwickelten ein multiphysikalisches Simulationsmodell, welches Reibung, Verschleiß, Schädigung und ein temperaturabhängiges Materialverhalten berücksichtigt [21]. Das Modell kann anisotropes Materialverhalten abbilden, um den Einfluss der Faserorientierung in der Berechnung zu berücksichtigen [21]. Zur Berechnung stehen verschiedene elastische und elastisch-plastische Materialmodelle zur Auswahl [21]. Der Berechnungsansatz ist für eine faserverstärkte Stahl/Kunststoffradpaarung aus PA46-GF30 bezüglich der Temperatur- und der Verschleißberechnung validiert worden [21]. Experimentelle Untersuchungen zur Validierung des Summendrehfehlers sind nicht durchgeführt worden.

Zur Berechnung des Betriebsverhaltens von Verzahnungen sind Zahnkontaktanalysen, wie beispielsweise KISSsoft, Rikor, ZaKo3D und Stirak, Stand der Technik [22,23,24,25]. Für Kunststoffverzahnungen kann das nichtlineare Materialverhalten in den Methoden aktuell nicht berücksichtigt werden. Die bisherige FE-basierte Zahnkontaktanalyse Stirak ermöglicht die Berechnung des Lauf- und Tragfähigkeitsverhaltens von Stirnradgetrieben zur Auslegung von Flankenkorrekturen und Toleranzfeldern in Abhängigkeit der exakten Zahnflankentopografie und Zahnfußausrundung. Ebenfalls können gemessene Flankentopografien nachgerechnet und beurteilt werden. Die FE-basierte Zahnkontaktanalyse basiert auf dem mathematischen Federmodell nach Neupert, welches den linienförmigen Zahnkontakt zweier abwälzender Zahnräder durch Berührlinienpunkte vereinfacht [26]. Die Berührlinienpunkte haben einen Kontaktabstand zueinander und eine Nachgiebigkeit, die durch Einflusszahlen beschrieben wird [26]. Die Berührlinienlage wird für ein lastfreies Abwälzen vorab bestimmt. Anschließend werden die Einflusszahlen für die lastfrei ermittelten Berührlinien in einer FE-Berechnung über Einheitslasten berechnet. Zur Bestimmung der Berührlinienpunktkräfte werden in einem linearen Gleichungssystem die konstanten Einflusszahlen, die Kontaktabstände und die anliegende Gesamtkraft infolge des Drehmoments vorgegeben. Die Bestimmung der Berührlinienkräfte erfolgt iterativ, da zu Beginn der Berechnung die Anzahl an sich berührenden Punkten nicht bekannt ist. Es werden sukzessive Berührlinienpunkte aus dem Gleichungssystem eliminiert, bis nur noch positive Berührlinienpunktkräfte vorliegen. Der iterative Lösungsalgorithmus basiert auf konstanten Einflusszahlen. Das in der Berechnungsmethode angewandte Superpositionsprinzip bedingt kleine Dehnungen und ein linear-elastisches Materialverhalten. Das nichtlineare Materialverhalten von Kunststoffverzahnungen, welches insbesondere bei hohen Belastungen in Leistungsverzahnungen relevant ist, kann aktuell aufgrund der Modellannahmen nicht berücksichtigt werden. Zusammengefasst kann konstatiert werden, dass Kunststoffzahnräder in Voll-FE-Analysen mit verschiedenen Materialmodellen berechnet werden, welche jedoch einen hohen Rechenaufwand erfordern. Eine validierte Zahnkontaktanalyse zur Vorhersage des Einsatzverhaltens von Kunststoffzahnrädern, welche das nichtlineare Materialverhalten berücksichtigt, ist nicht vorhanden.

2.3 Maschinenakustische Wirkkette und Psychoakustik

Die Geräuschentstehungskette von Verzahnungen wird nach Carl in vier Aspekte unterteilt, welche das emittierte Geräusch – ausgehend von der Anregung im Zahneingriff über den Übertragungspfad im Maschinenverband – für das menschliche Gehör bewerten lässt. Die Ausgangslage wird durch die Anregungseigenschaften des Radsatzes beschrieben, wofür die Wälzabweichung als Beurteilungsgröße verwendet wird. Das Anregungsverhalten des Radsatzes führt wechselwirkend mit Systemresonanzen in Abhängigkeit des Betriebspunktes zu dynamischen Laständerungen im Zahneingriff. Die Laständerungen werden durch die Struktur als Körperschall übertragen und am Gehäuse als Luftschall emittiert. Im letzten Schritt wird die Geräuschanregung und -emission anhand psychoakustischer Beurteilungsmethoden bewertet [27].

Das menschliche Hörempfinden ist subjektiv und nicht absolut. Neben einer frequenzabhängigen Bewertung lässt sich die Geräuschqualität durch psychoakustische Kenngrößen bewerten. Diese dienen der Beurteilung der menschlichen Geräuschwahrnehmung, ob ein Geräusch als angenehm oder störend empfunden wird. Die psychoakustischen Bewertungsgrößen sind im Gegensatz zu den physikalischen Kenngrößen proportional zum menschlichen Hörempfinden. Zu den wesentlichen psychoakustischen Kenngrößen zählen die Lautheit, die Schärfe, die Rauigkeit und die Tonalität [28].

3 Zielsetzung und Vorgehensweise

Aktuelle Arbeiten thematisieren die zahlreichen Einflüsse auf das komplexe Betriebsverhalten von Kunststoffzahnrädern. Der Einfluss der Materialnichtlinearität auf das Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern ist nicht hinreichend erforscht worden. Effiziente Berechnungsmethoden, die das nichtlineare Materialverhalten berücksichtigen, sind insbesondere für die Anwendung von Kunststoffzahnrädern in Getrieben höherer Leistungsdichte relevant und fehlen aktuell zur Auslegung von Kunststoffzahnrädern. Das Forschungsziel und die Forschungshypothese sind in Abb. 1 formuliert.

Abb. 1
figure 1

Zielsetzung und Vorgehensweise

In diesem Bericht wird der Einfluss der Materialnichtlinearität infolge unterschiedlicher Temperaturen auf das Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern in Betriebs-Wälzprüfungen und Drehzahlhochläufen untersucht. Des Weiteren wird ein Abgleich zwischen experimentell und simulativ bestimmten Drehfehler durchgeführt, um die Rechengüte der aktuellen FE-basierten Zahnkontaktanalyse Stirak und der kommerziellen FE-Software Abaqus hinsichtlich der Abbildung des quasistatischen Anregungsverhaltens von Kunststoffzahnrädern zu quantifizieren. In Abaqus wird das nichtlineare Materialverhalten der Kunststoffzahnräder berücksichtigt, um den Einfluss der Materialnichtlinearität auf die Berechnung des quasistatischen Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern zu ermitteln.

4 Methode zur Untersuchung und Simulation des Anregungsverhaltens von Kunststoffzahnrädern

In diesem Kapitel werden die experimentellen und simulativen Methoden zur Untersuchung des Anregungsverhaltens von Zahnrädern aus Polyetheretherketon (PEEK) und ausferritischem Gusseisen mit Kugelgraphit (ADI 900) erläutert. Zunächst werden die Prüfzahnräder vorgestellt und bezüglich ihrer Mikrogeometrie durch eine Verzahnungsmessung charakterisiert. Anschließend werden der Prüfstandsaufbau und die Messtechnik beschrieben. Schließlich werden die Prüfprozedur und die Simulationsmethoden vorgestellt.

4.1 Makro- und Mikrogeometrie der Prüfverzahnung

Die Prüfverzahnung hat einen Achsabstand a = 91,5 mm, einen Normalmodul mn = 1,75 mm, einen Normaleingriffswinkel αn = 20°, einen Schrägungswinkel β1/2 = ±15°, eine Zahnbreite b = 29 mm und ein Zähnezahlverhältnis z1/2 = 33/67. Die Prüfverzahnung weist eine Gesamtüberdeckung εγ = 2,795 auf, die sich als Summe aus der Profilüberdeckung εα = 1,430 und der Sprungüberdeckung εβ = 1,365 ergibt. Insgesamt sind ein Ritzel aus Stahl 16MnCr5, zwei Räder aus ADI 900 (Varianten G1/G2) und vier Räder aus PEEK 1000 (Varianten Kµ1/Kµ2/K3/K4) untersucht worden [29]. Vor den experimentellen Untersuchungen wurde die Mikrogeometrie der Prüfverzahnungen bezüglich der Verzahnungsabweichungen nach ISO 1328‑1 auf einem Verzahnungsmesszentrum P16 der Firma Klingelnberg gemessen [30]. Die gemessenen Kopfrücknahmen Cαa, Profillinienwinkelabweichungen f, Flankenlinienwinkelabweichungen f, Teilungs-Gesamtabweichungen Fp, Rundlaufabweichungen Fr, Profilballigkeiten Cα und Breitenballigkeiten Cβ sind für jeden Prüfling in Abb. 2 dargestellt. Zur Bestimmung der Verzahnungsabweichungen wurden die Flankenlinie und die Profillinie von vier Zähnen über den Umfang verteilt bei einer konstanten Raumtemperatur von TR = 20 °C gemessen. Zusätzlich wurde eine Topografiemessung mit 25 Profil- und 39 Flankenlinien an einem Zahn je Prüfling durchgeführt, welche exemplarisch in Abb. 2 gezeigt ist. Die gemessenen Radvarianten aus Kunststoff unterscheiden sich signifikant bezüglich der gemessenen Profilballigkeiten Cα und Kopfrücknahmen Cαa. Die Radvarianten aus Kunststoff lassen sich somit in zwei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe sind die Radvarianten K3/K4 mit niedrigen Profilballigkeiten Cα und Kopfrücknahmen Cαa und die zweite Gruppe sind die Radvarianten Kµ1/Kµ2 mit hohen Profilballigkeiten Cα und Kopfrücknahmen Cαa. Die dritte Gruppe umfasst die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900, welche sich im Werkstoff von den anderen beiden Gruppen unterscheiden.

Abb. 2
figure 2

Verzahnungsmessung der Prüfverzahnung

4.2 Prüfstandsaufbau und Messtechnik

Der elektrische Getriebeverspannungsprüfstand ermöglicht die Untersuchung des Anregungsverhaltens von Verzahnungen unterschiedlicher Geometrie bei konstanten Randbedingungen. Die Leistungsdaten, der Prüfstandsaufbau und die Prüflinge sind in Abb. 3 dargestellt. Zur Regelung der Betriebszustände treibt ein drehzahlgeregelter Elektromotor das Ritzel mit einer definierten Drehzahl an. Der mit dem Rad verbundene Generator ist drehmomentgeregelt und wirkt dem Antrieb entgegen. Mit dem Prüfstand werden die Prüflinge bezüglich ihres Anregungsverhaltens in einer Stirnradmesszelle untersucht [31]. Die Messung des Drehfehlers erfolgt mit inkrementellen optischen Drehwinkelmesssystemen des Typs ERA 180 mit 18.000 Inkrementen der Firma Heidenhain. Die Drehzahlsignale werden am An- und Abtrieb mit einer zweikanaligen Drehzahlmesskarte mit einer Taktfrequenz fTakt = 12,3 GHz erfasst. Zusätzlich wird die Öltemperatur TÖl messtechnisch mit einer Frequenz fSample = 100 Hz mit einem PT1000-Widerstandsthermometer erfasst. Die messtechnische Erfassung des Körperschalls erfolgt mit einem monoaxialen Beschleunigungssensor des Modells HTM352C68 der Firma PCB Piezotronics mit einer Abtastfrequenz von fSample = 50 kHz. Der Beschleunigungssensor wird nahe der Lagerstelle am Abtrieb mit Zwei-Komponenten-Kleber befestigt und erfasst die Beschleunigung in vertikaler Richtung.

Abb. 3
figure 3

Leistungsdaten, Prüfstandsaufbau und Prüflinge

4.3 Prüfprozedur

Zur Untersuchung des nichtlinearen Materialverhaltens auf das Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern wurde eine Betriebs-Wälzprüfung für jede Radvariante aus PEEK bei zwei unterschiedlichen Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C durchgeführt. Das Ritzel aus Stahl 16MnCr5 wurde während den Untersuchungen konstant gehalten. Als Referenz ist die Prüfprozedur an zwei Radvarianten aus ADI 900 durchgeführt worden. Der Ablauf der Prüfprozedur, das gemessene Drehmoment M2 am Abtrieb, die Antriebsdrehzahl n1 und die Öltemperatur TÖl sind exemplarisch in Abb. 4 aufgeführt. Die Prüfprozedur wurde für jede Radvariante durchgeführt. Zunächst erfolgte ein Warmfahren für mindestens tEinlauf = 1 h, sodass die Öltemperatur erreicht und die Messzelle einheitlich aufgewärmt wurde. Anschließend wurden eine Tragbildprüfung nach VDI 2609 und eine Temperaturmessung am Radkörper durchgeführt [32]. Darauf folgte eine Betriebs-Wälzprüfung nach VDI 2608 für einen Drehmomentbereich M2 = 10 … 120 Nm in ΔM2 = 10 Nm Schritten [33]. Die Dauerfestigkeitsgrenze der Prüfverzahnung mit einem Kunststoffzahnrad beträgt M2 = 100 Nm. Das maximale Drehmoment M2 = 120 Nm wird gewählt, da die Beanspruchung der Prüfverzahnung kurzfristig ist. Bei einer Antriebsdrehzahl n1 = 60 min−1 beträgt die Prüfzeit t = 134 s für zwei komplette Überrollungen je untersuchtes Drehmoment M2. Anschließend erfolgte ein Drehzahlhochlauf von n1 = 30 min−1 bis n1 = 2600 min−1 mit einer Drehzahlsteigung von \(\dot{\mathrm{n}}\)1 = 30 min−1/s bei einem Drehmoment M2 = 80 Nm. Nach Abschluss der Betriebs-Wälzprüfung und des Drehzahlhochlaufs für die Öltemperatur TÖl,1 = 30 °C erfolgte eine Abkühlphase von mindestens tabkühl = 1 h. Anschließend erfolgte das Warmfahren auf die zweite Öltemperatur TÖl,2 = 65 °C. Die Temperatur am Radkörper und das Tragbild wurden erneut geprüft und die Betriebs-Wälzprüfung wurde erneut durchgeführt. Nach Abkühlen des Prüfstands auf Raumtemperatur wurde zur statistischen Absicherung der experimentellen Untersuchungen die Prüfprozedur je Radvariante dreimal wiederholt. Insgesamt wurden somit 468 Messungen durchgeführt (6 Radvarianten, 2 Öltemperaturen, 13 Drehmomente, 3 Wiederholmessungen).

Abb. 4
figure 4

Prüfprozedur

4.4 Abwälzsimulation, FE-basierte Zahnkontaktanalyse und Materialmodelle

Die experimentell bestimmten Drehfehler wurden simulativ mit zwei unterschiedlichen Methoden nachgerechnet. Die erste Methode ist die FE-basierte Zahnkontaktanalyse Stirak. Diese ermöglicht die Berechnung des Einsatzverhaltens von Verzahnungen in Abhängigkeit der exakten Zahnform, Zahnfußausrundung und der Zahnfedersteifigkeit sowie der Kontaktgeometrie mit der lastfreien Berührlinienlage und den Flankentopografien [24]. Die Methode basiert auf dem mathematischen Federmodell nach Neupert [26]. Der Vorteil der Methode umfasst die einmalige Berechnung der Verzahnungssteifigkeit für eine Makrogeometrie unter einer Einheitslast. Mittels der bestimmten Einflusszahlen ist eine Variation der Last und der Flankentopografien mit geringem Rechenaufwand möglich. Die Berührlinienlage wird lastfrei bestimmt. Das der Methode zugrunde liegende Materialmodell ist linear-elastisch und wird durch ein Elastizitätsmodul E und eine Poissonzahl v definiert. Aufgrund der Modellannahme ist eine Berücksichtigung der Materialnichtlinearität nicht möglich.

Die zweite Berechnungsmethode ermöglicht eine allgemeine Abwälzsimulation von Ritzel und Rad mit der kommerziellen FE-Software Abaqus [34]. Im Gegensatz zur ersten Methode, welche die Berührlinienlage lastfrei bestimmt, werden die beiden Kontaktpartner Ritzel und Rad in Abaqus in einer Kontaktsimulation abgewälzt, sodass ebenfalls eine Berührlinienverlagerung infolge der anliegenden Last berücksichtigt wird. Bei einer Änderung der Zahnflankentopografie sowie bei einer Änderung der anliegenden Last ist eine erneute Erstellung und Berechnung des FE-Modells erforderlich, sodass die Berechnungszeit im Vergleich zur ersten Methode signifikant steigt. Die zweite Berechnungsmethode kann zusätzlich zum linear-elastischen Materialverhalten auch nichtlineares Materialverhalten berücksichtigen. Das nichtlineare Materialverhalten wird auf Basis des Marlow-Modells umgesetzt [18]. Neben einer konstanten Poissonzahl kann eine nichtlineare Spannungs-Dehnungskurve vorgegeben werden, welche beispielsweise aus einer Materialcharakterisierung durch einen Zugversuch, aus Datenbanken oder aus der Literatur extrahiert worden sind [10, 35]. Die Methode Abaqus kann demnach auf Kosten höherer Rechenzeiten das nichtlineare Materialverhalten von Kunststoffzahnrädern im Gegensatz zu Stirak abbilden.

5 Untersuchung des Temperatureinflusses auf das quasistatische Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern

Der Temperatureinfluss auf den Drehfehler wurde mittels einer Betriebs-Wälzprüfung bei zwei unterschiedlichen Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C für zwölf Drehmomente je Radvariante durchgeführt. Die Drehmomentkurven sind über die drei Wiederholungsmessungen je Öltemperatur gemittelt. Die Wiederholmessungen zeigen eine hohe Reproduzierbarkeit der experimentellen Untersuchungen: Bei den sechs untersuchten Radvarianten und zwei Öltemperaturen wird eine gemittelte Standardabweichung der Zahneingriffsordnungen für die drei Wiederholmessungen über alle Drehmomente berechnet. Die gemittelte Standardabweichung beträgt bis auf eine Ausnahme maximal s = 5 %. Bei der Radvariante G1 ist bei der dritten Zahneingriffsordnung eine maximale gemittelte Standardabweichung s = 9 % über alle Drehmomente zwischen den drei Wiederholmessungen bestimmt worden. Diese erhöhte gemittelte Standardabweichung wird als Ausreißer betrachtet, da sie nur für die dritte Zahneingriffsordnung bei einem von insgesamt 36 Messzyklen auftritt. Das gemittelte 2D-Ordnungsspektrums zur Bestimmung der Zahneingriffsordnungen hat eine Ordnungsauflösung von fO = 0,25 und der Drehfehler ist bezüglich des Teilkreisdurchmessers des Rads berechnet. Zudem sind die prozentualen relativen Abweichungen je Drehmoment der ersten drei Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers bei TÖl,2 = 65 °C bezogen auf den Drehfehler bei TÖl,1 = 30 °C berechnet worden und als Mittelwert im Diagramm je Radvariante für die Zahneingriffsordnungen angegeben, um den Temperatureinfluss auf den Drehfehler zu bewerten. In Abb. 5 sind die Amplituden der ersten drei Zahneingriffsordnungen 1.fz–3.fz des Drehfehlers in Abhängigkeit des Drehmoments M2 für die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 dargestellt.

Abb. 5
figure 5

Drehfehler bei Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C – Radvarianten G1/G2

Beim Vergleich der Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers zwischen den beiden Radvarianten aus ADI 900 wird festgestellt, dass die Radvariante G1 geringere Mittelwerte der relativen Abweichung aufweist. Demnach ist die Radvariante G1 mit einer maximalen gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 22,8% weniger sensitiv gegenüber Temperaturänderungen als die Radvariante G2 mit einer maximalen Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 37,5%. Für beide Radvarianten ist der Temperatureinfluss auf die erste und zweite Zahneingriffsordnung mit maximal gemittelten Abweichungen von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 6,3 % und \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 18,3% gering. Die Radvariante G1 zeigt im Vergleich den geringsten Temperatureinfluss auf die ersten zwei Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers mit einer gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 1,3 % und \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 10,0%. Der charakteristische Verlauf der ersten zwei Zahneingriffsordnungen der Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 sowie das Auftreten des lokalen Minimums in der dritten Zahneingriffsordnung bei Radvariante G1 sind von der Temperatur unbeeinflusst.

In Abb. 6 ist der Verlauf der ersten drei Zahneingriffsordnungen 1.fz–3.fz des Drehfehlers über dem Drehmoment M2 für die Radvarianten Kµ1/Kµ2 aus PEEK gezeigt. Der Temperatureinfluss auf die erste Zahneingriffsordnung ist bei Radvariante Kµ2 mit einer gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 3,5 % geringer als bei Radvariante Kµ1 mit einer gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 7,8 %. Die Radvariante Kµ1 aus PEEK zeigt somit einen höheren Temperatureinfluss auf die erste Zahneingriffsordnung als die Radvarianten G2/G1 aus ADI 900. Zusätzlich zeigen die beiden Radvarianten Kµ1/Kµ2 aus PEEK einen signifikant höheren Temperatureinfluss auf die zweite und dritte Zahneingriffsordnung des Drehfehlers mit einer maximalen gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 117,6 % als die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900. Der charakteristische Verlauf der ersten und zweiten Zahneingriffsordnung der Kunststoffradvarianten Kµ1/Kµ2 sowie das Auftreten der lokalen Minima sind von der Temperatur unbeeinflusst. Der charakteristische Verlauf der dritten Zahneingriffsordnung der Kunststoffradvarianten Kµ1/Kµ2 sowie das Auftreten der lokalen Minima sind hingegen von der Temperatur beeinflusst.

Abb. 6
figure 6

Drehfehler bei Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C – Radvarianten Kµ1/Kµ2

In Abb. 7 ist der Verlauf der ersten drei Zahneingriffsordnungen 1.fz–3.fz des Drehfehlers über dem Drehmoment M2 für die Radvarianten K3/K4 aus PEEK gezeigt. Der Temperatureinfluss auf die erste Zahneingriffsordnung ist bei Radvariante K3 mit einer gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 7,5 % geringer als bei Radvariante K4 mit einer gemittelten Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 33,8 %. Beide Radvarianten K3/K4 aus PEEK zeigen einen höheren Temperatureinfluss auf die ersten drei Zahneingriffsordnungen mit einer gemittelten Abweichung bis zu \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 116,9 % als die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900. Der charakteristische Verlauf der ersten und zweiten Zahneingriffsordnung der Kunststoffradvariante K3 sowie das Auftreten der lokalen Minima sind von der Temperatur unbeeinflusst. Der charakteristische Verlauf der dritten Zahneingriffsordnung der Kunststoffradvariante K3 sowie das Auftreten der lokalen Minima und Maxima sind hingegen von der Temperatur beeinflusst. Der charakteristische Verlauf der ersten drei Zahneingriffsordnungen der Kunststoffradvariante K4 sowie das Auftreten der lokalen Minima und Maxima sind von der Temperatur beeinflusst.

Abb. 7
figure 7

Drehfehler bei Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C – Radvarianten K3/K4

Die Radvarianten aus Kunststoff lassen sich gemäß der ermittelten ersten Zahneingriffsordnung in zwei Gruppen unterteilen: Die Radvarianten Kµ1/Kµ2 weisen mit bis zu Δφ1.fz ≤ 2,1 µm höhere Amplituden der ersten Zahneingriffsordnung auf als die Radvarianten K3/K4 mit bis zu Δφ1.fz ≤ 1,2 µm. Diese Beobachtung ist auf die signifikant höhere Profilballigkeit der Radvarianten Kµ1/Kµ2 zurückzuführen gegenüber den Radvarianten K3/K4 (vgl. Abb. 2). Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Temperatureinfluss auf das Anregungsverhalten der Radvarianten Kµ1/Kµ2/K3/K4 aus PEEK für die zweite Zahneingriffsordnung des Drehfehlers mit einer maximalen gemittelten Abweichung bis zu \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 56,4% höher ist als bei den Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 im untersuchten Drehmomentbereich. Die Temperatur kann einen Einfluss auf den charakteristischen Verlauf und auf das Auftreten der lokalen Minima und Maxima der Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers bei den Radvarianten Kµ1/Kµ2/K3/K4 aus Kunststoff haben. Dahingegen ist kein Einfluss auf den charakteristischen Verlauf der Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers der ersten zwei Zahneingriffsordnungen bei den Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 zu erkennen. Bis auf die Radvariante Kµ2 zeigen zudem alle Radvarianten Kµ1/K3/K4 aus PEEK einen mit einer gemittelten Abweichung bis zu \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 33,8% höheren Temperatureinfluss auf die erste Zahneingriffsordnung des Drehfehlers als die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900. Der höhere Temperatureinfluss auf das Anregungsverhalten der Radvarianten aus Kunststoff kann auf das nichtlineare Materialverhalten zurückgeführt werden gegenüber dem linear-elastischen Materialverhalten der Radvarianten aus ADI 900. Aufgrund der Temperaturerhöhung ändert sich die Verzahnungssteifigkeit der Radvarianten aus Kunststoff und bewirkt somit eine Änderung der Parameteranregung.

6 Untersuchung des Temperatureinflusses auf das dynamische Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern

In diesem Kapitel wird zunächst das dynamische Anregungsverhalten exemplarisch zwischen der Radvariante G1 aus ADI 900 und K3 aus PEEK für ein Drehmoment von M2 = 80 Nm bei einer Öltemperatur von TÖl,2 = 65 °C verglichen. Die Analyse des Körperschalls nahe der Lagerstelle am Abtrieb in vertikaler Richtung erfolgt mit der Software ArtemiS Suite. In Abb. 8 ist ein Frequenzspektrum des Körperschalls sowie ein gemitteltes Ordnungsspektrum beider Radvarianten dargestellt. Die Spektren sind im Drehzahlbereich von n1 = 50 min−1 bis n1 = 2500 min−1 ausgewertet. Die Auswertungsparameter des Frequenzspektrums sind Abb. 8 zu entnehmen. Für die Auswertung des Körperschalls über den Drehzahlhochlauf wurde eine Hanning-Fensterfunktion verwendet [36]. Das gemittelte Ordnungsspektrum wurde mit einer Schrittweite Δn1 = 1 min−1 im Ordnungsbereich O = 0–140 mit einer Ordnungsauflösung ΔO = 1 ausgewertet.

Abb. 8
figure 8

FFT und gemitteltes Ordnungsspektrum des Körperschalls über einen Drehzahlhochlauf der Radvarianten G1 (ADI 900) und K3 (PEEK)

In den Frequenzspektren sind die Zahneingriffsfrequenzen als Geraden proportional steigend zur Drehzahl sowie die Systemeigenfrequenzen als Waagerechten zu erkennen. Der Vergleich zwischen den Radvarianten G1 aus ADI 900 und K3 aus PEEK zeigt, dass die Körperschallpegel der Zahneingriffsfrequenzen für die Radvariante K3 aus PEEK geringer sind: Beispielsweise beträgt der Körperschallpegel für ADI 900 La = 103 dB und für PEEK La = 87 dB beim Aufeinandertreffen der dritten Zahneingriffsfrequenz mit einer Eigenfrequenz bei f ≈ 3560 Hz. Das gemittelte Ordnungsspektrum zeigt die Differenz der Körperschallpegel der ersten vier Zahneingriffsordnungen der Radvariante G1 aus ADI 900 gegenüber der Radvariante K3 aus PEEK. Die Körperschallpegel der ersten vier Zahneingriffsordnungen der Radvariante K3 aus PEEK sind signifikant geringer gegenüber der Radvariante G1 aus ADI 900 im gemittelten Ordnungsspektrum: Beispielsweise ist der Körperschallpegel La = 104,5 dB der ersten Zahneingriffsordnung für PEEK um ΔLa = 15,0 dB geringer im Vergleich zum Körperschallpegel La = 89,5 dB für ADI 900. Die Verringerung der Körperschallpegel der Zahneingriffsfrequenzen ist auf den Werkstoff Kunststoff zurückzuführen, welcher im Transferpfad zwischen Zahneingriff und gemessenem Körperschallpegel am Gehäuse eine höhere Dämpfung aufweist als ADI 900.

Im Nachfolgenden wird eine psychoakustische Analyse des Körperschalls über einen Drehzahlhochlauf für alle Radvarianten durchgeführt. Carl zeigt eine adäquate Durchgängigkeit zwischen der Anregung im Zahneingriff, der Differenzschnelle und der Signalcharakteristik der abgestrahlten Getriebegeräuschemission, welches eine frühzeitige Bewertung der entstehenden Geräuschcharakteristik erlaubt [27]. Carl konstatiert, dass eine psychoakustische Analyse anhand des im Getriebe übertragenen Körperschalls erfolgen kann, obwohl diese per Definition für den Luftschall gilt [27]. Aus diesem Grund wird die Signalcharakteristik des Körperschalls, welche sich auf dem Transferpfad zwischen Anregung im Zahneingriff und Geräuschabstrahlung am Gehäuse befindet, psychoakustisch bezüglich der Lautheit und der Tonhaltigkeit analysiert. Die Lautheit wird nach DIN 45631/A1 und die Tonhaltigkeit (Gehörmodell) nach dem Standard ECMA-74 (17. Edition)/ECMA-418‑2 (1. Edition) ausgewertet [37,38,39]. In Abb. 9 sind die Lautheit und die Tonhaltigkeit (Gehörmodell) über der Drehzahl exemplarisch für die Radvarianten G1 aus ADI 900 und K3 aus PEEK dargestellt. Sowohl die Lautheits- als auch die Tonhaltigkeitswerte der Radvariante K3 aus PEEK liegen im untersuchten Drehzahlbereich signifikant unterhalb der Werte für die Radvariante G1 aus ADI 900.

Abb. 9
figure 9

Lautheit und Tonhaltigkeit des Körperschalls am Abtrieb über einen Drehzahlhochlauf

Zusätzlich sind in Abb. 9 die Einzahlwerte der Lautheit und der Tonhaltigkeit (Gehörmodell) des Körperschalls über einen Drehzahlhochlauf für alle Radvarianten zusammengefasst. Die Einzahlwerte sind über die Wiederholmessungen gemittelt. Die drei Kunststoffräder Kµ1/K3/K4 werden mit zunehmender Öltemperatur um maximal bis zu ΔLN = 5 soneGF lauter im Körperschall, während die Tonhaltigkeit des Körperschalls mit zunehmender Öltemperatur bei den Kunststoffrädern Kµ1/Kµ2/K4 um maximal bis zu ΔLT = 0,7 tuHMS abnimmt. Insgesamt ist der Einfluss der Öltemperatur auf die Tonhaltigkeit und die Lautheit des Körperschallsignals bei den Radvarianten aus ADI 900 und PEEK nicht signifikant. Die Radvarianten Kµ1/Kµ2/K3/K4 aus PEEK weisen signifikant niedrigere Lautheits- und Tonhaltigkeitswerte auf als die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900: Den geringsten Einzahlwert der Lautheit erreicht beispielsweise die Radvariante K3 aus PEEK mit LN = 119 soneGF bei der Öltemperatur TÖl,2 = 65 °C. Den höchsten Einzahlwert der Lautheit erreicht die Radvariante G1 aus ADI 900 mit LN = 200 soneGF bei der Öltemperatur TÖl,2 = 65 °C. Der Werkstoff hat im untersuchten Drehzahl- und Öltemperaturbereich einen signifikant höheren Einfluss auf die Tonhaltigkeit und Lautheit des Körperschallsignals als die Temperatur. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Charakteristik des Körperschallsignals weniger tonal und laut bei den Kunststoffradvarianten infolge der Materialdämpfung im Transferpfad zwischen Anregung im Zahneingriff und Geräuschemission am Gehäuse ausfällt als bei den Radvarianten aus ADI 900.

7 Simulation des Temperatureinflusses auf das quasistatische Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern

In diesem Kapitel wurde das Anregungsverhalten der Prüfvarianten mit der Methode Stirak und der Methode Abaqus simuliert. Die Methode Abaqus berücksichtigt das nichtlineare Materialverhalten der Kunststoffzahnräder. Mittels eines Abgleichs mit den Prüfstanduntersuchungen aus Abschn. 5 wurden die Methoden bezüglich ihrer Abbildungsgüte des quasistatischen Anregungsverhaltens bewertet.

7.1 Modellaufbau der Prüfverzahnung in Stirak/Abaqus

Die Radvarianten der Prüfverzahnung unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zahnflankentopografie und ihres Werkstoffs. Die gemessene Zahnflankentopografie eines Zahns (vgl. Abschn. 4.1) wurde den Simulationsmodellen zugrunde gelegt und als topografische Messdaten in den Berechnungsmethoden mitberücksichtigt. In Stirak wurden die Werkstoffe linear-elastisch mit einem konstanten Elastizitätsmodul und einer konstanten Poissonzahl modelliert. Insgesamt wurde eine Teilung mit 31 Wälzstellungen simuliert. Die generierten FE-Modelle in Stirak weisen 20.736 quadratische Hexaederelemente für das Ritzel und 26.176 quadratische Hexaederelemente für das Rad mit jeweils drei modellierten Zähnen inklusive Radkörpersegment auf. Für die nichlineare Materialmodellierung in Abaqus wurde das FE-Netz aus Stirak verwendet, welches die geänderte Flankentopografie infolge der Topografiemessung mitberücksichtigt. Im Gegensatz zum Stirak FE-Netz wurden 97.664 lineare Hexaederelemente C3D8R für das Ritzel und 124.345 lineare Hexaederelemente C3D8R für das Rad verwendet. Das nichtlineare Materialverhalten wurde durch eine Spannungs-Dehnungskurve mit einem hyperelastischen Materialmodell in Abaqus abgebildet. Die Spannungs-Dehnungskurve wurde aus der Campus Datenbank exemplarisch für den Kunststoff Vestakeep® L 4000 G High Purity verwendet, welcher ebenfalls ein PEEK Kunststoff ist [35]. In Tab. 1 sind die verwendeten Materialmodelle und -kennwerte zusammengefasst. Im Gegensatz zu Stirak wird in Abaqus ein FE-Modell für jedes Drehmoment einzeln gelöst, sodass ein signifikant höherer Modellierungs- und Rechenaufwand erzielt wird.

Tab. 1 Materialmodelle und -kennwerte

7.2 Abgleich von simuliertem und experimentell ermitteltem Drehfehler

Es wurden die ersten drei Zahneingriffsordnungen auf Basis der gemessenen Zahnflankentopografie für die Radvarianten über einen Drehmomentbereich M2 = 10 … 120 Nm in ΔM2 = 10 Nm in Stirak simuliert. Die initiale Berechnung der Verzahnungssteifigkeit benötigte eine Rechenzeit von ca. t ≈ 10 min auf einem Rechner mit einem Intel Core i7-9700 CPU mit einer Taktung von f = 3 GHz. Die anschließende Variation des Drehmoments (12 Drehmomente) benötigte eine Rechenzeit von t = 104,2 s. In den nachfolgenden Abbildungen sind die über alle Drehmomente gemittelten relativen Abweichungen vom Experiment aufgeführt. Hierzu werden die gemessenen Drehmomentkurven des Experiments zwischen beiden Prüftemperaturen gemittelt.

In Abb. 10 sind die ersten drei Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers für die Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 in Abhängigkeit des Drehmoments aus Stirak gestrichelt dargestellt. Die gemittelte relative Abweichung zum Experiment der ersten Zahneingriffsordnung des Drehfehlers über alle Drehmomente ist für beide Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 \(\overline{\Updelta }\)1.fz ≤ 10,0%. Die zweite Zahneingriffsordnung weist für die Radvariante G2 eine gemittelte relative Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 41,3% und für die Radvariante G1 eine gemittelte relative Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 59,6% auf. Der qualitative charakteristische Verlauf der Drehmomentkurve der zweiten Zahneingriffsordnung stimmt bis zu einem Drehmoment von M2 = 90 Nm mit dem Experiment überein und ist um ein Offset verschoben. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die erste Zahneingriffsordnung mit der linear-elastischen Modellannahme in Stirak für die beiden Radvarianten G1/G2 aus ADI 900 mit einem Fehler \(\overline{\Updelta }\)1.fz ≤ 10,0% hinreichend genau simuliert werden kann.

Abb. 10
figure 10

Experimenteller und simulierter Drehfehler (Stirak) – Radvarianten G1/G2

In Abb. 11 sind die ersten drei Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers für die Radvarianten Kµ1/Kµ2 aus Kunststoff in Stirak simuliert worden und gestrichelt dargestellt. Im Vergleich zu den Radvarianten aus ADI 900 werden hier signifikant höhere gemittelte relative Abweichungen der ersten drei Zahneingriffsordnungen berechnet: Die gemittelte relative Abweichung der ersten Zahneingriffsordnung beträgt beispielsweise für die Radvariante Kµ1 \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 325% und für die Radvariante Kµ2 \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 295%. Das charakteristische Auftreten des lokalen Minimums wird für die Radvariante Kµ2 in der zweiten Zahneingriffsordnung in der Simulation ebenso wie im Experiment beobachtet. Jedoch sind die gemittelten relativen Abweichungen der zweiten und dritten Zahneingriffsordnung mit \(\overline{\Updelta }\)2.fz = 36,4% und \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 764% signifikant hoch gegenüber dem Experiment. Zusätzlich werden die ersten drei Zahneingriffsordnungen in Abaqus basierend auf dem nichtlinearen Materialmodell für die Radvariante Kµ1 in Abb. 11 gepunktet dargestellt. Der charakteristische Verlauf der ersten Zahneingriffsordnung der Radvariante Kµ1 kann in Abaqus unter Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens gut abgebildet werden. Die dritte Zahneingriffsordnung der Radvariante Kµ1 ist in einer vergleichbaren Größenordnung wie das Experiment unter Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens. Die zweite Zahneingriffsordnung der Radvariante Kµ1 zeigt hingegen einen vom Experiment abweichenden charakteristischen Verlauf.

Abb. 11
figure 11

Experimenteller und simulierter Drehfehler (Stirak/Abaqus) – Radvarianten Kµ1/Kµ2

In Abb. 12 sind die ersten drei Zahneingriffsordnungen des Drehfehlers für die Radvarianten K3/K4 aus Kunststoff in Stirak simuliert worden und gestrichelt dargestellt. Zusätzlich wurden die ersten drei Zahneingriffsordnungen in Abaqus basierend auf dem nichtlinearen Materialmodell für die Radvarianten K3/K4 simuliert. Die Simulationszeit zur Berechnung der zwölf Drehmomente betrug für eine Radvariante ca. t ≈ 266 h mit vier Rechenkernen auf einem Rechner mit einem Intel Core i7-9700 CPU mit einer Taktung von f = 3 GHz. Die ersten drei Zahneingriffsordnungen wurden in Stirak mit hohen relativen Abweichungen bis zu \(\overline{\Updelta }\)3.fz = 874% für beide Kunststoffzahnräder K3/K4 berechnet. Die gemittelte relative Abweichung der ersten Zahneingriffsordnung beträgt beispielsweise für die Radvariante K3 \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 100% und für die Radvariante K4 \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 270%. Mit der Berechnung in Abaqus auf Basis eines nichtlinearen Materialmodells kann hingegen die erste Zahneingriffsordnung mit einer gemittelten relativen Abweichung von \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 70 % für die Radvariante K3 simuliert werden.

Abb. 12
figure 12

Experimenteller und simulierter Drehfehler (Stirak/Abaqus) – Radvarianten K3/K4

Die Berechnung des Anregungsverhaltens der Kunststoffzahnräder zeigt, dass eine linear-elastische Modellannahme unzureichend ist. Eine höherwertige Rechenmethode unter Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens in Abaqus erzielt hier eine geringere Abweichung der ersten und dritten Zahneingriffsordnung vom Experiment. Insbesondere ab einem Drehmoment von M2 = 90 Nm nehmen die Amplituden der ersten Zahneingriffsordnung bei den Radvarianten K3/K4 in Abaqus gegenüber Stirak ab. Diese Beobachtung ist auf die sinkende Verzahnungssteifigkeit bei höheren Lasten infolge des nichtlinearen Materialmodells zurückzuführen: Die zugrunde liegende nichtlineare Spannungs-Dehnungskurve weist bei geringen Spannungen einen linear-elastischen Bereich auf, während bei höherer Belastung das Verhalten zwischen Dehnung und anliegender Spannung zunehmend nichtlinearer wird. Die Abweichungen zwischen Simulation und Experiment unter Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens können auf die Datenqualität der Werkstoffdaten zurückgeführt werden: Die dem Werkstoffmodell zugrunde liegende Spannungs-Dehnungskurve ist aus einer Datenbank für einen vergleichbaren Kunststoff und nicht aus einem Zugversuch des Werkstoff selbst entnommen. Zudem weist die Spannungs-Dehnungskurve nur Spannungs-Dehnungswerte für den Lastfall Zugbeanspruchung und nicht für den Lastfall Druckbeanspruchung auf.

8 Zusammenfassung und Ausblick

Die Berechnung des Einsatzverhaltens von Kunststoffzahnrädern stellt den Auslegenden vor Herausforderungen, da Kunststoffzahnräder ein nichtlineares Materialverhalten aufweisen. Zusätzlich sind experimentelle Untersuchungen von Kunststoffzahnrädern für Leistungsgetriebe nicht ausreichend durchgeführt worden. Der Bericht umfasst das Ziel, den Temperatureinfluss auf das Anregungsverhalten von Kunststoffzahnrädern experimentell zu untersuchen. Das experimentell bestimmte quasistatische Anregungsverhalten wurde mit Berechnungsmethoden basierend auf linear-elastischem und nichtlinear-elastischem Materialverhalten verglichen, um den Einfluss der Materialnichtlinearität zu bestimmen.

Es wurde eine Prüfverzahnung auf einem elektrischen Verspannungsprüfstand bezüglich ihres Anregungsverhalten in einer Betriebswälzprüfung und in Drehzahlhochläufen untersucht. Das Ritzel aus 16MnCr5 wurde mit Radvarianten aus ADI 900 und PEEK gepaart, um den Drehfehler bei unterschiedlichen Drehmomenten zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden bei zwei unterschiedlichen Öltemperaturen TÖl,1 = 30 °C und TÖl,2 = 65 °C durchgeführt, um den Temperatureinfluss auf das quasistatische Anregungsverhalten zu bestimmen. Die simulativen Untersuchungen des quasistatischen Anregungsverhaltens erfolgten in der FE-basierten Zahnkontaktanalyse Stirak mit einem linear-elastischen Materialmodell sowie in einer allgemeinen Abwälzsimulation in Abaqus mit einem nichtlinear-elastischen Materialmodell und wurden mit dem Experiment verglichen. Bis auf eine Radvariante zeigen alle Radvarianten aus PEEK einen mit einer gemittelten Abweichung maximal bis zu \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 33,8% höheren Temperatureinfluss auf die erste Zahneingriffsordnung des Drehfehlers als die Radvarianten aus ADI 900 mit einer gemittelten Abweichung maximal bis zu \(\overline{\Updelta }\)1.fz = 6,3 %. Der höhere Temperatureinfluss auf das Anregungsverhalten der Radvarianten aus PEEK wird auf das nichtlineare Materialverhalten zurückgeführt gegenüber dem annähernd linear-elastischen Materialverhalten der Radvarianten aus ADI 900. Der Elastizitätsmodul ist bei den Kunststoffzahnrädern in höherem Maße temperatur- und lastabhängig im Vergleich zu den Radvarianten aus ADI 900, sodass die Verzahnungssteifigkeit der Kunststoffzahnräder im untersuchten Temperatur- und Lastbereich stärker variiert. Die simulative Berechnung der Wälzabweichung mit Stirak zeigt für die Radvarianten aus ADI 900 eine gute Übereinstimmung mit dem Experiment mit einer gemittelten relativen Abweichung der ersten Zahneingriffsordnung \(\overline{\Updelta }\)1.fz ≤ 10,0%. Die Berechnung der Wälzabweichung der Radvarianten aus Kunststoff weist tendenziell eine höhere Übereinstimmung mit der experimentell ermittelten Wälzabweichung auf unter Berücksichtigung eines nichtlinearen Materialverhaltens verglichen mit einer linear-elastischen Modellannahme. Die Berechnungszeit mit nichlinearem Materialverhalten ist mit t ≈ 266 h signifikant höher im Vergleich zu Stirak mit linear-elastischem Materialverhalten. Zusätzlich wurde das dynamische Anregungsverhalten der Radvarianten über einen Drehzahlhochlauf analysiert und der Körperschall nahe der Lagerstelle am Abtrieb psychoakustisch evaluiert. Im untersuchten Drehzahlbereich weisen die Radvarianten aus Kunststoff geringere Lautheits- und Tonhaltigkeitswerte in der Signalcharakteristik des Körperschalls auf im Vergleich zu den Radvarianten aus ADI 900.

Zukünftig können Kunststoffzahnräder aus verschiedenen Kunststoffen bezüglich ihres Anregungsverhaltens untersucht werden. Zudem ist die Entwicklung einer Berechnungsmethode mit angemessenem Rechenaufwand erforderlich, welche relevante Einflüsse wie die Materialnichtlinearität auf das Einsatzverhalten von Kunststoffzahnrädern berücksichtigt. Die in diesem Bericht betrachtete Materialnichtlinearität in Abaqus erfolgt ausschließlich auf einer Spannungs-Dehnungskurve, welche das mechanische Verhalten im Zugversuch widerspiegelt und aus einer Datenbank für einen der Prüfverzahnung ähnlichen Kunststoff entnommen wurde. In weiteren Untersuchungen kann die Spannungs-Dehnungskurve aus realen Zug- und Druckversuchen aus Werkstoffproben der Prüfverzahnung ermittelt werden, um die Abbildungsgenauigkeit des Materialverhaltens zu steigern und eine präzisere Berechnung des Anregungsverhaltens zu erzielen. Der bei Kunststoffzahnrädern relevante Schadensmechanismus Abrasivverschleiß kann zu einer Änderung der Zahnflankentopografie führen. Der Einfluss der infolge Abrasivverschleiß veränderten Zahnflankentopografie auf das Einsatzverhalten von Kunststoffzahnrädern kann zukünftig untersucht und in einer Auslegungsstrategie mitberücksichtigt werden.