Skip to main content

Empirische Analysen – Geschlechtsbezogene Positionierungen im Sprechen über Zukunft

  • Chapter
  • First Online:
Zum Subjekt werden
  • 361 Accesses

Zusammenfassung

In den vorangegangenen Ausführungen wurde das Subjekt aus poststrukturalistischer Perspektive als Werdendes konzeptualisiert und dargelegt, wie sich Subjektbildung als machtvoller Prozess im Rahmen gesellschaftlicher Bedingungen theoretisch und method(olog)isch fassen lässt. Mit dem Begriff der Subjektbildung wurde dieses Geschehen als Bildungsgeschehen gefasst. Zum einen, um die notwendige Aktivität bzw. die Praktiken der – paradoxerweise darin erst werdenden – Subjekte zu markieren sowie zum anderen empirisch den Blick für die damit verbundenen Möglichkeiten des Andersmachens, des Resignifizierens im Sinne (widerständiger) verändernder Verschiebungen zu öffnen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 79.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Auf der Ebene der Bezeichnung changiere ich im Schreiben zwischen Begriffen wie bspw. ‚jungen Frauen‘, ‚Sprechende‘, ‚Sprecherinnen‘, ‚junge Menschen‘, was erneut auf das paradoxe Unterfangen des Schreibens über ein Werden von Subjekten verweist, welches es erforderlich macht, die Teilnehmenden an der Gruppendiskussion zu bezeichnen, deren Äußerungen die Grundlage für die Analysen des Werdens als spezifischer Jemand bilden (vgl. Abschnitt 2.1). Für eine Reflexion der Forschungspraxis unter dem Gesichtspunkt einer (Re-)Produktion von Geschlecht(ernormen) vgl. Abschnitt 6.2.3.

  2. 2.

    Gefragt wurde, inwiefern die Teilnehmenden der Gruppendiskussion auch mit Jungen aus der Klasse über die Zukunft sprechen.

  3. 3.

    Die Klammern und Einrückungen im Transkript zeigen Überlappungen des Gesprochenen an. Umgangssprachliche Formulierungen wurden bei der Verschriftlichung berücksichtigt sowie alle Namen anonymisiert (vgl. Micus-Loos et al. 2016). Die zugrunde gelegten Transkriptionsregeln befinden sich im Anhang der Arbeit.

  4. 4.

    Transkriptauszüge sind kursiv gesetzt, wenn sie zwecks einer Nachvollziehbarkeit der Analysen erneut aufgegriffen und abgebildet werden.

  5. 5.

    In den weiteren Analysen verwende ich die Begriffe ‚Mädchen-Weiblichkeit‘, ‚Jungen-Männlichkeit‘ sowie ‚Frauen-Weiblichkeit‘ und ‚Männer-Männlichkeit‘, um die geschlechtlichen und generationalen Differenzierungen sowie die damit hervorgebrachten geschlechtlichen Positionen und normativen Seinsbedingungen anzuzeigen, die in den Antizipationen zukünftigen Werdens im Sprechen über ‚Mädchen‘, ‚Jungen‘, ‚Frauen‘ und ‚Männer‘ hervorgebracht werden. Den Begriff der Jungenmännlichkeit prägt Susann Fegter in ihrer Studie zur diskursiven Konstruktion von „Jungen als (Bildungs-)Verlierer“ (Fegter 2012: 12), in der sie herausarbeitet, wie die Krise der Jungen als „Gegenstand des Wissens“ (ebd.: 13) über verschiedene Formen der Zuschreibung an Jungen, Mädchen, Männer und Frauen erzeugt wird.

  6. 6.

    Die Abkürzung NZS im Transkript markiert Äußerungen, die sich nicht eindeutig einer Sprechenden zuordnen ließen (NZS = nicht zuzuordnende Sprechende).

  7. 7.

    Insofern – dies wurde mit den subjekttheoretischen Ausführungen zur Figur der Umwendung im Anschluss an Butler deutlich – relevant ist, wie auf Adressierungen und vorgenommene Positionierung geantwortet wird, ist vor dem Hintergrund der Frage nach Verschiebungen und Brüchigkeiten mit Blick auf diese Sequenz auffällig, dass Evelin nach ihrem Eingangsstatement schweigt und – abgesehen von einem Lachen – nicht verbal auf das Positioniertwerden antwortet, wodurch sie sich zu der vereindeutigenden Fremdpositionierung uneindeutig verhält. Das Schweigen kann möglicherweise als Folge dessen verstanden werden, dass sie durch die Anderen in ihrem Weltbezug nicht anerkannt und gleichsam durch die Macht des Kollektivs ‚zum Schweigen gebracht‘ wird. Dies lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen. Möglicherweise würde hier der Blick auf ihr nonverbales Verhalten Hinweise geben. Entsprechend zeigt sich hier eine Begrenztheit dieser Studie, da der Fokus allein auf der verbalisierten Sprache liegt, während nonverbale Praktiken der Akteurinnen auf der Grundlage der Videomitschnitte nicht berücksichtigt wurden. Wäre dies der Fall, ließe sich möglicherweise weiter über die Funktion des Schweigens nachdenken und reflektieren, inwiefern das Schweigen von Evelin auch als widerständige Praktik gegenüber dem expliziten Positioniertwerden durch Dana und der im Anschluss von Anne vorgenommenen kollektivierenden Positionierung als ‚Mädchen‘ gedeutet werden kann. Vgl. auch die Überlegungen zu „Schweigen als soziale Praktik zwischen der Bestätigung einer Bedeutung und ihrer Veruneindeutigung“ (Machold 2013: 153; Herv. i. O.).

  8. 8.

    Während vorher aus der Position ‚Mädchen‘ über Mädchen (und Jungen) gesprochen wurde, lässt sich das Sprechen über „die Frau“, „den Mann“ und „das Kind“ stärker als distanziert lesen. Diese Positionen und das damit verknüpfte Wissen werden als Begründung im Sprechen über eigene Bezugnahmen auf die Zukunft zitiert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Passagen wird dieses Wissen bislang nicht explizit auf die Sprecherinnen übertragen, sondern bleibt zunächst an abstrakte Subjektpositionen gebunden.

  9. 9.

    Daneben zeigt sich auch eine enge Verknüpfung von ‚doing gender‘ und ‚doing adult‘ (vgl. Faulstich-Wieland/Weber/Willems 2004: 24), indem Erwachsensein dezidiert als ein vergeschlechtlichtes Erwachsensein konstruiert wird, das mit einer geschlechterdifferenten Aufgabenverteilung assoziiert wird.

  10. 10.

    Vgl. die einschlägigen Arbeiten aus dem Bereich der Geschlechterforschung von Yvonne Schütze (1991), Élisabeth Badinter (1992) und Barbara Vinken (2001), welche die historische Konstitution von ‚Mutterliebe‘ als scheinbar naturhaftes Phänomen (in Deutschland und Frankreich) herausgearbeitet haben.

  11. 11.

    Die Sorge um Andere bezeichne ich mit dem Begriff der Fürsorge. In den Äußerungsakten bezieht sich die Sorge um Andere auf zukünftige Kinder. In Verbindung damit verwende ich den Begriff der Sorge- und Hausarbeit bzw. Care-Arbeit (vgl. Winker 2015a): „Beim Begriff Sorgearbeit bzw. Care-Arbeit geht es um die Stofflichkeit der Arbeit, um den Arbeitsinhalt des sich umeinander Kümmerns. Sorgearbeit bezeichnet die konkreten Tätigkeiten, also das Erziehen, das Pflegen, das Betreuen, das Lehren, das Beraten“ (Winker 2015b: 143).

  12. 12.

    Dass dieses traditionelle (männliche) Ernährermodell als hegemoniales Rollenmodell inzwischen gesellschaftlich an Relevanz verloren hat, ist Gegenstand zahlreicher geschlechtertheoretischer Beschäftigungen mit einer Modernisierung von Familien- und Elternschaftsleitbildern (vgl. Kortendiek 2010: 443 ff.; Thiessen/Villa 2009: 8 ff.). Wenngleich das traditionelle Familienernährermodell in seiner normativen Gültigkeit zunehmend erodiert – was sich auch darin zeigt, dass sich die Sprechenden hier als selbstverständlich künftig erwerbstätig entwerfen – wird dennoch auf eine Persistenz des Geschlechterarrangements im Hinblick auf Care-Arbeit verwiesen (vgl. Beckmann 2014). So stellt auch Kortendiek (2010: 445) heraus, dass „[d]as Leitbild eines ‚guten‘ Vaters (…) sich (noch) auf die Ernährerrolle [zentriert]“.

    Anzumerken ist hier ebenfalls, dass das traditionelle Familienbild vor allem Westdeutschland bzw. die alte BRD betrifft: „In der DDR war diejenige Frau eine ‚gute Mutter‘ – und gehörte zur anerkannten Gruppe ‚unsere Muttis‘ –, die erwerbstätig und somit keine Hausfrau war und ihr Kind in einer öffentlichen Ganztagseinrichtung betreuen ließ. Jedoch ist hier festzuhalten, dass auch in der DDR die Sozialpolitik stärker auf Mutterschaft und Beruf und nicht etwa auf die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf ausgerichtet war“ (ebd.: 444).

  13. 13.

    Diese Konstruktion wird auch in der Fortsetzung von Annes Beitrags deutlich, in der sie sich abgrenzend von anderen Lebensentwürfen positioniert. In der Formulierung von Anne – „wenn man denn jetzt … wirklich eins hat“ – wird auch die Möglichkeit alternativer Lebensentwürfe jenseits des hier normativ entworfenen künftigen Lebens mit Kind mitgeführt. Diese Option wird in den Anschlüssen jedoch nicht weiter aufgegriffen.

  14. 14.

    Auch Geissler und Oechsle (1994: 147) stellen fest: „Materielle Unabhängigkeit ist also – ungeachtet der vom Arbeitsmarkt gesetzten konkreten Bedingungen – auch für Frauen keine Frage der ‚Wahl‘ mehr, sondern Voraussetzung jedes weiteren biographischen Projekts“.

  15. 15.

    Wie Thiessen und Villa (2010: o. S.) hierzu anmerken, findet etwa „[i]m 2008 neu verabschiedeten Unterhaltsrecht (…) das neue Leitbild der ökonomisch berechnenden Zweiverdienerfamilie seinen Niederschlag: Im Falle einer Scheidung steht der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau hinter dem der Kinder aus alten sowie möglicher Kinder aus neuen Verbindungen“.

  16. 16.

    Diese Kompromissbereitschaft lässt sich als Umwendung zu vergeschlechtlichten normativen Anforderungen lesen. So stellen etwa Oechsle und Geissler im Kontext der Beschäftigung mit Lebensplanungen junger Frauen zwischen Beruf und Familie fest: „Um die verschiedenen Zeitstrukturen und Verlaufsmuster zu vereinbaren und in ihrem Ablauf kompatibel zu gestalten, müssen Frauen Kompromißlösungen entwickeln und individuell die Abfolge der verschiedenen Entscheidungen und der Übergänge aus einem Lebensbereich in den anderen planen“ (Oechsle/Geissler 1993: 71).

  17. 17.

    Dass zumindest gegenwärtig Reproduktionstechnologie durchaus in Einklang mit der heterosexuellen Norm steht, zeigt sich daran, dass in Deutschland bis dato heterosexuelle Paare bei der Inanspruchnahme künstlicher Reproduktionsverfahren privilegiert werden (vgl. Bock von Wülfingen 2002: 29), was etwa auch daran deutlich wird, dass z. B. ausschließlich verheiratete heterosexuelle Paare Zuschüsse von Krankenkassen erhalten.

  18. 18.

    Die folgenden Sequenzen stehen im Kontext des Sprechens über Männer bzw. die Realisierung künftiger Paarbeziehungen. Nachdem wiederholt die Figur des Mannes als ungewisse Variable in der Zukunftsplanung thematisiert wurde, schloss die Diskussionsleitung mit einer Nachfrage „Aber wie ist das denn so mit den Männern?“ an diese Problematisierung an. Mit dieser Nachfrage wird die zuvor erfolgte Signifizierung einer heteronormativen Geschlechter- und Begehrensordnung reifiziert und die Sprechenden werden als heterosexuelle Subjekte angerufen. Wie sich in den Positionierungsakten zu dieser Anrufung umgewendet wird, ist Gegenstand der Ausführungen dieses Kapitels.

  19. 19.

    In Begriffen der dokumentarischen Methode ließe sich sagen, dass die Sprechenden das ‚Enaktierungspotenzial‘ einer familialen Zukunft, in der der Mann auch Zeit mit der Familie verbringt und Sorgearbeit übernimmt, als eher eingeschränkt antizipieren.

  20. 20.

    Den Begriff der Familienernährerin nutzen Klenner, Menke und Pfahl im Zusammenhang verschiedener Haushaltskonstellationen, „in denen die Frau als ‚Familienernährerin‘ fungiert. Erstens: sie versorgt als allein Erziehende sich selbst und ihr(e) Kind(er) überwiegend oder vollständig mit dem nötigen Geldeinkommen. Zweitens: sie erwirtschaftet in einem Paarhaushalt den größeren Teil des Haushaltseinkommens (60 Prozent oder mehr), während der männliche Partner weniger verdient oder kein Einkommen hat. Drittens: sie ist Familienernährerin mit Partner und Kind(ern)“ (Klenner/Menke/Pfahl 2012: 27).

  21. 21.

    Diese Anrufungen durch die eigene Mutter scheinen nicht auf fruchtbaren Boden zu fallen, weil diese Möglichkeit ausgeschlossen wird. Interessant ist dies nicht zuletzt deshalb, weil die Mutter offensichtlich die Tochter dazu auffordert, einen anderen Lebensentwurf zu wählen als sie selbst (denn sie lebt in einer Kleinstadt mit Haus und großem Garten), während die Tochter jedoch einen ähnlichen Lebensentwurf formuliert.

  22. 22.

    Interessant ist, dass in diesem Fall der Vater als sorgend positioniert wird, während in der Gruppendiskussion zuvor Männer bzw. Männlichkeit nicht mit ‚Sorge‘ assoziiert wurde(n).

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Karen Geipel .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2022 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Geipel, K. (2022). Empirische Analysen – Geschlechtsbezogene Positionierungen im Sprechen über Zukunft. In: Zum Subjekt werden. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37731-1_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-37731-1_4

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-37730-4

  • Online ISBN: 978-3-658-37731-1

  • eBook Packages: Education and Social Work (German Language)

Publish with us

Policies and ethics