Zusammenfassung
Das fünfte Kapitel zum Phänomen Wärme beinhaltet die phänomenologische und statistische Betrachtungsweise thermodynamischer Sachverhalte. Inhaltliche Schwerpunkte bilden die thermischen und kalorischen Zustandsgleichungen für das ideale Gas, die Modellierung von Zustandsänderungen, der Erste und Zweite Hauptsatz der Thermodynamik, die Betrachtung von Kreisprozessen und die Thematisierung der thermodynamischen Potenziale einschließlich der Fundamentalgleichungen und der Maxwell-Beziehungen. Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung in der modernen Physik stellt die Entropie den zentralen Begriff des Kapitels dar, indem viele Facetten dieser Größe bis zur Herleitung der Sackur-Tetrode-Gleichung und zur Thematisierung des Entropiebegriffs in der Informationstheorie entwickelt werden. Ein Ausblick auf die Ensembletheorie schließt dieses Kapitel ab.
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Notes
- 1.
Quelle: Gesetz der multiplen Proportionen – Wikipedia. Zugegriffen: 27.03.2021.
- 2.
Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt. https://www.ptb.de/cms/de/forschung-entwicklung/forschung-zum-neuen-si/countdown-zum-neuen-si/das-mol.html. Zugegriffen: 06.04.2021.
- 3.
Die Daten stammen aus folgender Quelle: Langeheinecke, K. et al.: Thermodynamik für Ingenieure. Springer Fachmedien (2013).
- 4.
Bei der Gestaltung dieses Abschnitts habe ich Anregungen aus folgender Quelle der Hochschule Heilbronn erhalten: Rauschnabel, K.: Vorlesungsskript Zustandsänderung idealer Gase. Microsoft Word – Physik_5_7_Entropie.doc (hs-heilbronn.de). Zugegriffen: 19.05.2021.
- 5.
Alternative Herleitung: Herleitung der Maxwell–Boltzmann-Verteilungsfunktion – tec-science (tec-science.com). Zugegriffen: 16.04.2021.
- 6.
Quelle: Greiner, W. et al.: Thermodynamik und Statistische Mechanik. Verlag Harri Deutsch (1993).
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Appendices
Anhang 5.1 Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen im idealen Gas
In Abschn. 5.3.2 haben wir die Wahrscheinlichkeitsdichte \(f\left( v \right)\) dafür kennengelernt, dass die Geschwindigkeit eines Gasteilchens im infinitesimalen Intervall \(\left[ {\left( {v_{x} ,\;v_{y} ,\;v_{z} } \right) \ldots \left( {v_{x} + {\text{d}}v_{x} ,\;v_{y} + {\text{d}}v_{y} ,\;v_{z} + {\text{d}}v_{z} } \right)} \right]\) liegt und wir haben diese Größe auch als Geschwindigkeitsverteilung bezeichnet. Dort konnte die kalorische Zustandsgleichung des idealen Gases aus der Annahme hergeleitet werden, dass eine derartige Geschwindigkeitsverteilung existiert. Hier werden wir die spezielle Form dieser Geschwindigkeitsverteilung bestimmen, da in der Literatur oft darauf Bezug genommen wird und weil die Herleitung aus mathematischer Sicht interessant ist.
Wir gehen von der Bedeutung der Funktion \(f\left( v \right)\) als Wahrscheinlichkeitsdichte aus und ergänzen diese Interpretation um die Wahrscheinlichkeitsdichten \(g\left( {v_{i} } \right)\) der Komponenten i (\(i \in \left\{ {x,\;y,\;z} \right\}\)) der Geschwindigkeit eines Gasteilchens:
-
\(f\left( v \right)\) … Wahrscheinlichkeitsdichte, dass die Geschwindigkeit eines Gasteilchens im Intervall \(\left[ {\left( {v_{x} ,\;v_{y} ,\;v_{z} } \right) \ldots \left( {v_{x} + {\text{d}}v_{x} ,\;v_{y} + {\text{d}}v_{y} ,\;v_{z} + {\text{d}}v_{z} } \right)} \right]\) liegt,
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\(g\left( {v_{i} } \right)\) … Wahrscheinlichkeitsdichte, dass die Komponente i (\(i \in \left\{ {x,\;y,\;z} \right\}\)) der Geschwindigkeit eines Gasteilchens im Intervall \(\left[ {v_{i} \ldots v_{i} + {\text{d}}v_{i} } \right]\) liegt.
Die Wahrscheinlichkeit \(f\left( v \right) \cdot {\text{d}}^{3} v\) ergibt sich als Produkt der Wahrscheinlichkeiten \(g\left( {v_{i} } \right) \cdot {\text{d}}v_{i}\), da die Wahrscheinlichkeiten für die Komponenten i voneinander unabhängig sind (wir wenden den Multiplikationssatz für stochastisch unabhängige Ereignisse an, den wir aus dem Mathematikunterricht der Schule kennen):
Wir überzeugen uns davon, dass folgender Ansatz für die Wahrscheinlichkeitsdichten \(g\left( {v_{i} } \right)\) zweckmäßig ist:
Ein erstes Argument für diesen Ansatz besteht darin, dass das Produkt \(g\left( {v_{x} } \right) \cdot g\left( {v_{y} } \right) \cdot g\left( {v_{z} } \right) = C^{3} \cdot e^{{ - a \cdot \left( {v_{x}^{2} + v_{y}^{2} + v_{z}^{2} } \right)}} = C^{3} \cdot e^{{ - a \cdot v^{2} }}\) als Wahrscheinlichkeitsdichte \(f\left( v \right)\) interpretiert werden kann. Die entscheidende Rechtfertigung besteht allerdings darin, dass die aus diesem Ansatz herleitbaren Beziehungen in Einklang mit experimentellen Ergebnissen stehen. Wir gehen also davon aus, dass sowohl die Geschwindigkeitskomponenten als auch die Geschwindigkeit einer Gauß-Verteilung gehorchen.
Für die Bestimmung der Werte der Konstanten C und a verwenden wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit die Wahrscheinlichkeitsdichte \(g\left( {v_{x} } \right) = C \cdot e^{{ - a \cdot v_{x}^{2} }}\).
Bestimmung der Konstante C aus der Normierungsbedingung für \(g\left( {v_{x} } \right)\)
Da es sich bei \(g\left( {v_{x} } \right)\) um eine Wahrscheinlichkeitsdichte handelt, gilt:
\(1 = \int\limits_{ - \infty }^{ + \infty } {{\text{d}}v_{x} \cdot g\left( {v_{x} } \right)} = C \cdot \int\limits_{ - \infty }^{ + \infty } {{\text{d}}v_{x} \cdot e^{{ - a \cdot v_{x}^{2} }} } = C \cdot \sqrt {\frac{{\uppi }}{a}}\) für \(a > 0\) (Formelsammlung),
Bestimmung der Konstante a aus der Berechnung des Mittelwerts \(\left\langle {v_{x}^{2} } \right\rangle\)
Zunächst ermitteln wir aus (5.35), (5.33) und (5.32) einen Term für den Mittelwert \(\left\langle {v_{x}^{2} } \right\rangle\):
Jetzt verwenden wir die Definition von Mittelwerten:
Bei der Lösung des Integrals wartet ein mathematisches „Schmäckerchen“ auf uns. Damit wir es genießen können, verändern wir eine Integrationsgrenze (dabei nutzen wir aus, dass der Integrand eine gerade Funktion ist) und wir führen eine Substitution durch:
Substitution: \(\xi = a \cdot v_{x}^{2} \Rightarrow \frac{{{\text{d}}\xi }}{{{\text{d}}v_{x} }} = 2 \cdot a \cdot v_{x}\) bzw. \({\text{d}}v_{x} = \frac{1}{{2 \cdot a \cdot v_{x} }} \cdot {\text{d}}\xi\) und \(v_{x} = \sqrt {\frac{\xi }{a}}\),
Das verbliebene Integral hat einen Bezug zur Gamma-Funktion, der wir in Anhang 4.3 bereits begegnet sind. Wir benötigen die Integraldarstellung dieser Funktion für positive x-Werte:
Gemäß dieser Definition besitzt das Integral den Wert \(\Gamma \left( \frac{3}{2} \right) = \frac{{\sqrt {\uppi } }}{2}\), den wir im Anhang 4.3 schon bestimmt haben. Mit diesem Wert für das Integral erhalten wir:
Durch Einsetzen der ermittelten Werte für die Konstanten C und a in (5.210) und (5.209) ergibt sich:
Damit ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, ein Gasteilchen im betrachteten Geschwindigkeitsintervall zu finden:
Um (5.214) besser interpretieren zu können, ersetzen wir das Intervall für die Geschwindigkeitskomponenten durch ein einzelnes Intervall \({\text{d}}v\). Dazu gehen wir wie im Lösungsweg 2 des Beispiels 6.11 in Abschn. 6.2.2 zu Kugelkoordinaten über. Wir integrieren über den Raumwinkel, da wir uns nicht für die Richtungen der Geschwindigkeitsvektoren interessieren, d. h., wir substituieren das kartesische Volumenelement \({\text{d}}v_{x} \cdot {\text{d}}v_{y} \cdot {\text{d}}v_{z}\) im Geschwindigkeitsraum durch das Volumenelement \({4} \cdot {\uppi } \cdot v^{2} \cdot {\text{d}}v\) in Kugelkoordinaten:
In der Literatur wird die in Abb. 5.22 veranschaulichte Geschwindigkeitsverteilung \(f_{{{\text{MB}}}} \left( v \right)\) der Teilchen im idealen Gas als Maxwell–Boltzmann-Verteilung oder als Maxwell-Verteilung bezeichnet, da diese Beziehung 1860 von James Clerk Maxwell und Ludwig Eduard Boltzmann hergeleitet wurde.
Die hergeleiteten Beziehungen werden im Experiment gut bestätigt. Damit hat sich der gewählte Ansatz (5.210) als zweckmäßig erwiesen.
Für interessierte Leser gebe ich einen LinkFootnote 4 zu einer alternativen Herleitung der Maxwell–Boltzmann-Verteilung an.
Anhang 5.2 Umformung thermodynamischer Zustandsgrößen mit Jakobideterminanten
Die Beziehung (6.25) in Abschn. 6.2.2 stellt die Definitionsgleichung der Jakobideterminante dar:
Für (5.216) gelten die Gesetze für das Rechnen mit Determinanten, z. B.:
-
Beim Vertauschen zweier Zeilen oder Spalten wechselt die Jakobideterminante das Vorzeichen.
-
Aus dem Multiplikationssatz für Determinanten ergibt sich folgende Beziehung, die einer verallgemeinerten Kettenregel entspricht:
$$ \frac{{\partial \left( {f_{1} , \ldots ,f_{n} } \right)}}{{\partial \left( {g_{1} , \ldots ,g_{n} } \right)}} \cdot \frac{{\partial \left( {g_{1} , \ldots ,g_{n} } \right)}}{{\partial \left( {x_{1} , \ldots ,x_{n} } \right)}} = \frac{{\partial \left( {f_{1} , \ldots ,f_{n} } \right)}}{{\partial \left( {x_{1} , \ldots ,x_{n} } \right)}}. $$(5.217)
Für die spezielle Belegung der Variablen mit \(f_{1} = f\left( {x_{1} , \ldots ,x_{n} } \right),\;f_{2} = x_{2} , \ldots ,f_{n} = x_{n}\) ergibt sich:
Mit den Beziehungen (5.217) und (5.218) können Umformungen für Ableitungen sehr effizient realisiert werden. Am Beispiel des Joule–Thomson-Koeffizienten, der als \(\delta = \frac{\partial T}{{\partial p}}\left| {\begin{array}{*{20}c} {} \\ {_{H} } \\ \end{array} } \right.\) definiert ist, zeige ich eine derartige TransformationFootnote 5 :
Die kurze Rechnung zeigt eindrucksvoll die Qualität dieses Vorgehens.
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Wagner, J. (2022). Wärme. In: Erste Schritte in die Theoretische Physik . Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64251-1_5
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