„Mit einer gesunden Ungeduldigkeit auf der Suche bleiben, und zwar gemeinsam.“ Kerstin Steeb, Regisseurin _ Hamburg 8.10.2023

Liebe Kerstin Steeb, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Nachdem ich gerade eine große Produktionsphase für „Die Zauberflöte“ hinter mir habe, habe ich nun Zeit für meine Familie, für Sport, für feine Lehraufträge und neue Gedanken. Die verschiedenen Phasen, die mein Beruf mit sich bringt, gleichen manchmal einem Doppelleben. Das ist anstrengend, aber manchmal auch eine große Chance. In diesem Moment genieße ich die absolute Ruhe in meinem schönen Home-Office und im Garten.

Kerstin Steeb, Regisseurin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Mit einer gesunden Ungeduldigkeit auf der Suche zu bleiben, und zwar gemeinsam. So wichtig Individualismus ist: Was ist das gemeinsame Credo in Zeiten von Globalisierung, Krisen und Umbrüchen?

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Das Theater war schon immer ein Sehnsuchtsort und hat das Potential zu öffnen. Öffnen hat wiederum mit Progression zu tun. Das Theater lässt Emotionen oder Streitpunkte oder Visionen frei. Es wirft uns in Echtzeit und im Hier und Jetzt in neue Kontexte, wenn wir uns darauf einlassen wollen.

Was liest Du derzeit?

„Unverfügbarkeit“ von Hartmut Rosa

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Lebendigkeit entsteht nur aus der Akzeptanz des Unverfügbaren.“

Vielen Dank für das Interview, liebe Kerstin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

Kerstin Steeb, Regisseurin

5 Fragen an Künstler*innen:

Kerstin Steeb, Regisseurin

Zur Person _ Die Musiktheaterregisseurin Kerstin Steeb dekonstruiert die strenge Form von Oper oft durch eigene Bearbeitungen und Fassungen und deckt damit eine Direktheit im Spiel so wie eine aktuelle Brisanz in der Thematik auf. Ihre Bearbeitung von „Don Giovanni“ im Opernloft Hamburg wurde 2020 in der Saisonbilanz „Die deutsche Bühne“ in der Kategorie Oper nominiert. Sie inszenierte u.a. an Häusern wie der Staatsoper Hamburg, dem Theater Hagen und der Deutschen Oper am Rhein.

Die Spielzeit 23/24 eröffnet sie mit der Zauberflöte in einer neuen Dialogfassung von Ivana Sokola am Theater Hof. Das Ringen um gendersensibles Verhalten war von Beginn an prägend für ihre Arbeiten und verfestigt sich insbesondere in ihren freien Projekten in Hamburg.

In Eigenproduktion realisierte sie 2023 auf Kampnagel eine große Opern-Wrestling-Show, die Gender-Normen in der Kunstform Oper aufsprengt.

Kerstin Steeb ist außerdem Dozentin am Fachbereich Bewegungswissenschaft an der Universität Hamburg und Mutter zweier Kinder.

https://www.kerstinsteeb.de/

Fotos: 1,2 Heike Blenk; 3 Alexandra Polina.

Walter Pobaschnig _ 28.9.2023

https://literaturoutdoors.com

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