Die Ortenau brennt

Brennerland im Umbruch

Tobias Symanski
Lesezeit 4 Minuten
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10. Dezember 2013

Schnaps ist nicht gleich Schnaps: Eine neue Serie in der Mittelbadischen Presse beleuchtet die Vielfalt in der Ortenauer Brennerlandschaft. ©Fotolia

In einer zehnteiligen Serie stellt Ihnen die Mittelbadische Presse die Brennerlandschaft in der Ortenau vor. Lesen Sie heute im ersten Teil darüber, warum ausgerechnet in dieser Region die Dichte an Obstbrennereien so hoch ist.

Der Teufel hat den Schnaps gemacht, um uns zu verderben. Ich hör’ schon wie der Teufel lacht, wenn wir am Schnaps einmal sterben.« Im Jahr 1973 warnte Sänger Udo Jürgens vor dem übermäßigen Konsum von Hochprozentigem. Vor 40 Jahren war Schnaps noch Schnaps, er wurde schnell weggekippt. Und wenn es brannte, war es gut.

Vieles hat sich in dieser Hinsicht verändert. Statt profanen Schnaps erzeugen viele Brenner in der Region heute hochwertige Destillate, statt aus Stumpen gekippt, wird der Brand heute aus handgeblasenen Stielgläsern genippt. Die Destillationsverfahren wurden verfeinert, die Vermarktung von Genuss und Qualität spielt eine wesentlich größere Rolle.

Was gleich geblieben ist, sind die historisch gewachsenen Erzeuger-Strukturen. Rund 27 000 Kleinbrenner existieren heute noch im süddeutschen Raum, etwa 20 000 von ihnen sich auch in Betrieb. Die Hälfte dieser Brenner kommt aus Baden. Mit rund 7000 Brennrechten liegt das Zentrum im Ortenaukreis.

Nicht umsonst. Dort, wo seit Jahrhunderten besonders viele Fruchtsorten kultiviert werden, beschäftigte man sich intensiv mit der Frage der Verwertung.  Eine Besonderheit in Süddeutschland ist dabei die sogenannte Abfindungsbrennerei. Im Gegensatz zu Verschlussbrennereien, sind Abfindungsbrennereien zollamtlich nicht verplombt. Während bei Verschlussbrennern der tatsächlich erzeugte Alkohol mittels eines Zählwerkes gemessen wird, sind bei Abfindungsbrennern die Art und Menge der verarbeitenden Rohstoffe (Maische) für die Besteuerung maßgeblich. Den meisten Brennereien steht dabei ein jährliches Kontingent von 300 Litern reinem Alkohol zur Verfügung.

»Der Reiz der Abfindungsbrennerei liegt im offenen Brennen«, sagt Bernd Müller, Chef von Müller  Brennereianlagen in Oberkirch. »Man kann seine Nase und seinen Geschmack direkt einsetzen, um die Qualität der Brände sofort zu überprüfen.«
Die 300-Liter-Lizenz hat nicht nur Tradition in Süddeutschland, sondern beispielsweise auch in Österreich oder Norditalien. Diese Gebiete lagen im Machtbereich der Habsburger. Im 18. Jahrhundert vergab das Adelshaus das sogenannte »Maria-Theresia-Brennrecht« – so wird es auch heute noch in Österreich genannt. Die Kaiserin verlieh es an rechtschaffende, fleißige und ordentliche Bauern. Auch in Südbaden galt dieses Recht.

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In die Ortenau hingegen regierte der Bischof von Straßburg, Kardinal Armand Gaston de Rohan, hinein. Im Jahr 1726 erlaubte er sämtlichen Einwohnern und bäuerlichen Untertanen des Amtes Oberkirch das Brennen von Kirschen zum Eigengebrauch. Damit sollten gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Die Bauern sollten mit einer weiteren Einnahmequelle ihre Existenz sichern, und die Regierenden schufen sich eine neue Steuerquelle.

Die besondere Stellung der Brenner in Süddeutschland hat bis heute Bestand, sie wird jedoch am 1. Januar 2018 Geschichte sein. Dann beginnt für viele Abfindungsbrenner eine neue Zeitrechnung – sie können ihre Produkte nicht mehr an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein abgeben. Bisher fungiert das »Monopol« als Aufkaufstelle für landwirtschaftlich erzeugten Alkohol und zahlt Preise, die über denen der privaten Händler liegen. Über diesen Mechanismus kann der Kleinbrenner nicht nur den größten Teil seiner Brände verkaufen, sondern auch die anfallende Branntweinsteuer begleichen. Doch diese staatliche Bezuschussung gibt Deutschland nun auf Druck der EU auf.

Für landwirtschaftliche Betriebe wächst dadurch der Zwang zur verstärkten Selbstvermarktung. Für die Mehrzahl der Brenner keine einfache Aufgabe, sagt Klaus Lindenmann, Geschäftsführer des Verbandes Badischer Klein- und Obstbrenner mit Sitz in Appenweier. »Viele der Wein- oder Obstbaubetriebe stoßen bei ihrer Arbeit schon heute an Grenzen. Sie stellen sich die Frage: Kann ich mein Angebot in dieser Region bei gleichzeitig rückläufigem Schnapskonsum der Verbraucher  überhaupt am Markt platzieren?«

In der Ortenau finden sich jedoch auch jede Menge Beispiele, wie Kleinbrenner ihre Zukunft positiv gestalten. Sie setzen ganz auf Direktvermarktung, hohe Qualität und haben stets frische Ideen für neue Destillat-Variationen. Lesen Sie mehr über sie und die Trends in den folgenden Teilen der Serie: »Die Ortenau brennt«, jeden Dienstag in der Mittelbadischen Presse.

 

Lesen Sie das nächste Mal über das Thema Rohstoff: Die Grundlage guter Brände entsteht mit der Maischeherstellung.

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