Warnsignal für Long-Covid

Kommt der Geruchssinn nicht wieder, bleiben oft kognitive Probleme
Mittwoch, 17.08.2022 | 20:45
Seasonal Pollen Allergy
Getty Images/iStockphoto Viele Menschen bemerken bei einer Corona-Infektion eine Störung seines Geruchssinns.

Was genau Long-Covid verursacht, gibt der Wissenschaft immer noch Rätsel auf. Eine Forschergruppe aus Argentinien fand allerdings ein Warnsignal: Können Betroffene nicht mehr riechen, halten auch geistige Beschwerden an. Die Schwere der Infektion war dabei nicht ausschlaggebend.

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Sich nichts mehr merken können, sich nicht konzentrieren können oder andere geistige Probleme – damit haben viele Menschen nach ihrer Corona-Infektion zu kämpfen. Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen oder Lernschwierigkeiten zählen zu den diversen Symptomen von Long-Covid.

Forschende suchen daher nach Faktoren, die die Auswirkungen von Covid-19 auf das Gedächtnis und das Denkvermögen vorhersagen können. Das Team um Gabriela González Alemán, Professorin an der Pontificia Universidad Católica Argentina in Buenos Aires, hat einen davon identifiziert: Geruchsverlust (Anosmie).

Ihr Fazit der langandauernden Studie: „Anhaltende kognitive und funktionelle Beeinträchtigungen nach einer Sars-CoV-2-Infektion werden durch anhaltende Anosmie vorhergesagt, nicht aber durch den Schweregrad der ursprünglichen Covid-19-Erkrankung.“ Sprich: Kommt der Geruchssinn nicht wieder, bleiben geistige Probleme oft.

Sie stellten ihre Erkenntnisse auf der Alzheimer's Association International Conference (AAIC ) 2022 in San Diego vor.

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Warnzeichen für kognitive Probleme: bleibender Geruchsverlust

Für ihre Studie begleitete die argentinische Forschergruppe 766 Erwachsene im Alter von 55 bis 95 Jahren ein Jahr lang. Sie führten regelmäßig eine Reihe körperlicher, kognitiver und neuropsychiatrischer Tests durch. Von der Studiengruppe waren 88,4 Prozent infiziert und 11,6 Prozent dienten als Kontrollgruppe.

Die Ergebnisse im Überblick: Zwei Drittel der infizierten Teilnehmenden litt unter Gedächtnisstörungen, die bei der Hälfte von ihnen schwerwiegend waren. Weitere kognitive Tests ermittelten drei Gruppen mit verminderter Leistung:

  • 11,7 Prozent zeigten eine reine Gedächtnisstörung.
  • 8,3 Prozent hatten eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und der exekutiven Funktionen. Als exekutive Funktionen bezeichnet die Gehirnforschung geistige Fähigkeiten, die das menschliche Denken und Handeln steuern.
  • 11,6 Prozent zeigten eine Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (einschließlich Gedächtnis, Lernen, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen).

Interessant dabei: Die statistische Analyse ergab, dass der anhaltende Geruchsverlust ein signifikanter Vorhersagefaktor für geistige Beeinträchtigungen war – wie schwer die ursprüngliche Covid-19-Erkrankung verlaufen war, war jedoch nicht entscheidend.

Die meisten erholen sich vom Geruchsverlust

„Je mehr wir darüber wissen, was die Ursachen für die signifikanten langfristigen kognitiven Auswirkungen einer Covid-19-Infektion sind oder diese zumindest vorhersagen können, desto besser können wir sie verfolgen und Methoden zu ihrer Verhinderung entwickeln“, sagt González Alemán.

Größtenteils ist der Geruchsverlust durch die Corona-Infektion vorübergehend. „Bei einer Covid-19-Infektion ist bei etwa 40 Prozent der Betroffenen früh der Geruchssinn weg“, sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der dpa. „Bei den meisten kommt er aber innerhalb von drei, vier Wochen wieder. Etwa 15 Prozent der Betroffenen haben länger mit einem anhaltendem Riechverlust zu tun.“ Bei der Omikron-Variante ist der Geruchssinn zudem seltener betroffen als bei einigen Vorgängern.

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Geruchsverlust als Frühwarnzeichen

Ein weiterer Grund für die wissenschaftlichen Untersuchungen ist: Bei älteren Erwachsenen ähnelt Post-Covid der frühen Alzheimer-Krankheit und weist möglicherweise dieselben Risikofaktoren und Biomarker im Blut auf wie diese. Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass der Geruchsverlust auch ein Signal für Demenz sein kann - Jahre bevor die Krankheit diagnostiziert wird.

Ein Verlust des Geruchs kann nämlich viele Ursachen haben, etwa neurodegenerative Erkrankungen. „Es ist wie ein Frühwarnsystem, weil das oft schon passiert, bevor die typischen Symptome der Krankheit auftauchen, etwa die Verlangsamung bei Parkinson, oder die Gedächtnisstörungen bei Demenzen“, sagt auch Berlit.

In der nun vorgestellten Analyse zeigt sich: Der Schweregrad des Geruchsverlusts sagt die kognitiven Probleme signifikant vorher. Keine der Kontrollpersonen hatte eine Geruchsstörung.

Wie Betroffene ihren Geruchssinn trainieren können

Corona oder etwas anderes? Wer unter Geruchsstörungen oder -verlust leidet, sollte sich zuerst an einen HNO-Arzt wenden. „Er kann die Nase untersuchen, denn der Geruchsverlust muss ja nicht immer unbedingt mit der Covid-Erkrankung zusammenhängen. Gegebenenfalls stellt der HNO-Arzt dann eine Überweisung zum Neurologen aus“, erklärte Thomas Hummel, Leiter des Interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken an der Universitäts-HNO-Klinik Dresden, bereits vor einiger Zeit im Gespräch mit FOCUS online . Hänge die Riechstörung tatsächlich mit der Coronainfektion zusammen, werde gemessen, wie gut das Riechvermögen noch ist und wie schwerwiegend die Störung. Das erfolgt beim Spezialisten, etwa im Zentrum für Riechen und Schmecken an der Uniklinik Dresden.

Ein spezielles Riechtraining zu Hause kann Betroffenen helfen. „Der Patient sollte jeden Tag, einmal morgens und einmal abends an vier verschiedenen Düften riechen. Hierbei ist es besonders wichtig, dass es sich um vier starke Düfte handelt, die möglichst verschiedene Klassen der olfaktorischen Rezeptoren ansprechen“, erläuterte der Experte. In der Originalstudie, die dieses Riechtraining erstmals vorstellte, seien „Rose“, „Zitrone“, „Eukalyptus“ und „Gewürznelke“ verwendet worden, im Idealfall nimmt man ein ätherisches Öl. Nach zwei oder drei Monaten können Betroffene dann die Duftnoten wechseln.

„Wichtig dabei ist: Der Patient sollte jeden Duft jeweils eine halbe Minute zweimal am Tag schnüffeln – solange bis sich nach und nach eine Besserung einstellt“, sagte Hummel. „Das kann also unter Umständen bis zu einem Jahr dauern. Für einen Fortschritt ist es aber enorm wichtig, konsequent zu bleiben. Umso konsequenter – umso höher die Chance, dass sich die Riechzellen schneller wieder erholen.“

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