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Entlassungen forciert

Zwielichtig und gnadenlos: Wie Selenskyi-Berater Jermak seine Macht ausbaut
Freitag, 22.07.2022 | 10:01
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
IMAGO/ZUMA Wire Andrej Jermak steht hinter Präsident Selenskyj

In der Ukraine war er schon vor Putins Überfall ein bekannter Strippenzieher. Doch nun lenken die Entlassungen hochrangiger Amtsträger die Blicke auch im Ausland auf Andrij Jermak, Berater von Präsident Selenskyj. Pikant: nicht der Präsident, sondern Jermak soll hinter den Entlassungen stecken.

Schon ein Blick in die ersten Jahre nach Ende des Kalten Krieges lassen erahnen, dass Andrij Jermak ein Mann ist, dessen Leben durch und durch von Ehrgeiz und Karriere geprägt ist. 1971 in Kiew geboren, studierte Jermak Rechtswissenschaften und erhielt 1995 als gerade einmal 24-Jähriger in Kiew seine Zulassung als Rechtsanwalt.

Nur zwei Jahre später gründete der aufstrebende Jurist eine eigene Kanzlei, die sich auf Urheber- und Handelsrecht in der Film- und Fernsehbranche spezialisierte. 2012 gründete der Jurist die Produktionsfirma Garnet International Media Group und produzierte in der Ukraine und dem Ausland diverse Filme. In dieser Zeit lernte Jermak auch Wolodymyr Selenskyj kennen, der Schauspieler und Komiker war, bevor er im Frühjahr 2019 zum neuen Präsidenten der Ukraine gewählt wurde.

Selenskyi machte Jermak 2019 sofort zu seinem engsten Berater

Jermaks erster Auftritt auf der politischen Bühne war gleich ein Paukenschlag: Selenskyj ernannte ihn im Mai 2019 zu seinem Assistenten. Er avancierte binnen weniger Wochen zum Chefunterhändler mit Russland. Im Ausland blieb lange unentdeckt, wie energisch der Berater fortan seinen Machteinfluss kontinuierlich ausdehnte.

Doch mit der nun vollzogenen Entlassung zweier hoher Amtsträger der Selenskyj -Administration richten sich die Blicke der internationalen Öffentlichkeit von Selenskyj auf den Mann, der fast immer neben dem Präsidenten steht. Denn politischen Insidern zufolge ist die Entlassung der Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa und Iwan Bakanow, Leiter des Geheimdienstes, nicht vom Präsidenten selbst betrieben worden, sondern von seinem Berater Andrij Jermak, Leiter des Präsidentenbüros.

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"Chef des Präsidialamtes hat Machtkampf hinter Kulissen gewonnen"

Der ukrainische Präsident nannte als Gründe für die Entlassungen, dass Hunderte Personen der ukrainischen Sicherheitsbehörden in dem „Verdacht“ stünden, mit Russland kollaboriert zu haben. Doch fiel dabei auf, dass Selenskyj diese Vorwürfe nicht direkt gegen die geschasste Generalstaatsanwältin und den abgesetzten Geheimdienstchef erhob, die im übrigen beide als Selenskyj-Vertraute gelten. Als wahren Grund nennen Kenner der ukrainischen Machtverhältnisse jedoch, dass Jermak, dem weder mit Bakanow noch mit Wenediktowa ein gutes Verhältnis nachgesagt wurde, sich auf diese Art zweier scharfer Kritiker entledigen wollte.

Das sieht auch der ukrainische Polit-Analyst Igor Rejterowitsch so. „Die aktuellen Personalentscheidungen zeigen, dass der Chef des Präsidialamtes einen hinter den Kulissen geführten Machtkampf gewonnen hat“, zitiert der „Tagesspiegel“ den Polit-Analysten. Zudem sollen die Nachfolger Oleg Tatarow, dem umstrittenen Stellvertreter Jermaks, nahestehen, der 2013 das brutale Vorgehen der Polizei bei der „Maidan-Revolution“ verteidigt hatte.

Oppositionspolitiker: "Jermak ist eine Gefahr für die Demokratie"

Tatarow war 2020 dem Bericht zufolge außerdem in ein Strafverfahren wegen Korruption verwickelt. Die Ermittlungen seien jedoch eingestellt worden - und zwar von Oleksij Symonenko, der jetzt der neue ukrainische Generalstaatsanwalt geworden ist. Jermak sei jetzt die gesamte „Machtvertikale“ untergeordnet, zitiert der „Tagesspiegel“ Wolodymyr Arjew, ein Abgeordneter der Oppositionspartei „Europäische Solidarität“. Der Abgeordnete bezeichne Jermak als eine „Gefahr für die ukrainische Demokratie“.

Und weiter: „Auch ein Land, das sich im Krieg befindet, darf nicht gegen die Verfassung und das darin verankerte Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen. Außerdem darf die Macht unter Kriegsbedingungen nicht an Personen mit fragwürdigem Ruf übergeben werden.“ In dem Bericht wird in diesem Zusammenhang erwähnt, dass Jermak viele Jahre lang freier Mitarbeiter des Parlamentsabgeordneten Elbrus Tadejew war. Dieser wiederum gelte als enger Freund des Sohnes des russlandnahen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Politikwissenschaftler warnt vor Vorverurteilung von Selenskyi-Berater Jermak

Doch es gibt auch andere Stimmen in der Ukraine. Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Igor Petrenko sei das Präsidialamt in der Ukraine „schon immer ein informelles Zentrum“ für die Koordinierung der Arbeit verschiedener Behörden gewesen, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Deshalb finde ich es unfair, dass man jetzt versucht, vor allem Andrij Jermak zu dämonisieren.“

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