Verschlüsselungscodes und Geheimschriften
Sie führten aufs Schafott und entschieden Kriege: Geheime Botschaften und ihre Entschlüsselung beeinflussten den Lauf der Weltgeschichte. Der Kampf zwischen Codemachern und Codeknackern tobt bis heute.
In Weinfässern versteckt gelangten die verschlüsselten Briefe der Verschwörer zu der prominenten Gefangenen. Doch zu Maria Stuarts Pech arbeitete der Schmuggler der Nachrichten für ihre Rivalin Elisabeth I., die englische Königin. Deren Sicherheitsminister ließ die Post unbemerkt von der Adressatin abschreiben und von einem Codeknacker entschlüsseln. Das Ergebnis ist bekannt: Das englische Parlament befand Maria Stuart des Hochverrats schuldig. Am 8. Februar 1587 trennte der Scharfrichter der früheren Königin von Schottland das Haupt vom Rumpf.
Botschaften zu verschlüsseln war zu Maria Stuarts Zeit gang und gäbe – zumal in einer derart gefährlichen Situation, in der sie und die Verschwörer sich befanden. „Während der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert verbreiteten sich Methoden, Nachrichten zu codieren und zu decodieren von Italien aus über ganz Europa“, sagt der Kryptologie-Experte Klaus Schmeh, der zum Thema Verschlüsselungscodes und Geheimschriften etliche Bücher und Aufsätze veröffentlicht hat.
Geheimcodes der italienischen Spione
Zahlreiche Stadtstaaten konkurrierten im damaligen Italien um Macht und Einfluss, Botschafter repräsentierten nicht nur ihre Provinz, sondern hatten oft auch die Aufgabe, Rivalen auszuspionieren. Ihre Korrespondenz in die Heimat verschickten sie deshalb häufig nicht offen, sondern in verschlüsselter Form. „Sie ersetzten zum Beispiel Buchstaben durch andere oder verwendeten Ziffern für Buchstaben, Wörter oder ganze Sätze“, erklärt Schmeh. „Mithilfe einer Verschlüsselungstabelle konnte der Empfänger die Botschaft dann wieder in ihre ursprüngliche Form zurückübersetzen.“
Sicher waren die zumeist verwendeten Methoden allerdings nicht – wie der Fall Maria Stuart zeigt. „Da die Buchstaben des Alphabets statistisch gesehen mit einer bestimmten Häufigkeit in Texten vorkommen, ließ sich durch das Zählen der Zeichen so manche Botschaft entschlüsseln“, erläutert der Experte. Dabei sei die Kryptologie in der Theorie damals schon viel weiter gewesen. Humanistische Gelehrte hätten zahlreiche innovative und sehr kreative Bücher zu dem Thema geschrieben – und eine neue, bahnbrechende Art der Codierung entwickelt: die polyalphabetische Verschlüsselung.
Die „Schwarzen Kammern“ des Barock
„Um polyalphabetisch verschlüsselte Botschaften zu decodieren, brauchte man nicht mehr nur eine, sondern mehrere verschiedene Ersetzungstabellen“, erklärt Schmeh. „Eine Variante war, nach jedem Buchstaben eine neue Tabelle zu verwenden – beispielsweise bis zum zehnten – und dann wieder von vorne zu beginnen.“ Auf diese Weise sei es nicht mehr möglich gewesen, Texte durch das Zählen der Buchstaben zu entschlüsseln. Nur hätten viele Geheimdienste das Verfahren nicht oder erst viel später angewendet.
Dabei war der Aufwand enorm, den viele Herrscher trieben, um an geheime Nachrichten zu kommen. In der Zeit des Barock gab es vielerorts sogenannte „Schwarze Kammern“. Spezialisten öffneten dort sogar versiegelte Briefe und verschlossen sie wieder, ohne dass der Empfänger etwas davon merkte, schrieben die Texte ab und knackten gegebenenfalls ihren Code. „All das musste außerdem sehr schnell gehen, denn die Postzustellung durfte sich ja nicht verzögern, weil das sonst aufgefallen wäre“, sagt Schmeh.