Waltraut Haas: „Schauspielen war immer mein Herzenswunsch“

Erstellt am 08. Juni 2022 | 03:37
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Hinreißend, lebenslustig, unermüdlich: Waltraut Haas, die am 9. Juni 95 wird. „Ich möchte gern noch für mein Publikum ab und zu da sein!“
Foto: Ulrik Hölzel
Film-, Fernseh- und Bühnen-Ikone Waltraut Haas wird 95. Und spricht über erste Erinnerungen, schönste Weihnachtsgeschenke, geplatzte Hollywood-Filme und familiäre Wünsche.

NÖN: Diesen Donnerstag werden Sie unglaubliche 95. Gibt’s da Kerzen, Sekt und Torte? Und ist ein Geburtstag für Sie ein Grund zum Feiern? Oder eher zum Zurückschauen?
Waltraut Haas: Da bin ich selbst gespannt, ob es Torte mit Kerzen gibt! Mein Sohn, meine Schwiegertochter und unsere Freunde Tamara Trojani und Konstantin Schenk haben organisiert, dass ich an meinem Geburtstag auf der Bühne stehen darf und viele Freunde und die Familie im Publikum sein werden. Unter dem Titel „Flotter Dreier“ werde ich mit den Künstlerwirtsleuten im Restaurant „Stöckl“ singen und plaudern.

Zum Zurückschauen gibt’s jede Menge, bei einer von Österreichs bekanntesten Schauspielerinnen. Theater, Film, Fernsehen – aber zuerst: Was ist das Früheste, woran Sie sich erinnern? In Ihrer Familie, in der Schule, in Schönbrunn?
Haas: Da kommt wieder das „Stöckl“ ins Spiel: Als mein Vater, ein Lehrer, 1931 starb, war ich gerade vier Jahre alt und meine Mutter Stefanie stand mit mir und dem damals zweijährigen Fritz, meinem Bruder, vor dem Nichts. Meine Großmutter war nicht unvermögend und pachtete für meine Mutter das besagte Restaurant Stöckl. So wurde das Schloss Schönbrunn, auf dessen Areal sich das Stöckl befindet, meine neue Heimat, und das Spielen und Herumtollen im Schlosspark sind meine ersten Erinnerungen – ebenso das heimliche, streng verbotene Baden im Neptunbrunnen.

Ich blieb bis heute ‚das Mariandl‘! Waltraut Haas

Aufgewachsen sind Sie (auch) im Krieg, als er begann, waren Sie gerade 12, als er endete, 18. Was war das Schlimmste, was das Schönste in dieser Zeit? Und was haben Sie daraus „mitgenommen“?
Haas: Der Krieg war für uns alle schlimm, besonders erinnere ich mich an die Bombenalarme. Auch der Tiergarten wurde getroffen, wo viele Tiere starben. Die hungernde Bevölkerung wurde dann einmal mit Gulasch aus verendeten Elefanten gespeist – da habe ich es damals aber, trotz Hunger, nicht übers Herz gebracht, davon zu essen. Krieg ist bis heute für mich das Schlimmste, was Menschen anderen Menschen antun können.
Eine schöne Erinnerung gibt es aber auch in dieser Zeit. Meine Katze war nach einem Bombenangriff verschwunden. Kurz vor Weihnachten lief sie aber einer Nachbarin zu, die sie heimlich in Pflege nahm, nur damit ich dann zu Weihnachten ein wunderbares Geschenk habe. Es wurde das wunderbarste Weihnachten, mit meiner Minka, die ich dann wiederhatte.

Während des Krieges haben Sie auch eine Schneiderlehre begonnen, danach Schauspiel und Musik studiert. Warum sind Sie nicht bei der Mode geblieben? Und war da für Sie schon klar, dass Sie auf die Bühne wollen?
Haas: Die Schneiderei war nie ein Herzenswunsch, aber wie es damals üblich war, musste ich zuerst was „G’scheites“ lernen. Nach Abschluss der Gesellenprüfung durfte ich Schauspielerin werden, was von Anfang an mein Herzenswunsch war.

Auf der Bühne standen Sie dann ja relativ bald, mit 22, am so genannten Wiener Bürgertheater. Waren Sie da schon eine „Volksschauspielerin“? Wollten Sie eine werden? Und was haben Sie damals für Ihre spätere Karriere gelernt?
Haas: Volksschauspielerin ist nichts, was man werden kann oder will – das entscheiden immer Publikum und Presse. Ich wollte eigentlich aufs Reinhardt Seminar, habe aber damals die Aufnahmeprüfung nicht geschafft. So kam ich aufs Prayner Konservatorium in Wien, und einer meiner Lehrer wurde dann Intendant am Landestheater Linz. Er durfte sich ein paar seiner Schüler und Schülerinnen mitnehmen – ich war dabei, und so begann meine Theaterkarriere in Linz.

Stichwort: Karriere. Die begann eigentlich schon zwei Jahre vorher, beim Film. Da drehte Hans Wolff den „Hofrat Geiger“ – mit Hans Moser, Paul Hörbiger, Maria Andergast und Waltraut Haas (statt Maria Schell) als Mariandl. Der Film kam „irrsinnig gut an“, das Mariandl auch („ein vielversprechendes Talent“, schrieben die ersten Schlagzeilen). Wie war das für Sie? Wieso hat Sie das Mariandl so lang begleitet? Und haben Sie damals nicht auch an Hollywood gedacht?
Haas: Es war natürlich ein Einstieg nach Maß, zumal auch die folgenden Filme große Erfolge wurden. Natürlich blieb ich trotzdem bis heute „das Mariandl“ – und ab den 1960er-Jahren auch „die Rösslwirtin“. Hollywood hat zweimal angeklopft. Einmal ein halber Film „Die Abenteuer des Wilhelm Tell“ an der Seite von Eroll Flynn, der in der Schweiz gedreht wurde und leider am finanziellen Bankrott von Flynn scheiterte und unvollendet blieb. Dann eine Liaison mit Tyrone Power, der mich als Partnerin seines neuen Films wollte, aber leider vorher verstarb.

Gespielt haben Sie aber auch ganz viele andere Rollen. Die „Rose vom Wörthersee“, die Wirtin im „Weißen Rößl“ und die Mutter des „Jedermann“, im „Tatort“ und bei „Wetten, dass..?“, auf Tournee und in der Wachau. Wen – und wo – haben Sie am liebsten gespielt? Und wen oder was hätten Sie noch spielen wollen?
Haas: Am liebsten mit der Familie. Mit meinem Mann hatte ich viele Tourneen und Engagements in Österreich, Deutschland und der Schweiz, dazu Kreuzfahrten mit unserer Personality Show. Aber auch mit meinem Sohn und meiner Schwiegertochter habe ich viel gespielt. Vor allem natürlich in Weißenkirchen in der Wachau.

Gedreht haben Sie noch mit 90. Und gespielt haben Sie noch mit 93, in Weißenkirchen, bei den Wachaufestspielen und bei Ihrem Sohn Marcus. Kann man mit dem Spielen überhaupt aufhören? Muss man aufhören? Und was kam nach dem Spielen? Das Schreiben? Das Lesen? Das Unterrichten?
Haas: Das Schreiben habe ich schon hinter mir. Drei Biographien zeugen von einem reichen und langen Leben. Das letzte Buch „Jetzt sag ich’s“, in Zusammenarbeit mit der wunderbaren Marina Wattek, verrät die letzten Geheimnisse meines Lebens und ist noch immer erhältlich. Davor schrieb ich sogar ein paar Märchenbücher, wo ich die für meinen kleinen Sohn aus dem Stegreif erfundenen Märchen in Form gegossen habe. Unterrichten hat mich nie gereizt. Die Mutter im „Jedermann“ war vor zwei Jahren bei den Wachaufestspielen meine letzte Rolle. Da war ich schon ein bissl wackelig auf den Beinen. Irgendwann muss natürlich Schluss sein. Aber ich möchte gern noch für mein Publikum ab und zu da sein. Mein Sohn möchte mit mir in Zukunft noch mit Lesungen auftreten. Da freue ich mich drauf!

Mit der Wachau waren Sie immer verbunden, mit Dürnstein, mit Weißenkirchen, mit Spitz, wo Sie auch Patronin des dortigen Hotels Mariandl sind. Und die besten Marillenknödel, haben Sie einmal gesagt, gibt’s auch in der Wachau, beim „Kirchenwirt, in Weißenkirchen“. Was hat denn die Wachau, was andere Gegenden nicht haben? Und wieso sind Sie nicht gleich dort geblieben, an der Donau?
Haas: Ich glaub’, man muss von woanders immer wieder hinkommen, um zu schätzen, wie schön es in der Wachau ist. Ich habe mich entschieden, in Wien zu leben. Und ganz ehrlich: Das ist ja auch nicht gerade das Schlechteste!

Ihr Sohn, den Sie mit Ihrem viel zu früh verstorbenen Lebenspartner und Kollegen Erwin Strahl haben, ist ebenfalls Schauspieler, Regisseur und Intendant. Hätte er auch etwas anderes werden können? 
Haas: Wir haben den Berufsweg von Marcus nie beeinflusst und waren sogar sehr froh, dass er nie Ambitionen in diese Richtung gezeigt hat, weil es doch ein schwieriger Beruf ist und mein Mann und ich in einer Zeit begonnen haben, wo es wenige Künstlerinnen und Künstler gab. Wenn früher einer von den wenigen Talent hatte, wurde aus ihm auch ein bekannter Künstler. Heute gibt es so viele großartige Talente, die nie eine Chance bekommen haben. Da haben wir Glück gehabt.

Was wünschen Sie sich noch?
Haas: Für meine Familie und mich noch einige schöne Jahre, vor allem in Gesundheit. Und dass mein Publikum mich nicht vergisst, auch wenn ich nicht mehr viel auftrete.