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LICHTENFELS

AfD-Demo: Altbekanntes auf dem Marktplatz

AfD-Demo: Altbekanntes auf dem Marktplatz
Der Höhepunkt der Veranstaltung: Die AfD, für Nazis gescholten, skandiert "Nazis raus!" in Richtung der Gegendemonstranten zurück. Foto: Markus Häggberg

Ihren Höhepunkt dürfte die Veranstaltung kurz vor 16 Uhr erreicht haben. Sonntagnachmittag, 15.55 Uhr, Marktplatz. 26 Gegendemonstranten rufen über die Straße hinweg „Nazis raus!“ und zirka 200 Demonstranten der AfD-Veranstaltung halten dem etwas entgegen: „Nazis raus!“ Die AfD-Kundgebung mit Fuldaer EU-Abgeordneter und unter dem Motto „Wir müssen reden!“ bot Szenen, die Fragen aufwerfen.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ war auf mehreren Plakaten zu lesen. Auf einem anderen: „Liebe“ und auf wieder einem anderen: „Kinder.“ Botschaften wie diese hätte man eher in einem ausgewiesen linken Spektrum erwartet. Aber sie fanden sich um den Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz, dem Ort, an welchem die AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson sprechen sollte.

Bernd Grau: „Schon 6000 Euro an Straf- und Bußgeldern bezahlt.“

Auf Einladung von Bernd Grau, dem Lichtenfelser Gesicht der AfD und einem Mann, der forsch und selbstbewusst ins Mikrofon zu sprechen versteht. Bei seinem Widerstand gegen die Corona-Politik bezeichnete er sich als „Kind der ersten Stunde“ und gab zudem Einblicke in das, was ihn sein Kindsein bislang auch „gekostet“ habe: 6000 Euro Straf- beziehungsweise Bußgelder.

AfD-Demo: Altbekanntes auf dem Marktplatz
Maria R.-F. und Felicitas L. haben vollständige Namen. Doch die aus Bamberg angereisten "Omas gegen Rechts" befürchten im rauer werdenden politischen Klima Nachteile, sollten diese bekannt werden. Foto: Markus Häggberg

Den Politikern und all den – aus seiner Sicht Willfährigen – der von der AfD bemängelten Corona-Politik rief er zu: „Ihr alle werden lernen, was es bedeutet, wenn Karma es richtet.“

Dann streikte das Mikrofon. Karma? 350 Demonstrationsbesucher habe er erwartet, gab Grau zu. Gekommen waren laut polizeilicher Zählung etwas mehr als 200. Die Polizei war vor Ort, allein in der Bamberger Straße waren vier Autos zu sehen. Über die genaue Anzahl der Kräfte hielt sie sich aus einsatztaktischen Gründen bedeckt.

Beim Thema Corona streikte das Mikrofon

Was Christine Anderson vortrug, war von Unmut getragen. Doch hauptsächlich sollte sich die EU-Abgeordnete, ähnlich wie zuvor schon Grau, am Thema Corona abarbeiten. Immer wieder stieg ihr dabei aber das Mikrofon aus. Dass sie diesbezüglich von Verschwörung sprach, war eindeutig Ausweis ihres Humors und nicht ernst gemeint.

Was die Frau aber ernst meinte, war: „Trump is back“ (Trump ist zurück) und dass das für sie „eine gute Nachricht“ darstelle, sowie dass sie Twitter als einen „Marktplatz für Meinungsaustausch“ empfindet.

Der echte Marktplatz ließ hingegen kaum Austausch zwischen beiden Seiten hüben und drüben der Straße zu. Als Anderson zu sprechen begann, schallten von der anderen Seite Flötenklänge und Trillerpfeifen herüber.

Doch auch die insgesamt 26 Gegendemonstranten sollten bedacht werden. Für jene, die das Spruchband „Unser Landkreis Lichtenfels ist bunt“ in Händen hielten, hatte Anderson eine Frage übrig: „Was ist das für ein infantiler Slogan?“

Viel lieber, so die Abgeordnete, hätte sie dort etwas wie „Lichtenfels bleibt frei“ gelesen. Eine Andeutung auf die aus ihrer Sicht falschen Corona-Maßnahmen? Oder auf Bestimmungen, welche die EU von oben nach unten durchreicht, und die oft allgemein kritisch gesehen werden?

EU-Abgeordnete nennt EU „das größte Irrenhaus der Welt“

Denn tatsächlich hält die Frau, die dem EU-Parlament angehört, der EU auch etwas zugute, nämlich „das größte Irrenhaus der Welt“ zu sein. Immer wieder wies sie darauf hin, dass man bei der AfD auf der richtigen Seite stehe, dass man Dinge ent- und aufgedeckt habe, die doch bewiesen hätten, das Corona-Geschehen von Anfang an klarsichtiger eingeschätzt zu haben.

Es waren altbekannte Positionen, und die Rede, bei welcher sie zudem noch gegen allerlei Gendermaßnahmen Stellung bezog, hätte eine Wahlkampfrede sein können. Was die Politikerin dabei aber nicht mitbekam: An dieser Stelle sollten auch schon erste Demonstranten wieder gehen. Später dann, als sie sich unters Volk mischte und für jeden ansprechbar war, musste sie sich von einem AfD-Anhänger Kritik gefallen lassen. Aus dessen Sicht lag zu viel Fokussierung auf dem ewigen Corona-Thema. „Warum gibt es nicht auch mal Wirtschaftsthemen?“, so seine Frage.

In den sozialen Medien wüst beschimpft worden

Felicitas L. (Name der Redaktion bekannt) sah das alles anders. Die Frau war aus Bamberg angereist und gehört der dortigen Gruppe „Oma gegen rechts“ an. Unweit von Heinz Gärtner, dem Vorsitzenden des Schneyer DGB-Ortskartells stehend, hielt sie am äußeren Ende des Spruchbands „Omas gegen Rechts“ fest.

AfD-Demo: Altbekanntes auf dem Marktplatz
Bei manchen Slogans glaubte man sich eher im linken Lager zu stehen, doch sie finden sich auch bei der Anhängerschaft der AfD. Foto: Markus Häggberg

Daran, dass die AfD eine demokratische Partei wie alle anderen sei, glaubt sie weniger. Womit sie künftig rechnet, sind aus dem Ruder laufende Ereignisse. Eben darum, und weil sie „auch auf Facebook schon wüst beschimpft“ worden sei, will sie ihren vollen Namen auch nicht gedruckt lesen. „Es geht um unseren Schutz, und wir stehen bei denen im Fokus“, erklärt sie mit Kopfnicken hinüber zum Marktplatz.

Genau wie sie sieht auch Maria R.-F. die Angelegenheit und malt auch drastische Bilder: „Ich wohne auf dem Dorf und habe keine Lust, dass mir ein Fenster eingeschmissen wird.“ Dennoch sei man in einem Umkreis zwischen Wunsiedel und Erfurt unterwegs, um Demokratie und Protest zu bedienen. „Heute sind wir sechs Omas, morgen mehr“, fügt sie an.

Eine Gruppe in Lichtenfels aufbauen

Zwischen fünf und 15 solche Omas gebe es in Bamberg schon, man treffe sich einmal im Monat, und zu künftigen Vorhaben befragt, lässt sie wissen, dass man versuchen werde, „in Lichtenfels eine Gruppe aufzubauen“.

Dann, so ab 16.30 Uhr, sollte sich die Menge auf dem Marktplatz langsam auflösen. Vom traditionell aufgestellten Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz sollten Spruchtafeln wie „Deutschland zuerst!“ abgehängt werden. Der Baum fiel dieses Jahr kleiner aus als sonst. Doch mit 200 statt der ursprünglich 350 erwarteten Demonstrationsbesucher tat es die Kundgebung selbst auch.

 

Von Markus Häggberg

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