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LICHTENFELS

Volkssagen: „Morkschdaa“ und „feuricha Mennla“

Im Staffelsteiner Land sollen sich früher feurige Männchen herumgetrieben haben. Foto: Andreas Motschmann

„Wenn me frühe midn Laddewougn undewegs woan, donn hom sich manchmol die Geul su orch ougeblouchd, obwuhls go kan schdeiln Berch nauf ganga is. Doa hod immme mei Vorre zochd: Beschdimmd hoggd hindn drauf a feurichs Mennla! Obe su a Mennla hob ich a Läim lang niä gsän.“

Mit dieser sinngemäßen Aussage einer älteren Dorfbewohnerin wurde der Autor dieses Berichtes bei einem Erzählabend konfrontiert. Bald konnte er den Zusammenhang mit dem Grenzsteinversetzer in Volkssagen herstellen.

Erzählt wird seit Menschengedenken. Das verstärkte schriftliche Festhalten in Sagensammlungen findet seit etwa 200 Jahren statt. Die Brüder Grimm mit ihrer Deutschen Sagensammlung von 1816 waren sicher ein Auslöser für flächendeckende Sammeltätigkeit. Im Jahre 1842 erschien die Sammlung „Der Sagenschatz des Frankenlandes“ von Ludwig Bechstein. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schrieben einige geschichtsverbundene Lehrer und Heimatforscher die Sagen ihrer fränkischen Region in Sammlungen nieder. So Karl Brückner aus Gößweinstein und Karl Mönch aus Obersiemau.

Der Volksglaube vom Wiedergänger

Die wertvollsten Aufzeichnungen hinterließen Elise Gleichmann aus Kulmbach und Hermann Mauer aus Bamberg, der ab 1930 als Lehrer in Lichtenfels die Sagenerzählungen von „Gewährsleuten“ aufschrieb. Doch nun zum Grenzsteinversetzer, der Sagenfigur, die etwas näher beleuchtet werden soll.

Der Grenzsteinversetzer als feuriges Männlein ist ein bekanntes Motiv der Volkssage. Dieses Bild ist zweifellos christlichen Ursprungs; dahinter verbirgt sich der Glaube an das Fegefeuer. Früher bestand der Volksbrauch, nach dem Tode eines Menschen ein Fenster zu öffnen, damit die Seele die Freiheit gewinnt. Die Seelen böser Menschen, die im Leben eine Schuld auf sich geladen haben, zum Beispiel Grenzsteinversetzer, waren dagegen zur Ruhelosigkeit verdammt und mussten ihrer Erlösung harren.

Diese Feuermänner verhalten sich in vielen Erzählungen gegenüber den Lebenden freundlich und hilfsbereit. Sie leuchten den umher irrenden Menschen den Weg, damit sie wieder nach Hause finden. Diese guten Werke müssen sie bis zu 100 Mal viele Jahre lang verrichten, um die „Ewige Ruhe“ zu finden. Dann genügt ein schlichtes „Vergelt`s Gott“ der Menschen, um die feurigen Gestalten zu erlösen.

Wo soll ich den Stein hinsetzen?

Manchmal läuft der Spukgeist mit dem Markstein auf dem Rücken um den Acker und ruft ständig: „Wo soll ich den Stein hinsetzen?“ Der Grenzsteinfrevler muss also solange den versetzten Stein tragen, bis die Bedingungen zu seiner Erlösung erfüllt sind. Dann kommt auch „zufällig“ in dieser Nacht ein unerschrockener Wanderer daher, der dem Unruhegeist die Worte: „Dann setz den Stein doch dort hin, wo du ihm geholt hast“ zuruft, und danach ist das feurige Männlein wie vom Erdboden verschwunden.

In unseren heimischen Sagen sehen die Feuermänner recht unterschiedlich aus. Einmal wird vom Grenzsteinversetzer ohne Kopf, aber mit einem großen Flügel, erzählt. Ein anderer Grenzsteinversetzer habe sich nach dem Tod in einen feurigen roten Hund verwandelt. Dieser soll am Roten Hügel bei Seßlach zu heiligen Zeiten nachts zwischen elf und zwölf Uhr gesehen worden sein.

Hans Kraus aus Dittersbrunn berichtete dem Lehrer Mauer von einem alten Mann mit einer roten Weste, der mit einem Flurplan am Hang des Veitsberges herumirrte. Am gleichen Ort hüpfte ein feuriger Mann einem Dittersbrunner auf den Buckel. Erst als der Wanderer unter der schweren Last das Männlein verflucht, ist der Aufhocker abgesprungen. In anderen Sagen hatten sie die Größe und Form eines Backtroges; sie waren im Rücken hohl. Ein Gesicht war nicht zu erkennen, aber die Gestalt glühte.

Neun Teufelchen als tanzende feurige Männchen

Die Erzählform der Volkssage unterscheidet sich vom Märchen dadurch, dass nicht der Mensch im Mittelpunkt steht, sondern das Übernatürliche, das ihm widerfährt, oder ein genau beschriebener ominöser Ort, um den sich die Sage rankt. Dazu ein konkretes Beispiel: Früher wurden zwischen Arnstein und Bojendorf am „Deichla“ in der Geisterstunde neun Teufelchen als tanzende feurige Männchen gesehen. In der kurzen Erzählung werden also nicht nächtliche Wanderer, sondern die feurigen Männchen am „Deichla“ hervorgehoben.

Grundbesitz hat und hatte immer einen hohen ideellen und materiellen Wert. Besonders in der ländlichen Bevölkerung am Obermain, die früher sehr kleine Flächen hatte, brachte die Abmarkung der Grenzen für den Besitzer die Sicherheit für sein eigenes Grundstück. Viele Bauern richteten sich beim Pflügen nach dem Spruch „Drei Fuß vom Morkschdaa wechbleim“. So wurde der Markstein nicht beschädigt und so entstanden überall die vielen Feldraine. Doch solange es Grenzen gibt, werden sie auch übertreten. Dies spiegelt sich in den Grenzfrevelsagen seit Jahrhunderten wider.

Im zweiten Teil wird über den Grenzfrevel, das „Siebener-Geheimnis“ und über die Arbeit der Feldgeschworenen berichtet werden.

Von Andreas Motschmann

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