Thomas Bertels: Schon als Kind bin ich hier herumgerannt | OneFootball

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FC Schalke 04

·15. August 2023

Thomas Bertels: Schon als Kind bin ich hier herumgerannt

Artikelbild:Thomas Bertels: Schon als Kind bin ich hier herumgerannt

Kommandowechsel in der Knappenschmiede: Die U17 hat mit Thomas Bertels einen neuen Chef-Trainer. Im Interview mit dem Schalker Kreisel spricht der 36-jährige Ex-Profi über eine Karriere mit Umwegen, prägende Paderborner und das Schicksal, mit königsblauem Herzen den ostwestfälischen Widrigkeiten zu trotzen.

Thomas, du stammst aus Geseke, erweitertes Ostwestfalen … Kann man so sehen, eigentlich gehören wir nirgends so richtig dazu. (lacht) Der Westdeutsche Rundfunk zählt uns zu Siegen, dahin fährt man aber auch locker zwei Stunden. Wir sind irgendwo zwischen allen, ein kleines Dorf mit nicht einmal 2000 Einwohnern, da ist nicht viel los.


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War der Schritt in den Fußballverein die einzige Option? Einen Tennisclub gibt es dort auch, darauf hatte ich aber keine Lust. Der Weg zum Fußball war auch dadurch vorgezeichnet, dass mein Vater selbst in meinem Heimatverein TuS Ehringhausen aktiv und zeitweise Vorsitzender war, auch zwei seiner Brüder und mein jüngerer Bruder haben gekickt. Im Grunde hatte ich gar keine andere Chance, das war aber auch ganz gut so.

Hast du damals schon vom Profisein geträumt? Das ist so eine Sache auf dem Dorf, da träumen die Kids natürlich, doch häufig fehlt es am Glauben, es schaffen zu können. Meine Oma meinte immer, ich solle etwas Vernünftiges machen; ins Handwerk, ein Haus bauen, zwei Kinder, dann hast du deine Ruhe. (schmunzelt) Aber ein wenig habe ich schon darauf gehofft.

Was war die Alternative zu Schulzeiten? Um ehrlich zu sein: Das größte Interesse galt den Dorfpartys. (lacht) Ich habe viel in den Sport investiert, mit 18 aber noch in der Kreisliga B gespielt. Deshalb habe ich eine Lehre im Heizungsbau begonnen, die ich nach einem Jahr schon wieder hinschmeißen wollte, weil mich alles und jeder genervt hat. Letztlich habe ich es aber doch durchgezogen, sieben Jahre auf dem Bau waren prägend für mich.

Parallel konntest du dich mit 24 Jahren bis in die Regionalliga hocharbeiten. Haben Arbeit und Fußball auf dem Level noch harmoniert? Das hat lange funktioniert, in meiner Zeit beim Westfalenligisten SV Lippstadt habe ich noch Photovoltaik-Anlagen auf Dächer gesetzt, in der Regionalliga bin ich dann beim Sponsor des SC Verl eingestiegen. Als in der Winterpause eine Anfrage von Arminia Bielefeld kam, keimte in mir aber der Gedanke auf: „Hey, vielleicht kommst du ja doch noch ein wenig höher.“ Deshalb habe ich mich im Sommer 2010 dazu entschieden, noch einmal alles auf die Fußballkarte zu setzen – und ein Jahr später kam tatsächlich der Anruf von Roger Schmidt, der mich zum SC Paderborn holen wollte.

Mit 25 Jahren in die Zweite Bundesliga – dein endgültiger Durchbruch? Ich habe zuvor ja schon kaum damit gerechnet, es in die Regionalliga zu schaffen, also ja, das war für mich der entscheidende Schritt. Insgesamt sollten es acht aufregende Jahre in Paderborn werden, auch weil ich mit meiner ostwestfälischen, zurückhaltenden Art dorthin gepasst und mit den verschiedenen Trainern gut zusammengearbeitet habe.

Dein größtes Highlight: der Aufstieg in die Bundesliga 2014 oder dein einziger Erstliga-Einsatz gegen den 1. FC Köln? Der Sprung in die oberste Etage war der herausragendste Moment meiner Karriere – und ihm folgte mit dem Jahr in der Bundesliga direkt das traurigste Kapitel, weil mich ein Ärztefehler in der Vorbereitung nahezu die gesamte Saison kostete. Aus einem eigentlich leichten Eingriff an der Achillessehne wurden drei Operationen, weil der Arzt aus gutem Willen einen Faden eingenäht hatte, der die Sehne nachhaltig schädigte. Mir wurde gesagt, dass sie sich durch das Fremdmaterial wie eine Brausetablette nach und nach aufgelöst hätte, wenn die Folge-OP’s den Fehler nicht korrigiert hätten. Letztlich waren die drei Minuten, die ich am Ende noch gegen Köln spielen durfte, auch mehr Qual als Genuss.

Klingt nach einer bitteren Zeit. Ich war immer ein Spieler, der voll über die Physis kam, kein feiner Techniker. Dass ich fast ein Jahr lang nichts machen konnte, war brutal. Das habe ich in den Folgejahren auch nie gänzlich aufholen können.

Auch für den Club sollten harte Zeiten kommen: Dem Bundesliga-Abstieg folgte der direkte Sturz in die 3. Liga, nur das Lizenzproblem des TSV 1860 München rettete die Paderborner anschließend vor dem Fall in die Regionalliga. Wie herausfordernd waren die Jahre? Man hatte das Gefühl, keine Bremse reinzukriegen, das macht auch viel mit den Spielern, die den Absturz miterleben; speziell dann, wenn man länger im Verein ist und einen intensiveren Bezug zu ihm hat als manch ein Akteur, der kommt und schnell wieder geht. Ich habe diverse Trainer erlebt, ehe Markus Krösche die Verantwortung übernahm und Steffen Baumgart als Coach installierte. Da ging es wieder bergauf und ich konnte selbst noch anderthalb schöne Spielzeiten als Aktiver erleben.

Parallel hast du dich aber als Co-Trainer der A-Junioren ab 2019 auf die Karriere nach der Karriere vorbereitet. Das begann bereits 2017, als ich hin und wieder beim U17-Training ausgeholfen habe. Zu verdanken habe ich diesen Schritt Steffen Baumgart, der meinte: „Langer, die Trainingsarbeit könnte echt was für dich sein.“ Mir war es wichtig, weiter auf dem Platz zu arbeiten, acht Stunden im Büro sind einfach nichts für mich. Mit dem Coaching kann ich mich total identifizieren, das habe ich schnell gemerkt.

Daraus resultierten Hospitationen und Lizenzen? Die Elite-Jugendlizenz habe ich früh gemacht, darüber hinaus war ich durch den guten Draht zu Steffen Baumgart immer nah dran in der Arbeit. Ich konnte quasi ein- und ausgehen, wie es gepasst hat, er hat mir immer wieder Einheiten zur Verfügung gestellt, in denen ich mich ausprobieren konnte. Klassisches „Learning by doing“ also. Dadurch bin ich immer mehr in diese Rolle hineingewachsen.

Du hast viele Jahre bei den Junioren trainiert, das letzte Jahr dann mit der U21 des SC Paderborn im Seniorenbereich. Sind die Unterschiede groß? Für die Jugendlichen bist du noch ein Stück mehr Ausbilder, im Seniorenbereich dann eher der klassische Trainer. Mit einem nun 35-jährigen Christian Strohdiek hatte ich beispielsweise vergangenes Jahr in der Paderborner U21 einen erfahrenen Mann, der die Dinge auf dem Platz und in der Kabine mitunter selbst regelt, da kann ich mich als Trainer auch mal fünf Minuten rausnehmen. In den U-Teams muss man – auch aus pädagogischer Sicht – als Coach immer eng dabeibleiben.

Das erste Jahr mit der U21 endete mit dem Aufstieg in die Regionalliga … Damit war im Vorfeld nicht zu rechnen, weil uns die fünf besten Spieler vor der Saison in Richtung Verl verlassen hatten. Dann sind wir auch noch mit zwei Niederlagen gestartet, und ich dachte nur: „Oh Gott, was kommt dabei jetzt rum?“ Dann hat sich aber schnell eine Eigendynamik entwickelt, und was mir persönlich sehr wichtig war, die Mannschaft hatte einen Wiedererkennungswert. Das war nicht immer die feine Klinge auf dem Rasen, das ist im Spätherbst in der Oberliga aber auch nicht möglich. Rückblickend war es ein sehr prägendes Jahr mit einem herausragenden Ende.

Und auf Schalke schlägst du nun dein nächstes Kapitel auf. Wie kam es zum Standortwechsel? In der Woche nach dem Aufstieg hat Mathias Schober (Direktor Knappenschmiede und Entwicklung, Anm. d. Red.) mich angerufen und nach einem Treffen gefragt. Also bin ich nach Gelsenkirchen gefahren, habe mir alles angeschaut und angehört und im Anschluss so getan, als müsste ich drei Tage überlegen. Mein Entschluss stand aber bereits auf der Rückfahrt fest. (lacht) Grundsätzlich wollte ich irgendwann aus Paderborn raus, um mal etwas anderes zu sehen. Ich hatte aber ehrlicherweise einige Bedenken, weil ich in den vergangenen Wochen auch in die Paderborner Planungen involviert war und Spieler vom Bleiben überzeugt habe, die ich – so fühlte es sich zumindest an – durch meinen Weggang im Stich lasse. Doch die Jungs hatten alle Verständnis für meine Entscheidung, weil sie meine persönliche Verbindung zu Schalke kennen.

Die Fahrt nach Gelsenkirchen ist dir also länger bekannt … In meiner Familie sind eigentlich alle Schalker, schon als Kind bin ich hier oft beim Training rumgerannt, Mitglied seit 2001, meine eigene Dauerkarte besitze ich seit 2009 – vorher haben die Kohlen gefehlt. (lacht) Als Trainer habe ich nicht selten die Spiele so gelegt, dass sie sich nicht mit den S04-Partien in die Wege kamen. Als Profi war mir das nicht möglich, aber auch damals galt: An freien Tagen war ich auswärts und in der VELTINS-Arena bei den Königsblauen.

Klingt nach intensiver Knappen-Prägung, wie weit reicht sie zurück? Mein erstes Spiel habe ich als kleiner Junge im Parkstadion gegen Borussia Mönchengladbach verfolgt, 1997 war ich beim Heimspiel gegen den FC Valencia. Das gab hin und wieder Theater, weil die Anstoßzeiten für meine zehn Jahre doch recht spät waren. Das jüngste Highlight war der Aufstieg gegen St. Pauli, solch eine Wucht hat es in unserer Arena noch nie zuvor gegeben.

Was zeichnet Schalke 04 für dich aus? Dieser Club ist einfach besonders, der Slogan „Ein Leben lang“ wird als Schalker mit allen guten und schlechten Facetten gelebt. Es gibt viele, die uns nicht mögen, aber wenn man einmal drin ist, hat man keine andere Wahl mehr. Wenn man schon sieht, was hier los ist, selbst beim Ticketverkauf campen die Fans auf dem Gelände. Da braucht mir niemand was von anderen Vereinen erzählen, das ist einfach einmalig.

Was bedeutet es dir, nun für deinen Herzensverein an der Seitenlinie zu stehen? Ich kann es ja geradeheraus sagen: Für einen anderen Club hätte ich mein Team in Paderborn nach dem Aufstieg nicht verlassen. Es ist keineswegs selbstverständlich, für „seinen“ Verein zu arbeiten. Beim SC wurde ich auch mal für meine königsblaue Leidenschaft aufgezogen, letztlich haben mich aber sehr viele Glückwünsche erreicht.

Wie sehen deine Ziele mit der U17 nun aus? Zunächst einmal ist hier alles größer, eine gewisse Umstellung erwartet mich also auch. Ich habe richtig Bock, mit den Jungs zu arbeiten und eine Mannschaft zu formen. Und natürlich möchte ich sie auch individuell begleiten und dabei helfen, dass künftig wieder das eine oder andere Talent den Sprung zu den Profis schafft. Das ist für einen Nachwuchscoach die größte Auszeichnung.

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