Analyse

Star Trek und die Zukunft

© Paramount

Sven Wedekin macht sich Gedanken über “Star Trek” und die Zukunft.

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Viele Menschen – darunter auch einige Star Trek-Darsteller wie Patrick Stewart oder Marina Sirtis – sind heutzutage der Meinung, dass sowohl die bemannte wie auch die unbemannte Raumfahrt im Grunde nicht viel mehr ist als eine riesige Verschwendung von Geld und Ressourcen.

Auf den ersten Blick ist dieser Vorwurf durchaus einleuchtend: Jahr für Jahr investieren die großen Industrienationen Milliardenbeträge in die Entwicklung von technisch hoch entwickelten Raumfahrtprojekten für die Erforschung der anderen Welten unseres Sonnensystems. Diese dienen hauptsächlich dem Zweck mehr über deren Entstehung zu erfahren, sowie zu ergründen wie sie sich geo-physikalisch zusammensetzen. Für den Nicht-Wissenschaftler sind diese Erkenntnisse nur wenig nützlich, jedenfalls kann man nicht gerade behaupten, dass sie einen erkennbaren Einfluss auf unser Alltagsleben hätten. Und erst recht tragen die Ergebnisse jener Missionen in keinster Weise zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in den ärmeren Regionen der Erde bei. In allererster Linie geht es vor allem um die Befriedigung unserer angeborenen Neugier. Wir wollen einfach wissen wie unsere Welt funktioniert und all die Geheimnisse lüften, die das Universum für uns bereit hält.

Die ambitioniertesten Zukunftspläne verfolgt momentan die NASA, welche spätestens im Dezember 2026 im Rahmen des Artemis Programms zum ersten Mal seit vierundfünfzig Jahren wieder Menschen auf den Mond schicken will. Später soll dann auf dem Erdtrabanten sogar eine dauerhaft bewohnte Basis entstehen, die wiederum als Sprungbrett für einen bemannten Flug zum Mars gedacht ist.

Der Normalbürger holt, wenn er von diesen im wahrsten Sinne des Wortes hochfliegenden Plänen hört, wohl erst einmal kurz Luft und stellt sich die naheliegende Frage: Ist dies all das wert? Ist es nicht hochgradig unvernünftig Milliarden von Dollars in solch utopisch anmutende Projekte zu stecken, wenn man bedenkt, dass unzählige Menschen auf der Erde nicht genug zu Essen haben, wenn täglich tausende Kinder an vermeidbaren Krankheiten sterben und Zugang zu sauberen Trinkwasser in manchen Weltgegenden ein Luxus ist?

Patrick Stewart argumentierte, man müsse zunächst einmal die drängendsten Probleme auf der Erde lösen, bevor wir uns auf den Weg zu anderen Planeten machen. Und viele Menschen, selbst Star Trek-Fans, stimmen ihn in diesen Punkt auch zu.

Aber ist diese Denkweise nicht vielleicht doch etwas zu kurzsichtig?

Kapitalismus contra Wissenschaft

Ist die bemannte Raumfahrt denn womöglich doch mehr als nur ein rein wissenschaftliches Projekt, ohne direkt messbaren praktischen Wert für das Wohlergehen unserer Spezies als Ganzes?

Oder steckt hinter unseren Bestreben das All zu erforschen nicht vielleicht doch eine tiefere Bedeutung, der wir uns gar nicht so recht bewusst sind und die über bloße Neugier herausreicht?

Für Gene Roddenberry war Star Trek von Anfang an eine Ode an den menschlichen Forschergeist. In seiner Vision der Zukunft stecken wir all unserer Energie in die Suche nach fremden Welten, unbekannten Lebensformen und neuen Zivilisationen. Wir haben damit aufgehört unseren eigenen Heimatplaneten mutwillig zu zerstören und gelernt unsere Konflikte auf kluge Art, ohne Anwendung von Gewalt zu lösen. Das Streben nach Wissen ist für den „Advanced Human“ zum Sinn seines Daseins geworden. 

Doch bevor dieses utopische Zeitalter für die Menschheit anbrach, wurde die Erde noch von einem letzten, verheerenden Krieg heimgesucht, der sie an den Rand der totalen Vernichtung brachte. Es war der menschliche Forschungsdrang in Gestalt von Zefrem Cochrane, der es mit seiner Erfindung des Warpantriebs überhaupt erst möglich machte, dass unsere Spezies in eine neue Zukunft aufbrechen konnte. Der Kontakt mit den stets nüchtern und logisch denkenden Vulkaniern erweiterte den Horizont der Menschheit und ermöglichte es ihr sich langfristig in jene friedfertige und kluge Gesellschaft zu verwandeln, die wir aus den verschiedenen Inkarnationen des Star Trek-Universums kennen.

Hätte Cochrane nicht den Mut gehabt an den Erfolg seiner Erfindung zu glauben, wären die letzten Reste der irdischen Zivilisation nach und nach zugrunde gegangen und die Vereinigte Föderation der Planeten wäre ebenso wenig entstanden wie die Sternenflotte.

Doch Cochrane ging es ironischerweise selbst gar nicht darum die Welt zu retten. Für ihn war nur das Streben nach Reichtum der Antrieb für seine Arbeit.

Interessanterweise gibt es in der Realität mit Elon Musk und Jeff Bezos zwei schwerreiche Kapitalisten, die große Geldbeträge in ihre Raumfahrtunternehmen stecken, laut eigenen Bekunden vornehmlich um die Menschheit zu retten und nicht etwa um mit der Erfindung neuer Technologien Profit zu machen. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.

Auf der Suche nach neuen Horizonten

Doch was wäre wenn Musk und Bezos den Großteil ihrer gewaltigen Vermögen in Hilfsprojekte zur Bekämpfung der globalen Armut, anstatt in die Realisierung immer kühnerer Raumfahrtprojekte stecken würden? Würden sie dann nicht auch einen, wenn auch weniger publikumswirksamen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten? Hat Patrick Stewart am Ende nicht eben doch recht, wenn er einwendet, dass hier die falschen Prioritäten gesetzt werden?

Damit wären wir wieder bei der eingangs gestellten Frage: Ist es das alles wert?

Gewiss wäre es übertrieben zum Beispiel Elon Musk als den Zefrem Cochrane unserer Zeit zu betrachten, und das nicht nur deshalb weil viele seiner politischen Ansichten im krassen Gegensatz zu den Idealen von Star Trek stehen. Trotzdem wäre es zu kurz gedacht Milliardären wie ihm rein egomanische Motive für ihre Unternehmungen zu unterstellen. Angesichts des Nachdrucks mit denen sie an der Verwirklichung ihrer Visionen arbeiten, kann man durchaus davon ausgehen, dass sie es ernst meinen mit ihrem Beteuerungen, einen Beitrag für die Erschaffung einer Welt zu leisten wie sie der fiktiven Star Trek-Zukunft nicht unähnlich ist.

Die Frage ist natürlich ob sie dieses Ziel wirklich erreichen werden? Wird es Elon Musk gelingen Astronauten in Eigenregie auf dem Mars zu bringen, um dort dann später eine ständig bemannte Kolonie zu errichten? Und wenn ja, was haben dann wir Erdenbewohner davon?

Man könnte diese Frage aber auch andersherum stellen: Was hätten die Erdbewohner davon wenn wir nicht ins All fliegen würden?

Es ist eine Tatsache, dass der Drang nie länger an einem Ort zu bleiben in unserer DNS eingeschrieben ist. Wir wollen uns immer weiter ausbreiten, in immer neue Lebensräume vordringen, denn wir waren – um den berühmten amerikanischen Astronomen und Buchautor Carl Sagan zu zitieren – Wanderer von Anfang an.

Wir können gar nicht anders als diesen Drang nachzugeben. Und da es auf der Erde keinen Ort mehr gibt, an dem wir nicht schon gewesen sind richten wir unseren Forscherdrang nun auf die Sterne.

Das Geschenk der Raumfahrt

Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen uns der Erkenntnis stellen, dass wir langfristig betrachtet wohl wirklich gar keine andere Wahl haben als andere Planeten zu kolonisieren, um unser Überleben zu sichern, zum einen, weil die Erde nicht ewig lebenswert bleiben wird und zum anderen, weil Stillstand Tod bedeutet. Wir können nicht ernsthaft davon ausgehen eine lebenswerte Zukunft vor uns zu haben, wenn wir für immer auf diesen kleinen Planeten bleiben.

Die bemannte Raumfahrt verschlingt nicht nur ungeheure Ressourcen, sondern setzt diese auch frei. Sie inspiriert Millionen Menschen dazu von einer besseren Zukunft für alle zu träumen und bringt sie dazu sich für die Wunder der Wissenschaft zu begeistern. Dies ist sicherlich einer ihrer nobelsten Nebeneffekte: Wenn der Mensch es schaffen kann neue Welten zu erobern, kann er auch alles andere erreichen. Damit wir den Glauben an eine Zukunft für unsere Spezies nicht verlieren, brauchen wir Visionen und Träume, die diese Zukunft auch erstrebenswert erscheinen lassen. Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Zivilisation letztlich den Untergang geweiht ist, weil wir unsere destruktiven Instinkte nicht im Griff haben ist damit niemanden geholfen. Vor diesem Hintergrund betrachtet kann die Frage, ob die Raumfahrt die hohen Kosten, die sie nun mal verursacht wert ist nur mit einem klaren Ja beantwortet werden. Während der Krieg das Schlechteste in uns Menschen zum Vorschein bringt ist sie eine Unternehmung, welche unsere besten Eigenschaften weckt: Forschergeist, Optimismus, Kreativität, Abenteuerlust und die Freude an der friedlichen Erforschung und Nutzbarmachung unseres grandiosen Universums.

Es steht aber natürlich keinesfalls fest, ob es uns noch rechtzeitig gelingen wird unsere animalischen Instinkte, durch die wir zu einer Gefahr für uns selbst geworden sind im Zaum zu halten, bevor wir uns womöglich doch noch selbst in die Luft jagen oder die Folgen des Klimawandels ein Weiterbestehen der Menschheit unmöglich machen.

Auch hier kann die Raumfahrt helfen, denn sie macht uns bewusst wie zerbrechlich und klein diese blaue Murmel ist, auf der wir alle Tag für Tag um unser Überleben kämpfen. Astronauten berichteten nach ihrer Rückkehr auf die Erde einhellig davon, dass der Anblick der hauchdünnen Atmosphäre, welche unser Leben überhaupt erst ermöglicht, ihnen bewusst machte wie sorgsam wir mit diesen Planeten und seiner biologischen Vielfalt, zu der wir ja auch selbst gehören, umgehen müssen. Wir sollten dieses Geschenk, welches uns die Raumfahrt gemacht hat auf das ganze Universum übertragen. Wenn ein fiktionales TV-Format wie Star Trek beim Zuschauer einen Sense of Wonder für das All wecken kann, kann dies die Erforschung des realen Weltraums erst recht.

Um noch einmal Carl Sagan zu zitieren: Da ist eine neue Welt gleich nebenan. Und wir kennen den Weg …

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