zum Inhalt springen

Mechanismus zum Schutz des Gewebes nach fehlerhafter Genablesung entdeckt

Eine Studie des Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD hat einen Proteinkomplex identifiziert, der von Defekten im sogenannten Spliceosom aktiviert wird, der molekularen „Schere“, die Erbinformation zuschneidet. Weitere Studien könnten zu neuen Therapieansätzen von durch Fehlfunktionen des sogenannten Spliceosoms verursachten Krankheiten führen / Veröffentlichung in „Nucleic Acids Research“

Zellen mit Zellkern (Eukarioten) mit einer animierten Darstellung von einem das Spliceosom (gelb) und RNA (blau, rot, lila, beige) | Foto: Uhlirova Lab

Das genetische Material in Form der DNA enthält die Informationen, die für das korrekte Funktionieren jeder menschlichen und tierischen Zelle entscheidend sind. Aus diesem Informationsspeicher wird die RNA, ein Zwischenprodukt zwischen DNA und Protein, der funktionellen Einheit der Zelle, gebildet. Bei diesem Prozess muss die genetische Information für bestimmte Zellfunktionen zugeschnitten werden. Nicht benötigte Informationen (Introns) werden aus der RNA herausgeschnitten und die wichtigen Bestandteile für Proteine (Exons) bleiben erhalten. Ein Team von Forscher*innen um Professorin Dr. Mirka Uhlirova am Alternsforschungs-Exzellenzcluster CECAD der Universität zu Köln hat nun herausgefunden, dass, wenn der Zuschnitt der Informationen nicht mehr richtig funktioniert, ein Proteinkomplex (C/EBP Heterodimer) zum Tragen kommt, der die Zelle in einen Ruhezustand bringt: die sogenannte zelluläre Seneszenz. Die Studie wurde unter dem Titel „Xrp1 governs the stress response program to spliceosome dysfunction“ in der Fachzeitschrift Nucleic Acids Research veröffentlicht.

Alle Eukarioten (also Lebewesen, deren Zellen einen echten Zellkern haben) verfügen über das Spliceosom. Hier findet das sogenannte „spleißen“ statt, wobei sich die mRNA durch die Entfernung der Introns und Verknüpfung der Exons bildet. Fehlfunktionen im Spliceosom führen zu sogenannten Spliceosomopathien, die unterschiedliche Gewebe eines Organismus betreffen und unter anderem zu einer speziellen Form der Netzhautdegeneration führen, oder zum myelodysplastischen Syndrom, einer Gruppe von Erkrankungen des Knochenmarks, bei denen die Blutbildung beeinträchtigt ist.

Anhand des Modellorganismus Drosophila melanogaster, einer Taufliege, untersuchte das Uhlirova Labor, wie die Zellen eines sich entwickelnden Organismus auf Fehlfunktionen des Spliceosoms reagieren. In der Studie wandten die Wissenschaftler*innen eine Kombination von Methoden an: einerseits aus der Genomik, bei der das gesamte Erbgut eines Organismus untersucht wird, und andererseits der funktionellen Genetik, die die Rolle einzelner Gene und Gensequenzen analysiert. Die Studie zeigte, dass Zellen, die an einer Fehlfunktion des spliceosomalen U5 snRNP (U5 small nuclear ribonucleoprotein particle) leiden, eine Stress-Signalantwort und zelluläre Verhaltensweisen aktivieren, die für zelluläre Seneszenz charakteristisch sind. Das sogenannte Seneszenzprogramm deaktiviert entscheidende Funktionen der Zelle und verhindert etwa, dass sie sich weiter teilen. Es wird ausgelöst, wenn Zellen geschädigt sind, jedoch noch nicht vollständig eliminiert werden sollen. Sie bleiben im Gewebe erhalten, um es zu stabilisieren. Seneszente Zellen können sich jedoch negativ auf ihre Umgebung und auf den Organismus auswirken. Langfristig sterben sie daher ab.

Das Team von Uhlirova identifizierte den C/EBP-Heterodimer-Proteinkomplex Xrp1/Irbp18 als entscheidende Triebkraft des durch ein fehlerhaftes Spleißen verursachten Stressreaktionsprogramms. Wurde das für diesen Komplex verantwortliche Gen hochreguliert, stieg auch die Proteinherstellung dramatisch an und die geschädigten Zellen wurden in einen seneszenzähnlichen Zustand versetzt. „Seneszenz ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt Uhlirova. Ein Vorteil seneszenter Zellen sei, dass sie nicht alle gleichzeitig durch Zelltod eliminiert werden und somit die Integrität des Gewebes aufrecht erhalten bleibt. Denn ein teilweise intaktes Gewebe sei besser, als gar keins. Doch langfristig schafften sie Probleme, da ihre Anhäufung zu Krankheiten und Alterung führten.

„Ein funktionierendes Spliceosom ist eine Grundvoraussetzung für gesunde Zellen, ein gesundes Gewebe und das Gleichgewicht des gesamten Organismus“, resümiert Uhlirova. „Das von uns identifizierte Stressreaktionsprogramm muss weiter untersucht werden, um die komplexen Reaktionen zu entschlüsseln, die durch Defekte in den wesentlichen Mechanismen zur Steuerung der Genexpression ausgelöst werden - und wie wir sie beeinflussen können.“ Die Ergebnisse könnten in Zukunft dazu beitragen, therapeutische Ansätze gegen Krankheiten zu entwickeln, die auf eine Fehlfunktion des Spliceosoms zurückzuführen sind.   
 

Inhaltlicher Kontakt:
Professorin Dr. Mirka Uhlirova
Exzellenzcluster CECAD und Institut für Genetik, Universität zu Köln
+49 221 478 84334
mirka.uhlirovaSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Dr. Anna Euteneuer
+49 221 470 1700
a.euteneuerSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Veröffentlichung:
Mirka Uhlirova et al.: „Xrp1 governs the stress response program to spliceosome dysfunction“, Nucleic Acids Research, 2. Februar 2024
https://doi.org/10.1093/nar/gkae055