20.02.2023
Historie

„Traue der Eintracht etwas zu“

Maurizio Gaudino sieht gegen Napoli ein Duell auf Augenhöhe, erklärt die Sympathien seiner Familie und erinnert sich an das Aufeinandertreffen vor 28 Jahren.

Wenn Eintracht Frankfurt am Dienstagabend im Achtelfinalhinspiel der UEFA Champions League auf die SCC Napoli trifft, werden zwei Herzen in der Brust von Maurizio Gaudino schlagen. Das eine schlägt für die Adlerträger. Insgesamt 93 Pflichtspiele absolvierte der einstige zentrale Mittelfeldspieler im Eintracht-Trikot und sagt rückblickend, dass die Zeit am Main „trotz allem mit die schönste Zeit in meiner Karriere“ gewesen sei. Das andere schlägt in italienischen Farben. Gaudino wuchs als Kind italienischer Gastarbeiter in Mannheim auf, die Verbindungen zu Familie und Freunden nach Neapel sind sehr eng.

Maurizio, was hast Du gedacht, als der Eintracht die SSC Napoli als Gegner zugelost wurde?
Ich finde es schade, dass zwei so traditionsreiche Mannschaften, die stark aufspielen, schon direkt aufeinandertreffen. Beide Klubs haben sich stabilisiert und sorgen für Furore. Beide wären in der Lage, die Großen zu ärgern. Wenn man selbst spielt, ist es etwas anderes. Aber als Außenstehender, der den Fußball verfolgt, finde ich es schade.

Ich sage immer im Spaß: ‚Ich habe Bundesliga gespielt, ich bin das Oberhaupt!‘

Maurizio Gaudino

Wie schätzt Du die Eintracht unter Oliver Glasner ein?
Hervorragend! Mich freut es, wie sich die Eintracht trotz der Störfeuer, die es im Erfolg wie im Misserfolg gibt, entwickelt hat. Sie hat es geschafft, vom Image der launischen Diva wegzukommen. Mannschaft und Trainer können in Ruhe arbeiten. Das spricht natürlich auch für die Vereinsführung. Die Eintracht ist gefestigt, dadurch kann man erfolgreich weiterarbeiten.

Sicherlich verfolgst Du auch intensiv die italienische Serie A. Wie bewertest du Napoli?
Natürlich verfolge ich das Geschehen dort. Meine Familie kommt von dort, mein ältester Bruder lebt in Neapel. Auch durch Freunde bekomme ich zwangsläufig viel mit, was gerade dort passiert. Der Klub war in den vergangenen Jahren immer wieder nah dran, Meister zu werden, ist dann aber doch wieder rückfällig geworden. Dafür gibt es mehrere Gründe – mal Verletzungen, mal Spieler, mal Trainer. Aber Spalletti [Luciano Spalletti, Trainer; Anm. d. Red.] hat es hinbekommen, gute, junge Spieler zu integrieren und die Mannschaft auch breiter aufzustellen. Es sind nicht die ganz großen Namen, aber sie sind als Team eine Einheit und spielen einen hervorragenden Fußball. Sie lassen aktuell nichts anbrennen. Es läuft, sie sind sehr gefestigt.

In der Saison 1994/95 trafen die Eintracht und die SSC Napoli im UEFA-Cup-Achtelfinale aufeinander. Im Hinspiel, das die Hessen am 24. November 1994 knapp mit 1:0 für sich entschieden, stand Maurizio Gaudino 90 Minuten auf dem Platz. 

Auch im Rückspiel zwei Wochen später gewannen die Adlerträger mit 1:0 für sich.

Das Stadionmagazin vom Hinspiel, mit Maurizio Gaudino auf dem Titel, kannst Du Dir hier noch einmal anschauen.

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Gibt es in den Tagen vor dem Spiel in Frankfurt schon erste Sticheleien innerhalb der Familie und des Freundeskreises?
Nein. Ich sage immer im Spaß: „Ich habe Bundesliga gespielt, ich bin das Oberhaupt!“ (lacht) Weil ich bei der Eintracht gespielt habe, hat meine Familie sehr viele Sympathien für Frankfurt. Aber nun geht es gegen Neapel. Da kann ich an dieser Stelle nur meine verstorbene Mama zitieren. 1989 stand ich mit dem VfB Stuttgart gegen Maradona und Neapel im UEFA-Cup-Finale, damals hat sie in einem Interview auf Italienisch gesagt: „Ich möchte, dass mein Sohn ein Tor schießt, aber Neapel soll gewinnen.“ Da sieht man, wie das neapolitanische Herz schlägt. Ich versuche, so neutral wie möglich zu sein. Ich sehe ein Duell auf Augenhöhe zwischen zwei starken Teams, die von ihrer Mannschaftsleistung leben. Es ist ein offenes Spiel, ich traue der Eintracht auf jeden Fall etwas zu.

Welche Rolle spielen für Dich die Fans und die Atmosphäre im Frankfurter Stadion?
Gar keine Frage, die Fans sind der zwölfte und 13. Mann. Das haben die Eintracht-Fans schon zu meiner aktiven Zeit bewiesen. Vor allem in der großartigen Europa-League-Saison, aber auch Woche für Woche in der Bundesliga: Frankfurt und seine Fans sind eine Einheit, das ist richtig toll. Das begeistert einfach. Der einzige Unterschied zu Neapel ist, dass dort mehr Zuschauer da sein werden, weil das Stadion größer ist (lacht).

Maurizio Gaudino auf dem Titel des Stadionmagazins vom UEFA-Cup-Achtelfinale gegen Napoli im November 1994.

Vor etwas mehr als 28 Jahren, am 24. November 1994, gastierte die SSC Napoli im UEFA-Cup-Achtelfinale in Frankfurt. Du standest im Hinspiel 90 Minuten auf dem Platz. Welche Erinnerungen hast Du an dieses Spiel?
Es war schön, gegen Neapel zu spielen, auch weil wir in der Lage waren, sie zu schlagen.

Hast Du denn noch engere Verbindungen zur Eintracht?
Ja! Mit Uwe Bein telefoniere ich immer mal wieder, wir spielen auch das eine oder andere Golfturnier zusammen. Die Verbindung von früher ist einfach da. Es ist schön, dass die Jungs von damals die Eintracht auch heute noch repräsentieren. Charly [Karl-Heinz Körbel; Anm. d. Red.] ist dafür zuständig und holt die Alten zurück. Wenn es bei mir passt, bin ich immer gerne mit den Jungs zusammen. Die Eintracht war trotz allem mit die schönste Zeit in meiner Karriere. Es war schön, in Frankfurt Fußball spielen zu dürfen.