So hat Sebastian 50 Kilo abgenommen

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4.4.2018 – 122.5

Diese zehn Zahlen sind der Beginn und sogleich das Ende.

Wenn du auf die Waage steigst, welche seit Monaten verstaubt in der Badezimmerecke steht, du in den Spiegel blickst und merkst: Veränderung, und zwar jetzt. Ja, dann ist der erste Schritt auf einem Weg, der weit und doch so kurz sein kann, geschafft.

Ich beschloss, etwas ändern zu müssen und zweifelte zeitgleich doch so sehr, aus Angst zu versagen. Sich selbst eingestehen zu müssen, dass man schwach ist, disziplinlos und verhöhnt durch die, die mit dir zweifeln. Worte, welche nicht ausgesprochen sein müssen, die man spürt wie Messerstiche im Rücken:

Du schaffst das sowieso nicht, Jojo-Effekt, you Know? Ach komm, das glaubst du doch selbst nicht, du ein Sixpack?

Sie versperren den Weg, sind wie Irrlichter, die dir immer und immer wieder eine falsche Richtung aufzeigen. Und doch weißt du, du musst etwas ändern.

Ich bin Sebastian und möchte dir meine Geschichte erzählen.

Der 4.4.2018 war der Tag, an dem alles begann. Ich startete in ein Studium, bei dem mich keiner kannte, wagte einen Neubeginn und nutzte diesen, alles veränderten Lebensabschnitt dazu, auch meinen Körper und mein Mindset zu formen.

Ich erklomm die Treppen des Hörsaal-Gebäudes, prustete, war außer Atem. Wusste aber, im nächsten Semester würde ich genau hier als anderer und doch gleicher Mensch stehen.

Intermittent Fasting – schlichtweg nur abends Essen. Das war für mich der erste Schritt. Sport? Nein. Vielleicht aus Angst angestarrt zu werden. Belächelt, als nur ein weiterer Beginner, der den Schritt in Richtung Traumkörper schnell an das Fastfood verlieren würde. Ich aß Pute und etwas Gemüse, zum Nachtisch dann Magerquark mit Tiefkühlbeeren. Alles in allem nicht mehr als 1500 Kalorien. Genau ist das heute nicht mehr nachvollziehbar, da ich zu diesem Zeitpunkt meine Ernährung noch nicht kontrollierte. Erste Erfolge stellten sich ein, ich verlor Gewicht und das schnell. Cool – dachte ich mir, nicht wissend, dass es auf Kosten von wertvoller Muskulatur geschieht, welche ich später noch schmerzlich vermissen würde. Bis Ende Mai hatte ich dann etwa 13-14 Kilo verloren. Spitze! Dachte ich mir. Jeden Tag auf der Waage etwas weniger; mal ein Pfund, mal nur ein paar Gramm. Der Spiegel aber sagte etwas anderes.

Mein neues Ziel: Unter 100 Kilo – und das so schnell wie möglich. Ich begann alles verzehrte zu wiegen – und ich meine wirklich alles. Jedes Gramm Gemüse, jedes Bonbon und jeden Kaugummi. Jeden Tag. Keine Ausnahme. Ich nahm im Schnitt 1277 Kalorien zu mir, begann mich etwas mehr zu bewegen und verlor rasend an Gewicht. Ende Juni 100,4 Kilo. Und der Spiegel? Von den etwa 22 Kilo, die ich verloren hatte, sah man vielleicht 10.

Frustration setzte an diesem Punkt ein und ich merkte – sich nur daran zu klammern, dass andere nicht an dich glauben, würde auf Dauer nicht reichen. Ich begann nach anderen zu suchen, die viel an Gewicht verloren hatten und fand sie. In Online-Videoportalen gab es unzählige Männer und Frauen, die das, was ich vorhatte, bereits geschafft hatten. Diese oftmals bewegenden Geschichten gaben mir vorerst die Motivation nicht aufzugeben, obwohl ich schon wenige Tage zuvor am Zweifeln war, meine Traumfigur je erreichen zu können. Vielleicht kennt ihr das, wenn sie dann, wie auch dein innerer Schweinehund sagen:

Komm schon! Jetzt reicht es doch mit deiner Abnehmerei. Gönn dir eine Pause. Nur einmal. Nur dieses kleine, klitzekleine Stückchen.

Nein!

Durch den Algorithmus des Videoportals bekam ich weitere Kanäle vorgeschlagen. Darunter einige, in denen es um Bodybuilding ging. Am Anfang sahen diese Muskelpakete für mich aus, als würden sie aus reinem Testosteron und keinerlei Fett bestehen. Unglaublich! Unvorstellbar! Ich hatte schon einige Vorerfahrungen mit Bodybuilding an sich, natürlich nicht in dieser extremen Form, aber mein Vater betrieb diesen Sport schließlich seit Jahren. Er versuchte mich zahllose Male dazu zu bewegen, das Eisen als Freund und nicht als Feind zu sehen. Ich verweigerte mich. Doch bewunderte ich die Beharrlichkeit, Disziplin und den ungeheuren Willen dieser tadellos wirkenden Athleten. Ich konnte nicht begreifen, wie man immer und immer wieder die intrinsische Motivation finden konnte, sich selbst Tag für Tag durch Training und knallharte Ernährungspläne zu geiseln.

Jetzt? Naja, eifere ich genau diesen Athleten nach, sehe es nicht mehr als masochistische Tat, sondern als tägliche Chance, besser zu werden.

Im Juli und August verlor ich weiter an Gewicht, begann mit Cardiotraining. Daheim, allein – auf dem Ergometer, Stunden über Stunden. Ende August war mein Gewicht bei 86,5Kilo. Wieder der Blick zum Spiegel, diesmal hoffnungsvoll. Was ich sah, gefiel mir nur in einer Art. Ich war schlanker. Aber wo waren die Muskeln hingekommen? Wie bereits erwähnt, würde sich das vernachlässigte Krafttraining noch deutlich zeigen. Zufrieden war ich aber trotzdem nicht. Ich war immer noch dicklich. Neues und doch altes Ziel? Bis zum nächsten Semester im Oktober ein neuer und doch gleicher Mensch zu sein. Schlank, attraktiv, selbstbewusst. Ich intensivierte mein Cardiotraining, ging ein-, zweimal die Woche ins Krafttraining und diätete weiter. Kalorien stellte ich mir in dieser Zeit 1500 bis 1570 täglich zur Verfügung. Ein schwieriger Grad, denn natürlich hat man in der Zeit der Kalorienabstinenz auch schwache Momente. Momente, in denen man mit einer fast völlig formierten Essstörung kämpft. Tage, an denen man seine Familie wirklich zu schätzen lernt. Denn sie sind es, die einem sagen wie man wirklich aussieht und sich verhält, damit man nicht weiter und immer weiter dem Trugbild des Spiegels hinterherrennt.  Im Oktober war ich dann bei 77 Kilo angekommen. Schon am Sonntag suchte ich mir ein Hemd, welches meine neue Figur präsentieren sollte. Montag morgen – der Stress hatte mich völlig vergessen lassen mich darüber zu freuen, meinem Ziel – schlanker zu sein, so nahe zu sein. Doch als ich ankam und meine Kommilitonen traf, bemerkte ich eine eigentümliche Reaktion. Sie schauten mich mit recht großen, verwunderten Augen an, sagten aber nichts. Ich konnte es mir denken. Sie hatten nicht erwartet, dass ich über die vorlesungsfreie Zeit weitere Kilos verlieren würde. Eine Reaktion, die mich noch heute zum Lächeln bringt.

Ich gewann weiter an Motivation und begann mich mit Krafttraining zu beschäftigen. Ich wollte aussehen wie eines dieser Fitnessmodels, die in den zahllosen Zeitschriften, immer auf dieselbe Weise, so glücklich wirkten. Ich startete damit Fachvideos zu schauen, Studien zu lesen, zu fragen und mein Wissen wachsen zu lassen. Ahmte nach, probierte selbst, machte Fehler. Und doch begann sich mein Körper weiter zu entwickeln.

Die Schattenseiten – oder anders gesagt, was zog der monatelange Verzicht mit sich? Ich begann durch meine Low fat- und Low carb-Ernährung und eine anfangs unreflektierte Supplementierung, aus Angst nicht genügend Nährstoffe zu bekommen, Haare zu verlieren. Ja, der Körper macht viel mit, aber zeigt einem auch klare Grenzen. Ich beschäftigte mich nun auch noch intensiver mit Ernährung und brachte mein Wissen einen Level weiter. Ich konsultierte meinen Arzt, ließ Testosteron und weitere Werte testen. Alles im unteren Normalbereich. Aber okay. Ich begann meine Ernährung auf ein höheres Level zu setzen, supplementierte Omega 3 als Fettzusatz und aß mehr Kartoffeln, um Kohlehydrate zu bekommen. Kiloweise! Resultat? Mein Körper regenerierte sich. Mein Haarausfall stoppte, mir ging es allgemein besser, ich fror nicht andauernd. Meine Stimmungen und Launen regulierten sich auf ein Minimum. Geistig war ich wieder leistungsfähiger, trotz noch immer andauerndem, aber nur noch sehr geringem Defizit. Bis Weihnachten hatte ich meinen Traumkörper – aber ohne Muskulatur. Naja, fast. Etwa 72 Kilo. Ich begann mir Gedanken über Aufbau zu machen. Ich wollte stärker sein, die verlorene Muskulatur zurückgewinnen. Leichter gesagt als getan. Ich intensivierte meine Bemühungen beim Krafttraining, senkte das Cardiotraining und hoffte auf schnelle Erfolge. Diese ließen auch nicht lange auf sich warten: ich nahm zu. Ich wurde zwar nicht mehr zu einem muskelfreien Super-Heavy-Weight, aber packte genauso Fett wie Muskeln um mich. Neuer Diätbeginn war nach unserem Amerika-Urlaub. 81 Kilo, nicht richtig dick, aber auch weit entfernt von gut in Form. Ich begann zu preppen, das kostete zwar einiges an Disziplin, aber gut. Am schwersten fiel es mir, nicht mehr mit meiner Partnerin essen zu können. Und vor allem: nicht dieses einfach mal kurz an der Ecke nebenan. Ich verlor wieder an Gewicht und meine Form wurde immer besser. Ich trainierte wie ein Berserker, hart, immer am Limit, so schwer wie irgend möglich. Brust und Rücken, immer abwechselnd, jeden Tag. Dazu noch zweitägig Schulter und einen Tag Beine. Irgendwie wirkte ich etwas muskulöser, nicht gut, aber ausbaufähig. Die Endform, im Juli, war bei 72 Kilo, aber massiger und härter als an Weihnachten.

Noch eine klare Warnung: 50 Kilo zu verlieren ist kein Spaß. Es hört sich so leicht an, weniger essen und abnehmen – was es aber für eine Beziehung, die sonst so stabil war, bedeutet… An dieser Stelle möchte ich mich nochmal explizit bei meiner Partnerin bedanken. Danke, wirklich und von ganzem Herzen – das macht nicht jeder mit!

Und jetzt? Ich versuche mich momentan an einem richtigen Aufbau. Ich esse, noch immer, Mikrowellen-Hähnchen, Spinat oder Brokkoli, Kartoffeln. Oft auch mexikanisches Gemüse. Hauptsache Volumen. Der Trainingsplan wurde nicht verändert. Nun bin ich bei 80 Kilo, die ich seit September halte, habe eine für den Winter annehmbare Form. Und deutlich an Kraft gewonnen, also auch an Muskulatur. Ich werde bei etwa gleichbleibendem Gewicht stärker. Hoffe ich. Wie beschrieben setze ich noch immer auf hochwertige Nahrungsmittel, ergänze aber reflektiert mit Supplements. Dazu gehören Omega 3, Vitamin A-Z, Magnesium und Vitamin D3/K2. Creatin, Beta-Alanin alle zwei Tage. Natürlich alles in ärztlicher Absprache und durch Tests kontrolliert.

Was ich mit meinem Gesülze und Blabla bewirken möchte?

Anderen zeigen, dass es klappt, dass es kein Phänomen genetischer Wunder ist, welche ein solches Ziel erreichen. Dass es du, wie ich, der normale Typ von nebenan sein kann, ich vielleicht dazu beitragen kann, dass du anfängst, durchhältst oder jemanden besser verstehst. Dass du nicht dieselben Fehler machst. Zumindest nicht alle, aber manche gehören wohl dazu. Das Wichtigste, was ich lernen durfte, was nicht auf jeden zutrifft und ich dir nicht wünsche, was dir jedoch helfen könnte: Gewicht verlieren und halten, ist binär. Denn Disziplin ist binär. Für jemanden wie mich gibt nicht das überall gepredigte – ach komm ein kleines Stückchen Schokolade und dann reißt man sich am geistigen Riemen und verzichtet auf den Rest der Tafel. Pfff. Es ist noch heute so, wenn ich beginne ist kein Halten – und somit beginne ich nicht. Nein, ich will es nicht. Auch wenn du das fünfte Mal fragst. Und nein, heute ist keine Ausnahme – auch wenn Weihnachten ist, auch wenn der Papst zu Besuch ist. Nein.

Wie gesagt, Disziplin ist binär, 0 oder 1. Schlank oder undiszipliniert. Nichts anderes.

Setze dir Ziele, von denen andere denken, du bist verrückt, von denen sie sagen, mach mal halblang. Wenn du sie nicht erreichst, schade. Aber du hast es verdammt nochmal versucht! Es gibt ja schließlich keine Konsequenz, wenn du es nicht erreichst. Aber was ist, wenn du dein Ziel erreichst? Was wird es verändern? Wie wird es sich anfühlen? Ist das nicht mehr wert, als es erst gar nicht zu versuchen? Ich habe gesagt, ich werde meine Bauchmuskeln sehen. Das erste Mal in meinem Leben, ja, ich werde ein verdammtes Sixpack haben. Die Menschen um mich zweifelten. Ich nicht. Was wäre, wenn ich mir das Ziel gesetzt hätte, nur 10 Kilo abzunehmen?

Hier erfährst du mehr von und über Sebastian

Anmerkung der Redaktion: DANKE das DU (Sebastian) deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir alles Gute 

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