Environment | Seilbahn Tiers

Fragwürdige Darstellung

Die Naturschutzverbände wundern sich über die eigenwillige Interpretation eines Verwaltungsgerichtsurteils durch die Tierser Seilbahn AG. Aus Verlieren werden Gewinner.
Abendstimmung vor der Hütte mit Platt- und Langkofel
Foto: Oswald Stimpfl
In den letzten Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, dass im Rekurs von Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Alpenverein Südtirol und AVS-Sektion Bozen die Tierser Seilbahn AG als eindeutiger Gewinner aus dem Verfahren hervorgegangen ist. 
„Das ist eine durchaus eigenwillige Interpretation eines Urteils, bei welchem das Verwaltungsgericht Bozen den Beschluss der Landesregierung zur Genehmigung der Machbarkeitsstudie der Tierser Seilbahn AG sowie das entsprechende Gutachten des Umweltbeirates vollumfänglich aufgehoben hat“, schrieben der Präsident des Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Klauspeter Dissinger und der Vorsitzende des Alpenverein Südtirol Georg Simeoni in einer Aussendung.
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der AVS Südtirol und die AVS-Sektion Bozen stehen dem Projekt einer Seilbahnverbindung Tiers–Frommer Alm zur Anbindung des Tierser Tales an das Skigebiet Carezza aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes kritisch gegenüber. Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Anbindung einer bislang durch sanften Tourismus gekennzeichneten Talschaft an ein Skigebiet und die damit verbundenen Folgen.
In der Aussendung heißt es: „Der aufgrund dieser Beweggründe von uns eingereichte Rekurs zur Aufhebung der Genehmigung der Machbarkeitsstudie wurde vom Verwaltungsgericht Bozen mit Urteil 82/2019 vom 27.03.2019 – wie im Rekurs beantragt – angenommen. Im Urteil hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Umweltbeirat des Landes, welcher zum Vorhaben ein zwingend einzuholendes Gutachten abgeben muss, ungebührlich um zusätzliche Mitglieder erweitert wurde. Ohne diese unrechtmäßige personelle Erweiterung des Umweltbeirates wäre das entsprechende Gutachten de facto negativ ausgefallen.“
 
 
Als zumindest eigenwillig betrachten die beiden Verbände daher die Aussagen der Tierser Seilbahn AG in den Medien, dass das Projekt noch im heurigen Jahr kommen solle. Das Urteil hebe den genehmigenden Beschluss der Landesregierung zur Machbarkeitsstudie auf. Damit fehle auch jede Grundlage, um das Projekt genehmigen zu können. „Selbstverständlich kann die Tierser Seilbahn AG und auch alle anderen unterlegenen Gegenparteien das gegenständliche Urteil in zweiter Instanz anfechten. Einstweilen haben aber wir Rekurssteller vor dem Verwaltungsgericht Bozen Recht behalten“, meinen Simeoni und Dissinger.
Bleibe es bei diesem Urteil, müsse das Verfahren zur Genehmigung der Machbarkeitsstudie neu aufgerollt werden, indem der Umweltbeirat erneut über deren Umweltverträglichkeit befindet. „Dabei erwarten wir uns, dass die gesamten Auswirkungen der geplanten Seilbahnverbindung auf Natur und Landschaft umfassend berücksichtigt werden und das Gutachten entsprechend begründet wird“, heißt es beim AVS und Dachverband.
Das erste Gutachten des Umweltbeirates wurde vom Verwaltungsgericht auch wegen Begründungsmangel aufgehoben. Die Forderung der Naturschützer: Im Sinne der Kohärenz sollte der Umweltbeirat bei zwei Entscheidungen zum selben Projekt auch beides Mal zur selben Entscheidung kommen.