Liebe Marie,
Ich nehme „Summer“ von Diver als Aufhänger für meinen einen konsistenten Gedanken. Schon verrückt, dass Spotify mir diesen Song jetzt spielt, nachdem ich ihn zuletzt mit dreizehn, dafür aber sehr exzessiv gehört habe.
Gedanken? Nachdem ich vor circa einem Jahr aufgehört habe an Jahreszeiten zu glauben, kommt auch jetzt der Sommer unverhofft und plötzlich. Über Nacht liegen auf den Stoppelfeldern die ersten Heuballen. Das Grün der Wälder ist zu einer einheitlichen Farbe verschwommen und stets hinter einem Schleier verborgen, ob Blütenstaub von den angstblühenden Birken oder aufgewirbelter Staub von der Heumaht. Mein Vater und ich fahren mit dem Auto durch diese sommerliche Landschaft in die Kleinstadt hinein, er bringt mich zum Bahnhof. Als wir vor dem Sportheim an der Ampel stehen, sagt er unvermittelt, das ist jetzt eigentlich unser Sommer. Wie genau er das meint, kann ich nicht sagen. Ob er sagen will, dass hier in unserer Klimazone genau diese Tage um Sonnwend die längsten sind und danach die Nächte schon wieder überhand nehmen. Sommerlicher wird’s nicht.
Oder ob er seiner Melancholie Ausdruck verleihen will – er hatte zuvor ein Neo-Fado Konzert online angeschaut – dass es angesichts des Krieges in der Ukraine, der Klimaerwärmung und den steigenden Energiekosten nie wieder einen Sommer wie diesen geben wird. Das ist jetzt eigentlich unser Sommer. Die Stille, aus der dieser Satz erwächst, und in die er danach wieder zurück kehrt, liegt schwer auf uns, wie die 33°C Hitze im Auto, die mal wieder alle überrascht hat in diesem Jahr. Mehr als je zuvor kriecht in mir eine Angst hoch, das hier könnte unsere letzte Runde sein.
Vielleicht ist das unser Sommer, in dem auch wir angstblühen sollten, Marie.
Old News: Ich habe letzte Woche wieder viel die Callas gehört und als logische Konsequenz daraus große Lust bekommen, nach Italien zu fahren oder in die Oper zu gehen oder beides (die Stufenbar an der Oper hat wieder geöffnet).
Oberflächliches: Das monotone #coastalgrandmother Farbschema musste dringend mit Pink versommerlicht werden. Während du deine Liebe für Trachtenhemden entdeckt hast, habe ich mich auf die Suche nach Trachtenblusen gemacht, wie bei Luna Klestrup gesehen (as styled below).
Just add a bit of leo, et voilà: aus der coastal grandmother wird die italo nonna <3 der hot granny Sommer kann endlich kommen.
Auf der Suche nach einer einfachen Formel für meine Sommeruniform bin ich immer wieder auf Tanktop und Boxershorts zurück gekommen. Lässt sich auch optimal mit schweren rückseitigen Sonnenverbrennungen tragen, ohne mit fiesen Abdrücken oder Reibung leben zu müssen. Und dann ist es vielleicht doch eher der hot campside dad Sommer.
Dinge:
Viel solidarische Wut und Frustration mit allen amerikanischen Frauen. Dieser und dieser Artikel zum Thema haben mir sehr geholfen, die Sache und deren Ausmaß besser zu verstehen.
Kate Bush’s Ohrringe habe ich auf etsy gefunden und offensichtlich sind sie ein ganz tolles Weihnachtsgeschenk.
Entdeckung am Selbst: ob ich IBU 400, 600 oder 800 nehme ist völlig egal! Es ist absolut willkürlich und tagesformabhängig, ob sie bei mir anschlagen, oder nicht, hahaha!
Die Dachauer Straße ist bei 30°C im Schatten ungemein mediterran und das Verkehrsgrundrauschen der Tram könnte als Grillenzirpen durchgehen.
Lustige Sternzeichen-Memes. Dafür lebe ich.
Wiederentdeckung: alle Bücher von Anne Carson. Ihre Sappho-Fragmente liebe ich sehr, aber ihre Essays sind mindestens genauso wertvoll. Danke Lukas, dass du sie mir nahegelegt hast.
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass mein cooler Mitbewohner mehr Harry Styles ist, als Harry Styles selbst. Jetzt muss er nur noch mit Gucci zusammenarbeiten und seine eigene Kollektion heraus bringen.
Cool ist laut twitter tot. Habe den Faden (haha) verloren, aber ich bin auch dagegen. Lass uns cool retten!
Und sonst so? Älter werden ist spaßig, es ist mir in der Tat gelungen, meine Augenringe noch zu vergrößern, aber: wer keine Falten hat, hat bekanntlich nichts erlebt. In diesem Sinne love xxx bye bye baby etc.