Preis und Klage

Reden und Nachreden in Versen
140 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783707608410
Erscheinungsdatum 24.01.2024
Genre Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Verlag Czernin
Sammlung Unsere Bestseller Armin Thurnhers Bücher Der Falter schreibt Portofrei März 2024
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Kurzbeschreibung des Verlags

Die Preisrede ist ein diskreditiertes Genre, beinhaltet sie ja zumeist freundlich gemeinte Verlogenheiten. Doch Armin Thurnher verblüfft als Laudator das Publikum mit Elogen in Hexametern und belebt so dieses missbrauchte Genre neu.

In »Preis und Klage« sind nicht nur seine Lobpreisungen versammelt, sondern auch Nachrufe, satirische und an politischen Jubeltagen verfasste Hexameter. Die längeren und kürzeren Gedichte in »Preis und Klage« ergeben nicht nur das Bild einer anderen Seite von Thurnhers Schreiben, sondern auch ein Panorama österreichischen Geisteslebens.

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ISBN 9783707608410
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FALTER-Rezension

"Der Narzissmus ist ein Höllteufel, dem man nicht entkommt"

Lina Paulitsch in FALTER 9/2024 vom 01.03.2024 (S. 23)

Wer während Corona-Zeiten im Falter zu arbeiten begann, hörte von Armin Thurnher wie von einem Phantom: Ja, er ließe sich manchmal blicken. Nein, er sehe nicht mehr so aus wie auf dem kleinen Autorenbildchen der Zeitung, vor allem die Haarlänge solle sich stark verändert haben. Und: Er fehle, als Stimme der Vernunft und als intellektuelle Instanz.
Im Jahr 2020 hatte sich Thurnher aus dem täglichen Redaktionsbetrieb zurückgezogen und schreibt heute in seinem Domizil im Waldviertel. Anlässlich seines Geburtstags nahm er den Weg in die Wiener Redaktion auf sich, um mit zwei der jüngsten Redaktionsmitglieder ein Gespräch zu führen. Im Interview ging es um Generationenunterschiede, die Geburtsstunden der Wochenzeitung, linken Kapitalismus und wieso Thurnher kein Queerfeminist ist.

Falter: Lieber Armin, am Beginn eines Geburtstagsinterviews muss die Frage zum Ursprungsmythos stehen. Berichte uns bitte von deiner allerersten Falter-Erfahrung.
Armin Thurnher: Da gibt es viele. Wir waren Studenten der Theaterwissenschaft. Walter Martin Kienreich hatte die Idee, eine Stadtzeitung zu gründen. Er hatte das schon in Berlin, Amsterdam und London gesehen und versucht, mich an Bord zu holen. Ich wollte aber eine Dissertation über Walter Benjamin und den Ursprung des deutschen Trauerspiels schreiben. Nach ein paar Wochen war ich dann doch dabei. Wir haben uns in der Wohnung von Kienreich, in der Lenaugasse, getroffen: Studentinnen, Studenten und Künstler kamen zusammen, zum Beispiel Franz Varna, der mit anderen die Grafik der ersten Ausgaben gemacht hat.

Wieso hast du dich doch überzeugen lassen?
Thurnher: Einerseits, weil es mich angesteckt hat. Andererseits waren auf der Theaterwissenschaft alte Nazis am Werk. Die haben mir zu verstehen gegeben, dass linke Zecken bei ihnen nirgendwohin kommen. Daraufhin ist es mir relativ leicht gefallen, die Dissertation sausen zu lassen.

Apropos linke Zecken: Es war ja auch die Zeit der Arena-Besetzung, die sich gegen den Abriss des Gebäudes und für ein neues Kulturzentrum einsetzte. Wie prägend war das für euch?
Thurnher: Die Besetzung war sozusagen die Wiener Variante der 68er-Revolte.

Mit zehn Jahren Verspätung.
Thurnher: Quasi mit acht Jahren. Die 68er-Bewegung hat es in Wien auch gegeben, aber sie war auf kleine Zirkel beschränkt. In der Arena hat man gesehen: Das Potenzial ist groß und die Unzufriedenheit mit der Politik der Gemeinde Wien riesig. Gleichzeitig gibt es ein kulturelles Interesse an Dingen, die ausgegrenzt waren. Zum Beispiel wurde Off-Theater in den Zeitungen nur marginal behandelt und bekam kein Geld.

Ihr wart beim Falter zunächst als Redaktionskollektiv organisiert. Wieso war das wichtig?
Thurnher: Ob man es glaubt oder nicht, aber wir hatten damals schon etwas gegen das patriarchale System und autoritäre Männer. Ich kannte das Prinzip des Kollektivs aus dem Theater, wir waren der Meinung, dass Kollektive Produktivkräfte entfalten können. Damals, in der Nachkriegsgesellschaft, war der autoritäre Charakter das gängige Modell. Also musste man dem etwas entgegensetzen. Wir haben nicht nur den Journalismus kritisiert, wir haben auch versucht, es anders zu machen.

Wann war es vorbei mit dem Kollektiv?
Thurnher: Anfang der 80er-Jahre. Der Falter ist stark gewachsen und hat verschiedene neue Geschäftsfelder entwickelt. Das war nicht mehr zu verwalten und die kollektiven Entscheidungsmechanismen haben nicht mehr funktioniert. Wir haben dann aber trotzdem versucht, eine Reform mit möglichst flachen Hierarchien durchzuziehen.

Und du bliebst übrig als Chef?
Thurnher: Ich blieb mehrmals übrig.

Würdest du retrospektiv sagen, eine einzelne Person leitet besser als ein Kollektiv, oder umgekehrt?
Thurnher: Es ist nicht entschieden. Jetzt kommt eine neue Zeit, mit Homeoffice und digitaler Kommunikation, Signal-Gruppen, wo Dinge diskutiert werden können, sodass Entscheidungen transparenter werden. Vielleicht kommt das Kollektiv jetzt zurück. Es ist sinnlos, die Fähigkeiten von Menschen, die es besser können als die Chefs, zu unterdrücken. Aber man muss es clever organisieren. Wenn alle ungebremst zum Zug kommen, gibt es Streit.

Wie viele Exemplare habt ihr damals verkauft?
Thurnher: Von der ersten Nummer fast 2000 Stück. Das war wirklich sensationell, weil wir keine Werbung hatten, nichts. Aber Walter Martin Kienreich war clever und hat Wohngemeinschaften mit Routen durch Stadtteile, in denen es Szenelokale gab, "betraut". Die gingen hinein und haben den Leuten den Falter unter die Nase gehalten. "Kost' zehn Schilling!" Ohne diese Verkaufsfreudigkeit hätt's uns überhaupt nicht gegeben.

Du hast dich mit der Arena-Besetzung und auch mit den Hochschulprotesten im Jahr 2009/2010 solidarisiert. Wie hältst du es mit Aktivismus im Journalismus? Wo ziehst du die Grenze?
Thurnher: Aktivismus ist das Problem jedes Einzelnen. Ich bin durchaus dafür, dass sich auch Journalistinnen und Journalisten aktivistisch betätigen, wenn sie wollen. Ich gehe demonstrieren und lasse mir das von niemandem verbieten, wenn ich es für angemessen erachte. Im Beruf selbst darf es natürlich nicht die Kriterien der sauberen journalistischen Arbeit außer Kraft setzen. Aber man muss immer seinen Standpunkt klarmachen. Es gibt Tendenzen, Meinungskommentare, Polemiken oder Satire außer Kraft zu setzen -das ist Schwachsinn. Das gehört alles zum Journalismus dazu und kann eigentlich nicht scharf genug sein. Die Grenzen sind dort, wo Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Das darf in keiner Geschichte der Fall sein, auch in keiner Aufdeckergeschichte.

Du hast den Falter von damals als politisch radikale Zeitung bezeichnet. Würdest du sagen, das ist heute auch noch so?
Thurnher: Nein, heute sind wir eigentlich ziemlich Mainstream, weil wir journalistische Kriterien beachten. Aber meinetwegen könnten wir auch ein bisschen schärfer sein.

Inwiefern schärfer?
Thurnher: Politisch sind wir schon sehr ausgewogen. Für meinen persönlichen Geschmack ist es ausgewogener, als es sein müsste. Aber ich sehe auch ein, dass damit ein breiteres Publikum erreicht wird.

Ist Ausgewogenheit nicht ein journalistisches Kriterium, ein Zeichen von Professionalität?
Thurnher: Nein! Man muss sich genau überlegen, was Ausgewogenheit bedeutet. Dass ich für jeden Skandal oder Missstand, den ich aufdecke, in gleicher Länge eine Geschichte habe, die die Schönheiten des Systems preist? So kann es nicht sein. Nochmal etwas anderes ist es, wenn bei der Leserschaft das Gefühl entsteht, alles gehe den Bach runter. Das sehe ich auch als Problem. Aber dann bin ich dafür, dass man mit Enthusiasmus Dinge beschreibt, die man gut und richtig findet.

Aber haben sich nicht auch die Zeiten stark geändert? Es gibt eine Krise, was das Vertrauen in die Medien betrifft. In vielen Teilen der Bevölkerung wird fehlende Ausgewogenheit bemängelt.
Thurnher: Das ist ein Kampfbegriff geworden. Wenn man nur ein kritisches Wörtchen äußert, fährt gleich der Zeigefinger hoch und es heißt: fehlende Ausgewogenheit. Von dem darf man sich nicht irre machen lassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk definiert etwa Ausgewogenheit im Sinne politischer Feigheit. Weil er nach dem Prinzip verfährt: Wo der Gigl sitzt, muss auch der Gogl sitzen -wo der Rote, da der Schwarze.

In der Wissenschaft nennt man das False Balance: Zwei Positionen werden als gleichwertig dargestellt, obwohl die Fakten klar für eine Seite sprechen.
Thurnher: Absolute False Balance. Jeder soll seinen Standpunkt klar machen, der wird berichtet und dann passt es. Mit der falschen Art von Ausgewogenheit kommt man nirgends hin. Vor allem nicht, weil so viele unausgewogene Kräfte am Werk sind, die völlig intransparent agieren. Die ganze digitale Welt ist sowas von unausgewogen.

Das ist doch genau das Problem: Wir haben offensichtlich viele Leute im digitalen Raum, die Medien kritisieren und gleichzeitig Journalisten, die -das zeigen Studien zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland -wirklich eher Rot und Grün wählen.
Thurnher: Das würde ich so revidieren, dass es auch kluge Konservative geben muss, die schreiben und in Medien auftreten. Und das soll man auch befördern und die Auseinandersetzung suchen. Es fehlen einem in Wirklichkeit die Gegner -wer als solcher auftritt, ist ein Haxlbeißer oder ein anonymer Desinformant. Besser als gespielte Ausgewogenheit wäre es, dafür zu sorgen, dass das Bild der Menschen, die in Medien publizieren, einigermaßen ausgewogen ist.

Medien haben auch viele neue Herausforderungen: Gleichberechtigung, Inklusivität. Wird der Falter dem gerecht?
Thurnher: Von außen sehe ich, dass sich die Sache quantitativ völlig verändert hat. Es sind jetzt viel mehr junge Frauen da. Als wir den Falter gegründet haben, waren fast nur Männer dabei. Es gab zwei, drei Frauen, die in der Grafik-oder Programmabteilung arbeiteten, aber sehr wenige in der Redaktion.

Wieso? Thurnher: Meiner Meinung nach ist es eine gesellschaftliche Frage. Die Frauen sind nicht ermutigt worden, das waren Einzelerscheinungen.
Aber habt ihr euch aktiv nach Frauen umgeschaut?

Thurnher: Ja, habe ich. Doris Knecht war als meine Nachfolgerin im Gespräch. Sie ist aber im Zuge der Abgangswellen dem Falter abhandengekommen. Damals haben uns andere Medien unsere Leute -die besser waren, aber schlechter verdienten - abgeworben. Die Frage nach dem Wieso ist eine des Angebots: Weil sich an den Schulen, an den Universitäten und im Journalismusstudium jetzt viel mehr Frauen zeigen.

Vielleicht hatte es auch etwas mit dem Image des Falter zu tun, der als Männer-Partie verschrien war. Es gab Zeitungscover mit der Zeile "Wir haben gebumst". So ein pubertärer, männlicher Humor kam eventuell bei Redakteurinnen nicht so gut an.
Thurnher: Es gab ein unglaublich doofes Profil-Cover, da stand drauf: "Wir haben gekifft", mit Bildern von Leuten, die gekifft haben. Dann haben wir uns gefragt, wie kann man das mit was noch Blöderem toppen. Die Frauen waren davon auch begeistert, das war nicht nur ein Macho-Schmäh. Aber natürlich nehme ich als alter weißer Mann alles auf mich, was Frauenfeindliches in der Falter-Geschichte passiert ist. Ich bekenne mich zu allen Daten und Taten.

So ein Cover gäbe es heute vermutlich nicht mehr. Sind wir prüder geworden?
Thurnher: Ja, ein bisschen mehr Kessheit kann ich mir schon vorstellen.

Auch wenn es Leute beleidigen würde?
Thurnher: Ich finde, man kann gar nicht so viele Großmütter haben, wie man sie für Witze verkaufen müsste.

Und wie hältst du es mit dem Feminismus?

Thurnher: Alle Frauen, mit denen ich in meinem Leben gelebt habe, haben mich sehr kritisch gesehen. Ich gehe auch nicht wie manche Politiker her und sage halb ironisch: "Ich bin Österreichs erster Feminist." Es ist etwas differenzierter. Ich bin kein Anhänger der Theorien von Judith Butler, aber grundsätzlich sind die Anliegen des Feminismus für Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit.

Also bist du kein Queerfeminist?
Thurnher: Ich halte Identitätspolitik in der Tat für ein Problem. Ich bin für die Rechte von allen Menschen, mit allen möglichen Chromosomen. Aber ich glaube, Identitätspolitik wird in ihrer Wichtigkeit deutlich übertrieben.

Auch im Journalismus?
Thurnher: Gerade im Journalismus. Es sind wichtige Themen, die eine Bedeutung haben für bestimmte Gruppen und nicht unterdrückt werden sollen. Aber Journalismus ist auch die Kunst der Verhältnismäßigkeit. Wichtiger als die Ausgewogenheit ist, dass man ein Gefühl dafür entwickelt, wie bedeutend welche Themen sind - und wo wir diese Bedeutungshierarchie brechen. Wenn es für viele Jugendliche ein psychologisches Problem ist, dass ihre Gefühle der Geschlechtsidentität nicht ernst genommen werden, dann ist es ein gesellschaftliches Problem, über das berichtet werden muss. Etwas anderes ist, sich als Dauerthema dranzuhängen.

Queerfeministinnen würden sagen, dass Themen wie Trans-Identitäten auch dem Rest der Gesellschaft etwas erzählen. Indem man reflektiert, was Geschlechterkonventionen mit unserer Welt machen. Thurnher: Das kann man aber von jedem Thema sagen: Klima

Ist auch ein wichtiges Thema!
Thurnher: oder Klassenbeziehungen. Man muss gewichten.

Stichwort Kapitalismus. Der Falter war in seiner Ursprungsidee links, radikal und damit antikapitalistisch. Du hast als Eigentümer aus der Zeitung dann ein Geschäftsmodell gemacht. Wie schlägt man Profit aus etwas, das per definitionem nicht profitabel sein will?
Thurnher: Ja, das ist ein Widerspruch. Ich bezeichne mich gerne als linken Kapitalisten. Von 25 des Falter-Redaktionskollektivs blieben in den frühen 80ern sechs übrig, die bereit waren, bei der Bank zu unterschreiben, dass sie für eine Million Schilling haften. Irgendwann dachte ich mir, wenn ich so viel Risiko auf mich nehme und verschiedene Karrieren ausschlage, dann will ich wenigstens ein Kapitalist sein. Aber in Summe haben sich die Gewinne in Grenzen gehalten. Wenn wir die Gesetze des Medienkapitalismus eingehalten hätten, dann hätten wir das Ding relativ früh verkauft. Wir waren aber schon happy mit einer schwarzen Null. Linker Kapitalismus deshalb, weil wir nicht nur an die Verwertungsinteressen des Kapitals dachten, sondern auch an den gesellschaftlichen Wert.

Du hast 20 Jahre lang deine Falter-Kolumne mit den Worten: "Im Übrigen bin ich der Meinung, der Mediamil-Komplex muss zerschlagen werden" geschlossen. Mit "Mediamil" ist die Mediaprint gemeint, die Krone und auch Profil verlegt. Wieso hast du damit angefangen und wieso wieder aufgehört?
Thurnher: Hans Dichand, der Herausgeber der Kronen Zeitung, hatte das Pseudonym Cato, nach dem römischen Feldherrn. Cato stellte ans Ende jeder Rede den berühmten letzten Satz: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zu zerstören ist." Cato alias Dichand hat aber nie so etwas geschrieben. Also hab ich gesagt, den letzten Satz spendier' ich ihm. Es wurde damals als sehr mutig angesehen, gegen die Kronen Zeitung aufzutreten. Ich wusste, das bedeutet ein individuelles Karriereverbot. Die Macht des Dichand hat so weit gereicht, dass kein österreichischer Verleger oder auch Politiker sich getraut hätte, mich in eine Position zu hieven, wenn Dichand dazu Nein sagt. Es hat mir aber auch gefallen, etwas zu sagen, das verrückt ist und nie ausgesprochen wird. Die Dichands betreiben immer noch -um das Wort Mafia zu vermeiden -ein "familiöses" Spiel. Nach 20 Jahren habe ich mit dem Satz aufgehört, weil er mir langweilig geworden ist.

Würdest du sagen, dein Satz hat was gebracht?
Thurnher: Er hat uns einen Prozess gebracht, der den Falter fast umgebracht hätte. Andererseits auch viel Zuspruch und Solidarität - und damit Reichweite und Abos.

Du bist ein dezidierter Kritiker der Social-Media-Konzerne und von deren Datenausbeutung. Selbst bist du aber etwa auf Twitter bzw. X sehr aktiv. Und zwar im Sinne einer paradoxen Intervention: Du sprichst von dir nur in der dritten Person, also als Büro Thurnher. Bedient das nicht denselben Narzissmus wie das Ich, also die erste Person?
Thurnher: Der Narzissmus ist ein Höllteufel, der einen erwischt und dem man nicht entkommt, sobald man den kleinen Finger in Social Media hineinsteckt. Nachdem ich auch als Buchautor tätig bin und in Deutschland als Kommentator angefragt wurde, habe ich eines Tages bemerkt, das Interesse lässt nach. Ich habe mich gefragt, ob das Ageismus ist oder meine geistigen Fähigkeiten nachlassen. Aber nein, die deutschen Kollegen schauen auf Social Media, und wenn man dort nicht präsent ist, existiert man nicht.

Allerdings ist X seit Elon Musks Übernahme sehr problematisch. Immer mehr bekannte Journalisten legen ihre Accounts still.
Thurnher: Ich habe vorsichtshalber schon ein Füßchen bei Bluesky in der Tür. Musk rückt die Rechten auf X in den Vordergrund und dämpft die Linken eher ab. Es interessiert mich, mir das anzuschauen. Ich versuche jedoch, den narzisstischen Zeigefinger wenigstens unter der Tischkante zu halten oder nur auf den Tisch zu klopfen, aber ihn nicht ganz zu hoch hinauszustrecken.

Der Falter galt in der Regierungszeit von Sebastian Kurz als Feindmedium. Ist das immer noch so mit der aktuellen ÖVP?
Thurnher: Das glaube ich schon. Der Begriff des Feindmediums stammt von Carl Schmitt, also dem Kronjuristen der Nazis. Dessen Grundthese war, dass es in der Politik keine Gegner gibt, sondern nur Freund und Feind. Dem hat sich die ÖVP angeschlossen, wahrscheinlich ohne Carl Schmitt zu kennen. Bei der früheren Inseratenkorruption unter der Regierung Schüssel war es so, dass es politische Gegner gab, die nicht völlig auszuschließen und auszumerzen waren. Kurz aber hat die Inserate für den Falter einfach gestrichen.

Weil wir gerade von Feindbildern sprechen: Was verkörpert Wolfgang Sobotka, der Präsident des Nationalrates, für dich? Du forderst auf Twitter täglich seinen Rücktritt.
Thurnher: Der Sobotka ist eine vollkommen unmögliche Operettenfigur, der in der Politik als Bezirkshauptmann wahrscheinlich über seine Fähigkeiten besetzt wäre. Das jemand so konsequent - trotz all seiner bewiesenen Fehler, Pleiten, Unfähigkeiten und Gemeinheiten - immer weiter nach oben fliegt und sich dabei so derart großartig vorkommt, scheint mir wirklich etwas Bizarres. Ich finde den ja in Wirklichkeit fast schon liebenswert in seiner Bizarrerie.

Solche Figuren gibt es in Österreich allerdings viele. Was macht Sobotka besonders?
Thurnher: Gerade diese eingebildete Kulturkompetenz. Er ist firm in klassischer Musik, ein Dirigent, und das bezieht er dann auf alles. Aber wenn er etwas sagt, dann sagt er es so, dass man es nicht versteht, weil er die Syntax nicht beherrscht und weil die Sprache mit ihm davongaloppiert.

Sobotkinesisch nennst du das.

Thurnher: Ja, daraus muss man dann rückübersetzen. Manchmal benennt er die Dinge, wie sie sind. Etwa, wenn er sich bei Wolfgang Fellner ins Fernsehen setzt und von Gegengeschäften mit Inseraten spricht. Er decouvriert sich dauernd, macht sich lächerlich und in Wirklichkeit äußert er die ganze Zeit nur Bullshit. Das ist so jenseits von Österreich, dass es schon wieder urösterreichisch ist und mir deswegen wahnsinnig auf die Nerven geht.

Apropos Sprache: Woher kommt deine Vorliebe für den Hexameter?
Thurnher: In der Schule hatte ich acht Jahre Latein und sechs Jahre Griechisch. Ich wurde durch Übersetzungen sozialisiert, die oft in Hexametern sind. Schon als Schüler habe ich mir angewöhnt, zu Anlässen so halblustige Sachen zu schreiben. Das strengere Versgerüst bietet die Möglichkeit, Dinge zu sagen, die sonst vielleicht trivial wären, die aber in dem rhythmischen und musikalischen Klang akzeptiert werden. Der erste Anlass war, eine Preisrede in Hexametern zu schreiben. Dann kamen die Todesnachrichten und damit die Trauerreden.

Du spielst selbst sehr gut Klavier. Wie wichtig ist dir Musikalität in journalistischen Texten?
Thurnher: Jeder Text ist eine Komposition. Am besten sind Texte, die Schwung haben. Der erste Satz ist entscheidend. Das ist wie der musikalische Auftakt. Es gibt Auftakte, die sind ganz still und schleppend, sind absichtlich dissonant. Dann gibt es eine Pause und es geht frisch dahin. Das Tempo sollte auch dem Gegenstand angemessen sein.

Vergeht dir nie die Lust am Schreiben? Du schreibst täglich deine Seuchenkolumne und jede Woche deinen Kommentar "Seinesgleichen".
Thurnher: Es ist im Gegenteil eine Sucht. Das Schreiben ist habituell, es oszilliert zwischen Lust und Last. Solange ich schreibe, lebe ich.

Und solange du lebst, schreibst du.
Thurnher: So ist es.

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Über den Autor

Armin Thurnher, geboren 1949 in Bregenz, ist Mitbegründer, Chefredakteur und Herausgeber der Wiener Wochenzeitung FALTER. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem den Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz, als erster Nicht-Deutscher den Otto-Brenner-Preis für seinen Einsatz für ein soziales Europa und den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch für sein Lebenswerk. Thurnher ist Autor einer Vielzahl an Büchern. Im Falter Verlag erschienen seine politischen Kommentare „Seinesgleichen“ und das mit Irena Rosc verfasste Kochbuch „Thurnher auf Rezept“. Seine Kolumne „Seinesgleichen geschieht“ erscheint seit 1983 jede Woche im FALTER.

Alle Bücher von Armin Thurnher