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Gutachtenerstellung: Zu welchem Zeitpunkt darf ich das Honorar fordern?

Autor: Sebastian Drießen

Mit ihrer Gutachtenerstellung gehen Sachverständige in der Regel in Vorleistung. Fahrtzeiten, Erfassungszeiten, Berechnungszeiten, Softwarezeiten und natürlich die Zeiten am Kunden werden meist bereitwillig investiert, das Gutachten übermittelt und die Rechnung erst im Nachhinein gestellt.
Gelegentlich aber vereinbaren Sachverständige mit neuen Auftraggebern, dass das Gutachten erst überreicht wird, wenn das vereinbarte Honorar bezahlt worden ist. Es gibt ebenfalls Fälle, in denen Gutachten mit Wasserzeichen (die etwa „Entwurf“ besagen) auf jeder Seite an den Auftraggeber übermittelt werden. Erst, wenn der Auftraggeber die Rechnung beglichen hat, erhält dieser die finale Fassung. Auch die Übersendung des Gutachtens per Nachnahme soll in dem Zuge schon erfolgt sein. Es gibt noch weitere derartiger Ausgestaltungen – aber sind diese überhaupt rechtlich zulässig? Darf der Sachverständige das vereinbarte Honorar verlangen, bevor er das Werk übergeben hat?

Zum rechtlichen Hintergrund
Gutachten gelten als Werk und unterliegen demnach dem Werkvertragsrecht des BGB (§§ 631 ff.) Gemäß § 641 ist die Vergütung erst mit der Abnahme des Werkes fällig. Dabei ist mit Abnahme des Werkes nicht die Übergabe im Sinne der Aushändigung bzw. des Überreichens des Werkes (in unserem Falle des Gutachtens) gemeint, sondern die Erklärung des Auftraggebers, dass das Werk frei von wesentlichen Mängeln (Sach- und Rechtsmängel) ist. Unwesentliche Mängel – wie z.B. Rechtsschreibfehler – gelten nicht als Mangel.

Kann der Auftraggeber die Abnahme hinauszögern?
Nein. Der Auftraggeber ist verpflichtet, das mangelfreie Werk abzunehmen. Als abgenommen gilt ein Werk nach § 640 Abs. 2 BGB auch dann, wenn der Sachverständige dem Auftraggeber nach Übergabe des Werkes eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Gegenüber Verbrauchern ist der Sachverständige verpflichtet, auf diese Umstände in Textform hinzuweisen, damit die Rechtsfolgen eintreten können. Für die Prüfung, ob ein Mangel vorliegt, muss der Sachverständige dem Auftraggeber eine angemessene Prüffrist einräumen. Bei Gutachten sollten hier drei Wochen als ausreichend gelten, ein Zeitraum, in dem sich der Auftraggeber ggf. auch mit einem Experten besprechen kann. Üblicherweise wird die Rechnung zusammen mit dem Gutachten übergeben, muss rechtlich jedoch erst nach Mangelprüfung beglichen werden – sofern keine wesentlichen Mängel festgestellt werden. Einige Sachverständige vereinbaren mit Gutachtenübergabe einen Gesprächstermin mit dem Auftraggeber, um ihm die Möglichkeit zu geben, nach Durchsicht des Gutachtens in einem persönlichen Gespräch Unklarheiten anzusprechen oder allgemeine Fragen zu stellen. Nach einem solchen Termin steigt i.d.R. die Kundenzufriedenheit und damit auch die Bereitschaft, die Rechnung zeitnah zu begleichen.

Was vereinbart werden kann
Grundsätzlich kann natürlich individuell vereinbart werden (d.h. über einen Individualvertrag oder eine Individualvereinbarung), dass die Vergütung vor Übergabe des Werkes erfolgen muss. Eine solche Regelung müsste dann aber im Zweifel als „individuell ausgehandelt“ bewiesen werden und zudem dürfte aufgrund des Verbraucherschutzes eine solche – auch individuelle – Vereinbarung mit Verbrauchern eher als unzulässig angesehen werden.
Möglich und insbesondere bei neuen Auftraggebern gegebenenfalls angeraten ist jedoch die Vereinbarung eines Vorschusses. Dieser kann sogar in die AGB (Sachverständigenvertrag) aufgenommen werden und muss nicht individuell ausgehandelt werden.

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