Einfluss der Umgebung: Temperatur

Die Temperatur ist der größte Feind in der Längenmesstechnik.

Jeder Werkstoff dehnt sich aus bzw. zieht sich zusammen, wenn sich seine Temperatur ändert.

Temperatur beeinflusst die Länge
Temperatur beeinflusst die Länge

Der Betrag der Ausdehnung hängt von der Temperatur und vom Material ab.. Er wird über den Längenausdehnungskoeffizienten α angegeben.

MaterialKoeffizient α in 10-6/K
Aluminium23
Stahl13
Silber19,5
Kunststoff: PVC (steif)50
Kunststoff: PMMA85
Längenausdehnungskoeffizient für verschiedene Materialien (Auszug aus https://www.chemie.de/lexikon/Ausdehnungskoeffizient.html)

Die Längenausdehnung berechnet sich folgendermaßen:

deltaL = α * L * deltaT

Beispiel-Rechnung

Die Länge einer Stahlwelle mit L = 1,5 m Länge (bei 20°C) wird gemessen. Die Temperatur während der Messung beträgt 22°C. Welche Längenänderung ist zu erwarten.

L = 1,5 m

deltaT  = 2°

α = 13,0 * 10-6/K

deltaL = (13,0 *10-6) * 1,5 * 2 = 39*10-6  m = 0,000039 m = 0,039 mm

Es ergibt sich eine Längenänderung von 39 Mikrometer.

Was ist das korrekte Maß: 1,5 m = 1500 mm oder 1500,039 mm?

Lösungsansatz: Bezugstemperatur

Dieses Problem lässt sich lösen, indem man eine Bezugstemperatur vereinbart. Die Bezugstemperatur ist die Temperatur, für die die Maße auf der Zeichnung gelten. Die Bezugstemperatur ist genormt und in ISO 1 und DIN 102 auf 20°C festgelegt.

Misst man also bei 20°C, ist alles im grünen Bereich. Leider ist die Umgebungstemperatur nicht konstant. Sie ändert sich je nach Jahreszeit und Tageszeit. Das bedeutet, dass wir nur in einem klimatisierten Raum die konstanten Umgebungsbedingungen haben, um exakt zu messen.

Beachten Sie, dass sich nicht nur das Werkstück bei Temperaturänderungen ausdehnt. Wir müssen alles betrachten, dass der Anteil an der Messung hat:

  • Werkstück
  • Messgerät
  • Taster
  • Einmessartefakt (= Einmesskugel)

Die Temperatur dieser vier Kandidaten ist nicht per Definition konstant, nur weil sie sich in einem klimatisierten Messraum befinden.

Das Werkstück

Das Werkstück kommt aus der Fertigung. Im schlechtesten Fall ist es vom letzten Fertigungsvorgang noch deutlich erwärmt. Das Werkstück muss sich erst einmal auf die 20°C des Messraums angleichen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur die Oberflächentemperatur 20°C beträgt, sondern auch die Kerntemperatur. Die Kerntemperatur ist nur schwer zu messen. Deshalb sollten die Werkstücke im Zweifelsfall über Nacht im Messraum gelagert werden, bevor mit der Messung begonnen wird.

Das Messgerät

Das Koordinatenmessgerät (kurz: KMG) steht im Messraum. Von daher geht man davon aus, dass es auf Bezugstemperatur ist. Aufpassen muss man, wenn das KMG über Nacht oder über das Wochenende ausgeschaltet war. Durch das Anschalten werden Steuerung und Motoren mit Strom versorgt. Das sorgt für eine Wärmeabstrahlung. Diese ist im Normalbetrieb zwar auch vorhanden. In dem kalten Zustand der Maschine sorgt das für eine Erwärmung. Am besten also das KMG über Nacht oder über das Wochenende angeschaltet lassen. Bei längerer Abschaltung (z.B. Betriebsurlaub) sollte nicht direkt nach dem Einschalten gemessen werden, sondern dem KMG eine „Warmlaufzeit“ eingeräumt werden.

Zahnradnormal auf KMG
Koordinatenmessgerät (kurz: KMG)

Was man ebenfalls beachten muss: Bläst die Klimaanlage auf das KMG? Der Luftzug durch die Klimaanlage, den wir als Menschen im Auto als unangenehm empfinden, wirkt sich auch auf das KMG negativ aus. In der Regel macht sich das in der Z-Achse bemerkbar. Hier ist bei der Klimaanlage nicht nur auf die konstante Temperatur zu achten, sondern auch darauf, dass das Messgerät nicht direkt angeblasen wird. Je indirekter die Klimaanlage arbeitet, umso besser.

Klimaanlage
Klimaanlage

Taster und Einmessartefakt

Beide sind vergleichbaren Wärmeeinflüssen unterworfen. Unter welchen Temperaturbedingungen werden sie gelagert? Unterscheiden sich diese von der Messraumtemperatur. Ein anderer Temperatureinfluss ist der Mensch. Die Tasterkonfiguration wird von Hand zusammengeschraubt.

Taster mit Einmesskugel

Das Einmessartefakt wird von Hand auf dem KMG-Tisch befestigt. Die menschliche Körpertemperatur liegt bei 37°C. Das ist eine deutliche Temperaturdifferenz zur Bezugstemperatur von 20°C. Auch hier sollte nach der Handhabung von Taster und Einmesskugel nicht sofort eingemessen werden, sondern die Möglichkeit zur Abkühlung gegeben werden.

Fazit

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die man nicht bedenkt beim Temperatureintrag. Allein die eigene Körpertemperatur bei der Handhabung von Tastern, Einmessartefakt, Werkstück kann die Messung beeinflussen. Natürlich muss man das alles relativ sehen. Es kommt darauf an, wie genau man messen muss. Wenn man sich die o.g. Einflüsse bewusst macht, kann man mit wenig Aufwand Temperatureinflüsse auf das Messergebnis vermeiden.

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